2016 11 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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DIE WILDEN TIERE KOMMEN REVIERWECHSEL

Fuchs, Waschbär und Biber erobern die Großstadt.

IRRWEG

Salafisten locken Kinder in den »heiligen« Krieg.

FREIGEIST

Autor Wladimir Kaminer über Russland und seine Mutter.


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Notizblock

6 Angespitzt 7

Die wilden Tiere kommen

Biber, Fuchs und Waschbär auf dem Weg in die Stadt.

10 Wie im Paradies

Ratten und ihr komfortables Leben in der Kanalisation.

13 Briefe an uns 14 Wer war eigentlich …? 15

Zukunft am Hindukusch?

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Armut. Macht. Flucht.

In Afghanistan herrscht Krieg, aber die Bundesregierung redet die Situation schön. Eine Reise in ein geschundenes Land. Die Landesarmutskonferenz Niedersachsen diskutiert über globale und regionale Ungleichheiten.

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Im Bann der Hassprediger

Wie radikale Salafisten Kinder und Jugendliche verführen.

22 Aus der Szene 23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben

von Asphalt-Verkäufer Martin

26 Rund um Asphalt 29

»Ich schäme mich«

Erfolgsautor Wladimir Kaminer im Interview. Asphalt verlost Karten zur Lesung.

31 Impressum 32 Die Lesebühne

Judith Simon-Graf: L’ivresse

34 Buchtipps 35 November-Tipps 38 Impressum/Ihr Engagement Titelfoto: REUTERS/ Thomas Peter

39 Silbenrätsel Das Asphalt-Prinzip

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung.


haben Sie den Adler in der Altstadt gesehen? Oder den Fuchs in der Fußgängerpassage? Und neulich, die Wildschweine im Stadtpark? Nicht? Ok – noch sind solche Begegnungen Fiktion. Unbestritten aber ist, dass immer häufiger wilde Tiere in unsere Städte kommen. Deshalb sind sie diesmal Titelthema. Marder, Waschbären, Schleiereule und Biber zieht es in Wohnsiedlungen, in leerstehenden Fabriken finden sie ruhige Plätzchen für ihre Jungen und stillgelegte Bahngleise werden zu neuem Lebensraum. Kein Wunder, Tiere folgen immer der Nahrung. Unsere Mülltonnen bieten da allerlei, Kleingärten mit Obst und Gemüse, Komposthaufen und Industriebrachen sowieso. Einige Ökologen schwärmen bereits von besonderer »Biodiversität« in unseren Städten, hier würden Vögel, Füchse und Wildschweine nicht gejagt und unser Abfall ernähre sie trefflich. Aber die wirkliche Ursache für ihren Zug in unsere Nähe ist das nicht. Sie sind nicht einfach bequem und verfressen. Nein, sie haben in der Natur schlicht immer weniger Platz! Weil wir Wälder und Wiesen mit Schnellstraßen oder Bahnstrecken zerschnitten haben, weil wir durch landwirtschaftliche Monokulturen ihr Futter wegnehmen, weil wir mit schweren Maschinen Brutplätze zerstören, weil wir Flüsse, Seen und Grundwasser mit Gülle extrem belasten. Viele Tierarten sind deshalb längst ausgestorben, andere weichen aus – eben in unsere Städte. Das bedeutet nicht, dass sie hier jetzt geschützt sind. Sie sterben bei Autounfällen, wachsende Wohnsiedlungen nehmen ihnen weiteren Lebensraum, vollverglaste Hochhäuser sind für Vögel tödliche Fallen. Naturschützer haben darauf reagiert. Sie beraten Bürger, wie mit den Wildtieren umzugehen ist, vorsichtig und respektvoll nämlich. Füchse dürfen nicht gefüttert und auch der süßeste Waschbär nicht gestreichelt werden. Wilde Tiere sind keine Haustiere. Sie bleiben wild, haben Scheu vor Menschen und suchen einfach nur Platz zum Leben. Das Projekt »Städte wagen Wildnis«, das unsere Autorin Ihnen im Heft vorstellt, stimmt mich da hoffnungsvoll. Außerdem bereichert uns die neue Nähe wilder Tiere. Es ist faszinierend, sie zu beobachten. Sie sind geschmeidig, mutig, schnell. Und – mal ehrlich – möchten Sie auf diese Weise tief im Innern nicht auch gerne ein kleines bisschen wild sein? Ihre

Hanna Legatis · Mitherausgeberin von Asphalt

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

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Foto: Picture-Alliance/chromorange

Notizblock

Asse-Salz für die Elbe Hannover/Wolfenbüttel. Salzhaltiges Wasser aus dem Atommülllager Asse soll in die Elbe entsorgt werden. Das sieht ein Plan des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vor. Täglich muss aus dem ehemaligen Asse-Bergwerk rund zwölf Kubikmeter Salzlauge entfernt werden, damit das Atomlager dort nicht absäuft. Bisher wurde das nach Auskunft des BfS nicht strahlende Gemisch im stillgelegten Bergwerk Mariaglück bei Celle versenkt. Doch diese Langerstätte ist bald voll. Daher müsse die Salzlauge nun in die Elbe, so das BfS. Alternativ wird noch die Einleitung in die ohnehin schon mit Salz belastete Weser geprüft. Die in Niedersachsen mitregierenden Grünen halten das Einleiten in Flüsse für »ökologisch nicht sinnvoll«. MAC

FDP für legales Kiffen

Mehr Sicherheit für Pendler

Hannover. Die FDP-Fraktion im Landtag will Kiffen in Niedersachsen entkriminalisieren. Nicht, um Kiffen zu fördern, sondern um den Schwarzmarkt zu bekämpfen und die Justiz und Polizei von Verfahren zu entlasten, so FDP-Chef Stefan Birkner. Die bisherige Drogenpolitik sei in Sachen Cannabiskonsum auf breiter Front gescheitert. Längst sei Kiffen in allen Bevölkerungsschichten weit verbreitet. Entsprechend will die FDP künftig für kontrollierten legalen Handel in lizensierten Shops ähnlich wie in den Niederlanden eintreten. Samt Steuern auf den Handel mit solchen Produkten, die dann komplett in mehr Jugendschutz und Drogenpräventionsarbeit investiert werden sollen. Ein Antrag wurde im Oktober in den Landtag eingebracht. Ob die Grünen, die seit Jahren für die Legalisierung weicher Drogen streiten, und zumindest Teile der SPD zustimmen werden, wie Birkner glaubt, ist noch unklar. Immerhin hatte die SPD jüngst auch erst verlautbart, Cannabis sei in der Gesellschaft angekommen. Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt äußerte sich vorab bereits eher ablehnend. MAC

Hannover/Oldenburg. Mehr Verlässlichkeit für Pendler fordert die niedersächsische Landesnahverkehrsgesellschaft (LN VG) von den Bahnunternehmen Metronom und Nordwestbahn. Lokführermangel bei beiden Unternehmen habe in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Zugausfällen geführt. Die LNVG ist für die Betriebserlaubnis der Unternehmen zuständig und will nun mit Zuschusskürzungen in Millionenhöhe die Unternehmen zu einer kundenfreundlicheren Personalpolitik zwingen. »Wir stellen uns aktuell die Frage, ob wir bei künftigen Ausschreibungen eine großzügigere Personalreserve zum Gegenstand machen«, sagte LNVG-Sprecher Rainer Peters. MAC


Schwarze Null

Loccum. Als »faulen Kompromiss« zugunsten Vermögender bezeichnet Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) in Loccum, die Reform der Erbschaftssteuer. »Das Bundesverfassungsgericht hatte der Politik eigentlich aufgegeben, für mehr Gleichheit zu sorgen«, sagte der. Wenn aber Reich­ tümer vererbt würden und sich weiter anhäuften, wachse die Ungleichheit. Tatsächlich bestätigen neuere ökonomische Studien diesen Mechanismus. »Die aus der Vergangenheit stammenden Reichtümer vermehren sich ohne Arbeit schneller, als die Reichtümer, die durch Arbeit geschaffen und angespart werden können«, analysiert der französische Wissenschaftler Thomas Piketty die Situation in Westeuropa. In einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts meinten 71,8 Prozent, die Reform berücksichtige nur »schwach« oder »sehr schwach« den Aspekt Steuergerechtigkeit. Rund drei Billionen (sic!) Euro werden in den nächsten Jahren in Deutschland vererbt. UM

Hannover/Frankfurt. Deutschland investiert immer weniger in seine Bildungseinrichtungen. Wurden vor 20 Jahren noch mehr als 45 Prozent der kommunalen Gesamtausgaben in den baulichen Erhalt der Schulen investiert, waren es 2015 nur noch rund 25 Prozent, stellt jetzt die Kreditanstalt für Wiederauf bau (Kf W) fest. Insgesamt schätzen die deutschen Kommunen ihren Investitionsbedarf in die Schulinfrastruktur inzwischen auf 34 Mrd. Euro. Allein in Hannover beläuft sich der Bedarf für die nächsten 10 Jahre auf 850 Mio. Euro. Im aktuellen Investitionsprogramm der Stadt sind gerade einmal 415,6 Mio für Schulen und Kitas vorgesehen. Nur 4,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fließen in Deutschland in die Bildung. Insgesamt haben zwei Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keine Berufsausbildung. Bildungserfolg und soziale Herkunft hingen in Deutschland weiter so eng zusammen wie in kaum einem anderen Staat, kritisiert die GEW-Vorsitzende ­Marlis Tepe. UM

Insgesamt 89.506

Bücher wurden 2015

veröffentlicht. Bei den Neuerscheinungen ent­­

Zahlenspiegel »Lesepublikum«

fallen 14.165 Titel auf die Belletristik allgemein und 10.638 Titel auf die deutsche Literatur. Mit 9.081 Erstauflagen folgen Kinder-

und Jugend­bücher mit einem Anteil von

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11,9 % an der Jahresproduktion. Aus anderen Sprachen wurden

10.179 Werke ins Deutsche

übersetzt. Für all diese Bücher – sagt das Statisti­ sche Bundesamt – interessieren sich nur 10,1 % der Deutschen. Diese Bücherleser wenden täglich 1 Stunde und 9 Minuten für ihre Lektüre auf. Dabei verbringen die Männer mit 1:15 Std. etwas mehr Zeit beim Bücherlesen als die Frauen (1:06), aber insgesamt greifen mit 11,8 %

mehr

Frauen zum Buch (aber nur 8,2 % der Männer).

Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

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Reiche werden reicher

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Angespitzt

Der Affe an sich neigt ja zur Selbstgenügsamkeit. Vom Schimpansen wissen wir, dass er sich für kulturellen Austausch wenig interessiert und sein kleines Revier gegen Fremde auch mal mit dem Knüppel verteidigt. Überhaupt scheinen die Primaten eine besonders aggres­ sive Säugetierfamilie zu sein. So weisen spanische Wissenschaftler darauf hin, dass auch die Gewaltausübung des Homo Sapiens in prähistorischen Gesellschaften noch extrem hoch gewesen und erst im Prozess der Zivilisation zurückgegangen sei. Morde, Kannibalis­ mus und tödliche Revierkämpfe seien eben ein Erbe der evolutio­ nären Vergangenheit des Menschen. Damit bestätigen die Forscher frühere Untersuchungen, denen zufolge sogar das 20. Jahrhundert mit seinen zwei Weltkriegen und dem Holocaust weniger gewalt­ same Todesfälle im Vergleich zur Bevölkerungszahl hervorgebracht habe, als die Jahrhunderte bis zum Westfälischen Frieden. Dennoch zeigen diese und heutige Exzesse: Auch wenn die Gewalt

»Das Erbe unserer Väter«

seit der Aufklärung zunehmend geächtet wurde, blieb sie doch immer latent. Schon Sigmund Freud warnte vor dem dünnen Firnis der Kultur. Während Humanismus und Veganismus immerhin begründete Hoffnungen auf eine dauerhafte Überwindung des Kannibalismus wecken, erweisen sich Revierkämpfe gegen Fremde offenbar als hartnäckige, gattungsgeschichtliche Relikte. Ende September wurde ein Bürgermeister im schleswig-holsteinischen Oersdorf mit einem Knüppel niedergeschlagen. Zuvor hatte er schon Drohbriefe wegen der geplanten Aufnahme einiger Flüchtlinge im Dorf erhalten. »Oersdorf den Oersdorfern« heißt es darin. Die Vergangenheit lebt. Ulrich Matthias


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Foto: dpa

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Urbane Wildnis Biber, Fuchs und Waschbär erobern die Stadt. Die besten Gebiete an der Alten Leine sind schnell verge- Region Hannover und dem nördlichen Landkreis Hildesheim ben, als sich 65 ehrenamtliche Kartierer des Naturschutz- stetig gestiegen. »Etwa 120 bis 150 Biber leben mittlerweile bund (Nabu) Laatzen im Winter 2016 auf die Suche nach hier«, sagt die Biberexpertin Anika May vom Nabu Laatzen. Biber­spuren machen. Das westliche Stadtgebiet von Hanno- Acht der 37 Reviere, die der Nabu im Winter 2016 erfasst hat, ver erscheint hingegen wenig erfolgsversprechend. So macht liegen sogar im Stadtgebiet. Damit folgt das streng geschützte sich Kai-Olaf Krüger allein auf den Weg. Einer muss es eben Nagetier einem Trend: Die Wildnis kommt in die Städte. Ehemachen, der Vollständigkeit halber, denkt der Biologe. Doch mals scheue Waldtiere wie Füchse oder Wildschweine werden bald schon stößt er direkt am Ufer der Leine, keine 500 Meter immer häufiger in Wohngebieten beobachtet. Lange Zeit galt von der nächsten Stadtbahn-Haltestelle entfernt, auf eine »Natur« als etwas, das fernab der Städte zu suchen war, auch für gefällte Weide mit den charakteristischen Biss-Spuren eines Wissenschaftler. Seit einigen Jahren jedoch rücken die Städte in den Fokus von Ökologen. Immer wieder zeigen sie seitdem Bibers – Volltreffer. Fast 200 Jahre war der Biber in Niedersachsen ausgerottet. in Studien, dass die Artenvielfalt verschiedenster Tiergruppen Seit im Jahr 2005 wieder der erste Biber an der Leine gesichtet in Städten zum Teil sogar besonders hoch ist im Vergleich zum wurde, ist der Bestand des größten Nagetiers Europas in der Umland, das intensiv landwirtschaftlich genutzt wird.


