7 minute read

Interview: Dr. Christian Weingärtner Leiter Marketing & Verkauf DACH, Ford

Dr. Christian Weingärtner im Gespräch mit aboutFLEET-Chefredaktor Rafael Künzle.

«Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes»

Im Rahmen der «Road to Electrification»-Roadshow in München waren neben den neusten Modellen von Ford auch die für die Fahrzeuge Verantwortlichen zugegen. aboutFLEET sprach mit Dr. Christian Weingärtner, der dieses Jahr das Steuer in Marketing und Verkauf in der Dachregion übernahm. Interview: Rafael Künzle

Sie sind seit dem 1. Februar 2022 Geschäftsführer Marketing und Verkauf der Ford-Werke GmbH sowie seit dem 1. Januar 2022 Geschäftsführender Direktor für Ford Deutschland, Österreich und die Schweiz. Gibt es Besonderheiten in Bezug auf die Ansprüche der Kunden in den einzelnen DACH-Ländern, beispielsweise jene der Schweizer? Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes, auch in Bezug auf die Fahrzeugvorlieben. So bevorzugen die Schweizer und Schweizerinnen beispielsweise aufgrund der höheren Kaufkraft die Top-Ausstattungen, grössere Batteriekapazitäten und natürlich Allrad. Deshalb steuern wir den Vertrieb nicht ausschliesslich von Köln aus, sondern in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kollegen vor Ort.

Sie haben einst in Zürich studiert. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen? Viele Freunde, gutes Essen, das Skifahren und natürlich die Natur. Deshalb passt Ford auch perfekt zur Schweiz, da kaum ein anderes Land unsere Werte wie Abenteuer oder Freiheit so gut verkörpert wie die Schweiz. eins bei den Nutzfahrzeugen. Kommt die E-Offensive des Konzerns gelegen oder riskiert man allfällig den Thron, da man ab 2024 sämtliche Nutzfahrzeuge elektrifiziert (BEV und PHEV) anbieten will? Wir werden ab 2024 nicht ausschliesslich elektrifizierte Nutzfahrzeuge anbieten, sondern für jedes Modell eine elektrifizierte

«Wir wollen uns als Marke noch viel eigenständiger positionieren. Damit die Menschen bei Schlagwörtern wie Freiheit und Abenteuer automatisch an Ford denken.»

Variante in petto haben. Unser Ziel ist es, ab 2030 zwei Drittel der Nutzfahrzeuge mit Stecker zu verkaufen, ergo bieten wir unseren Kunden auch dann noch Nutzfahrzeuge mit konventionellen Antrieben. Den Startschuss zur Elektrifizierung legte der Mustang Mach-E. Ein hochwertiges Fahrzeug, welches den Premiumherstellern die Stirn bietet. Strebt man mit dem Umstieg auf die E-Mobilität auch den Ausstieg aus der Mittelklasse an? Nein. Wir bauen heute kleine, mittlere und grosse Autos, und wir werden dies auch morgen tun. Die kleinen und mittleren Fahrzeuge sind naturgemäss günstiger als ein grosses Fahrzeug wie der Mustang Mach-E. Ford wird auch weiterhin ein breites Modellportfolio bieten. Aber wir wollen uns als Marke noch viel eigenständiger positionieren. Damit die Menschen bei Schlagwörtern wie Freiheit und Abenteuer automatisch an Ford denken. Gut möglich, dass einige Kunden unsere neuen Fahrzeuge etwas zu pointiert finden und woanders hingehen. Aber es wird mit Sicherheit viele alte und neue Kunden geben, die unsere neuen Autos superspannend finden.

Mit dem E-Transit geht nun auch das erste rein elektrische Nutzfahrzeug an den Start. Vor der Markteinführung wurde es zu Testzwecken an Unternehmen zur Verfügung gestellt. Wie viel Einfluss hatten deren Feedbacks letztlich?

