2014 08 Asphalt

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1,60 €

davon 80 Cent Verkäuferanteil

August 2014

Grosses Gefälle

Ungerechte Renten: Frauen im Alter abgestraft Neustart: Wasserstadt Limmer mit Bürgerbeteiligung Hartz-IV: Mit Theater zurück auf den Arbeitsmarkt Tatort-Kopper: Schauspieler aktiv für Umweltschutz


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Titelthemen... Neustart in Limmer Ein neuer Stadtteil für 5.000 Bewohner sollte Hannovers Wohnungsprobleme lösen. Doch der Widerstand ist massiv. Ergebnis: Alles auf Anfang __________________________________ 6 Großes Gefälle Im Alter verarmen vor allem Frauen. Der erste »Equal Pension Day« (Tag der Rentenanpassung) am 4. August soll auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machen. ___________ 10 Arbeitgeber aufgepasst! Bildungsgutscheine ermöglichen Langzeitarbeitslosen, ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen und so für sich auf dem Arbeitsmarkt zu werben. ___________________________ 14 Tatort-Kopper »Einfach mal anfangen«: Der Schauspieler Andreas Hoppe setzt sich aktiv für den Umweltschutz ein, aktuell kämpft er gegen den Teersand-Abbau in Kanada. ____________________ 26

...und mehr Notizblock _______________________________________________ 4 Angespitzt: Am Rande _____________________________________ 5 »Bündnis gegen Wohnungsnot«: Tagung in Hannover gab Impulse an Politik und Mietmarkt. _______________________ 9 Serie: Wer war eigentlich … Madame Tussaud? ________________ 13

gewinne!

August-Tipps ____________________________________________ 16

gewinne!

Kultur im Fokus ___________________________________________ 18 Aus der Szene ___________________________________________ 19 Aus dem Leben: Asphalt-Verkäufer Martin erzählt. ______________ 21 Rund um Asphalt ________________________________________ 22 Sport: Das alte Rhönrad hat viele junge Fans. _________________ 24 Briefe an uns ____________________________________________ 29 Asphalt intern/Impressum ________________________________ 30

gewinne!

Silbenrätsel/Cartoon ______________________________________ 31

Titelfoto: HaDeVau/Fotolia; Beate-Helena/Photocase

Zu dieser Ausgabe

Die Renten sind sicher... unterschiedlich! Vor allem Frauen sind von Armut im Alter betroffen. Dieses Problem muss gelöst werden, zunächst einmal braucht es aber Aufmerksamkeit: Initiatoren haben den »Equal Pension Day« ins Leben gerufen. Unsere Seiten 10 bis 12. »Einfach 1,60 € mal anfangen«, sagt auch Andreas Hoppe alias August 2014 »Tatort«-Kommissar Kopper. Das Interview mit dem engagierten Umweltschützer auf den Seiten Grosses 26 bis 28. »Alles auf Anfang« heißt es dagegen bei Gefälle der Wasserstadt Limmer: Die bisherigen Bebauungspläne sind auf Eis gelegt, Bürger dürfen jetzt mitreden. Stand der Dinge auf den Seiten 6 bis 8.

davon 80 Cent Verkäuferanteil

Grosses Gefälle

Ungerechte Renten: Frauen im Alter abgestraft Neustart: Wasserstadt Limmer mit Bürgerbeteiligung Hartz-IV: Mit Theater zurück auf den Arbeitsmarkt Tatort-Kopper: Schauspieler aktiv für Umweltschutz

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen – nun fangen Sie schon an!

Liebe Leserinnen und Leser, halt! Bevor Sie weiterlesen, vergewissern Sie sich bitte, in welcher Zeit wir gerade leben und in welchem Erdteil. Richtig – im Sommer 2014, im 21. Jahrhundert, in Westeuropa. Und dann das: Frauen erhalten in Deutschland sehr viel weniger Rente als Männer! Durchschnittlich. Bis zu 60 Prozent weniger. Moment, Gleichberechtigung? Gleichstellung – was war das noch? Ach ja, wir Frauen haben z.B. heute die gleichen Bildungschancen wie Männer. Richtig, und wir nutzen sie. Jeder Statistiker beschreibt es mit Wonne: Mädchen sind echt fleißig in der Schule, haben oft bessere Noten als Jungen, machen häufiger Abitur, es studieren auch mehr Frauen als Männer. Alles schön soweit – aber dann kommt’s. Dann wählen Frauen einfach die schlechter bezahlten Jobs. Sie trauen sich nicht soviele technische – und damit höher bezahlte – Berufe zu wie Männer, sind auch noch so dumm, längere Auszeiten zu nehmen, wenn sie Kinder bekommen, suchen sich danach höchstens Mini- oder Teilzeitjobs und zahlen entsprechend weniger für die Rente ein. Schön blöd. Deshalb sind sie als Rentnerinnen schlechter gestellt als Männer. So schallt es uns Frauen seit Monaten aus den unterschiedlichsten Medien entgegen. Oder wir werden bemitleidet: Ihr werdet eben schlechter bezahlt in unserer sozialen Marktwirtschaft. Und wenn Ihr dann alt seid und hunderte von Euro weniger Rente habt, als ein Mann, dann spart Ihr Euch auch noch das Letzte vom Munde ab, schämt Euch, zum Sozialamt zu gehen und das Geld zur Grundsicherung zu beantragen, das Euch gesetzlich zusteht. Ihr Opfer. Um mit solchen Vorurteilen aufzuräumen, haben wir diesmal die ungleiche Rente zum Thema gemacht. Denn, verehrte Schwestern, wir sind weder blöd noch Opfer! Und Vorschläge, wir müssten eben einfach mit einer privaten Vorsorge finanziell unsere Rente aufbessern, reichen nicht oder gehen an der Lebensrealität vieler Frauen vorbei. Bekanntlich blicken wir bei Asphalt tiefer. Mit Hintergrundinformationen zu unserem Titel-Thema, praktischen Tipps und Texten, die Mut machen. Denn wir finden es skandalös, dass nirgendwo in Europa der Verdienst von Frauen und Männern – und damit ihre Rente – soweit auseinander klafft wie in Deutschland. Herzlich, Ihre Hanna Legatis, Asphalt-Herausgeberin


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Foto: Volker Macke

Solidarität mit Alleinerziehenden

Jede 10. ein Gewaltopfer

Hannover. »Null Toleranz« gegenüber Gewalt in Paarbeziehungen hat Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) gefordert. Hintergrund ist eine neue LKAStudie, die das Dunkelfeld häuslicher Gewalt erhellt: Demnach gab bei einer ano-

Anzeige

Hannover. 1.000 Gedecke, 200 Meter lang, eine Einladung: »Gemeinsam zu Tisch«. Diakonie und Caritas hatten zur Solidaritätstafel gerufen, viele kamen: Politiker, Obdachlose, Kaufleute, Bürger mit Bürgersinn. »Um ein Zeichen gegen Armut zu setzen«, so Schirmherr Oberbürgermeister Stefan Schostok (Foto). Im Fokus: Alleinerziehende. In Niedersachsen ist deren Armutsgefährdungsquote von 2005 bis 2011 um 6,7 Punkte auf 44,2 Prozent gestiegen. Rund 106.000 haben weniger als 839 Euro pro Monat. Die allermeisten sind Frauen. Und obwohl viele dieser Mütter gut ausgebildet und etwa 66 Prozent von ihnen auch erwerbstätig sind, können nur rund 55 Prozent ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, so die Wohlfahrtsverbände. Ein »Normalarbeitsverhältnis« – unbefristet und tariflich entlohnt – sei

für Alleinerziehende in der Regel nicht erreichbar, so Hans-Jürgen Marcus, Caritasdirektor in Hildesheim und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Sie hätten mit zahlreichen Hemmnissen zu kämpfen: unpassende Arbeitszeiten, skeptische Arbeitgeber, geringe Verdienstmöglichkeiten, mangelnde Vermittlungschancen im Jobcenter. »Alleinerziehende machen ein Fünftel aller Lebenssituationen aus«, so Marcus. Für Diakonie und Caritas dürften Kinder jedoch kein Armutsrisiko sein. Viele Maßnahmen zielten derzeit noch auf eine schnelle Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern. Gefragt seien aber flexiblere Rahmenbedingungen für Alleinerziehende, um deren eingeschränkte Möglichkeiten zu berücksichtigen. Da sei jetzt die Politik gefordert. mac

nymen Befragung von rund 14.000 Personen jede zehnte Frau an, in ihrer Paarbeziehung Opfer von körperlicher oder psychischer Gewalt zu sein. »Es muss klar sein, dass nicht die Opfer von Gewalt versagt haben, sondern die Täter. Wichtig ist, dass wir alle nicht peinlich berührt wegsehen, wenn eine Kollegin mit blauem Auge zur Arbeit kommt. Sondern dass wir uns unmissverständlich gegen Gewalt einsetzen«, so die Ministerin. In Niedersachsen bieten 41 Frauenhäuser, 39 Gewaltberatungsstellen, 29 Interventionsstellen bei häuslicher Gewalt, drei Mädchenhäuser und elf Täterberatungsstellen Hilfe. mac

hungen für Beamte. Nicht von der Sperre betroffen ist Bremerhaven. Als erstes gestrichen: Neuanschaffungen, Dienstreisen und teure Gutachten. Ausgenommen von der Sperre sind Personalausgaben für Schulen, die Arbeit mit Asylbewerbern und in der Kinderbetreuung. mac

Sperre im Haushalt

Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Hoya, Celle, Neustadt, Rinteln, Springe, Bückeburg und Obernkirchen.

Bremen. Bremen ist klamm. So klamm, dass Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) jetzt eine Haushaltssperre für alle nicht pflichtgemäßen Ausgaben verhängt hat. Linnert bezifferte die Risiken durch Mehrausgaben und fehlende Einnahmen auf aktuell rund 60 Millionen Euro. Allein für die Sozialausgaben, zu denen Bremen gesetzlich verpflichtet ist, werden voraussichtlich 26 Millionen Euro mehr benötigt als veranschlagt. Obendrauf kämen jetzt noch rund 11 Millionen Euro für die Erfüllung von Tariferhö-

FDP verklagt Land

Hannover. Weil sich die Landesregierung nach Auffassung der FDP-Fraktion nicht benötigte Kredite offenbar »für künftige Wahlgeschenke sichern« wolle, anstatt sie, wie verfassungsrechtlich vorgesehen, verfallen zu lassen, wollen die Liberalen Klage vor dem Staatsgerichtshof einreichen. So FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Auch die

Zitat des Monats »Ich werde ein modernes Abitur nach 13 Jahren einführen, das sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte entlastet und das mehr Möglichkeiten zur Förderung bietet.« Frauke Heiligenstadt, Kultusministerin von Niedersachsen.


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Angespitzt

Zahlenspiegel

diesmal: tief ins Glas

Im Jahr 2012 verstarben in Deutschland 14.551 Personen an den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums. Davon 10.922 Männer und 3.629 Frauen, so das Statistische Bundesamt Damit kamen viermal mehr Menschen durch die legale Droge als durch einen Verkehrsunfall (3.827 Personen) ums Leben. Haupttodesursachen: Alkoholische Leberkrankheiten mit 8.319 Fällen sowie psychische alkoholbedingte Verhaltensstörungen mit 4.991 Fällen. 2012 nahm der Fiskus rund 2,6 Milliarden Euro über Alkoholsteuern ein. mac

CDU spricht von »Taschenspielertricks«. Konkret geht es um 431 Millionen Euro einst geplanter Kredite, die trotz guter Steuereinnahmen – also ohne aktuelle Notwendigkeit – weiterhin aufgenommen werden sollen. Das Verfahren hatte jüngst auch der Landesrechnungshof kritisiert. Die Landesregierung hält diese »Restkreditermächtigungen« für rechtlich in Ordnung. »Wir führen intensive Gespräche mit dem Landesrechnungshof, um Rechtsklarheit zu schaffen«, so Antje Tiede, Sprecherin des Finanzministeriums. Die Klageankündigung der FDP stoße daher »auf Unverständnis«. Die Grünen sprachen von »Showeffekt.« Hintergrund: Bei den 431 Mio. Euro handelt es sich um die Differenz der Nettokreditaufnahmeermächtigung des Jahres 2012 in Höhe von 720 Mio. Euro und der tatsächlich in Anspruch genommenen Kredite in Höhe von 289 Mio. Euro. mac

Immer mehr Beben

Verden/Rotenburg. Gasförderung fördert Erdbeben und vergiftet den Boden. Das hat jetzt das Landesbergamt bestätigt. Im Umkreis von Erdgasförderplätzen bei Rotenburg an der Wümme wurden teils deutlich erhöhte Quecksilberwerte gemessen. Der Naturschutzbund Nabu hatte bereits seit längerem auf die erhöhten Werte hingewiesen. Zudem hat eine neue Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften einen Zusammenhang von Erdgasbohrungen und Erdbeben festgestellt. Vor allem in Gebieten um Syke, Cloppenburg und Vechta.

Die Stärke der Beben bis 3,2 auf der Richterskala reicht für Risse in Häuserfassaden und Schornsteinen. Weitere Erdbeben aufgrund von Erdgasförderung in Niedersachsen seien wahrscheinlich. mac

Land will Wohnungen

Hannover. Mit einer Initiative »Bezahlbares Wohnen« wollen SPD und Grüne preiswerte Mieten vor allem für finanziell Schwächere in den Ballungszentren Niedersachsens sicherstellen. Nach der Sommerpause soll das Programm verabschiedet werden. 40 Millionen Euro aus Bundesmitteln pro Jahr will das Land in die Förderung von bezahlbarem Wohnraum stecken. Weitere 30 Millionen aus EU-Mitteln sollen für die energetische Sanierung alten Wohnbestands eingesetzt werden. Hintergrund: Laut des hannoverschen Pestel-Instituts hat derzeit nur etwa jeder fünfte finanzschwache Haushalt überhaupt die Chance, eine Sozialmietwohnung zu bekommen. Fördergeld des Landes selbst fehlt bisher in nennenswertem Umfang. Zu Regierungszeiten von CDU und FDP sei beim revolvierenden Förderfonds des Landes in die Kasse gegriffen worden. »Wir bauen den Fonds wieder auf. Der Bedarf in Niedersachsen ist groß«, sagt Marco Brunotte, baupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Zudem gebe es Aussichten auf eine Wiederbelebung des einstigen Förderprogramms Soziale Stadt. Der Bestand an so genannten Belegrechtswohnungen war landesweit von 114.957 im Jahr 2002 auf 85.000 im Jahr 2012 abgeschmolzen. mac Sich in Gemeinschaft zu Hause fühlen Pflegeheim Badenstedt Eichenfeldstr. 20, 30455 Hannover Tel.: 05 11/49 98-0, Fax 49 98-200

Hausgemeinschaften Waldeseck Burgwedelerstr. 32, 30657 Hannover Tel.: 05 11/9 05 96-0, Fax 9 05 96 31

Das Diakonische Werk – Stadtverband Hannover e.V.

Am Rande Jugendliche sollen sich jetzt einfach so frei bewegen dürfen. Das wurde zumindest im Juli am landesweiten Aktionstag unter dem Motto »Platz nehmen! – Mehr Akzeptanz für Jugendliche im öffentlichen Raum« von Arbeitsgemeinschaften und Verbänden gefordert, ganz groß mit Bühnen-Acts und Mitmach-Programm. Was für ein absurder Gedanke! Wo kommen wir denn da hin, wenn jetzt plötzlich jede Randgruppe das Recht einfordert, im öffentlichen Raum akzeptiert zu werden? Senioren womöglich oder Langzeitarbeitslose oder alleinerziehende Mütter mit kleinen Kindern. Ganz zu schweigen von Rollstuhlfahrern oder Singles oder gar Wohnungslosen, die sollen mal schön zu Hause bleiben. Nichts da, der öffentliche Raum gehört geschlossen! Das macht ihn auch gleich viel elitärer, so ähnlich wie eine geschlossene Gesellschaft. Ohnehin ist der öffentliche Raum viel zu klein für alle. Und diese ganzen Aktionstage verschlingen so viel Zeit und Geld … Wie bitte? Was haben Sie da gerade gedacht? Sie wollen den öffentlichen Raum einfach größer machen, damit alle darin Platz finden? Sie wollen die Flächen attraktiver gestalten und sogar Bänke aufstellen zum gemütlichen Verweilen? Alle zusammen, so eine Gesellschaft ohne Randgruppen etwa? Aus, Schluss, vergessen Sie’s, für so einen Aktionstag kriegen Sie keine Genehmigung! Dazu müssten manche viel zu weit über ihren eigenen Gruppenrand schauen. Jeanette Kiessling

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Zurück auf Los

Hannover braucht Wohnraum. Ein neuer Stadtteil für 5.000 Bewohner bei Limmer sollte das Problem lösen. Doch drum herum gibt es Widerstand gegen zu viele und womöglich auch zu viele arme Neubürger. Der Rat hat jetzt reagiert, die Planungen wieder auf Null gestellt, Dialog und neue Gutachten verordnet.

