WIRTSCHAFT
Totalschäden und Export von Werkstattarbeit Über Totalschäden, „fehlende“ Altautos, aus Österreich in EU-Länder mit billigeren Löhnen entführte Arbeit und nach Reparatur wieder heimgekehrte Autos sprach eine Runde mit Innung, SV-Präsident und Garanta-Boss. Von Dr. Nikolaus Engel und Matthias Pilter
D
as Internet hat Schadenabwicklung und Wrackthematik verschärft“, weiß Hans Günther Löckinger, Geschäftsführer der Garanta Österreich: „Früher hat man im Schadenfall den unabhängigen Sachverständigen gehabt, der den regionalen Restbzw. Havariewert festgestellt hat. Danach wurde das Fahrzeug dem Zustand entsprechend verwertet. Heute lassen sich auf dem Onlinemarkt, zu dem mehr Anbieter Zugang haben, höhere Wrackpreise erzielen.“
Zahl der Totalschäden nimmt zu Dadurch steige automatisch auch die Anzahl wirtschaftlicher Totalschäden. Früher stellte sich weniger die Frage, ob repariert wird oder nicht. „Es wurde repariert!“, so Löckinger. Für die Versicherungen wurden die Reparaturen immer mehr zum finanziellen
Faktor, wie beim Versicherungsverband gelistete 800.000 Kasko- und 550.000 Haftpflichtschäden pro Jahr zeigen. „Werden nur 10 Prozent dieser Schäden theoretisch nicht mehr repariert, weil es für den wirtschaftlich geschädigten Versicherer günstiger ist“, rechnet Löckinger vor, „entgeht den österreichischen Werkstätten ein ordentliches Volumen.“ Die schleichende Veränderung bekomme der einzelne Betrieb in der Regel nicht so mit. Bei Haftpflichtschäden, deren Abwicklung gesetzlich und durch die Rechtsprechung normiert sei, dürfen die gewerblichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert um 10 bis 15 Prozent überschreiten. Früher – ohne
54
Dipl.-oec. Andreas Westermeyer (l.), Referent der Bundesinnung der Fahrzeugtechnik, und Hans Günther Löckinger, Geschäftsführer der Garanta Österreich
Wrackbörse – sei es weniger oft passiert, dass den Kunden geraten wurde, sich anstelle einer Reparatur ein neues Auto zu kaufen. „In der Haftpflicht spielen der Restwert und auch die Entwicklung mit den Wrackbörsen nicht so die große Rolle für das Entscheidungskalkül Totalschaden oder nicht“, so Dr. Wolfgang Pfeffer, Präsident der Sachverständigen SV-Union: „Denn der Versicherte kann auf die Reparatur bestehen.“ Im Kaskofall sehe dies aufgrund der freien Vereinbarungsmöglichkeit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer anders aus: „Die Bedingungen der Versicherungsunternehmen sind einfach zu unterschiedlich“, dies ließe auch Spielraum für unterschiedliche Einstufungen als Totalschaden. So ist im Kaskofall der Totalschaden dann eingetreten, wenn die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert kleiner ist als die Reparaturkosten wären. Garanta empfehle nicht nur den Kfz-Betrieb als Experten für Mobilität, sondern überlasse bei Unfallreparaturen bis über 100 Prozent des Zeitwerts dem Kunden die Entscheidungsfreiheit, ob er sein Auto behalten wolle oder nicht. „Viele Totalschäden sind künstlich gemacht“, ist Komm.-Rat Friedrich Nagl, Bundesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik, überzeugt. Ein großes Problem sieht Dipl.-oec. Andreas Westermeyer, Referent der Bundesinnung der Fahrzeugtechnik, darin, dass Kunden meist ungelesen AGBs akzeptieren: „Jeder unterschreibt jeden Tag viele Allgemeine Geschäfts-
AUTO & Wirtschaft • SEPTEMBER 2016