2019 11 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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DIE KELLYS UNTERWEGS HELDEN DER MUSIK

HELDEN DER GESCHICHTE

HELD DER STRASSE

Über Straße und Hannover: Patricia Kelly im Interview

Mit Liste und mit Recht: Oskar Schindler & Ben Ferencz

Mit Stift und Witz: Gregor Gog als Comic

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Notizblock

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Angespitzt

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(K)ein Gedenken 75 Jahre nach der Liste: Auf den Spuren Oskar Schindlers.

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Der letzte Ankläger 1947 war Benjamin Ferencz Chefankläger in Nürnberg. Im so genannten Einsatzgruppen-Prozess. 72 Jahre später erzählt er von damals. Und von heute.

14 Von der Straße Die Kelly Family feiert ihr 25-jähriges »Over the Hump«-Jubiläum. Ein Rückblick mit Patricia Kelly.

18 Rund um Asphalt 19 »Angespannt bis 2030« Die Mieten steigen. Ein alternativer Wohngipfel sucht Antworten. Ein Interview mit Mat­t­hias Günther vom Pestel Institut in Hannover.

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Aus der Szene

23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben von Asphalt-Verkäufer Guido

26 Rund um Asphalt 26

Impressum

28 Meine Worte Texte aus der Asphalt-Schreibwerkstatt

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»König der Vagabunden« Anarchist, Bürgerschreck, Chefredakteur des Vorläufers aller Straßenzeitungen: Gregor Gog. Ein Comic zeichnet nun seine politische Biografie nach.

34 Buchtipps 35 November-Tipps 38 Silbenrätsel 39

Brodowys Momentaufnahme

Titelbild: Peter Becher

Das Asphalt-Prinzip Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung. Spenden Sie bitte an: Asphalt gGmbH bei der Evangelische Bank eG, IBAN: DE35 5206 0410 0000 6022 30, BIC: GENODEF1EK1


»die Stadtmitte gehört allen und nicht nur den Anwohnern und Geschäftsleuten«, sagt Patricia Kelly mit Nachdruck. Patricia Kelly kennt die Straße. Von damals, als sie mit ihrer Familie, der Kelly Family umherzog, um mit Trommel, Geige und Gesang Geld zu verdienen. Für »Brot und Butter« wie sie sagt. Erst danach wurden sie berühmt. Weltberühmt. Vor genau 25 Jahren. Mit den Ohrwürmern des Albums »Over the Hump«. Im exklusiven Asphalt-Interview erinnert sich die Sängerin an die armen und die reichen Zeiten, spricht über Hannover, Straßenmusik und den Wert des Normalseins. Genau 75 Jahre ist die Liste alt, die rund 1.200 Jüdinnen und Juden das Überleben sicherten. Schindlers Liste, vor 25 Jahren wurde ihre Geschichte verfilmt und sie ist immer noch so aktuell und nötig wie damals. Wir waren für Sie auf Spurensuche in Krakau, wo Schindler, der später verarmt in Hildesheim starb, quasi über Nacht vom Nazi zum »Gerechten« wurde. Und wir haben den letzten noch lebenden Ankläger der Nürnberger Prozesse, den heute 99-jährigen Benjamin Ferencz, getroffen. Recht statt Rache, das müsse auch heute noch der Maßstab sein, sagt er. Anarchist, Bürgerschreck, Chefredakteur des Vorläufers aller Straßenzeitungen, Organisator des »Ersten Internationalen Vagabundenkongresses«, das war Gregor Gog. Selbst einer von der Straße. Damals in der Weimarer Republik. Illustratorin Bea Davies und Journalist Patrick Spät haben ihm jetzt mit dem Comic »König der Vagabunden« ein Denkmal gesetzt, wie es Gog selbst vermutlich gefreut hätte. Ehrensache, dass wir, seine Nachfolger, es Ihnen in dieser unserer Straßenzeitung vorstellen wollen.

Eine spannende Lektüre wünscht

Volker Macke · Redaktionsleiter

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Liebe Leserinnen und Leser,

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Foto: G. Biele

Foto V. Macke

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Mit Preis und Konfetti für Mieter

Demo für Wohnraum

Hannover. Ein Negativpreis für hässliche Blüten der Wohnungswirtschaft wurde verliehen. Stellvertretend. Die Gruppe »Nordstadt Solidarisch« macht monatlich mit dem »Goldenen Miethai« an konkreten Beispielen auf unsoziale Geschäftsmodelle, Luxussanierungen und spekulative Leerstände aufmerksam. Im Oktober war der Trend zu Kurzzeitvermietungen a la Airbnb in den sehr angespannten Wohnlagen wie Linden, Nord- Ost- und Südstadt Thema. »Hier wird dringend benötigter Wohnraum dem Mietenmarkt entzogen«, kritisierte eine Sprecherin der Demo mit 150 TeilnehmerInnen. In Hannover fehlen laut Hans-Böckler-Stiftung fast 50.000 Wohnungen, davon rund 36.000 für Haushalte, die über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen. MAC

Hannover. Mit Zelt und Liegestühlen hat Die Linke vor der Uni Hannover gegen studentische Wohnungsnot protestiert. In diesem Wintersemester beginnen über 30.000 Studierende ein Studium in Niedersachsen, allein in Hannover rund 6.500. Vielerorts sei es für sie immer schwerer eine bezahlbare Bleibe zu finden, kritisierte der Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Bildmitte). »Die Studentenwohnheime sind langfristig ausgebucht, mehrere tausend Wohnheimplätze fehlen.« Aus Sicht der Linken versagt die Landesregierung in der Wohnungspolitik. »Dabei enthält die niedersächsische Landesverfassung das Staatsziel, dass ›die Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum versorgt ist‹.« MAC

Ab dem 1.1.2020 steigt der Regelsatz für Empfänger von Hartz

Hannover. Waldfläche von der Größe von umgerechnet 28.000 Fußballfeldern sind in Niedersachsen aufgrund der Dürre und ihrer Folgeschäden vernichtet worden. Das ist das Ergebnis des Nationalen Waldgipfels. Und Wald ist ein Wirtschaftsgut. Daher sollen die Waldbesitzer von Forstministerin Barbara Otte-Kinast vom kommenden Jahr an mit rund 120 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln unterstützt werden. Die Grünen im Landtag kritisieren, dass die Fördermittel nicht für einen klimagerechten Umbau der Wälder hin zu mehr Laubbaumbestand verwendet werden. »Ziel muss ein Mischwald sein, der resistenter gegen Trockenheit, Stürme, Schädlingsbefall und Waldbrandgefahr wird«, fordert die forstpolitische Sprecherin der Fraktion Miriam Staudte. MAC

Monat. Für Singles. Das sind 1,9% Erhöhung.

ZAHLENSPIEGEL »KLEINER ZUSCHUSS«

Geld für Wald

IV um 8 Euro je

Insgesamt also 432

Euro pro Monat. Betroffen sind rund 5,6 Mio. Menschen in Deutschland. Erwachsene mit PartnerIn erhalten 7 Euro, Kinder je nach Alter 5

bis

8 Euro mehr. Insgesamt also zwischen 250 und 328 Euro. Für die Berechnung wird ein Index aus 70 % Preisentwicklung und 30 % Lohnentwicklung zugrunde gelegt.


Vor 25 Jahren – Wie alles begann

Gifhorn/Hannover. Ein Modellprojekt, bei dem Pflegekräfte ärztliche Aufgaben übernehmen sollen, hat Sozialministerin Carola Reimann (SPD) jetzt auf den Weg gebracht. Demnach sollen die Pfleger am Patienten zuhause Blut abnehmen, Blutdruck- und Sauerstoffmessungen vornehmen, EKGs schreiben und Wunden versorgen und Daten mittels Tablet einem Allgemeinmediziner in seiner Praxis übermitteln. Der vorher übliche Hausbesuch des Arztes soll so entfallen. Sollte sich das Projekt bewähren, soll es ab 2021 in andere Orte ausgeweitet werden. Das Ministerium finanziert den Test mit rund 80.000 Euro. MAC

Mit Härte gegen Hass Hannover. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) will stärker gegen sogenannte Hasskriminalität im Internet vorgehen. Dafür will er Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Sachen Hate-Speech einrichten. Betreiber sogenannter Social-­ Media-Plattformen wie facebook sollen künftig leichter zur Herausgabe von Nutzerdaten verpflichtet werden können. Für Online-Spiele sollen zudem die Altersüberprüfungen der Nutzer verschärft werden. »Vor allem im Hinblick auf die veränderten Organisationsformen im Internet und die hohe Gewaltbereitschaft von Rechtsextremisten müssen wir konzertiert und systematisch vorgehen«, so Pistorius. MAC

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Test für Telemedizin

LAYOUT UND PERIPHERIE

Die dritte Ausgabe ist gerade erschienen. Das Team ist klein, nicht immer einig, ungeübt aber mit eisernem Wil­len, den Obdachlosen in Hannover Stimme zu sein. Dafür arbeiten die acht Leute in Redaktion, Vertrieb und Anzeigenabteilung. Manche haben eine ABM-Stelle, andere arbeiten ehrenamtlich zu. Damals im Herbst 1994, als alles beginnt. Und Hannover ist prompt verliebt. In Asphalt, in die mittlerweile 140 Leute von der Straße, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe trägt und begeistert. In Asphalt Nr. 3 geht es ums Faust­gelände, den Stadtteilbauernhof, Heinz Rühmann und natürlich Infos aus der Obdachlosenszene. Ein bisschen politisch, ein bisschen boulevardesk, ganz normal eigentlich. Längst hat Asphalt gewerbliche Stadtmagazine wie Schädelspalter und Prinz hinter sich gelassen. Nur gut die Hälfte der Asphalt-Auflage von 50.000 Exemplaren druckt der Spalter, kaum 20 Prozent die Illustrierte Prinz. Der Anfangserfolg soll jetzt verstetigt werden. Vor allem Druck und Layout müssen gesichert sein. Darin herrscht Einigkeit zwischen den beiden so unterschiedlichen Partnern und Gründern Diakonie und H.I.o.B.. Eine Agentur wird ins Boot geholt. Bildbearbeitung, Grafiken, Satz und Schnitt: Die Profis von eindruck am Emmichplatz sind weit mehr als ein Dienstleister – die nächsten 20 Jahre werden sie mit Herzblut und Sachverstand an Asphalts Seite stehen. Diese neue Stabilität kann Asphalt gut gebrauchen. Denn die (jungen) Wilden von der Straße wollen weiter. Das Stadtmagazin soll die Stadtgrenzen überschreiten. Schon fährt H.I.o.B-Chef Rolf Höpfner nach Celle, die Jazz-Night will helfen, die ersten AsphaltVerkäufer in Celle machen sich bereit … Fortsetzung in Asphalt 12/2019

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25 JAHR

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ANGESPITZT – DIE GLOSSE

Neulich war alles mal wieder ganz langsam. Der gestreamte Film blieb ständig stehen, der Musikdownload schlug fehl. Kundendienst. Hotline. Warteschleife. Musik. Sie kennen das. Irgendwann eine freundliche Stimme. Ich: »Aber ich habe doch 400 Mbit, da muss das doch gehen.« »Jaha, haben Sie – theoretisch«, flötet der nette Callcenter-Mitarbeiter. Ich: »Wie theoretisch?« »Sie haben bis zu 400 Mbit. Wenn alles gut geht, die Leitung steht, nicht überlastet ist, die Hardware stimmt und all das. BIS ZU! So steht es auch im Vertrag.« Rechtsanspruch? Nicht wirklich. Allenfalls grundsätzlich. Worauf einzig Verlass ist: Es gibt nicht aus Versehen mal mehr Datenmenge. Nur nach oben gibt es die klare Grenze. Nun war ja gerade Wahlkampf in Hannover. Immerhin galt es, der Landeshauptstadt einen neuen Kopf zu geben. Damit das geklärt werden konnte, gab es

»ALL DAS UND BIS ZU«

versprochene Zahlen. Zu künftigen Ausgaben, Einnahmen, Kitaplätzen, Anteilen an Verkehr und all das. Klang vielversprechend. »20.000 neue Wohnungen« für Hannover versprach einer. Innerhalb von 10 Jahren. Frohlocken, »Wohnungsnot bald gelöst« sieht man schon die Schlagzeile. Doch halt. Auch hier wie bei allen anderen Versprechen: Zwei kleine Wörter standen noch davor. »Bis zu …« Kann also sein, dass es nicht ganz so viele werden. Kann sein, dass es nicht genug Bauflächen gibt. Dass nicht genug Personal für die Bauanträge gefunden wird. Kann sein, dass die Infrastruktur nicht nachkommt. Dass die Baufirmen nicht gut genug arbeiten. Kann auch sein, dass nicht genug Fördergeld da ist. Aber Theoretisch sind es 20.000. Versprochen! »Wenn die Hardware stimmt und all das.« Volker Macke

Das Herz der Straße 25 Jahre Asphalt. Unsere Jubiläumsausgabe liefert Rückblicke, Ausblicke, Daten und Fakten. Asphalt-Gründer Walter Lampe spricht über die Gründungstage, über Dankbarkeit, Freundschaft und das Notwendige. Verkäufer der ersten Stunde erzählen über ihr Leben mit Asphalt. Die Jubiläumsausgabe gibt es für 2,20 Euro auf Straßen und Plätzen. Die Hälfte davon bekommt wie immer der Verkäufer.