Neue Trabantenstadt? Doch die Rechnung ging nicht auf. Nirgends anders in der Stadt wären dann mehr Einwohner pro Hektar untergebracht als in der Wasserstadt: 217 im Vergleich zu 166 in Linden-Nord und 163 Menschen in der Oststadt. Damit entstünde ein »Stadtteil mit beispielloser Bevölkerungsdichte«, rechnete die BI vor, deren Mitglieder in jüngeren Jahren teils selbst in dichten Wohngemeinschaften in verdichteten Stadtteilen gelebt hatten. Nun warnten sie vor einem neuen Ihmezentrum, vor sozialen Konflikten in einer neuen Trabantenstadt à la Roderbruch und einem drohenden Verkehrsinfarkt zu Rushhour-Zeiten. Und hatten schnell die Mehrheit im Bezirksrat Linden-Limmer und in der Sanierungskommission hinter sich. Der Bau der Wasserstadt an sich sei »nicht das

Problem«, meinte Bezirksbürgermeister Rainer-Jörg Grube jüngst. Würden die Pläne aber so umgesetzt, habe man »eines der am dichtesten besiedelten Stadtgebiete in ganz Europa.« Der anhaltende Protest der vergangenen Monate zeigte jetzt offenbar Wirkung. Hatte Stadtbaurat Uwe Bodemann zunächst die Planungen noch verteidigt, wird die Zukunft des Areals jetzt einem moderierten Bürgerdialog, Mitsprache und neuen Gutachterergebnissen anheim gestellt. Einen entsprechend umfassenden Antrag hat die rot-grüne Ratsmehrheit Mitte Juli eingebracht. Die Einzelheiten werden derzeit in den Ratsgremien diskutiert. Grundsätzlich zeigt sich die BI mit der Ratshaltung zufrieden. »Nachdem die Verwaltung im Februar mit der aktuellen Wasserstadtplanung an die Öffentlichkeit getreten ist, nach dem

Motto ›So machen wir das und da redet uns niemand rein‹, sind wir mit der jetzigen Entwicklung und einer Bürgerbeteiligung so weit zufrieden. Die Frage ist, wie stark die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung auch Niederschlag in der Wasserstadt-Planung finden« sagt BI-Frontmann Uwe Staade.

Neues Gremium geplant Soviel steht fest: Vor alle Planung soll der umfassende Dialog von Planungsamt und Bürgern gesetzt werden. Neben zwei große offene Informations- und Diskussionsveranstaltungen im kommenden Herbst und Winter wird ein Arbeitsgremium aus 12 bis 16 Personen gestellt. In diesen wichtigen Kreis könnten die BI und andere örtliche Initiativen wie »Transition Town« und »Jawa« SpreFortsetzung auf Seite 8

»Veränderung tut weh« Bürger auf den Barrikaden und eine Stadt mit Planungsdruck. Mehr Kommunikation könnte den Konflikt um die Wasserstadt zumindest glätten, findet Oliver Kuklinski vom Bürgerbüro Stadtentwicklung (BBS). Herr Kuklinski, die Gegner der 2.000 geplanten Wohnungen auf dem ContiGelände sollen jetzt einen Anwaltsplaner und Mitsprache bekommen, ist das richtig? Anwaltsplanung ist ein gutes und in Hannover bewährtes Konzept. Auch wenn die Initiativen, die sich da jetzt bilden oder schon gebildet haben, nach meiner Beobachtung sehr artikulationsfähig sind,

Foto: Privat

Verkraftet Limmer, der kleine Bruder von Linden, mit seinen aktuell rund 6.000 Einwohnern 5.000 weitere? Und davon womöglich 1.250 in Armut? Nein, auf keinen Fall, findet die in der Bürgerinitiative Wasserstadt Limmer (BI) zusammengeschlossene Nachbarschaft. Und setzt drei Ausrufezeichen dahinter. Bis Februar dieses Jahres war – im Jahr 2005 auf den Weg gebracht – für die rund 32 Fußballfelder große ContiBrache nach jahrelangem Abriss der alten Werkshallen und aufwändigen Bodensanierungen eine hübsche Reihenhaussiedlung mit rund 600 neuen Wohneinheiten geplant. Die hätte sich nahtlos an das idyllische alte Dorf im Westen angeschlossen. Doch sich mehrende Meldungen über zunehmende Wohnungsknappheit in Hannover ließ die Stadtplaner umdenken. Plötzlich war nicht mehr vom Reihenhausidyll sondern von 2.000 Wohneinheiten, sechs- oder achtgeschossigen Wohntürmen am Kanal und verdichtetem Sozialwohnungsbau die Rede. Der Baustart war ehrgeizig bereits für 2015 geplant.

kann eine Anwaltsplanung als Brückenbauer fungieren. Die Akteure vor Ort verstehen sehr gut, wie Planung funktioniert. Es hapert viel mehr an der Kommunikationskultur, nicht an der Kommunikationsstruktur, hier gäbe es für eine Anwaltsplanung einiges zu tun. Seitens der Stadt geht man selbstverständlich davon aus, dass man doch etwas zum Wohle der Allgemeinheit tut und dies bitte auch so von den Betroffenen verstanden werden sollte. Und ist dann ganz konsterniert, dass die Menschen möglicherweise gar nicht begeistert sind. Da wird manchmal nicht gesehen, dass dort Ängste


Foto: Michael Scharfenberg

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Noch Wüste: Auf dem alten Contigelände soll die Wasserstadt entstehen. Was, wann, wie genau? Alles wieder offen.

sind, und das Vertrauen fehlt, dass, das was gesagt wurde, auch so gemeint ist.

Wie kann die Gesprächskultur verbessert werden? Vertrauen benötigt Transparenz, und zwar von Anfang an. Nicht erst, wenn das Kind im Brunnen liegt, das ist unerlässlich. Dazu eine Bereitschaft, sich auf die Perspektive des anderen einzulassen. Es funktioniert eben nicht zu sagen: Ich weiß schon, was gut ist – nur weil ich das Mandat habe und die Ausbildung. Man sollte sich in der Verwaltung viel mehr an die guten Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung – etwa beim Stadtplatzprogramm oder in den Soziale-StadtStadtteilen erinnern. In Limmer scheint der Konflikt jenseits der Sachebene auch auf der Linie »die Alten und die Neuen« zu verlaufen. Neben Sachfragen zu Bahnlinien und Bebauungshöhen

hört man auch Argumente wie: »Mit 5.000 Neubürgern geht der Charakter des Stadtteils verloren«. Genau das gleiche Argument gab es vor der Expo in Bemerode in Sachen Kronsberg-Bebauung. Ein Argument bei ganz unterschiedlicher Bevölkerungsstruktur in unterschiedlichen Stadtteilen. Wollen immer die, die schon da sind, vielleicht schlicht keine Entwicklung? Gehen Sie einfach von sich selbst aus. Veränderung kann Verlust bedeuten. Und das tut erstmal weh. Mit einer unbebauten Fläche beispielsweise sind vielleicht schöne Erinnerungen verbunden. So etwas will man bewahren. Also muss man neben Ängsten auch Chancen sehen können. Im konkreten könnten das Schulen, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten oder auch der Input sein, der von interessanten Wohnprojekten ausgeht. Natürlich kann Stadt – wie anfangs vielleicht überwiegend geschehen – auch konfrontativ sagen: Da ist ein Investor, hier

ist das Baurecht, hier das öffentliche Interesse. Aber so nimmt man ganz sicher nicht alle mit. Formal war in Bezug auf die Entwicklung der Wasserstadt alles einwandfrei bisher. Aber es wurde wohl versäumt, allen zuzuhören und allen das Angebot zur Teilhabe zu machen. Und natürlich können nicht jedermanns Wünsche verwirklicht werden. Das vorrangige Interesse an vielen neuen Wohnungen ist vielleicht nicht mit jedem kompatibel. Aber dann müssen Planer eben darauf eingehen und Ausgleich an anderer Stelle schaffen. Wie auch immer. Planer können so etwas, sie sind dafür ausgebildet. Sie müssen es nur wollen und dürfen.

Das heißt, echte Bürgerbeteiligung war bisher nicht gewollt? Die Entscheider sind diejenigen, die die Weichen stellen in Bezug auf die Qualität des Prozesses. Interview: Volker Macke

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Quelle: LHH

Schostok im Dialog

Wie soll Hannover 2030 aussehen? Was ist Status Quo, wie sind die Trends? Was sind Notwendigkeiten? Was wünschen wir? Oberbürgermeister Stefan Schostok lädt zum Dialog ein, zu Expertise und gegebenenfalls Streit. Unter dem Titel »mein Hannover 2030« startet ein eineinhalbjähriger öffentlicher Austausch zur Stadtentwicklung. Jeder kann mitmachen. Zu Beginn gibt es ab September vier Einführungsveranstaltungen mit namhaften Experten und Oberbürgermeistern anderer deutscher Großstädte. Zusätzlich wird es repräsentative Umfragen, Onlinediskussionen und Einzelveranstaltungen geben. Im Frühjahr 2016 sollen konkrete Ziele beschlussfähig formuliert werden können zu fünf Themenfeldern: 1.) Wirtschaft, Arbeit, Wissenschaft, Umwelt. 2.) Wohnen, Versorgung, Mobilität. 3.) Bildung und Kultur. 4.) Inklusion, Integration, Teilhabe. 5.) Finanzen. Auftaktveranstaltung: »Welchen Herauforderungen müssen wir uns stellen?«, 29.9.2014, 17 Uhr, Schauspielhaus. Mehr unter www.meinhannover2030.de

Heiß umstritten: Der Plan der Wasserstadt

steht, in der Wasserstadt einsetzen. Das wollen wir nicht, denn es gibt auch noch andere Gebiete in Hannover, wo wir für eine gute Mischung sorgen müssen« sagt Michael Dette von den Grünen. Realistisch erscheinen dem Baupolitiker deshalb 15 Prozent Sozialwohnungen. Einen Schritt weiter geht Katrin Langensiepen, Lindenerin und sozialpolitische Sprecherin der Grünen im Rat: »Bei aller Sympathie für den sicher notwendigen Bürgerdialog ist mir wichtig, dass die ohne Stimme nicht vergessen werden. Was sind die Bedürfnisse von Migrantenfamilien und Transferempfängern? Die sind 15 Prozent Sozialquote nicht organisiert. Darauf müssen wir im Wichtig auch: Eine so genannte Sozial- jetzt anstehenden Dialogprozess aufpassen, quote. Dadurch soll »sichergestellt wer- denn die BI kann sicher nicht für den Stadtden, dass im neuen Quartier auch Fami- teil sprechen.« lien, Alleinerziehende mit Kindern, MenKnackpunkt Verkehr schen ohne gesichertes Einkommen, ältere Menschen und Studierende bezahlbaren Gerade der besondere Charme des BauWohnraum finden«, so die Ratskoalition areals zwischen Kanälen und Leine macht in ihrem Antrag. Allerdings fehlen kon- Verkehrsplanern große Probleme: Nur eine krete Zahlen. 25 Prozent, wie von Dezer- Straße, die Wunstorfer führt aus dem Viertel nent Bodemann Anfang des Jahres ins heraus, nach Westen direkt über eine schGespräch gebracht, kann die Stadt an der male Brücke, nach Osten bis nach Linden Stelle wohl nicht finanzieren. »Wir müss- und zum Schnellweg. Andere Straßen gibt ten dann alles Geld, was für die Förderung es nicht, ein neuer »Leinesprung« durch die von Belegrechtswohnungen zur Verfügung Auen Richtung Stöcken gilt als unrealistisch. Auch die etwa 500 Meter entfernt entlang fahrende Straßenbahnlinie 10 kann wegen Anzeige der späteren Durchfahrt durch die FußgänWer kümmert sich morgen um Ihre Wohnung oder Ihr Haus? gerzone in Linden-Nord nicht allzu sehr verlängert oder im Takt ungehemmt aufgestockt werden. Vor einem »Verkehrschaos« warnen entsprechend Bezirksbürgermeister und Alt-Limmeraner. Gleichwohl fordert citymanager.de - Immobilienservice ☎︎ 05 11 / 16 91 95 22 service@citymanager.de die rot-grüne Ratsmehrheit in ihrem Antrag cher entsenden, um dort in dichter Arbeitsatmosphäre mit den Planern Einzelfragen und Gutachten inhaltlich zu klären. Hilfestellung sollen die Kritiker von einem Anwaltsplaner bekommen, ein von der Stadt bezahlter, fachlich versierter Berater, der die Fragen, Ängste und Vorschläge bündeln und unterstützen soll. Wer den Posten übernimmt, wird nach Auskunft von Stadtsprecher Dennis Dix aktuell verhandelt. Aussichtsreich erscheinen die Architekten Gerd Runge und Mark Hömke aus Linden-Limmer sowie der renommierte Bauhistoriker Sid Auffahrt.

nun einen »guten Stadtbahnanschluss«. Die Region, zuständig für den ÖPNV, solle daher prüfen »ab welcher Bebauungsdichte« ein Ausbau der Stadtbahn- und Buslinien »wirtschaftlich« sei. Auf Deutsch: Nur wenn das neue Areal genug neue Bewohner haben wird, lohnt sich ein Verkehrsausbau. Die BI sieht das sehr kritisch: »Es können maximal so viele Bewohner angesiedelt werden, wie von einer realistisch zu erstellenden Verkehrsinfrastruktur stressfrei und ohne Nachteile für die existierende Bevölkerung bewegt werden können«, fordert sie in einer Stellungnahme zum jetzt diskutierten Ratsantrag. Baupolitiker Michael Dette bringt das in Rage: »Ich lass mir doch die Bebauungsdichte der Wasserstadt nicht von einem Verkehrsproblem am Schnellweg diktieren.« Tatsächlich scheint die Auffahrt am Westschnellweg das Nadelöhr, das den PKW-Verkehr weit nach Limmer hinein zurückstauen könnte. Nur eine Verbreiterung der Leinebrücke samt neuer Auffahrt könnte hier Abhilfe schaffen, der Schnellweg aber ist eine Bundesstraße. Um Druck vom Kessel am alten Contigelände zu nehmen, hat die Ratskoalition am Kronsberg im Süden der Stadt ein weiteres Baugebiet ausgewiesen, das eigentlich, wenn überhaupt, 2025 zu Bauland werden sollte. Der südliche Kronsbergrand soll nach dem Willen von SPD und Grünen nun aber schon in drei Jahren angeboten und verplant werden. Platz ist dort für 4.000 neue Bewohner in 1.800 Wohneinheiten, also kaum weniger als in der Wasserstadt. Kämpfe wie in Limmer sind im angrenzenden Bemerode kaum zu erwarten. Volker Macke


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Wohnungsnot beenden anders. Das Wegziehen aufs Land oder an den Stadtrand war der Normalfall. Heute bleibt eine hohe Anzahl Menschen in der Stadt. Dadurch steigen die Mieten stark an. Bei erhöhter Nachfrage besteht die Gefahr, dass die Anbietermacht ausgenutzt wird.« Holger Rosemeyer, Fachanwalt für Sozialrecht, stellte Fälle aus seiner Praxis vor, wie schnell dem Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund des Hartz-IV-Systems der Verlust der Wohnung folgen kann. Rainer Müller-Brandes, Leiter des Diakonischen Werkes, schilderte, wie die Wohnungsnot beim ärmeren Drittel der Bevölkerung die Existenz beeinträchtigt und Entwicklungs- und Teilhabechancen zerstört. Veranstalter der Tagung waren »Transition Town Hannover«, Diakonisches Werk, DGB und Pestel-Institut – die schon früh immer wieder vor der drohenden Wohnungsarmut gewarnt hatten. Die öffentliche Diskussion in der Marktkirche moderierte Asphalt-Redakteurin Renate Schwarzbauer. Eindrücklich waren die zahlreichen Wortmeldungen aus dem Publikum. Betroffene und Fachkräfte aus der Sozialarbeit schilderten Wohnungsnotlagen: von Haftentlassenen, von älteren Menschen, die noch gar nicht in einem Heim leben müssten, aber keinen bezahlbaren, seniorengerechten Wohnraum fi nden, von Menschen aus Ein-

Foto: Jan Leschke/TTH

Studien des Pestel-Institutes zeigen: Man hatte sich jahrelang in Hannover geirrt. Politik und Wohnungswirtschaft rechneten mit einem deutlichen Bevölkerungsrückgang. Das Gegenteil trat ein: Die Bevölkerungszahl der Stadt steigt, besonders stark seit 2008, und sie steigt stärker, als selbst die korrigierten Vorhersagen vermuteten. Nun herrscht akuter Mangel an bezahlbaren Wohnungen, oft stehen sich hunderte von Bewerbern gegenseitig auf den Füßen. Die Verlierer der aktuellen Entwicklung sind Arme, Arbeitslose, Alleinstehende, Wohnungslose, Behinderte, Aufstocker und alte Menschen mit geringer Rente. Eine Tagung und ein öffentliches Forum Ende Juni in der Martkirche zum Thema »Wohnungsarmut in Hannover und der Region« erbrachte: Es fehlen mehrere tausend Wohnungen. Matthias Günther, Leiter des Pestel-Institutes, benannte den Zusatzbedarf mit rund 7.900 Wohnungen, die neu errichtet werden müssten, und 7.600 Wohnungen, die in so schlechtem Zustand sind, dass sie entweder grundsaniert oder ganz ersetzt werden müssten. Zusammen über 15.000 Wohnungen. Günther: »Was sich grundlegend geändert hat: Junge Menschen, die nach Ausbildung oder Studium in den Beruf gehen und eventuell schon eine Familie gegründet haben, verlassen die Stadt nicht mehr. Das war früher

»Das Recht auf Wohnen muss auch für Menschen mit geringem Einkommen gelten«: Diakonieleiter Rainer Müller-Brandes im Gespräch mit Asphalt-Redakteurin Renate Schwarzbauer (Moderation).

Grafik: TTH

Tagung in Hannover gibt Impulse an Politik und Mietmarkt. Asphalt und Diakonisches Werk beteiligt an »Bündnis gegen Wohnungsnot«.

richtungen der Wohnungslosenhilfe, die eigentlich so stabilisiert sind, dass sie eigenständig wohnen könnten, aber bei der Suche leer ausgehen. Bis zu 40 Prozent der Bevölkerung Hannovers erfüllen aus Armutsgründen die Kriterien für das Anrecht auf eine Sozialwohnung, doch nur sechs Prozent werden fündig. Neue Sozialwohnungen wurden in den letzten Jahren praktisch nicht mehr gebaut, erst langsam fahren die Stadt Hannover, das Land Niedersachsen und der Bund die Wohnungsförderung, wie sie früher üblich war, wieder an. Tagungsorganisator Jochen Peiler: »Der Markt entwickelt sich einseitig zugunsten der hohen und höchsten Einkommen. Zum Schutz der Schwächeren braucht es öffentliche Programme.« Auch Politiker von SPD, Grünen, CDU und der Linken nahmen an der Tagung teil. Um die gewonnenen Erkenntnisse und Handlungsperspektiven nicht aus den Augen zu verlieren, soll nun ein »Bündnis gegen Wohnungsarmut« entstehen. Mit der Absicht konkreter Empfehlungen an Politik und Wohnungswirtschaft zu Sanierung und Neubau von Sozialwohnungen, Mietpreisdeckelung und einer Sozialwohnungsquote in Neubaugebieten. Neben Initiator Transition Town wollen sich das Diakonische Werk und Asphalt an diesem Bündnis beteiligen. red


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Das große Gefälle

Foto: Alexander Raths/Fotolia

Im Alter verarmen vor allem Frauen. Dieses Problem verlangt Aufmerksamkeit: Der erste »Equal Pension Day« ist am 4. August.

Den Cent dreimal umdrehen: Für viele Rentnerinnen ist das bitterer Alltag.

Jedes Jahr im März, am »Equal Pay Day«, tragen viele Frauen in Deutschland symbolisch eine rote Handtasche und weisen damit auf die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern hin. Die sind in Deutschland größer als in vielen anderen EU-Staaten: Hierzulande verdienen Frauen im Durchschnitt 22 Prozent weniger als Männer. Um so viel zu verdienen wie Männer in einem Jahr müssen Frauen im Durchschnitt 80 Tage länger arbeiten – für ein vergleichbares Jahreseinkommen in 2013 bis zum 21. März 2014. Im Rentenalter wird die Lohnlücke zur wahren Kluft: Der sogenannte »Gender Pension

Gap«, das Rentengefälle zwischen Frauen und Männern, lag nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2011 bei durchschnittlich knapp 60 Prozent. »Altersarmut mit all ihren negativen Folgen trifft deshalb vor allem Frauen besonders hart«, stellt Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt fest. »Die abwärts führende Spirale beginnt schon lange vor dem Rentenalter. Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Berufen als Männer, und selbst für die gleiche Arbeit bekommen sie weniger Geld. Sie haben oft Minijobs – die bieten aber kaum Perspektiven für ein kontinuierliches und erfolgreiches Berufs-

leben. Wegen der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen fehlen ihnen häufiger als Männern rentenwirksame Zeiten.« Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, hat Cornelia Spachtholz mit dem Verband berufstätiger Mütter (VBM) den »Equal Pension Day« ins Leben gerufen. Er findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt, und zwar am 4. August. »Frauen erreichen erst an diesem Tag, also nach mehr als sieben Monaten, die gleiche Rente wie Männer im Jahr 2013«, erklärt die Vorstandsvorsitzende des VBM. Bei der Berechnung des Datums werden nur die eigen


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erworbenen Rentenansprüche der Frauen berücksichtigt. Doch auch, wenn ausgleichende Faktoren wie Hinterbliebenenrenten eingerechnet werden, bessert sich die Bilanz nicht wesentlich. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, das Bundesforum für Männer und die Frauenkarrieremesse »women & work« unterstützen als Bündnis die VBM-Initiative. »Mit dem ›Equal Pension Day‹ möchten wir die jungen Frauen und Männer sensibilisieren, damit sie bei der Aufteilung von Berufs-, Familien- und Hausarbeit nicht nur die momentane Vereinbarkeitssituation und das aktuelle Nettohaushaltseinkommen, sondern auch die Konsequenzen fürs Alter im Blick haben«, betont Cornelia Spachtholz. Weil der Rentenanspruch im Wesentlichen von der Zahl der Beitragsjahre und der Höhe des Einkommens abhängt, führen längere Auszeiten, Teilzeitarbeit und Minijobs in die Rentensackgasse: »Umdenken ist nötig – bei jedem Einzelnen, aber auch in Politik und Wirtschaft. So müssen Kompetenzen aus Familienzeit im Beruf anerkannt, frauentypische Berufe aufgewertet werden – auch finanziell. Es ist nicht einzusehen, dass es uns mehr wert ist, ein Pflegeheim zu bauen, als die Menschen tatsächlich zu pflegen.«

Grundsicherung im Alter

Seit 2003 haben Menschen nach dem Grundsicherungsgesetz Anspruch auf staatliche Hilfe, wenn sie über 65 Jahre alt oder dauerhaft nicht erwerbsfähig sind und ein monatliches Einkommen von durchschnittlich unter 758 Euro haben. Bei der Berechnung des Bedarfs werden alle Einkommen, Haus- und Grundvermögen sowie eigene Ersparnisse angerechnet. Die Kinder werden nur zur Kasse gebeten, wenn Sie über ein sehr hohes Einkommen – rund 100.000 Euro nach Abzug aller Kosten – verfügen.

Auch bei der seit Juli gezahlten Mütterrente soll nachgebessert werden: »Wir möchten, dass die Erziehungsleistungen aller Mütter gleich bewertet werden, egal wann und wo das Kind geboren wurde«, so Cornelia Spachtholz.

Deutliche Zahlen Wie fatal sich traditionelle Rollenteilung und lange Familienpausen auswirken, lässt sich im Alterssicherungsbericht 2012 ablesen: Kinderlose Frauen bringen es durchschnittlich auf 1.099 Euro eigene Alterssicherungsleistungen, Mütter mit vier oder mehr Kindern auf nur 516 Euro. Das persönliche Nettoeinkommen von Frauen ohne Kinder beträgt durchschnittlich 1.283 Euro, das von Müttern 878 bis 1.084 Euro. In den neuen Bundesländern sind die Unterschiede geringer als in den alten. Lange Familienpausen waren in der DDR selten; Rentnerinnen in den neuen Bundesländern bringen es auf deutlich mehr Erwerbsjahre. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung erhielten Frauen aus den alten Bundesländern Ende 2013 monatlich durchschnittlich 512 Euro eigene Altersrente – bei den Männern waren es mit 1.003 Euro fast doppelt so viel. In den neuen Bundesländern ist der Unterschied zwischen den eigenen Rentenansprüchen geringer: Frauen kommen dort durchschnittlich auf 755 Euro eigene Rente, Männer auf 1.096 Euro. Verwitwete Frauen bekommen in den neuen Bundesländern durchschnittlich 623 Euro Witwenrente, in den alten Bundesländern 576 Euro. Die gesetzliche Rentenversicherung ist die wichtigste Säule der Alterssicherung – aber nicht die einzige. Aber auch beispielsweise bei der betrieblichen Altersversorgung haben die Frauen das Nachsehen: 34 Prozent der Männer, aber nur 9 Prozent der Frauen in den alten Bundesländern erhalten zusätzliche Renten. Die meisten Frauen müssen im Alter mit sehr wenig Geld auskommen: In den alten Bundesländern hatten fast die Hälfte aller Rentnerinnen (47,1 Prozent) weniger als

451 Euro eigene Rente. Auch etwa jede dritte ausgezahlte Witwenrente lag unter 451 Euro. In den neuen Bundesländern sind MiniRenten seltener: Neun von zehn Ost-Rentnerinnen beziehen mehr als 450 Euro eigene Rente; auch der Anteil der Witwenrenten bis zu 450 Euro ist mit 17 Prozent nur halb so hoch wie im Westen.

Armut macht krank Es ist nicht selten, dass die eigene Rente oft nicht zum Leben reicht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bekamen Ende 2012 knapp 465.000 Menschen über 65 Jahren Grundsicherung im Alter – 6,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Fast zwei Drittel waren Frauen. »In den vergangenen zwei bis drei Jahren lassen sich verstärkt Frauen beraten«, bestätigt Katharina Lorenz, Juristin beim SoVD (Sozialverband Deutschland), Landesverband Niedersachsen in Hannover. Viele von ihnen haben ihre Erwerbstätigkeit ganz aufFortsetzung auf der nächsten Seite

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In weiter Ferne

Die sogenannte Eck- oder Standardrente liegt derzeit bei 1.236,15 Euro im Westen und bei 1.096,65 Euro im Osten.

Mithilfe der im Sozialgesetzbuch (§ 154 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) definierten Regelaltersrente wird das Standardrentenniveau berechnet. Um die Standardrente mit genau 45 Entgeltpunkten zu erreichen, müssen Versicherte 45 Jahre lang das jeweilige Durchschnittseinkommen verdienen – und entsprechend Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Die Wirklichkeit: Frauen in den alten Bundesländern bringen es – abhängig vom Alter – auf durchschnittlich 18 (Frauen über 80) bis 23 Erwerbsjahre (75- bis 70-Jährige); Frauen in den neuen Bundesländern immerhin auf 29 (85+) bis 34 (65 – 70-Jährige).

gegeben oder lange unterbrochen, um sich um Kinder und Haushalt zu kümmern; nach der Familienpause haben sie oft nur Teilzeit gearbeitet. Dadurch ist ihre eigene Rente oft niedrig. Und auch die Versorgung durch den Mann oder seine Rente funktioniert immer seltener. »Nach dem neuen Rentenrecht werden nur noch 55 Prozent der Rente des Mannes als Hinterbliebenenrente ausgezahlt, in der Vergangenheit waren es 60 Prozent«, erklärt Katharina Lorenz einen Grund. Außerdem trennen sich Paare weit häufiger als früher. »Geschiedene Frauen haben oft nur kleine Renten«, weiß sie. Trotzdem zögern gerade Frauen oft, Hilfe zu beantragen: »Die Scham ist groß. Die Frauen versuchen, so lange wie möglich allein über die Runden zu kommen.« Sie leben vom Ersparten, sparen am Essen oder versuchen, irgendwie auszukommen – mit Hilfe der Tafeln beispielsweise, notfalls auch durch Unterstützung von Freunden und Verwandten. Viele bessern ihre Mini-Rente durch

Mini-Jobs auf: »Eine Frau, die ich beraten habe, hat sich jahrelang mit zwei Mini-Jobs über Wasser gehalten – bis sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr konnte«, nennt die Juristin ein Beispiel. Armut, so ihre Erfahrung, macht oft krank – psychisch und physisch. Deshalb sollten Rentnerinnen und Rentner sich nicht scheuen, Grundsicherung zu beantragen und durch die staatliche Hilfe ihren Alltag ein bisschen zu erleichtern, rät Katharina Lorenz. Der SoVD und andere neutrale Stellen beraten Menschen und stellen die Anträge auf Grundsicherung. Der Gang zum Sozialamt bleibt den Antragstellern auf diese Weise erspart. Der schreckt vor allem Frauen häufig ab. »Je kleiner die Gemeinde, desto schambesetzter ist es für viele, dass sie staatliche Hilfe benötigen«, sagt Katharina Lorenz. Die versteckte Armut ist groß. So bezogen nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2007 nur rund 340.000 Menschen über

65 Grundsicherung – Anspruch hatten gut eine Million. »Um Altersarmut entgegenzuwirken, müssen jetzt die Weichen gestellt werden«, erklärt Sozialministerin Cornelia Rundt. »Der in Berlin mit Unterstützung Niedersachsens beschlossene Mindestlohn ist ein richtiger und wichtiger Schritt in diese Richtung. Gerade Frauen werden davon profitieren. Auch setzt sich Niedersachsen dafür ein, dass die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern von über 22 Prozent geschlossen wird.« Dafür machen sich auch Cornelia Spachtholz und ihre Mitstreiterinnen stark: »Wir wollen ein breites Bündnis von Expertinnen und Experten schaffen, die sich seit jeher für Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit sowie gegen Altersarmut engagieren. Der ›Equal Pension Day‹ soll als markanter symbolischer Stichtag helfen, die Öffentlichkeit wachzurütteln.« Eva Walitzek-Schmidtko

Anteilige Rentenschichtung

Rentenempfänger insgesamt (Rente wegen verm. Erwerbsfähigkeit und wegen Alters)

Anzahl Männer: 7.068.801 mtl. Rentenhöhe 300 - 450 Euro

Anzahl Frauen: 8.450.670 Männer: 5,6 % Frauen: 14,4 %

900 - 1.050 Euro

Männer: 10,0 % Frauen: 6,2 %

1.500 Euro und mehr

Männer: 15,3 % Frauen: 0,8 %

Rentenschichtung am 31.12.2013, alte Bundesländer.

Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung – Rentenbestand am 31.12.2013


Biografisches Asphalt 08/2014 13

Wer war eigentlich … Noch mit 88 Jahren saß die Gründerin des Londoner Wachsfigurenkabinetts »Madame Tussaud’s« selbst an der Kasse. Da war sie bereits eine Berühmtheit, die in Reiseführern erwähnt wurde. Dass sie ihren Söhnen ein (bis heute) florierendes Unternehmen hinterlassen konnte, verdankte sie ihrem Arbeitswillen und ihrem Talent – zur Wachsbildnerei und zur Vermarktung.

Foto: Wikicommons

… Madame Tussaud? ging nicht mehr in Curtius’ Wachsfiguren-Ausstellungen.