Die Feedbacks der Flottenkunden haben vor allem Einfluss auf praktische Aspekte. Beispielsweise, wo der Ladeanschluss aus Kundensicht am besten angebracht wird. Für solche Rückmeldungen sind wir sehr dankbar und setzen diese dann auch um.

Mit Ford Pro, welches nun in Europa an den Start geht, will man sich ganz in den Dienst europäischer Nutzfahrzeugkunden stellen. Weshalb braucht es Ford Pro? Historisch gesehen haben wir immer Autos verkauft. Mit der Elektrifizierung und der Digitalisierung eröffnen sich uns neue Möglichkeiten, die über das eigentliche Fahrzeug hinausgehen. Wir wollten aber bewusst nicht irgendwelche Services aufbauen, die weit weg vom Auto sind. Dann hätten wir auch eine E-Roller-Vermietung machen können.

Was Ford ja auch getan hat … Stimmt, aber da sind wir ja schnell wieder ausgestiegen. Denn das Auto ist das Herzstück von Ford, wobei Themen rund um das Fahrzeug, wie beispielsweise die Ladeinfrastruktur, hinzukamen. Man hatte vor der Digitalisierung auch keine Möglichkeit, Services wie «Ford Liive» zu bieten, das gab es schlicht nicht. Deshalb gingen wir der Frage nach, was dem Kunden wirklich etwas bringt, was wir besser können als irgendeine andere Firma da draussen. Ich behaupte, da wir die Fahrzeugdaten unserer Kunden und Händler besser kennen als jeder andere, können nur wir Services wie «Ford Liive» bieten.

Die Services sind momentan ausschliesslich für den NFZ-Bereich erhältlich, richtig? Ja. Irgendwo müssen wir schliesslich anfangen. Im Nutzfahrzeugsegment ist die Nichtverfügbarkeit eines Fahrzeugs einer der grössten Kostenpunkte, neben der Leasingrate, der Abschreibung oder dem Treibstoff. Diese Nichtverfügbarkeit von Nutzfahrzeugen wollen wir ausmerzen. Für den Kunden ist dies ein echter Businesscase, da der Kunde mehr Geld verdient, wenn die Fahrzeuge einsatzbereit sind. Deshalb sind viele Nutzfahrzeugkunden auch gerne bereit, etwas zu bezahlen für unsere Services.

Vier E-Nutzfahrzeuge und drei PWs werden bis 2024 im Rahmen der «Road to Electrification» folgen. Zwei Fahrzeuge sollen im kürzlich zum Electrification-Center ausgebauten Standort in Köln produziert werden. Wie wichtig ist die Rückendeckung für Ford Europa und seine Kunden? Es ist für alle wichtig. Für die Mitarbeitenden, weil es ein klares Signal ist, dass Ford gewillt ist, in Europa massiv zu investieren. Für die Kunden, weil die Fahrzeuge hier gebaut werden. Auch für Ford als globales Unternehmen ist es wichtig, in Europa gut vertreten zu sein. Und nicht zuletzt für die Stadt Köln ist das Electrification Center wichtig, da wir der grösste Arbeitgeber in der Region sind.

Geplant ist auch eine neue Produktionsstätte der NFZ-Batterien in Europa. Weshalb entschied man sich zu diesem Schritt? So eine Batterie ist ja kein Leichtgewicht. Wenn wir diese stets über den Ozean schiffen müssen, macht dies weder ökologisch noch ökonomisch Sinn. Deshalb haben wir uns entschieden, zusammen mit dem südkoreanischen Batteriehersteller SK On und seinem türkischen Joint-Venture-Partner Koc Holding ein Batteriewerk in der Türkei zu errichten.

Wie sieht es denn momentan aus in den Lieferketten? Wir sind von der Lieferproblemen so betroffen wie alle anderen Hersteller auch. Die Situation ist momentan nicht einfach, aber den Kopf in den Sand stecken bringt nichts.