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Foto: W. Stelljes

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(K)EIN GEDENKEN 75 Jahre nach der Liste: Oskar Schindler, weltberühmt durch den Film »Schindlers Liste« von Steven Spielberg. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Hildesheim. Zum »Gerechten unter den Völkern« wurde er in Krakau. Eine Spurensuche. 1994 kam »Schindlers Liste« von Steven Spielberg in die deutschen Kinos, einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, ausgezeichnet mit sieben Oscars. Fünf Jahre später machte Hildesheim weltweit Schlagzeilen: Ein Koffer war aufgetaucht, jahrelang lag er unbeachtet auf einem Dachboden in der Göttingstraße 30. Der Inhalt: zahlreiche Briefe von und an Oskar Schindler, Fotos, Urkunden. Und eine Liste mit etwa 1.200 Namen. Es sind die Namen der Juden, die er 1944 als Arbeiter für seine Fabrik angefordert hat und damit vor der Ermordung

in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten bewahrte – »Schindlers Liste«, eine von insgesamt vier bekannten Abschriften. Schindler hatte 1970 das Ehepaar Staehr aus Hildesheim am Strand von Tel Aviv kennengelernt. Schindler und Annemarie Staehr sollen eine Affäre gehabt haben. Jedenfalls war Schindler, der seinen Wohnsitz eigentlich in Frankfurt hatte, fortan häufiger in Hildesheim. Mochte er auch anderorts durch seinen exzessiven Lebensstil aufgefallen sein, in Hildesheim nahm


auf einem Speicher in Hildesheim gefunden – darunter auch eine Liste mit 1.200 jüdischen Namen in einer

Foto: W. Stelljes

Foto: Bernd Weissbrod/Picture-Alliance

Der Koffer mit Schindlers schriftlichem Nachlass wurde

Erinnerungs-Stühle am Platz des Krakauer Ghettoaufstands.

Originalfassung und zahlreichen Durchschlägen.

Foto: Bistum Hildesheim

sich wirft, war völlig mittellos. Er wurde auf eigenen Wunsch in Jerusalem beigesetzt. In Hildesheim tragen heute eine Schule und eine Straße seinen Namen. Und sein Wohnhaus ein Schild.

Ein Schild erinnert an Schindler an seinem letzten Wohnhaus in der Göttingstraße in Hildesheim.

kaum jemand Notiz von ihm. Die letzten Wochen seines Lebens war Schindler, gesundheitlich schwer angeschlagen, unter der Obhut des Ehepaares. Er starb am 9. Oktober 1974 nach einer Herzoperation in einem Hildesheimer Krankenhaus. Das Sozialamt der Stadt Frankfurt übernahm die Behandlungskosten. Schindler, der sich in Krakau eine goldene Nase verdient hatte und auch im Film mit Geld nur so um

Schindlers Wohnung Wer »Schindlers Liste« gesehen hat, kennt diese Szenen: Eine jüdische Familie wird rabiat aus ihrer Wohnung vertrieben, sie muss in aller Eile ein paar Siebensachen zusammenpacken. Die Wohnung wird zur neuen Bleibe von Oskar Schindler, er macht es sich auf dem Bett bequem. Spielberg drehte diese Szenen in Krakau, allerdings nicht in der Straszewskiego-Straße. Dort, im Haus Nr. 7, wohnte die jüdische Familie, deren Wohnung Schindler tatsächlich bezog. Es ist heute ein unspektakulärer grauer Bau mit fünf Stockwerken am Rande der Altstadt. Alle paar Minuten fährt eine weiße Touristenkutsche vorbei. Keine hält. Nichts deutet auf Oskar Schindler hin. Wer googelt, findet eine Airbnb-Wohnung. »Genießen Sie die Atmosphäre in der Originalwohnung von Oskar Schindler in Krakau.« Man muss das nicht geschmackvoll finden.


Foto: W. Stelljes

Die Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler in Krakau ist heute Museum, war Originaldrehort des Spielberg-Films und bis 1944 Horror und Hoffnung.

Hier in der Straszewskiego-Straße wurde der Sohn eines Landmaschinenfabrikanten fortan vom Glockenschlag der Wawel-Kathedrale geweckt, einem Nationalheiligtum ganz in der Nähe, Ort der Krönung polnischer Monarchen und Grabstätte der meisten Könige Polens. Wenn er die Vorhänge zurückzog, blickte er in einen Park. Auf der anderen Seite des Parks, ganz nah, im Franziskaner-Kloster, studierte zur selben Zeit Maximilian Kolbe, der 1941 von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde. Den Tipp mit der Adresse verdanken wir Sylwia Jeruzal. Die 45-jährige Kunsthistorikerin macht seit 23 Jahren Führungen durch Krakau. Sie sagt: »Schindler konnte sich vieles erlauben.« Und sie sagt, was wir in diesen Tagen häufiger hören: Schindler hatte zwei Seiten. »Er hat Gutes getan. Aber er hatte keinen Heiligenschein.«

Schindlers Fabrik »Schindlers Liste« war kaum in den Kinos, da wunderte sich der Wachmann eines Gebäudes in der Lipowa-Straße 4 in Podgórze, einem Stadtteil südlich der Weichsel, warum plötzlich Leute

»Krakau war die Stadt der Kultur und der Wissenschaft.« Auf alten Fotos aus der »Zwischenkriegszeit« sieht man Kinder in den Sommerferien und Wartende im Krakauer Bahnhofssaal. »Die Polen glaubten nicht, dass ein Krieg ausbrechen kann.« Ein dunkler Tunnel symbolisiert den Beginn dieses Krieges, das Modell eines kleinen Panzers die Unterlegenheit der polnischen Armee. Am 6. September 1939 hissen Wehrmachtssoldaten die Hakenkreuz-Fahne auf dem Wawel. Fünf Jahre, vier Monate und zwölf Tage währte die Schreckensherrschaft, im Museum auf vielfältige Weise dokumentiert. Kobylański versäumt nicht, uns auf die »Sonderaktion Krakau« hinzuweisen. Am 6. November 1939 lud der SS-Offizier Bruno Müller 183 Professoren und Dozenten zu einem Vortrag über den »deutschen Standpunkt in Wissenschafts- und Hochschulfragen« in die Universität ein – eine Falle. Alle wurden verhaftet, 168 Wissenschaftler kamen in das KZ Sachsenhausen. Die »Sonderaktion Krakau« war der Auftakt für die gezielte Vernichtung der polnischen Elite.

Schindler, der Kriegsgewinnler »Schindler war Mitglied der NS-Partei und Abwehragent«, sagt Romuald Kobylański. Ende 1938 oder Anfang 1939 trat er in die NSDAP ein, die Angaben variieren. Schon in den Jahren davor hatte er als Agent für die »Abwehr« von Wilhelm Canaris Infor-

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nach der Fabrik fragen. Die Stadt erwarb das Gebäude, das immer mehr Touristen anlockte, und eröffnete darin 2010 ein Museum. Es ist das ehemalige Verwaltungsgebäude von Schindlers Fabrik. In dem Museum geht es jedoch nicht in erster Linie um Oskar Schindler, sondern um die »Geschichte der Stadt Krakau und ihrer Bewohner in der Kriegszeit«, sagt Romuald Kobylański, der uns durch die Räume führt.

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mationen über polnische und tschechische Spione sowie die polnische Armee beschafft. Im Herbst 1939 geht Schindler nach Krakau, gerade mal 31 Jahre alt. Er wird Pächter einer von drei jüdischen Unternehmern gegründeten Press- und Emaillierfabrik, für die er Polen als billige Arbeitskräfte einstellt. Die »Deutsche Emailwarenfabrik« (DEF) produziert für die Wehrmacht, Töpfe für die Feldküche genauso wie Zünder für Bomben und Granaten. 1942 übernimmt Schindler die Firma und beschäftigt nun vor allem Juden aus dem nahen Krakauer Ghetto. »Es war ökonomisch«, sagt Kobylański, »er wollte vor allem Geld verdienen. Und er hatte hier kostenlose jüdische Arbeiter.«

Schindler, der Menschenretter

Foto: W. Stelljes

28 Räume hat das Museum, ganze zwei sind Oskar Schindler vorbehalten. Der erste Raum war das Sekretariat, der zweite zeigt, wie sein Büro ausgesehen haben soll. Nur eine Karte an der Wand hing wirklich auch bei Schindler im Büro. Der Rest – Rekonstruktion, auch Inszenierung, wie manche Kritiker meinen. Der Holzdielenboden knarrt, wenn Besucher das nachgestellte Schindler-Büro betreten. Ein Guide erzählt, dass die Fabrik eigentlich nur 300 oder 400 Leute brauchte, Schindler aber über 1.000 beschäftigte. Und dass er »als Mitglied der Abwehr

Im Museum: Schindlers Schreibtisch mit persönlichen Fotos.

sehr gut im Bilde war, er wusste früh, dass die Geschichte für die Nazis schlecht ausgehen würde.« 1944 erhält er den Räumungsbefehl für seine Fabrik, die Rote Armee rückt immer näher. Nun gelingen ihm zwei Dinge, die ihm später, trotz einiger Diskussionen, den Titel »Gerechter unter den Völkern« der Gedenkstätte Yad Vashem eintragen werden: Er beantragt erfolgreich die Verlagerung seines »kriegswichtigen Betriebs« nach Brünnlitz im Westen. Und er schafft es, auch durch Bestechung der SS, alle seine jüdischen Arbeiterinnen und Arbeiter mitzu-

nehmen. Ihre Namen stehen auf der berühmten Liste, die vor 20 Jahren auf dem Dachboden in Hildesheim gefunden wurde. Und sie stehen in einem begehbaren Würfel im Museumsbüro. Hier findet sich auch der Name von Bronisława Horowitz-Karakulska. Sie ist übrigens die einzige Überlebende, die heute noch in Krakau wohnt. Spielberg widmete ihr eine Szene in seinem Film: Sie ist das Kind, das Schindler zu seinem Geburtstag eine Torte überreicht.

»Gerechte unter den Völkern« Fast jeder, der zu Schindlers Fabrik will, kommt am »Platz der Ghettohelden« vorbei. Früher war hier einer der vier Eingänge zum Ghetto. Die Mauer, die das Ghetto umgab, hatte die Form jüdischer Grabsteine, Reste sind noch erhalten. Auf dem »Platz der Ghettohelden« stehen heute, scheinbar verloren, Dutzende von Stühlen aus Metall, teils übergroß – ein Mahnmal, das an die 68.000 Juden erinnert, die am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in der Stadt lebten, ein gutes Viertel der Bevölkerung. Sitzt man eine Weile in einem Café am Rande dieses Platzes, sieht man unentwegt kleine achtsitzige Elektrokarren, die vor einem Eckhaus halten. Hier drücken die Fahrer auf einen Knopf, es ertönen ein paar Sätze in der Sprache der Fahrgäste, die zücken kurz ihr Handy für ein Foto, und weiter gehts. In diesem Eckhaus betrieb Tadeusz Pankiewicz die »Adler-Apotheke«. Als die Nazis das Ghetto einrichteten, blieb Pankiewicz – als einziger Nicht-Jude. Erfolgreich wehrte er sich gegen die Verlegung seiner Apotheke. Und er half Ghettobewohnern, wo er nur konnte. Pankiewicz nutzte seinen Passierschein, um Briefe, gefälschte Papiere oder Medikamente zu schmuggeln. Er versteckte Juden und bewahrte sie vor einer Deportation. Seine Apotheke wurde zu einer Insel der Humanität inmitten tödlicher Willkür. Sie ist heute ein kleines Museum. Wer die Schränke und Schubladen öffnet, erfährt mehr über den Mann, dem ebenfalls der Ehrentitel »Gerechter unter den Völkern« verliehen wurde. Tadeusz Pankiewicz hat seine Erlebnisse in einem Buch niedergeschrieben, sein Name ist bekannt, jedenfalls in Polen. So gut wie vergessen ist dagegen Julius Madritsch, ein Österreicher und Textilkaufmann. Wie Schindler beschäftigte er viele Juden. Wie Schindler behandelte er sie anständig. Und wie Schindler beantragte er 1944 die Verlagerung der Produktion nach Deutschland. Sein Antrag wurde abgelehnt – eine Textilfabrik war nicht »kriegswichtig«. Es gelang ihm, etliche seiner Arbeiter in der Fabrik von Oskar Schindler unterzubringen. 60 von ihnen kamen auf »Schindlers Liste« – sie wurden gerettet. Auch Madritsch ist wie Oskar Schindler ein »Gerechter unter den Völkern«. Wolfgang Stelljes


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Foto: Robin Utrecht/dpa

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DER LETZTE ANKLÄGER 1947 war Benjamin Ferencz Chefankläger in Nürnberg. Im so genannten Einsatzgruppen-Prozess. Auf der Bank: 24 angeklagte Nazis. Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschheit. Urteil: 14 Mal die Todesstrafe, sieben Haftstrafen. 72 Jahre später erzählt er von damals. Und von heute.