1802 reiste Marie Tussaud mit rund 30 ausgewählten Wachsfiguren und ihrem älteren Sohn, dem vierjährigen Joseph, nach England. Den jüngeren Sohn François und die Pariser Ausstellung ließ sie in der Obhut ihres Mannes, der das Unternehmen allerdings ruinierte. »Ich werde nicht ohne eine wohlgefüllte Börse zurückkehren,« schrieb sie damals. Sie kehrte Als Anna Maria »Marie« Grosholtz am 1. Denie zurück, sondern bereiste 33 Jahre lang als zember 1761 in Straßburg zur Welt kam, war Schaustellerin mit einem Wohnwagen Engihr Vater, der Soldat Joseph Grosholtz, seit land, Schottland und Irland – als alleinerziezwei Monaten tot – gefallen im Siebenjährigen hende Mutter zu einer Zeit, in der Reisen sehr Krieg. Mutter Anna Grosholtz ging als Hausbeschwerlich war. Anfangs sprach sie nicht älterin des Arztes und Wachskünstlers einmal Englisch. Phillippe Curtius mit ihrem Kind nach Bern, 1822 ertrank sie fast bei einem Schiffbruch, im später folgten sie ihm nach Paris, wo er mit selben Jahr stieß der jüngere Sohn zum Famiseinen Wachsbildnissen Erfolg hatte. Marie Madame Tussaud als Wachsfigur – lienunternehmen, neun Jahre später drohten nannte Curtius »Onkel«, von ihm lernte sie die porträtiert von ihrem Urenkel John sie, ihre Söhne und die Figuren bei Unruhen Kunst des Wachsbildens und zeigte großes Theodore Tussaud. in Bristol zu verbrennen … Talent. Im Hause Curtius gingen Adlige und Intellektuelle ein und aus, von denen Marie und Curtius Wachsfigu- Marie Tussaud gab nicht auf. Unermüdlich reiste sie herum, reparen schafften, darunter Voltaire, Benjamin Franklin, Jean-Jacques rierte alte und schaffte neue Ausstellungsstücke, organisierte AusRousseau. Angeblich wurde Marie in den 1780er Jahren als Kunst- stellungsräume und machte Werbung. Ab und zu gönnte sich die Geschäftstüchtige mit dem kaslehrerin für die Schwester Ludtanienbraunen Haar etwas wigs XVI. nach Versailles geholt – Schnupftabak oder ein Lotterieaber außerhalb ihrer Memoiren los. Die Briten interessier ten sich gibt es dafür keine Belege. Während der Französischen Revolution ab 1789 kam Marie ins sehr für Frankreich und die Revolutionszeit – Marie verlieh ihrer Gefängnis. Ihrer eigenen Hinrichtung auf der Guillotine entging Ausstellung als Augenzeugin und (vermeintliche?) Freundin des sie angeblich wegen ihres Talents als Wachsbildnerin: sie sollte die Königshauses Authentizität. Es gab noch keinerlei Massenmedien – Köpfe der hingerichteten Adligen als Wachsköpfe erhalten – die die Faszination, die ihre Ausstellungen und ihre Geschichten ausaufgespießten Originale verwesten zu schnell, wenn sie zum Spott übten, ist kaum zu überschätzen. des Volkes durch die Straßen getragen wurden. Marie nahm unter anderem Abdrücke der abgetrennten Köpfe von Ludwig XVI. und Erst mit 75 Jahren wurde Madame Tussaud sesshaft und eröffnete seiner Frau Marie Antoinette, aber auch von den Revolutionären 1835 in London ihr Wachsfigurenkabinett: ein großer Erfolg, der die Gründerin selbst zur Berühmtheit machte. 1835 schrieb sie ihre Robespierre und Danton. Memoiren, 1842 fertigte sie als letzte Arbeit ihr eigenes Abbild in Als Phillippe Curtius 1794 starb, erbte Marie alles: drei Immobilien, Wachs, dann übergab sie den Betrieb an Sohn Joseph. Trotzdem saß sie weiterhin an der Kasse. Am viele Wachsfiguren – und Schul16. April 1850 starb Marie Tussaud den. Ein Jahr später heiratete sie Kate Berridge: Madame Tussaud. Eine Biografie. Osburg Verlag, 88-jährig in ihrem Bett, die Söhne den Ingenieur François Tussaud. Berlin, 2009. Nur noch antiquarisch. waren bei ihr. Im Totenschein der Von ihren drei Kindern überlebSabine Weiß: Die Wachsmalerin. Das Leben der Madame Tussaud. Wachskünstlerin und erfolgreiten nur zwei Söhne das Säugling(Historischer Roman) List, 2008. chen Geschäftsfrau stand als salter. Wegen der Trunksucht des Sabine Weiß: Das Kabinett der Wachsmalerin. Beruf: »Witwe von François Gatten kriselte die Ehe bald und Der Madame-Tussaud-Roman. (Historischer Roman) List, 2010. Tussaud«. Nicole Puscz das Geld wurde knapp: das Volk

Schöpferin der Wachsfiguren


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Arbeitgeber: hingucken!

Bildungsgutscheine ermöglichen Langzeitarbeitslosen, ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen und so für sich auf dem Arbeitsmarkt zu werben.

Klar, Familienmitglieder werden kommen. Freunde werden die Daumen drücken und mitfiebern. Am meisten erwünscht als Zuschauer des Stückes »Die Suche nach dem Mehr« sind jedoch: Arbeitgeber. »Das Ziel dieser Theater-Inszenierung ist nicht in erster Linie, Kunst auf die Bühne zu bringen. Das Ziel ist, Menschen in Arbeit zu bringen. Die Theaterarbeit ist das Mittel zum Zweck«, sagt Hartmut Berg, Teamleiter des Jobcenters Garbsen, und ergänzt: »ein sehr gutes Mittel.« Daniela Fecht, 33, Bürokauffrau, Mutter zweier Kinder, langzeitarbeitslos, probt seit Wochen intensiv für das Stück: »Die Teamarbeit ist klasse. Wir machen das meiste selbst, miteinander stellen wir diese Geschichte auf die Bühne. Aber natürlich sind da auch Zweifel: Bringt das was? Wird uns wirklich jemand anstellen? Es gibt schon Tage, an denen wir durchhängen.« An diesen Tagen hilft Christine Brussig weiter. Sie ist Jobcoach und Sozialpädagogin: »Arbeitslosigkeit hat immer schwere Folgen für die Betroffenen und ihre Familien. Die Frauen und Männer, die hier bei der TheaterInszenierung mitmachen, haben schon herbe Enttäuschungen und vergebliche Maßnahmen der Wiedereingliederung in den

Kürzung und Verschärfung Aus dem »Sozialbericht 2014« des Paritätischen: »Mehr als ein Drittel aller Arbeitslosen sind langzeitarbeitslos. Bundesweit sind das derzeit mehr als eine Million Menschen. 2012 gab es in Deutschland 41.6 Millionen Erwerbstätige, sie leisteten ein jährliches Arbeitsvolumen von rund 58 Milliarden Stunden. Zum Vergleich: Bereits 1960 wurde ein Arbeitsvolumen von 56,4 Milliarden Stunden erreicht – von damals lediglich 26 Millionen Beschäftigten. Das heißt, das Arbeitsvolumen hat kaum zugenommen, wohl aber die Zahl der Erwerbstätigen.

Arbeitsmarkt hinter sich. Ich bespreche mit jedem und jeder die persönlichen Sorgen und Probleme und versuche, Perspektiven aufzubauen.« Die Jobcenter sind in Deutschland für das »Fordern und Fördern« der Langzeitarbeitslosen zuständig. Die Rahmenbedingungen legt die Bundespolitik fest (siehe Kasten), jedes örtliche Jobcenter hat aber einen gewissen Spielraum, diese gesetzlichen Vorgaben auszulegen. Jobcenter, die die Regeln harsch auslegen, die Arbeitslosen piesacken und im übrigen eine geringe Vermittlungsquote haben, gibt es etliche. Wer Einblick gewinnen will in die restritiven Aspekte, muss nur die Website http://tacheles-sozialhilfe.de rauf und runter lesen. Doch es geht auch anders: »Im Jobcenter Garbsen sind wir früh neue Wege gegangen«, sagt Bereichsleiter Heinz Werner. »Wir haben gesehen, dass manche Langzeitarbeitslosen immer schwieriger zu vermitteln sind auf dem Arbeitsmarkt. Da haben wir uns gedacht: Gerade für diese Leute müssen wir etwas tun.« Wer länger als ein Jahr keine Arbeit hat, gilt als langzeitarbeitslos. Er hat Anspruch auf Hartz IV, das sich in die Kosten für die

Unterkunft und eine Pauschale für die Lebenshaltung aufteilt. Hartz IV kann aber noch eine zusätzliche Förderung bedeuten (kann, ein Anspruch darauf besteht nicht): den Erhalt von Bildungsgutscheinen. Erst diese Gutscheine machen zum Beispiel die Garbsener Theaterarbeit möglich. Unterschiedlichste Träger bieten Bildungsmaßnahmen für Arbeitslose an. Da gibt es durchaus auch Missbrauch: teure Maßnahmen mit geringem Erfolg. Das Jobcenter Garbsen hat jedoch gute Erfahrungen gemacht mit dem privaten Bildungsträger »defakto«. Er hat sinnvoll durchdachte, effektive Programme für unterschiedliche Zielgruppen parat: junge Arbeitslose, Migranten, Alleinerziehende, Schulabbrecher oder auch Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung den Arbeitsplatz verloren haben. Für arbeitslose Frauen und Männer ab 25 Jahren bietet defakto das Programm »mach:Art« an. Theaterpädagogin Johanna Kunze, die im Auftrag von defakto das Stück »Die Suche nach dem Mehr« inszeniert, erklärt das Grundprinzip: »Mit den Arbeitslosen in Garbsen arbeiten wir an dem Stück und erreichen damit gleichzeitig viele andere Ziele: Teamarbeit wird

zierungsmaßnahmen betrug im Jahr 2012 jahresdurchschnittlich 147.482. Verglichen mit den 263.649 Qualifizierungsmaßnahmen im Jahr 2009 hat sich die Anzahl damit beinahe halbiert. Im gleichen Zeitraum konstant blieb dagegen die Zahl der Teilnahmen an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, die von 131.760 im Jahr 2009 bis auf 144.397 im Jahr 2012 leicht anstieg.

zum 1. April 2012 in Kraft getreten ist, zielte zudem auf massive Kürzungen der öffentlich geförderten Beschäftigung.« (Der ganze Bericht ist unter www.paritaet.org zu finden.)

Der deutliche Rückgang im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik beruht wesentlich auf den im Jahr 2010 beschlossenen Einsparungen. In den Jahren 2011 bis 2014 sollten damit EinspaIn den vergangenen Jahren ist ein deutlicher rungen im Umfang von 16 Milliarden Euro Bedeutungsverlust der aktiven Arbeitsmarkt- erzielt werden. Die 2011 beschlossene Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, die politik zu verzeichnen. Die Zahl der Qualifi-

Aktuell überarbeitet die Bundesregierung die Hartz-IV-Gesetze unter dem Arbeitstitel: »Rechtsvereinfachungen im SGB II«. Soziale Organisationen kritisieren, dass zwar immer wieder mögliche Einzelheiten der Reform an die Öffentlichkeit dringen, zum Beispiel eine geplante Verschärfung der Sanktionen. Der Änderungsprozess geschehe aber nicht transparent, sondern weitgehend verschwiegen, sodass ein frühzeitiges Eingehen auf Vorhaben, die die Lage von Langzeitarbeitslosen härter gestalten, kaum möglich sei. sch


Foto: Tomke Friemel

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Präsenz zeigen, mit Selbstbewusstsein auftreten, die Anonymität verlassen: Theaterspielen kann Langzeitarbeitslosen zu neuem Mut verhelfen.

wieder eingeübt, Konzentration, bei der Sache bleiben, Ausdauer, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, auch Frusttoleranz – Fähigkeiten, die für das Theater unabdingbar sind, für jedes andere Arbeitsleben aber eben auch.« Das Jobcenter Garbsen stellt die Bildungsgutscheine aus, die Langzeitarbeitslosen lösen sie bei defakto ein. Hartmut Berg: »Die Gutscheine, die wir für diese Maßnahme vergeben, haben pro Teilnehmer durchaus den Gegenwert eines Kleinwagens«. Neun Monate lang kommen die Männer und Frauen an fünf Tagen in der Woche von 9 bis 14 Uhr zusammen, besprechen mit Christine Brussig und Johanna Kunze ihre persönliche Lage und woran ihr Arbeitsleben bisher scheiterte. Kunze: »Es ist sehr schön zu sehen, wie im Laufe der Maßnahme Kreativität, Lebensfreude, Mut, Selbstbewusstsein wieder zum Vorschein kommen. Gute Voraussetzungen für Bewerbungssituationen.« Aus den Reihen der 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird das Stück selbst geschrieben. Es handelt von Verlust und Glück im Arbeitsleben, von Hoffnung, Ablehnung und Ausbeutung,

von Unterstützung und Solidarität. Spielwitz und Galgenhumor kommen nicht zu kurz. Teilnehmer, die es nicht als Darsteller auf die Bühne zieht, werden in der Abteilung Technik für Bühnenbild, Kostüme und Licht gebraucht. Zur Fördermaßnahme gehören auch kürzere und längere Praktika in hannoverschen Unternehmen. Dort haben drei Teilnehmer bereits ein festes Übernahmeangebot erhalten, etwa in der Metall- oder der Reinigungsbranche. Sozialpädagogin Christine Brussig und auch das Jobcenter achten darauf, dass die Stellenangebote den Mindestlohnanforderungen entsprechen. Jetzt, kurz vor der Premiere, resümiert einer der Teilnehmer: »Der Arbeitsmarkt ist hart, und wir alle hatten nicht gerade einen Traumstart ins Leben und in die Berufswelt. Hier haben wir dazugelernt, wurden ernst genommen, konnten vieles auf die Beine stellen. Wir freuen uns auf die Aufführungen. Aber das Beste wäre, wenn wir danach wieder in Lohn und Brot kämen.« Renate Schwarzbauer »Die Suche nach dem Mehr«: Aufführungen am 13. und 14. August, jeweils 19.30 Uhr,

Johannes-Kepler-Realschule, Martensplatz 20, 30459 Hannover-Oberricklingen, U-Bahn 3/7, Haltestelle B.-Knaust-Strasse. Eintritt frei. Informationen für Arbeitgeber an den Theaterabenden oder bei Hartmut Berg, Jobcenter Garbsen, Telefon 05131 – 499 96 65, E-Mail: Hartmut.Berg@jobcenter-ge.de. Anzeige

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16 Asphalt 08/2014 Unsere August-Tipps

Ausstellung

Schmuckbörse

diale »Zerhackstückung« seit 1996. Zur Eröffnung und zum Wer braucht Abschluss gibt es Konzerte: am Feminismus? 1. 8. von Sonytony, am 30. 8. Wer braucht Feminismus? von Rumpeln (beides ist Anton Diese Frage beantworteten in Kaun). Deutschland über 1.000 Men- 1. bis 30.8., montags bis freitags schen in knapp zwei Jahren. Ein 17 bis 20 Uhr, Kunstraum bei Koc, Teil der vielfältigen und ganz Hahnenstraße 8, Hannover. persönlichen Antworten jenseits Eintritt frei. Konzerte am 1. und 30.8., je des Klischees ist noch bis zum 20 Uhr. Eintritt: 5 Euro. 15. 8. in einer Wanderausstellung in Hannover zu sehen. Wer möchte, kann in der Ausstellung auch ein eigenes Statement abgeben.

Das Diakonische Werk hat zugunsten benachteiligter Kinder Schmuck in allen Variationen gesammelt: Modeschmuck, Ketten, Ringe, Broschen... Dieser Fundus wird zum Kauf angeboten. Schmuckdesignerinnen ergänzen das Angebot um eigene Stücke. Nebenbei zeigen Profis kreativ Interessierten, wie sie Schmuck selbst aufpeppen können und damit etwas interessantes Neues schaffen. So lässt sich beispielsweise entdecken, wie Perlen gefädelt, gehäkelt und verwebt werden – und noch dazu etwas Gutes tun: Der Erlös kommt vollständig Kindermittagstischen, Fördermaßnahmen und Notfallhilfen für Kinder in Hannovers Brennpunktgebieten zugute. Zwischen 11 Uhr und 14 Uhr spielt außerdem die Latin-Jazz-Formation Tom Kölling Band auf dem Ballhofplatz – der Bummel durch die Altstadt lohnt also doppelt!

1. bis 15.8., täglich 10 bis 18 Uhr,

23.8., 11 bis 17 Uhr, Kreuzkirche, Am Kreuzkirchhof, Hannover.

Schmuck für Kinder in Not

Musik & mehr

Bürgersaal im Neuen Rathaus, Trammplatz 2, Hannover. Eintritt frei.

Anton Kaun Anton Kaun ist Video-/Noise-/ Performance-Künstler aus München und auch bekannt als Rumpeln oder Sonytony oder Kaundown. Er schafft komplexe Bild- und Bewegungswelten, deren Geschwindigkeit die Offenheit des Betrachters einfordert – und mitreißt: Lust am Kontrollverlust und multime-

Eintritt frei.

Radio Tonkuhle geht baden Seit zehn Jahren ist der Hildesheimer Bürgersender »Radio Tonkuhle« jetzt on Air – wenn das kein Grund zum Feiern ist! Am Strand gibt es dazu unter dem Motto »Radio Tonkuhle geht baden« Live-Musik auf zwei Bühnen. Auf der Hauptbühne geht es um 15 Uhr los mit dem Finale des Local-Heroes-Wettbewerbs für Hildesheim, außerdem: die Akustikband Barfuss,

Matthew Graye mit »StreberPunk, Beton-Reggae und SynthiSka«, Hot Wire mit Rock’n’Roll und Rockabilly-Klassikern, und als Headliner Der Capt’n und Band mit seiner ausgefallenen Bühnenshow aus eigenen Songs und maritimen Coversongs. Dazu gibt es ein umfangreiches und informatives Programm für Familien, beispielsweise mit einem begehbaren Herzmo-

Spider Murphy Gang und Wohnraumhelden

gewinne!

Die Festwiese wird auch beim neunten Lobetal Openair kein Sperrbezirk – obwohl die Spider Murphy Gang als Headliner den in ihrem 80er-Jahre Hit besingt. Niemand soll ausgeschlossen werden, wenn die diakonische Lobetalarbeit, die vor allem Menschen mit Behinderung betreut, ihr Freigelände für alle öffnet, die Spaß an der Musik haben. Neben der Spider Murphy Gang sind auch die Wohnraumhelden aus Hannover mit ihrem »Sofapop« und intelligenten Texten dabei. Zum Aufwärmen spielt die Lobetal-eigene Band SputniX bekannte Rock- und Popsongs.

13.9., ab 17.30 Uhr, Festwiese der Lobetalarbeit, Fuhrberger Straße 219, Celle. Eintritt: Vorverkauf 15 Euro (unter Tel. 05141 – 40 10), Abendkasse 17 Euro, Kinder erhalten Ermäßigung.

Asphalt verlost 5 x 2 Karten für das neunte Lobetal Openair! Bitte schreiben Sie bis zum 1.9.2014 mit Angabe Ihrer Postadresse an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover, Fax: 0511 – 30 12 69-15. Oder eine E-Mail an: gewinne@asphalt-magazin.de. Viel Glück!

dell, Kinderzirkus zum Mitmachen, einer Zeichenwerkstatt für Groß und Klein und Kanus zum Ausprobieren. Jede Menge Spiel und Spaß am und im Wasser also (mehr Informationen unter www.tonkuhle.de).

16.8., 15 bis 22 Uhr, JoBeach am Hohnsensee, Lucienvörder Allee 1, Hildesheim. Eintritt frei.

»Strom & Wasser« Der Liedermacher Heinz Ratz und eine Begleitcrew aus Flüchtlingen und Unterstützern befahren im Rahmen ihrer »Floßtour 2014« sechs Wochen lang mit zwei Flößen deutsche Flüsse. In seiner Band »Strom & Wasser« spielen auch Musikerinnen aus Flüchtlingsunterkünften. In Hannover legen sie am FAUST-Gelände an. Beim Kinderfest mit Informationsveranstaltung laden Clowns und Puppenspieler dazu ein, gemeinsam zu lachen und zu grübeln. Anschließend bietet die Volxküche ein gemeinsames Essen für alle, die dabei sein möch-


Unsere August-Tipps Asphalt 08/2014 17

möchte, kann am offenen Training auf der Wiese vor dem Wil helm-Busch-Museum teilneh men. Bitte bequeme Kleidung, Interesse an Neuem und gute Laune mitbringen.

20.8., 18 bis 20 Uhr, WilhelmBusch-Wiese im Georgengarten, Hannover. Eintritt frei.

Kinder Sommertheater im Garten

ten. Und ab 20 Uhr stehen dann Heinz Ratz und »Strom & Wasser« beim Konzert auf der Bühne in der Warenannahme.

darf mitgebracht werden. Falls das Wetter nicht mitspielt, findet das Konzert in der Martinskirche am Lindener Berg statt.

21.8., Kinderfest ab 15 Uhr, FAUSTFreigelände (bei schlechtem Wetter Warenannahme), Zur Bettfederfabrik 3, Hannover. Eintritt frei.

30.8., 20 Uhr, Von-Alten-Garten,

21.8., Konzert Einlass 19.30 Uhr, Beginn 20 Uhr, Warenannahme, Zur Bettfederfabrik 3, Hannover, Eintritt: 10 Euro, Flüchtlinge frei.

Eingang Posthornstraße, Hannover. Eintritt: 10 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei.

Verschiedenes

Feinkost-Orchester im Park

Der Garten leuchtet

Auch der schönste Kultursommer geht mal zu Ende und der letzte Ton des Regions-Festivals erklingt im Von-Alten-Garten. Der Tiroler Schlag-Experte Manu Delago webt mit seiner Band und dem Orchester im Treppenhaus einen Klangteppich fragiler Harmonien. Drumherum laden sommerliche Verweilinseln, luftige Plattenkisten und ein vegan-kulinarisches Angebot zum Entspannen, Lauschen und Genießen ein. Aber auch die eigene Picknick-Decke

Der Große Garten in Hannover ist auch nach Einbruch der Dämmerung bezaubernd, wenn bei der Illumination Brunnen, Figuren und Fontäne festlich leuchten. Ganz besonders: »Der Garten leuchtet Spezial« am 19.8. ab 20.30 Uhr. Dann können die Besucher Lampions mitbringen oder an der Kasse erhalten und treffen sich an der Sonnenuhr. Beim Abendspaziergang durch den Garten erstrahlen nach und nach die Wasserspiele und sanfte Klänge begleiten den

Weg. Am Ende steigt die hell erleuchtete Große Fontäne in den Himmel empor. Und dann beginnt die »normale« Illumination.

5., 12., 19., 26.8., 21 bis 22 Uhr, Großer Garten, Herrenhäuser Straße 4, Hannover. Eintritt: 4 Euro, erm. 3 Euro.

Kampfkunst auf der Wiese Bei der japanischen Kampfkunst Aikido geht es vor allem darum, das Körpergefühl, die Koordination und Konzentration zu verbessern – mit fließenden, runden Bewegungen, ohne Leistungsdruck oder Wettkampf. Wer das zwanglos ausprobieren

Auch in der Sommerpause gibt es Kindertheater, denn das Klecks-Theater gastiert auf der Probebühne im Großen Garten. In »Der Trollspion« macht sich ein furchtloser Forscher auf die Suche nach den kleinen, pelzbesetzten Fabelwesen, den Trollen (ab vier Jahren, 1. und 4.8.), in »Das Schätzchen der Piratin« (ab sechs Jahren, 5. und 6.8.) stellen die achtjährige Anja und der achtjährige Nico fest, dass das andere Geschlecht vielleicht doch nicht sooo bescheuert ist, und »Die zweite Prinzessin« (ab vier Jahren, 7. und 8.8.) will nicht immer nur die zweite sein.

1., 4., 5., 6., 7. und 8.8., je 11 Uhr (am 8.8. auch 17 Uhr), Probenbühne im Großen Garten, Herrenhäuser Straße 4, Hannover. Eintritt: 6 Euro, ab 12 Jahren zuzüglich Eintritt Garten 8 Euro, erm. 5 Euro. Anzeige


18 Asphalt 08/2014 Kultur im Fokus

»Die Musik bleibt« Foto: privat

Die Inszenierung »Verlassen« schafft Begegnungen. maligen Umspannwerkes »Musik bietet Zuflucht ist seit 1997 eine Stätte und ist einfach eine Sprache, die jeder verfür Erinnerungskultur, steht«, sagt Danya Segal. die die Künstlerin Almut Die studierte Flötistin Breuste zusammen mit ist seit 30 Jahren Mitihrem 2012 verstorbenen glied in dem preisgekrönEhemann Hans-Jürgen ten Ensemble »Musica Breuste in jahrelanger Alta Ripa«, das 2013 seiArbeit geschaffen hat. nen dritten Echo KlasHerzstück der Ausstelsik in Empfang nahm. lung ist die Halle »Litz»Ich suche in der Musik mannstadt«, benannt immer Themen, die uns nach dem NS-Zwangsaralle berühren. Für mich beiterghetto im polnies wichtig, möglichst vieschen Lodz, das für taulen den Zugang zur Musik Produzentin und Musikerin Danya Segal (l.) zusammen mit Künstlerin Almut Breuste sende Juden die letzte zu ermöglichen«, erklärt in der Gedenkstätte Rosebusch Verlassenschaften. Station vor der Deportasie ihr Anliegen, dem sie tion nach Ausschwitz war. sich seit sieben Jahren als künstlerische Leiterin des Schloss Akkord »Als ich zum ersten Mal in der Halle stand, war ich so ergriffen und Musikfestivals außerdem widmet. Dieses steht für die Verbindung habe sofort Klänge gehört, die hier hineinmüssen«, erinnert sich verschiedener Kunstrichtungen und Kulturen an ungewöhnli- Danya Segal, die in Zusammenarbeit mit Almut Breuste das Konchen Orten und neues Erleben alter Musik. Ob in Tiefgaragen, in zept für »Verlassen« entwickelt hat. So gibt es neben dem Konzert einer U-Boothalle oder im Frauengefängnis: Danya Segal geht mit von Musica Alta Ripa und der Sopranistin Veronika Winter mit ihren Produktionen dorthin, wo sie die Menschen erreicht, um den Verlust-Arien Henry Purcells und Musik von Georg Philipp die es geht. Das verbindende Element all ihrer Stücke liegt in der Telemann zeitgenössische Kunstwerke von Almut Breuste zu sehen. Musik aus dem 17./18. Jahrhundert. »Gerade die Barockmusik zeigt, Die Malerin hat ihre schemenhaften menschlichen Portraits alledass es alle menschlichen Empfindungen schon einmal gab. Allein samt auf Planen aus der Kriegszeit verewigt. diese Erkenntnis, dass man nicht allein mit seinen Gefühlen ist, spendet an sich schon Trost«, ist sie überzeugt. »Verlassen« soll Begegnungen schaffen und besucht die Menschen in ihrem Umfeld: So gastiert die Produktion auch etwa in der In Danya Segals neuer Produktion geht es um Lebensbrüche: Tau- Heimkehrerkirche im Grenzdurchgangslager Friedland oder im sende von Flüchtlingen kommen jedes Jahr nach Niedersachsen, Schloss Oelber, wo in Kooperation mit dem Flüchtlingsheim afrikaallen gemeinsam ist das Gefühl von Entwurzelung, Heimatlosigkeit. nische Frauen landestypisches Essen kochen. »Essen verbindet und Aber auch der Verlust von nahen Familienangehörigen, Arbeits- vermittelt Heimatgefühle – wie auch die Musik«, sagt Danya Segal, losigkeit, Wohnungsverlust, Krankheit oder Strafvollzug haben für »wer alles aufgeben muss, nimmt doch immer eines mit: seine innedie Betroffenen oft die Aufgabe von Vertrautem zur Folge. Trost, ren Melodien. Die Musik bleibt.« Hoffnung und Verlässlichkeit – das will Danya Segal mit ihrem Sonja Wendt Wanderstück »Verlassen« vermitteln, zu dem die gebürtige Londonerin von ihrem ersten Besuch der Rosebusch Verlassenschaften 30.8., 18 Uhr, Rosebusch Verlassenschaften, Rosenbuschweg 9, in Hannover-Ahlem inspiriert wurde. Die Turbinenhalle des ehe- Hannover. Weitere Termine in Niedersachsen: 27.8., 19 Uhr, Schloss Landestrost in Neustadt a. Rbge.; 28.8., 19 Uhr, Heimkehrerkirche im Grenzdurchgangslager Friedland; 29.8. Klosterkirche am Frauengefängnis in Asphalt verlost 3 x 2 Karten für Verlassen« am 30. August in den Vechta; 31.8., 18 Uhr, Schloss Oelber in Baddeckenstedt. Rosebusch Verlassenschaften in Hannover Ahlem. Rufen Sie uns einfach an: am 26.8. um 12 Uhr unter Tel. 0511 – 30 12 69 13. Die ers- Eintritt jeweils 16 Euro, erm. 12 Euro. Karten unter Telefon: 0511 – 16 84 12 22 oder www.vvk-kuenstlerhaus.de und www.reservix.de ten drei Anrufer gewinnen. Viel Glück! sowie an der Abendkasse.

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Aus der Szene Asphalt 08/2014 19

Kicken hilft zurück ins Leben Fußball sozial: Pokal der Wohnungslosen geht nach Gifhorn. ball ist ein wesentlicher Baustein im Hilfekonzept. Beim Training und bei Turnieren wie der NWD erfahren die Menschen Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie erleben zum Teil nach vielen Jahren erstmals wieder, dass sie etwas leisten können, und ihr

Selbstbewusstsein wird gestärkt«, erläutert Werkheim-Chef Andreas Sonnenberg. Werkheim-Spieler Marcel Hille (23) dazu: »Ich spiele gerne Fußball, und die Veranstaltung fand ich sehr gelungen. Ein Trikot macht uns ja alle gleich.« mac

Foto: Werkheim

Mit Hirn, Herz und Physis gekämpft – am Ende haben die Jungs vom Werkheim bei der Nordwestdeutschen Fußballmeisterschaft der Wohnungslosenhilfe (NWD) den respektablen dritten Platz gemacht. Ende Juni waren Teams aus sieben Nordwestdeutschen Einrichtungen angetreten, um um den Cup der Wohnungslosen auf dem Rasenplatz zu kämpfen. Das Werkheim, das mit knapp 200 Plätzen größte Wohnheim für Wohnungslose in Hannover, hatte die Meisterschaft diesmal in der niedersächsischen Landeshauptstadt ausgerichtet. Das waren spannende Spiele in zwei Gruppen. Wie bei einer »echten WM« musste man sich erst für die Finalspiele qualifizieren. Diese konnte nach heiß umkämpften Szenen der SC Diakonie Kästorf aus Gifhorn (Foto) vor den Spielern des Lühlerheim Schermbek für sich entscheiden. Und damit den ersten Platz erobern. Die zweite hannoversche Mannschaft von der Jugendwerksiedlung kam diesmal auf den achten Platz. Dabeisein war ohnehin den meisten alles. »Fuß-

Jeder Kilometer zählt 7. Benefiz-Etappen-Marathon des Werkheims Büttnerstraße in Hannover am Freitag, 29. August Doppelt gut: Dieser Lauf dient einem sozialen Zweck, und alle Teilnehmenden können sich ihre Etappen so einteilen, dass sie der eigenen Leistungsfähigkeit entsprechen. Start- und Zielpunkt liegen auf dem Gelände des Werkheims, Büttnerstraße 9. Das Werkheim ist die größte stationäre Einrichtung in Niedersachsen für wohnungslose Männer (U-Bahn-Haltestelle »Büttnerstraße«, Linien 1 und 2). Die Läuferinnen und Läufer können am Werkheim beginnen, aber auch bei jeder anderen Etappe ein- oder wieder aussteigen. Die Teilnahmegebühr beträgt 5 Euro pro Person. Der Lauf ist ausdrücklich kein Wettkampf, Dabeisein ist alles, mitmachen können weniger Geübte ebenso wie erprobte Läufer. Streckenlänge: fünf Kilometer bis Marathonlänge 44,6 Kilometer. Die gesamte Strecke ist in Fünf-KilometerEtappen unterteilt und führt über öffentli-

che Wege an Maschsee, Leine und Mittellandkanal vorbei sowie durch die Eilenriede. Radfahrer begleiten jede Etappe, auch ein Gepäckservice und Versorgung auf der Strecke sind gewährleistet. Auch am Zieleinlauf ist für Getränke und einen kleinen Imbiss gesorgt. Zur letzten Etappe sind auch Walker willkommen. Beginn 13 Uhr, Ende gegen 18.40 Uhr. Der Clou: Angemeldete Gruppen können einen Pokal gewinnen. Und zwar nicht für die beste Zeit, sondern für die Menge der absolvierten Etappen. Die drei Gruppen, welche die meisten gelaufenen Kilometer nachweisen können, erhalten je einen »Hannoverschen-Diakonie-Pokal«. Der Erlös des Benefiz-Etappen-Marathons kommt stets sozialen Einrichtungen zugute. In diesem Jahr dürfen sich »Die Listigen« freuen: eine ehrenamtliche Mittagsbetreuung der Lister Kirchengemeinde. Grund-

schulkinder aus einkommensschwachen Fami lien erhalten dort ein warmes Mittagessen, werden bei den Hausaufgaben unterstützt und im ersten Schuljahr bis zu den Herbstferien von der Schule abgeholt. Die Idee für den Etappen-Benefiz-Marathon ent wickelte die Laufgruppe des Werkheims. sch Strecken- und Etappenübersicht, genaue Teilnahmebedingungen und Anmeldemöglichkeit im Internet unter www.whhannover.de. Arbeitsunfall? Sozialamt? Rente? Schwerbehinderung?

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20 Asphalt 08/2014 Aus der Szene

Das muss mal gesagt werden

Wir sind Weltmeister! Endlich mal wieder! Und in Deutschland herrscht eitel Sonnenschein. Und viele der selbsternannten skeptischen Hilfsbundestrainer sind eines Besseren belehrt worden. Die Mannschaft von Jogi Löw hat sich auch nach Aussagen ausländischer Medien als die beste des Turniers erwiesen. Was wollen wir mehr? Auch gut, dass Brasilien nicht früher ausgeschieden ist, sonst wären vielleicht die Proteste wieder hochgekommen, die

sich nicht nur gegen die sozialen Missstände im Land, sondern auch gegen die FIFA gerichtet haben. Ich würde mir wünschen, dass, wenn demnächst ein neuer FIFA-Präsident gewählt wird, endlich der Blatter und mit ihm seine Vetternwirtschaft in der Versenkung verschwindet. Diese Mauscheleien, diese Korruptionsvorwürfe haben mit einem sauberen Sport absolut nichts gemein. Es wäre wirklich wunderbar, wenn sich die obersten Funktionäre des Fußballs das auf ihre Fahnen schreiben würden, was sie von Spielern erwarten: nämlich Fair Play. Aber unabhängig von diesen Missständen in der FIFASpitze freuen wir uns natürlich über diesen wunderbaren Titel. Weltmeister – das ist doch herrlich! Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

gesucht – gefunden Verkäuferin Eileen, Nr. 2116: Suche zusammen mit meinem Mann Jörg, der auch Asphalt-Verkäufer ist, eine Wohnung, rund 60 Quadratmeter groß und behindertengerecht, in Rethen oder Laatzen. Miete wird vom Amt übernommen. Kontakt: 0151 – 26 21 63 92. Verkäufer Jörg, Nr. 2117: Ich suche einen gebrauchten Motorroller mit 25 km/h. Danke. Kontakt: 0171 – 195 78 89. Verkäufer Carsten, Nr. 1768: Wer hat ein – auch älteres – Smartphone und einen Fernseher für mich übrig? Vielen Dank. Kontakt: 0157 – 77 36 43 29. Verkäuferin Nancy, Nr. 1533: Ich suche dringend eine 1- bis 2Zimmer-Wohnung, möglichst mit Wohnküche bis 50 Quadratmeter, etwa 450 Euro warm plus Nebenkosten. Außerdem würde ich mich über eine Nähmaschine und Stoffe freuen. Kontakt: 0176 – 25 08 16 56. Verkäufer Norbert, Nr. 1232: Ich suche preisgünstig ein 26er Damenrad mit Dreigangschaltung. Stehe oft vor Aldi in der Lindemannallee. Kontakt: 0176 – 756 83. Verkäuferin Bianca, Nr. 743: Ich suche Bilderrahmen sowie Jeans, Pullover, T-Shirts in Größe 46. Einen lieben Gruß an alle Langenhagener und Leute am Moltkeplatz. Kontakt: 01575 – 706 93 33. Verkäufer Reinhold, Nr. 137: Ich suche Arbeit als Hausmeister, Gärtner oder Maler. Habe lange Erfahrung. Außerdem suche ich einen Fangsack für einen Wolf Elektro-Rasenmäher, 32 cm breit. Kontakt: 0175 – 80 22 23. Verkäufer Thomas, Nr. 1909: Suche eine kleine Wohnung sowie einen 50er Motorroller, einen PC oder Laptop und CB-Funkzubehör. Kontakt: 01512 – 687 64 63.

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang! Asphalt zeigt Ihnen das andere Hannover.

Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer führen Sie zu Orten, an denen Wohnungslose keine Randgruppe sind. Erleben Sie die Straße neu und lernen Sie spezielle Anlaufstellen kennen: Wo sind die Schlafplätze von obdachlosen Menschen? Wo duschen oder essen sie? Wo gibt es Konflikte? Ein außergewöhnlicher Stadtrundgang – von ExpertInnen der Straße geführt!

Jetzt auch immer am letzten Freitag im Monat! Nächster Termin: 29. August, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstraße 3, 30161 Hannover.

Bitte melden Sie sich telefonisch an: 0511 – 30 12 69-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person. Gruppen (Studierende, Schulklassen, Vereine etc.) vereinbaren bitte gesonderte Termine! Übrigens: Unseren sozialen Stadtrundgang gibt es auf Nachfrage auch in englischer Sprache!


Rund um Asphalt Asphalt 08/2014 21

»Dann war alles aus« Aus dem Leben: Asphalt-Verkäufer Martin erzählt. »45 bin ich heute und verkaufe seit 20 Jahren Asphalt. Natürlich mit einigen Unterbrechungen. Ich hatte so gut wie nie eine eigene Wohnung, das habe ich nicht so richtig geregelt gekriegt und deswegen hauptsächlich in Institutionen gelebt wie dem Karl-Lemmermann-Haus und in Männerwohnheimen in Misburg oder in der Schulenburger Landstraße. Dort allerdings wäre ich wahrscheinlich draufgegangen, so abgemagert wie ich damals noch war, wenn ich nicht in ein Betreutes Wohnen gewechselt hätte.

im Betreuten Wohnen in der Ferdinand-Wallbrecht-Straße, wo ich mich richtig wohlfühle. Die Leute sind nett, freundlich, tolerant, fast schon familiär. Wir Bewohner sind uns sehr selbst überlassen, waschen Wäsche, kochen und halten unsere Zimmer in Eigenverantwortung sauber. Diese Selbstständigkeit ist das große Plus an dem Wohnheim, auch Konfl ikte sollen wir größtenteils unter uns klären. Klar, wenn das mal ausufert, dann gibt es Reflexionsgespräche und auch schon mal Ärger, aber das kommt selten vor. Ich teile mir mit einem griechischen HipHop-Musiker das 20 Quadratmeter große Zimmer, das klappt gut. Wir kennen uns schon aus der Langzeittherapie. Er ist total locker, sehr umgänglich und schläft viel. Aber die meiste Zeit ist er unterwegs, entweder in Plattenläden stöbern oder bei seiner Familie, seine Eltern wohnen in der Region.

Foto: S. Wendt

Eigentlich komme ich aus Salzgitter, wo ich mit meinen zwei älteren Halbbrüdern und meinen Eltern gelebt habe. Meinen Hauptschulabschluss habe ich noch gemacht, dann bin ich mit 16 in die Gothic-Szene gerutscht. Die gab es zwar eigentlich nicht in Salzgitter, aber ich hatte zugezogene Leute aus Hannover kennengelernt. Als ich 15 war, hat sich mein Vater umgebracht. Zu meiner Mutter habe ich auch einen sehr guten Draht, einmal Er war Feuerwehrmann und Alkoholiker und hat sich selbst ver- im Monat fahre ich zu ihr nach Hildesheim, wo sie uns – also meibrannt. Bizarr. An den Tag, als die Polizisten mit zwei Benzin- ner Freundin Silke und mir – liebenswürdigerweise ein Zimmer eingerichtet hat. Silke habe ich im Sommer 2008 kennengekanistern bei uns vor der Tür standen, kann ich mich noch lernt in Wunstorf. Wir waren zusammen in der Arbeitserinnern. Mein Vater hätte eigentlich einen Feuerwehrtherapie, irgendwann haben wir uns verliebt. MomenLehrgang halten sollen, ist aber nicht aufgetaucht. tan sehen wir uns alle zwei Wochen, dann fahre ich am Meine Mutter hat unheimlich laut geschrien, als sie Sonntag für ein paar Stunden nach Wunstorf zu ihr in die Tür aufmachte, und dann war alles aus. Die ganze die Einrichtung. Wir unterhalten uns, kickern gerne oder Familie war zerbrochen. Danach fi ng das auch erst mit essen zusammen. Wir schieben uns meist eine Pizza in den Drogen an, was ich mich früher gar nicht getraut den Ofen. Meine Freundin würde sich nicht wohl fühlen hätte: mein Vater wäre ausgerastet, dann womöglich mit dem Gedanken, allein zu leben. Ich schon. Mein noch mit Suffkopf, nee, davor hatte ich immer tieribehandelnder Oberarzt aus Wunstorf hat mir schen Respekt. Nach seinem Tod habe ich mich erlaubt, bald in eine eigene Wohnung zu wegkatapultiert, aber Kiffen und LSD haben mir schnell das Genick gebrochen, meiziehen. Das kann ich mir gut vorstellen, nen 17. Geburtstag habe ich schon in bloß nicht in einem sozialen Brennpunkt, das wäre wahrscheinlich konder Psychiatrie gefeiert. Mit der Diagnose »paranoide Schizophrenie« lebe traproduktiv. Es soll ja gerade eine ich seitdem – im Moment relativ gut. neue Perspektive geschaffen werMir geht es nicht wirklich schlecht, den durch eine neue Wohnung. Am auch nicht super, irgendetwas in liebsten würde ich nach Linden der Mitte. Ich bin oft müde, wäre oder in die Nordstadt ziehen, aber der Wohnungsmarkt ist ja momengern fitter. Früher habe ich leider immer wieder die Medikamente tan so lau, dass man da wohl gar nicht wählerisch sein kann. abgesetzt, bin straffällig geworden. Heute denke ich, dass ich Kann gut sein, dass ich im Roderdurch die Drogen den Verlauf der bruch lande, aber besser als überhaupt keine Wohnung.« Psychose begünstigt und durch mein Absetzen der Medikamente Martin verkauft täglich außer diese auch noch chronisiert habe, aber das ist alles lange her. sonntags (erste Monatshälfte) in der Bahnhofsstraße/gegenüber Seit meiner Langzeittherapie nehme Hauptbahnhof in Hannover. ich meine Medikamente regelmäßig und lebe jetzt auch schon seit eineinhalb Jahren Aufgezeichnet von Sonja Wendt



Rund um Asphalt Asphalt 08/2014 23

20 Jahre Asphalt!

Foto: STOPPOK Management

Stoppok

Foto: Pauline Lürig

Asphalt proudly presents: Zwei auch international erfolgreiche Stars der Musikszene konnten wir für die Jury unseres Protestsong-Contests gewinnen. Tokunbo Akinro, vielfach ausgezeichnete Jazz- und SoulSängerin. Nach den sehr kreativen Jahren mit dem Duo toktoktok hat sie 2014 ihre Solo-Karriere gestartet mit dem Folk-NoirAlbum »Queendom come« und auch dafür bereits wieder Auszeichnungen bekommen. Tokunbo: »Ich bin sehr gespannt auf die Beiträge, die zum Asphalt-Contest eingesandt werden. Die Förderung junger Musikerinnen und Musiker ist mir ein Anliegen, als Gastdozentin am Popinstitut der Musikhochschule Hannover erlebe ich immer wieder große Begabungen. Asphalt und dem Diakonischen Werk Hannover bin ich schon lange verbunden.« Auch Heiner Lürig, den das Publikum liebt für seine HerrenhausenMusicals »Sommernachtstraum«, »Kleider machen Liebe« und »Der Sturm« in Zusammenarbeit mit Heinz Rudolf Kunze, macht Musikern Mut, am Contest teilzunehmen: »Klar, man hat Angst zu scheitern. Das ist in jedem Künstlerleben immer wieder der Fall. Aber nur wer diese Angst und den inneren Schweinehund überwindet, kann auch Erfolg haben. Die Teilnahme und das Produzieren für den Contest wird auf jeden Fall ein tolles Erlebnis.« Und so geht’s: Wer am Protestsong-Contest teilnehmen will, bewirbt sich bis zum

Foto: Anne de Wolff

Das Jubiläum rückt näher. Bewerbungen für Protestsong-Contest noch bis 28. August möglich. Feier am 25. September im Pavillon.

Tokunbo Akinro

Heiner Lürig

28. August mit einem auf Deutsch selbstverfassten Song, nicht länger als vier Minuten, zum bewusst offenen Thema »UNBEQUEM«. Heiner Lürig: »Das passt gut zu Asphalt. Ich bewundere den Einsatz der Verkäufer bei jedem Wetter, und die Themen des Magazins sind eben auch kritisch, unbequem, engagiert«. »Ich sehe eine große Möglichkeit des Künstlers darin«, so Tokunbo, »sich sozialkritisch auseinanderzusetzen. Dieser Asphalt-Contest ist darum eine schöne Idee«. Die Jury mit Tokunbo Akinro, Heiner Lürig, zwei Asphalt-Verkäufern und Redakteurin Renate Schwarzbauer (achtet vor allem auf die Texte) trifft Anfang September aus allen Einsendungen eine Vorauswahl von bis zu acht Bands oder Einzelpersonen. Die werden zur großen Jubiläumsfeier am 25. September in den Pavillon eingeladen und dürfen dort ihren Protestsong live performen. Jury und Publikum entscheiden am Ende des Abends gemeinsam über den Sieger, der den »1. AsphaltProtest-Song-Preis« erhält: 500 Euro, gestiftet von Sponsoren, und eine ausführliche

Vorstellung in unserer November-Ausgabe. (Genaue Teilnahmebedingungen unter www.asphalt-magazin.de). Unsere Leserinnen und Leser bitten wir ganz herzlich, mit uns am 25. September im Pavillon zu feiern. Eintrittskarten zum Preis von 7,50 Euro gibt es ab 1. August bei den Vorverkaufsstellen Pavillon, Buchhandlung an der Marktkirche, Ticketcenter Salge (Am Schwarzen Bär) und Laporte. Restkarten an der Abendkasse. Auf dem Programm unseres Jubiläums-Abends stehen auch Gespräche von Asphalt-Herausgeberin und NDR-Redakteurin Hanna Legatis mit Prominenten, Unterstützern, langjährigen Weggefährten. Sowie ein SoloAuftritt des witzigen, melancholischen und ebenfalls immer mal wieder unbequemen Liedermachers Stoppok als Spezialgast. PS: Im September 1994 startete das AsphaltProjekt mit der ersten Ausgabe des Magazins. Schon mal vormerken: Die Redaktion gestaltet für den September 2014 ein prall gefülltes Jubiläumsheft. sch


Fotos: I. Goetsch

Mit viel Spaß und Eifer dabei: Die Schwestern Luise (l.) und Mareile trainieren gemeinsam in der Hemminger Rhönradgruppe.

Das gibt es noch? Rhönradturnen: Eine alte Sportart begeistert junge Fans.

Luise muss sich ganz schön strecken. Erst seit ganz kurzer Zeit ist die Achtjährige groß genug für ihr Sportgerät. Das ist im Durchmesser 165 Zentimeter groß und besteht aus zwei parallelen Metallreifen mit Kunststoffbeschichtung, die durch sechs Sprossen verbunden sind. Das Rhönrad, 1925 vom Schlosser Otto Feick in der bayrischen Rhön zum Patent angemeldet, hat auch heute noch Anhänger in allen Altersklassen. Luise und ihre elfjährige Schwester Mareile gehören zur Kinderund Jugendabteilung des Sportvereins SC Hemmingen-Westerfeld, der das Rhönradturnen seit 1996 anbietet und regelmäßig an Wettkämpfen teilnimmt. Konzentriert steckt die Grundschülerin ihre Füße in die zwei ledernen Halteschlaufen, den »Bindungen«, die nebeneinander auf einer der Sprossen befestigt sind, und dehnt sich hoch zu den zwei Armhalterungen. Dann holt sie Schwung und das große Rad dreht sich mit Luise, die bald auf dem Kopf steht. Die blonden Zöpfe wirbeln mit. So geht es einige Male herum, bis Trainerin Grit Klüver ansagt: »Ein Arm!« Jetzt dreht sich die junge Sportlerin einarmig weiter. Ganz genau passt Grit Klüver auf, dass sie dabei die richtige Haltung einnimmt. »Das wichtigste ist die Körperspannung«, erklärt die Trainerin. Sicherheitstraining steht nicht nur bei Anfängern an vorderster Stelle. Rhönräder wiegen, je nach Größe, zwischen 40 und 60 Kilo. Auch die Haltung der Hände ist wichtig. »Die Daumen müssen rein!«, erklärt Mareile eine Regel für das Turnen im Liegen. Für ihre neunjährige Trainingskollegin Pia war es eine schmerzhafte Erfahrung, als sie zu Anfang diese Grundregel einmal vergaß: »Da hatte

ich ganz blaue Finger«, erinnert sie sich. »Wir trainieren die Kinder auch deshalb in kleinen Gruppen, um genau schauen zu können«, erklärt Grit Klüver, die seit 2004 Spartenleiterin des Rhönradsports in ihrem Verein ist. Die intensive Betreuung der Trainingsgruppen ist einer der Gründe, weshalb der Verein zurzeit keine neuen Mitglieder aufnimmt und eine Warteliste führt. Außerdem sind die Sportgeräte teuer: 1.000 bis 2.000 Euro kostet ein Rhönrad. Der SC Hemmingen-Westerfeld hat mittlerweile zwölf Geräte. Seit zwei Jahren bietet der Sportverein auch eine Trainingsgruppe für Erwachsene an – allerdings erst einmal nur für Frauen. »Wir hätten gerne noch ein größeres Rad, um auch erwachsenen Männern das Training einrichten zu können«, sagt die Trainerin, »aber da rauf sparen wir gerade noch.«

Runde Randsportart Luise übt das Geradeturnen – neben dem Sprung und dem Spiraleturnen eine von drei Disziplinen des Rhönradturnens. Beim Geradeturnen rollt das Rhönrad auf beiden Reifen. Der Turner bestimmt durch seine Körperverlagerung die Bewegungsrichtung und macht während des Rollens Turnübungen im Rad. Sie ähneln Elementen aus dem Barrenturnen und aus dem Bodenturnen wie der »Brücke« und dem »Spagat«. Wie kommen Kinder überhaupt auf die Idee, das Rhönradturnen lernen zu wollen? »Das sieht einfach toll aus« oder »man kann so schön Schwung holen« und »meine Freundin hat das gemacht, und ich wollte es dann auch« – die Mehrheit der jungen Rhönradsportler sind durch Freunde oder Geschwister


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auf die Sportart gestoßen oder waren von der Vorstellung der imposanten Räder bei der jährlichen Trainingsschau des Vereins einfach begeistert. Die Motivation der erwachsenen Rhönradler ist da oft meist zielgerichteter. Die 43-jährige Anja Dohrmann etwa war von Anfang an dabei, als der SC Hemmingen die neue Erwachsenengruppe eröffnete: »Mich hat das immer schon gereizt und es ist toll, in meinem Alter noch einmal eine Sportart neu lernen zu können«, sagt sie. Auch für ältere Erwachsene sei das Rhönradturnen als Einsteigesportart geeignet ist, erklärt Grit Klüver, denn »Rhönradsport ist sehr gelenkschonend und erfordert nicht so sehr Kraft, sondern neben Körperspannung vor allem Koordinationsfähigkeit.« Das sieht auch Anja Dohrmann so und ergänzt lachend: »Aber es hat schon zwei Jahre Training gebraucht, bis das Rad jetzt auch mal tut, was ich will!« Die Geschichte des Rhönrades und sein Ruf als »Nazi-Sportgerät« (siehe Infokasten) ist zwar den meisten bekannt, doch für die heutigen Aktiven spielt sie keine Rolle mehr. Rhönradturnen ist trotz des Zuwachses in den letzten Jahren allerdings immer noch eine Randsportart. Rund 5.000 Aktive gibt es in deutschen Sportvereinen. Zum Vergleich: Fußball spielen sechseinhalb Millionen Bundesbürger. Faustball, ebenfalls keine Massensportart, wird immerhin von rund 40.000 Sportlerinnen und Sportlern ausgeübt. Rhönradturnen gibt es in Niedersachsen in etwa 30 Sportvereinen, in der Region Hannover sind das neben dem SC Hemmingen-Westerfeld der TSV Kleinburgwedel und der TSV Godshorn. Luise, Mareile, Pia

Zur Geschichte des Rhönrades

Das Rhönrad wurde 1925 vom Schlosser und Eisenbahner Otto Feick in Schönau in der bayerischen Rhön zum Patent angemeldet. Der Sohn eines Schmiedes war angeblich bereits als Kind in zwei großen Wagenreifen einen Berg heruntergerollt. Auch in England, Frankreich und in den USA wuchs das Interesse an dem Turnrad, 1930 fand das erste internationale Rhönradturnier in Bad Kissingen statt. Als »urdeutsche« Sportart wurde das Rhönradturnen später von den Nationalsozialisten stark gefördert, die große Vorführung mit 120 Rhönradturnerinnen und -turnern im Rahmenprogramm der Olympischen Spiele 1936 in Berlin zählte zu den Höhepunkten der »neuen« Sportart. In der Nachkriegszeit war das Rhönradturnen in Deutschland zunächst verpönt und verschwand fast vollständig von der Turnfläche. Erst später fand es wieder Anhänger, veränderte aber seinen Charakter. Standen zur NS-Zeit »volkstümliche« Wettfahrten im Vordergrund, gewann nun das turnerische Element an Bedeutung. 1958 wurde das Rhönradturnen als Sparte im Deutschen Turner Bund aufgenommen. Durch eine Kunststoffbeschichtung wurden die Räder nun auch für das Training in Hallenböden besser nutzbar. Die erste Deutsche Meisterschaft wurde 1960 in Hannover ausgetragen, international gewann der Rhönradsport aber erst ab den 80er-Jahren wieder an Bedeutung. 1995 gründete sich der Internationale Rhönradturnerverband (IRV) mit Sitz in der Schweiz. Neuester Trend im Rhönradsport ist das »Cyr Wheel«, eine Art Rhönrad mit nur einem Reifen.

Sicherheit steht an erster Stelle: Trainerin Grit Klüver achtet auf die richtige Haltung.

und die anderen Mitglieder der Kinder-Rhönradgruppe haben ihr Training an diesem Montagnachmittag beendet – und sind ganz schön fertig, das sieht man ihren roten und verschwitzten Gesichtern an. Rhönradturnen ist zwar anstrengend, aber das nimmt Luise gern auf sich: »Weil es eben auch ganz doll Spaß macht!« Ines Goetsch Anzeige


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»Einfach mal anfangen«

Im Ludwigshafener »Tatort« spielt er Mario Kopper, den Mitbewohner und Kollegen von Kriminalkommissarin Lena Odenthal. Im Privatleben unterstützt Andreas Hoppe seit vielen Jahren Umweltprojekte, aktuell kämpft er gegen den Teersand-Abbau in Kanada.

Worum geht es Ihnen? Ich will niemanden bevormunden oder den Zeigefinger heben, sondern lediglich an uns alle appellieren, häufiger über das eigene Konsumverhalten nachzudenken. Selbstreflexion ist der erste Schritt. Es geht darum, für etwas zu stehen, Dinge anzustoßen, einfach mal anzufangen. Wenn wir alle nur abwinken und sagen: »Die großen Probleme der Welt können wir eh nicht lösen«, machen wir es uns zu leicht. Wir Verbraucher sind mächtiger als wir selbst annehmen.

Teersand-Abbau

Werden Sie als Schauspieler auch manchmal mit Vorurteilen konfrontiert: Die reden viel über Gutes, tun aber im Alltag das genaue Gegenteil? Ich denke, ich bin da authentisch und gehöre nicht in diese Kategorie. Fakt ist: Wir Schauspieler haben die Chance, Aufmerksamkeit zu generieren, Themen zu setzen und auch mal abseits unseres Berufs den Mund aufzumachen. Man kennt uns, man hört uns zu. Das ist eine Chance, die ich nicht verschenken will. Es wird immer Leute geben, die einem die eigene Überzeugung nicht abnehmen oder sich gar davon genervt fühlen. Deren Urteil interessiert mich aber wenig. Wenn man sich für wichtige Themen engagiert, dann ist das zunächst einmal nur eins: gut.

Zurückhaltung angesagt ist, schließlich ist man als Schauspieler Teil eines Teams, und wer will da schon Unruhe hineinbringen? Fest steht: Ich werde in der Öffentlichkeit immer meine Meinung sagen. Dass man dabei aufpassen muss, nicht über das Ziel hinauszuschießen, ist klar.

diese Methode aus Ihrer Sicht ein Verbrechen? Es ist die schmutzigste Art, Öl zu gewinnen, weil nicht nur zahlreiche Chemikalien eingesetzt werden, sondern Unmengen von Wasser erforderlich sind, um das Öl vom Sand zu trennen. Das Wasser wird kontaminiert, so entstehen riesige Giftwasserseen, die auch das Grundwasser verseuchen. Das Abbaugebiet ist etwa so groß wie England! Die dort lebenden Indianerstämme, die First Nations, leiden seit Jahren unter den Folgen dieser Ölgewinnung. Unter ihnen nehmen seltene Krebserkrankungen rapide zu. Und sie können nicht mehr fischen, weil die Fische deformiert und vergiftet sind.

Ein Thema, das Ihnen sehr wichtig ist: Der Teersand-Abbau in Kanada … … so ist es! Es ist erstaunlich, wie wenige Menschen darüber Bescheid wissen. Das Thema geht in den Medien beinahe komplett unter. Ich kenne schlaue und engagierte Kollegen, die völlig erstaunt waren, als ich ihnen erzählte, welch schlimmes Verbrechen gerade in Kanada durchgewunken wird. Nun soll zur Pazifikküste eine Die meisten waren sprachlos. 1.170 km lange Pipeline gebaut werden: Über die Rocky MounWer Aufmerksamkeit will, sollte Um aus Teer- oder Ölsand nutz- tains und durch den Great Bear sich also etwas trauen? bares Rohöl zu gewinnen, wird er Rainforest. Unbedingt. Allerdings gibt in mehreren Stufen gefiltert und Das ist eines der letzten Paraes auch Momente, in denen chemisch verändert. Weshalb ist diese unserer Erde. Dort leben

Teersand ist ein natürlich vorkommendes Gemisch aus Ton, Wasser, Rohöl und verschiedenen Kohlenwasserstoffen. Die größten Teersandvorkommen der Welt finden sich in Venezuela und in der kanadischen Provinz Alberta. Dort nutzten schon die Ureinwohner die spezielle Beschaffenheit des Sandes um beispielsweise ihre Boote abzudichten. Seit rund fünfzig Jahren fördert die kanadische Regierung den Abbau von Teersanden (Foto), im Zuge dessen auch »Ölsande« genannt, auf einer Fläche von über 140.000 Quadratkilometern: Unter hohem Wasserdampfdruck und mit Einsatz von Chemikalien wird synthetisches Rohöl gewonnen. Dieses aufwändige Verfahren erzeugt zwanzig Prozent mehr Treibhausgase (u.a. Kohlendioxid) als die konventionelle Förderung von Öl und verunreinigt umliegende Gewässer durch giftige Rückstände im Abwasser. Die Europäische Union diskutiert immer wieder ein Importverbot für aus Teersanden gewonnenes Öl, bislang ohne Umsetzung. kie

Foto: Wikicommons

Herr Hoppe, Sie setzen sich seit vielen Jahren für verschiedene Umweltprojekte ein – wann haben Sie sich zuletzt gegenüber der Natur respektlos verhalten? Ich muss berufsbedingt oft fliegen, fahre auch gern mit meinem Auto und esse gelegentlich Lebensmittel, deren ökologischer Fußabdruck nicht besonders tief ist. Darum geht es mir aber auch nicht.


Foto: Picture-Alliance

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Im »Tatort« Kommissar, im echten Leben Umweltschützer: Andreas Hoppe liegen ökologische Themen am Herzen.

Küstenwölfe und der Spirit Bear, der nur hier heimisch ist. Mehr als 200 Supertanker pro Jahr müssten durch die wunderschönen Fjordlandschaften, in denen Buckelwale, Orcas und Finnwale ihre Jungen großziehen, um den Pazifik zu erreichen. Außerdem gilt diese Küste als eines der gefährdetsten Seereviere der Welt und die Bewohner haben große Sorgen, dass ein Tanker unglück vieles zerstören wird. Die »Exxon Valdez« havarierte übrigens vor 25 Jahren vor der Küste Alaskas – die Folgen sind bis heute spürbar.

Ende Mai kam die erste große Erdöllieferung aus Kanada nach Spanien. Was war Ihre erste Reaktion auf diese Nachricht? Eine Katastrophe! Wir brauchen ein Importverbot! Die Bundesregierung trägt hier eine enorme Verantwortung. Leider

schiebt sie das Thema immer wieder beiseite. Nur so nebenbei: Beim Abbau von Teersanden entstehen etwa fünfmal so viel Treibhausgase wie beim Fördern von konventionellem Erdöl. Wie passt das bitte zu den Klimaschutz-Reden deutscher Spitzenpolitiker im Bundestag?

Sie würden gern in Kanada eine Dokumentation drehen – und haben deshalb im Internet eine Spendenaktion gestartet. Weshalb konnten Sie bislang keinen Fernsehsender von dem Konzept überzeugen? Es gibt zurzeit viele Themen, die offensichtlich Vorrang haben. Kanada ist weit weg, das Thema sehr politisch, es geht um wirtschaftliche Machtinteressen. So mancher Sender zieht lieber eine Tier-Doku vor, womit man bekanntlich stets auf der sicheren Seite ist.

Was erhoffen Sie sich von der Ausstrahlung eines solchen Films? Wir wollen mit der Dokumentation informieren, aufrütteln – und bestenfalls: motivieren. Es gibt genug Beispiele, in denen ein Film Reaktionen ausgelöst hat, auch politische. Ich habe in Kanada hautnah die Monumentalität der Natur gespürt. Die Probleme der Region haben mich anschließend nicht mehr losgelassen. Es gibt leider zu viele Leute, denen die Schätze der Natur vollkommen egal sind. Es wäre daher ein Traum, wenn uns auf unserem Weg viele Menschen unterstützten. Wenn Sie so sprechen, derart überzeugt und engagiert, drängt sich die Frage auf: Wann wagen Sie den Schritt in die Politik? (lacht) Wow! Eines steht fest: Zu den Kerneigenschaften eines Politikers gehört seit jeher das

In Hannover hat er sein Handwerk gelernt: Andreas Hoppe, Jahrgang 1960, geboren in Berlin, besuchte von 1982 bis 1986 die Hochschule für Musik und Theater – im gleichen Jahrgang übrigens wie »Tatort«-Kollegin Ulrike Folkerts. Während seiner schauspielerischen Karriere spielte Andreas Hoppe schon in zahlreichen Kinofilmen und Serien, seine erfolgreichste Rolle füllt er seit 1996 aus: den Kommissar Mario Kopper im Ludwigshafener »Tatort«. Seit Jahren setzt sich Andreas Hoppe für okölogische Themen ein, zum Beispiel für die Nutzung regionaler Lebensmittel: 2009 veröffentlichte er das Buch »Allein unter Gurken«, 2013 drehte er die Fernsehdokumentation »Der Kommissar im Kühlschrank«. Er lebt in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Schließen von Kompromissen. Damit hätte ich wohl die größten Schwierigkeiten. Sitzungen, Sitzungen und am Ende: immer wieder Kompromisse, mit denen keine Seite wirklich gut leben kann. Das muss für jemanden, der für seine Überzeugungen kämpft, sehr freudlos sein. Vielleicht gibt es irgendwann einmal ein regionales Thema, das mir derart wichtig ist, dass ich diesen Schritt gehen will, im Moment ist das allerdings ein abstruser Gedanke. Glauben Sie mir, ich bin sehr, sehr gern Schauspieler.

Apropos: Über welche »Tatort«Kritik haben Sie sich zuletzt geärgert? Das kommt nie vor (lächelt). Im Ernst: Es ist immer wieder aufs Neue spannend zu erleben, wie ein Film von den ZuschauFortsetzung auf der nächsten Seite


28 Asphalt 08/2014

Was zeichnet die Marke »Tatort« aus? Die Vielzahl der Ermittlerteams und Themen zeigt, welche Bandbreite das Format bietet. Sowohl qualitativ als auch technisch wird hochwertig gearbeitet. Aus Schauspielersicht sind die Drehzeiten komfortabel, man kann sich intensiv mit dem Drehbuch beschäftigen und auch kreativ

sein. Zudem ist es echt beeindruckend, wie viele Generationen mittlerweile den Tatort schauen: Ich sehe Zwanzigjährige, die sich am Sonntagabend treffen, um gemeinsam Tatort zu gucken. Das war in meiner Jugend anders.

Was antworten Sie jenen Leuten, die sagen, es gebe mittlerweile zu viele Ermittlerteams? Ich glaube nicht, dass die Anzahl der Ermittlerteams ein Problem werden könnte. Sondern eher die Masse an Tatortfolgen. Wenn beinahe an jedem Wochentag ein Tatort läuft, besteht zumindest die Gefahr, dass sich das Ganze langfristig leerläuft. Wer trinkt schon jeden Tag einen guten Wein? Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, derart viele Wiederholungen auszustrahlen. Aber die Verantwortli-

Neuigkeiten aus dem Zoo

chen haben sich dabei sicherlich etwas gedacht.

die Figur. Und genau das ist die Grundvorausetzung für Erfolg.

Ihre Kollegin Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal, mit der Sie gemeinsam ermitteln, feiert im Herbst ein Jubiläum: 25 Jahre »Tatort«-Kommissarin – sie ist damit die dienstälteste Ermittlerin. Wie erklären Sie sich diese überragende Kondition? Sie hat zu ihrer Figur Lena Odenthal eine enge Bindung aufgebaut. Wenn man die Rolle derart lange spielt, ist es unheimlich schwer, sie wieder loszulassen. Ulrike hat die Figur über Jahre entwickelt, das ist eine ihrer beeindruckenden Qualitäten. Zumal man sieht, dass die Quoten indes nicht gesunken sind. Im vergangenen Jahr hatten wir zweimal um die zehn Millionen Zuschauer. Kurzum: Ulrike brennt noch immer für

Der Jubiläums-»Tatort«, der im Herbst ausgestrahlt wird, heißt »Blackout«. Sie haben nicht mitgespielt, eine Premiere sozusagen – ein komisches Gefühl? Na klar. Ich war zu jener Zeit unterwegs und habe mich anderen Projekten gewidmet. Das war fürs »Tatort«-Team aber eine hervorragende Gelegenheit, die neue Kollegin einzuführen (Lisa Bitter spielt Johanna Stern, Odenthals und Koppers neue BKA-Kollegin, d. Red.). Neue Konstellation, neue Spielmöglichkeiten – das ist wunderbar, ich mag so was! Die Zuschauer können sich defintiv auf ein paar Überraschungen gefasst machen. In den nächsten Folgen werde ich aber auch wieder dabei sein. Interview: Manuel Schumann

gewinne!

Mit Asphalt in den Zoo!

Jeden zweiten Monat 10 x 2 Tageskarten zu gewinnen.