Gibt es Pläne, neben der Batterieproduktion auch andere Bereiche näher ranzuholen? Es gibt zahlreiche Überlegungen, die man sich aber auch in der Vergangenheit gemacht hat. Es gab stets unterschiedliche Bewegungen. Einst erachtete man die Globalisierung als Schlüssel zum Erfolg, dann ging es aufgrund von höheren Löhnen in Drittländern wieder in eine andere Richtung. Ich glaube, diesbezüglich wird sich in den nächsten Jahren noch ganz viel entwickeln. Es gibt aber sicherlich einen gewissen Regionalisierungstrend in der Industrie.

«Ich sehe sowohl für synthetische Kraftstoffe als auch für den Wasserstoff kaum Chancen, da deren Herstellung enorm energieintensiv ist»

Bis 2030 soll die gesamte PW-Palette vollelektrisch werden. Wann ist für die Nutzfahrzeuge der endgültige Verbrennungsmotor-Ausstieg geplant? Es ist noch kein konkretes Datum festgelegt worden, da dieses auch von der Gesetzgebung abhängt. Wir werden aber prinzipiell so lange konventionelle Nutzfahrzeuge anbieten, wie dies von den Kunden gewünscht wird. Auf der PW-Seite gehen wir davon aus, dass der Wunsch nach einem Verbrenner am Ende der Dekade ohnehin sehr niedrig sein wird.

In anderen Kontinenten ist die E-Mobilität aber noch längst nicht so weit. Stimmt. In Europa wird der Wandel zur EMobilität zweifelslos reibungsloser funktionieren als anderswo, weshalb wir uns entschieden haben, im Rahmen von «Ford Blue» konventionelle Motoren auch künftig weiterzuentwickeln.

Momentan fährt in der Schweiz aber noch über die Hälfte der Autos konventionell, da viele Menschen keine Lademöglichkeit zu Hause haben, Stichwort Laternenparker. Wenn wir uns anschauen, was die Menschheit schon so alles geschafft hat, wüsste ich nicht, weshalb wir dieses Problem nicht auch meistern werden.

Was ist mit synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff? Ich sehe sowohl für synthetische Kraftstoffe als auch für den Wasserstoff kaum Chancen, da deren Herstellung enorm energieintensiv ist. Bei der E-Mobilität haben wir einen Wirkungsgrad von 75 %, beim Wasserstoff sind es gerade mal 25 %, da man Wasserstoff erst mal produzieren, transportieren und lagern muss. Bei den synthetischen Kraftstoffen beträgt der Wirkungsgrad marginale 5 %, was sich schlicht nicht rechnet. Es ist schon so viel Geld in die E-Mobilität geflossen, da glaube ich nicht, dass nochmals eine Änderung der Kursrichtung erfolgt.

Ford will amerikanischer werden und Autos für Freizeit und Abenteuer produzieren. Bleiben da die Unternehmen auf der Strecke, welche in erster Linie auf die TCO achten? Nur weil ein Auto schön und spannend ist, muss es ja keine schlechteren TCO haben. Wir hätten anstelle des Mustang Mach-E auch ein langweiliges Auto bauen können, das wäre aus TCO-Sicht aber auch nicht besser gewesen. Die Frage ist doch, was wir «on top» zum eigentlichen Fahrzeug bieten, aufgrund dessen unsere Kunden letztlich zu einem Ford greifen. Deshalb sollen unsere Autos selbstbewusster auftreten.

Auch der Vertrieb soll mittels Agenturmodell neu ausgerichtet werden. Wie haben die Händler darauf reagiert? Wir haben dies unseren Händlern offen kommuniziert, die Feedbacks waren natürlich sehr gemischt. Ein Drittel sieht darin eine Chance, ein Drittel ist unschlüssig und ein Drittel findet es nicht gut. Es ist also nicht so, dass man mit dem Agenturmodell alle Händler gegen sich aufbringt. Das Modell birgt Vorteile für alle Parteien. Klar, Händler, die sich bislang nur über den Preis differenziert haben, werden kaum Freude daran haben. Wer sich aber über eine gute Beratung differenziert und die Kunden gut betreut, ist mit dem Agenturmodell besser unterwegs als momentan.

This article is from: