2016 12 Asphalt

Page 1

2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

12 16 8 Seiten mehr: Siegertexte des Schreibwett­ bewerbs

FROHES FEST ENTZAUBERT

Daniel Radcliffe über das Leben nach Harry Potter.

ENTRECHTET

Häftlinge gründen Knast-Gewerkschaft.

ENTFACHT

Diskussion um Bettler in der Innenstadt.


4

Notizblock

6 Angespitzt 7

Zauberhaft erwachsen

Interview: Daniel Radcliffe ist jetzt längst nicht mehr Harry Potter.

11 Niemals ohne Baum

Fast 30 Mio. Bäume stehen jährlich in deutschen Wohnzimmern.

14 Briefe an uns 15 Wer war eigentlich …? 16 Lebenslang

Ohne Urteil: Nach der Haft bleiben viele ohne Rente und sind so doppelt bestraft.

20 Aus dem Leben

von Asphalt-Verkäuferin Eileen.

22 Wir verlosen Karten für den Zoo 23 Weihnachten nicht alleine: Offene Angebote 24

Keiner bettelt gern

Die stille Bitte in der Fußgängerzone um Almosen ist ein Jedermansrecht. Und muss es bleiben.

26 Aus der Szene 27 Das muss mal gesagt werden 28 Rund um Asphalt 32

Die Siegertexte

Gewinnerbeiträge des Asphalt-Schreibwettbewerbs.

40 Die Lesebühne

Hartmut El Kurdi: Die Oma-Patrouille

42 Buchtipps 43 Dezember-Tipps 46 Impressum/Ihr Engagement

Titelfoto: MMchen/photocase

47 Silbenrätsel

Das Asphalt-Prinzip

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung.


Weihnachten werden die Geschenke bei uns von meinem Gefühl her teurer. Da geht es um ein Smartphone, um einen Beitrag für einen Führerschein. Schön, dass das bei uns geht. Ich freue mich darüber. Doch völlig klar ist, dass der Gabentisch bei vielen deutlich bescheidener ausfällt. Das erlebe ich fast täglich in Gesprächen mit Asphaltverkäufern, Besuchern in der Kleiderkammer oder Ratsuchenden, die zu uns ins Diakonische Werk kommen. Was mir aber völlig neu war: Gefangene, die aufgrund einer Straftat länger in Gefängnissen einsitzen und dort arbeiten, stehen vor einem Problem: Für sie wird in keine Rentenkasse eingezahlt. Die Bundesländer blockieren bislang eine Rege­ lung. Auch Niedersachsen. Die Folge ist: Gefangene werden auf diese Weise doppelt bestraft, weil sie in der Zeit des Gefängnis­ aufenthaltes trotz regelmäßiger Arbeit nicht einzahlen können. Das heißt: Im Alter wird ihre Rente äußerst knapp ausfallen. Nachdem wir in den letzten Monaten viel über die Heraus­ forderungen des Zuzugs von Menschen aus aller Welt geredet haben, sollten wir unbedingt auch über Altersarmut reden. Viele werden betroffen sein; Gefangene gehören dazu – mehr darüber in diesem Heft. Aber auch andere sind betroffen: Frauen, die Kinder erzogen haben, Männer, die wenig verdient haben. Für mich ein Riesenthema, das aber immer noch viel zu leise diskutiert wird. Wir feiern Weihnachen, weil da einer auf die Welt kommt, der sich klar positioniert hat: auf Seiten der Menschen, die zu wenig haben. Menschen im Alter gehören oft dazu. Ich freue mich, dass die Familie wahrlich genug Geschenke bekommt. Aber ich will mich auch für die einsetzen, denen es nicht gut geht. Politisch. Und finanziell. So wie Sie das durch Ihr Lesen und Ihren Kauf von Asphalt tun. Sie sind politisch interessiert. Und Sie tragen finanziell durch Ihren Kauf von Asphalt, durch Ihre Spenden für dieses oder andere soziale Projekte dazu bei, anderen zu helfen. Danke für all’ Ihre Unterstützung! Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen Ihr

Rainer Müller-Brandes · Diakoniepastor und Mitherausgeber von Asphalt

ASPHALT 12/16

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

2 3


NOTIZBLOCK

Foto: V. Macke

Kameras für Polizisten

Protest gegen Abschiebung ins Kriegsgebiet Hannover. Rund 400 Menschen haben vor dem hannoverschen Hauptbahnhof gegen die drohenden Massenabschie­ bungen von Flüchtlingen aus Afghanis­ tan demonstriert. Im Oktober hatte die EU mit Afghanistan ein Abkommen zur Rückführung von rund 80.000 Flüchtlin­ gen vereinbart. Dafür soll im afghani­ schen Kabul sogar ein extra Terminal am Flughafen gebaut werden. Als Gegenleis­ tung für die Rücknahme hat die Bundes­ regierung Milliardenhilfen für die afgha­ nische Regierung in Aussicht gestellt. Verbände und Menschenrechtler kri­ tisieren die Vereinbarung scharf, weil das umkämpfte Afghanistan in weiten Teilen auch für Zivilisten unsicher sei. Die Hilfsorganisation Pro Asyl berich­ tet, dass es im ersten Halbjahr 2016 über 1.600 Tote und mehr als 3.500 Verletzte in der Zivilbevölkerung gab. Immer wie­ der werden Anschläge gerade auch in der Hauptstadt Kabul verübt. MAC

Hannover. Kameras sollen Aktionen von Polizisten über­ wachen. So sieht es ein neues rot-grünes Polizeigesetz für Niedersachsen vor. Mit so genannten Bodycams an den Schul­ tern – man kennt das aus amerikanischen Polizeiserien – sol­ len künftig Einsätze der Polizei im öffentlichen Raum aufge­ zeichnet werden. Auch zum Eigenschutz der Polizisten selbst. Denn die Attacken auf Polizisten haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. 1.081 Übergriffe gab es im Jahr 2015. Die FDP-Fraktion zeigt sich skeptisch: »Es fehlt im Gesetz eine konkrete Regelung zu Löschfristen von Videoauf­ zeichnungen«, so ihr innenpolitischer Sprecher Jan-Christoph Oetjen. Die Nutzung der Kameras müsse durch eine Evaluie­ rungsklausel im Gesetz vorerst zeitlich begrenzt werden. »Erst wenn der Nutzen der Kameras in der Praxis erwiesen wurde, soll ihr Einsatz nach Ablauf einer solchen Evaluierung dauer­ haft möglich sein.« Die Polizeigewerkschaft GdP begrüßt die Einführung der Kameras. Unklar ist noch, ob Polizisten selbst den Inhalt der Aufzeichnung eigenständig löschen dürfen. MAC

Muttersprachen für Migranten

Hannover. Schüler aus Migrantenfamilien sollen nach dem Willen der rot-grünen Landtagsmehrheit künftig zusätzlich zu Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch auch ihre jeweilige Mutterprache in der Schule fehlerfrei lernen. Rund ein Viertel der Bevölkerung hat einen so genannten Migrati­ onshintergrund. Darunter seien viele Kinder, die mehrspra­ chig aufwachsen, die Muttersprache in der Schule aber nicht vertiefen könnten. Das richtige Erlernen und Beherrschen der Herkunftssprache sei aber »wichtige Voraussetzung für schu­ lischen Erfolg«, so die Koalition in einem parlamentarischen Antrag. Die Koalition fordert deshalb mehrsprachige Kinder­ gärten, Modellprojekte für bilingualen Unterricht beispiels­ weise in Polnisch, Türkisch oder Arabisch und langfristig, die Beherrschung der Muttersprachen als versetzungsrelevant in die Prüfungsordnungen aufzunehmen. »Die Ressource Mehr­ sprachigkeit, über die die Gesellschaft durch die Migranten­ familien verfügt, sollte bewahrt und genutzt werden«, so die Koalitionäre im Landtag. Die FDP hat Zustimmung, die CDU Zurückhaltung signalisiert. Niemand könne arabische Kitas wollen. MAC


Hannover. Mit einem Netz an Beratungsstellen will Nieder­ sachsens Schulministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) Pro­ bleme beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern lösen. Seit drei Jahren ist Inklusion an Allgemeinbildenden Schulen Norm aber längst nicht immer normal. Im Schuljahr 2015/16 wurden landesweit 15.661 Schü­ ler inklusiv unterrichtet, also rund 60 Prozent der Kinder mit einem so genannten Förderbedarf. Vor allem nichtbehinderte Kinder profitieren laut Heiligenstadt beim Sozialverhalten vom gemeinsamen Unterricht mit Förderschülern. Gleichzei­ tig bräuchten viele Lehrer und auch Eltern mehr Unterstüt­ zung bei der Inklusion. Die soll es künftig von Beratungsstellen geben, an denen ehemalige Förderschullehrer angestellt wer­ den. Bis 2021 soll jeder Landkreis ein solches Beratungsbüro erhalten, zum August 2017 sollen die ersten 12 Zentren an den Start gehen. Die CDU kritisierte die Einführung der Beratungs­ stellen als zu bürokratisch, die FDP fordert die Wahlfreiheit für Schüler mit Förderbedarf und damit Förderschulen zu erhal­ ten. Die Landesregierung will diese abschaffen. MAC

Hannover. Für eine eigene Kindergrundsicherung hat Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) plädiert. Anlässlich neuer Zahlen zur Kinderarmut, wonach jedes fünfte Kind von Armut betroffen ist, hat sie mit ihren Länderkollegen einen Entwurf für ein »Gesetz zur Ermittlung von Regel­ bedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch« vorgelegt. Danach sollen einzelne Leistungen des so genann­ ten Bildungs- und Teilhabepakets erhöht werden. Doch auch die vorgesehen 150 Euro pro Kind seien »kein geeignetes Instrument im Kampf gegen Kin­ der- und Jugendarmut«, so die Ministerin. »Vielmehr müssen zunächst die Kinderregelsätze unter Ein­ beziehung des Bildungs- und Teilhabepakets deut­ lich erhöht werden – Ziel muss letztlich ein eigener Anspruch auf eine Kindergrundsicherung sein.« Im Juli 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber bei der Höhe der Regelsätze Hausaufgaben aufgegeben. Mobilität, Schulbedarf, Einzelbedarfe wie Sehhilfen oder Technikanschaf­ fungen seien nicht ausreichend berücksichtigt. Die Hausaufgaben liegen seitdem im Bundessozial­ ministerin. MAC

Rund 29

Mio. Weihnachts­bäume Anzeige

wurden 2015 in Deutschland verkauft. Jährlich etwa 12.000 brennen ab. 12 % der Deutschen schmücken mit echten Kerzen.

580 Mrd. Euro werden bundesweit für Geschenke ausge­geben. Eingewickelt in 8.000 Tonnen Papier. Geschenke im Wert von 600 Mio. Euro werden alljährlich wieder umgetauscht. 54 % aller Beschäftigten erhal­

ten in Deutschland Weihnachtsgeld.

50 % vom Brutto. Für Hartz-4-Empfänger wären das 204 Euro. Sie bekommen 0.

Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

ASPHALT 12/16

Sozialministerin gegen Kinderarmut

ZAHLENSPIEGEL »WEIHNACHTSZEIT«

Nachhilfe für Lehrer

4 5


ANGESPITZT

Die Bundesregierung hat vor wachsender Armut im Alter gewarnt. In ihrem Alterssicherungsbericht 2016 gibt sie mit Bedauern zu: »Arme habt ihr allezeit!« Millionenfach. Denn – Überraschung! – das Rentenniveau sinkt beinahe naturgesetzmäßig wie die Sonne tief im letzten freien Westen. Die gesetzliche Rente hinkt – von einem harten entbehrungsreichen Leben gezeichnet – den frischen Löhnen in den kommenden Jahrzehnten immer weiter hinterher. Bis 2035 von heute 47,8 Prozent auf 43 Prozent – bis 2045 gar auf 41 Prozent. Da muss man was machen, könnte man denken, dass die Bundesregierung so dächte. Doch gefehlt. Schuldige suchen ist angesagt. Die sind schnell ausgemacht. Die Niedriglöhner! »Wird in diesem Einkommensbereich nicht zusätz­ lich für das Alter vorgesorgt, steigt das Risiko der Bedürftigkeit im Alter stark an«, heißt es regierungsseitig. Von dem bisschen, welches diese sich unverschämt stark vermehrende Spezies zum Leben bekommt, sollte besser noch etwas für später beiseite­ gelegt werden, lautet die regierungsamtliche Empfehlung. Damit

»SELBST SCHULD?«

die Armen von heute nicht arm in ihrer Zukunft sind. Gesetzliche Rente stärken? Über Steuern steuern? Betriebsrente verpflichtend beim Lohn mit einpreisen? Nix davon wird gedacht oder versucht oder versprochen. Viel zu anstrengend und viel zu unsicher. Wie sagte SPD-thinktank Thomas Oppermann?: »Gerade bei der Rente darf man nicht mehr versprechen, als man hinterher halten kann.« Volker Macke


ASPHALT 12/16

Foto: Picture-Alliance/ANP

6 7

ZAUBERHAFT ERWACHSEN Als Harry Potter wurde Daniel Radcliffe zum Star. In diesem Jahr stellte er einmal mehr unter Beweis, dass der Zauberschüler von einst erwachsen geworden und sowohl für ernste als auch für skurrile Rollen zu haben ist. Hauptsache sie sind vielseitig. Mit uns spricht er über den Tod, Stuntpuppen und Donald Trump. In diesem Jahr haben Sie an sehr unterschiedlichen Filmprojekten mitgewirkt, von Comedy bis Thriller. Suchen Sie die Abwechslung? Ich bekomme oft mehr Anerkennung als ich verdiene, nur weil ich unterschiedliche Projekte aussuche. Ich glaube, jeder Schauspieler wünscht sich Abwechslung. Ich denke aber auch, dass es den Zuschauern bei mir mehr auffällt, weil ich diese

eine Figur so lange gespielt habe. Aber ja – es ist auf jeden Fall toll, zwei so verschiedene Projekte verwirklicht zu haben, die sich im Ton und auch in der Rolle, die ich spiele, so unter­ scheiden.

Im surrealistischen Comedy-Drama »Swiss Army Man« spielen sie einen Toten, der auf einer einsamen Insel


strandet. Viele Schauspieler wünschen sich mehr Abwechslung in ihren Rollen, dennoch würden nicht alle eine Leiche spielen wollen … Ich glaube, wesentlich mehr Schauspie­ ler hätten gern eine Leiche gespielt, wenn sie dieses Drehbuch gehabt und gese­ hen hätten – wie fantasievoll, verrückt und brillant es ist. »Swiss Army Man« ist für mich ein einzigartiger und kunst­ voller Film. Diese Geschichte könnte man nicht auf die Bühne bringen, man könnte sie auch nicht in einem Buch unterbringen – das ist das Aufregende daran.

Anzeige

dass die Drehbücher, die mich in letzter Zeit am meisten interessiert haben, diese kleineren unabhängigen Filmprojekte waren. In einem Inter­ view wurde ich einmal gefragt, warum ich so seltsame Projekte aussuche. Für mich sind sie gar nicht seltsam. Ich glaube, das besondere Vergnügen am Film liegt doch darin, dass er eben nicht total lebensecht sein muss.

Haben Sie Ihre Stuntpuppe aus »Swiss Army Man« noch, mit der Sie schon auf verschiedenen Bildern zu sehen waren? Ich habe sie nicht. Ich hätte vielleicht aufpassen sollen, wo sie hinkommt, oder wer sie behält. Ich nehme an, dass sie beim Chef der Make-up Abtei­ lung, Jason Hamer, ist, aber ich weiß es nicht. Vielleicht hat er sie bei Ebay eingestellt.

Für Daniel-Radcliffe-Puppen gibt es sicher viele Sammler.

Hoffentlich nicht. Bei »Harry Potter« hat man meinen Kopf und meinen Arm nachgemacht, ich glaube auch meine Füße. Mein ganzer Körper Großer Blockbuster oder Indepen- war sogar zweimal dran. Die Puppen und Teile sind jetzt irgendwo in dent-Film: Nach welchen Kriterien der Welt. Nick Dudman, der Chef der Prothesen bei »Harry Potter«, hatte wahrscheinlich Zugang zu einem ganzen Warenlager mit allen von uns. wählen Sie Ihre Projekte aus? Große Filme zu drehen, hinter denen viel Geld steckt, ist nicht unbedingt einfa­ Das wird wohl die Basis für die nächste große Ausstellung sein? cher als kleine besondere Projekte zu Oh Gott, das wäre komisch. verwirklichen. Im Gegenteil, sie sind schwieriger zu drehen, weil so viele Per­ Wenn Sie eine Leiche spielen, denken Sie dann an Ihre eigene sonen daran beteiligt sind. Es ist aber so, Sterblichkeit? Ja, aber ich denke dann über den Tod auf eine sehr spezifische und merk­ würdige Weise nach. Auf eine lustige Art. Ich habe den Eindruck, dass Manny aus »Swiss Army Man« ein ziemlich fröhlicher Toter ist, was bedeutet, dass der Tod vielleicht gar nicht so schlimm ist. Wenn es keinen Tod gäbe, dann würde das Leben ewig weitergehen und unheimlich lang­ Unsere Mieter wohnen weilig werden und somit nichts Besonderes sein. Man hat uns beigebracht, dass der Tod etwas Beängstigendes ist, aber er muss geschehen.

SUPER GÜNSTIG

In »Imperium« verkörpern Sie einen verdeckt ermittelnden FBIAgenten in der rechtsextremen Szene Amerikas. Der Film beschreibt die erschreckende Zunahme von Intoleranz, die dann zu Extre­ mismus führt. Ist das etwas, was Sie in der Welt um sich herum bemerken? Ich sehe dies im Moment überall. Es gibt den hässlichen Trend, das Unver­ traute und Fremdländische für negative Ereignisse oder Entwicklungen verantwortlich machen zu wollen.

www.gbh-hannover.de

Wie haben Sie sich in die weiße Rassismus-Bewegung eingearbeitet? creativteam.com

Wir haben mehr als 13.000 Wohnungen in Hannover – und begeisterte Mieter. Denn unsere Objekte gibt es zu fairen Preisen. Top modernisiert, attraktiv und energiesparend. Für Singles, Paare, Familien und Senioren. In allen Größen und vielen Stadtgebieten.

Dan (Regisseur Daniel Ragussis von »Imperium«) hat mir viele Bücher geschickt. Das war ein sehr erschreckender Stapel. Leute, die mich besucht haben, bemerkten die Bücher und ich dachte nur: »Scheiße, die haben jetzt meinen Stapel von Nazi-Büchern gesehen. Soll ich ihnen das erklären? Vielleicht haben sie sie auch nicht wahrgenommen, sie haben ja nichts gesagt … aber, wenn sie sie gesehen haben und nur nichts sagen?« Ich bin aber auch durch Online-Foren gesurft. Hier begegnet man


Beginnen Sie zu verstehen, was Leute an diesen Gruppen anzieht? Stellen Sie sich vor, Sie haben Ihren Job verloren, Ihre Frau ist weg, und jemand sagt zu Ihnen: »Du hast deinen Job nicht verloren, weil du nicht gut bist und deine Frau hat dich nicht verlassen, weil sie dich nicht mehr liebt, sondern es liegt alles an dieser Riesenverschwörung gegen uns als Weiße«. Ihre Weltsicht wird dann ganz simpel und nichts ist mehr kompliziert.

»Terrorismus«, und die Angst, die es hervorruft, womöglich die mächtigste Waffe, die es gibt? Bis zu einem gewissen Grad bestimmt. Es kann zur Kontrolle und zur Manipu­ lation von Menschen eingesetzt werden. Es macht mir Angst, was sich derzeit abspielt – vor allem in Amerika, wenn man einige von Trumps Reden hört, die so konzipiert sind, dass Leute andere Leute anfangen zu hassen und zu fürch­ ten. Das erschüttert mich zutiefst.

Aber so wie Dumbledore sagt: »Worte sind in meiner nicht so bescheidenen »Imperium« zeigt, dass die wirkliche Bedrohung nicht vom Terro- Meinung unsere unerschöpflichste rismus aus Übersee kommt, sondern von den einheimischen Extre­ Zauberquelle«. Hoffentlich gibt es auch Potential für Positives. misten … Bei gewissen Leuten sitzt die Vorstellung sehr tief, dass Terrorismus nur von einer Gruppe von Leuten ausgeht, was absolut unwahr ist. Und leider gibt es auch Gruppen von Leuten, für die »Terrorismus« und »Islam« synonym sind.

Ja, absolut. Total. Definitiv. Hübsches Zitat. Interview: Steven Mackenzie/INSP.ngo/ The Big Issue UK bigissue.com

Foto: Picture-Alliance/Mary Evans Picture Libary

Der Film beginnt mit einem Zitat: »Worte bauen Brücken in un­erforschte Gebiete«. Es wird Hitler zugeschrieben. Ist das Wort

»Harry Potter« wird höher gehandelt als vor einem halben Jahrzehnt, als der letzte Film »Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 2« in die Kinos kam. Im September 2016 erschien mit »Harry Potter und das verwunschene Kind« die langersehnte Fortsetzung der Potter-Reihe. Diesmal allerdings nicht als Roman, sondern als Skript zum Theaterstück, das am 30. Juli im Londoner West End uraufgeführt wurde. Im Filmableger »Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind« (Kinostart am 17. November)  – ursprünglich ein fiktives Lehrbuch aus der Harry-Potter-Welt, das begleitend zu den Potter-Romanen erschien – gibt J. K. Rowling nun ihr Debüt als Drehbuchautorin. Um einen sicheren »Besenabstand« zwischen sich und Hogwarts zu bringen, hat Daniel Radcliffe in den letzten fünf Jahren mutige und herausfordernde Rollen angenommen. In »Die Frau in Schwarz« hat der heute 27-Jährige einen verfolgten Anwalt, in »Horns« einen auf übernatürliche Weise verfluchten und hinterbliebenen Liebhaber, in »Kill Your Darlings – Junge Wilde« den Vorreiter der Beat Generation Allen Ginsberg und in »Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn« Frankensteins Partner Igor gespielt. »Swiss Army Man« entstand in nur 22 Drehtagen und kam am 13. Oktober diesen Jahres in die deutschen Kinos. Ab Februar 2017 ist »Swiss Army Man« auf Blu-ray und DVD erhältlich. »Imperium« wurde in diesem Sommer während des Fantasy Filmfests in sieben deutschen Kinos gezeigt und erscheint am 9. Dezember auf Blu-ray und DVD.

ASPHALT 12/16

dem rauen und harten Hass. Nicht die Leute, die Bücher herausgege­ ben haben, sondern die Leser der Nazi-Lektüre diskutieren ihre Eindrü­ cke online. Faszinierend und unerwartet – auf düstere, aber irgendwie komische Weise – fand ich, dass man in diesen Foren aber auch ganz all­ tägliche Gespräche finden konnte und jemand etwas wie »Hallo, ich habe ein ganz tolles Rezept gefunden« schrieb.

8 9


Das Fahrgastfernsehen. · Goethestraße 13 A · 30169 Hannover · (0511) 366 99 99 · redaktion@fahrgastfernsehen.de


ASPHALT 12/16

Foto: Thomas Schulze/dpa

10 11

NIEMALS OHNE BAUM Rund 29 Millionen Weihnachtsbäume werden jährlich in Deutschland aufgestellt. Einige Hundert trägt Bauer Pribbernow dazu bei. Er ist Weihnachtsbaumbauer. Wenige Tage im Jahr sind sie der viel bewunderte Mittel­ Ausgerechnet der Baum, um den sich in diesen Tagen alles punkt im Wohnzimmer. Doch bis ein Weihnachtsbaum fer­ dreht, ist kälteempfindlich. »Späte Nachtfröste lassen die jun­ tig zum Schmücken ist, gehen einige Jahre ins Land. Zapfen gen Triebe absterben, deshalb sind die Eisheiligen Mitte Mai müssen gepf lückt, importiert, zu Setzlingen gezogen und für uns eine Gefahr«, sagt Pribbernow. Wenn das passiert, sind dann auf Plantagen zu Bäumen gehätschelt werden. Eckhart die Bäume, wenn sie geschlagen werden sollen, kaum brauch­ Pribbernow aus Arpke bei Hannover ist einer der Landwirte, bar. Auch das Wild liebt die Triebspitzen: Plantagen müssen die Bäume in einer eigenen Plantage heranziehen und ab Hof mit Zäunen vor Rehen und Hasen geschützt werden. Und eine Rotte Wildschweine kann immens großen Schaden anrichten. anbieten.


Foto: S. Szameitat

Eckhart Pribbernow aus Arpke bei Hannover ist Weihnachtsbaumbauer.

Dabei haben es die borstigen Feinschmecker gar nicht mal auf die Nadelbäumchen abgesehen. »Sie durchwühlen auf der Suche nach Mäusen die Erde und entwurzeln dabei die jungen Pflanzen«, erläu­ tert Pribbernow.

Samen aus dem Kaukasus

Doch wachsen Bäume auch nur scheinbar ohne Zutun. Der Weihnachtsbaumanbau ist nichts für faule Landwirte. Tannenbäume werden nicht mal so eben aus dem Wald geholt. Bis zur Ernte brau­ chen die pf lanzlichen Dekoartikel viel Dünger, Pflege und Schnitt. »Wir kaufen die Jungbäumchen im Alter von drei bis vier Jahren von einer Gärtnerei. Dann sind sie 15 bis 20 Zentimeter hoch«, berichtet Pribbernow. Auf seiner eineinhalb Hektar großen Plantage werden sowohl Nordmann- als auch Blau­ tannen herangezogen. Wenn man korrekt sein will muss man Blaufichte sagen, Blautanne werden die Fichten nur aus Marketinggründen genannt. Und das hat sich eingebürgert.

Die meisten seiner Setzlinge sind heute die soge­ nannten Nordmanntannen. Seiden glänzende Nadeln, nicht stechend; pyramidenförmiger bauchi­ ger Wuchs; etagenförmig angeordnete Zweige, und vor allem sehr lange Nadelhaltbarkeit – sie sind der Deutschen Lieblinge für den Festtagsbaum. Ihr Erb­ gut stammt aus dem georgischen Kaukasus. Dort wurden sie im Jahr 1838 von dem Botaniker Andreas Eine Tanne wie Whisky von Nordmann entdeckt. Bei der Ernte der Zapfen mit den begehrten Samen darin bringen sich die Wenn die Plantage angelegt und eingezäunt ist, georgischen Erntekolonnen regelmäßig in Lebens­ muss sie regelmäßig gefräst werden, damit Wild­ gefahr. Denn die Pflücker steigen in bis zu 60 Meter wuchs nicht die zarten Bäumchen überwuchert. Höhe – ohne Klettergeschirr. Für ein Kilo Tannen­ Außerdem müssen sie vor Läusen geschützt wer­ zapfen bekommen sie dann rund 80 Cent bezahlt. den. Pribbernow kommt wegen der vergleichsweise Die Zwischenhändler in Deutschland verkaufen es geringen Größe der Fläche meist ohne Spritzungen für 80 Euro weiter. Aus einem Kilo Zapfen werden aus. Aber trotzdem muss er immer wieder daran dann bis zu 4.000 Weihnachtsbäume gezogen. arbeiten. »Man kann die Jungbäumchen beim


Foto: REUTERS/David Mdzinarishvil

Straßenverkauf von künstlichen Weihnachtsbäumen in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, der Heimat der in Deutschland beliebten Nordmanntannen.

Wachsen nicht sich selbst überlassen. Ohne regel­ mäßigen Schnitt hätten wir nur 50 Prozent Weih­ nachtsbäume«, erläutert der Landwirt. Nach sechs, sieben Jahren sind die ersten Bäumchen fertig, eine normale Nordmanntanne braucht wie Whisky länger, etwa zwölf Jahre bis sie schön aus­ gereift ist, kostet dafür aber auch doppelt so viel wie die Blautanne. Zwischen dem 10. und 12. Dezember wird geerntet – »nicht früher, sonst werden sie zu alt«. Die meisten Käufer kommen am Wochenende, dann schenkt Pribbernow mit seinen Helfern Glüh­ wein aus. »Manche machen aus der Entscheidung für den Baum eine Wissenschaft«, hat er beobachtet. Früher seien die meisten mit dem Schlitten gekom­ men, manche hätten für den Transport nachhause auch die Mistkarre mitgebracht. Heute kommen die meisten Kunden mit dem Auto, deswegen hat er sich vor einigen Jahren auch eine Vorrichtung zum Ein­ netzen der Tannenbäume zugelegt. »Der schnellste Verkauf, den ich erlebt habe, dauerte weniger als eine Minute«, berichtet der Landwirt. »Da kam ein

ASPHALT 12/16

schwarzer BMW mit Schmackes auf den Hof geknallt, einer sprang heraus, rannte die Reihe mit den Bäumen herunter, griff sich den billigsten und pfefferte ihn ins Auto. Ich konnte gerade noch fragen, ob er ihn nicht eingenetzt haben wollte, da war er schon wieder weg.« Einmal sei ein netter älterer Herr nach einer Dreiviertel­ stunde mit dem Baum seiner Wahl davongefahren. Am nächs­ ten Tag kam er mit seiner Frau und dem Baum wieder und wollte ihn umtauschen. »Die Frau hat ihn eine Stunde herum­ getrieben und dann einen besonders krummen Baum genom­ men.« Plastikbäume, wie sie ausgerechnet im Herkunftsland der Weihnachtsbäume, in Georgien, wegen der günstige­ ren Preises zum Jahreswechsel viel gekauft werden, seien in Deutschland keine Konkurrenz, ist sich der Bauer sicher. Bei dem Aufwand, der um das kurzlebige Wohnzimmerpracht­ stück getrieben wird, kann er sich das nicht vorstellen. »Die werden sich nicht durchsetzen, das ganze Drumherum gehört doch zu Weihnachten.« Sabine Szameitat

12 13

Anzeige

a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen. Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475


BRIEFE AN UNS

Zu Karin Powsers »Das muss mal gesagt werden…« in der Oktober-Ausgabe

Gutes erkennen Spontan möchte ich mich bei Ihnen und vor allem bei Karin Powser für diese kurzen aber sehr klaren Worte bedanken. Frau Powser hat mit wenigen Worten deutlich gemacht, worum es eigentlich geht. Danke! Wir leben nicht nur in einem extrem wohlhabenden Land, dessen Wohlstand wir auch auf der Ausbeutung anderer Länder aufbauen, wir leben auch zunehmend in einer neidvollen Gesellschaft, die mehr darauf guckt, was ein anderer, ein Fremder, mir womöglich wegnehmen könnte, anstatt glücklich zu sein, in einem Land ohne Krieg leben zu dürfen. Bei uns gibt es massenweise Gutmenschen (für mich ein Kompliment), die sich engagieren, helfen und gerne abgeben! Gerade im Kontrast zu einem Leserbrief, der die üblichen Parolen und Animositäten widergibt, habe ich mich über die Positionierung von Frau Powser gefreut. Andreas Heinze, Hannover Zum Leserbrief »Missverstandene AfD«

Freie Meinungs­äußerung Mit Entsetzen habe ich den Leserbrief in der Oktober-Ausgabe zum Vorwort zur Juli-Ausgabe von Heiko Geiling gelesen. Meinungsvielfalt finde ich gut, und Kritik muss sein. Nur dieser Inhalt dieses Leserbriefes könnte direkt von der AfD kommen Anzeige

SOLIDARITÄT MIT ASPHALT. Die hannoverschen Gewerkschaften.

und nicht von der Noch-Leserin. Die Schreiberin hält die AfD für eine liberale und demokratische Partei. Scheinbar kennt sie das Parteiprogramm nicht und liest auch nicht die »Lügenpresse«, sondern nur die Informationen der AfD und der Pegida. Dem Asphalt auch zu unterstellen, dass er von der linksideologisierten Regierung profitiert, finde ich eine Unverschämtheit. Wer sich gegenüber dem Asphalt und den Verkäufern so äußert und verhält, sollte keine weitere Möglichkeit zur Meinungsäußerung erhalten. In der Oktober-Ausgabe hat Karin Powser für mich die richtigen Worte gefunden. Heinz-Werner Seider, Hannover

Kritisch bleiben! Bitte bleibt weiterhin so kritisch wie bisher fragwürdigen Parteien gegenüber. In diesem Brief stellt sich uns wiederum die Frage, wer hier wohl was missverstanden hat. Danke! Ute Pallentin, Hannover

Zum Angespitzt in der September-Ausgabe

Fragwürdige Ordnungspolitik Das ist schon ein starkes Stück, dass die Stadt in Sachen Weiße­ kreuzplatz als zentrales Instrument zur Lösung des Trinkerproblems ausgerechnet einen Spielplatz bauen will. Seit Jahren ist der Platz bis auf Hunde plus Halter trist und leer. Planung Fehlanzeige. Ein Spielplatz wäre sicherlich schon lange an dieser Stelle schön. Zumal die Mütter ringsherum jede Menge Cafes für ihren beinahe obligatorischen Latte to go hätten. Doch nun ausgerechnet angesichts von Problemen mit gesellschaftlich Ausgestoßenen darauf zu kommen, hat schon etwas Unverschämtes. Gegenüber den Trinkern und vor allem gegenüber den Kindern, die hier ordnungspolitisch in Stellung gebracht werden sollen. Daniela Budde, Hannover

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen.


… WILHELM C. RÖNTGEN?