Foto: icture-Alliance/Eibner-Pressefoto

Niedersachsen verantwortlich. Dabei dokumentiren Jäger in ihren Revieren Tiere wie Fuchs und Hase, die auf natürliche Weise verendet sind. Danach leben in der ganzen Region Hannover beispielsweise rund 3.000 Füchse. Wie viele Wildtiere in den nicht bejagbaren Stadtgebieten leben, kann Strauß nur schätzen. »Der Fuchs ist überall«, sagt der Biologe. »Vielleicht nicht direkt am Kröpcke. Wegen der vielen Parks und Gärten ist die Dichte aber höher als im Umland und nimmt immer mehr zu.«

Der Waschbär kommt

Das Bild könnte sich Städtern in Zukunft häufiger bieten: In Wohnsiedlungen suchen Waschbären bevorzugt in Müll­ tonnen nach Essensresten.

»Städte sind oft Horte der Biodiversität«, sagt auch Reinhild Muschter vom Team Naturschutz der Region Hannover. »Hier gibt es die unterschiedlichsten Lebens- und Rückzugsräume für Tiere.«

In Hannover noch ruhig In Hannover-Kirchrode etwa verläuft an einem unauffälligen Hang an der Mardalstraße die Grenze zwischen dem niedersächsischen Hügelland und der Ebene des Tieflands. Mitten in der Stadt prallen hier nährstoffreiche Böden der Börden auf die sandige Moorgeest. Seit den 1980er-Jahren wird die Fläche geschützt. Jetzt wartet eine bunte Pflanzenvielfalt auf die Neubesiedlung durch seltene Schmetterlinge und Vögel. Rebhuhn, Wachtel und Feldlerche fühlen sich in den Kalklebensräumen am Kronsberg wohl. Der Stadtwald Eilenriede ist ein bedeutender Lebensraum für Fledermäuse. Die renaturierte Ihme und Leine sind ein Paradies für den Biber. Im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin, wo Wildschwein-Horden ohne Scheu durch die Straßen ziehen, ist es in Hannover noch ruhig. Als im August in der Eilenriede ein räudiger Fuchs auftaucht, wird aber wieder einmal deutlich, dass auch hier größere Wildtiere versteckt leben. »Im Siedlungsbereich gibt es eine hohe Dichte an Wildtieren«, sagt Egbert Strauß von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Der Biologe ist für die Wildtiererfassung in

Neben den heimischen Wildtieren wie Fuchs, Steinmarder und Wildschwein zieht es auch Tiere, die aus anderen Regionen der Erde stammen, in die Stadt wie etwa die Waschbären. »Noch gelten die Tiere hier als süß und nett«, sagt Strauß. »Doch wir sind erst in der Anfangsphase. Es werden noch deutlich mehr werden.« Im Umland von Hannover verzeichnet das Wildtiermonitoring bereits steigende Waschbärzahlen. Das Zählen der Wildtiere ist jedoch schwierig. Die Biberkartierer aus Laatzen orientieren sich vor allem an den Spuren der Nager. Selbst die Experten sehen nur selten eines der nachtaktiven und extrem scheuen Tiere. Daher suchen sie bei ihren Kartierungen nach Zweigen, deren Rinde abgenagt ist, nach Biberburgen und Dämmen, nach gefällten Bäumen. Aus den gesammelten Hinweisen errechnen sie dann die ungefähre Bestandszahl der Tiere. Auch in anderen Städten sind ehrenamtliche Naturfreunde und Anwohner der Stadtnatur auf der Spur. In Berlin oder Hamburg gibt es beispielsweise Artenkataster und Säugetieratlanten, die sich auf Tierbeobachtungen von Bürgern stützen. Mit teils überraschenden Ergebnissen: Im »Säugetieratlas von Bremen«, einem ehrenamtlichen Projekt des Bremer Naturwissenschaftlichen Vereins und der Hochschule Bremen, zeigte sich etwa, dass Schweinswale und Seehunde häufiger in die Stadt kommen, als bisher bekannt war. In Berlin statten Forscher des Leibniz-Instituts für Wildtierforschung Füchse mit Sendern aus, um so deren Wege durch die Stadt aufzuzeichnen. Das Zusammenleben von Mensch und Tier führt in Städten jedoch immer wieder zu Konflikten. Oft haben die Tiere das Nachsehen: »Biber kommen am häufigsten bei Autounfällen ums Leben«, sagt Anika May. Auch Frischlinge, Rehkitze und träch-


Wildnis wagen Teilweise entstehen Konf likte zwischen Mensch und Tier schlicht aus Unwissenheit. Hier setzt beispielsweise der Nabu Laatzen an, der seit 2012 sogenannte Biberberater ausbildet. Sie erklären Kindern und Erwachsenen die Lebensweise des Bibers und vermitteln im Konfliktfall zwischen Behörden und Betroffenen; beispielsweise bei Überschwemmungen wie im letzten Herbst in der Leineaue zwischen Hemmingen und Laatzen. In solchen Fällen befürworten die Biberberater auch Eingriffe ins Biber­ revier wie Drainagen, mit denen das vom Biber angestaute Wasser abgeleitet werden kann. Grundsätzlich empfiehlt Biberberaterin May: »Den Tieren Raum gewähren. Biber entfernen sich bei der Futtersuche nur maximal zehn bis 20 Meter vom Wasser.« Dürfe der Nager in einem solchen Schutzstreifen »wüten«, wie es die Expertin scherzhaft nennt, erhalte der Mensch kostenlose Naturschutzarbeit dazu: Die Bauwerke des Bibers verlangsamen die Geschwindigkeit des Wassers, Nährstoffe für Fische sammeln sich, seltene Tiere wie Eisvogel und Fischotter siedeln sich wieder an. Unterstützung bekommen die tierischen Neubürger Hannovers in den kommenden Jahren auch von der Stadtverwaltung: Im Rahmen des deutschlandweiten Projekts »Städte wagen Wildnis« sollen elf Projektflächen in Hannover zur urbanen Wildnis werden. »Generell ist in unserer Landschaft für jeden Quadratmeter festgelegt, was da zu stehen

hat«, erklärt Projektleiter Michael Reich vom Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität. »Die Idee ist, Teilbereiche der Stadtlandschaft der Natur zu überlassen.« Die Wissenschaftler und Vertreter der Stadt sind gespannt, welche Pflanzen und Tiere sich in den nächsten fünf Jahren dort von allein ansiedeln werden. Besonders spannend wird allerdings, wie sich die menschlichen Stadtbewohner mit der Wildnis vor ihrer Haustür anfreunden. Eva Maria Mentzel

Der Fuchs fühlt sich nicht nur in Wäldern, sondern auch in städtischer Umgebung wohl.

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Foto: Picture-Alliance/blickwinkel

tige Ricken in der Leineaue leben gefährlich. So erhält Reinhild Muschter von der Region Hannover im Frühjahr immer wieder Meldungen und Fotos von Tieren, die von Hunden gerissen wurden. »Die Leinenpflicht für Hunde ist in der Leineaue eigentlich ganzjährig gültig, doch bei Hundehaltern gibt es teilweise wenig Einsicht«, sagt Muschter. Auch wer als vermeintlicher Tierfreund Füchse oder Waschbären anfüttert, tut sich und seinen Nachbarn keinen Gefallen. »Man muss den Tieren mit Respekt und Vernunft begegnen«, sagt Wildtierbiologe Strauß. Füchse oder Waschbären mögen niedlich aussehen und zum Füttern verleiten, doch sind sie immer noch Wildtiere. So seien Füchse im Umland Hannovers immer häufiger vom für den Menschen gefährlichen Fuchsbandwurm befallen, warnt Strauß. Waschbären könnten Spulwürmer auf Haustiere übertragen.

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Foto: Picture-Alliance/blickwinkel

Sie sind unter uns Ratten und ihr paradiesisches Leben im Untergrund. Nach der Party wird aufgeräumt: der übriggebliebene Nudelsalat im Klo heruntergespült – aus den Augen, aus dem Sinn. Einige Meter unter der Erde freut sich eine Rattengroßfamilie über den willkommenen Segen von oben. Kanalratten lassen nichts umkommen. Sie sind Allesfresser und gute Futterverwerter. Gut genährt können sie sich rasant vermehren: Ein Wanderrattenweibchen kann es in zwölf Wochen auf 100 Nachkommen bringen. Seit Jahrhunderten begleiten Ratten und Mäuse den Menschen, und seitdem ist ihr Ekelfaktor mindestens so hoch wie bei Spinnen und Schlangen. Unappetitlich sind Ratten vielen Menschen vor allem wegen ihrer Lebensweise, die sie zu Krankheitsüberträgern

macht. Wanderratten (Rattus norvegicus) leben in der Kanalisation und auf Mülldeponien. »Schätzungsweise eine Viertelmillion Euro in jedem Jahr lässt sich die Stadtentwässerung die Rattenbekämpfung in ihrem 2500 Kilometer umfassenden Kanalnetz kosten«, berichtet Alexander Behrens von der Stadtentwässerung Hannover. Oft beobachten nächtliche Hundespaziergänger eine Ratte auf der Straße oder auf einem Grundstück und melden sie der Behörde. »Da gilt die Faustregel: ›Wenn man eine Ratte sieht, ist im Umkreis von 50 Metern ein Nest‹.« Ratten tummeln sich auch dort, wo sie nicht direkt vermutet werden: »Wer Enten füttert, mästet damit oftmals viel mehr die Ratten«, warnt Behrens. Nehmen die Ratten dann


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überhand, verdrängen sie nämlich die bodenbrü- Aus Rattensicht ist die Kanalisation eine tolle Erfintenden Enten. dung: Man sitzt trocken und vor Katzenangriffen Früher wurden ausgeklügelte Fallen konstru- geschützt und bekommt das Essen frei Haus gelieiert und Terrier gezüchtet, oder es wurde Arsen, mit fert. »Bei der in Deutschland üblichen SchwemmZucker vermischt, auf Dachböden deponiert. Die kanalisation bleiben die Lebensmittel länger für die Menschen fingen eine Ratte lebend und quälten Ratten zugänglich. Auf den Bermen, den Absätzen sie in der Falle mit spitzen Stöckchen, bis sie einen im Schacht zu den Kanalnetzen, sitzen die Tiere Schrei ausstießen, der alle Artgenossen im Umkreis wie an einem Rattenbüffet«, erklärt Behrens. »Rund die Flucht ergreifen ließ. Anfangs waren es die Ver- 3.500 Tonnen bleiben jährlich in den Rechen der wandten der heutigen Kanalbewohner, die als Nah- Kläranlage hängen, neben Papier und Plastikabfall rungskonkurrenten verhasst waren: In Kornspei- auch ganze Gurken, Würstchen und Tomaten.« chern und auf Dachbösen fanden die Hausratten Der von der Party übriggebliebene Nudelsalat wird (Rattus rattus) einen idealen Lebensraum vor. Sie vorsichtshalber von einem Vorkoster, gewöhnlich waren geschickte Kletterer und intelligent, so dass sie sich der Verfolgung durch ihre Nahrungskonkurrenten leicht entziehen konnten. Heute sind die Vertreter dieser Gattung, die sehr viel kleiner als die Wanderratten sind, in Niedersachsen vom Aussterben bedroht.

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Krankheitsüberträger Die im frühen 13. Jahrhundert durch Handelsschiffe von Südostasien nach Europa eingeschleppten Hausratten – die auch Dachratten oder Schwarze Ratten genannt wurden – machten sich nicht nur über die Vorräte der Menschen her, sondern sie verunreinigten sie auch und sorgten zusammen mit dem Rattenfloh für die zügige Verbreitung der tödlichen Pest in Europa. Doch Ende des 18. Jahrhunderts war ihre Zeit gekommen: In dem Buch »Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgerrsson mit den Wildgänsen« von Selma Lagerlöf wird beschrieben, wie Rattus norvegicus, die Wanderratte mit ihrer eher unterirdischen Lebensweise die Kletterkünstler überwältigt. Ihre bevorzugten Territorien sind Kellerräume, die Kanalisation und Müllhalden. Damit werden sie zu idealen Krankheitsüberträgern. In einem Faltblatte der Region Hannover »Hilfe! Ratten« wird auf die Gefahr von Salmonelleninfektionen, Leptospirose und Toxoplasmose hingewiesen. Eine Ansteckung der Bevölkerung ist zwar bislang noch nicht nachgewiesen worden, doch die Mitarbeiter der Stadtentwässerung müssen strenge Hygienevorschriften beachten, um sich vor der »Kanal­ arbeiterkrankheit«, der durch Bakterien im Ratten­ urin ausgelösten Weilschen Krankheit, der Lepto­spirose, zu schützen. Als hervorragende Schnüffler markieren Ratten ihre Laufwege mit ihrem Urin, sind aber gegen viele Krankheitserreger immun.

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Foto: Picture-Alliance/AP Photo

einem jüngeren Männchen, getestet und reicht für die ganze Sippe. Bleibt der Nahrungsnachschub aus, kann es durchaus vorkommen, dass ein Mitglied der Familie wagemutig nachsehen kommt, ob an der Quelle solcher Genüsse nicht noch mehr

»Wenn man eine Ratte sieht, ist im Umkreis von 50 Metern ein Nest«: Eine ganze Rattenfamilie freut sich über weggeworfene Lebensmittel.

zu holen ist. So gelangen die Ratten sogar bis in den dritten Stock eines Mehrfamilienhauses. Außer der Maßnahme, keine Essensreste in der Toilette, sondern im Hausmüll zu entsorgen und keine Pommes oder Pizzareste auf der Straße liegen zu lassen, empfiehlt Behrens, keine eiweißhaltigen Essensreste auf den Komposthaufen zu werfen, denn Ratten sind ganz wild auf Fleisch, Fisch, Eier, Käse – und außerdem auf Süßes. Gift dagegen ist nur bedingt wirksam. »Gegen das lange Zeit erfolgreich verwendete Warfarin, ein Mittel, das die Blutgerinnung verhindert, sind die Tiere mittlerweile immun geworden, und andere Gifte dürfen nur professionelle Schädlingsbekämpfer einsetzen«, erklärt der Erxperte. Haus- und Grundstücksbesitzer sind gesetzlich verpflichtet, gegen Ratten vorzugehen. »Die Profis wissen, ebenso wie unsere Mitarbeiter, wie die Giftköder ausgelegt und gesichert werden müssen, damit Kinder und Haustiere nicht gefährdet werden.« Vorerst genügt es aber auch, den übriggebliebenen Nudelsalat noch einen Tag in den Kühlschrank zu stellen – vielleicht findet sich ja noch ein menschlicher Abnehmer. Sabine Szameitat

Die Ratte in der Forschung Ihre Nähe zum Menschen hat der Ratte viel Leid gebracht: Im 19. Jahrhundert entdeckten Wissenschaftler, dass sich die zahmen Albino-Nachkommen der Wanderratte als Versuchstiere eigneten. Wenngleich die Zahlen kontinuierlich leicht zurückgehen, sind 2014 in Deutschland nach Information des Vereins Ärzte gegen Tierversuche 362.530 Laborratten getötet worden. »Ratten sind wegen ihrer sagenhaften Reproduktionsrate, ihrem meist freundlichen Wesen und ihrer handlichen Größe beliebte Testtiere«, sagt Professor Michael Fehr von der Klinik für Heimtiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover. »Sie sind an den Menschen gewöhnt, lassen sich einfach ernähren und trinken nicht so viel wie beispielsweise Kaninchen.« Die Anfälligkeit für Krebs sei den Farbratten entgegen der Vermutung von Tierfreunden nicht extra angezüchtet worden. »Rattenweibchen haben Milchdrüsengewebe überall am Körper, das zu Tumoren entarten kann«, betont Michael Fehr. Viele Laborratten mussten Arzneimittel und Kosmetika am eigenen Leib testen. Doch bei der Beobachtung der intelligenten Tiere entdeckten Wissenschaftler auch ganz andere Fähigkeiten: An der University of Minnesota in Minneapolis demonstrierten Ratten, dass sie ihre Entscheidungen reflektieren und falsche Entscheidungen bereuen können. Sogar als Lebensretter betätigen sich die vielfach so verhassten Tiere: In Kambodscha erschnüffeln »HeroRats«, speziell ausgebildete Riesenhamsterratten, Landminen. In Afrika diagnostizieren sie mit ihrer feinen Nase Tuberkulose. Ihr hoch entwickeltes Sozialleben ist schon länger bekannt. Forscher der japanischen Kwansei Gakuin University fanden sogar heraus, dass Ratten einen Artgenossen vor dem Ertrinken retten und dafür auf Futter verzichten. Ratten lieben Körperkontakt und leben gern bei »ihrem« Menschen, den sie sehr wohl von anderen unterscheiden können. Sie können trösten und haben nach Ansicht von Professor Jaak Panksepp von der Universität Ohio sogar Humor. Der Psychologe und Neurobiologe erforscht den Zusammenhang von Spiel und sozialem Erfolg und hat das Lachen der Ratten für Menschen hörbar gemacht.


Zur September-Ausgabe 2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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Umdenken erforderlich!

Wieder einmal ist euch eine wunderbar informative Ausgabe gelungen. Ich gehöre der Generation an, in der PolitikerInnen noch Visionen hatten (und nicht zum Arzt gingen, wie Helmut Schmidt ihnen geraten hatte) über die Gestaltung von Europa oder die Umsetzung des Menschenrechts auf eine gute Wohnung. Wann endlich gibt es ein Umdenken in der Wohnungsfrage, für das Ulrich Matthias einen Anstoß gegeben hat. Vielleicht nach der Kommunalwahl? Karin Dronsch, Hannover MOGELPACKUNG

Sozialer Wohnungsbau in Hannover nur angetäuscht

SYSTEMFEHLER

Niedersachsen gehen die Grundschulleiter aus

STANDPAUKE

Varoufakis rechnet ab mit Brüssel und Berlin

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Briefe an uns

Raumes wieder gefahrlos nutzen. »Es geht nicht darum, Menschen zu vertreiben. Der Platz bietet aber viel mehr Möglichkeiten. Das werden wir ausloten«, kündigte OB Schostok an. Bei den Plänen für einen neuen Weißekreuzplatz sollen auch Anwohner ein Wort mitreden dürfen. »Zudem brauchen wir Anlaufstellen für Trinker, möglicherweise einen eigenen Trinkertreff«, sagte der stellvertretende Bezirksbürgermeister Norbert Gast (Grüne). Dem ist zuzustimmen. Und abzuwarten, ob und wie die Politik nun handelt, um die Bedürfnisse möglichst aller Beteiligten zu berücksichtigen. Norbert Wertheim, Hannover

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Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen.

Zum »Angespitzt« in der September-Ausgabe

Warum denn nicht? »Gestrandete, die hier auf einigen der schönen Bänke der Tristesse des eigenen Lebens zu entfliehen suchen« – so wurden in dem Artikel die Trinker bezeichnet, die sich seit geraumer Zeit auf dem »Städtischen Platz« aufhalten. Gemeint ist wohl der Weißekreuzplatz in Hannover? Und dann wird angespitzt vermutet, dass der dort geplante Kinderspielplatz wohl Teil einer Kampagne namens »Kinder gegen Trinker« sei. Die Kinder sollten dann den Trinkern mit ihrer Lebensfreude den Fokus auf die eigene Tristesse vergällen. Na ja, wenn man den Anwohnern und Geschäftsleuten glauben darf, ist es wohl ein wenig mehr als nur Tristesse: Das Gebrüll sei kaum zu ertragen, Randale und Schlägereien auch vor den Geschäften, Austausch von Intimitäten, Tetrapacks mit Alkoholika bereits am Vormittag etc. »Die Trinkergruppe verschließt sich der Sozialarbeit«, sagt der zuständige Sozialarbeiter. Und die Polizei: »Wir sprechen auch Platzverweise aus, aber nach ein bis zwei Stunden sind die Leute wieder da«. Ist es daher, neben der vermuteten »Kampagne Kinder gegen Trinker«, nicht auch so, dass nach einem Weg gesucht wird, um den Platz für Kinder und Familien wieder sicherer zu machen? Durch den Vorschlag der Anwohner, auf dem Areal einen Spielplatz anzulegen, könnte ein Alkoholverbot durchgesetzt werden und Familien könnten einen Teil des öffentlichen

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a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen. Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475


wer war eigentlich …

… Elsa Brändström? Foto: Wikimedia Commons/Bundesarchiv, Bild 183-R06836/CC-BY-SA 3.0

»Von den Eiszapfen an der Decke Kriegsgefangenen bis an ihre Grentropfte das Wasser. Kranke und zen: Sie überstand eine Flecktyphus­ Gesunde lagen so dicht beieininfektion und entging nach der Oktoander, dass man in den Gängen berrevolution 1917 nur knapp der über ihre Körper steigen musste.« Erschießung. Erst 1920 kehrte sie In ihren Tagebüchern und ihrem nach Schweden zurück, als die RückBuch »Unter den Kriegsgefangenen kehr der Kriegsgefangenen geregelt in Russland und Sibirien« berichwar. tet die Schwedin Elsa Brändström Ihr Engagement war damit nicht von den unvorstellbaren Zuständen beendet. »Hilfe zur Selbsthilfe« in den Gefangenenlagern des Erswar für Elsa Brändström ein wichten Weltkrieges. Fleckfieber, Typhus, tiges Prinzip. In Deutschland richErfrierungen, Durchfall und ­Hunger tete sie zum Beispiel zwei Sanatowaren hier an der Tagesordnung. rien ein, in denen traumatisierte Und mittendrin die junge SchweKriegsheimkehrer bei einfacher Gardin, geboren 1888 in St. Petersburg, ten- und Feldarbeit wieder in ein Tochter eines schwedischen Diplonormales Leben zurückfinden sollmaten. »Engel von Sibirien« nannten. In einem Kinderheim in Sachten die überwiegend deutschen und sen nahm sie Kriegswaisen auf, fast österreichischen Gefangenen Elsa 3.000 bedürftige Kinder kamen bis Brändström. Viele junge Damen aus zur Schließung 1931 zur Erholung St. Petersburg ließen sich zu Beginn des Krieges in Kurz- hierher. Um alles zu finanzieren, schrieb Brändström das Buch programmen zu Krankenschwestern ausbilden, um in den über ihre Erfahrungen in den Gefangenenlagern und samLazaretten »die Kissen aufzuschütteln, den Ver w unde- melte bei monatelangen Vortragsreisen in die USA und nach ten die Stirn zu trocknen und ihr Haar zu kämmen«, wie Schweden insgesamt 100.000 Dollar ein. Brändström schrieb. Sie selbst hingegen wollte nicht die Elsa Brändström wurde als Heldin gefeiert. Mehrere Uni»Parodie einer Krankenschwester« geben. Ihre Mutter war versitäten ehrten sie mit Doktortiteln, zwischen 1922 und kurz zuvor gestorben und Elsa hatte bereits an der Seite ihres 1929 wurde sie fünfmal für den Friedensnobelpreis nomiVaters repräsentative und organisatorische Aufgaben für die niert. Auch Adolf Hitler schlug ein Treffen vor, das Brändström schwedische Botschaft übernommen. Ab 1915 reiste die 27-Jäh- aber ablehnte. Mit dem Nationalsozialismus konnte sie nichts anfangen. Zusammen mit ihrem Mann, dem Dresdner Päd­ agogik-Professor Robert Ulich, und ihrer zweijährigen Tochter Der Engel von Sibirien Brita emigrierte Brändström 1934 in die USA. Auch hier schlug ihr Herz weiter für die Bedürftigen: Brändström gründete ein rige mit dem Schwedischen Roten Kreuz und auch privat quer Restaurant, das Flüchtlingen aus Europa erste Orientierung durch Russland bis in die sibirischen Lager. Den Lagerkom- und Arbeitsplätze bot. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs mandanten trat sie mutig entgegen, um die Lage der Gefange- sammelte sie Kleidung für notleidende Kinder, die sie in Holzkisten verpackt nach Deutschland schickte. Daraus entstanden nen zu verbessern. Mit Erfolg: Die medizinische Versorgung besserte sich die Hilfsorganisationen Care und Cralog. Geplante Hilfsaktio­ langsam, Hilfslieferungen erreichten ihr Ziel, die Gefange- nen im zerstörten Nachkriegsdeutschland konnte sie aber nen schöpften neuen Mut. »Il faut payer de sa personne« lau- nicht mehr umsetzen: Elsa Brändström war an Krebs erkrankt. tete zeitlebens Brändströms Motto: »Man muss sich mit seiner Sie starb 1948 kurz vor ihrem 60. Geburtstag. ganzen Person einsetzen«. So ging sie in ihrem Einsatz für die Eva Maria Mentzel


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Zukunft Am Hindukusch? Das Auswärtige Amt warnt vor der Terrorgefahr in Afghanistan. Gleichzeitig will die Bundesregierung die Afghanen mit einer Werbekampagne animieren, in der Heimat zu bleiben. Ein Reisebericht aus einem Land zwischen Furcht und Ungewissheit. Vor der Dämmerung, so gegen sechs, wenn sich die Sonnenstrahlen auf den Rasen hinter der Blauen Moschee legen wie ein zartes Tuch aus gelber Seide, wenn es aussieht, als hätte Gott oder Allah flüssiges Gold langsam auf die Erde gegossen – dann steht die Zeit still in Mazar-i-Sharif. Die Rufe des Muezzins werden leiser, und die Kuppeln der Moschee glänzen, als hätte sie ein Maler gerade eben mit nasser Ölfarbe bepinselt. Wie ein unsichtbarer, magischer Schleier liegt Abend für Abend der Frieden über der Blauen Moschee in Mazar. Er berührt so tief, weil Glücksmomente so selten sind in diesem Land, in dem die Angst vor dem Tod omnipräsent ist, in dem

man keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen darf, Menschenmengen meiden muss, und in dem man beim Betreten eines Restaurants von Wachmännern am ganzen Körper nach Waffen abgetastet wird. »Willkommen«, sagt der Mann am Eingang der Moschee. Er gibt jedem Besucher einen Zettel. Beim Verlassen der Moschee bekommt der Gast damit seine Schuhe zurück, die der Mann beim Eintritt in wabenförmigen Regalen stapelt. Probleme mit den Taliban gäbe es hier selten, sagt er. Die Afghanen glauben, dass die Blaue Moschee sie vor dem Terror bewahrt. Beim Mausoleum in Mazar soll es sich um die Begräbnisstätte von Ali ibn Abi Talib handeln, er war


»Resolute Support« in Afghanistan bleiben. Die Bundeswehr stockt ihre Truppe sogar von 850 auf bis zu 980 Soldaten wieder auf. Das Hauptziel war nie der Krieg gegen die Taliban, deutsche Soldaten sollen ihre afghanischen Kollegen ausbilden. Dass ein Taliban-Kämpfer viel mehr verdient als ein Soldat von Ashraf Ghanis Armee, und dass viele Leute aus reiner Not zu den Islamisten überlaufen – darüber denkt scheinbar niemand nach. Um Kundus toben bis heute noch Kämpfe. Vorübergehend konnten die Taliban sogar die Stadt Kundus wieder unter ihre Kontrolle bringen. Auch in Kabul häufen sich Attentate. Nach einem großen Anschlag vor zwei Jahren kam es zuletzt vor ein paar Monaten zu Demonstrationen, nach einem neuen brutalen Mord von Islamisten. Mehrere tausend Menschen waren auf den Straßen. Fast keiner der Hauptstädter hat noch Vertrauen in die eigene Regierung. Eine Zukunft? Sicherheit? Die wenigsten glauben daran.

Die blaue Moschee in Mazar-i-Sharif gilt allen Volksgruppen in Afghanistan als heiliger Ort.

Die Bundesrepublik sieht das anders. Darum hat sie Geld in eine zweischneider Schwiegersohn Mohammeds. Vermutlich stimmt diese dige Angelegenheit investiert – nicht in Legende zwar nicht, sondern die Gebeine des Propheten Zara- die so genannte zivile Hilfe, sondern in thustra liegen hier, aber alle Volksgruppen glauben an die eine Werbekampagne. »Afghanistan verÜberlieferung. Kein Aufständischer würde es wagen, diesen lassen? Sind Sie sich sicher?« Das steht auf Plakaten, die an breiten Straßen in heiligen Ort mit Bomben zu entweihen. Ein paar Kilometer weiter ist von der einmaligen Atmo- Kabul, Herat und Mazar hängen. Links sphäre nichts mehr zu spüren. Am Fuße des Hindukusch liegt unten auf den Tafeln steht der Hashtag das Camp Marmal. Das Quartier der Bundeswehr. Früher gab #rumoursaboutgermany – und ein Hines auf dem 300 Hektar großen Areal – zwischen Wohncontai- weis auf eine Facebook-Seite, auf der das nern und Zelten – ein Fitnesstudio, Bars, Beachvolleyball- Auswärtige Amt versucht, den AfghaFelder, einen Frisör, einen Lebensmittelladen und einen nen zu erklären, dass sie in DeutschMassagesalon für die bis zu 6.000 Soldaten. Nach dem Abzug land keine »Bleibeperspektive« haben. In vieler Einsatzkräfte wurden die Schotterfelder zwischen den Videoclips und TV-Spots erzählen junge Bretterbuden größer. Die Taliban ermutigte die Leere offenbar Leute im Auftrag der deutschen Regiezu einem Angriff: Am 24. April 2015, gegen 5.52 Uhr mitteleu- rung, warum sie in Afghanistan bleiben. ropäischer Sommerzeit, wurde der Flugplatz des Lagers – ver- Eine Frau sagt, sie wolle Ärztin werden. Kinder schwärmen von ihrer schönen mutlich mit einer Rakete – beschossen. Ende 2015 beschloss die NATO, den geplanten Truppen- Heimat, im Hintergrund läuft romantiabzug wieder zu stoppen. Verteidigungsministerin Ursula sche Musik. In den Straßen von Kabul ist es stauvon der Leyen bezeichnete den geplanten Rückzug als Fehler. Jetzt sollen 12.000 Soldaten für den Ausbildungseinsatz big, laut und heiß. Von dem Idyll, das die


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Kinder beschwören, sieht man nichts. Viele Läden Auf einem Platz in der Mitte des Dorfs haben sich haben geschlossen. Wer Salat und Gemüse einkau- um die vierzig Männer aus der Umgebung versamfen will, geht jetzt schnell zu den Ständen auf der melt. Die Menschen hier sind sehr gastfreundlich Straße und meidet Supermärkte, die noch vor ein und neugierig. Aber sie interessieren sich nicht für paar Jahren als Zeichen eines bescheidenen Wohl- ihre Regierung, über Jahrzehnte waren Stammestands galten. »Uns behandeln die fremden Trup- sobere ihre Befehlshaber. Die Straße, die hier noch pen doch wie Tiere«, regt sich ein Bäcker auf. Er sagt, im Jahr 2010 von deutschen Ingenieuren ausgebaut dass er kein Geld für Schlepper habe, sonst wäre er wurde und die zu einem Basar führte, können die längst geflohen. Im Jahr 2015 kamen rund 200.000 Männer heute nicht mehr regelmäßig benutzen, zu Afghanen in die EU, 80.000 mussten bislang wie- groß ist die Gefahr von Überfällen und Entführunder zurückkehren. Bis Ende August wurden im lau- gen mittlerweile. Ein Mann fragt, wie das Leben in Deutschland fenden Kalenderjahr rund 101.000 Asylanträge von afghanischen Schutz­s uchenden registriert. Viele sei. Ob es bei uns auch Morde gebe. Immer wieder davon waren noch 2015 eingereist. Die Anerken- verschwinden Jungen, sagt er, die Taliban rekrunungsquote für Asylbewerber aus Afghanistan liegt tieren sie. Sie bringen Zwölfjährigen bei, wie man in Deutschland bei 44,9 Prozent. Mehr als die Hälfte schießt, Sprengsätze bastelt und schicken sie dann, vollgepumpt mit Heroin, in Schlachten gegen ihre der Anträge wird also abgelehnt. Statt den Flüchtlingen in Deutschland zu hel- eigenen Verwandten. In den Filmchen der Bundesregierung ist davon fen, oder wenigstens vor Ort die Zivilgesellschaft zu stärken, pumpt die Bundesregierung weiter Geld nicht die Rede. »Ich liebe Afghanistan und möchte in fragwürdige Projekte, zum Beispiel in Theater- meinen Teil beitragen. Lasst uns den Wandel vorkurse für Mädchen, die das Bundesministerium für antreiben«, sagt eine junge Frau in einem Clip. Der wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Wandel, er ist im Moment ein Rückfall. Eine bessere gefördert hat. Auch die Korruption hat sich durch Zukunft ist am Hindukusch nicht in Sicht. Vielleicht die zivile Hilfe verstärkt. Um überhaupt etwas könnte sie gelingen, wenn man die Flüchtlinge, die aufbauen zu können, versickerte viel Geld in den schon in Deutschland sind, in Schulen und auf UniTaschen von Warlords, deren Schutz sich die Helfer versitäten gehen lassen würde, bevor man sie wieder in den Flieger nach Kabul setzt. erkaufen mussten. Der zwölf Jahre dauernde Einsatz der Bundes- Text und Fotos: Isa Hoffinger wehr hat nicht viel gebracht. Gekostet hat er 8,8 Milliarden Euro. Das geht aus einer vertraulichen Aufstellung des Verteidigungsministeriums hervor. Im Zuge des Endes des ISAF-Einsatzes wurde Material im Wert von rund 28 Millionen Euro verkauft, verschrottet oder an die afghanischen Streitkräfte und an Behörden oder Hilfsorganisationen verschenkt. In dieser Summe enthalten ist auch Gerät im Wert von vier Millionen Euro, das aus Sicherheitsgründen komplett zerstört wurde. Und das jetzt, wo der Einsatz verlängert werden soll, vielleicht wieder gebraucht werden wird. Wir fahren durch die Provinz Badachschan. Im Schritttempo schaukelt unser Jeep über metertiefe Erdspalten. Immer weiter schraubt sich die schmale Schotterpiste ins Gebirge hinauf, vorbei an sandfarbenen Hügeln, die so weich ineinanderfließen wie Dünen und an deren Hängen Dörfer kleben wie Schwalbennester. Rund um den Ort Fargambol gibt es kaum fruchtbare Böden, nur Steppen, auf denen Schafherden der Nomaden weiden.

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In Fargambol, in der Provinz Badachschan haben sich die Männer des Dorfes versammelt. Sie interessieren sich nicht für die Regierung.


Armut. Macht. Flucht. Ungleichheit ist das Thema auf der Fachtagung der Landesarmutskonferenz.

Foto: U. Matthias

Weit sollte der Blick gehen, nicht nur über den eigenen Tellerrand, sondern auch über den Horizont hinaus. Das versprach die Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK), die ihre diesjährige Fachtagung am 17. Oktober, dem Weltarmuttag durchführte. Gleich zu Beginn nahm Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung aus Berlin die globale

Diskutierten über Spielräume der Sozialpolitik (v. l. n. r.): Renate Geuter, Reinhold Hilbers, Lars Niggemeyer, Matthias Günther und Moderator Torben Hildebrandt.

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Perspektive ein, als er sich in seinem Vortrag dem Tagungsmotto widmete. Armut und Ungleichheit als Auslöser von Migrationsbewegungen seien beispielsweise auch eine Folge von Freihandelsabkommen, die weltweit das Recht des Stärkeren durchsetzten. Wenn in Westafrika die Landwirtschaft kollabiere, weil

die Märkte zu 80 Prozent von subventionierten EU-Importen beherrscht würden, löse dies eine Landflucht aus, die am Ende auch die Migrations­bewegungen nach Europa verstärke. Aber auch in den Industrieländern nehme die Ungleichheit zu. Die Sorgen vieler Menschen, durch die vermehrte Zuwanderung weiter ins soziale Abseits zu rutschen, sollte auch die Zivilgesellschaft ernst nehmen. »Wir müssen wieder über das Fressen reden, nicht nur über die Moral«, sagte Maier. Man dürfe den Rechtspopulisten nicht einfach das Feld überlassen. In einer gemeinsamen Erklärung griff die LAK diesen Gedanken auf und beklagte den sozialen Kahlschlag der vergangenen Jahre, während Steuern auf große Vermögen und hohe Einkommen gesenkt wurden. »Die Spaltung verläuft aber nicht zwischen Flüchtlingen und Einheimischen, sie verläuft zwischen Arm und Reich«, heißt es darin. Gefordert wird u. a. die Regulierung des Arbeitsmarktes, um prekäre Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen, die Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes in den Bereichen Erziehung, Pflege, Bildung, Gesundheit und Kultur, bezahlbarer Wohnraum für alle und verbesserte Gesundheitsleistungen auch für Flüchtlinge. Abschließend wurde in einer Podiumsdiskussion mit Vertretern von SPD und CDU über die Umsetzung dieser Vorhaben diskutiert. Dabei krankte die Debatte vor allem an den wenig konkreten Sachaussagen der Politiker. Kein Wunder, denn Renate Geuter und Reinhold Hilbers (beide MdL) sind nicht die sozial-, sondern die finanzpolitischen Sprecher ihrer Parteien. Der Blick über den eigenen Tellerrand, hier wurde er versucht und endete im Nirgendwo. Haushaltsmittel für soziale Zwecke seien nicht ausreichend verfügbar, weil sie keine Priorität genießen und deshalb nicht eingeplant wurden. Das ahnte man auch vorher schon. Wie es in anderer Besetzung vielleicht hätte funktionieren können, deutete Matthias Günther vom Eduard Pestel Institut aus Hannover an. Er wies darauf hin, dass es nicht um die Frage gehe, was bezahlbar sei, denn Geld sei genug vorhanden. Stattdessen warf er die Frage auf: »Wie gehen wir in diesem Land verteilungspolitisch mit Reichtum um?« Genau diese Frage kann man aber nicht der Finanzpolitik überlassen. Veranstaltet wurde die L AK u.a. von Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, Flüchtlingsrat, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Sozialverband Deutschland, Verband Entwicklungspolitik, Ver.di und VHS. Ulrich Matthias


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Foto: Ralph Peters/Picture Alliance

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Im Bann der Hassprediger Radikaler Salafismus bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nimmt zu. Ursachen und Folgen des deutschen Islamismus am Beispiel von Safia S. Safia S. ist gerade mal 15, als sie im Februar dieses Jahres am Hauptbahnhof einen Polizisten mit einem Messer angreift. Im August erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage: versuchter Mord. Ihr Motiv bestünde darin, eine Märtyrerin zu werden, die Tat eine »Überraschung für die Ungläubigen«, basierend auf der Ideologie eines extremen Salafismus. Entsetzen in den Medien, ein 15-jähriges Mädchen als radikale Salafistin? Safia S.’ Mutter, aus Marokko stammend, ist strenggläubige Muslimin, ihr deutscher Vater ist zum Islam konvertiert. Das

Mädchen wächst mit der Religion auf. Streng gläubig, ansonsten als schüchternes, nettes Mädchen bekannt. Safia ist in Hannover geboren und geht auf das Gymnasium. Sie ist eine gute, unauffällige Schülerin. Als sie im Januar 2016 aber ihren beiden älteren Brüdern in die Türkei hinterherreist, womöglich um sich mit ihnen der Terrormiliz »Islamischer Staat (IS)« anzuschließen, ist ihre Mutter alarmiert. Sie hatte ihre Tochter zunächst bei der Polizei vermisst gemeldet, einen möglichen salafistischen Hintergrund


Foto: Uli Deck/Picture Alliance/dpa

Der Salafistenprediger Pierre Vogel – hier auf einer Kundgebung in Pforzheim – gilt als einer der gefährlichsten Islamisten in Deutschland.

der Reise bereits vermutet. Schließlich reiste sie ihr Wie kommt es aber zu diesen Radikalisierungen hinterher. Am Flughafen nehmen Polizisten Safia S. und welche Ursachen tragen sie? Ahmad Mansour, ihr Handy ab. Sie sei nur aus touristischen Gründen Psychologe und Autor hat darauf klare Antworten. in der Türkei gewesen, wird ihr nicht geglaubt. Zu Als junger Palästinenser in Israel neigte er selbst belastend sind die Nachrichten ihrer Chatverläufe zum radikalen Salafismus, konnte sich aber rechtauf dem Smartphone. Auch informiert der Schul- zeitig von dieser Ideologie lösen. Heute lebt er in direktor von Safia S. den Verfassungsschutz über Deutschland und gilt als einer der bekanntesten die Reise seiner Schülerin. Trotzdem bleibt sie wei- Islamismus-Experten. ter unbeobachtet und kann vier Wochen nach ihrer Reise einen Polizisten mit einem Gemüsemesser Radikalisierung als Prozess lebensbedrohlich verletzen. Niemand mag nachvollziehen, weshalb sich das »Wir müssen lernen, Radikalisierung als ProMädchen innerhalb kurzer Zeit so radikalisieren zess zu verstehen«, sagt er. »Das beginnt unsichtkonnte, dass sie sich dem IS anschließen und mögli- bar und schon dort, wo demokratische Werte in cherweise im Namen ihrer Religion töten wollte. Frage gestellt werden«. Die Ursachen müsse man auf drei verschiedenen Ebenen betrachten: Von der psychologischen Ebene her trüge die Familie Zahlen und Fakten einen wichtigen Teil zu einer möglichen RadikaliSalafismus bezeichnet zunächst eine ultrakonser- sierung bei. Gewalterfahrungen, emotionale Vervative Strömung innerhalb des Islams. Die Besin- nachlässigung, Bindungsprobleme und fehlende nung auf die Altvorderen. Die wortgetreue Aus­ Vaterfiguren verunsicherten die Jugendlichen. legung von Koran und Sunna bildet die alleinige Dazu komme die ideologische Ebene. Die JugendGrundlage. Viele setzen den Begriff mit den Moti- lichen seien anfällig für den Wunsch nach klarer ven des Islamischen Staates gleich. Dabei muss Hierarchie, Halt, und einfachen Opfer- und Feindjedoch zwischen puristischem, politischem und bildern. Mit den paradiesischen, naiven Vorstellunjihadistischem Salafismus unterschieden werden. gen und autoritären Strukturen würde die Ideologie Der puristische bezieht sich auf die Regelung des radikalen Salafismus zum idealen Familienerprivater Lebensbereiche, während nur der politi- satz. Auf soziologischer Ebene komme Anerkensche Salafismus antidemokratisch agiert und das nung und Identität innerhalb der Gemeinschaft Ziel eines eigenen Staates verfolgt. Die Umsetzung hinzu. soll gewaltfrei erfolgen. Erst der jihadistische Safia S. lebte ausschließlich bei ihrer Mutter, ihre Salafismus strebt eine globale Revolution unter Eltern hatten sich früh getrennt. Eine fehlende Gewaltanwendung an. Salafismus bewegt sich also Vaterfigur – sie ist Teil ihrer Biografie. Bereits mit von einer konservativen religiösen Strömung bis hin 7 Jahren tritt sie mit dem bekannten Salafistenzu einer gewalttätigen Ideologie. Diese Ideologie Prediger Pierre Vogel im Internet auf. Stolz singt sie aber erfährt in letzter Zeit immer mehr Zuwachs. einige Verse aus dem Koran, erzählt, dass ihre MutIns­besondere Jugendliche und junge Erwachsene ter täglich mit ihr üben würde. radikalisieren sich zum Salafismus, 550 Fälle aus Niedersachsen sind dem Ver fassungsschut z Digitale Sozialarbeit bekannt, bislang sind 75 junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren ausgereist, um in den Reihen »Offensichtlich sind Salafisten die besseren Sozialjihadistischer Organisationen in den Kampf zu zie- arbeiter«, so Mansour. »Sie holen die Jugendlichen hen. Immerhin 24 Prozent davon sind weiblich, ab, wo sie stehen. Vom Fußballplatz, aus der Schule. mehr als 80 Prozent unter 30 Jahre. Die Herkunfts- Sie hören zu, und sie geben klare und einfache Antregionen konzentrieren sich auf Wolfsburg/Braun- worten auf alle Lebensfragen. Wer heute ›Islam‹ und schweig und Göttingen/Hildesheim. Aus dem Groß- ›Sinn des Lebens‹ bei Google eingibt, landet sofort raum Hannover kamen 9 Prozent der Ausgereisten. auf salafistischen Seiten. Was wir brauchen, ist eine Deutschlandweit sind bisher 870 Menschen in den digitale Sozialarbeit, die die Jugendlichen genau Jihad ausgereist. dort anspricht, wo die Angriffsfläche am Größten ist, in den sozialen Netzwerken.«


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Foto: Boris Roessler/Picture Alliance/dpa

Zu dieser digitalen Sozialarbeit sieht nur Europa müsse einen gegenseitigen Erfahrungsaustausch Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Kriminologe ermöglichen, insbesondere die arabischen Länder um Saudiund ehemaliger Justizminister auch die Arabien, Katar und die Emirate müssten in die Diskussion mit Schulen in der Verantwortung. Diese einbezogen werden, so Pfeiffer. sollten Selbstverwirklichung und Identität der Jugendlichen stärken. Er unterEine »Herkulesaufgabe« suchte in einer noch nicht veröffentlichten quantitativen Studie die Faktoren Psychologische Faktoren allein führen noch lange nicht zu »Liebe« und »Gewalt« in Familien und einer salafistischen Radikalisierung Jugendlicher oder junihren Einfluss auf die Variablen »Gewalt- ger Erwachsener. Dazu gehört offenbar eine Zivilgesellschaft, tätigkeit« und »Suizidalität« bei Jugendlichen. Offensichtlich würden Jugendliche, die wenig Liebe und viel Gewalt in der Familie erführen, öfter zu Gewaltanwendung und Suizidalität neigen. Und wer bei diesen Variablen einen hohen Wert habe, sei natürlich eher anfällig für Amokläufe oder radikale Ideologien, die mit dem Wunsch nach einem möglichen »Märtyrertod« einhergingen. Oberflächlich gleichen die Schlussfolgerungen den Gründen, die Mansour auf der psychologischen Ebene nennt. Außerdem könnten Diskriminierungserfahrungen den Effekt massiv verstärken, so Pfeiffer. Ein Ohnmachtsgefühl entstünde, das für einige in der Radikalisierung münde. Zudem mangele es an Stellungnahmen oder Diskussionen innerhalb der Moscheevereine und Islamischen Verbände. »Die längst fällige Diskussion von Tabuthemen, wie Sexualität, findet nicht statt«, so Pfeiffer. Es entstehe eine Diskrepanz zwischen dem Glauben und dem realen Leben, beispielswiese in Deutschland. Auch Mansour kritisiert die Rolle der Vereine scharf und fordert: »Niemand ist bereit, sich mit dem ganz Wesentlichen auseinanderzusetzen, die Frage zu diskutieren: ›Wie konnte so ein die Diskriminierung und Ausgrenzung zulässt und AngriffsUngeheuer in unserem Namen entste- f lächen schafft. Außerdem eine Ideologie, die Sehnsüchte hen?‹«. Die islamischen Vereine seien ein bedient und innerislamisch nicht diskutiert wird. Man müsse wichtiger Akteur in der Debatte, die ihrer anfangen die Ideologie des Salafismus zu bekämpfen, nicht Rolle momentan nicht gerecht würden. bloß die Organisationsstruktur, sagt Mansour. »Eine HerkuDazu gehörten vor allem der weitere Aus- les-Aufgabe. Die wir jetzt angehen müssen.« tausch der Akteure auf internationaler Der Prozess von Safia S. hat am 20. Oktober begonnen, ein Ebene. Zu wenig würden sich beispiels- Urteil wird frühestens im Januar 2017 erwartet. weise Beratungsstellen und Verbände Lara Gildehaus vernetzen. Dabei sei die Internationalität der Debatte mehr als deutlich. Nicht

Kinder auf einer Kundgebung des Salafisten Pierre Vogel in Frankfurt.


Aus der Szene

Kunst am (Sozial-) Bau Hannover. Street Art trifft Sozialwohnraum. Das Haus an der Hamburger Allee, Ecke Celler Straße ist jetzt ein wahrer Hingucker. Die Fassade wurde von ParizOne und MrDheo aus Portugal gestaltet, zwei weltweit bekannten Graffitikünstlern. An die Leine gelockt wurden sie von der Künstlerin Mansha Friedrich, die ihre ersten Graffitis in den 1980er Jahren in Hannover sprühte. Seitdem hat sich viel getan, Street Art erfreut sich heute durchaus einiger Wertschätzung. Dafür ist sie auch nicht mehr umsonst zu haben. Ohne das Engagement der Firma Gundlach wäre das Projekt daher nicht möglich gewesen. Allerdings ist dieses Haus auch kein x-beliebiges aus dem Portfolio des Unternehmens: Vor 25 Jahren wurde es als erstes Objekt der Sozialen Wohnraumhilfe (SWH) für die Vermittlung an Wohnungslose zur Verfügung gestellt. Seither hat sich eine Kooperation zwischen SWH und Gundlach entwickelt, die sich sehen lassen kann. Nun auch in mehrfacher Hinsicht. UM

Kein Obdach im Winter Hannover. Die kalte Jahreszeit beginnt und die Tagestreffs für Wohnungslose müssen schließen. Seit Monaten suchen das DÜK (»Dach über’m Kopf«) und der Nordbahnhof aufgrund gekündigter Mietverträge nach neuen Räumen. Bislang waren alle Appelle vergebens. »Wir suchen dringend 250 bis 300 Quadratmeter«, sagt Petra Tengler von der Selbsthilfe für Wohnungslose (SeWo). Während der Nordbahnhof im Norden Hannovers angesiedelt ist, bietet das DÜK im Innenstadtbereich Aufenthaltsmöglichkeiten für Wohnungslose. Beide Einrichtungen ergänzen sich auch von den Öffnungszeiten her. Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes sieht deshalb ein gut aufgebautes Hilfenetz gefährdet. Vermietern verspricht er »sichere und langjährige Mietverhältnisse«. UM

Foto: U. Matthias

Essensausgabe sucht Ehren­ amtliche Hannover. Im Winter tut eine warme Mahlzeit gut. Von Dezember bis März bietet die ökumenische Essenausgabe des diakonischen Werks und der Caritas ein warmes Mittagessen für Bedürftige an. Montags bis samstags, von 11 bis 13 Uhr, gibt es dort nicht nur ein abwechslungsreiches Menü. Auch Sozialarbeiter stehen bei Fragen oder Problemen für ein persönliches Gespräch zur Verfügung. In den letzten Jahren ist die Nachfrage stark gestiegen. Während im Jahr 2012 etwa 130 Menschen täglich die Möglichkeit nutzten, sind es nun mehr als 200. »Damit wir das Angebot weiterhin halten können, brauchen wir dringend Unterstützung«, erklärt Dagmar Nowak. ­I nteressierte können sich bei ihr unter essenausgabe@zbs.de melden. LG


Wie titelte die Neue Presse am 29. September so schön: »Schröder macht Politik für 96 – Hannovers Großunternehmen sollen sich stärker engagieren«. Da sitzt er nun, der Schröder, in der Loge der Millionäre, und fordert weitere Investitionen für Hannover 96. Durch seine Agenda 2010 wurde den Sozialhilfeempfängern das Kleidergeld (Sommer/Winter) sowie finanzielle Hilfe für die Renovierung der Wohnung gestrichen. Außerdem hat uns Schröders Politik auch noch 100 D-Mark Weihnachtsgeld geraubt. Da stellt sich mir die Frage, ob sich Schröder nicht besser für diejenigen stark machen sollte, denen er alles ­genommen hat, statt populistisch für Hannover 96? Seit Schröders Kanzlerzeit müssen wir jeden Monat von 400 Euro noch etwas zur Seite legen. Wahrscheinlich braucht man nach dessen Logik im Sommer nichts zum Anziehen, da kann gespart werden, um im Winter einen warmen Mantel oder Schuhe kaufen zu können! Bald ist Weihnachten, der Gedanke, dass auch wir schrecklich gern irgendeinem netten Menschen, der das Jahr über freundlich zu uns war, eine kleine Überraschung bereiten würden, liegt dem Schröder sicherlich so fern wie die Sonne der Erde. Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden…

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»Ziemlich geradeheraus« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäufer Martin (62). Martin, du bist vor Kurzem von den anderen Asphalt-Ver- Wovon lebst du? käuferinnen und -Verkäufern zum derzeitigen Verkäufer- Ich lebe von Hartz IV und von Asphalt. Außerdem habe ich sprecher gewählt worden. noch einen kleinen Nebenjob am Bahnhof. Ich habe nicht viel Ich bin eigentlich nicht gern jemand, der von sich aus in die erste Reihe tritt, aber ich bin vorgeschlagen und gewählt worden. Und jetzt bin ich natürlich auch gerne bereit dazu. Allerdings ist es meine Art, oft ziemlich geradeheraus zu sein. Ich weiß, dass ich damit anecken kann. Andererseits weiß so gleich jeder, woran er bei mir ist.

Welche Aufgaben hat der Verkäufersprecher? Ich sehe mich als Bindeglied zwischen Verkäufern und Vertrieb bzw. Mitarbeitern von Asphalt. Aber auch als Vermittler, wenn es mal unter den Verkäuferinnen und Verkäufern Unstimmigkeiten gibt. Da können sie gerne auf mich zukommen.

Du engagierst dich auch in anderen Bereichen. Ja, politisch zum Beispiel. Und wie es sich für ein ­ordentliches CDU-Mitglied gehört, bin ich auch in der Kirche aktiv. Ich war beim Kirchentag und gehöre zur Männergemeinschaft in ­meiner katholischen Gemeinde St. Oliver in Laatzen. Wir machen Ausflüge, Grillfeste, Chorauftritte, Weihnachtsaktionen und so weiter.

Bist du auch christlich aufgewachsen? Ich komme aus einem urkatholischen Elternhaus. Bei uns war sonntags Kirchgang Pflicht. Meine Eltern waren katholisch, meine Brüder sind katholisch und ich auch.

Geld, aber ich jammere nicht.

Wie bist du zu Asphalt gekommen? Ich habe 2008 in der Stadt Asphalt-Verkäufer HaDe kennengelernt. Ich dachte wie viele andere, Asphalt könne nur von Obdachlosen verkauft werden. Aber er hat mir erklärt, dass das nicht stimmt: Hartz IV oder Grundsicherung oder eine vergleichbare Sozialleistung sind die Voraussetzungen. Ich war seit 2007 arbeitslos und hab angefangen Asphalt zu verkaufen, um mir etwas dazu zu verdienen.

Und wie geht es dir damit? Ganz gut. Es hilft mir, nicht jeden Cent umdrehen zu müssen. Ich gebe mein Geld weder für Drogen noch für Alkohol aus – es ist mir wichtig, dass die Leute das wissen!

Wie sah deine berufliche Karriere vorher aus? Ich habe an der Fachhochschule studiert und 1995 mein ­Diplom geschrieben. Ich bin Dokumentar und habe im Archiv­ wesen gearbeitet. Aber das ist ein Job, den heute kaum noch einer bezahlen will. Als Ein-Euro-Job vielleicht, aber nicht mehr als richtige Festanstellung.

Liegt das an der zunehmenden Digitalisierung?

Das würde ich nicht sagen. Wir haben in Niedersachsen ein Archivgesetz. Die Kommunen und die öffentliche Hand sind eigentlich dazu verpflichtet, Archivgut zur Verfügung zu stelWie viele Brüder hast du? Wir waren drei, jetzt sind wir nur noch zwei. 1994 lag ich an len. Aber das Geld wird für andere Dinge ausgegeben. Ich habe meinem 40. Geburtstag mit einem meiner Brüder in der Kli- mich quer durch Deutschland beworben, nicht zu knapp. Ich nik. Ich habe ihm Knochenmark gespendet, aber es hat nichts bin jetzt zwar 62 Jahre alt, würde aber trotzdem ganz gern genützt. Wir mussten ihn beerdigen. Das war und ist ein großer noch in meinem erlernten Beruf arbeiten. Vielleicht auch als Archivar auf Honorarbasis. Wer Unterstützung braucht, soll Verlust für mich. sich bei mir melden!

Wissen die Leute in deiner Kirchengemeinde, dass du Asphalt-Verkäufer bist?

Wie sieht deine private Situation aus?

Ja klar, die finden das gut. Die kaufen teilweise auch das Magazin bei mir, und wir klönen ein bisschen an meinem Verkaufsplatz. Asphalt zu verkaufen ist immer wie ein Spagat für mich: Auf der einen Seite habe ich meine unterschiedlichen sozialen und gesellschaftlichen Kontakte, die ich pflege, auf der anderen Seite zeige ich durch den Asphalt-Verkauf öffentlich, dass ich zu den Armen, zu den ›Bedürftigen‹ gehöre.

Ich war verheiratet, bin seit 2002 geschieden und habe leider keine Kinder. Ich bin auf mich alleine gestellt. Eigentlich würde ich gern mal wieder eine Frau kennenlernen, aber mit Asphalt? Wenn ich die Initiative ergreife und eine Frau zum Kaffee einladen möchte, dann ist sie ganz schnell weg. Obwohl mich sonst immer alle so sympathisch finden! Interview und Foto: Jeanette Kießling


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Asphalt-Verkäufer Martin steht im Hauptbahnhof an den Rolltreppen bei Rossmann, donnerstags auf dem Wochenmarkt an der Lutherkirche und samstags Geibelstraße/Hildesheimer Straße an der Geibel-Apotheke.


Rund um Asphalt

Foto: Hamburg Dungeon

Pilgerfahrt zum Papst

»Sehenswert hoch drei« Insgesamt 22 Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer fuhren am Donnerstag, den 29. September, mit dem Zug nach Hamburg ins Erlebnis-Museum »Dungeon«. Das Dungeon ist ein lebendiges Museum, das die dunkle Stadtgeschichte, wie das große Feuer in der Stadt im Jahre 1842, die Inquistion oder Klaus Störtebekers Verrat und Hinrichtung mit Schauspielern erzählt. Diese Show ist sehenswert hoch drei und mit Bildern und Darstellern fantastisch umgesetzt. Wir bedanken uns herzlich beim Autohaus Giesche in Fuhrberg, sowie bei allen tatkräftigen Unterstützern, ohne die dieser Ausflug nicht möglich gewesen wäre! Asphalt-Verkäufer Hasso Diedrich

Egon Görg * 3. Juli 1957   † 6. Oktober 2016 Wir trauern um unseren langjährigen Asphalt-Verkäufer, der nach schwerer Krankheit verstorben ist. Alle Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer und das gesamte Team

Anlässlich des »Heiligen Jahres der Barmherzigkeit« empfängt Papst Franziskus vom 10. bis zum 13. November mehrere tausend Pilger, die in prekären Situationen leben oder gelebt haben. Sie kommen aus der ganzen Welt. Dank einer Kollekten-Spende des Diakonischen Werks haben auch sechs Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer die Möglichkeit, diese außerordentliche Reise anzutreten. Verkäufersprecher Martin, der zu den Rom-Reisenden zählt, freut sich schon sehr: »Bei Asphalt sind alle Konfessionen vertreten und diese Pilgerfahrt bietet uns die Möglichkeit, die Ökumene zu leben.« Neben der Besichtigung der ewigen Stadt erwarten die Teilnehmer viele weitere Programmpunkte. Das Highlight: Papst Franziskus hält eigens für die Pilger eine Messe. SKO

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang!

Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer führen Sie zu Orten, an denen Wohnungslose keine Randgruppe sind. Ein außergewöhnlicher Stadtrundgang – von ExpertInnen der Straße geführt! Nächster Termin: 25. November 2016, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstraße 3, 30161 Hannover. Bitte anmelden: 0511 – 30 12 69-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro/Person. Gruppen verein­ baren bitte gesonderte Termine! Auf Nachfrage auch in englischer Sprache!


Verkäufer Olaf: Wer verschenkt einen nicht zu alten Laptop, um z.B. Windows 7 zu installieren? [V-Nr. 1612] Kontakt: 01577 – 952 48 77. Verkäufer Michael: Ich suche für meinen späteren beruflichen Werdegang folgende Bücher: »Kunststücke Demenz: Ideen – Konzepte – Erfahrungen« von Klaus Bremen und Ulrich Greb, »Aktiv und fit von Kopf bis Fuß. Ganzheitliches Gedächtnistraining für Senioren« von Helga Schloffer und Mag. Monika Puck, »Seniorenspielbuch: Reaktivierung Dementer in Pflege und Betreuung« von Ursula Stöhr. Außerdem suche ich die CD ­»Progressive Muskelentspannung« vom VIBP Verhaltens­ therapie-Institut Bad Pyrmont. Vielen Dank im Voraus. [V-Nr. 1115] Kontakt: 0177 – 496 69 54.

Foto: Archiv

Verkäufer Jürgen: Suche einen günstigen Flachbildfernseher (70 cm) und eine gut erhaltene Matratze. Müsste gebracht werden. [V-Nr. 627] Kontakt: 01575  –  620 23 94.

Wieder da! In unserer Juli-Ausgabe verabschiedete sich AsphaltVerkäufer Wolfgang Seeger von allen Kundinnen und Kunden. Nun ist er wieder da und steht an seinem alten Verkaufsplatz: donnerstags und samstags auf dem Wochenmarkt in Barsinghausen. Viele Stammkunden freuen sich, Wolfgang wiederzusehen, für ihn hat die Rückkehr allerdings einen traurigen Anlass: »Meine Stieftochter hatte Krebs und starb Ende Juni. Sie lebte bei mir mit ihrer Tochter, um die ich mich jetzt als Stiefopa kümmern muss. Meine Frau Gisela hatte schon drei Schlaganfälle und ist nicht mehr so rüstig. Die zusätzliche Belastung mit dem Biergarten war einfach zu viel für mich.« Wolfgang Seeger hatte gemeinsam mit Asphalt-Verkäuferin Elke das Gartenlokal »Zur Sonne« im Schrebergartenverein Steintormasch übernommen. Jetzt ist es wieder leer in der »Sonne« – ohne Wolfgang hat auch Elke nicht weitergemacht. Der langjährige Asphalt-Verkäufer kann dem Ganzen aber auch Gutes abgewinnen: »Bei Asphalt, bei all meinen Kunden und auf dem Markt in Barsinghausen so herzlich wieder begrüßt worden zu sein, zeigt mir, wie viele Freunde ich habe!« KIE

Verkäufer Guido: Ich suche einen Fahrradanhänger. [V-Nr. 1907] Kontakt: 0160  – 696 05 55. Verkäufer Frank: Suche ein Kinderfahrrad (24er) für meine achtjährige Nichte, wenn möglich rot. Vielen Dank. [V-Nr. 957] Kontakt: 0176  – 97 53 41 18. Verkäufer Mario: Ich suche einen Laptop und eine Wasch­ maschine. [V-Nr. 1970] Kontakt: 01575  –  543 35 09. Verkäufer Reinhold: Ich suche Arbeit als Hausmeister, in der Gartenpflege (Winter-, Baum- und Heckenschnitt) oder als Maler. [V-Nr. 137] Kontakt: 0175  – 802 22 23. Verkäufer Jürgen: Hallo Leute, mir ist die Waschmaschine kaputtgegangen. Würde mich freuen, wenn jemand eine Maschine abzugeben hat. [V-Nr. 2265] Kontakt: 0170  – 108 49 53. Verkäufer Bernd: Wir haben Nachwuchs bekommen und suchen eine 3-Zimmer-Wohnung in Linden oder einem anderen Stadtteil. [V-Nr. 2151] Kontakt: 0160 – 97 70 46 36 oder 0160 – 97 71 20 60. In eigener Sache: Sozialarbeiter Christian sucht für die AsphaltFahrradwerkstatt noch gut erhaltene Fahrräder zur Weitervermittlung an unsere Verkaufenden. Kontakt: 0171 –  623 62 10.

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gesucht – gefunden

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Foto: Archiv

Rund um Asphalt

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Weihnachtsmarkt mit Herz Für Menschen, die das Besondere lieben, gibt es auch in diesem Jahr wieder den ganz besonders schönen Adventsbasar in der Kreuzkirche in Hannovers Altstadt. Hier gibt es liebevoll gefertigtes Kunsthandwerk, wunderbaren Weihnachtsschmuck und köstliche Delikatessen. Zwischen Weihnachtsengeln, Advents­ gestecken, Brotaufstrichen und warmen Socken lässt sich mit einem heißen Tee oder Kaffee zur selbstgebackenen Torte die vorweihnachtliche Atmosphäre genießen. Wer hier keine Geschenke für sich und seine Lieben findet, der findet sie nirgends. Und das alles auch noch für den guten Zweck – denn die Einnahmen des Weihnachtsmarktes kommen wie immer Asphalt zugute! Ein großes Dankeschön geht an die Organisatoren im Diakonischen Werk Hannover und die vielen, vielen Menschen, die monatelang mit Liebe und Hingabe wunderbare Eigenkreationen herstellen und zubereiten. KIE

Das Fahrgastfernsehen. · Goethestraße 13 A · 30169 Hannover · (0511) 366 99 99 · redaktion@fahrgastfernsehen.de

Freitag, 25. November, 13 bis 18 Uhr, Kreuzkirche Hannover /Altstadt.


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»Ich schäme mich« Wladimir Kaminers neuestes Buch heißt: »Meine Mutter, ihre Katze und der Staub­sauger«. Der Erfolgsautor im Gespräch über das Verhältnis zu seiner Mutter, zu seiner Heimat Russland und zu seiner Wahlheimat Deutschland. Vor fünf Jahren schrieben Sie ein Buch über Ihre kauka- furchtbar! Am Ende haben wir uns darauf geeinigt, dass wir sische Schwiegermutter, und jetzt gibt es auch eines über ihren Pullover mit einem Computerprogramm verändern. Ihre Mutter. Hat sie auf Gleichbehandlung gedrängt? Nein, im Gegenteil. Sie wollte zuerst überhaupt kein Buch. Und Wie findet Ihre Mutter das Buch? dann hat sie alles sehr ernst genommen, allein schon für das Foto auf dem Cover mussten wir viel durchmachen. Es war

Ich glaube, es ist das einzige deutschsprachige Buch, das sie vollständig gelesen hat. Sie wollte unbedingt wissen, was ich


Fotos: Urban Zintel

und da kroch meine Mutter mit einem Glas Peter­ silienkartoffeln durch den Schnee.

Haben Sie Ihrerseits auch Ihre Mutter unterstützt? Ja, zum Beispiel als sie nach Deutschland kam. Zuerst wohnten wir zusammen, das war nicht so gut, aber dann habe ich ihr eine eigene Wohnung zwei Straßen weiter besorgt. Sie war die ganze Zeit in meiner Nähe. Auch heute telefonieren wir noch jeden Tag.

Gab es in Ihrer Jugend auch Konflikte zwischen Ihnen und Ihrer Mutter? Meine Mutter nahm alles mit gebührender Gelassenheit hin. Als ich beschlossen hatte, in eine Kommune zu ziehen, brachte sie mir sogar eine dicke rote Decke vorbei, damit ich nicht friere. Die meisten Konflikte zwischen den Generationen ent­stehen dadurch, dass erwachsene Menschen ver­s uchen, ihre Kinder zu lenken und zu biegen. Ich finde, der Charakter eines Menschen sollte sich auf natürliche Weise herausbilden. Meine Mutter war immer sie selbst, ich glaube, ich habe ihre Gelassenheit geerbt.

Hat sie sich in Deutschland schnell einleben können?

Seit fast zwanzig Jahren liefert er einen Bestseller nach dem

über sie geschrieben habe. Anschließend sagte sie zu mir: »Jetzt weiß ich endlich, was für ein aben­ teuer­­liches Leben ich eigentlich habe«.

Meine Mutter scheute sich nicht vor kleinen Jobs. In den ersten Jahren trug sie zum Beispiel Pizzawerbung aus oder half bei der Altkleidersammlung. Dabei musste sie eigentlich gar nicht arbeiten, denn ihre Lebensarbeitszeit wurde bei der Rente anerkannt. Aber sie wollte nicht zu Hause sitzen. Inzwischen ist sie 84 und immer noch abenteuerlustig, obwohl ihre Gesundheit nicht mehr mitmacht.

anderen: Wladimir Kaminer hat nun auch ein Buch über seine Mutter geschrieben.

Die Beziehung zur Mutter ist angeblich die schwierigste, komplizierteste und wichtigste des Lebens. Wie empfinden Sie das?

Lassen Sie sich von Ihrer Mutter viel von ihren Erfahrungen und den alten Zeiten erzählen?

Meine Mutter hat mir so ziemlich alles von sich Meine Beziehung zu meiner Mutter war immer erzählt. Angefangen von ihrer Kindheit über ihre sehr liebevoll. Egal, in was für eine schwierige Situ- Eltern bis hin zu ihrer ersten Liebe und alles, was ation ich geriet, stets kam meine Mutter mit einem danach war. Solche Gespräche sind überhaupt das Glas voll gekochter Kartoffeln mit Petersilie an und Beste im Leben. hat mich gefüttert. Ob ich es nun im Pionierlager wegen zu strenger Disziplin nicht aushalten konnte Wie groß ist Ihre russische Familie? oder aber in der Armee: Dort war ich an einem Außer in Russland und in der Ukraine, wo wir viele Raketenabwehrstützpunkt stationiert; wir durften Verwandte haben, gibt es noch Familienmitglieder keinen Besuch empfangen. Aber im Wald hatten wir in Israel, Amerika und in Australien. Ein entfernter an einer Stelle Stacheldraht auseinandergerissen, Verwandter aus Israel hat mich angeschrieben, er


Zustimmung in der Bevölkerung sogar noch einen Tag vor seinem Sturz bei 99 Prozent.

Wie wirkt sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auf Ihre Familie aus?

Welches konkrete Ereignis führte dazu, dass Sie 1990 Ihre Heimat verließen?

Mir gefällt das Wort »Konf likt« in diesem Zusammenhang nicht. Konf likt bedeutet, dass beide Seiten einander etwas antun. Aber in diesem Fall hat Russland sein Nachbarland überfallen, es war eine Annexion. Ist das ein Konflikt? Dann könnte man den Beginn des Zweiten Weltkriegs auch als einen Konflikt bezeichnen. Der Ukraine wurde ein Teil ihres Territoriums geraubt mit der Absicht, ihr noch größere Teile wegzunehmen. Das hat nicht geklappt. Jetzt steht der Dieb da, mit der Hand in der fremden Tasche, und alle Welt sagt ihm, er solle die Hand da wieder rausnehmen. Aber Russland sagt, vor 200 Jahren gehörte diese Tasche seinem Großvater. Das ist eine sehr peinliche Situation für Russland.

Das war ein Ratschlag von einem Onkel meines Freundes, der selbst nach Amerika wollte. Er meinte zu mir und einem Freund, die neue DDR-Regierung gewähre Juden aus der Sowjetunion humanitäres Asyl. Mit dieser Information, zwei D-Mark und einem sowjetischen Pass fuhren wir nach Berlin. In der Sowjetunion war es wie Knast, alle wollten weg.

Wie gehen Sie persönlich damit um? Ich schäme mich, weil ich 20 Jahre lang in Deutschland versucht habe darzulegen, was für wunderbare Menschen die Russen sind, die in großen Schritten auf ein europäisches Zusammenleben zusteuerten. Und dann passiert sowas. Vor 25 Jahren versuchten die KGB-Generäle und der Innenminister gegen Gorbatschow zu putschen. Damals gingen Hunderttausende auf die Straße und stellten sich vor die Panzer. Sie wollten auf keinen Fall zurück in die sozialistische Diktatur. Und heute, 25 Jahre später, stellen sie fest, dass der Putsch eigentlich gelungen ist. Die gleichen Generäle haben durch die Hintertür die Macht ergriffen und steuern das Land jetzt in die Vergangenheit. Man kann kaum noch etwas Gutes darüber schreiben.

Reisen Sie noch regelmäßig in die Heimat? Vor zweieinhalb Jahren war ich das letzte Mal in Russland und habe in St. Petersburg für Arte einen Gartenfilm gedreht. Durch meine politische Haltung liege ich jetzt im Clinch mit den Machthabern. Es ist für mich kein guter Zeitpunkt, dort hinzureisen. Wie soll man mit Menschen, die durch Propaganda bearbeitet wurden, diskutieren? Sie beziehen ihre Informationen und Wertvorstellungen aus dem russischen Fernsehen. Und das ist eine sehr scharfe Waffe! Für mich ist das sogar ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die russischen Journa­listen berichten nicht mehr, sondern schreien ihre Nachrichten heraus.

Wie beliebt ist Putin beim russischen Volk wirklich? Viele Menschen glauben dem Fernsehen. Trotzdem kann man nicht wissen, wie beliebt Putin ist. Menschen, die in Unfreiheit leben, darf man so etwas nicht fragen, sie können ja keine unabhängigen Antworten geben. Bei Ceaus¸escu lag die

Was ist Deutschland für Sie rückblickend? Inzwischen habe ich länger in Deutschland gelebt als in der Sowjetunion. Deutschland hat sich in dieser Zeit verändert, aber auch ich. Ich habe alle möglichen Ecken des Landes gesehen. Für die Fernsehsendung »Kulturlandschaften« bin ich vom Allgäu bis nach Friesland gefahren und habe auf meinen Lesereisen viele interessante Menschen kennengelernt. Mir liegt es nicht, patriotische Gefühle zu pflegen, aber ich muss sagen: Ich liebe Deutschland wirklich!

Sie werden nächstes Jahr 50. Was schenken Sie sich selbst? Ich habe ja eigentlich alles. Auf unserem Grundstück in Brandenburg, wo meine Frau den Garten hat, pflanzt sie ständig aus und ein, aber ich habe da wenig zu tun. Deshalb schenke ich mir dort zum Geburtstag eine Sauna. Interview: Olaf Neumann

! Gewinne Mit Asphalt zu Kaminer Am 13. Dezember um 20 Uhr stellt Wladimir Kaminer die Geschichten rund um seine Mutter, ihre Katze und den Staubsauger im hannoverschen Kultur­ zentrum Pavillon vor. Der Abend ist nahezu ausverkauft. Möchten Sie trotzdem hin? Asphalt verlost 3 x 2 Karten! Schreiben, mailen oder faxen Sie uns unter dem Stichwort »Wladimir Kaminer« an Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; gewinne@ asphalt-magazin.de, Fax: 0511 – 30 12 69-15. (Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht!) Viel Glück!

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betreibt Ahnenforschung und hat sehr viele neue Verwandte entdeckt. Ich weiß gar nicht mehr, wohin damit.

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Die Lesebühne – Poeten in Asphalt

L’ivresse Von Judith Simon-Graf

N e u lich

erwachte ich im Bett des Perlmuttfar- entgegen, allesamt männlich und menschlich. Nicht ein verbenen. Ebenmäßig nackt lag er neben mir und sein hasster Hound war dabei. Sie grölten und pöbelten und waren selbstzufriedenes Brummen verriet tiefen Schlaf. ausgesprochen hässlich anzusehen. Ich bereute meinen voreiVom Bier schwirrte mir der Kopf. Ich erhob mich ligen Entschluss und sah mich schnell nach einer Ausweichmühsam, suchte Louise’ Kleidung zusammen und möglichkeit um. Doch ehe ich mich meiner verdammten Resteinmal mehr fasste ich in dieser Nacht den Ent- betrunkenheit wegen dazu entschließen konnte, wohin ich schluss, möglichst wenig Gewohnheiten der Ande- ausweichen könnte, hatten sie mich schon entdeckt und wankren für mich selbst zu nutzen. Eine davon war das ten lauthals auf mich zu. »Ja hallooo, wen hamwa denn da…? Biertrinken. »Alteeer, was ne heiße Braut … heyhey, waddewaddema … Trotz Blutalkohol gelang mir mein geübtes Schleichen recht gut, lautlos und komplett bekleidet wie heisstn du, ey?« Und so weiter und so weiter. Es war jene üble Art von verließ ich Théos Wohnung, tappte die drei Stockwerke hinab und trat durch die schwere Eingangs- An­mache, die mir schon damals als Andere äußerst zuwider tür auf die nächtliche Großstadtstraße hinaus. Ich gewesen war, und die mich auch schon damals empfindlich zögerte kurz, wie ich mich wohl bewegen sollte, ent- wütend gemacht hatte. Ich behielt mein Tempo bei und starrte schloss mich aber – etwas fahrig - noch ein wenig durch sie hindurch bis ans Ende der Straße. Als ich sie passiemenschlich zu bleiben, zog die Stiefel über und pol- ren wollte, trat mir ein besonders Erbärmlicher in den Weg und terte los. Klackediklack in Louise’ Schuhwerk. Auf- fasste mich beim Ellenbogen. »Lass mich los«, fauchte ich. Er aber zog mich dichter zu recht. Offen. Weithin sichtbar. Coole Stadtteile wie dieser schliefen nie. Über- sich heran. Ich konnte seinen miesen Atem riechen. »Willste ficken…Wir könnten dir …alle hier…’n Gefall…« all schlenderten Leute. Je früher der Morgen, desto Mein Schlag kam völlig überraschend. Blut schoss ihm lauter erschienen sie, und als ich um die zweite Ecke bog, kam mir ein Trupp betrunkener Jugendlicher aus der Augenbraue, er ließ sofort los, stand wie erstarrt und


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Foto: Photocase

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schon schlug ich ein zweites Mal zu. Diesmal erwischte ich ihn am Ohr. Wieder einmal mehr überrascht darüber, wie scharf meine Fingernägel tatsächlich waren, ließ ich das Ohr auf den Gehweg fallen, sprang zur Seite und griff mir den Nächsten. Es war ja wirklich ein zu leichtes Spiel mit ihnen! Allesamt waren sie zu langsam, zu doof, zu betrunken und zu überrascht, um sich wehren zu können. Jäh fühlte ich mich vollkommen nüchtern, absolut lebendig und extrem wohl in meiner rasierten Haut. Ich trennte den Zweiten von seiner Nasenspitze, riss dem Dritten eine Menge Haupthaar vom Kopfe und stürzte mich auf den Vierten, der wie ein Sack zu Boden ging und mir auf ­d iesem Wege seinen blassgelben Bierbauch präsentierte. Während ich mein Werk vollendete, flüchteten Nummer fünf und sechs. Über die Balkone der Nachbarn kletterte ich lautlos in Louise’ Wohnung zurück. Ihre dämlichen Stiefel hatte ich im Gebüsch verstaut. Dort lagen auch ihre restlichen Kleidungsstücke, die mich beinahe die ganze Nacht beengt und gequält hatten und überdies nun ziemlich blutgetränkt waren. Sauber und nackt, aber bereits mit einem Hauch von Bartschatten am Leib, kroch ich durchs Schlafzimmerfenster, zu ihr ins Bett und weckte sie zärtlich. Immer noch war ich berauscht. Doch es war nicht das Bier, was mich in jenen glückseligen Rausch verfallen ließ, der

meine Sinne anspitzte, mein Blut pulsieren ließ und meiner Kehle ein andauerndes Brummen entlockte. »Schau mal, Louise«, schnurrte ich, »was ich dir mitgebracht habe.« Und ich legte ihr mein Geschenk auf die Brust.

Geboren in den letzten Zügen der 60er, wuchs Judith Simon-Graf samt zwei Geschwistern relativ wohlbehütet auf. Der Bruder ein Freak, die Schwester eine ewige Schönheit, sie, die Mittlere, mit jeder Menge Haarfarben und ­Frisuren samt Grenzerfahrungen. Stets mit genügend Phantasie im Kopf. Ihre 90er waren früh rebellisch, später besetzt durch zwei Früchte ihrer Lenden. Kreativität wurde zugunsten nackten Überlebens hintangestellt. Seit 2007 schreibt sie. Gelesen hat sie leise und auch mal laut, vor Publikum, und auch im Theater. Zurzeit ist es ruhiger in ihr geworden. Sie schreibt trotzdem. Oder gerade deshalb.


Buchtipps Abstiegsgesellschaft In fünf Kapiteln beschreibt der 1975 in Unna geborene Ökonom und Soziologe ­O liver Nachtwey die historische Entwicklung von der Klassengesellschaft zum Sozialstaat sowie dessen Verwandlung in das, was er Abstiegsgesellschaft nennt. Die soziale Moderne, die fetten Jahre zwischen 1950 und 1973, in denen stetiges Wachstum einen »kollektiven Fahrstuhleffekt« (Ulrich Beck) ermöglichte, enden mit der ersten weltweiten Wirtschaftskrise Mitte der siebziger Jahre. Mit dem Ausbleiben von Wachstum wird die soziale von einer regressiven Moderne abgelöst, »ein Fortschritt, der den Rückschritt in sich trägt«. Nachtweys Befund ist düster: »Unter der Oberfläche einer scheinbar stabilen Gesellschaft erodieren seit Langem die Pfeiler der sozialen Integration, mehren sich Abstürze und Abstiege.« Die Folge sei eine gesellschaftliche Polarisierung, die schließlich das demokratische Gemeinwesen an sich bedrohe. Einzig: »Was den Protesten bisher fehlt, ist eine Idee von einer gelingenden Zukunft.« Die kann auch Nachtwey nicht liefern. Dafür eine kluge, differenzierte Bestandsaufnahme aus linker Perspektive. BP Oliver Nachtwey · Abstiegssgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne · Suhrkamp · 18 Euro

Was ist Populismus? Anzeige

Unsere Mieter wohnen

Wir haben mehr als 13.000 Wohnungen in Hannover – und begeisterte Mieter. Denn unsere Objekte sind top modernisiert, attraktiv und energiesparend. Für Singles, Paare, Familien und Senioren. In allen Größen und vielen Stadtgebieten.

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Populismus erscheint einerseits als fast epidemisch auftretende politische Realität und andererseits als überaus unscharfer Kampfbegriff. Der in Princeton lehrende Politologe Jan-Werner Müller entwickelt in seinem Essay eine Theorie des Populismus als Anti-Pluralismus und damit eine so handhabbare wie normative Definition: Populismus sei eine ­»Politikvorstellung, laut der einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen.« Er folge einer Logik, nach der die Aussage »Wir sind das Volk!« moralisch statt empirisch argumentiere und meine: »Wir – und nur wir – repräsentieren das Volk.« Diese politiktheoretische Präzisierung schafft einerseits Klarheit. Im Verteidigungskampf der pluralistischen Demokratie schlägt sie Pflöcke ein. Andererseits erklärt sie nichts. Woher kommt die Wut, der neue Irrationalismus? Wie kommt es zur Wiederkehr eines Konstrukts wie des eines »wahren Volkswillens« von Erdogan bis AfD? Müllers Verzicht darauf, sich mit der Krise des Politischen selbst zu beschäftigen, lässt so die Strategien gegen den weltweiten Aufstieg populistischer Konzepte blass bleiben. BP Jan-Werner Müller · Was ist Populismus? Ein Essay · Suhrkamp · 15 Euro


Ausstellung

Bis hierher lief’s noch ganz gut

Fix und Foxi

Eine junge Frau mit libanesischem Hintergrund, die das Herkunftsland ihrer Eltern noch nie besucht hat, fängt plötzlich an, die Schulkorridore mit Hisbollah-Flaggen zu bekritzeln. Der 18-jährige Halbiraner, der sich lange mit Drogen betäubte, besucht nun die Koranschule und trainiert Kampfsport. Ulrike Günther hat ein Theaterstück für Jugendliche ab 14 Jahren entwickelt, das sich speziell mit der Situation in sozialen Brennpunkten Hannovers auseinandersetzt. Dafür hat sie Interviews mit Sozialarbeitern, Lehrern, Jugendlichen und Polizisten geführt. Sie untersucht, wie Armut, Chancenlosigkeit und das Gefühl des Ausgeschlossenseins dazu führen können, dass Jugendliche in ihrer verzweifelten Identitätssuche beginnen, sich zu radikalisieren. 13., 15. und 18.11., 19.30 Uhr, Ballhof Zwei, Knochenhauerstraße 28, Hannover. Eintritt: 8 bis 22 Euro, mit HannoverAktiv-Pass 4,20 bis 6,20 Euro.

Die bis heute erfolgreichste deutsche Comic-Reihe »Fix & Foxi« startete im Oktober 1953. Die Ausstellung im Wilhelm Busch Museum bietet erstmals in Deutschland einen Einblick in das zeichnerische, gestalterische und unternehmerische Universum des Fix-und-FoxiErfinders Rolf Kauka. Die ausgewählten Originalzeichnungen der Geschichten und die farbigen Titelentwürfe stammen von verschiedenen Künstlern wie Dorul van der Heide, Ludwig Fischer oder Walter Neugebauer. Zusammen mit Dokumenten und historischem Material lässt sich die Entwicklung des Comics rund um die beiden Füchse verfolgen – von den Anfängen bis zur heutigen Etablierung als Comic-Kultfiguren im Fernsehen. 12.11.2016 bis 26.3.2017, Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Wilhelm Busch Museum, Georgengarten, Hannover. Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro.

Kino No Land’s Song Seit der Islamischen Revolution von 1979 ist es Frauen im Iran verboten, öffentlich Solo zu singen – zumindest vor einem männlichen Publikum. Die junge Komponistin Sara Najafi widersetzt sich Zensur und Tabus und ist fest entschlossen, in ihrer Heimatstadt Teheran ein offizielles Konzert für weibliche Solosängerinnen zu organisieren. Regisseur Ayat Najafi begleitete sein Schwester zwei Jahre lang während ihres Kampfes für Gleichberechtigung und Freiheit. Entstanden ist dieser international beachtete, vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilm. Am 30. November ist Regisseur Ayat Najafi zu Gast im Künstlerhaus. 27. und 30.11., 18 Uhr, Kino im Künstlerhaus, Sophienstraße 2, Hannover. Eintritt 6,50 Euro, ermäßigt 4,50 Euro. Mit Hannover-Aktiv-Pass Eintritt frei.

Foto: Your Familiy Entertainment AG

Theater

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Kulturtipps

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Offene Ateliers in der List

Busy Girl – Barbie macht Karriere Die Barbiepuppe gehört seit 50 Jahren zu den meistverkauften Spielzeugen weltweit. Dabei ist sie auch umstritten: Ein Vorwurf lautet, dass Barbie sich weiblicher Rollenklischees bediene und so eine falsche Identifikationsfigur für junge Mädchen bilde. Tatsächlich nahm die Barbiepuppe aber auch eine Rolle als Vorbild, Zeugin oder Vorreiterin ein. Sie wurde in immer neuen Berufsbildern auf den Markt gebracht, die zu ihrer Zeit oft nicht dem gängigen gesellschaftlichen Frauenbild entsprachen – von der Paläontologin über die Astronautin oder Präsidentin zur Lehrerin oder zum Rockstar. Die Ausstellung stellt die Entwicklung der Puppe von der deutschen »BILD«-Lilli zur Kultikone Barbie dar und verdeutlicht dabei auch die gesellschaftspolitischen Entwicklungen. 20.11. bis 17.4.2017, Montag, Mittwoch bis Sonntag 10.30 bis 16.30 Uhr, Bomann-Museum, Schloßplatz 7, Celle. Eintritt: 8 Euro, ab 15.30 Uhr 5 Euro, Familienkarte 12 Euro, ab 15.30 Uhr 8 Euro. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre sowie Schüler Eintritt frei. Mittwochs Eintritt frei.

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Muss man hören: Hertzliches Hannover das Wohnungslosen-Magazin. Immer am 2. Montag im Monat, 17 Uhr. ... auf UKW 106.5 oder Kabel 102.5 und bei www.leinehertz.de

Kunstliebhaber können sich beim Atelierrundgang in der List die dort entstandenen Bilder, Skulpturen, Grafiken, Zeichnungen und Installationen direkt an­schauen und mit den Künstlerinnen und Künstlern persönlich über ihre Arbeiten sprechen. Am Tag des »offenen Ate­liers« öffnen diesmal Franz Betz, Leiv Warren Donnan, Michaela Hanemann, Helene Janke, Guido Kratz, Francesco Lamazza, Johannes Lühn, R. F. Myller, Janos Nadasdy, Wilfried Ohrenberg, Wiebke Otte, Dietlind Preiß, Michael Scheller, Eva Maria Stockmann und Holle Voss ihre Türen. Wie im letzten Jahr gibt es auch wieder eine Gemeinschaftsausstellung im Studio Frîa Hagen; dort liegt auch eine Broschüre mit Karte aus. 6.11., 11 bis 18 Uhr, Gemeinschaftsausstellung, Studio Frîa Hagen, Kollenrodt­ straße 10 A (Hofgebäude), Hannover. Eintritt frei.

Kinder Schwerelos durch die Lüfte Das Geheimnis eines guten Papierfliegers liegt in der Falttechnik. Die wichtigsten Handgriffe und Kniffe können Kinder ab acht Jahren an diesem Sonntag unter Anleitung von Leopold und Yvonne Zein erlernen. Gemeinsam bauen die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer verschiedene Modelle und lassen sie dann fliegen. Welches fliegt wohl am weitesten? Anmeldung unter 0511 –  89 73 34 66 oder -67 oder per E-Mail an info@kindermuseum-hannover.de. 20.11., 11.30 bis 13 Uhr, Kindermuseum Zinnober, Badenstedter Straße 48, Hannover. Eintritt: 5 Euro (inkl. Ausstellung). Mit Hannover-Aktiv-Pass Erwachsene 2,50 Euro, Kinder Eintritt frei.


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Musik 25 Jahre It’s M.E. Anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums laden die Urgesteine der hannoverschen Musikszene zu einem ganz besonderen Konzert mit jeder Menge Rock, Blues und Soul ein. Die beiden Gründungsmitglieder der Band It’s M.E. Martina Maschke (Gesang) und Ecki Hüdepohl (Keyboard und Gesang) sowie Schlagzeuger Werner Löhr verstärken sich extra für diesen Abend mit Pitter Schwaar an der Gitarre und Kay Bremer am Bass. Gemeinsam stellen sie das Jubiläums-Album »Roadmovie« vor und spielen einen Best-Of-Mix. Außerdem erwarten die Jubiliare diverse Ex-Mitglieder und Gastmusiker – darunter auch die beiden Gitarristen Ferdy Doernberg und Arndt Schulz. Den Auftakt macht Robby Ballhause an der Akustik­ gitarre. 25.11., 20 Uhr, LUX, Schwarzer Bär 2, Hannover. Eintritt 17,70 Euro.

Ektomorf Die Band Ektomorf wurde 1993 von Sänger und Gitarrist Farkas in einer kleinen ungarischen Stadt nahe der rumänischen Grenze gegründet. Der Sinti-Hintergrund des Bandleaders sorgte dafür, dass sich Ektomorf von Beginn an mit Rassismus und Vorurteilen konfrontiert sah. Die Songtexte handeln von Diskriminierung, gesellschaftlichen Problemen, Schmerz und Hass, zeigen aber auch einen starken Willen, diese Missstände zu überwinden. Auf ihrer aktuellen »Aggressor«-Tour erhalten die Thrash-Metaller Unterstützung von Hemlock und Hot Beaver. 6.11., 20 Uhr, Mephisto, Kulturzentrum Faust, Zur Bettfedernfabrik 3, Hannover. Eintritt: 20 Euro zzgl. Gebühren (VVK), 25 Euro (AK). Mit Hannover-Aktiv-Pass (nur bei Ticketerwerb vor Ort im VVK) 10 Euro.

Literatur Förster, mein Förster Ein Mann kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag. Zwei Freunde, die sich seit vierzig Jahren kennen und streiten. Eine greise Saxophonspielerin mit Post aus der Vergangenheit, ein Hamster namens Edward Cullen und ein Trip ans Meer. Frank Goosens neuer Roman »Förster, mein Förster« ist ein tragikomisches Lesevergnügen für alle, die einfach mal weg wollen: Nach Iowa, ins Outback oder zumindest an die Ostsee. 23.11., 20 Uhr, Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, Hannover. Eintritt: 16,40 (VVK), 17 Euro (AK), ermäßigt 14 Euro (AK). Mit HannoverAktiv-Pass (nur bei Ticketerwerb vor Ort) 8,20 Euro (VVK), 8,50 Euro (AK).

36 Am Lindener Berge 38 30449 Hannover Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

November 2016 Donnerstag, 3. November Jazz Club by Gartenheim präsentiert: ROSSANO SPORTIELLO & FRANK ROBERSCHEUTEN QUARTET Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Samstag, 5. November Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert: ED MOTTA Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Mittwoch, 9. November ALLAN HARRIS & US BAND Downbeat Winner 2015 Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Samstag, 12. November Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert: THE GIPSY TENORS feat. Rick Margitza, Gabor Bolla & Tony Lakatos Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Montag 21. und Dienstag 22. November Die Sparkasse Hannover präsentiert: AL DI MEOLA Eintritt: 30 Euro Mittwoch, 30. November Die Sparkasse Hannover präsentiert: RICHARD BONA MANDEKAN CUBANO Eintritt: 25 Euro

Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

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ihr engagement

Machen Sie mit! Impressum

Herausgeber: Prof. Dr. Heiko Geiling, Hanna Legatis, Rainer Müller-Brandes

Gründungsherausgeber: Walter Lampe

Geschäftsführer: Reent Stade

Redaktion: Volker Macke (Leitung), Jeanette Kießling, Svea Kohl, Ulrich Matthias

Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser

Freie Mitarbeit dieser Ausgabe: L. Gildehaus, I. Hoffinger, E. M. Menzel, O. Neumann, B. Pütter, W. Stelljes, S. Szameitat, K. Zempel-Bley

Anzeigen: Heike Meyer

An jedem letzten Dienstag im Monat trifft sich die Runde der Ehren­­ amtlichen in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstal­tungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäufe­rin­nen und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen – und ich freue mich, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten! Das nächste Treffen ist am Dienstag, 29. November 2016, um 17 Uhr. Rufen Sie mich einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-26. Herzlichst, Ihr Reent Stade, Asphalt-Geschäftsführer

Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter)

Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Herstellung: eindruck, Hannover

Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg

Druckauflage: Ø 25.000

Asphalt erscheint monatlich.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 24. Oktober 2016

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Asphalt dankt: U. + G. Mesch, B. + W. Heise, W. Riechers, R. + U. Birkwald, B. Goretzky, K. + C. Quisdorf, E. Sennert, S. + A. Schorsch, A. Hanken-Bonin, S. Hinrichs, H.-J. Reischel, B. Ermerling, F. Doelle, W. Roeschmann, H. Schulz, K. + K. Stemmwedel, W. Ruether, B. Nelk, G. Fluegge, E. Hedemann, K. Dieselhorst, E. Windolph, L. + E. Dunst, K. Kammann, G. + E. Mueller, A. Tsikas, U. Wegner, C. Pontone, I. Reps, M. Beuse, S. + G. Meyer, H. Pape, D. Grulke, E. Wiesner-Friedrichsen, G. Angerin, I. Dietsch, G. Mackensen, R. Uhlenhut, J. + E. May, U. Ahlborn, W. Nohrhoff, I. Pfaff, R. + H. Sebrecht, C. Koettgen, R. Paland, C. + A. Bergmann, S. Kelterborn, W. Heinecke, W. Leistner, A. Lachmann, G. Kindereit, D. Vatterott, D. Rodewig, C. Schattauer, D. Flockenhaus, F.-M. Kloas, V. Grahn-Waterstradt, I. Schwenke, E.  +  G. Stellpflug, G. Luebke-Beimdiek, J. Maehl, H. + H. Herbst-Kulf, W. Purrello, H. + C. Oltmanns, A. E. Goldmann, K. + W. Stock, H. Spiess, M. J. Graf v. d. Goltz, G. Sparringa, J. Ernst, U. + H. Gaep, W. Bamming, H. Lieske, H. Harms, T. Boemke, M. Mueller, H.-K. + M. Schoenhagen, G. Borkenhagen, H.-W. Goehlich, D. Thuermann, S. + Dr. C. Decker, E. Fischer, B. Hoffmann, H.-C. Meyer, K. Schur, B. Ritter, R. Baumgart, J. + U. Gappa, M. + G. Sonnenberg, H. + H. Rodiek, I. Mbow, H. + K. Schaeumer, S. Nemitz, H. Garbe, F. + I. Tegtmeyer, U. Laven, K. Keck, K. Walter, S. + C. Hermann, C. Hohfeld-Stoutjesdijk, G. Westphal, E. Mueser, K. Lange, B. Gerth, J. Lachmann, R. Behler, G. Niedermeier sowie allen anonymen Spendern und allen Asphalt-Patinnen und -Paten.

Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger

Verkäuferausweise

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Aus den nachfolgenden Silben sind 19 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben (Achtung: ck = 1 Buchstabe; ä = ae; ü = ue) – jeweils von oben nach unten gelesen – ein Zitat von J. W. v. Goethe ergeben: aus – aus – be – be – cke – dech – di – dig – dung – ei – ein – ent – er – freu – ga – ge – gen – he – ibe – il – keit – klei – land – ler – licht – lig – me – mor – nah – ne – nen – neu – pla – rei – rei – rer – rin – schein – se – se – se – ßen – sin – son – sonn – tag – tes – trau – tritt – un

1. weglaufen 2. Oper von Lortzing 3. in jeder Jahreszeit möglich 4. Helligkeit am Beginn des Tages 5. Verlassen einer Gemeinschaft 6. kleines Reptil 7. Gefühlszustand

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal das Sachbuch »Geplanter Verschleiß«. Christian Kreiß erklärt darin, wie die Industrie ihre Kunden zu immer mehr und immer schnellerem Konsum antreibt – und wie Sie sich dagegen wehren können. Drucker, Mobiltelefon oder Fernseher, bereits kurz nach Ablauf der Garantie sind viele Geräte reif für den Müll. Kalkuliert sorgen Hersteller dafür, dass ihre Produkte frühzeitig kaputtgehen. Ökonom Kreiß erklärt, warum das gesamtwirtschaftlich eine völlig unsinnige Strategie ist. Ebenfalls dreimal haben wir das Grundkochbuch von Dr. Oetker für Sie. Schritt für Schritt geht es damit zu Kocherfolg und Genuss. In dem Standardwerk vereinen sich alle wirklich wichtigen Rezepte, auch Neulinge können direkt loslegen: von Bratkartoffeln über Fisch im Bierteig bis hin zu Roter Grütze. Raffiniert zubereitet, kreativ gewürzt und liebevoll gerührt. Viermal bewegen wir uns schon Richtung Jahresausklang und verlosen das Hörspiel »Der kleine Hase feiert Weihnachten« für Kinder ab 3 Jahre. Der kleine Hase ist ganz aufgeregt: Weihnachten steht vor der Tür, alles ist wunderbar verschneit. Ob er den roten Schlitten bekommt, den er sich gewünscht hat? In seinem Nikolausstrumpf ist er nicht, auch nicht unter dem Weihnachtsbaum. Aber was steht da draußen im Schnee? Die Lösung des Oktober-Rätsels lautete: Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de Einsendeschluss: 30. November 2016. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

8. besonderer Teil der Woche 9. Urbevölkerung Spaniens 10. zu Spenden bereit 11. Textilien 12. eine Menge vermindern 13. Nebenfluss der Donau 14. Kanton der Schweiz 15. Petition 16. unerforschtes Gebiet 17. Leiden nach einem Verlust 18. Prophetin 19. große Mühe

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Silbenrätsel

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