Im Grunde könnte er verzweifeln. Auch in den 72 Jahren habe die Welt nichts aus den Gräueltaten der Nazis gelernt. »Anstatt Geld auszugeben, um den berechtigten Sorgen und Beschwerden vieler Menschen, die keine Arbeit finden und auf unterschiedliche Weise Hilfe benötigen, zu helfen, geben wir das Geld für immer bessere Waffen aus, um mehr Menschen zu töten«, sagt Benjamin Ferencz. »Das ist einfach verrückt. Es ist verrückt. Es ist Völkermord, es ist Selbstmord und es ist einfach nur dumm.« Ferencz ist heute 99 Jahre alt, lebt mit seiner Frau Gertrude in Florida. Er ist der letzte überlebende Ankläger der Nürnberger Prozesse. Mit 27 Jahren diente er als Generalstaatsanwalt im Einsatzgruppen-Prozess, dem neunten von insgesamt zwölf Nürnberger Prozessen. Die NS-Offiziere waren angeklagt, Vernichtungstrupps angeführt zu haben, die für die Ermordung von mehr als einer Million Juden und Roma verantwortlich waren. Später hat Ferencz maßgeblich den Internationalen Straf-

gerichtshofs in Den Haag in den Niederlanden mit auf den Weg gebracht. »Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, Kriege zu verhindern, weil der Krieg aus ansonsten anständigen Menschen Massenmörder macht«, sagt Ferencz. 1920 wurde er geboren. Seine Eltern lebten in Transsilva­ nien, einem Gebiet auf dem Balkan zwischen Ungarn und Rumänien. Ferencz und seine Schwester seien beide im selben Bett geboren, aber sie sei Ungarin und er Rumäne, sagt er. Beide Länder verfolgten die Juden, »daher war es für meine Familie klug zu versuchen, da herauszukommen«. Seine Eltern immigrierten nach New York, wo sie von der Freiheitsstatue und ihrem Ruf begrüßt wurden: »Gib mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren.« Seine Familie hatte sich in einer Kellerwohnung im berüchtigt armen und von Verbrechen heimgesuchten Stadtteil Manhattan niedergelassen, der auch Hell‘s Kitchen genannt wurde. Sein Vater konnte Arbeit als Hausmeister finden, um seine Familie zu er-


Foto: benferencz.org

Der Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess 1947. Mittlerer Tisch vorne sitzt Chefankläger Benjamin Ferencz.

nähren. »Man könnte kaum einen niedrigeren Start haben als meinen Start und den meiner Eltern in den USA«, so Fe­rencz. Trotz der harten Anfänge war Ferencz gut in der Schule und erhielt ein Stipendium für die Harvard Law School. Obwohl er mit Kriminalität aufgewachsen war, wollte er »lieber Anwalt als Gauner sein«. Während seiner Zeit in Harvard begann er bei der Forschung von Kriegsverbrechen zu helfen. »Ich hatte alles gelesen, was jemals zu diesem Thema veröffentlicht worden war.« Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor trat er in die Armee ein. Ferencz landete an den Stränden der Normandie und kämpfte in der Ardennenoffensive. »Mir wurden fünf Battle Stars verliehen, weil ich in keiner dieser großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs getötet wurde.« Dann wurde er in die Abteilung für Kriegsverbrechen von George S. Patton verlegt, wo einer seiner Aufträge darin bestand, während der Befreiung in die Konzentrationslager der Nazis zu gehen und Beweise zu sammeln. Diese Erfahrung, so sagt er, sei »schrecklich« gewesen. »Überall lagen Leichen mit flehenden Augen. Andere Menschen waren am Verhungern, klagten in ihren Müllhaufen und suchten nach etwas, das essbar sein könnte.« Im Krematorium waren die »Leichen wie Feuerholz« aufgetürmt und warteten darauf, verbrannt zu werden. »Die SS-Leute versuchten zu fliehen, und einige der Insassen, die dazu noch in der Lage waren, jagten ihnen nach. Insassen, die einige Wachen erwischten, schlugen diese zu Tode.«

Nach dem Krieg kehrte er in die USA zurück, wurde jedoch bald für die Teilnahme an den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen rekrutiert. Ferencz konnte unwiderlegbare Beweise dafür sammeln, dass die Einsatzgruppen, die SS-Todesschwa­ dronen, mehr als eine Million Juden, Roma, kommunistische Funktionäre und sowjetische Intellektuelle ermordet hatten. »Ihre Aufgabe war es, jeden jüdischen Mann, jede jüdische Frau und jedes jüdische Kind ohne Mitleid oder Reue zu töten. Sie glaubten, das jüdische Blut sei minderwertig.« Daher konnte es nur eine passende Anklage geben: Verbrechen gegen die Menschheit. »Wenn wir eine Rechtsstaatlichkeit erlangen können, die jeden in der Zukunft schützt und es zu einem Verbrechen macht, ein Verbrechen gegen die Menschheit, das zu tun, was sie getan haben, um Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Rasse zu töten, dann wäre das selbst ein großer Fortschritt der Weiterentwicklung des Strafrechts. Nicht Rache war unser Ziel. Es ging mir um das Recht des Menschen, unabhängig von Rasse oder Glaube, in Frieden und Würde zu leben.« Nach dem Nürnberger Prozess trat Ferencz in eine private Rechtskanzlei ein. Dann, als die Vereinigten Staaten in den 1970er Jahren in den Vietnamkrieg verwickelt wurden, begann er, sich für Weltfrieden einzusetzen. In den folgenden Jahrzehnten schrieb er mehrere Bücher zu diesem Thema und zur Notwendigkeit eines internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Im Jahr 2002 wurde sein Ziel Wirklichkeit, als das Römische Statut, das den Internationalen Strafgerichtshof formell begründete, in der Generalversammlung der Vereinten Nationen von mehr als 60 Ländern ratifiziert wurde. Die Vereinigten »Nicht Rache war Staaten haben das Statut unterzeichnet, aber der Kongress unser Ziel, Rechtshat es nie ratifiziert. Seitdem staatlichkeit.« hat sich die Beziehung der USA zum IStGH verschlechtert. Im Jahr 2011 schrieb Ferencz einen Brief an die New York Times und fragte, ob Osama Bin Laden tatsächlich in Notwehr getötet worden war, als Seal Team 6 sein Gelände in Afghanistan überfiel. Der Überfall war von Präsident Barack Obama höchstpersönlich angeordnet worden. »Jubel über den Tod des am meisten gejagten Massenmörders ist verständlich, aber war es wirklich gerechtfertigt, sich zu verteidigen, oder war es ein vorsätzliches, rechtswidriges Attentat?« Der Brief brachte ihm wenig Freunde ein. Doch er schrieb weiter: »Die Nürnberger Prozesse haben weltweiten Respekt erlangt, indem sie Hitlers schlimmsten Handlangern ein faires Verfahren boten, damit die Wahrheit ans Licht kommt und die Gerechtigkeit vor dem Gesetz siegt. Geheime außergerichtliche Entscheidungen, die auf politischen oder militärischen Erwägungen beruhen, untergraben die Demokratie.« Adam Sennott/Street Roots/INSP.ngo


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Foto: Carsten Klick

VON DER STRASSE Lange mussten ihre Fans warten. Vor zwei Jahren meldete sich die Kelly Family endlich zurück. Mit einem fulminanten Comeback. Stadien und Konzerthallen waren nach kurzer Zeit ausverkauft. Jetzt feiern die Geschwister ihr 25-jähriges »Over the Hump«-Jubiläum. Das Erfolgsalbum, das 1994 den Durchbruch brachte und ihr Leben veränderte. Frau Kelly, … … oh, Patricia und Du bitte! Wir Iren sind ein sehr offenes Volk. Wir sind alle auf Augenhöhe.

Danke! Patricia, genau 25 Jahre ist es her, dass der Kelly Family mit dem Erfolgsalbum »Over the Hump« der Durchbruch gelang. Dafür zunächst einmal herzlichen Glückwunsch! Danke schön! Ich kann es gar nicht fassen. Das ist schon verrückt, wenn ich mir die alten Fotos so ansehe. Einerseits ist

die Zeit wirklich schnell vergangen, aber ich habe andererseits auch ganz viel erlebt in den 25 Jahren. Wahrscheinlich würde ich zehn Bücher brauchen, um das alles zu erzählen.

Das Asphalt-Magazin feiert in diesem Jahr ebenfalls sein 25-jähriges Jubiläum. Es ist die soziale Straßenzeitung für Hannover und Niedersachsen. Oh, herzlichen Glückwunsch an das Asphalt-Team. Ich finde solche Projekte wirklich großartig und wertvoll. Wenn ich unterwegs bin und ein Straßenzeitungsverkäufer kommt auf mich


Genau wie ihr Iren, setzen auch Straßenzeitungen auf ein Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb ist es für mich wichtig, eine Zeitung zu kaufen. Teilweise warten die Verkäuferinnen und Verkäufer viele Stunden in der Kälte und bekommen keine Zeitung verkauft. Ich finde es schlimm, wenn die Leute da einfach so vorbeigehen. Man sollte auch ein paar warme Worte geben. Herzliche Worte. Es kostet doch nicht viel, ein Lächeln zu schenken und zu fragen, wie es geht… Oder: alles Gute, alles Liebe oder Gottes Segen zu wünschen. Das finde ich manchmal noch wichtiger für die Seele. So merken die Menschen, sie werden wahrgenommen. Das sind doch unsere Brüder und Schwestern und wir sind nicht besser, nur, weil es uns besser geht.

Die Asphalt-Erstausgabe wurde genau zwei Tage nach der Veröffentlichung von »Over the Hump« verkauft, also am 28. September 1994. Crazy. Da kann man sehen, was es so für schöne Parallelen gibt. Parallel ist ja auch, dass wir ebenfalls sehr lange auf der Straße waren. Wir mussten zwar nicht auf der Straße schlafen, aber wir haben jahrelang auf der Straße gesungen und davon gelebt. Das war also nicht nur eben mal zum Spaß, wie bei Hobby-Straßenmusikern, für uns war das damals die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Unser Brot- und Buttergeschäft also. Insofern sehe ich da schon Parallelen: Jubiläum, Straße und und und!

Wenn man in Hannover die Kelly Family erwähnt, dann sagen viele sofort: »Das waren doch die, die damals am Kröpcke gespielt und gesungen haben.« Woran erinnerst du dich noch? An die Menschen, die uns zugeschaut haben. Herzliche, liebe Menschen aus Hannover, die uns unterstützt haben. An die große Uhr, die da in der Ecke steht. Dort haben wir immer gespielt. Hannover war für uns wichtig, weil die Polizei nicht so oft gekommen ist. Die kam ja immer nur, wenn sich Leute oder Anwohner beschwert haben. Teilweise sind wir hunderte Kilometer in irgendeine Stadt gefahren, um dort zu singen. Manchmal kam die Polizei schon nach einer Stunde. Da war dann der ganze Tag im Arsch. In Hannover war das aber nie der Fall. Die Polizei und die Hannoveraner waren immer gut zu uns. Deshalb haben wir die Stadt auch sehr geschätzt.

Ich finde das sehr schade. Ich denke, das Problem könnten die Lautsprecher sein. Vielleicht sollte man daher eher die Lautstärke regulieren als die Straßenmusik im Ganzen. In Prag sieht man zum Beispiel viele Künstler, die klassische Musik unter den Arkaden ohne Lautsprecher machen. Das ist ein Traum. Wir haben früher von der Straßenmusik gelebt und viele Menschen »Wir Kellys sind leben heute noch davon. Die Stadtmitte und die Straßen gehören alvon der Straße.« len und nicht nur den Anwohnern Patricia Kelly und Geschäftsleuten. Eine Stadt lebt auch von der Stimmung und der Kultur. Das Gute bei Straßenmusikern ist: Man muss ihnen nichts geben, wenn man nicht will.

Früher hast du mit der Familie auch mal in Nordhafen in Hannover gelebt, nicht wahr? Das stimmt. Eigentlich wollten wir mit unserem Boot nach Köln. Wegen der Wasserstände und Problemen mit der Genehmigung konnten wir aber nicht durch und mussten mehrere Monate in Hannover parken. Von dort aus sind wir dann zum Singen in andere

Jubiläumstour in Niedersachsen und Bremen 27.11.2019 Braunschweig – Volkswagen Halle 05.12.2019 Hannover – TUI Arena 12.12.2019 Bremen – ÖVB-Arena 31.01.2020 Oldenburg – Große EWE-Arena Weitere Termine gibt es unter www.kellyfamilysite.de.

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In Hannover sieht das heute auch anders aus. Auf der einen Seite ist die Stadt UNESCO City of Music und will europäische Kulturhauptstadt werden, andererseits gibt es seit dem vergangenen Jahr strenge Regulierungen für Straßenmusik. Was hältst du von solchen Einschränkungen?

Foto: United Archives/Picture-Alliance

zu, dann kaufe ich mir immer eine Ausgabe. Und meine Kinder machen das auch, weil sie wissen, Mama findet das gut. Durch diese Zeitungen haben diese Menschen die Möglichkeit, auf eine würdige Art und Weise Geld zu verdienen. Und das mit einem Inhalt, der teilweise besser ist, als das, was in den meisten Zeitschriften gedruckt wird. In Straßenzeitungen werden echte Stories dargestellt, das wahre Leben, da ist nichts verschönert und das finde ich stark. Das gefällt mir.

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Foto: Christian Barz

Foto: Peter Becher

Als »Business-Frau der Familie« war Patricia

In ihrer neuen Single »Over the Hump« erzählen die Kellys von familiärem Zusammenhalt, von

Kelly früher für das Managen der Geschäfte und

Hoffnung und dem eisernen Willen, es mit vereinten Kräften über den Berg zu schaffen.

Einholen von Genehmigungen zuständig.

Städte gegangen. In Hannover selbst haben wir zu diesem Zeitpunkt nicht gespielt. Natürlich wollten wir dort unsere Ruhe und keinen Ärger haben, wenn wir da in den Straßen sangen.

Im Februar diesen Jahres hat Joey in Berlin als Obdachloser und ohne Geld für drei Tage auf der Straße gelebt. Welche Erfahrungen hat er dort gemacht? Für Joey war das sehr wichtig. Obwohl wir früher ja auch sehr viel auf der Straße waren, ist es noch mal was ganz anderes, wenn du dort alleine bist. Er hat erzählt, dass es richtig krass ist, was die Menschen dort alles erleben müssen und dass es dafür eigentlich keine Worte gibt. Das Ganze hat ihn zutiefst berührt und bewegt und obwohl Joey schon sehr viel gesehen hat, war das für ihn ein Schockerlebnis. Während dieser Zeit hat er aber auch Bekanntschaft mit einer jungen Obdachlosen gemacht, die er dann zu unserem Konzert in Berlin eingeladen hat. Mittlerweile geht es ihr schon viel besser und eine Wohnung hat sie jetzt auch bekommen.

Ist Obdachlosigkeit auch in deiner eigenen Familie ein Thema? Oh ja. Auf jeden Fall. Mit meinen Kindern und meinem Mann gehe ich jedes Weihnachten zur Tafel bei Mutter Theresa und helfen dort mit. Wir spülen das Geschirr, servieren das Essen und meist singen wir dann auch für die Obdachlosen. Das ist für uns sehr wichtig.