Foto: Wikimedia Commons

Wie so oft in der Wissenschaft kam Röntgen bestand und studierte die größte Entdeckung einer großen zunächst Maschinenbau. In dieser Karriere zufällig daher: Im Novem­ Zeit lernte er die Wirtstochter Anna ber 1895 experimentierte der Physik­ Bertha Ludwig kennen, mit der er professor Wilhelm Conrad Röntgen fast 50 Jahre glücklich verheiratet spätabends in seinem Würzburger war. Labor mit einer Vakuumröhre, durch Nach dem Diplom wandte sich die er elektrischen Strom leitete. Röntgen der Physik zu. Seinem Plötzlich bemerkte er, dass in dem Lehrer und Förderer August Kundt dunklen Raum ein Leuchtschirm folgte er 1870 nach Würzburg. Dort zu leuchten begann, obwohl dieser wurde ihm erneut das fehlende einige Meter von der Röhre entfernt Abiturzeugnis zum Karrierehin­ stand. Röntgen hielt seine Hand zwi­ dernis, die Universität ließ ihn schen Röhre und Leuchtschirm und nicht zur Habilitation zu. Erst als plötzlich zeichneten sich seine Kno­ er mit Kundt nach Straßburg wech­ chen als dunkle Schatten auf dem selte, startete der damals 30-Jährige Leuchtschirm ab. Röntgen durch: Er forschte in den Zunächst weihte der Forscher folgenden Jahren in Hohenheim, nur seine Frau Anna ein. Er wollte Straßburg und Gießen und erlangte das Phänomen erst gründlich unter­ den Ruf eines prä zisen Experi­ suchen. Am 23. Januar 1896 stellte mentators und hochqualifizierten Röntgen dann seine »neue Art von Wissenschaftlers. Nun wollte ihn Strahlen« den Kollegen vor. Das Publikum reagierte begeistert, auch die Universität Würzburg auf den Lehrstuhl für Physik als der Physiker die Handknochen des Anatomen Albert von berufen. Röntgen sagte zu und machte dort sieben Jahre später Koelliker auf einem Foto fixieren konnte. Mit einem Mal stand die Entdeckung seines Lebens. der eher introvertierte Wissenschaftler im Rampenlicht. Sogar Als Star feiern lassen wollte Röntgen sich nie. Seine Technik Kaiser Wilhelm II. ließ sich daraufhin von Röntgen persönlich sollte den Menschen zugutekommen. Deshalb verzichtete er die geheimnisvollen X-Strahlen erklären. auf eine Patentierung seiner Erfindung. Auch ein Adelsprädi­ Dass es Röntgen überhaupt so weit gebracht hatte, war kat lehnte er ab. Als Röntgen 1901 den Physik-Nobelpreis erhielt, schon ein kleines Wunder: Er hatte kein Abitur. Der 1845 in stiftete er das Preisgeld der Universität Würzburg. Lennep bei Remscheid geborene Ab 1900 forschte der Physiker Sohn eines Tuchfabrikanten war bis zu seinem 75. Lebensjahr an der Introvertierter Forscher, leiden­ als Kleinkind mit seiner Familie in Universität München. Als Natur­ schaftlicher Physiker, Entdecker freund und Wanderer genoß er die die Niederlande gezogen. Als Schü­ einer medizinischen Revolution. Nähe zu den Alpen und lud Freunde ler hatte er gute Noten, kurz vor seinem Abschluss an der Techni­ oft zur Jagd in sein Landhaus in schen Schule in Utrecht tauchte jedoch eine Karikatur seines Weilheim ein. Vier Jahre nach seiner Frau starb Röntgen 1923 Klassenlehrers auf. Wilhelm Conrad geriet unter Verdacht mit 78 Jahren. Sein Vermögen vermachte er wohltätigen Ein­ und wurde der Schule verwiesen, weil er nicht verraten wollte, richtungen, seinen wissenschaftlichen Nachlass ließ er ver­ wer das Bild gezeichnet hatte. Als er als externer Schüler die brennen. Doch sein Name geriet nie in Vergessenheit: Auch Abschlussprüfung ablegen wollte, geriet er zu seinem Pech wenn sich Wilhelm Conrad Röntgen stets dagegen gewehrt just an den Lehrer, der ihn verdächtigt hatte, und fiel durch. hatte, heißen seine X-Strahlen in vielen Ländern heute Rönt­ Ohne Abschluss durfte Röntgen eigentlich nicht studieren. genstrahlen. Mit ihrer Entdeckung revolutionierte er die medi­ Das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich machte eine zinische Diagnostik. Ausnahme, dort war eine Aufnahmeprüfung entscheidend. Eva Maria Mentzel

ASPHALT 12/16

WER WAR EIGENTLICH …

14 15


Foto: Sebastian Gollnow/Picture-Alliance/dpa

LEBENSLANG Wenn Recht und Gerechtigkeit auseinanderklaffen. Strafgefangenen wird die Resozialisierung weiter erschwert. Zum Nachteil aller. Doch für die Politik zählt nur die schwarze Null. Michael Förster* hat sein halbes Leben hinter Gittern verbracht. Schon als Jugendlicher geriet er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt und am Ende summierten sich die verschiedenen Haftzeiten auf 25 Jahre. »Im Nachhinein«, sagt er, »würde ich heute vieles anders machen«. Aber dafür ist es zu spät. Die Jahre sind weg, damit hat er sich abgefunden. Auch seine Stra­ fen hat er abgesessen, eine nach der anderen. Das ist vorbei. Einerseits. Andererseits dauert seine Bestrafung an, lebens­ länglich, ohne dass ein Gericht ihn dazu je verurteilt hätte.

Eine Strafe ist eine Strafe Ein Rechtsstaat verspricht seinen Bürgern Sicherheit, Rechts­ sicherheit. In einem Rechtsstaat können wir uns darauf verlas­ sen, dass wir im Fall einer Regelverletzung nur nach dem beste­

henden Gesetz sanktioniert werden. Eine Strafe, die über das im Gesetz festgeschriebene Maß hinaus geht, darf ein Gericht nicht verhängen. Und eine Strafe, die ein Gericht nicht aus­ spricht, darf auch niemand vollstrecken. Das klingt selbstver­ ständlich. Ist es aber nicht. Gerichte und Strafvollzug sind angehalten, nichtinten­ dierte Folgen der Strafe möglichst zu vermeiden. Ein Führer­ scheinentzug trifft etwa einen Berufskraftfahrer unvergleich­ lich härter als einen Büroangestellten. Das Gericht könnte die Sperre in die Urlaubszeit verlegen, um den drohenden unver­ hältnismäßigen Folgen der Strafe – dem möglichen Arbeits­ platzverlust – zu begegnen. Das kommt vor. Dieses Prinzip sollte auch bei Strafgefangenen Anwen­ dung finden. Deren Strafe besteht im Freiheitsentzug, darüber hinausgehende Nachteile sind möglichst zu verhindern. Das


Die doppelte Strafe Strafgefangene, die eine längere Freiheitsstrafe verbüßen müs­ sen, werden nahezu zwangsläufig in die Altersarmut getrie­ ben. Weil sie während der Haftzeit keine Einzahlungen in die Rentenversicherung leisten können. Ganz klar eine schäd­ liche Folge des Freiheitsentzuges. Auch Michael Förster hat Post bekommen. »Die Rentenversicherung hat mir einen Brief geschrieben und mitgeteilt, dass ich, wenn ich im Jahr 2032 in Rente gehe, gerade mal 168 Euro zu erwarten habe. Und das, obwohl ich mein ganzes Leben gearbeitet habe«. Tatsächlich herrscht im Gefängnis Arbeitspflicht. Zu den 25 Jahren im Knast kamen bei Förster noch 8 Jahre, die er in Freiheit gearbeitet hat, also mehr als 30 Arbeitsjahre bis heute. Davon ist ihm nichts geblieben: keine Ersparnisse, keine Ansprüche und keine Perspektive, je über die Grundsicherung zu kommen. Nicht in diesem Leben. Wie auf diese Weise Wie­ dereingliederung erfolgen soll, bleibt ein Rätsel. Das Problem ist der Politik seit langem bekannt, ebenso wie die Dringlichkeit, es zu beheben. Bereits bei der großen Straf­ rechtsreform wurde die Rentenversicherung für arbeitende Strafgefangene vorgesehen, das Gesetz trat zum 1.1.1977 in Kraft. Am kommenden Neujahrstag sind es also genau 40 Jahre seit der juristischen Grundsteinlegung, aber geschehen ist seit­ dem (fast) nichts. In den §§ 190  – 193 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) war die Einbeziehung von arbeitenden Gefangenen in die Sozial­ versicherungssysteme bereits umfassend geregelt. Als Bemes­ sensgröße wurden 90 Prozent vom Durchschnittslohn aller Versicherten gewählt. Aufgrund der niedrigen Löhne in den Gefängnissen, sollten die für den Strafvollzug zuständigen Länder die Einzahlungen in die Rentenkasse übernehmen. Doch die spielen nicht mit und blockieren die Umsetzung der Beitragszahlungen an die Rentenkasse im Bundesrat. Seit vier Jahrzehnten. Der Grund ist so einfach wie beschämend: Für eine Gruppe von Menschen ohne große Lobby setzt man keinen Haushaltstitel an.

ASPHALT 12/16

Strafvollzugsgesetz drückt das in Paragraph 3 so aus: » (1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. (2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. (3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern«. Das ist die Theorie. In der Praxis sieht es leider ganz anders aus.

übergab das Komitee für Grundrechte und Demo­ kratie dem Deutschen Bundestag eine entspre­ chende Petition. Die Einleitung des Gesetzgebungs­ verfahrens brachte die Länder in Zugzwang. Doch der Bund scheut die Vorreiterrolle. Neuen Schwung verlieh der Kampagne schließlich die vor zwei Jah­ ren entstandene »Gefangenen-Gewerkschaft Bun­ desorganisation« (GG/BO). Inzwischen bringt es die Neugründung nach eigenen Angaben auf ca. 850 Mitglieder in 70 Haft­ anstalten. Die GG/BO möchte für arbeitende Gefan­ gene den Mindestlohn und die Einbeziehung in die Rentenversicherung erreichen und strebt die volle Gewerkschaftsfreiheit in deutschen Haftanstalten an. Für Initiator Oliver Rast ist die Forderung nach einer gerechten Entlohnung auch eine Konsequenz aus der Kommerzialisierung der Gefangenenarbeit:

16 17

Anzeige

GESCHENKE, DIE BEGEISTERN ! VARIETE.DE

Wirtschaftsbetrieb Knast Sozialverbände und Initiativen bemühten sich seither vergeb­ lich um eine bessere Versorgung der Inhaftierten. Im Jahr 2011

Georgstraße 36 · 30159 Hannover

GOP_H_GK2016_Anzeige_76,4x125_Asphaltmagazin.indd 1

15.11.16 14:06


Foto: U. Matthias

Foto: Carmen Jaspersen/Picture-Alliance/dpa

Schlosserei der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Oldenburg: Der Knast als verlängerte

Unvergittert. Michael Försters neue Welt ist spartanisch,

Werkstatt der örtlichen Industrie.

aber bürgerlich.

»Die Arbeitswelt hinter Gittern hat bereits seit Jahrzehnten nichts mehr mit Tüten­k leben zu tun. Die Produktion in den JVA-Betrieben ist betriebs­ wirtschaftlich organisiert und die so genannten Unternehmerbetriebe fungieren als verlängerte Werkbank für die örtliche Industrie«. In der Tat stellen die Gefängnisse heute ein wahres Unternehmer­ paradies dar: Sozialabgaben werden nicht fällig, die Beschäftigten erhal­ ten nur Dumpinglöhne, sind immer in ausreichender Zahl vorhanden, sie können nicht kündigen, nicht streiken und sich nicht gewerkschaftlich organisieren. Genau da setzt die GG/BO an.

terhalt seiner Angehörigen beizutragen, Schaden aus seiner Straftat wiedergutzumachen und Erspar­ nisse für den Übergang in das normale Leben zurückzulegen« (BT Drs. 7/918). Diese Einsicht ist jedoch bis heute folgenlos geblieben. In Niedersachsen wird die Entlohnung der arbei­ tenden Strafgefangenen nach einer Eckvergütung bemessen, die neun Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller Sozialversicherten beträgt. Das sind derzeit 12,25 Euro. Pro Tag. Kai Rollenhagen ist Vertreter der GG/BO in der JVA Sehnde bei Hanno­ ver und weist auf die weiteren Folgen der Dumping­ löhne hin: »Bei meinem Stundenlohn von 1,58 Euro kommt noch ein Problem hinzu: Zahlung von Kin­ desunterhalt ist unmöglich. Das heißt automatisch, dass Kinder von Strafgefangenen mit in die Armut gezwungen werden, obwohl die Väter in Vollzeit arbeiten müssen«. Auch ein Opferausgleich werde so verhindert. Im Gefängnis können die Inhaftierten ohnehin nur über einen Teil ihrer Einkünfte verfügen, der Rest wird angespart, jedenfalls bis zur Höhe von knapp 1.500 Euro, die nach der Haftentlassung als Überbrückungsgeld ausgezahlt werden. Alle Ein­ künfte, die darüber hinaus anfallen, werden zur Schuldentilgung freigegeben, wozu auch die Haft­ kosten zählen. Und viele Gefangene haben Schul­ den, allein schon durch die Gerichtskosten.

Gute Argumente Politik und Justizvollzug verweisen immer auf den besonderen Status dieser (auch vielfach ungelernten) Arbeiter und die schwierigeren Pro­ duktionsbedingungen. So unergiebig kann die Arbeit jedoch nicht sein. Insgesamt erzielte die niedersächsische Justizvollzugsarbeitsverwal­ tung im Geschäftsjahr 2015 einen Gesamtumsatz von rund 19 Mio Euro und konnte davon noch 4,3 Mio Euro an den Landeshaushalt abführen. Nun mag es durchaus auch sozialtherapeutische und vollzugstechni­ sche Gründe für die Gefangenenarbeit geben, die entwerten aber nicht das Argument, dass die Gefangenenbetriebe für den Markt produzieren und sowohl für die Unternehmer, als auch für die Landeskasse Gewinne erwirtschaften. Schon der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23.07.1973 bemerkt dazu: »Die Gewährung eines echten Arbeitsentgelts ist (…) als ein wesentliches Mittel der Behandlung selbst zu verstehen, weil sie dem Gefangenen die Früchte seiner Arbeit vor Augen führt. Sie dient zugleich der Eingliederung, weil sie dem Gefangenen ermöglicht, zum Lebensun­


Noch 1973 gibt die Bundesregierung ihre Erkennt­ nis kund, »daß es sowohl den Angehörigen und Tatgeschädigten wie auch dem Verurteilten selbst gegenüber nicht gerechtfertigt ist, neben den not­ wendigen Einschränkungen, die der Freiheitsent­ zug unvermeidbar mit sich bringt, weitere vermeid­ bare wirtschaftliche Einbußen zuzufügen« (BT Drs. 7/918). Genau dies geschieht aber. »Das Sozialund Lohndumping hinter Gittern – kein Mindest­ lohn, keine Rentenversicherung, keine Lohnfort­ zahlung im Krankheitsfall, kein Kündigungsschutz usw. – steht einer so genannten Resozialisierung komplett entgegen«, betont Oliver Rast. Auch Sozialverbände wie die AWO fordern zumindest die Einbeziehung der Strafgefangenen in die Rentenversicherung. »Unabhängig davon, ob ein Mensch eine Straftat begangen hat oder nicht, muss geleistete Arbeit zur Sicherung seiner oder ihrer Altersvorsorge dienen«, erklärt AWO Vor­ standsmitglied Brigitte Döcker und ergänzt: »Es ergibt sich sowohl aus dem Sozialstaatsgebot als auch aus dem Gleichheitsgrundsatz, dass Bedin­ gungen geschaffen werden müssen, die es straffäl­ lig gewordenen Menschen ermöglichen, später ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben führen zu können.« Eine Zeitlang sah es so aus, als würde die Politik endlich ein Einsehen haben. Der Vollzugsausschuss, ein Fachgremium der Justizministerien, wurde beauftragt, der im November 2016 tagenden Justiz­ ministerkonferenz eine Beschlussempfehlung zur Entscheidung vorzulegen. Doch dazu kam es erst gar nicht. Bereits im Juni haben die Justizminister auf ihrer Frühjahrstagung beschlossen, die Vorlage an die Finanz- und Sozialministerien der Länder weiterzuleiten, um »die im Bericht dargestellten Modelle hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkung (…) näher zu prüfen und zu bewerten«. Das niedersächsische Justizministerium be­­ grün­­det diesen Schritt mit der Komplexität des Themas und präzisiert: »Dabei ist auch zu prüfen, ob der entsprechende finanzielle Aufwand für die Bundesländer in einem vor dem Haushalt verant­ wortbaren Verhältnis zu den konkreten Rentenzah­ lungen im Einzelfall steht«. Das ist nach 40 Jahren angeblich noch immer nicht ausreichend geklärt. Was unter Verantwortung vor dem Haushalt zu ver­

stehen ist, demonstrierte jetzt der niedersächsische Finanzmi­ nister Peter-Jürgen Schneider (SPD), als er die schwarze Null für 2017 zum Ziel erklärte. Man rechne für 2016 schließlich mit Steuereinnahmen von 25,2 Milliarden Euro, das sind 607 Mil­ lionen Euro mehr als bisher eingeplant. Die schwarze Null ist der moderne Fetisch, alles andere kommt erst danach: Inves­ titionen in die Infrastruktur, in Bildung und ganz weit hinten Fragen der sozialen Gerechtigkeit.

Ein normales Leben Für Menschen wie Michael Förster käme die Regelung ohnehin zu spät. Wie viele andere ehemalige Inhaftierte wurde er nach Verbüßung seiner Strafe mit dem schmalen Überbrückungs­ geld in eine ihm unbekannt gewordene Welt geschickt, in der er keine Ersparnisse, keine Wohnung und keine Arbeit hatte. »Sie haben mich bei der Entlassung einfach vor die Tür gestellt«, sagt er und macht dabei eine Bewegung mit den Armen, als höbe er zwei Koffer an. »Ich war überhaupt nicht auf die Freiheit vorbereitet«. Dabei hatte er zunächst Glück, weil er eine Wohnung fand. Doch dort wurde er von seiner Vergan­ genheit eingeholt. Die Ärzte diagnostizierten ihm später eine posttraumatische Belastungsstörung in Verbindung mit einer Depression und einer speziellen Form der Agoraphobie. Die Gründe liegen fast zehn Jahre zurück, als Försters Welt aus den Fugen geriet, weil sein Sohn bei der Geburt starb. Innerhalb weniger Monate gab es weitere Todesfälle in seiner Familie. Das war auch die Zeit, in der seine Lebensgefährtin mehrere Suizidversuche unternahm. Das soll keine Entschuldigung sein, aber eine Erklärung. Eine Erklärung für die Erinnerungen, die ihn überfielen, als er plötzlich auf sich allein gestellt war. Und mit ihnen kamen die Ängste. »Ich traute mich nicht mehr in die Wohnung, über­ nachtete ab und zu in Pensionen oder Hotels, bis ich schließ­ lich begann, ganz auf der Straße zu leben. Geholfen hat mir am Ende nur die Kirche«. In einer Krankenwohnung der Diakonie bekam er die Krankheit in den Griff. Seit einem Jahr lebt er wie­ der in einer eigenen Wohnung. Arbeiten kann er jedoch nicht mehr, ist nun frühverrentet. Ansprüche auf eine Erwerbsmin­ derungsrente hat er durch die Haftzeit verwirkt. Aber untätig herumsitzen will er auch nicht. Drei bis vier Tage in der Woche engagiert er sich ehrenamtlich für die Kirche, »so habe ich eine Aufgabe und die Decke fällt mir nicht auf den Kopf«. Wichtig ist es für Förster, auf diese Weise unter Menschen zu kommen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Und etwas zurück­ geben zu können. Sein größter Wunsch? »Einfach nur ein normales Leben führen«, sagt Michael Förster ohne zu zögern. Ulrich Matthias * Name von der Red. geändert

ASPHALT 12/16

Funktioniert so Wiedereingliederung?

18 19


»KOPF HOCH UND WEITERMACHEN« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäuferin Eileen (31). Eileen, du hast deinen kleinen Hund dabei. Welche Rasse … und trotzdem lächelst du. Das ist bewundernswert! ist das? Was soll ich machen? Es bringt ja nichts. Kopf hoch und wei­ Prager Rattler. Wir haben Arthur von meinem Vater geschenkt bekommen. Er züchtet diese Rasse.

Mit »wir« meinst du sicher dich und deinen Mann Jörg. Er ist ja auch Asphalt-Verkäufer. Habt ihr euch hier kennengelernt?

termachen! Mich regt es nur auf, wenn ich mir blöde Sprüche anhören muss wie »geh doch vernünftig arbeiten«. Das würde ich ja gern, nur bin ich verrentet, weil ich einfach zu krank bin. Ich habe Köchin gelernt und würde auch gerne in dem Beruf arbeiten, aber es geht einfach nicht. Das fing ja schon nach meiner Ausbildung an mit den gesundheitlichen Problemen.

Nein, in Braunschweig. Wir haben dann irgendwann ange­ fangen, Asphalt zu verkaufen und sind immer nach Hanno­ Was hattest du damals für Probleme? ver gependelt. Das wurde uns aber zu aufwändig und wir sind Allergieschocks, öfter sogar, weil ich auf so viel allergisch bin. nach Hannover umgezogen. Später habe ich dann auch noch Tuberkulose im Unterleib be­­ kommen und musste deshalb oft operiert werden. Leider kann ich seitdem nicht mehr Plasma spenden, das habe ich früher Kommst du ursprünglich aus Braunschweig? Nein. Meine Heimat ist Münster, in Braunschweig habe ich nur gern gemacht, schließlich war ich selbst auch schon auf Blut­ konserven angewiesen – da wollte ich auch was zurückgeben. ein paar Jahre gewohnt.

Vermisst du deine Heimat?

Wie leben dein Mann und du?

Ja, deshalb wollen Jörg und ich nächstes Jahr auch nach Müns­ ter umziehen. Ich möchte in der Nähe meines Vaters sein, gerade jetzt, wo sich immer mal wieder jemand um Arthur kümmern muss.

Wir haben eine behindertengerechte Wohnung in Hannover Nordhafen. Es gab eine Zeit, in der es hieß, dass ich wohl ein Jahr im Rollstuhl sitzen müsste. Nun war ich aber in der Reha und brauche zum Glück keinen Rollstuhl. Lange gehen oder stehen kann ich aber leider nicht.

Warum? Ich bin doch so oft im Krankenhaus. Letzte Woche erst hatte ich wieder einen schweren epileptischen Anfall. Jeder Anfall kann der Letzte sein. Ich möchte noch etwas von meiner Fami­ lie haben. Bald muss ich wieder ins Krankenhaus, dann aber für einige Wochen. Ich war auch schon mal für drei Monate im Krankenhaus und lag sogar schon im Koma.

Das ist bestimmt schwer, weil du doch gerade erst 31 Jahre alt bist. Ja, wegen der Epilepsie darf ich auch nicht baden oder Fahr­ rad fahren. Leider darf ich auch nicht mehr reiten, das fällt mir besonders schwer. Ich bin aber total froh, dass Jörg so hinter mir steht und immer für mich da ist.

Im Koma? Was ist denn passiert?

Wie sehen eure Pläne in Münster aus?

Damals hatte ich Probleme mit einer OP-Narbe, die wieder aufgegangen und nicht verheilt ist. Ich brauchte auch mehrere Bluttransfusionen, weil ich fast verblutet wäre. Jetzt darf ich gar nicht mehr operiert werden.

Wir wollen ein bisschen mehr zur Ruhe kommen. Ich muss auf meinen Körper hören. Die Ärzte sagen mir immer schon, dass ich auf keinen Fall so alt wie meine Oma oder wie mein Vater werde. Ich genieße einfach die Zeit, die ich jetzt noch habe und deshalb möchte ich am liebsten in meine Heimat zurück.

Wegen der Epilepsie? Und wegen der Lungenembolie, die ich hatte.

Kriegst du denn regelmäßig epileptische Anfälle? Im Moment werde ich medikamentös umgestellt, da kommt das dann häufiger vor, dass ich Anfälle bekomme und ins Kran­ kenhaus muss. Das ist schon mein zweites Zuhause geworden, ich bin da auch mit allen per du.

Was habt ihr Weihnachten vor? Wir laden jedes Jahr Leute zu uns ein, die sonst allein wären. Ich koche dann für alle und wir essen gemütlich zusammen. Sie kriegen dann auch immer ein kleines Geschenk. Das haben wir auch schon in Braunschweig gemacht und so hat sich das über die Jahre eingebürgert. Interview und Foto: Svea Kohl


ASPHALT 12/16

20 21

Asphalt-Verkäuferin Eileen steht in Hannover Nordhafen vor Rewe im Kurländer Weg.


Asphalt verlost 10 x 2 Karten für den Zoo Hannover!

Warme Gedanken

Gewinnsp

iel

Anzeige

Verschenken Sie Gutscheine!

atz in s r o V e t u Der g ND17 ZWEITAUSE neuen

se re m ic h m it u n rs p ro g ra m m le g ie S n e S ta rt Frü h ja h

www.tak-hannover.de

Die Kabarett Bühne Die beliebten TAK-Gutscheine eignen sich hervorragend als Geschenk für jeden Anlass

· ·

In jeder gewünschten Höhe Für den Eintritt im Theater (nicht für die Gastronomie)

www.tak-hannover.de Tel. 0511/44 55 62 mail@tak-hannover.de Fax 0511/44 55 85 Freunde des Kabaretts in Niedersachsen e.V.

Foto: Zoo Hannover

Winter im Zoo: Die Tiere in der Kanadalandschaft Yukon Bay reiben sich Pranken und Pfoten. Eisbären, Bisons, Karibus und Wölfe haben sich einen dicken Winterpelz zugelegt und schütteln über fröstelnde Kollegen nur den Kopf. Auch Seelöwen, Seebären und Kegelrobben können mit ihrem angefressenen Winterspeck die kalte Jahreszeit gut überstehen. Waschbären und Präriehunde ziehen sich in ihre Höhlen zurück und wagen sich nur gelegentlich zum Fressen nach draußen. Die Kleinen Pandas sind bei Schnee in den Bäumen besonders gut zu erkennen. Ihr roter Pelz leuchtet unübersehbar. Die possier­ lichen Katzenbären stammen aus dem Himalaja und machen sich bei Kälte gern warme Gedanken – und manchmal darf dann nach 158 Tagen mit Nachwuchs gerechnet werden.

Gazellen und Antilopen dagegen haben jetzt »Schichtdienst«: Wie alle afrikanischen Tiere dürfen sie bei starker Kälte immer nur kurz und abwechselnd an die frische Luft, damit sie sich nicht die Ohren abfrieren. Besonders die dünnen Ohren der Elefanten sind frostgefährdet. Bei sehr kalten Temperaturen cremen die Elefantenpfleger die Ohren der Tiere zum Schutz sogar mit Babyöl ein. Möchten Sie Ihren Winterspaziergang durch den Zoo Hannover machen? Dann beantworten Sie uns einfach folgende Frage: Welche Farbe hat das Fell der Kleinen Pandas? Die Lösung unseres letzten Zoo-Rätsels lautete: (etwa) 33 Tage. Schicken Sie uns eine Postkarte, eine E-Mail oder ein Fax mit Ihrer Antwort und dem Stichwort »Zoo« bis zum 31. Dezember 2016 an: Asphalt-Redaktion, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover, gewinne@asphalt-magazin.de, Fax: 0511 – 30 12 69-15. Bitte vergessen Sie Ihre Absender­ adresse nicht! Viel Glück!


Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbände sowie Beratungs- und Hilfestellen laden an Heiligabend und zwischen den Jahren ein.

Arbeitsgemeinschaft Resohelp – Hilfe für Haftentlassene Hagenstraße 36 27., 29. – 30.12.: 9 – 11 Uhr 2.1.: 9 – 11 Uhr

Weihnachtsstuben am 24.12. Diakonisches Werk Haus der Diakonie (Mitte) Burgstraße 8/10 15 – 18 Uhr

Essenausgabe Leibnizufer 13 – 15 Heiligabend: 11 – 13 Uhr 27. – 31.12.: 11 – 13 Uhr 2.1.: 11 – 13 Uhr

Ka:punkt Grupenstraße 8 (Mitte) 18 – 20.30 Uhr Die Heilsarmee Am Marstall 25 (Mitte) 19 – 22 Uhr Lister Johannes- und Matthäus-Kirchengemeinde Gemeindezentrum Wöhlerstraße 13 (List) 15 – 20.30 Uhr Titus-Kirchengemeinde Weimarer Allee 60 (Vahrenheide) 19 – 22 Uhr DRK-Seniorenzentrum Hilde-Schneider-Allee 6 (Südstadt) 15 – 17 Uhr Kommunaler Senioren­ service Hannover Nachbarschaftstreff »Wohnen UmZu Ostland eG« Donaustraße 2 (Döhren) 15 – 18 Uhr Gemeindehaus der Auferstehungskirche Helmstedter Straße 59 (Döhren) 15 – 20 Uhr

Johanniter »Wohncafe« Pfarrlandstraße 5 (Linden-Nord) 15 – 19 Uhr

Stadtteilladen Stöcken Ithstraße 8 (Stöcken) 15 – 17 Uhr

AWO Begegnungsstätte Ernst-Korte-Haus Posthornstraße 27 (Linden-Mitte) 14 – 19 Uhr

Offene Angebote für Wohnungslose

Kirchengemeinde Vahren­ wald (mit Landeskirchl. Gemeinschaft u. arabischdeutsche evangelische Gemeinde) Vahrenwalder Straße 109 (Vahrenwald) 19 – 22 Uhr Ev.-luth. Kirchengemeinde Linden-Nord Bethlehemplatz 1 (Linden-Nord) 15 – 20 Uhr Lindener Tisch e.V. Dunkelberggang 7 (Linden) 12.30 – 14 Uhr

Kontaktladen »Mecki« Raschplatz 8c Heiligabend: 8 – 12 Uhr 27. – 29.12.: 8 – 11 Uhr 30.12.: 8 – 12 Uhr 2.1.: 8 – 11 Uhr Tagesaufenthalt Nordbahnhof Engelbosteler Damm 113 25.12.: 9 – 14 Uhr 27.12.: 14 – 19 Uhr 28.12.: 14 – 21 Uhr 29.12.: 14 – 19 Uhr Tagestreffpunkt »DüK« Lavesstraße 72 26.12.: 11 – 15 Uhr 27.12.: 9 – 14.30 Uhr 28.12.: 9 – 12 Uhr 29. – 30.12.: 9 – 14.30 Uhr 2.1.: 9 – 14.30 Uhr

Beratungsstelle Hagenstraße 36 27. – 30.12.: 9 – 11 Uhr 2.1.: 9 – 11 Uhr Szenia – Tagestreff für Frauen Burgstraße 12 27. – 30.12.: 9 – 14 Uhr 2.1.: 9 – 14 Uhr Treffpunkt Kötnerholzweg Kötnerholzweg 9 Heiligabend: 11 – 14 Uhr 27. – 30.12.: 9 – 14 Uhr 2.1.: 9 – 14 Uhr »Saftladen« Podbielskistraße 136 27.12.: 10 – 14.30 Uhr 28.12.: 12 – 16 Uhr 29.12.: 10 – 16 Uhr 30.12.: 10 – 14 Uhr 2.1.: 10 – 17 Uhr Caritas Leibnizufer 13 – 15 27.12.: 13 – 16 Uhr 28. – 29.12.: 8.30 – 13 Uhr 30.12.: 8.30 – 12 Uhr

ASPHALT 12/16

ZUM FEST NICHT ALLEIN

22 23


KEINER BETTELT GERN Bettler gehören zum Bild unserer Innenstädte, weil Armut ein Teil unserer Gesell­ schaft ist. Das will nicht jeder wahrhaben. Aber unsere Straßen stehen jedem offen. Wie wird man zum Bettler? Wahrscheinlich gibt es darüber so viele Geschichten, wie es Bettler gibt. Geschichten wie die vom 39-jährigen Andy, der schon seit seinem 15. Lebensjahr auf der Straße lebt: »Anfangs war es wohl mehr Abenteuer­ lust, mich draußen herumzutreiben, Rebellion gegen meine Eltern, die wollten immer nur heile Welt spielen«. Doch aus Abenteuer wurde Ernst, »ich geriet an die falschen Leute, hatte keinen Bock mehr auf Schule und fing an, Drogen zu nehmen. Zuhause durfte ich dann nicht mehr rein«.

Inzwischen ist Andy von den Drogen runter, hat einen Entzug hinter sich. Aber er lebt immer noch auf der Straße. In den Ein­ richtungen der Wohnungslosenhilfe hielt er es nie lange aus und die nicht mit ihm. Vielleicht ist er schon zu lange allein unterwegs, empfindet sich als Einzelgänger. Doch vor zwei Monaten hat er sich mit dem anderen Andy (32) und der jun­ gen Layla (18) zusammengetan. Seither unterstützen sie sich gegenseitig. Die drei leben »total draußen«, schlafen nachts in den Eingängen zu den Kaufhäusern oder unten im Kröp­


sche Landrecht von 1794 sieht die »aufgeklärtere« Zwangsein­ weisung von Bettlern in Landesarmenhäuser vor. Unter Strafe gestellt wurde das allgemeine Betteln schließlich 1871. Eine Verschärfung erfolgte unter dem Nazi-Regime, als Bettlern bis zu vier Jahre Arbeitshaus drohten. Erst 1969 wurde die Haftan­ drohung abgeschafft, gänzlich aus dem Strafgesetzbuch gestri­ chen wurde das Betteln erst 1974. Jeder Mensch habe heute das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten, wo er möchte, betont Müller-Brandes. Das gelte genauso für »Menschen, die sich nach dem Einkaufen in kein Wohnzimmer zurückziehen können, einfach weil sie kei­ nes haben«. Mehr als 4.000 Menschen seien in Hannover woh­ nungslos, etwa 400 von ihnen lebten auf der Straße. »Das Leben auf der Straße ist hart, die Lebenserwartung Obdachloser liegt geschätzt bei 45 Jahren«. Und das soziale Klima scheint kälter zu werden, das bemerkt Andy (32) auch in Hannover. »Es dreht sich alles nur noch um Konsum, die Leute sollen ihr ganzes Geld in den Geschäften ausgeben«. Eine merk­ würdige Welt. Vorübergehend habe er Die Lebenserwartung containert, Unverdorbenes aus dem von Obdachlosen liegt Abfall gefischt. Unglaublich, was alles bei 45 Jahren. im Müll lande. »Die haben ganze Kis­ ten Bananen weggeworden, nur weil eine Frucht schlecht war«, sagt Andy und schüttelt den Kopf. Er ist stolz darauf, dass er immer noch irgendwie zurechtkommt. An den Feiertagen will er die Weihnachtsstuben abklappern, die von den Hilfseinrichtungen angeboten werden (s. Seite 23). Und Layla? »Ich möchte Weihnachten gern mit Menschen verbringen, denen es besser geht. Damit die auch mal darüber nachdenken, dass es Leute ohne Wohnung gibt«. Layla hat zumindest einen Garten. Auf ihrem Smartphone: »Das habe ich alles angelegt«, sagt sie und wischt mit dem Finger über das Display. Bäume, Zäune, Beete und Rasenflä­ chen huschen vorbei. »Wenn ich nicht alles schaffe auf diesem Level«, erklärt sie, »erhalte ich ein neues Leben und kann einen weiteren Versuch starten«. Text und Foto: Ulrich Matthias

Anzeige

Muss man hören: Hertzliches Hannover das Wohnungslosen-Magazin. Immer am 2. Montag im Monat, 17 Uhr. ... auf UKW 106.5 oder Kabel 102.5 und bei www.leinehertz.de

ASPHALT 12/16

cke, wo die Üstra im Winter eine leere Station für Obdachlose öffnet. Tagsüber sitzen sie in der Bahn­ hofsstraße und hoffen darauf, dass nicht alle acht­ los vorübergehen und mancher etwas Kleingeld in ihren Kaffeebecher fallen lässt. Auch wenn einige Medienberichte anders klin­ gen: in Hannover gibt es nicht übermäßig viele Bett­ ler. Auf insgesamt rund 20 – 25 Personen schätzt die Servicegruppe Innenstadt die Klientel in der City. Dabei handele es sich vorwiegend um Obdachlose, Punker und Südosteuropäer. Auch wenn die Zahlen zuletzt etwas gestiegen sind (und an Wochenenden etwas höher liegen können): Wer kann sich dadurch gestört fühlen? Und warum? Im Gegensatz zum stillen (erlaubten) Betteln ist aggressives Bedrängen der Passanten oder das Bet­ teln mit Kindern ohnehin untersagt. Darauf achtet auch die Servicegruppe der Stadt. Aber das Gros der Bettler bereitet keine Probleme. Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes wirbt um Verständnis. »Ich kenne keinen Menschen, der gerne bettelt. Stun­ denlang zu sitzen, auf Almosen angewiesen zu sein, sich manchmal auch Beschimpfungen anhören zu müssen, ist harte Arbeit«. Aufdringlich sind Layla und die beiden Andys gewiss nicht. Dabei können sie jeden Cent dringend gebrauchen. Einen Ausweg aus ihrer prekären Lage sehen sie für sich derzeit nicht. Layla war vorüber­ gehend in einer Wohngruppe, aber da gefiel es ihr nicht. Zu den eigenen Eltern hat sie »ein schwieriges Verhältnis«, die wollen sie nicht mehr sehen. Nun ist sie mit dem anderen Andy zusammen, die beiden sind ein Paar. Der 32-Jährige, der viel jünger wirkt, lebt bereits seit sechs Jahren auf der Straße. Er habe »alle Lebensformen durch, alle bis auf Luxus«, sagt er und lacht. Aus seiner Wohnung ist er rausgeklagt worden, weil er das Geld für die Miete nicht mehr zusammenbekam. Zurzeit ist er der einzige der Drei, der wenigstens Hartz-IV bekommt. Das muss für alle reichen, zusammen mit dem Geld aus dem Kaf­ feebecher. Im frühen Mittelalter war das Betteln noch selbstverständlich. Wer damals alt, krank oder gehandicapt war, hatte keine andere Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu fristen. Als jedoch das Elend zunahm, stieg auch die Konkurrenz unter den zahlreicher werdenden Bettlern. Darauf erließen viele Städte Bettelordnungen. »Betrügerische Bett­ ler« wurden bald mit Freiheitsentzug, Brandmar­ kung oder gar Tod am Galgen bestraft. Das Preußi­

24 25


AUS DER SZENE

Gar nicht grün

Gewinnen und helfen

Der Protest geht weiter. Gegen die große Koalition von Ratspolitik und Bezirksverband der Kleingärt­ ner, machen die Pächter weiter mobil. Sie wehren sich gegen das ausgehandelte »Kleingartenkon­ zept«, das den Wegfall von mehr als 800 Kleingärten zugunsten von Bauland vorsieht. Für SPD-Stadt­ verbandsvorsitzende Alptekin Kirci ist die Sachlage klar: »Mit dem Kleingartenkonzept wird dringend benötigter Wohnraum geschaffen«. Das Vorgehen sei »in Kooperation« mit dem Bezirksverband der

Gewonnen wird in jedem Fall. Noch bis zum 15. Dezember läuft die Stiftungslotterie der Stadtteilstiftung Sahlkamp-Vah­ renheide und der Stiftung der St. Nathanael-Kirchengemeinde in Bothfeld: Die Auslosung – u.a. ist ein Möbelgutschein über 1.000 Euro zu gewinnen – erfolgt am 15. Dezember ab 17 Uhr im Stadtteiltreff Sahlkamp in der Elmstraße 15. Gewinnen werden aber auch das Kindermusikprojekt der St. NathanaelGemeinde, die Kindergruppe »Junges Gemüse« im Sahlkamp und der »Garten für Kids« im Spielpark Holzwiesen in Vahren­ heide. Sie erhalten den Reinerlös aus dem Losverkauf. UM

Kleingärtner geplant worden. »Für alle Gärten, die wegfallen, werden Ersatzgärten geschaffen«, so Kirci. Die im Aktionsbündnis gegen Kleingartenzerstö­ rung zusammengeschlossenen Pächter halten das Argument für vorgeschoben. »Es gibt genug Alterna­ tiven«, sagt Sprecherin Sylvia Remé. Aber die Klein­ gartenparzellen seien für die Bauwirtschaft wohl lukrativer, als andere Brachflächen. Dass ihr eige­ ner Verband da mitspielt, empfinden die Pächter als Verrat. »Der Bezirksverband vertritt nicht die Inte­ ressen der Kleingärtner, sondern der Stadt und der Bauwirtschaft«, betont Remé. Man ist sich gar nicht mehr grün im Verband. Das Aktionsbündnis will nicht lockerlassen und kündigt seine Präsenz bei den kommenden Rats- und Bezirksratssitzungen an. Derzeit werden Unterschriften für einen Bürgeran­ trag gesammelt, ein Formular kann von der Home­ page »kleingartenerhaltung.wordpress.com« herun­ tergeladen werden. UM

Es ist wieder soweit: Am Sonntag, den 11.12. findet zum fünf­ ten Mal »DIE!!! Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige in Hannover« unter der Schirmherrschaft von Fury in the Slaughterhouse im HCC statt. Wie schon in den Vorjahren wer­ den in Glas- und Niedersachsenhalle Musik, Spiel und Verkösti­ gung geboten. Unter der bewährten Moderation von Ecki Stieg und Christof Stein-Schneider spielen die fabelhaften Mendoci­ nos zur Entenkeule mit Rotkohl. Kredenzt werden die Speisen u.a. von den Schauspielern Liza Tzschirner & Kalle Haverland, den Moderatoren Ecki & Christof, Rainer Schumann (Fury i.t.s.) und Mitgliedern der SpVgg Linden Nord. Im Hauptprogramm lassen es Geier Sturzflug, Milou & Flint und MOK (Members of Klar) krachen. Auch an die Jüngsten ist gedacht: Der Zaube­ rer LennArt, Ombeni, die Präventionspuppenbühne, Fräulein Schminke und viele weitere Walkacts warten auf ihr Publi­ kum. Nicht zu vergessen die Extras wie Kleiderkammer für alle aus Privat- und Firmenspenden, Friseure, Tierfutter und Betreuung. Die Eintrittsbändchen gelten übrigens auch als Lose für die Tombola. Einlass ist ab 14.30 Uhr. UM

Foto: Karin Powser

Foto: U. Matthias

DIE!!! Weihnachtsfeier zum Fünften!


Am 11. Dezember findet zum fünften Mal die Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige in Hannover im HCC statt. In Berlin organisiert Frank Zander eine solche Feier schon seit vielen Jahren. Dass auch in Hannover ein derartiges Weihnachtsfest veranstaltet wird, und dass die Band »Fury in the Slaughterhouse« die Schirmherrschaft übernommen hat, finde ich genial! 2012 habe ich die Weihnachtsfeier miterleben dürfen. Es ist eine Wonne, das Lachen der Kinder zu hören, die Freude in den Augen der Bedürftigen zu sehen. Das ist ganz sicher für alle, die sich ehrenamtlich an dieser Feier beteiligen, eine Entschädigung für die viele Mühe, die sie auf sich nehmen, um dieses Fest zu ermöglichen. Und es sind viele, viel zu viele, für die diese Weihnachtsfeier im HCC ein schöner Lichtblick in ihrem ansonsten recht trostlosen Dasein ist. Es ist wunderbar, dass auch in diesem Jahr wieder Obdachlose und Bedürftige für einige Stunden ihre Sorgen vergessen und fröhlich feiern können. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie sehr man es genießen kann, nicht immer nur abseits zu stehen, sondern einfach mal Mittelpunkt eines schönen Festes zu sein. Allen LeserInnen wünsche ich eine ebenso schöne Weihnachtsfeier und ein gesundes Jahr 2017. Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

ASPHALT 12/16

Das muss mal gesagt werden…

26 27


RUND UM ASPHALT

Sechs Pilger in Rom

n

Tuschezeichnung: Martina Stade, Foto: Andreas Palm

Foto. I.-L. Rackisch

O -To

Asphalt-Verkäuferin Inge-Lore Rackisch: Wir waren in Rom, beim Papst. Sechs von uns Verkäufern. Er hatte uns eingeladen. Das Wichtigste bei unserer wunderbaren einmalig schönen und interessanten Reise kam natürlich vom Papst selbst. Er bat UNS um Hilfe. Mehrmals. Nur indem wir ihn unterstützen würden, könne er alle seine Pläne durchführen. Allein habe er nicht die Kraft dazu. Ich unterstütze ihn, da ich es gut finde, was er macht, obwohl ich evangelisch bin. Als wir zur Messe im Petersdom waren, waren wir ziemlich dicht dran. Mit meinem kleinen Fernglas konnte ich sogar seine Mimik gut sehen. Für mich ist er ein sehr liebevoller und vor allem gelassener Papst »Mensch«. Er ist kein verbissener Kämpfer, vielleicht eher ein raffinierter. Wir haben gemeinsam gebetet. Die Pracht des Petersdomes ist überwältigend! 120 Jahre lang wurde daran gebaut. Oder anders: 20 Päpste lang, 120 Baumeister haben alles dazu getan (und wir stellen uns mit der Elb-Philharmonie so an). Wir wurden durch Sicherheitspersonal mit unseren Eintrittskarten bis ganz nach vorne geleitet. So viele Menschen waren wir: 6.000 aus 22 Ländern. Und als wir gingen, kam die deutsche Fußballnationalmannschaft. Im Grunde hat der Papst uns, die Armen und die Wohnungslosen damit auf eine gleichwertige Stufe zu Müller und Löw gestellt. Sagenhaft! Mir fiel auf, dass Franziskus sehr geliebt wird, die Zurufe Pappa Francesco hörte ich so oft. Für seine

v.l.: Verkäufer Klaus, Martina, Guido, Frank, Vertriebsleiter Thomas Eichler, Verkäufer Martin.

Sicherheitsleute ist sein Verhalten wahrscheinlich oft sehr irritierend und völlig verunsichernd. So viele, die ihn umarmten, küssten, ihm etwas sagen und immer wieder auch berühren wollten! Er hat das nicht etwa irgendwie ertragen. Nein, er hat das selbst gewollt, kam immer wieder auf uns zu. Ein bisschen schwierig war der Umgang mit all den vielen Menschen aus anderen Ländern für uns. Es gab aufgrund fehlender Sprachkenntnisse einige Verständigungsprobleme. Und wir sechs aus Hannover mussten sehr aufpassen, dass wir immer zusammenblieben. Zwischen den Tausenden konnte man ganz schnell verloren gehen! Untergebracht waren wir etwa 30 km nördlich von Rom in der Herberge Fraterna Domus. Die war super! Doppelzimmer mit eigenem Bad! Das Essen war typisch italienisch. Winziges Frühstück, Nudeln und Salat. In so großen Speisesälen war ich noch nie. Besonders schön war dort, auch mal andere Deutsche zu hören. Wie die Kollegen von der Straßenzeitung Hinz und Kunzt aus Hamburg. Wir von Asphalt waren ja die kleinste Gruppe. Einer meiner Kollegen und ich wollen eventuell zusammen noch mal nach Rom reisen. Und zum Papst.

Asphalt-Verkäufer kann sich sehen lassen Mit dem Straßenmagazin in den Kunsttempel. Asphalt-Verkäufer Jörg stand einem Mal- und Zeichenkurs im Sprengel Museum Modell und ist jetzt der Hingucker in der Ausstellung »Menschen.Darstellungen«, die derzeit in der Ada-und-Theodor-Lessing Volkshochschule Hannover, Burgstraße 14 gezeigt wird. Darin präsentieren die Teilnehmer des Kunstkurses ihre individuellen Werke, für die sie sich von Bildern aus dem Sprengel Museum inspirieren ließen. Zur Auswahl stand das gesamte Repertoire der klassischen Moderne von Monet bis Picasso, von Delaunay bis Klee. Perspektive und Kunststil variieren daher von Künstler zu Künstlerin. Noch bis zum 20. Dezember 2016 wird die Ausstellung von montags bis freitags von 8 bis 20 Uhr zu sehen sein. Der Eintritt ist frei. UM


O -To

Asphalt-Verkäuferin Inge-Lore Rackisch: Unser zweiter Ausflug in diesem Jahr führte mit Elektro-Fahrrädern zum Arnumer See. Das größte Problem, bevor es überhaupt los ging, war das Wetter. Am Tag vor der Fahrradtour regnete es ohne Pause. An Petrus ging ein kleines Gebet um schönes Wetter. Wenigstens nicht so viel Regen! Wie gewünscht, kam es: Es war zwar grau und bedeckt, aber der Regen blieb oben. Dann ging es los. Erst durch die Stadt, was in einer Gruppe nervig ist. Am Maschsee begann es dann, Spaß zu machen. Jetzt konnten wir nämlich den Elektromotor benutzen. Eine wunderbare Erfindung! Ich hatte am Anfang oft das Gefühl, da schiebt mich jemand an. Unterwegs begegneten wir kaum anderen Leuten, da alle Pessimisten Regen erwarteten. Wir hatten Glück. Es nieselte wohl mal, wir blieben aber (fast) trocken. Das Essen im »Carree« war lecker, jeder war zufrieden. Die Mittagskarte war auch günstiger als abends. Danach ging es gesättigt wieder auf etwas anderen Wegen zurück durch den wunderschönen bunten Herbstwald. Plötzlich Theater und Geschrei! Wir fahren ja im Kreis! Merkt das denn keiner? Ich

habe es nicht gemerkt. Wir hatten so viel damit zu tun, den Pfützen auszuweichen … Gut gelaunt, mit Sauerstoff bis oben gefüllt, kamen wir wieder am Bahnhof zur Rückgabe der Räder an. Ich hätte noch hundert Kilometer fahren können und hatte gar keine Lust, nach Hause zu gehen. Das war mal wieder eine wunderbare Gemeinschaftsaktion von Asphalt, die auch ohne Sonnenschein sehr viel für den Einzelnen gebracht hat.

Foto: C. Ahring

n

gesucht – gefunden Verkäufer Michael: Meiner Kundschaft aus Bothfeld ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2017. [V-Nr: 1676]. Verkäuferin Inge-Lore: Ich suche Barbie-Puppen für meine Sammlung. Frohe Weihnachten! [V-Nr. 2013] Kontakt: 0178 – 764 08 35. Verkäufer Thomas: Liebe Kunden der Limmerstraße! Ich möchte mich von Herzen für all die Freundlichkeit und Zuwendungen auf meinem Verkaufsplatz beim Edeka Wucherpfennig bedanken. Ich wünsche Ihnen eine frohe und besinnliche Zeit! Zum Dank werde ich 1.000 Krümelmonster-Weihnachtsplätzchen backen und an Sie verteilen. [V-Nr. 2214]. Verkäufer Bernd: Suche dringend ein Damenfahrrad (28 Zoll) für mich. Abholung ist kein Problem! Danke. [V-Nr. 156] Kontakt: 0157 – 51 27 43 05. Verkäuferin Heidi: Ich wünsche all meinen Asphaltkunden aus der Lister Meile angenehme Adventstage, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr. [V-Nr. 1786].

Verkäufer Michael: Suche auf diesem Weg eine Arbeitsstelle als Seniorenbetreuer nach § 87 b Abs. 3 SGB XI. Ich habe eine Fortbildung erfolgreich abgeschlossen. Ideal wäre eine Stelle in der Tagespflege. Da ich kein Auto habe, wäre eine mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbare Stelle im näheren Umkreis von Hannover ideal. Vielen Dank im Voraus! [V-Nr. 1115] Kontakt: 0177 – 496 69 54. Verkäufer Klaus: Suche dringend ein Notebook für mich. Vielen Dank und allen ein schönes Fest sowie einen guten Start ins Jahr 2017! [V-Nr. 1418] Kontakt: 0152 – 05 99 56 82. Verkäufer Reinhold: Ich suche Arbeit als Hausmeister, in der Gartenpflege (Winter-, Baum- und Heckenschnitt) oder als Maler. [V-Nr. 137] Kontakt: 0175 – 80 22 2 23. Verkäufer Fred: Ich wünsche allen meinen Kunden vom Edeka in Ricklingen ein schönes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr. [V-Nr. 332].

ASPHALT 12/16

»Wir hatten Glück«

28 29


RUND UM ASPHALT

HÜTTEN SIND NICHT GENUG Mit Siegerinnen, Einsichten und Ansichten endete die Asphalt-Ausstellung »Friede den Hütten«.

Fotos (2): U. Matthias

Fotos (3): V. Macke

»Alle Kunst ist politisch.« Sagt Klaus Staeck, der ehemalige Bild ohne Text so gar nichts ist, wurde zu den Bildern gele­ Präsident der Berliner Akademie der Künste. Kein Wunder, sen. Schauspieler Martin-G. Kunze rezitierte Beiträge aus der dass der berühmte Karikaturist und Sachwalter vieler Künst­ Asphalt-Schreibwerkstatt. Einmal im Monat treffen sich einige lernachlässe prompt mitgemacht hatte bei der Mail-Art-Aus­ Verkäufer und Verkäuferinnen mit Asphalt-Redakteurin und stellung »Friede den Hütten …«, die wir im Oktober im Pavil­ Schreibtherapeutin Jeanette Kießling, um mit ihrer Hilfe wahl­ lon gezeigt haben. Seine war eine von mehr als 200 Postkarten weise Kummer, Frust oder auch Freude und Lebenslust zu von Künstlern, die sich allesamt auf unterschiedliche Art mit Papier zu bringen. Von Kunze intoniert eine Herausforderung dem alten Dauerbrennerzitat »Friede den Hütten, Krieg den für jedes Klischee und Vorurteilsdenken. Und damit die per­ Palästen« von Georg Büchner auseinandergesetzt hatten. Pas­ fekte Einstimmung auf die rund 14-tägige Ausstellung. send zu seinem 200. Geburtstag. Aufgespannt auf Stellwänden mitten im Foyer des hannoverschen Kulturzentrums. Vielfach Wahre Worte besucht und beachtet. Norbert Koczorski, Künstler und Über­ lebenskünstler mit Straßenerfahrung, hatte die Ausstellung Hütten, also einfache ordentliche Wohnungen, gibt es zu initiiert. Die Postkarten waren darüber hinaus Inspiration und wenig in Hannover. Viel zu wenig. Darin waren sich alle Teil­ Rahmen von drei Veranstaltungen, die wir in Zusammenarbeit nehmer unserer Diskussionsrunde zum Thema einig. Der Weg mit der Wohnungslosenunterkunft Werkheim e.V. auf den Weg zur Lösung war indes umstritten. »Analog zum einklagbaren gebracht haben. Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz müsste das Recht auf Wohnen verankert werden«, forderte im voll besetzten Pavil­ lon-Foyer Politikwissenschaftler Heiko Geiling. »Mehr Sach­ Klare Worte verstand in Stadtverwaltungen«, um mit der Wohnungswirt­ Ministerpräsident Stefan Weil war extra aus der Staatskanz­ schaft auf Augenhöhe zu agieren sowie klare landesweit allge­ lei gekommen, um die Ausstellung feierlich zu eröffnen. Ohne meingültige Regeln zu sozialen Wohnungsbauquoten empfahl Asphalt würde in Hannover eine gewichtige Stimme zu sozi­ Städtebauexperte Eckart Güldenberg. Und: »Das Land muss alpolitischen Fragestellungen fehlen, sagte Weil und dankte endlich einmal eigenes Geld in den sozialen Wohnungsbau den Veranstaltern dafür, die Kunstausstellung nach Hanno­ investieren.« Mit Wohlwollen machte sich Hannovers neue ver geholt zu haben. Und weil – mindestens bei Asphalt – alles Sozialdezernentin Konstanze Beckedorf die Forderung an die

Ministerpräsident Stefan Weil wird von Initiator Norbert Koczorski

Wohnungsmarkt in der Diskussion (v. l.): Heiko Geiling, Moderato­rin

durch die Ausstellung geführt.

Hanna Legatis, Konstanze Beckedorf, Eckart Güldenberg, Frank Eretge.


Die Siegerinnen des Asphalt-Schreibwettbewerbs (v. l.): Ruta Dreyer, Cynthia Salveter, Annika Woitinek, Zoe Ziegler (siehe ab Seite 32).

rot-grüne Landesregierung zu eigen, und betonte, dass die Stadt selbst mit Wohnungsbauoffensiven einen Beitrag leiste. Ohne Zuschüsse sei unter Marktgesetzen sozialer Wohnungsbau kaum zu realisieren, warnte indes Frank Eretge vom Wohnungsbauunternehmen Gundlach. Die Diskussion wird weiter gehen.

Wir trauern um unsere verstorbenen Verkäufer

Bewegende Worte

*11.07.1961  † 25.10.2016

Martin Rohde

Zum Abschluss der Ausstellung gab es noch einmal Texte. Diesmal von den Gewinnerinnen unseres Asphalt-Schreibwettbewerbes. Cynthia Salveter, Zoe Ziegler, Ruta Dreyer, und Annika Woitinek hatten uns über­ zeugt. Mit Sprachgefühl, Dramaturgie, Poesie und wunderbaren fei­ nen und engagierten inhaltlichen Aufschlägen zum von uns vorgegebe­ nen Thema »Friede den Hütten – was ist gerecht?«. Sie waren eingeladen

Holger Schütt *27.12.1956    † 20.10.2016

Schauspieler Martin-G. Kunze trug Prosa

Germaid brachte Protestsongs in die

und Lyrik von Asphaltern vor.

Ausstellung.

Alle Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sowie das gesamte Team.

ASPHALT 12/16

und waren zur Finissage erschienen. Martin-G.Kunze und Asphalt-Heraus­ geberin Hanna Legatis trugen die Texte dem Publikum vor. Siegertexte sind auf den folgenden Seiten abgedruckt. Ein­ gerahmt wurde die Siegerehrung des Schreibwettbewerbs von der Songschrei­ berin Germaid, die im Frühjahr den Asphalt-Protestsongcontest gewonnen hatte. Eine Frau, eine Gitarre und Lieder voller Systemkritik, Friedenssehnsucht und dem Wunsch nach Gerechtigkeit. Die Veranstaltung wurde finanziell unterstützt von der Stiftung Nds. Woh­ nungslosenhilfe und vom diakonischen Werk Niedersachsen. Volker Macke

30 31


Foto: J. Kießling

DIE SIEGERTEXTE Eindrucksvolle Geschichten, fiktive Tagebucheinträge, berührende Gedichte – die Vielfalt der Einsendungen war groß: Hier sind die Gewinnerbeiträge des Asphalt-Schreibwettbewerbs! In der Juni-Ausgabe des Asphalt-Magazins riefen wir Kinder und Jugendliche zum großen Schreibwettbewerb auf. Beglei­ tend zu unserer Ausstellung »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« im Kulturzentrum Pavillon lautete das Thema: Gerechtigkeit. Es ist schon fast 200 Jahre her, dass Georg Büchners Auf­ ruf »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« auf der Titel­ seite seiner Flugschrift »Der hessische Landbote« stand und damit soziale Missstände und gesellschaftliche Unterschiede

anprangerte – die heute leider immer noch und immer wieder aktuell sind. Zahlreiche Zuschriften erreichten denn auch die AsphaltRedaktion und ließen zumindest hoffnungsvoll darauf schlie­ ßen: Die Jugend setzt sich damit auseinander. Auf den folgenden Seiten finden Sie die fünf Siegertexte, die bereits bei der Finissage unserer Ausstellung der Öffentlichkeit vorgetragen wurden (siehe Seite 31). Lassen Sie sich beeindrucken!


23:18 Hey. Mama hat in der Schule angerufen und einen Termin in der Schule gekriegt. Gleich am Samstag. Dann hört es endlich auf. Ich meine das Mobbing. Ich fühle mich einfach super, gerade wenn ich mit Lolli (meiner Katze) und Ayla (mei­ ner Schwester) spiele. Bis Samstag, Tagebuch.

Foto: BreakingTheWalls/photocase

Samstag/17:53

Montag/7:23 Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hatte ich ein super Gefühl. Es ist Montag und ich habe heute GEBURTSTAG! Da habe ich dich gekriegt. Du kamst heute mit der Post. Anonym. Bis später.

Wir sind gerade von der Schule gekommen. Juhu, ich komme in eine andere Klasse. Aber was ist mit Henry und Anna? Oh, warte, es klingelt.

17:59 Es war Henry. Er hat gefragt, ob ich mit zu Anna komme. Na klar. Ich werde dir nachher berichten. Oder später.

2 Monate später Jippie! Ich bin gerade mit Anna und Henry Eis essen gewesen. Wir sind jetzt in der 6c, wo viele Dun­ kelhäutige sind. Die 6a, mit der haben wir nichts mehr zu tun. Also, bis dann Tagebuch. Tschüss.

Happy End

13:35 Eben habe ich in der Klasse Muffins verteilt. Von meiner Mutter gebacken. Himmlisch!!! Aber Mary­ lin und ihre Freunde sagten nur: »Igitt, wir essen doch keine Muffins von dir.« Außer Henry und Anna nah­ men kaum welche was. Ich kann doch nichts dafür!

13:57 »Hilfe, Ahsima«, schrie gerade meine Mutter, als ich nach Hause kam. An unserem Haus stand »Aus­ länder weg«. Was wollen die von uns!?!?!

Mittwoch/20:11 Sorry, dass ich so lange nicht geschrieben habe. Marylin hat gesagt, dass Braunhäutige nicht zur Schule gehen sollen. Und meine Lehrerin? Nichts. Wir standen direkt vor ihr, aber nein, sie tut nichts. Gleich rede ich mit Mama und Papa. Bis nachher.

Cynthia Salveter 12 Jahre

ASPHALT 12/16

Mein (un)gerechtes Tagebuch

32 33


Foto: inkje/photocase

Wenn ich meine Augen schließe …

Wenn ich meine Augen schließe, dann denke ich eigentlich nie daran, was mich morgen erwarten könnte. Ob ich auf dem Weg zur Schule vor ein Auto laufe, die Bahn entgleist und mich dem Erdboden gleich macht, ein Amokläufer mich erschießt oder vieles andere. Keiner von uns tut das. Oder etwa doch? Warum auch? Hier sind wir sicher. Oder nicht?

Keine Ahnung von den Bildern, die sich in ihr Inne­ res eingebrannt haben. Sie nicht mehr loslassen. Verrückt machen. Unvergesslich. Schmerzhaft. Diese lieben Kinderaugen, die solches Leid niemals hätten sehen sollen. Diese verzweifelten Blicke, die versuchen, zu verbergen, zu vergessen, stark zu sein.

Aber ein Mensch bleibt ein Mensch und du, der du Furchtbares hast durchstehen müssen, kannst nicht Wir denken nicht daran, dass unser Leben jeden Moment immer eine Maske aufsetzen. Denn eines Tages ausgelöscht werden könnte, dass eine Bombe plötzlich vom wird sie fallen und zerbrechen. Sei stark für die, die ­H immel fällt, maskierte Menschen nachts in unser Haus ein­ du zu schützen suchst. dringen und unsere Familie töten, uns verschleppen, und wir ständig um unser Leben bangen müssen. Nein. Wir haben keine Ahnung von dem, was sie hin­ All das müssen wir nicht, denn hier sind wir sicher. ter sich lassen mussten. Wen sie hinter sich ­lassen mussten. Wie viel Blut und Tod sie haben ertragen Warum sollten wir dann nicht denen helfen, die von Angst, müssen, und das immer mit dem Wunsch, endlich Trauer und Not zu uns kommen? Alle in der Hoffnung, einer in Sicherheit zu sein. Doch hier geht es weiter. Die Hölle zu entfliehen, die sie selbst sich nie haben träumen l­ assen. Albträume werden nicht so schnell verschwinden. Und doch geht es irgendwie weiter. Das muss es. Doch was tut ihr? Ihr schiebt sie herum wie Ware, redet über sie hinweg, als wären sie nicht da. Doch auf die Füße zu kommen kann schwer sein. Wie etwas Lästiges, das beseitigt werden muss. Nicht jeder schafft es, sich aus diesem Loch der Dunkelheit zu befreien, damit umzugehen, was passiert ist, zu akzeptieren, dass geliebte Menschen Ihr habt doch keine Ahnung. – Freunde, Familie – nicht wiederkehren können.


Auch ich kann mir nicht vorstellen, wie viel ihr erlebt habt, was ihr nie erleben wolltet. Ich kann einem Mädchen meines Alters nicht ins Gesicht sehen, weil ich Angst habe, zu sehen, wovor ich selbst mich so fürchte. Und obwohl es immer wieder Thema ist, tut niemand etwas dagegen. Das alles ist ja so weit weg, da kann es uns egal sein. Aber gerade das sollte es nicht. Denn wir alle sind Menschen, doch irgendwann haben einige verlernt, was es bedeutet, mensch­ lich zu sein. Mitgefühl zu haben, zu bedauern, zu ­t rösten, zu handeln. Das ist also nicht unser Kampf ? Warum sollen wir uns in etwas einmischen, was uns doch gar nichts angeht ? Die Frage sollte eher lauten: Warum braucht es immer erst ein Unglück, eine schreckliche Tat – von Menschen ausgeführt – die euch erst begreifen lässt, dass Gefahr droht? Warum müsst ihr Verhandlun­ gen führen? Darüber, ob Hilfe kommt, oder nicht? Es seid doch nicht ihr, die am Ende mit dem Leben zahlen müssen. Ihr lehnt euch zurück, faltet die Hände und wartet ab. Keine Träne über den Verlust von Soldaten, die in Ausübung ihrer Pf licht, zu schützen und zu ret­ ten versuchen, umkamen. Eine stumpfe Rede über einen Namen, zu dem ihr nicht mal das Gesicht gekannt habt. Ihr versteht nichts mehr von der ­wahren Bedeutung hinter all dem, was ich hier sage. Betrachtet all die Asche und den Staub zu euren

Füßen aus sicherer Entfernung. Baut Schlösser aus Gold und kehrt denen, die auf Hilfe angewiesen sind, den Rücken. Eure Lügen könnt ihr behalten. Egal, wie lange es dauert, nichts wird sich ändern. Denn in unseren Köpfen hat sich das Denken verankert, wir wären alle verschieden. Mag sein, dass wir in Hautfarbe, Sprache und Persönlichkeit nicht einig sind, doch daraus zu schließen, dass es Schich­ ten gibt, denen manche unterlegen sind und andere nicht, ist absurd und ein verzweifelter Versuch, sich als etwas Besseres darzustellen. Wir sollten nicht zögern, wenn es darum geht zu tun, was richtig ist. Demut und Mitgefühl sind Dinge, die wir alle neu zu lernen haben, wenn wir noch weiter auf dieser Welt existieren wollen. Wenn wir nicht anfangen, einander als gleich anzusehen, werden wir daran zu Grunde gehen. Denn wie wir täglich vorgeführt bekommen, sind wir oft nur einen Wimpernschlag davon entfernt, zu vergehen.

Zoe Ziegler 15 Jahre

Gesucht: Ihre schönste Weihnachtsgeschichte Liebe Leserinnen und Leser, was bedeutet Weihnachten für Sie? Gibt es ein besonderes Erlebnis, an das Sie sich gern oder vielleicht auch ungern erinnern? Lassen Sie uns daran teilhaben! Ob traurig oder heiter: Wir suchen Ihre schönste Kurzgeschichte für unsere nächste Weihnachtsausgabe! Ihre Einsendungen schicken Sie bitte bis zum 30. August 2017 per Post oder E-Mail an: Asphalt-Redaktion, z.Hd. Jeanette Kießling, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover oder kiessling@asphalt-magazin.de.

ASPHALT 12/16

Dass sich alles geändert hat. Nur ein Moment, der alles zerstören kann.

34 35


Foto: wronge57/photocase

zwei kleine vögel

zwei kleine vögel auf bäumen in deutschland und indien 70. längengrad 40 grad nur grad so bis hierhin vögel piepsen ihre blicke huschen sie huschen zu centstücken die fallen lautlose aufschreie zerfallen (mit ihnen) zwei kleine vögel zwitschern was ist gerecht? jeder am zuschauen arme braun braungebrannt unsere ideen

Ruta Dreyer 14 Jahre

schau nach deutschland schau nach indien sagt mir vögel ist das gerecht?


Wer weiß, wie viel Zeit vergangen ist? Gerade noch saß ich auf der trockenen Erde vor unserem Haus, nun auf einem hölzernen Fass in einem Wrack voll mit Fremden. Wie ­liebend gerne würde ich lästern – über die Sprache, die Bewegungen, all das, was sie mit uns machen – aber mir bleibt nicht viel Zeit. Gewiss gibt es Besseres zu tun, als all dies aufzuschreiben, zum Beispiel meine Familie zu suchen. Doch, wie gesagt, diese Zeit bleibt nicht. Die Zeit ist ein Spiel, das man nicht gewinnen kann. Jedoch kann man dem Verlieren entfliehen, es hinauszögern, so weit es geht. Aber irgendwann verliert man eh. Heute Morgen haben sie uns geholt. Meinen Bruder, meine Mutter, meinen Vater und mich. Auf Boote gezerrt haben sie uns, irgendetwas schwafelnd. Bis jetzt habe ich meine Familie nicht wieder gesehen. Die Seite endet und ich blättere um.

Foto: complize/photocase

Das vergilbte Papier in meinem Schoss knistert geheimnis­ voll, als ich die erste Seite anhebe. Als ich das kleine Heft fand, stellte ich mir nicht wirklich etwas Großartiges darunter vor; schon beim Anfangsbuchstaben des Nachnamens wurde mir jedoch bewusst, wie viel dieses Heft bedeutete … Die ver­ schnörkelte Schrift sticht mir sofort ins Auge und zwingt meine Lippen, leise mit zu murmeln …

Mittlerweile komme ich mir vor wie ein Tier. Wir werden anders behandelt, anders beäugt. Ich hasse dieses Gefühl. Am liebsten würde ich mir vor die alle stellen und schreien: »Macht euch das Spaß?! Ist das gerecht?! Wir sind auch nur Menschen!« Aber ich weiß, das würde meinen Tod zur Folge haben. Andererseits würde ich generell irgendwann das Spiel des Lebens verlieren – frei oder gefangen…

Wie Tiere wurden wir auf einen Markt gebracht, versteigert für Geld. Ich bin nun in einer mir fremden Familie gefangen. Fegen, putzen, kochen – das ist mein Tagesablauf. Jetzt sind schon zwei Wochen vergangen. Nur weil ich mich mit einem anderen Mädchen, das auch bei der Familie arbeitet, auf unserer Sprache unterhalten habe, bekamen wir so viel Ärger, dass ich richtig Angst bekam, zu sprechen. Ich stoppe im Lesen. Eine Szene spielt sich vor meinen Augen ab. Ich und meine beste Freundin sitzen im Bus, wir beide sind aus Afrika, daher unterhalten wir uns auch meist in unse­ rer Sprache. Plötzlich schnauzt uns eine Gruppe Leute an: »Wir sind hier in Amerika, sprecht gefälligst unsere Sprache!« Ich kam mir falsch vor. Fremd. Nicht wie ein Mensch. Etwas Ähnliches kam beim Schul­k iosk vor. Ein asiatischer Junge steht in der Schlange, plötzlich drängeln sich andere Kinder absicht­ lich vor, beide aus Amerika. Die Mitarbeiter am Kiosk kümmert es nicht. Da kommen zwei Mädchen mit farbiger Haut und stel­ len sich versehentlich vor sie. Sofort bekommen sie eine Woche Hausverbot. Ich kenne die Mädchen gut, man kann fast sagen, dass wir so etwas wie Freunde sind. Die beiden haben sich so sehr geschämt, dass sie die gesamte Pause auf der Toilette ver­ bracht haben.

Annika Woitinek 12 Jahre

ASPHALT 12/16

Wie Unkraut

36 37


Fertigteigtütenängste

Max war für mich das, was in Büchern als erste Liebe bezeichnet wird. Er war groß, dürr, nicht sportlich und hatte die Angewohnheit auf den Nägeln zu kauen. Sie verteilten sich fast überall. Manchmal finde ich noch welche auf der Eckbank oder hinter dem Sofa, doch traue mich nicht, sie wegzufegen, denke nur, das war Max, seine Gene hängen daran. Wir waren nicht lange zusammen und ich fand das auch nicht traurig, nur es war schön und Schönheit wird schnell vergessen. Für den Moment war unser Universum perfekt und die große Liebe brauchten wir nicht, wollten wir nicht, war es nicht. Das wussten wir und es war okay. Erinnerungen reichen. Seine Vorliebe für Karos und Kreuzworträtsel waren komisch, kotzten mich an und konnte ich verstehen. Systeme machen es einfacher. Er liebte Muffins aus Fertigteigtüten und kaufte meistens Waren, die kurz vorm Ablaufen waren. Und seine Nägel waren kurz, also musste ich die Dosen öffnen, um zu riechen, ob das Essen noch essbar sei. Nur zur Vorsicht. Max war oft vorsichtig, ohne darüber nachzuden­ ken. Und aus diesem Grund trennte er sich von mir. Er hatte Angst, jemand würde es sonst mitbekom­ men und so etwas sagen wie, »Mein Gott, du nicht auch«, die Hände zusammenschlagen, die Augen rollen oder murmeln, »Ich habe es mir doch gleich gedacht«, obwohl die meisten nicht mehr dachten, nur hörten, bloß »Oh«, stummes Nicken, versuchte Akzeptanz, das wäre am schlimmsten.

Foto: markusspiske/photocase

Homosexualität ist eine Anklagebank. Max war für mich das, was in Büchern als erste Liebe bezeichnet wird, und ich glaube, ich kann ihm nicht vorwerfen, sich vor seiner Orientierung zu verstecken, weil es nur die Gesellschaft ist, der ich etwas vorwerfen kann. Ist es gerecht, dass sich jemand für seine Liebe schä­ men muss? Braucht sich jemand wirklich für Schmetterlinge im Bauch zu rechtfertigen oder Angst zu haben, sich nicht rechtfertigen zu können, es nicht zu dürfen? Unbeantwortete Fragen, die sich im Bann der Dis­ kussion verlaufen.


Ich sehe Max im Spiegel des Schaufensters und zwischen ­L euten, die mich nicht verstehen und Grasblümchen, die ihre ­Blüten verlieren, und ich höre seine Stimme, wenn mein Kopf sich mal wieder dreht. Ich sehe ihn auf Demonstrationen und auf Regenbogen spazie­ ren und glaube oft, ihn am Regal der Muffins zu entdecken, nur so, zum Gespräch, einfach mal »Hallo« sagen, vielleicht hat er mich ja nicht vergessen. Und ich traue mich nicht, seine Nägel wegzuwerfen, weil das so wäre, als ob ich auch ihn wegwerfen würde und ich hoffe, dass er weiß, dass ich ihn niemals wegwerfen würde und egal nach was, ich kann ihn verstehen. Das alles, seine Panikattacken und seine sich drehenden Augen und seine Flüstereien und sein »Kumpel«-Gelabere. Er war nicht meine große Liebe, aber wir verstanden uns, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ist das okay. Danach will man flüchten. Und irgendwann wiederkommen und sich setzen und schwei­ gen und sich fragen, ob das an Worten reicht. Seine Nägel sind dreckig, wie immer, er kaut sie ab und sie ­fallen. Liegen auf meinen Untertassen und auf kleinen Deckchen, zwischen Karopapier und Duftkerzen, sein Geruch. Neblig, unbestimmt, eine Metapher des Vertrauens. Ein Wirbelstrom der Gedanken, in meinem Hals, zwischen uns, Max und ich.

ASPHALT 12/16

Meine Hand auf seiner, die da nicht sein dürfte, weil man uns das erzählt. Mein Selbstvertrauen und sein Nicht-Vertrauen und unsere Verwirrung vom Vertrauen, ist Coming-Out zumutbar?

Er ist neben mir und hasst Flaschendrehen, »Wahr­ heit oder Pflicht« und manchmal auch seine eigenen Gedanken. Nur Shakespeare liest er und schreibt »Romeo und Julia« zu »Romeo und Rasmus« um, zerreißt die Blätter, fragt sich, wie er auf so einen Schwachsinn kommen konnte.

38

Er backt Muffins aus Fertigteigtüten, um zu sehen, wie sie aufgehen und zerfallen, ein Schema für uns alle, er muss aufpassen, dass seine Nägel nicht in den Teig fallen. Sie wurden abgekaut, er schweigt. Bloß Wortfetzen und der Versuch, sich nicht in die Augen zu sehen.

39

Ruta Dreyer 14 Jahre

Gabriele und Helmut Nothhelfer, Freundinnen auf einer Demonstration während der Alliierten Truppenparade auf dem Spandauer Damm, Berlin 1975 © Gabriele und Helmut Nothhelfer, 2016 / Courtesy by the artist

Anzeige

asphalt_dez2016.indd 1

11. Dezember 2016 bis 19. März 2017

UND PLÖTZLICH DIESE WEITE Werkstatt für Photographie 1976-1986

S P R E N G E L M U S E U M H A N N OV E R www.sprengel-museum.de 15.11.16 10:09


DIE LESEBÜHNE – POETEN IN ASPHALT

Die Oma-Patrouille Eine (H)om(m)age von Hartmut El Kurdi

N E U L I C H

Verb »anschreien« suggeriert ja eine gewisse Zielgerichtetheit, ein Sicheinanderzuwenden. Die Karawanenführerin brüllte jedoch irgendwelche von mir nicht zu entschlüsselnden Bot­ schaften geradeaus nach vorne, ohne sich auch nur einmal Als ich meine jetzige Wohnung bezog, scannte ich nach hinten umzudrehen, und ihre Kollegin antwortete ihr mein Umfeld nach betrachtenswerten Menschen ebenso desorientiert, mal in Richtung Häuserwand, mal in und Phänomenen. Und relativ schnell fielen mir Richtung Mops, allerhöchstens mal gegen den Hinterkopf ihrer damals zwei sehr alte Damen auf, die zweimal am vorauseilenden Gesprächspartnerin bellend. Der Mops bellte Tag gemeinsam mit einem kleinen Hund – einem nie. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, ob Möpse überhaupt Mops – eine Runde um unseren Wohnblock drehten. bellen können oder vielleicht nur japsen. Oder heiser kläffen. Immer waren sie zusammen unterwegs. Aber nicht Manchmal steigerten sich die lautstarken Gespräche der Omas etwa nebeneinander, den Hund in die Mitte neh­ zu einem Donnerhall des Gebrülls und in diesen Momenten mend, nein: Oma Nr. 1 ging stets voran und Oma war klar: jetzt wird sich nicht mehr unterhalten, jetzt wird ein Nr. 2 folgte ihr im Abstand von ca. fünf Metern. Der beinharter Konflikt ausgetragen! Einmal ging Oma Nr. 1 nach einem solchen Streit einfach Hund wurde von Oma Nr. 2 an einer langen Leine hinter sich hergezogen, so dass die drei Wesen den weg und ließ Oma Nr. 2 mit ihrem Hund alleine. Und die konnte Eindruck einer wundersamen kleinen Prozession das kaum fassen. Ungläubig starrte sie hinter der Deserteu­ rin her, unterbrach ihr Starren nur kurz, um sich hilfesuchend machten. Das Kurioseste daran war jedoch, dass die auf der Straße umzusehen: Haben Sie das auch gesehen, ist Damen sich, während sie so karawanenartig die das nicht unglaublich, fragte ihr Blick, den aber niemand auf­ Häuser umkreisten, lautstark unterhielten. Eigent­ nahm, außer mir. Von mir wollte sie aber wohl keine Bestäti­ lich »unterhielten« sie sich nicht, sondern schrien gung, denn als sich unsere Augen trafen, schaute sie schnell sich an. Nein, auch das trifft es nicht ganz, denn das wieder weg. Das überraschte mich überhaupt nicht, denn ich endete es. Überraschend und plötzlich. Begonnen hatte es vor drei Jahren.


ASPHALT 12/16

Foto: fotolia/fongleon356

40 41

Drei Tage später erzählte mir eine alteingesessene Nachbarin, was geschehen war. Es war ja auch nicht schwer zu erraten gewesen. Über das Schicksal des Mopses wusste sie jedoch auch nichts. Manch­ mal stelle ich mir vor, wie er jetzt im Tierheim oder bei irgendeiner verzogenen Nichte der alten Dame in der Ecke herumliegt, kurz seine Schlappohren spitzt und denkt: Was für eine deprimierende Ruhe!

Hartmut El Kurdi lebt und arbeitet als Schriftsteller, Performer und Exil-Braunschweiger mit Kasseler Wurzeln in Hannover. Er schreibt Theater­s tücke, Hörspiele, Kinderbücher und Kolumnen (u.a. für die TAZ, ZeitLeo und Stadtkind). Zuletzt von ihm erschienen: »Revolverhelden auf Klassenfahrt« (Edition Tiamat) und »Erwachsene verstehen« (Carlsen Verlag). Foto: privat

ging sowieso davon aus, dass die beiden in einer Parallelwelt lebten, in der nur alte Omas und Möpse existierten, allenfalls noch Dackel. Und in der komische Typen, die Zeitungen in Altpapiercontainer füllten, mit Sicherheit keine adäquaten Mitleider abgaben. Trotzdem litt ich mit ihr und fragte mich: Was wird morgen sein? Werden die beiden morgen wieder zusammen auf Streife gehen, oder war hier vielleicht eine jahr­ zehntelange Freundschaft auseinandergebrochen? Natürlich patrouillierten sie am nächsten Tag wieder gemeinsam die Straße entlang als sei nichts gewesen, und selbstverständlich schrien sie sich dabei in ihrem üblichen High-Energy-Konversationston an und sorgten damit für meine Beruhigung und Unterhaltung. Als ich dann neulich vom Einkaufen zurückkehrte und mir eine der alten Damen alleine, ohne ihre Partnerin und deren Hund und daher logischerweise nicht schreiend, auf dem Bürgersteig begegnete, dachte ich: Nanu, hat es wieder Streit gegeben? Und das auch noch unbeobachtet von mir? Ich bog um die Häuserecke, wachen Blickes, auf der Suche nach Oma Nr. 2, die ja wieder irgendwo erschüttert rumstehen musste. Aber ich sah sie nicht. Weder an diesem Tag, noch am nächsten oder übernächsten.


BUCHTIPPS Unter Einfluss Eins der klügsten Bücher zur gegenwärtigen Glaubwürdigkeitskrise der Medien ist ein Comic. Geschrieben von der US-Radiomoderatorin Brooke Gladstone. Auf den schwarzweiß-türkisen Panels des Zeichners Josh Neufeld begibt sich die Autorin selbst als Heldin auf einen Parforceritt durch die Mediengeschichte: Von den Maya über Jefferson, Watergate, 9/11 bis in die Echokammern des Internets. Unaufgeregt erklärt sie, welche Faktoren Berichterstattung beeinflussen, welche Abhängigkeiten sie gefährden. Die »überholte Idee« einer journalistischen Objektivität verwirft sie wie die trügerische Vorstellung von Neutralität und plädiert dafür, sie einzutauschen gegen Transparenz in der Arbeit. Denn: Der »Beeinflussungsapparat«, die große Verschwörung einer gelenkten Medienmaschine existiert nicht. Im Gegenteil: »Die Medien kontrollieren uns nicht. Sie biedern sich uns an.« Ein Buch, so klug wie leichtfüßig, so meinungsstark wie mitreißend. Wohlbemerkt: in Comic-Form. BP Brooke Gladstone · Der Beeinflussungsapparat · Correctiv · 20 Euro

Anzeige

Unter Brücken

Bernd Lange: »Unser Europa: Vereint in Vielfalt! Nationalismus und Populismus entschieden entgegentreten!« www.bernd-lange.de

»Er fahrungsberichte aus der Obdachlosigkeit, wer will denn so was lesen?« Die Verlags-Reaktionen auf das Buch von Matthias Albrecht waren, vorsichtig formuliert, verhalten. Dabei sind nicht nur ausführliche Biografien von Betroffenen äußerst rar, sondern auch Zeugnisse von Außenstehenden, die länger als für die Dauer einer Tageszeitungsreportage in die Welt der Menschen ohne Wohnung eintauchen. Albrecht, der als Krankenpfleger und Pfarrer gearbeitet hat, verbringt freiwillig zwei Monate unter Obdachlosen. Er schläft in Notunterkünften und auf der Straße und erfährt Unterstützung von Menschen, die selbst nichts haben. Um die Übernachtung in Notübernachtungsstellen zahlen zu können, überwindet er sich zu betteln. Er erlebt Konkurrenz, Diebstahl und Gewalt genauso wie Solidarität. Es ist gerade dieser nicht-journalistische Gestus, der Ratlosigkeit und Irritation aushält, der den schmalen Band lesenswert macht. Wer so etwas lesen will? Ich, zum Beispiel. BP Matthias Unterwegs · Ohne Obdach. Leben auf der Straße · Engelsdorfer · 11 Euro


Musik Mr. Irish Bastard

Liquid Words

Mit Ihrem sechsten Studioalbum »The World, The Flesh & The Devil« treten die Münsteraner Folk-Punks an, um ihre Seelen zu retten – oder zumindest das, was nach acht Jahren »on the Road« davon übrig geblieben ist. Denn der Albumtitel bedeutet nicht weniger als der ständige Kampf gegen sein eigenes – ganz persönliches Laster. Sänger Mr. Irish Bastard Himself, Bassist Boeuf Strongenuff, Banjo-Spieler Gran E. Smith und Tin Whistle-Spielerin Lady Lily gründeten ihre Band Mr. Irish Bastard vor zehn Jahren – und fahren seither konsequent die Pogues-Schiene. Selbst wenn es ab und an mal etwas ruppiger zugeht, tragen Flöte und Fiddle und Akkordeon die Songs. Die Punkrock-Gitarre wird dagegen eher geduldet und nur als weiteres Stilmittel benutzt. 10.12., 20 Uhr, LUX, Schwarzer Bär 2, Hannover. Eintritt 14 Euro (VVK zzgl. Gebühren), 18 Euro (AK).

Unter dem Namen »Liquid Words« gehen Sängerin Nana und Gitarrist und Klangkünstler Abée eine Symbiose ein. Sie nehmen ihre ZuhörerInnen mit auf eine weltliterarische Reise, auf einen musikalischen Urlaub, der an viele schöne Orte dieser Welt führt. Begleitet von feinem Gitarrenspiel und eindringlicher Stimme werden Texte bekannter Autoren vertont und mischen sich in der Wahrnehmung des Publikums mit dem Klang der schönsten Vögel und dem Rauschen des Meeres. Weitere Infos, Konzerttermine und Hörproben des musikalischen Duos finden Sie unter www.liquid-words.de. 8.12., 20 Uhr, Dorf-Kultur-Erbe Altenhagen, Spiegelberger Straße 2, Springe. Eintritt: Was Sie für angemessen halten!

Ausstellung Reklamekunst aus Hannover Von Leibniz-Keks bis Pelikano: Wie muss eine Produktwerbung gestaltet sein, damit sie Erfolg bringt? In der Ausstellung werden Werbemittel hannoverscher Firmen aus der Zeit von 1900 bis 1970 präsentiert: Plakate, Annoncen und andere Drucksachen; aber auch Emailleschilder, Präsentationsobjekte für Schaufenster und Verpackungen. Vorgestellt werden auch die die visionären Unternehmer, die Architekten, die imagefördernde Fabrikbauten entwarfen, und die Künstler, die einprägsame Entwürfe lieferten. Bis 29.1.17, Dienstag und Donnerstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Mittwoch 11 bis 20 Uhr, Museum August Kestner, Trammplatz 3, Hannover. Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, Freitag Eintritt frei.

ASPHALT 12/16

KULTURTIPPS

42 43


Theater Das andalusische Mirakel

Kinder Eliot und Isabella Rattenjunge Eliot sitzt im Zug und ist stinksauer, weil er seine Ferien auf der blöden Insel Ratzekoog verbringen soll. Doch wie es der Rattenzufall will, ist auch Isabella in Ratzekoog einquartiert. Die Idylle währt nicht lange, denn bald rücken den beiden Rattenkindern Bocky Bockwurst und seine Bande übel auf die Pelle. Als es dann im alten Leuchtturm noch zu spuken anfängt, wird es richtig gruselig. Zum Glück hilft Fiete Flunder den beiden Rattenkindern aus der Patsche. Die Vorlage für das Abenteuerstück für Kinder ab vier Jahren stammt von Ingo Siegner (»Der kleine Drache Kokosnuss«, »Erdmännchen Gustav«). Telefonische Kartenreservierung unter 0511 – 899 59 40. 5.12., 9.30 Uhr; 6.12., 9.30 und 11 Uhr; 7.12., 9.30 Uhr; 10.12., 16 Uhr, Figurentheaterhaus Han­ nover, Großer Kolonnenweg 5, Hannover. Eintritt: Montag bis Freitag 6 Euro, Samstag und Sonntag Kinder 6 Euro/Erwachsene 8 Euro. Mit HannoverAktiv-Pass Eintritt frei.

Man(n) kann den Hochzeitstag doch mal vergessen! Deshalb muss Frau ja nicht gleich das Frühstücksei am Schädel des Gatten aufschlagen. Für Klodeckelfabrikant Hubertus Heppelmann Anlass, die längst überfällige Scheidung einzuleiten. Dumm nur, dass der Anwalt gerade in Spanien weilt. Heppelmann steigt einfach ins Auto und fährt los – bis eine Panne im Nirgendwo Andalusiens seinen Elan bremst. Ein allerletztes freies Zimmer findet Hubertus im schäbigsten Hotel des Ortes. Dann geht die Tür auf und herein spaziert die naiv-plappernde Studentin Nelli, mit der er fortan das Zimmer teilen soll. Das Stück stammt aus der Feder des erfolgreichen Autorenteams Lars Albaum und Dietmar Jacobs (»Stromberg«, »Das Amt«). 15.12., 19.30 Uhr, Kurt-Hirschfeld-Forum, Burg­ dorfer Straße 16, Lehrte. Eintritt: 15 bis 23 Euro, ermäßigt 10 bis 18 Euro. Kar tentelefon 05132 – 83007-16 oder -17.

Punk – Faules Holz 40 Jahre Punk in Europa! Haben wir endlich Gleichberechtigung, Frieden, Freiheit und Bildung für alle? Dürfen wir alles sagen, alles denken, alles machen? Gilt das auch auf dem Dorf? Gilt das auch in der Türkei? Gilt das auch, wenn jemand wirklich aktiv wird? Und wie geht das überhaupt? Wie zeige ich, dass ich dagegen bin? Reicht eine wilde Frisur? Laute Musik? Ein Gefühl? Ein Mausklick? Oder muss ich etwa wirklich was machen? Das selbst ernannte »Punkical with a Rebel Yell«, ein deutsch-englischer Aufschrei mit Live-Musik, richtet sich an Jugendliche ab 14 Jahren und alle im Herzen Junggebliebenen. Noch bis 22.1.17, 11 und 20 Uhr, Theater für Nie­ dersachsen, Theaterstraße 6, Hildesheim. Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 5 Euro.


ASPHALT 12/16

Anzeige

Kino Frank Zappa – Eat that Question 1940 geboren, wurde Frank Zappa – Autodidakt, Komponist, Musiker, Bandleader, Produzent und Freigeist – mit der Veröffentlichung seines Debüts ›Freak Out!‹ im Jahre 1966 schnell zur meistzitierten Stimme gesellschaftskritischer Popmusik. »Frank Zappa – Eat that Question« ist eine subtile, kunstvolle Montage allein aus historischen Aufnahmen. Regisseur Thorsten Schütte hat unvergessene Interviews und Auftritte in mühevoller Arbeit aus den Archiven von Fernsehsendern der ganzen Welt zusammengesucht. Der Fokus liegt dabei auf Zappas hemmungslosem und unterhaltsamem Umgang mit den Medien. 8. bis 10.12. und 13.12., 20.15 Uhr, Kino im Künstlerhaus, Sophien­ straße 2, Hannover. Eintritt: 6,50 Euro, ermäßigt 4,50 Euro. Mit Hanno­ ver-Aktiv-Pass Eintritt frei.

Verschiedenes Spamfilter Festival

44 Am Lindener Berge 38 30449 Hannover Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

Dezember 2016 Freitag, 2. Dezember Die Sparkasse Hannover präsentiert IDA NIELSEN & BAND Showmewhatugot! Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Dienstag, 6. Dezember Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert BACHELORKONZERTE HMTM HANNOVER KORBINIAN STOCKER & SEBASTIAN BAUER Eintritt: 10 Euro

Die digitale Arbeitswelt erscheint heute als weiteres Feld, in dem Frauen präsent, aber kaum sichtbar sind. Diesen Eindruck bestätigen auch die Geschichtsbücher: Pionierinnen wie Grace Hopper und Ada Lovelace prägten die Computergeschichte, Software-Entwicklung war einst Frauendomäne. Erst in den 1980er Jahren übernahmen die Männer die Führungsrollen in der IT-Welt und der Anteil weiblicher IT-Studentinnen begann zu sinken. Heute gibt es Maßnahmen, die das technische Interesse bei Mädchen fördern sollen und Netzwerke von Frauen, die in digitalen Branchen arbeiten. Stichwort: Netzfeminismus – darüber soll gemeinsam mit dem Publikum diskutiert werden. 16.12., 18.30 Uhr, Spamfilter Festival, Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, Hannover. Eintritt frei.

Die Sparkasse Hannover präsentiert JOE WULF & THE GENTLEMEN OF SWING Christmas in New Orleans Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro

Globale Wirtschaft und Menschenrechte

Mittwoch, 21. Dezember

Der »Tag der Menschenrechte« ist der Gedenktag zur »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte«, die am 10. Dezember 1948 verabschiedet wurde. Das Haus der Religionen und der Amnesty-Bezirk Hannover laden deshalb zum »Hannöverschen Forum« ein. Walter Hirche, der ehemalige Wirtschaftsminister von Niedersachsen thematisiert »Die globale Wirtschaft und die Menschenrechte«. Bürgermeister Thomas Hermann und Christian Franke von Amnesty International beziehen dazu Stellung. Nach den offiziellen Beiträgen besteht die Möglichkeit zum Meinungsaustausch. 10.12., 19 Uhr, Haus der Religionen, Böhmerstr. 8, Hannover. Eintritt frei.

Freitag, 9. Dezember

Donnerstag, 15./Freitag, 16. Dezember Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert B.B. & THE BLUES SHACKS Eintritt: 20 Euro

Jazz Club by Gartenheim präsentiert JOSCHO STEPHAN & BAND Christmas Swing Special Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro

Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

45


IHR ENGAGEMENT

Machen Sie mit! Impressum

Redaktion: Volker Macke (Leitung), Jeanette Kießling, Svea Kohl, Ulrich Matthias

An jedem letzten Dienstag im Monat trifft sich die Runde der Ehren­­ amtlichen in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstal­tungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäufe­rin­nen und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen – und ich freue mich, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten!

Freie Mitarbeit dieser Ausgabe: S. Mackenzie, B. Pütter, L. Stegner, W. Stelljes, S. Szameitat, K. Zempel-Bley

Im Dezember findet wegen der Weihnachtsfeierlichkeiten keine Runde der Ehrenamtlichen statt. Wir treffen uns wieder im Januar 2017!

Herausgeber: Prof. Dr. Heiko Geiling, Hanna Legatis, Rainer Müller-Brandes

Gründungsherausgeber: Walter Lampe

Geschäftsführer: Reent Stade

Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser

Anzeigen: Heike Meyer

Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter)

Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Herstellung: eindruck, Hannover

Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: 37.300

Asphalt erscheint monatlich.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 20. November 2016

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde.

Herzlichst, Ihr Reent Stade, Asphalt-Geschäftsführer

Asphalt dankt: H Fricke, K. Neef, C. Thaeter, K. Beck, I. Kirstaetter, U. Steinhoff, S. Dai, K.-H. Block, H.-E. Klabes, C. Poerschke, B. + H.-J. Nicolai, B. + W. Muehlenberg, R. Chromik M. Will, H. Haessig, A. Priesner, K. Purwin, H. Scholz, H. Corves, A. Iwannek, I. Valentin, R. Ervenich, M. Ralle, I. Willing, R. Matzner, J. Schwanke, E. Degotschin, B. Witte, M. Schütte, E. Feller, M. Knitter, L. Boekenkamp, I. Julius-Gebbing, S. Greulich, K. Strang, H. Badt, Continental AG, P. Jost-Tietzen, C. Gareis, D. Stegmann-Osterloh, U. Seifert, C.-H. Jung, N.-F. Rath, P. Toennies, J. + M. Mold, H. Dadasdy, M. Dintner, S. Gilster, S. Baethje, E.-M. Ertl, C. Barlag, P. Whitehead, K. Neumann, H. + H.A. Knabbe, A. Weber, R. Petersen, H. Schilmoeller, I. Thiem, J. Aussum, W. Riek, H. Fuerstenberg, G. Schroeder, M. Gersdorf, K. + U. Schnabel, B. Dunst, H. + H. Knoche, R. Carls, M. Otto, R. Grethe, R. + U. Uhde, O. Seehawer, A. Grantzau, B. + R. Hofbauer, W. Muenster, E. + K.-H. Neumann, H. Lampe, S. Steinfeldt, U. Arendt, B. Miemitz, J. Eickhoff, G. Moritz, R. + D. Posniak, J. Junghaenel, R. Borchers, D. Bierotte, B. + K. Taube, D. Schulz, T. Schultze-Florey, M. Geyh, A. Klotz, H. Schulz, H. Basener, A. Halbig, K. Bast, H. Freytag, J. Mindermann, G. Mosch-Gilg, P. + R. Weiland, R. Heinrich, B. Pelchen, H.-W. Seider, M. Zymara, M. Hofmann, B. Karnau, G. Pelleter, K. Kisser, M. + G. Purr, J. Wilkens, H.-L. Fricke, I. + Dr. A. Leschinsky, W. + U. Kreutzmann, K. Bohnsack, G. Raschke, W. Kubasch, K. Schoeckel, M. Klaus-Horn sowie allen anonymen Spendern und allen Asphalt-Patinnen und -Paten.

Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger

Verkäuferausweise

Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei Ver­käuferInnen mit gültigem Aus­weis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Rosa


Aus den nachfolgenden Silben sind 16 Wörter zu bilden, deren erste und fünfte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – eine japanische Weisheit ergeben: ba – be – che – cken – din – dü – ein – ein – en – en – ent – epo – er – fo – ga – heit – in – kennt – ker – ku – ler – li – loh – man – nacht – nis – nung – on – raa – rei – rer – ro – rund – se – si – sied – stein – ster – stre – ti – to – traeg – ul – uten – voll – ze

1. Eremit 2. Zeit zwischen Infektion und Krankheitsausbruch 3. am Abend gelb blühende Staude 4. Zeitabschnitt 5. Zubehör für ein besonderes Hobby 6. Literarische Gattung 7. Schweizerische Landschaft

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal das Jugendbuch »Rock4Life« von Jamie Scallion, Sänger und Songwriter der britischen Rockband Officer Kicks. Der schüchterne Burt ist seit Jahren hoffnungslos in die schöne Bex verliebt. Als er erfährt, dass sie auf Rockmusiker steht, gründet Burt kurzerhand seine eigene Band. Wird Bex sich jetzt verlieben? Für Jugendliche ab 13 Jahren. Viermal verlosen wir das Bücher-Tagebuch »Bücher sind treu« – das perfekte Mittel gegen literarischen Gedächtnisschwund. In dieser Vorlage können Sie 50 Bücher eintragen: Halten Sie fest, wo und wann Sie es gekauft haben, oder wer es Ihnen zu welchem Anlass geschenkt hat; notieren Sie die schönsten Sätze, geben Sie Bewertungen ab und führen Sie Listen wie »Meine Lieblingsbücher« oder »Was ich noch lesen möchte«. Perfekt für alle leidenschaftlichen Leseratten! Dreimal verlosen wir die CD »Celtic Guitar Journeys«, die Sie in keltische Welten entführen wird. Die drei international gefeierten Akustikgitarristen Soïg Sobéril (Bretagne), Dylan Fowler (Wales) und Ian Melrose (Schottland) zelebrieren auf ihrem ersten gemeinsamen Album ihre keltischen Wurzeln. Entstanden ist eine einzigartige, von Traditionen geprägte, mit anderen Genres vermischte Musik. Die Lösung des November-Rätsels lautete: Aus Mäßigkeit entspringt ein reines Glück. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de Einsendeschluss: 31. Dezember 2016. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht!

8. Herrenmantel 9. Maler aus Nürnberg 10. Begründer der Relativitätstheorie 11. ausführen 12. Bezahlung 13. Studienfahrt durch mehrere Orte 14. Beharrungsvermögen 15. deutscher Schriftsteller (19./20. Jh.) 16. Einsicht

ASPHALT 12/16

SILBENRÄTSEL

46 47


GVH MobilCard 63plus

Für alle, die schon früher große Runden drehten!

Neu:

Mitnah meregelu ng für bis zu vie Person r en!

Nehmen Sie mit der neuen GVH MobilCard 63plus auch weiterhin Schwung auf! Die ideale Taktung, geschnürt für alle ab 63 und im günstigen JahresAbonnement sogar für alle bis Jahrgang 1955. Einfach alles auf eine Card setzen: Abo abschließen, einsteigen und in Bewegung bleiben.

gvh.de


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.