Im Laufe der Zeit hat die Kelly Family sehr unterschiedlich gewohnt: Doppeldeckerbus, Hausboot und sogar ein Schloss. Wie war das für dich? Das Schloss war nie meine Welt. Das war mir viel zu groß und auch viel zu ungemütlich. Mir ist Nähe mit der Familie wichtig. Ein Grund, warum mein Vater Schloss Gymnich gekauft hat, war die große Mauer. Wir brauchten diese Sicherheit um uns herum, weil wir damals wegen der vielen Fans nicht mehr normal leben konnten. Und weil zum Schloss viele Herrenhäuser gehörten, dachte mein Vater, dass so jeder Kelly auch gleich

Over the Hump Mehr als zehn Alben hatte die Kelly Family bereits veröffentlicht, bevor 1994 mit »Over the Hump« der Durchbruch gelang. Alle 14 Lieder des Longplayers sind ausschließlich selbstgeschriebene Stücke. Aufgenommen wurde das Album im Sound Studio N in Köln und kam am 26. August im Vertrieb von Kel-Life auf den Markt. Noch im selben Jahr wurde »Over the Hump« zudem von edel records vertrieben. Das ermöglichte der Band, das Album nun erstmals regulär im Handel anzubieten und nicht wie bisher nur über den Straßenverkauf. Ab dem 19. September war »Over the Hump« für 112 Wochen nicht mehr aus den Charts wegzudenken. Das Album war 53 Wochen unter den Top 10 zu finden und vier Wochen lag sogar auf Platz 1. Mit rund 2,5 Millionen verkauften Exemplaren gehört »Over the Hump« zu den meistverkauften Musikalben in Deutschland und wurde neun Mal mit Gold ausgezeichnet. In Österreich gab es zweifach Platin. Europaweit verkaufte sich das achte Studioalbum über vier Millionen Mal. GB


Warum kam es Anfang der 2000er Jahre zum Rückzug der Kelly Family? Ich glaube, das war einfach an der Zeit. Zum einen sind wir alle in ein Alter gekommen, in dem die meisten von uns eine Partnerin oder einen Partner hatten und selbst Familien gründen wollten. Wir wollten unser eigenes Leben führen und nicht das der gesamten Familie. Zum anderen war aber auch die Lust und die Luft ein bisschen raus. An den Streitereien hat man deutlich gemerkt, dass immer mehr von uns ihr eigenes Ding machen wollten. Es gab einfach nicht mehr viel, was uns zusammengehalten hat. Wo Papa früher gesagt hat: »Kommt, jetzt rafft euch zusammen«, das war eben nicht mehr da. Und dann ist es auseinandergegangen – und das war gut so. Es hatten sich einfach die Prioritäten geändert.

Und wie sieht das heute aus? Dass wir heute wieder zusammen sind und wieder gemeinsam auf der Bühne stehen, ist eine ganz andere Geschichte. Heute ist es echt. Da ist nichts gezwungen. Das ist von jedem gewollt, von jedem gewünscht und auch von jedem geliebt. Und ich glaube, die Fans und das Publikum spüren das auch. Das Publikum ist ja nicht dumm. Oft spürt es das Publikum mehr, als der Künstler selbst.

Habt ihr damit gerechnet, dass eure Konzerte so schnell ausverkauft sein würden? Nein. Einige von uns haben noch nicht einmal geglaubt, dass wir die Hallen überhaupt füllen werden. Es gibt nicht viele Künstler, die so ein Comeback geschafft haben. Mir fallen da nur Udo Lindenberg und Nena ein. Der Spruch »Comeback des Jahres« bei unserer letzten Tour war nicht übertrieben. Wahrscheinlich war das sogar das »Comeback des Jahrzehnts«. Wir fühlen uns sehr geehrt, very lucky und wir wissen das auch zu schätzen.

Worauf dürfen sich die Fans auf eurer Jubiläumstour freuen? »Over the Hump« ist ja die erfolgreichste CD ever in Deutschland. Bisher wurde sie auf unseren Konzerten aber nie in einem Stück gebracht. Jetzt wird die

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sein eigenes Haus hätte. Aber, nicht jeder wollte da wirklich wohnen. Das war eher so ein Papa-Traum, der nicht aufgegangen ist. Außerdem gab es da auch einen Geist, glaube ich. Der hat einige von uns vertrieben. (lacht)

CD im ersten Teil der Show komplett von A bis Z gespielt. Im zweiten Teil gibt es dann ganz neue Songs von unserer aktuellen CD. Es warten also viele Überraschungen auf unsere Fans.

Du hast die neue CD schon angesprochen. Sie ist am 25. Oktober erschienen. Wie sind die Songs für das Album entstanden? Das war sehr unterschiedlich. Bei uns schreibt ja jeder Kelly seine eigenen Songs, manchmal schreiben wir sie aber auch gemeinsam. Von Jimmy und Joey kommt zum Beispiel der Song »We had a dream«. Jimmy hatte die Idee und Joey hat dann was dazu geschrieben. Von mir gibt es drei Songs auf der CD. Die habe ich alle selbst geschrieben. Um das Beste aus den Liedern herauszuholen, habe ich mit großartigen Songschreibern zusammengearbeitet. Jetzt kann ich es kaum noch erwarten, »Man kann als meine neuen Songs endlich auf der BühGemeinschaft sehr ne zu singen. Insofern freue ich mich glücklich sein, darf wirklich auf den zweiten Teil der Show.

Noch sind nicht alle Geschwister wieder dabei. Werden wir die Kelly Family irgendwann auch wieder komplett auf der Bühne sehen?

aber nicht die eigenen Bedürfnisse verdrängen.« Patricia Kelly

Das weiß ich nicht. Es wurde jeder eingeladen und die, die noch nicht dabei sind, haben das bisher noch nicht für wichtig empfunden. Die Tür ist aber offen für alle. Wir sind momentan sieben Kellys. Wir leben noch alle. Wir sind alle noch in guter Form. Keiner ist ernsthaft krank. Das ist schon verdammt viel nach 25 Jahren. Allein das ist ein Grund zu feiern.

Patricia, vielen Dank für das Interview und viel Spaß und Erfolg auf eurer Jubiläums-Tour! Interview: Grit Biele

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RUND UM ASPHALT

Asphalt verlost 3 x 2 Karten für den Jazz Club Hannover

96-Verlos

Unbändige Spielfreude

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Karten für 96! Fußballfans aufgepasst! Jede Unterstützung ist wichtig. Deshalb verlosen Asphalt und Hannover 96 wieder gemeinsam 2 x 2 Karten für ein Top-Heimspiel der zweiten Bundesliga. Am 18. Spieltag (21. Dezember, 13 Uhr) geht es für den Club gegen den zweiten Absteiger der letzten Saison:

Eine neue Akustik, die die Ohren von Musikern und Besuchern gleichermaßen verwöhnt und eine neue Beleuchtung, die den Jazz Club Hannover in neuem Licht erstrahlen lässt – auch im November gibt es wieder interessante Konzerte im orangeroten Jazzkeller auf dem Lindener Berg. Am 27.11. schaut Jasper van‘t Hof mit seinem Trio im Club vorbei. Dieser Jazzmusiker ist nicht zu bremsen: 50 Jahre Bühnenjubiläum und auch der 70. Geburtstag sind bereits gefeiert, aber der niederländische

Hannover 96 – VfB Stuttgart

Wir trauern um unseren langjährigen Verkäufer

Michael Wunderlich * 21. Februar 1962

† 15. Oktober 2019

Das gesamte Asphalt-Team mit allen MitarbeiterInnen und VerkäuferInnen.

Foto: privat

Wer uns eine Karte, eine E-Mail oder ein Fax mit dem Stichwort »96« schickt, der hat die Chance, zwei Karten in Block S 4 zu gewinnen! Wir drücken ganz fest die Daumen und wünschen viel Glück! Asphalt-Magazin, Hallerstr. 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; gewinne@asphalt-magazin.de oder Fax: 0511 – 301269-15. Einsendeschluss: 30. November 2019.

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Tastenfuchs steckt noch immer voller Energie und unbändiger Spielfreude. In seinem neu gegründeten Trio wirken gleich zwei der besten Nachwuchsmusiker Hollands mit, die seine Enkel sein könnten. Van‘t Hof sitzt am Flügel, setzt aber auch Keyboards und Computer ein. So erzeugt er neue, interessante Sounds, die auch einem jungen Publikum die Welt des Jazz eröffnen. Mehr Informationen zum Programm gibt es unter www. jazz-club.de. Gewinnen Sie mit Asphalt dreimal zwei Tickets für das Konzert des Jasper van‘t Hof B.E. Trios am 27. November um 20.30 Uhr, Am Lindener Berge 38 in Hannover. Rufen Sie uns dafür am 21. November zwischen 12 und 13 Uhr unter der Telefonnummer 0511 – 301269-18 an und beantworten folgende Frage: Welches Bühnenjubiläum hat Jasper van’t Hof gefeiert? Die ersten drei Anrufer mit der richtigen Antwort dürfen sich über die begehrten Tickets freuen.


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Foto: Jochen Eckel/Picture-Alliance

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»ANGESPANNT BIS 2030« Die Mieten steigen. Teilweise absurd schnell, absurd hoch. Über 40 Prozent aller Haushalte müssen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für ihre Miete ausgeben. Ein alternativer Wohngipfel sucht Antworten. Unser Vorab-Interview mit dem Experten Matthias Günther vom Pestel Institut in Hannover. Rund 100.000 bezahlbare Wohnungen fehlen in Niedersachsen. Immer mehr müssen die Menschen, die eine finden, fürs Wohnen ausgeben. Wie konnte es zu dieser Situation kommen, Herr Günther? Das ist der Entwicklung im Wohnungsbau geschuldet. Ich kann als Vermieter heute schlicht deutlich höhere Mieten durchsetzen als vor zehn oder 15 Jahren. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Mieten langfristig, also seit den 50er

Jahren, geringer gestiegen sind als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Damit hatte die Bevölkerung über die Jahrzehnte eine unglaubliche Wohnfläche pro Einwohner aufgebaut. Erst die starken Mieterhöhungen der vergangenen Jahre haben dieses System dann durcheinandergewirbelt.

Welche Bevölkerungsgruppen haben es im Moment besonders schwer?


Zunächst einmal natürlich alle, die niedrige Einkommen haben. Und dann sind da die Klassiker: Behinderte haben heutzutage fast gar keine Möglichkeit mehr, eine Wohnung zu finden. Die werden darüber gesellschaftlich schlicht ausgegrenzt. Zudem Asylbewerber, Ausländer, Alleinerziehende. Im Grunde die Gruppen, die früher schon Schwierigkeiten hatten, eine Wohnung zu finden. Wer früher Schwierigkeiten hatte, findet heute überhaupt keine mehr.

Wohnungslosigkeit hat definitiv zugenommen. Offene Obdachlosigkeit hat auch zugenommen, das allerdings ist vor allem der Zuwanderung aus Osteuropa geschuldet, die sehr stark nach der Wirtschaftskrise 2007/2008 eingesetzt hatte. Aber auch die Wohnungslosigkeit der hier lange schon lebenden Bevölkerung hat deutlich zugenommen, ganz häufig schon allein dadurch, dass sich Paare trennen und der eine Partner keine Wohnung mehr findet.

Der aktuelle Immobilienmarktbericht von Stadt und Region Hannover besagt, dass bis zum Jahr 2025 noch 20.500 Wohnungen in der gesamten Region entstehen müssten, um

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Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Soltau, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo/Picture-Alliance

Hat die Situation am Wohnungsmarkt soweit negativen Einfluss, dass dadurch auch die Zahl der Wohnungslosen steigt?

Alternativer Wohngipfel Explodierende Mieten, Verdrängung von Bewohnern, Wohnungslosigkeit: Wird Wohnen in der Stadt zu einem für die Mehrheit unerschwinglichen Luxus? Trotz mancher Ankündigungen findet die Politik bislang keinen wirksamen Zugriff auf das Problem. Die Landesarmutskonferenz Niedersachsen, ein Zusammenschluss der großen Wohlfahrtsverbände, des DGB, von Selbsthilfeorganisationen und Asphalt, diskutiert Alternativen. Mit dabei: Olaf Lies, Niedersächsischer Bauminister, Matthias Günther, Eduard Pestel Institut, Susanne Schmitt, Verband der Wohnungswirtschaft, Mehrdad Payandeh, DGB-Chef Niedersachsen, Bernhard Sackarendt, Vorsitzender SoVD Nds., Birgit Eckhardt, Vorsitzende Paritätischer Wohlfahrtsverband Nds., sowie Jürgen Schneider und Kai Mühlenberg, beide Selbstvertretung wohnungsloser Menschen. Montag, 04. November, 10 bis 15.30 Uhr, Marktkirche Hannover.


Matthias Günther vom ISP Eduard Pestel Institut für

Wir als Institut haben selbst einige wissenschaftliche Untersuchungen unter anderem in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt gemacht, um herauszufinden, ob man mit Aufstockungen oder mit der Umnutzung von Gewerberäumen etwas erreichen kann und die Aussage ist eindeutig: Ja, damit kann man etwas bewirken, aber die Lösung der Wohnungsmarktprobleme erreicht man darüber definitiv nicht. Zudem ist Aufstocken eher im Luxussegment zu finden, weil die obersten Wohnungen häufig die schönsten und damit die teuersten sind.

Foto: EPS

Systemforschung e. V. hält den Impulsvortrag beim Alternativen Wohngipfel in der Marktkirche Hannover.

den Bedarf zu decken. Kann der sogenannte »Markt« das regeln? Der Markt regelt natürlich immer alles. Nur kommt dabei nicht unbedingt eine sozialverträgliche Lösung heraus. Denn selbstverständlich ist das, was wir im Moment erleben, auch ein Marktergebnis. Das heißt, der Ausgleich von Angebot und Nachfrage findet aktuell über die steigenden Preise statt, weil Was die Politik andas Angebot nicht kurzfristig erhöht werden kann. Und bietet, reicht hinten genau das ist das große Pround vorne nicht. blem bei Wohnungsmärkten, weil die Angebotserstellung einfach sehr lange dauert. Zudem wird Wohnungsbau aufgrund von staatlichen Bauvorschriften immer teurer. Viele können sich in Folge diese so entstehenden Neubauwohnungen dann nicht leisten.

Was müsste passieren, damit sich diese angespannte Marktsituation ändert? Wir müssten dahin zurückkommen, dass wir deutlich mehr Wohnungen im öffentlichen Eigentum haben, die dann gezielt für die Versorgung der unteren Einkommensschichten eingesetzt werden. Über viele Jahre wurde das Gegenteil getan, nämlich Wohnungen der öffentlichen Hand an privat zu verkaufen. Hier in Niedersachsen zum Beispiel die landeseigene Nileg, die vorher noch selbst die Osnabrücker Wohnungsgesellschaft übernommen hatte. Man sollte jetzt umgehend wieder landeseigene Wohnungsbestände aufbauen.

In welchen Zeiträumen ist es denn realistisch möglich, den Bedarf in Hannover und Niedersachsen zu decken? Das ist schwer zu sagen, weil die Entwicklung von der künftigen Zuwanderung abhängig sein wird, und da wissen wir nicht, was die nächsten Jahre bringen. Wenn wir eine Zuwanderung auf einem weiterhin relativ hohen Niveau wie bisher haben werden, dann brauchen wir sicher eher bis zum Jahr 2030. Denn gegenwärtig haben wir in der Bauwirtschaft einfach nicht die Kapazitäten, um deutlich mehr Wohnungen fertig stellen zu können. Um diese Kapazitäten zu schaffen, braucht die Bauwirtschaft aber verlässliche Förderprogramme über längere Zeiträume. Und das, was da von der Politik im Moment angeboten wird, reicht hinten und vorne nicht aus.

Angenommen, es ändert sich politisch nichts. Wie sähe dann die Entwicklung aus? Wir sehen aktuell bei der Mietpreisentwicklung erste Stagnationstendenzen, weil die Leute einfach gar nicht mehr bezahlen können. Im Neubau wird das gebaut, was wirtschaftlich vermarktet werden kann. Und das ist auf einem hohen Preisniveau, da gibt es nur einen begrenzten Kreis, der dort zur Miete einziehen oder das kaufen kann. Letztlich würden die Menschen in Zukunft noch ein Stück weiter zusammenrücken. Also das tun, was diejenigen, die heute wegen eines Arbeitsplatzwechsels oder Studienbeginns zuziehen, längst schon machen: Wenig Wohnfläche für vergleichsweise viel Geld mieten. Denn es bewegt sich nichts auf dem Markt. Die Menschen, die eine Wohnung haben, ziehen nicht mehr um, sondern halten an ihrer Wohnung fest, auch wenn die Kinder ausziehen. Das heißt, auf der einen Seite wird es mehr Wohnfläche pro Kopf geben, auf der anderen Seite extreme Wohnungsknappheit. Interview: Marie Müller/StreetLIVE* *StreetLIVE ist eine Kooperation von

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Wäre es möglich, kurzfristig in Gewerbegebieten Wohnraum zu schaffen?

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AUS DER SZENE

Kostenlose Tickets für Obdachlose Hannover. Am 1. November startet wieder der Shuttlebus für Obdachlose vom ZOB Richtung SleepIn in Hannover-Vahrenheide. Um 19 Uhr können die Gestrandeten so kostenlos zu der vom Roten Kreuz betriebenen Schlafstätte »Alter Flughafen« kommen. Flankiert werden soll der Shuttle-Service durch die Ausgabe von kostenlosen Fahrkarten für die Üstra. Die Tickets sollen morgens unter anderem im SleepIn ausgegeben werden, damit die Personen zu Tages­treffs, Kleiderkammern, Essenausgaben oder Einrichtungen zur medizinischen Versorgung und Beratung kommen können. Außerdem sollen Ordnungsdienste und Polizei die Karten an Menschen ausgeben. Die Finanzierung des Shuttles ist laut Stadtverwaltung bis Ende März 2020 gesichert. Für die Fahrkartenausgabe steht ein Finanzierungsbeschluss über 12.500 Euro noch aus. MAC

Spritzen aus dem Automaten Hannover. Seit Februar werden vor dem Drogenkonsumraum Stellwerk hinterm Amtsgericht und an der Kreuzung Brüderstraße/Ecke Herschelstraße Spritzenautomaten betrieben. Die Automaten funktionieren wie Zigarettenautomaten. Doch statt Kippen gibt es Zubehör für Nutzer harter Drogen. Die 13 Schächte enthalten acht verschiedene Pakete mit unterschiedlicher Zusammenstellung. Darunter: sterile Kanülen, Löffel, Mundstücke, Kondome, Rauchfolie, Desinfektionsmittel und weitere Utensilien. Ein Paket kostet 50 Cent. Das Angebot soll helfen, Neuinfektionen mit Hepatitis C und HIV zu verhindern. In der Regel werden nach Angaben der Stadt, die im Sozialausschuss jetzt eine erste Bewertung abgegeben hat, die Automaten mindestens am Wochenanfang und vor dem Wochenende überprüft und nachgefüllt. Innerhalb von sechs Monaten wurden insgesamt 5.348 Artikel an beiden Automaten verkauft. Mittlerweile liegt der Verkauf zwischen 750 und 950 Artikeln pro Monat. Neben diesen beiden Automaten und einem auf dem Grundstück der Drogenberatung Lehrte werden derzeit weitere 176 dieser Geräte bundesweit betrieben. MAC

Mehr Berechtigte für AktivPass? Hannover. Die Fraktion Linke/Piraten im Rat der Landeshauptstadt fordert, den Berechtigtenkreis für die Nutzung des AktivPass genannten Sozialausweises für den verbilligten Besuch von Sport und Kultureinrichtungen zu erweitern. Einen entsprechenden Antrag hat die Gruppe jetzt im Sozialausschuss eingebracht. Demnach sollen künftig alle Personen, »deren laufendes monatliches Einkommen unterhalb der Armutsgrenze von 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens« liegt, in den Genuss der Förderung kommen. Der AktivPass macht beispielsweise Besuche in Oper und Schauspiel für 5 bis 7 Euro möglich. MAC

96 plus macht Schwimm­ unterricht möglich Die Aufregung war groß, als am Montagmorgen zwei Busse vor das Familienzentrum St. Vinzenz im Stadtteil Linden vorfuhren. Rund 100 Menschen warteten schon geduldig darauf, dass es losgeht, denn: Die zweite Woche der niedersächsischen Ferien wurde für eine Familienfreizeit auf Schloss Dankern im Emsland genutzt. Für viele Familien ist die von der Caritas geförderte Reise an die niederländische Grenze aufgrund der finanziellen Situation die einzige Möglichkeit, in den Urlaub zu fahren. Kurz vor der Abfahrt versammelten sich alle Mitfahrenden für ein Foto, um sich bei 96plus zu bedanken. 96plus ermöglicht mit einer 2000-Euro-Spende einen Schwimmkursus im Rahmen der Familienfreizeit, um Kindern und Erwachsenen das Schwimmen beizubringen. Inka Deppe-Suhr, Leiterin des Familien­ zentrums St. Vinzenz: „Immer weniger Kinder und Erwachsene können schwimmen. Während der Familienfreizeit können wir dank der Unterstützung von 96plus diesem Trend entgegensteuern. So können wir den Familien Wassergewöhnungszeiten anbieten, um Ängste zu nehmen und Sicherheit im Wasser zu gewinnen.“


Greta Thunberg: Die Meinungen über sie sind geteilt. Und offenbar müssen sich immer mehr Menschen ungefragt oder auch in Leserbriefen über sie auslassen. Und wenn es nicht so traurig wäre, wären die ach so schlauen Kommentare, vor allem die ihrer Gegnerinnen und Gegner, durchaus amüsant. Von Krankheit über Ahnungslosigkeit bis zur Ausnutzung ist da die Rede. Es würde mich wirklich interessieren, wer von all diesen Schlaumeiern wohl wirklich an der Umwelt interessiert ist. Da wird auf Kreuzfahrtschiffen gereist, möglichst bis ins Eis! Da wird geflogen, Auto gefahren, da wird gedüngt, und ungeniert viel Fleisch gegessen. Wie lange schon warnen Fachleute und gute Medien wie Asphalt vor der Erderwärmung, vor dem Schmelzen der Pole, der Vermüllung der Meere? Und welche Politikerin, welcher Politiker hat sich bisher ernsthaft dafür stark gemacht, diese Probleme zu lösen? Da drücke ich mich mal ganz gewöhnlich aus: Kein Schwein hat das bisher interessiert. Bis Greta Thunberg freitags auf die Straße ging und diese unglaubliche Welle der Entrüstung ausgelöst hat. Und nun mokieren sich viele darüber, dass dieses kleine schwedische Mädchen es wagt, die »Großen dieser Erde« aufzurütteln. Wie schlicht ist das denn? Was Wissenschaftler vergeblich versucht haben, ist ihr gelungen. Das Thema Umweltverschmutzung ist endlich, endlich in der Öffentlichkeit angekommen. Greta sei Dank! Karin Powser Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden …

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»EIN UHU WERDEN« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäufer Guido (54). Hallo Guido, unser letztes Gespräch liegt zwei Jahre zurück. Du hast dich ganz schön verändert, schlanker und fitter siehst du aus. Wie viel hast du abgenommen? 43 Kilo. Sport mache ich seit Anfang des Jahres, davor habe ich aber schon angefangen, meine Ernährung umzustellen.

Wow, bemerkenswerte Leistung. Du hast auch bei dem Asphalt-Gesundheitsprogramm mitgemacht, oder? Klar, da musste ich mitmachen. Seitdem gehe ich immer ins Bewegungsstudio vom TKH und ziehe da mein Fitnessprogramm durch. Da sind Physiotherapeuten, die sich richtig um einen kümmern. Ich bin da zweimal die Woche für zweieinhalb Stunden. Mir sind die 43 Kilo noch zu wenig. Ich will echt noch mal ein Uhu werden.

Ein Uhu? Ein unter Hundert.

Wie viel fehlt da noch? Das kann ja nicht mehr viel sein. Oh, danke. (lacht) Das ist noch voll viel, ey. 32 Kilo!

Das schaffst du! Läuft doch gut. Was war der Auslöser für deinen neuen Lebenswandel? Meine Freundin hat mit der Ernährungsgeschichte angefangen und ich habe mitgezogen. Vorher haben wir einfach alles gegessen – ohne zu überlegen. Auch die Art, wie wir gegessen haben, war schlecht. Zu nichts nein gesagt … kein Wunder. Heute gibts zum Beispiel Salat, aber nicht so einen Erbsenzählersalat, sondern einen mit Knoblauchdressing, Cocktailtomaten, Gurken und Schafskäse. Und dazu ein Stück Lachs.

Hattest du schon immer mit Übergewicht zu tun? Schon als Kind. Mich hat das nie großartig gestört, aber so für die Zukunft … Ich bin jetzt 54. Es kündigen sich einfach immer mehr Zwickerlein an. Ich habe Probleme mit meinen Nieren, wahrscheinlich eine Spätfolge vom Heroin. Ich bin zwar schon lange clean, aber der Schaden ist da. IgA Nephropathie nennt sich die Krankheit. Die Nieren zerfressen sich von innen und ich pinkele sie aus – salopp gesagt. Ich futtere 14 Tabletten am Tag und dadurch halten wir den Prozess ein bisschen auf. Die Nieren sind ja die Giftfilter – und ich habe lange nichts Besseres zu tun gehabt, als meinen Körper jeden Tag zu vergiften. Meine Nieren haben mir das vielleicht irgendwann einfach mal übelgenommen. Zweimal im Jahr gehe ich deshalb zum großen Check, dabei wurden jetzt komplizierte Zysten an den Nieren festgestellt. Zusätzlich sind in meinem Blutbild Werte aufgetaucht, die auf Schlaganfall und Herzinfarkt hindeuten, jetzt muss ich weiter zum Kardiologen.

Deine Heroinabhängigkeit liegt Jahre zurück. Davon loszukommen, war auch ein Langzeitprojekt, für das du einen starken Willen und Durchhaltevermögen brauchtest, wie jetzt beim Abnehmen … Stimmt. Ich hatte damals echt keinen Bock mehr auf diese Abhängigkeit. Du bist deine eigene Geißel. Den Entzug habe ich knallhart durchgezogen. Ein Versuch. Zwei Jahre hat das insgesamt gedauert. Mich tangiert das heute überhaupt nicht mehr. Wenn ich die Junkies am Bahnhof rumstehen sehe, habe ich eher Mitleid. »So einer warst du auch mal«, denke ich dann immer. Unvorstellbar.

Bei unserem letzten Gespräch hast du erzählt, dass deine Eltern bei einem Autounfall tödlich verunglückt sind, als du 17 Jahre alt warst. Du hast aber noch Geschwister, oder? Ich hatte drei. Mein großer Bruder ist auch schon tot. Davon habe ich aber erst nach seiner Beerdigung erfahren. Mir hat keiner Bescheid gesagt. Ich weiß bis heute nicht, wo mein Bruder begraben wurde! Ich habe das überhaupt nur erfahren, weil ich ein Schreiben zum Erbe meines Bruders bekommen habe. Ich habe meine Geschwister versucht zu erreichen, aber nichts …

Kein Kontakt? Schade, der frühe Verlust der Eltern hätte euch auch zusammenschweißen können ... Traurig, ne? Ich bin aber nicht die Person gewesen, die gesagt hat: »Ich habe keinen Bock auf euch.« Meine Schwester will nichts mit jemandem zu tun haben, der schon mal im Gefängnis war – auch wenn das schon ewig her ist.

Und wie läuft deine Beziehung zu deiner Freundin, deinem Sternchen? Ihr seid doch schon lange zusammen. Seit dem 11.12.11. Das verflixte siebte Jahr haben wir geschafft. Wir hatten richtig rambo-zambo, aber haben uns noch mal eingekriegt. Sowas gehört dazu, man muss das auch bewältigen können, ohne gleich die Flinte ins Korn zu schmeißen. Sie ist und bleibt der Zuckerguss auf meinem Leben.

Der beste Zuckerguss überhaupt: macht glücklich, aber nicht dick! Vor zwei Jahren hattest du dir neben einem langen Leben mit ihr auch ein E-Bike gewünscht … Damit kann man einfach viel weitere Strecken zurücklegen, treten muss man ja trotzdem. Von unserer Wohnung bis zu meinem Verkaufsplatz sind es 15 Kilometer. Wenn ich dann so gegen den Wind antrete und die Rentner mit ihren E-Rädern ganz gemütlich an mir vorbeidonnern, denk ich dann schon immer, dass ich auch gern eins hätte. Die sind aber einfach viel zu teuer. Das wird wohl ein Traum bleiben. Interview und Fotos: Svea Kohl


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Guido verkauft Asphalt in Hannover-Döhren, An der Wollebahn, vor Rewe und in der Südkurve der HDI-Arena, zu den Heimspielen von Hannover 96.


RUND UM ASPHALT

Freitag der 13. im Apollo-Kino Asphalt präsentiert: »Ein ganz gewöhnlicher Held«

Eine Kältewelle hat die Stadt Cincinnati fest im Griff. Bibliotheksmitarbeiter Stuart (Emilio Estevez) und seine Kollegin Myra (Jena Malone) kümmern sich um die vielen Obdachlosen, die Tag für Tag Zuflucht in der warmen Bibliothek suchen. Diese schätzen die Möglichkeit, sich hier auszutauschen, das Internet zu nutzen oder einfach zu lesen. Als die Minusgrade lebensbedrohlich werden und sich keine andere Unterkunft bietet, beschließt eine Gruppe von Obdachlosen um Jackson (Michael Kenneth Williams), am Abend in der Bibliothek Zuflucht zu suchen. Polizei rückt an. Ihr Verhandlungsführer: Bill Ramstead (Alec Baldwin). Unter dem Einfluss des ehrgeizigen Staatsanwalts Josh Davis (Christian Slater) und der Reporterin Rebecca Parks (Gabrielle Union) spitzt sich die Situation zu. Ein Film zur Zeit. Eintritt frei, um Spenden (Minimum 5 Euro) wird herzlich gebeten. Popcorn und Getränke wie sonst auch an der Kinokasse. Danke Apollo. 13. Dezember, 17 Uhr Apollo-Kino Hannover, Limmerstraße 50.

gesucht – gefunden Verkäufer Hartmut: Ich suche einen Fahrradkorb. [V-Nr. 1172] Kontakt: 0151 – 67227517. Verkäufer Michael: Suche einen Laptop mit DVD-Laufwerk, ein externes Laufwerk und eine Computermaus sowie evtl. auch eine externe Festplatte. Vielen Dank im Voraus! [V-Nr. 1115] Kontakt: 0160 – 92822576.

Verkäuferausweise Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei VerkäuferInnen mit gültigem Ausweis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Grün

Impressum Herausgeber: Matthias Brodowy, Dr. Margot Käßmann, Rainer Müller-Brandes Gründungsherausgeber: Walter Lampe Gesellschafter: Diakonisches Werk Hannover, H.I.o.B. e.V. Geschäftsführung: Georg Rinke Redaktion: Volker Macke (Leitung), Grit Biele, Svea Kohl, Ulrich Matthias Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser Gestaltung: Maren Tewes Freie Autoren in dieser Ausgabe: M. Müller, B. Pütter, W. Stelljes, K. Zempel-Bley

Anzeigen: Heike Meyer Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter) Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15

Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1 Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 22.500 Asphalt erscheint monatlich. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 21. Oktober 2019

Für unaufgefordert eingesandte Manus­kripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weiter­ gegeben. Unsere vollständige Datenschutzerklärung finden Sie auf www.asphalt-magazin.de/impressum. Alternativ liegt diese zur Ansicht oder Mitnahme in unserer Geschäftsstelle aus.


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Mit dem Drahtesel auf Tour Bereits zum zweiten Mal haben unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer in diesem Jahr die Region rund um Hannover mit dem Rad erkundet. Anders als sonst, war die Strecke dieses Mal nicht 50, sondern nur 30 Kilometer lang. So konnte Asphalt-Sozialarbeiter Christian Ahring zwei weitere Teilnehmer für die Radtour gewinnen. Bevor es aber so richtig los gehen konnte, sind unsere Asphalter zunächst bei strömendem Regen mit der S-Bahn bis nach Haste gefahren. Pünktlich bei der Ankunft klarte der Himmel auf und die Ausflügler konnten ihre

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»Die richtigen Fragen!«

Foto: Inge-Lore

Dr. Jürgen Peter Vorstandvorsitzender der AOK Niedersachsen

Tour mit dem Rad entlang des Mittelkanals und des Stichkanals bei strahlendem Sonnenschein fortsetzen. Eine plötzliche Reifenpanne sorgte unterwegs für eine kurzzeitige Unterbrechung, die Asphalt-Verkäufer Guido, Zweiradmechaniker und Betreuer unserer Fahrradwerkstatt, aber recht schnell wieder beheben konnte. Wieder in Hannover angekommen, gab es in Ahlem zum Abschluss des sportlichen Ausflugstages noch eine gemeinsame Stärkung und resümierende Gespräche beim Griechen Lukullus. GB

Stets gesprächsbereit Im Juniheft hatten wir mit Margot Käßmann über Friedensarbeit, Kirchentag, Fakenews und Wahlerfolge der Europäischen Rechten gesprochen. In Bezug auf die aktuellen innerkirchlichen Debatten über das Christsein von AfD-Leuten hatte die Ex-Bischöfin gesagt: »Ich finde, wir sollten unbedingt mit den Leuten der AfD diskutieren. Ich wäre dazu bereit, wenn sie diskussionsfähig sind.« Stefan Henze, stellvertretender Fraktionschef der AfD im Landtag, fühlte sich angesprochen und bat um ein Gespräch. Das kam jüngst im Landtagsrestaurant zustande. Bei einem guten Kaffee sprachen Käßmann und Henze über Chancen und Herausforderungen von Migration, konservative und christliche Werte und Veränderungen im gesellschaftlichen Diskussionsklima. MAC

Seit 25 Jahren beleuchtet Asphalt Obdachlosigkeit, Wohnungsnot und andere soziale Themen aus dem Blickwinkel Betroffener. In zweieinhalb Jahrzehnten wurden diese Probleme nicht gelöst, sondern erscheinen in ihrer gesellschaftlichen Komplexität inzwischen dramatisch verstärkt und verdichtet. Ich lese das Asphalt-Magazin, weil es nicht nur die hannoversche Medienlandschaft bereichert, sondern auch im Jahr 2019 noch hochaktuell ist und richtige Fragen stellt.

on … Wussten Sie sch

it ohne seine soziale Arbe … dass Asphalt e finanziert? ss hü sc Zu chliche öffentliche und kir enerlösen sind aufs- und Anzeig Neben den Verk Förderer die rer Freunde und die Spenden unse ierung. nz zur Gesamtfina wichtigste Stütze ende: indung für Ihre Sp Unsere Bankverb Asphalt-Magazin 30 0410 0000 6022 IBAN: DE35 5206 EK1 BIC: GENODEF1 nk Evangelische Ba ck: Sozialarbeit Verwendungszwe

… mehr als eine gute Zeitung!

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Meine Worte

Texte aus der Asphalt-Schreibwerkstatt. Diesmal gleich zwei Texte aus unserer Reihe »Ein Tag in meiner Kindheit« von Tina und von Hakan.

Eine Kindheit in Berlin Ich bin in Berlin geboren und habe dort bis zu meinem 13. Lebensjahr gewohnt. Wir wohnten im Stadtteil Wilmersdorf in einem Mietshaus, meine Eltern, mein Bruder, meine Schwester und ich. Mein Bruder ist sechs Jahre jünger als ich, meine Schwester eineinhalb Jahre älter. Um die Mietsblocks herum gab es für uns Kinder eine Menge Spielmöglichkeiten: ein Spielplatz, ein Gebäude mit einem verwilderten Garten und einem Loch im Zaun, ein kleiner Hügel, ideal zum Schlittenfahren im Winter. Die Jungen fuhren mit Kettcars und wir Mädchen hängten uns mit Rollschuhen hinten dran, immer um das Supermarktgelände herum. Täglich waren wir auf dem Spielplatz, spielten Gummitwist und im verwilderten Garten Verstecken. Das war eine schöne Kindheit. Tina Maschke

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Illustration: Robert Kneschke/fotolia.com

a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen. Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475

Im Rahmen der Asphalt-Schreibwerkstatt können Menschen in Grundsicherung, mit Sozialhilfe- oder ALG-II-Bezug kreativ Texte produzieren, spielerisch Ausdrucksweise und Wortschatz pflegen und insgesamt ihre sprachlichen und literarischen Kompetenzen verbessern.


Illustration: SMM-Studio/shutterstock.com

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Die Kühe und der blinde Hellseher Es war im Juni 1978. Ich war zwölf Jahre alt, das vier-

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te von sechs Kindern. Wenn ich am Vormittag Schule hatte, musste ich anschließend mit zwei Kühen

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und einem Kalb auf die Weide gehen. Das war keine richtige Weide. Wir haben am Stadtrand gewohnt. Zwischen den Häusern gab es unbebaute Flächen, dort habe ich meine Kühe grasen lassen. Ich kannte viele Gleichaltrige in meinem Viertel. Meine Tiere hatte ich soweit erzogen, dass sie nur bestimmte Strecken liefen und wenn ich sie am

Meine Mutter war sehr religiös, aber sie war auch abergläu-

Abend abholen wollte, wusste ich immer, wo sie

bisch. An dem Tag ist sie zu einem blinden Hellseher gegangen.

sind. Was ich in der Zwischenzeit gemacht habe?

Der hat ihr gesagt, die Tiere seien vor einem großen Haus an

Mit Freunden Fußball gespielt.

Bäumen festgebunden worden. Doch in meinem Viertel gab es

Doch dann kam der Tag der Katastrophe! Als ich eines Tages nach dem Fußballspielen meine Tiere wieder abholen wollte, waren sie nicht da, wo sie sein sollten. Mist! Ich habe die ganze Strecke dreimal abgesucht. Ohne Erfolg. Irgendwann spätabends musste ich nach Hause und meinen Eltern erzählen, was passiert war.

keine Hochhäuser, die meisten hatten nur ein oder zwei Etagen. Am dritten Tag sind wir wieder auf die Suche gegangen. Mein Bruder sagte: »Wir gehen über die Bahnschienen auf die andere Seite«. Die Schienen waren wie ein natürlicher Wall für mich, weder die Tiere noch ich haben sie je überquert. Nun gingen wir hinüber. Hier standen schon höhere Häuser, so vier bis fünf Etagen, aber sie hatten keinen Garten und Bäume gab es hier auch nicht. Also sind wir weitergezogen und gelangten an eine

Meine Mutter hat die ganze Zeit geweint, weil wir

Fabrik. Mein Bruder sagte: »Auf der anderen Seite gibt es Hoch-

dank der Kühe Milch und Joghurt verkaufen konn-

häuser für die Arbeiter.« Dort sind wir hingegangen und siehe

ten. Mein Vater war Straßenhändler, der hat mit sei-

da: da waren unsere Kühe! Ich hätte vor Freude fast geweint.

nem Schubwagen Textilien verkauft. Ihr könnt Euch

Unglaublich!

vorstellen, was das für eine Katastrophe für uns war. Aber weder Vater noch Mutter haben mir Vorwürfe gemacht. Trotzdem habe ich mich elend gefühlt. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie wichtig diese Kühe wirtschaftlich für unsere Familie waren. Am nächsten Tag haben mein älterer Bruder und ich wieder die ganze Strecke abgesucht. Nichts! Sie schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.

Als die Kühe uns sahen, haben sie uns mit lautem Muhen begrüßt. Die waren drei Tage nicht gemolken worden und hatten bestimmt ihr gewohntes Umfeld vermisst. Die nächsten drei Wochen habe ich mich nicht mehr als zehn Meter von den Kühen entfernt. In der vierten Woche bin ich wieder Fußballspielen gegangen. Die Kühe haben seitdem jedoch keine Dummheiten mehr gemacht. Ich glaube, sie haben aus der Geschichte ihre Lehren gezogen. Hakan


»KÖNIG DER VAGABUNDEN« üser-Institu

t

Anarchist, Bürgerschreck, Chefredakteur des Vorläufers aller Straßenzeitungen, Organisator des »Ersten Internationalen Vagabundenkongresses«. Gregor Gog ist in der Weimarer Republik so prominent wie gefürchtet. Ein Comic zeichnet nun seine politische Biografie und damit einen fast vergessenen Teil deutscher Sozial- und Bewegungsgeschichte nach.

Foto: Fritz-H

Es ist die Zeit der gesellschaftlichen Transformationen, der Revolutionen und der Menschheitskatastrophen in Europa, in die Gregor Gogs Lebensspanne fällt. 1891 in Schwerin an der Warthe (heutiges Skwierzyna in West-Polen) geboren und in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, ist Gogs Biografie selbst geprägt von Umbrüchen und Richtungswechseln, von kurzem Ruhm – und von Leid und Entbehrungen bis zum frühen Tod im sowjetischen Hinterland 1945. Eigentlich will Gog nur die Welt sehen. Mit 19 zu alt zum Anheuern auf Handelsschiffen, geht er zur Kriegsmarine – und wird 1914 unfreiwillig zum Kriegsteilnehmer, der Beginn seiner politischen Biografie. »Gog ist spätestens während des Ersten Weltkrieges mit anarchistisch gesinnten Matrosen zusammenge»Gog hat für eine Zeit kommen und hat dort einen illegal erfolgreich vermocht, organisierten Lesezirkel besucht«, Obdachlose, Vagabunsagt Patrick Spät, Autor des kürzlich im Avant-Verlag erschienenen Coden, Ausgeschlossene mics »König der Vagabunden«. »Ab zusammenzuführen da war er, um es kurz zu machen, und zu organisieren.« Anarchist.« Mehrmals steht Gog Patrick Spät wegen Anstiftung zur Meuterei und der Verbreitung antimilitaristischer Propaganda vor Militärgerichten, wird in »Irrenhäuser« eingewiesen, nierenkrank durch die Haft wird er 1917 als »dauernd kriegsunbrauchbar« entlassen. 1918 beteiligt er sich am Kieler Matrosenaufstand und wandert nach dem Scheitern der Revolution ins schwäbische Bad Urach. Die »Kommune am Grünen

Weg« ist Anziehungspunkt für Anarchisten, Kommunisten, Künstler, Proto-Hippies, Lebensreformer, Wanderprediger. Der Comic zeigt Gog mit seiner Frau Anni Geiger-Gog, mit dem Dichter und Räterepublikaner Erich Mühsam, mit dem Wanderprediger und »Vater der Alternativbewegungen« Gusto Gräser und dem späteren DDR-Hymnendichter und -Kulturminister Johannes R. Becher in einer Art libertärem Paradies. Gog verlässt es, weil er die Wanderschaft und die praktische Politik den neochristlichen Heilslehren vorzieht. Unterwegs lernt er den Dortmunder Maler Hans Tombrock und die Tänzerin und Dichterin Jo Mihaly kennen. Die »Tippelschwester« mit dem angenommenen Roma-Namen wird viele Gedichte für Gogs Zeitschrift »Der Kunde« schreiben. Ihre Bücher werden von den Nazis 1933 verboten und verbrannt. Tombrock war 1920 im Kampf gegen den Kapp-Putsch mit der Roten Ruhrarmee in Dortmund einmarschiert und hatte dafür bis 1924 im Gefängnis gesessen. Seitdem war er auf Wanderschaft und lebte vom Verkauf seiner Zeichnungen. Wie Mihaly und Gog gelang ihm 1933 die Flucht in die Schweiz. Im späteren schwedischen Exil lernte er Bertolt Brecht kennen und arbeitete mit ihm zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er die »Schule für Bildende und Angewandte Kunst Dortmund«, bevor er 1949 in die DDR übersiedelte. Tombrocks Nachlass wird wie der Gregor Gogs und der vieler Protagonisten der Vagabundenbewegung im Dortmunder Fritz-Hüser-Institut gepflegt.


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Foto: Berthold Leibinger Stiftung

Autor und Illustratorin vom »König der Vagabunden«: Patrick Spät und Bea Davies.

»Ich mag Tombrocks Arbeiten sehr«, sagt Bea Davies, die den »König der Vagabunden« gezeichnet hat. »Seine Zeichnungen sind ja sehr schwarz und rau in ihrer Ausarbeitung. Ich habe mit einem Pinselstift gearbeitet, der sehr feine und sehr genaue Linien macht, die aber auch eher rau und nicht so kontrolliert sind. Vielleicht spiegelt sich das »Bei allen Winicht so in meiner Arbeit, aber ich wurde sehr durch ihn inspiriert.« Im vom Hüser-Institut dersprüchen herausgegebenen Sammelband zur »Epoche war Gregor der Vagabunden« beschreiben die Autoren die Gog eine gute Wanderschaft, auf der nun auch Gregor Gog Person mit ist, als »ein Pendeln zwischen Reflexion und einem klaren Widerstand, Arbeitslosigkeit und Arbeitsverweigerung, zwischen Entwurzelung und AufBlick auf die bruch, Isolation und Freiheit«. Das alles raWelt.« dikalisiert durch die Armut in den vorgeblich Bea Davies goldenen Zwanzigern. In Folge der Weltwirtschaftskrise wuchs die Zahl der Obdachlosen von 70.000 auf 450.000 an. »Dass momentan so etwas wie die Wiederentdeckung der Weimarer Republik stattfindet, war für uns ein weiterer Motivationspunkt, diesen Comic zu machen«, sagt Patrick Spät und ergänzt: »Wir schätzen Produktionen wie ›Babylon Berlin‹, aber der Fokus liegt sehr oft auf diesem bürgerlichen Glanz-und-Glamour-Leben, was wirklich toll, aufregend und progressiv ist. Was jedoch häufig unter den Tisch fällt, ist das massive soziale Elend, das in Deutschland und Europa herrschte. Das zu zeigen, buchstäblich zu zeigen, weil es ja ein Comic ist, lag uns sehr am Herzen.« 1927 gründet Gregor Gog die »Internationale Bruderschaft der Vagabunden«. »Die Haltung der Bruderschaft war: Wir erwarten überhaupt nichts mehr vom Staat. Wir wollen keine


immer schwierigeren Bedingungen lebt. Einen Suizidversuch 1945 überlebt er, stirbt aber zwei Wochen später in Taschkent. »Die Jahre des Leidens im sowjetischen Exil haben wir im Comic ausgespart, für uns stand die Bruderschaft und auch die Wende zum Kommunisten im Vordergrund«, sagt Patrick Spät. »Wir haben die Geschichte mit der Flucht vor den Nazis in die Schweiz gerahmt, denn das war uns wichtig. Obdachlose, Vagabunden und ›Landstreicher‹ werden als Opfergruppe der Nationalsozialisten bis heute weitgehend ignoriert.« Und was bleibt sonst von Gregor Gog? »Bei allen Widersprüchen war er eine gute Person mit einem klaren Blick auf die Welt«, sagt Bea Davies. Und Patrick Spät: »Gog hat für eine Zeit erfolgreich vermocht, Obdachlose, Vagabunden, Ausgeschlossene zusammenzuführen und zu organisieren. Das verdient Bewunderung.« Text: Bastian Pütter Illustrationen: Bea Davies

Bea Davies, geboren 1990 in Italien, ist freie Illustratorin und Comiczeichnerin in Berlin. Sie studierte in New York und Berlin und zeichnete unter anderem für das ehemalige Berliner Straßenmagazin strassen|feger. Patrick Spät, geboren 1982 in Mannheim, ist Journalist, unter anderem für Spiegel Online und Zeit Online, und Buchautor. Für »König der Vagabunden« wurde er gemeinsam mit Bea Davies als Finalist des Comicbuchpreises der Berthold Leibinger Stiftung ausgezeichnet. Patrick Spät, Bea Davies | Der König der Vagabunden. Gregor Gog und seine Bruderschaft. | ISBN: 978-3-96445-015-9 | Avant | 160 S. | 25 Euro

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Hilfe, die ohnehin nicht kommt, und wenn doch, verbunden mit Repressalien. Wir organisieren uns zur Selbsthilfe«, erklärt Patrick Spät. Kurz darauf wird Gog Chefredakteur der Zeitschrift »Der Kunde«. »Die Straßenzeitung lieferte Lebens- und Überlebenstipps, empfahl Kunstausstellungen und Begegnungsorte, denn allein die physische Begegnung ist sehr wichtig, wenn es darum geht, sich zu organisieren«, sagt Spät. Und in der Tat entwickeln sich Vagabundenabende, bis schließlich an Pfingsten 1929 zum »Ersten Internationalen Vagabundenkongress« in Stuttgart aufgerufen wird. Die Behörden reagieren fast panisch, die Medienresonanz ist international und feindselig. Rund 600 TeilnehmerInnen schaffen es durch die Polizeisperren. Ein großer Erfolg und ein weiterer Popularitätsschub für den »König der Vagabunden«. Sogar in einem Stummfilm spielt Gog gemeinsam mit Tombrock. Was dann folgt, ist der vielleicht drastischste Bruch im Leben Gregor Gogs. Auf einer Reise in die Sowjetunion im Juli 1930 wird aus dem Antiautoritären, dem Anarchisten ein Parteikommunist, der mit der grundlegend gewendeten Straßenzeitung »die Vagabunden in eine Reservearmee des kämpfenden Proletariats zu verwandeln« trachtet. Viele bisherige Weggefährten wenden sich enttäuscht und irritiert ab. Gog hatte früh geahnt, was eine Machtübernahme der Nazis bedeuten würde. Wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nazis wird er festgenommen, kommt ins KZ und wird gefoltert. Unter abenteuerlichen Umständen gelingt ihm Heiligabend 1933 die Flucht in die Schweiz. In seinem Tagebuch schreibt er: »Die Landstraße verlor sich im Dschungel faschistischer Barbarei (…). Konzentrationslager, Zwangsarbeit und Prügel: Die deutsche Bourgeoisie hat uns das schon immer gewünscht.« Über Paris gelangt er in die Sowjetunion, wo er schwerkrank unter

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BUCHTIPPS Verlorene Söhne Der Kölner Schriftsteller Selim Özdogan liefert seit bald 25 Jahren praktisch im Jahrestakt Romane, Erzählungen, Hörbücher ab, denen es gelingt, trotz der Bandbreite an Textsorten, Sujets und Sounds diesen Selim-Vibe zu erhalten. Vielleicht ist es auch einfach Qualität. Denn abgesehen davon, dass Özdogan seit seinem Debüt »Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist« der Großmeister der Romantitel ist (Favorit: »Wieso Heimat, ich wohne zur Miete«), sind es eher leise als laute Gründe, die für seine Texte sprechen: handwerkliche Präzision, Timing und bis ins Detail glaubwürdig gezeichnete Figuren. Sein neues Buch ist ein Darknet-Drogen-Krimi, doch Özdogan interessieren seine Figuren viel zu sehr, um sie allein an einen Krimi-Plot zu verschenken. »Der die Träume hört« ist eine sensibel erzählte unverhoffter-Vater-fremder-Sohn-Geschichte und eine deutschtürkische Aufstiegs- und Ausstiegserzählung voller Zwischentöne – und Hiphop-Tracks. In einem seiner Podcasts sagt Özdogan, ein Buch würde nicht fertig, sondern im Prozess des stetigen Überarbeitens gebe er irgendwann auf. Auch in diesem Fall hatte er da schon gewonnen. BP Selim Özdogan | Der die Träume hört | Edition Nautilus | 18 Euro

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In dreißig Sprachen wurde die wahre Geschichte des Katers, der einen Straßenzeitungsverkäufer rettet, bereits übersetzt. Nun ist eine deutsche Ausgabe in einfacher Sprache erschienen. Millionen Menschen haben Schwierigkeiten, komplizierte Texte zu verstehen, können nicht gut lesen oder Deutsch verstehen. Für sie gibt der Münsteraner Verlag »Spaß am Lesen« Romane, Krimis und Klassiker der Weltliteratur in einfacher Sprache heraus. Die Sätze sind kürzer und haben höchstens ein Komma. Meist reicht ein Gedanke pro Satz. Unvermeidbare Fremdwörter werden am Ende des Buches erklärt. Bei »Bob, der Streuner« folgt zusätzlich auf jeden Punkt ein Absatz. Das gibt der Geschichte einen neuen Rhythmus, weniger eindringlich wird sie dadurch nicht: Um einem verletzten Kater zu helfen, nimmt der drogensüchtige James sein Leben wieder selbst in die Hand. Aus ihm wird der berühmteste Straßenzeitungsverkäufer und schließlich ein Bestsellerautor – und aus dem Kater Bob wird ein Filmstar. »Jeder verdient eine zweite Chance«, sagt James Bowen am Ende des Buches. »Bob und ich haben unsere Chance genutzt.« BP James Bowen | Bob der Streuner. In einfacher Sprache | Spaß am Lesen | 14 Euro


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KULTURTIPPS Bühne

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Foto: G. Biele

Ein Volksfeind

Weihnachtsbasar Adventsmarkt mit Herz Alle Jahre wieder kommt die Vorweihnachtszeit und mit ihr die Zeit der Weihnachtsbasare und -märkte. Bereits zum 14. Mal findet am Freitag vor dem ersten Advent der große Basar in der Kreuzkirche im Herzen der Altstadt Hannovers zugunsten von Asphalt statt. Mehr als 30 Ehrenamtliche haben dafür das ganze Jahr hindurch liebevoll gebastelt, gestrickt, gehäkelt, geschnitzt, genäht und gemalt. Dabei entstanden sind festliche Gestecke, kunstvolle Holzarbeiten, weihnachtliche Dekorationen, individuelle Weihnachtskarten, einzigartiger Schmuck und vieles mehr. Angeboten werden außerdem selbstgemachte Marmeladen, delikate Chutneys, Liköre und selbstgebackene Weihnachtskekse. Ein reichhaltiges Kuchenbuffet, dazu heiße und kalte Getränke laden die Besucher zum Verschnaufen und Verweilen ein. Mit dem kompletten Erlös des Basars wird die Arbeit von Asphalt unterstützt. Dafür danken wir schon heute allen Menschen, die am Gelingen dieses ganz besonderen Basars beteiligt sind und wünschen eine schöne Vorweihnachtszeit. Freitag, 29. November, 13 bis 18 Uhr, Kreuzkirche Hannover-Altstadt, Kreuzkirchhof 3, Hannover, Eintritt frei.

Mit der Gründung eines Kurbades hat Badearzt Thomas Stockmann seinem kleinen Heimatstädtchen überregionale Bekanntheit und Wohlstand beschert. Doch kurz vor der nächsten Badesaison macht Stockmann eine schwerwiegende Entdeckung. Das Wasser ist voller Keime und Krankheitserreger. Der Badearzt möchte die Analysedaten öffentlich machen und den Missstand beheben. Der Bürgermeister, sein Bruder Peter Stockmann, will die Probleme jedoch lieber vertuschen. Zwischen den beiden entsteht ein erbitterter Machtkampf. Mit dem Ibsen-Klassiker von 1882 greift das moa theater unter anderem die Themen Wahrheit, Vertuschung, Loyalität, Korruption und Wankelmütigkeit auf und präsentiert das Drama in eigener, sprachlich aktualisierter Textfassung. Donnerstag, 07. November, bis Samstag, 09. November, Theater in der List, Spichernstraße 13, Hannover. Sowie Donnerstag, 14. November, bis Sonntag, 17. November, OSCO – Open Space Hannover, Fössestraße 103, Hannover, Beginn 20 Uhr, Eintritt 9 Euro, erm. 6 Euro.

»Totgespielt – der Improkrimi« In mancher Katze lauert ein Untier und nicht alle haben sieben Leben. »Schmidt’s Katzen« umschleichen gefährliche Ecken, streunen über frühneblige Hinterhöfe und treffen auf scharfe Hunde. Plötzlich ein Toter. Wie wurde das Opfer umgebracht? Wer sind die Hauptverdächtigen? Was haben die Spuren am Tatort zu bedeuten? Der Kommissar in diesem Improkrimi ermittelt in diesem Fall nach den Vorgaben des Publikums. »Ruhe bewahren und Ohren spitzen« lautet das Motto, denn nur eins steht fest: einer ist tot – ein anderer war’s. Freitag, 15. November, Einlass 19.30 Uhr, Beginn 20 Uhr, Kulturfabrik Löseke, Langer Gar­ ten 1, Hildesheim, Eintritt 15 Euro, erm. 12 Euro.

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Foto: Nilz Böhme

Für Kinder

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Gewinnsp

Asphalt verlost 3 x 2 Karten für das Musical »Schneewittchen«

Märchenhaftes Musical »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?«, fragt die böse Königin. Als der Spiegel plötzlich »Schneewittchen« antwortet, wird sie böse und schmiedet einen Plan, um ihre ungeliebte Stieftochter loszuwerden. Die energiegeladene Adaptation des Liberi-Autors Helge Fedder setzt die Geschichte von Gut gegen Böse neu in Szene. So beweist Schneewittchen, dass Mut, Hilfsbereitschaft und Entschlossenheit viel wichtiger sind, als bloße Äußerlichkeiten. Professionelle Darsteller sorgen mit rasanten Songs und Choreografien, viel Energie und jeder Menge Humor für ein unterhaltsames Live-Erlebnis für Kinder ab vier Jahren. Für dieses märchenhafte Abenteuer verlost Asphalt 3 x 2 Karten. Rufen Sie uns dafür am 25. November zwischen 12 und 13 Uhr unter der Telefonnummer 0511 – 301269-18 an und beantworten folgende Frage: Wie heißt der Autor der Musical-Inszenierung? Die ersten drei Anrufer mit der richtigen Antwort dürfen sich über die begehrten Tickets freuen. Sonntag, 01. Dezember, 15 Uhr, Theater am Aegi, Aegidientorplatz 2, Hannover, Eintritt VVK 12/18/23/27/30 Euro je nach Kategorie, Kinder bis 14 Jahre jeweils 2 Euro erm., AK jeweils zzgl. 2 Euro.

Sonstiges Widerstand ist Pflicht Immer wieder sind AktivistInnen von Organisationen, die sich für Demokratie und Menschrechte einsetzen, von Repressionen betroffen. Aktuelle Beispiele dafür sind die Kriminalisierung der privaten Seenotrettung von MigrantInnen oder die Aberkennung der Gemeinnützigkeit zivilgesellschaftlicher Initiativen. Anlässlich des Tages der Menschenrechte am 10. Dezember will das Bündnis »Menschenrechte grenzenlos« Hannover in seiner diesjährigen Veranstaltungsreihe mit dem Titel »Widerstand ist Pflicht! Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivismus entgegentreten« erneut auf Menschenrechte und deren weltweite Verletzungen aufmerksam machen. Den Auftakt der Reihe, die vom 5. November bis 10. Dezember stattfindet, machen die MenschenrechtsaktivistInnen Dirk Friedrichs von Attac, Sophie Tadeus von Jugend RETTET, Henning von Stoltzenberg von der Roten Hilfe und Nino Novakovic vom Verein Terne Rroma Südniedersachsen mit einer großen Bündnisveranstaltung. Das gesamte Programm der Veranstaltungsreihe gibt es unter www.nds-fluerat. org und www.welt-in-hannover.de. Donnerstag, 07. November, 19 Uhr, Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, Hannover, Eintritt frei.

Armut vs. Klima Der Klimawandel hat nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt. Dürren, Überschwemmungen und Starkniederschläge verstärken zudem die Armut vieler Menschen weltweit. Grund genug für Caritas, Asphalt und die Landesarmutskonferenz, sich in ihrer Polit-Talk-Reihe im ka:punkt mit dem Thema »Armut vs. Klima? Es geht um die Wurst!« auseinanderzusetzen. Dieses Mal mit dabei: Klaus Dieter Gleitze und Thomas Schremmer von der LAK, als Gesprächsgast ist Imke Byl (Grünen-MdL und Sprecherin für Umwelt) angefragt. Wie immer ist auch das Publikum wieder herzlich zum Mitdiskutieren und Nachhaken eingeladen. Zur Stärkung gibt es Kaffee und Kuchen kostenlos. Donnerstag, 14. November, 16 bis 17 Uhr, Treffpunkt ka:punkt, Grupenstraße 4, Hannover, Eintritt frei.


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Musik Pianorocker Er ist der Botschafter des Rock’n‘Roll. Seit über 30 Jahren und mehr als 1.000 Auftritten ist Andy Lee in Sachen Rock’n’Roll, Rockabilly und Country unterwegs und hat seine Leidenschaft und Spielfreude nie verloren. Deutschlands Piano Rock’n‘Roller Nummer eins elektrisiert durch musikalische und körperliche Akrobatik an den Pianotasten und lässt die großen Stars des Rock’n‘Roll wieder aufleben. Fats Domino & Co. lassen grüßen. Keep on rockin‘! Samstag, 23. November, 20 Uhr, Kaminzimmer Music&Dance im Clubhaus 06, Gustav-Brandt-Straße 82, Hannover, Eintritt frei.

Julian & Roman Wasserfuhr Schon als Teenager galt Julian Wasserfuhr als das größte deutsche Ausnahmetalent an der Trompete seit Till Brönner. Zusammen mit Bruder Roman bildet er ein unzertrennliches Paar. Ihre Vertrautheit spiegelt sich in ihrer Musik wider. Ob mit Trompete oder Flügelhorn, Julian schafft mit seinem warmen Ton atmo-

Am Lindener Berge 38 30449 Hannover · Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

NOVEMBER 2019 Freitag, 01. November WAKENIUS-TAYLOR-WAKENIUS Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Samstag, 02. November ALEXANDER STEWART Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Dienstag, 05. November REGGIE WASHINGTON Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Donnerstag, 07. November HOWARD LEVY TRIO Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Freitag, 08. November ANGELIKA NIESCIER’S NYC TRIO Eintritt: 25 Euro Freitag, 15. November DAVID HELBOCK´S RANDOM/ CONTROL Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro

Foto: Colm Walsh

Samstag, 16. November TRIOSENCE Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro

sphärische Klangräume, während Roman mit seinem akzentuiert-strahlenden Klavierspiel zu einem frischen, aber ausgereiften und luftigen Sound der Band beiträgt. Verstärkt werden die Jazzbrüder auf ihrem vierten Album »Relaxin‘ in Ireland« durch Kontrabassist Jörg Brinkmann. Freitag, 29. November, 20 Uhr, Schloss Landestrost, Schlossstraße 1, Neustadt a. Rbge., Eintritt 19 Euro, erm. 13 Euro.

Freitag, 22. November MILLER ANDERSON BAND FEAT. LEE MAYALL Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Mittwoch, 27. November JASPER VAN'T HOF B.E. TRIO Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Donnerstag, 28. November Jazz Club by Gartenheim JOSCHO STEPHAN Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

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SILBENRÄTSEL Aus den nachfolgenden Silben sind 15 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben (Achtung: ch ist 1 Buchstabe) – von oben nach unten gelesen – ein buddhistisches Sprichwort ergeben:

1. Schlange

2. keine gute Position ar – bat – be – bel – chef – chen – dach – ein – em – en – er – flie – flit – fra – ga – ge – in – koch – lin – me – me – nan – nat – ni – ni – or – par – quem – reet – rich – rot– se – sen – spiel – tags – ter – ter – test – trau – un – wein – wir – wo

3. Besonderheit beim Hausbau

4. Teil des menschlichen oder tierischen Skeletts

5. Stadt am Rhein

6. Getränk

7. häufig der Firmengründer Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal das Erzählbilderbuch »Hübendrüben« von Franziska Gehm und Horst Klein. Max und Maja sind Cousin und Cousine. Sie mögen einander. Sie könnten so viel zusammen machen. Aber zwischen ihnen ist die deutsch-deutsche Grenze. Immer wird parallel illustriert, was den Kindern der 80er-Jahre hüben und drüben wichtig und geläufig war. Bis eines Tages alles anders wird … Das spannende Hörbuch »Das Paket« von Bestseller-Autor Sebastian Fitzek gibt es viermal zu gewinnen. Der Postbote bittet die Psychiaterin Emma Stein, ein Paket für einen Nachbarn anzunehmen. Einen Nachbarn, dessen Namen sie noch nie gehört hat. Obwohl sie schon seit Jahren in ihrer kleinen Straße wohnt. »Was kann schon passieren?«, denkt sie sich. Und lässt damit den Albtraum in ihr Haus ... Ebenfalls viermal können Sie das Hörbuch »Das Licht« von T.C. Boyle gewinnen. Harvard-Professor, Psychologe und LSD-Guru Timothy Leary schart Anfang der 60er einen Kreis von Jüngern um sich, für neuartige Experimente mit psychedelischen Drogen. Unter dem Deckmantel seriöser Wissenschaft steuert das Ganze auf den totalen Kontrollverlust zu. Ein greller Trip an die Grenzen des Bewusstseins und darüber hinaus. Die Lösung des Oktober-Rätsels lautet: Oktoberregen verspricht ein Jahr voller Segen. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss: 30. November 2019. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

8. Marktforschungsinstitut

9. Verantwortlicher in einer Großküche

10. kurzlebiges Insekt

11. Hochgipfel im Himalaya

12. Tragödie

13. Hochzeitsreise

14. benachbartes Land zur Türkei und zum Iran

15. Hülsenfrüchte


Foto: Tomas Rodriguez

n f u a t n Mome

Vor etwa 2.300 Jahren beschloss ein Mann namens Ptolemaios den Bau eines Leuchtturms. Und zwar auf der kleinen Insel Pharos in der Nähe von Alexandria. Es gab in dieser Zeit bereits einen regen Schiffsverkehr und besagter Ptolemaios, der für seinen Namen ja nix konnte, sorgte sich nicht zu Unrecht, dass es im Dunkeln zu Kollisionen kommen könnte. So wurde dort also der erste bekannte Leuchtturm der Welt erbaut. Und wenn man schon so ein Ding baut, dachte sich Ptolemaios, dann doch bitte auch gleich den größten überhaupt, einen, der nie wieder durch einen anderen getoppt werden kann. Historiker können es nicht mit Gewissheit sagen, aber möglicherweise war das Ding so hoch wie der Kölner Dom, weswegen der Turm auch flugs zu einem der sieben Weltwunder der Antike avancierte. Vermutlich war es ein Seebeben, was diesem Wunder dann jedoch einige Jahrhunderte später den Garaus machte. Als »Pharos von Alexandria« ging der Leuchtturm in die Geschichte ein und auch in die Sprache, denn sowohl im Französischen (»phare«) als auch im Spanischen und Italienischen (»faro«) hat Pharos seine Spuren hinterlassen und steht in diesen und weiteren Sprachen für »Leuchtturm«. Mich faszinieren Leuchttürme! Ich finde, sie tragen eine eigene Poesie in sich. Stehen oftmals bunt an den Küsten herum, surren in der Dunkelheit ihren Lichtschein im 360-Grad-Turnus und trotzen Wind, Wetter und Wellen. Vielleicht wäre ich selbst gerne wie ein Leuchtturm. Groß und schlank! Aber im Ernst, es reizte mich, dort mal eine Zeit zu verbringen. Leuchtturmwärter braucht es im automatisierten Zeitalter leider nicht mehr. Ein paar Tage und Nächte jedoch auf so einem Turm zu sein, vielleicht in einem Sturm das Tosen des Windes und die sich am Metall brechenden Wellen zu hören, den Elementen einerseits ausgesetzt und doch im Turm behütet zu sein, das hätte was. Wäre natürlich blöd, wenn man oben wohnt und ganz unten ist die Toilette. Und dann nachts immer die Wendeltreppe abwärts… Einer der Leuchttürme, die ich ganz besonders mag, ist der relativ kleine und hier abgebildete Turm Schleimünde. Dort, wo die Ostsee zur Schlei wird, jenem Meeresarm, der bis nach Schleswig reicht, vorbei am alten Wikingerort Haithabu. Der Leuchtturm Schleimünde ist seit einiger Zeit grün-weiß gestrichen; ob dieser Farben ein Pilgerort sowohl für Fans des VFL Wolfsburg als auch für Anhänger von Werder Bremen. Und irgendwie wirkt er fröhlich. Nicht so majestätisch wie Roter Sand, nicht so kompakt und moppelig wie Neuwerk, zugegebenermaßen auch nicht so lustig wie der Pilsumer Turm, aber eben doch fröhlich. Na, wie auch immer. Ich finde, auch wir in Hannover könnten so einen Leuchtturm gebrauchen. Am Mittellandkanal. An der Ihme. Oder am Maschsee. Nur so `nen kleinen. Muss ja kein Weltwunder werden. Und der kann natürlich nur einen Namen bekommen: Lütje-Lages-Lichtlaternchen! Matthias Brodowy/Kabarettist und Asphalt-Mitherausgeber

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