Im fusseligen Federkleid Zugegeben, ein wenig sehen sie aus wie geplatzte Staubsaugerbeutel: grau, fusselig, zerzaust. Mit übergroßen gelben Augen blicken sie ergeben in ihr vorübergehendes Schicksal: Einen Schönheitswettbewerb werden Schneeeulen als Küken wohl kaum gewinnen – dafür sind sie ausgewachsen umso imposanter. In der Kanada-Landschaft Yukon Bay im Erlebnis-Zoo Hannover pickten sich im Juni vier Küken aus ihren Eiern. Die beim Schlupf rund 46 Gramm leichten Küken wachsen innerhalb von 60 Tagen zu stattlichen Eulen heran, nach etwa 18 Tagen verlassen sie das Nest. So lange kümmern sich die Euleneltern Harry und Hermine um ihre Sprösslinge. Je älter die Eulen werden, desto heller wird ihr Federkleid. Dessen Farbe verrät später auch das Geschlecht der Schneeeule: Während Männchen schneeweiß sind, tra-

Zur Verfügung gestellt vom Erlebnis-Zoo Hannover

gen Weibchen dazu dunkelgraue bis braune Tupfer und Sprenkel. Möchten Sie den Nachwuchs von Harry und Hermine im Zoo gern persönlich besuchen? Dann beantworten Sie uns einfach folgende Frage: Nach ungefähr wieviel Tagen verlassen junge Schneeeulen das Nest? Mit der richtigen Antwort haben Sie die Chance, zwei Tagestickets zu gewinnen. Viel Glück! Schicken Sie uns eine Postkarte, eine E-Mail oder

ein Fax mit ihrer Antwort und dem Stichwort

»Zoo« bis zum 31. August 2014 an:

Asphalt-Redaktion, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover, gewinne@asphalt-magazin.de, Fax: 0511 – 30 12 69-15.

Die Lösung unseres lautete: Rüdiger.

letzten

Zoo-Rätsels

Foto: Zoo Hannover

ern angenommen wird. Manchmal ist man ja selbst nicht ganz sicher, ob die Mischung stimmt. Wenn der Grundtenor nach der Ausstrahlung lautet: »Knaller, super Tatort«, freue ich mich natürlich riesig. Es ist ja kein Selbstläufer, gesellschaftspolitische Themen auf unterhaltsame und zugleich anspruchsvolle Weise zu präsentieren. Manchmal ist es eine Gratwanderung.


Asphalt 08/2014 29

Briefe an uns 1,60 €

davon 80 Cent Verkäuferanteil

Juli 2014

Demenz

Wie das große Vergessen den Alltag erschwert Umkämpft: Kleingärten sollen Bauland werden Legale Nudeln: Italiens Zeichen gegen die Mafia Im Portrait: Gründerin der Lesben-Stiftung Sappho

Zum Artikel »Kleingärten zu Bauland« von Volker Macke in der Juli-Ausgabe

Schreber quälte Kinder Großes Lob für euer Magazin, ich finde es gut, dass Themen aufgegriffen werden, die in den »Massenmedien« in der Regel keine Erwähnung finden. Und dass ihr euch für Menschen einsetzt, die nur eine kleine oder gar keine Lobby haben. Zu dem genannten Artikel: Ich finde es erschreckend, wie der Wohnungsnotstand ausgenutzt wird, um gut gelegenes, hochpreisiges Bauland auf Kosten der Kleingärner zu beschaffen. Eine Sache an dem Artikel hat mir persönlich aber sauer aufgestoßen. Der Kasten mit der Überschrift »150 Jahre Schrebern«. Dort wird Herr Schreber als jemand dargestellt, der sich um das Wohl der Kinder sorgte. In Wirklichkeit hat er seine eigenen Kinder gequält und misshandelt und dann Bücher darüber geschrieben. Damit war er einer der Mitbegründer der »schwarzen Pädagogik«. Sogar Prügel zur Disziplinierung von Säuglingen hat er empfohlen. Christoph Boysen, Isernhagen Zur Titelgeschichte der Juli-Ausgabe »Das große Vergessen« von Ines Goetsch

Vitamine und Sport Ergänzend zu Ihrem Artikel folgende Hinweise zum aktuellen Stand der Forschung und Wissenschaft zum Thema Demenz: Prof. Masaki hat bereits im Jahre 2000 an 2000 alten Männern (70 – 93 Jahre) bewiesen, dass die Einnahme von Vitamin C und Vitamin E das Risiko für diese schleichende Erkrankung um 88 Prozent senkt (Lit.: K.H. Masaki, Neurology 54 (2000) 1265). Forscher an der Oxford-University haben älteren Menschen zwei Jahre lang drei B-Vitamine gegeben: Folsäure, B 12, B 6. Diese Vitamine verhindern – so die Oxford-Forscher – die Hirnschrumpfung. Alle bekannten Vorsorgemaßnahmen werden übertroffen durch

(tägliches) Laufen/Joggen: Bewiesen an 20.000 Finnen 1971 – 2009, deren Fitness auf dem Laufband objektiv getestet wurde. Diejenigen mit der höchsten Fitness erkrankten um ein Drittel weniger an Demenz. (Ann Int Med Bd.158, S.162). Weiterhin: Man weiß, dass das Gehirn zu etwa 30 Prozent aus Omega-3-Fettsäuren besteht und – so Michael Lews vom Brain Health Education and Research Institut: »Wenn man diese in erheblichen Mengen zuführt, bereitet man die Grundlage, die das Gehirn braucht, um sich selbst zu reparieren«. Norbert Wertheim, Hannover

sie den Mietern auch bei dem »Kampf« mit den Behörden und bei anderen Problemen, wie Mietrückständen oder Räumungsklagen. Umso erstaunlicher ist es für uns, dass in der Öffentlichkeit, bei den Politikern in Hannover und auch bei Ihnen als sozialem Betrieb die Erfolge und Leistungen der Wohnungsgenossenschaften nicht zur Kenntnis genommen werden. Heinz-Werner Seider, Berndt Farrensteiner, Vorstand Wohnungsgenossenschaft VASA, Hannover 1,60 €

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Juni 2014

Wo wohnen? Hannover muss bauen – für alle Wie helfen? Breites Konzept bei Wohnungsnotfällen Fußball auf der ganzen Welt: Liebe ohne Stadion Lama, Strauß & Büffel: Exotische Nutztiere bei uns

Zum Interview »Auftrag: Bauen jetzt« von Volker Macke und Renate Schwarzbauer mit Thomas Hermann und Karsten Klaus (GBH) in der Juni-Ausgabe

Erfolg der Genossenschaften Leider verstehen Sie, wie alle anderen Zeitungen in Hannover, unter Wohnen und Bauen immer nur die städtische Baugesellschaft GBH. Es gibt im Stadtgebiet unzählige Wohnungsgenossenschaften, die es schon vor der GBH gegeben hat, z.B. Sparund Bauverein, Herrenhäuser Wohnungsgenossenschaft, Wohnungsgenossenschaft Kleefeld-Buchholz, die wesentlich dazu beitragen, dass die Mieten nicht durch die Decke gehen. Besonders sind die Neugründungen aus den letzten 30 Jahren, Selbsthilfe Linden, Wohnungsgenossenschaft Nordstadt und die VASA-Wohnungsgenossenschaft, zu nennen. Letztere ist eine Gründung von engagierten Bürgern aus Vahrenheide und Sahlkamp im Jahr 1997 unter ehrenamtlicher Leitung und hat zwei der Hochhäuser »Klingenthal« mit 36 Wohnungen erhalten, renoviert und damit preiswerten Wohnraum in Vahrenheide erhalten. Ihr Bestand ist inzwischen auf 80 Wohnungen gewachsen. Die Genossenschaft hat sich ihrer sozialen Verantwortung nicht entzogen und mehrfach Hartz-IV-Empfängern und anderen sozial schwachen Personen zu einer Wohnung verholfen. Gleichzeitig hilft

Wolfs Wiederkehr

Ein Raubtier spaltet Niedersachsen Gegen jedes Klischee: Islamkritikerin Arzu Toker Arm und unverzichtbar: »Die Polin« in der Pflege Gute Köche, gute Küche: Essen für Obdachlose

Zum Interview »Blinde Toleranz?« von Sabine Göttel und Olaf Neumann mit Islamkritikerin Arzu Toker in der MärzAusgabe

Toleranter Islam Ich bin, im Gegensatz zu Ihrer Interviewpartnerin Arzu Toker, in den Islam ein- statt ausgetreten. Da es richtig ist, dass viele Muslime im Namen meiner Religion eine Parallelwelt aufbauen oder gar das Gesetz brechen, ist leider tagtäglich Negatives über den Islam in der Zeitung zu lesen. Das ist sehr traurig für friedliche, integrierte Muslime, die ihre Religion völlig anders interpretieren. Aber man ist es längst gewohnt – ebenso wie die Tatsache, dass die Meinung der Spirituellen und Toleranten unter uns in den Medien nie Gehör findet. Wirklich tief traurig hat es mich aber gemacht, festzustellen, dass selbst ein so tolles Magazin wie »Asphalt«, das doch den Nichtgehörten und Underdogs eine Stimme verleiht, nun selbst auf diesen Zug mit aufspringt und Stimmung gegen die »bösen muslimischen Migranten« macht. Warum interviewen Sie nicht lieber intellektuelle und trotzdem gläubige Muslime wie Feridun Zaimoglu oder Navid Kermani? Oder eine gläubige, positive, querdenkerische Muslima wie Hilal Sezgin? Ich selber habe auch ein Buch geschrieben: »Imageproblem – das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt«. Anja Hilscher, Hannover


30 Asphalt 08/2014 Ihr Engagement | Impressum

Ja, ich unterstütze das Asphalt-Projekt!

Impressum

Ich übernehme eine Patenschaft für das Straßenmagazin, indem ich es mit dieser Summe fördere:

Euro

[ ] einmalig [ ] vierteljährlich [ ] monatlich [ ] halbjährlich

Dieser Betrag soll zur Deckung der laufenden Kosten und zum weiteren Ausbau des Projektes verwendet werden. [ ] Ich bitte Sie, den Betrag von meinem Konto abzubuchen*: IBAN: BIC: [ ] Ich überweise den Betrag regelmäßig auf Ihr unten genanntes Konto. [ ] Bitte Spendenquittung zustellen Name/Vorname: Straße/Hausnr.: PLZ/Ort:

Gründungsherausgeber: Walter Lampe

Ort, Datum/Unterschrift: Spendenkonto: Ev. Kreditgenossenschaft IBAN: DE35520604100000602230 BIC: GENODEF1EK1 Gläubiger-ID: DE32ZZZ00000959499

* SEPA-Lastschriftmandat: Ich/Wir ermächtigen die Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Zahlungen von unserem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein/weisen wir unser Kreditinstitut an, die von Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH gezogenen Lastschriften einzulösen. Hinweis: Ich kann/Wir können innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem/ unserem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.

Geschäftsführer: Reent Stade

Gesellschafter: Diakonisches Werk Hannover e.V. und H.I.o.B. e.V.

Spendenkonto: Evangelische Kreditgenossenschaft e.G. IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

Redaktion: Jeanette Kießling (V.i.S.d.P. dieser Ausgabe), Volker Macke, Renate Schwarzbauer, Sonja Wendt

Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de

Freie MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: I. Goetsch, Greser & Lenz, K. Powser, N. Puscz, M. Schumann, E. Walitzek-Schmidtko

Redaktion Celle: Ulrich Rennpferdt

Fotografin: Karin Powser

E-Mail (falls vorh.):

Einfach per Post oder Fax an: Redaktion Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Fax: 0511 – 30 12 69-15

Herausgeber: Prof. Dr. Heiko Geiling, Hanna Legatis, Rainer Müller-Brandes

Asphalt Vertrieb & Verlag gGmbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15

Redaktion Nord-West: Hanne Holi Herstellung: eindruck, Hannover Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg

Anzeigen: Heike Meyer

Druckauflage: ø 25.000

Verwaltung: Janne Birnstiel, Heike Meyer

Asphalt erscheint monatlich

Archiv: Dr. Waltraud Lübbe Vertrieb & Soziale Arbeit: Helmut Jochens (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter)

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 18.07.2014 Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde.

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger

Asphalt dankt: H. Behlau-Klages, E. Mallast, I. Weinhold, H. Hohberger, S. Juengling, R. Moeckel, I. Fischer, H. Aselmann, U. + J. Homann, E. Scholz, H. + H. Domm, R. Barghop, S. Neumann, B. Reisinger, G. Eckermann, H. Lohse, Adler Apotheke, M. Pfeiffer, Ev. Freikirchliche Gemeinde Roderbruch, L. Benz, Fam. Evers, H.-H. Hoops, D. Bischoff, A. Schroeder, M. Knoener, H. Metzger, M. Kobbert, M. Denker, E. Moser, I. Deppe, I. Zimmermann, K. + M.-L. Baltruweit, M. Schroeder, E. Scheiben, H. Stoeter, V. + Dr. R. Santoni, I. Ellies, A. + W. Luebke, M. + C. Holstein, A. + T. Schroeder, T. Grewe, H. + F.-A. Harre, E. Stoeter, H. + V. Harms, R. Junghans, H. Hennecke, R. + K. Hinze, T. Hungermann, Ev.-luth. Michaelis-Gemeinde, Ev.-luth. St.Petri-Gemeinde, Nordstädter Kirchengemeinde, Ev.-luth. Marktkirchengemeinde, Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Gemeinde, H. Wolf, R. Schmidt, V. Grahn-Waterstradt, J. Pirskalla, A. Backe, H. Weber, M. J. Graf v. d. Goltz, C. Koettgen, K. + P. Henze, D. + C. Wilkening, Buchhandlung a. d. Marktkirche, H. Weisse, J. Kriwath, K. Foerster, M. Saeverin, U. + I. Becker, R. Kirk, R. + W. Zander, E. Lindwedel, G. Thienel, R. Tebel-Bartels, B. Meister-Meyer, J. + M. Seitz, I. Fransson, A. Engelhardt, W. Ridder, H.-W. + U. Grohn, W. Hoelting, H. Handt, E. + P. Lissner, E. Toenjes, E. Loens, R. Martens, B. Preisler, P. + E. Zimmermann, H. Reiter, D. Springer, B. Kraue, U. Schmotz, A. + K. Heise, W. v. Oertzen, R. Achter, G. + J. Schattka, C. Heitmann, M. Henke, B. Ernst, R. Kruse, F. Degotschin, H.-U. v. Marck, H. + B. Hohnschop, M. Blank, M. Wolff-Wittmar, S. + L. Breidert, I. Baurmeister, A. Ganske, S. Rokahr-Deissler, P. Hunnemann, B. Wachtel, M. Siebert, D. Wendler, G. Schwarzer, S. + L. Steiner, R. Heuer, H. + H. Gassmann, J. Holze, U. Schroers, R. Wermuth, F. Engel, H. Prein, H. Kesseler, C. Boeker, G. Sack, A. + G. Adam, J. Roskosch, R. Heinrich, I. Pfaff, W. Gehle, C. Eggers, D. Scheffel, C. Griesbach, A. Boettger, E. Krok, H. + E. Berz, U. + W. Finke, G. Thieme, R. + H. Gebauer, A. Hentschel, K. + U. Theilen, G. Just, G. Hamscher, C. Heunisch, D. Werner, A. Gerke, G. + H. Reinbold, A. Teckert, G. Langer, F. Leue, S. Hennig, M. Kunze, A. Hanekop, M. Ball, A. + C. Mueller, R. Papke, K. Leder, M. Rajewski, U. + R. Birkwald, D. Schmidt, W. + C. Heimeshoff, C. Hennecke, W. Schaer, S. Eiselt, F. Busse, H. Bielesch, I. + S. Lehmann, J. Kutzner, G. Becker, H.-H. Heise, K.-H. Wilhelm, F. + H. Heindorf, H. Triphan-Brockmann, J.-C. Zoch, U. + D. Lange, M. Ley, K. Purwin, C. Zieseniß, M. H. Meyer, A. Schlegel, H. Schomerus, A. + R. Guenzel, A. Walesch, R. Wiebe, K.-H. Schulze, M. Gresch, K. Starkebaum, A. Lichtenberg, I. Daniel, A. Horn, W. Grams, O. Kleinrath, M. Dzambasevic, W. Rott, A. Buschbaum, J. Roth, E. Osieka, M. Dittmann, I. Bornemann, Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei VerkäuferInnen R. + C. Ketelhake, E. Bitter, G. Kruse, L. Kuehne, K. Kisser, G. Dequeker, mit gültigem Ausweis! E. Henkes, M. Mackelden, Fam. Sager, J. Beuch, Fam. Schartenberg, C. Uka, A. Franke, T. Itmann, K. + K. Kassebeer, H. Schoen sowie allen Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Hellblau anonymen Spendern und allen Patinnen und Paten.

Verkäuferausweise


Silbenrätsel Asphalt 08/2014 31

Silbenrätsel ad – an – bar – bar – berg – cha – ckel – cof – da – der – der – ding – ei – er – er – ero – fee – frau – gen – gen – haft – haus – her – in – ir – irish – iro – kar – ler – li – li – los – lur – mach – mer – mom – mungs – na – ne – ne – ner – nie – nie – o – on – pud – rai – rei – ren – run – sa – sach – schaft – schen – se – sen – skrip – son – tel – ti – tik – tisch – wa – wun

1. toll! 2. auffälliges Gesichtsteil 3. vornehmes Anwesen 4. Raumpflegerin 5. engl. Mädchenname 6. Gemeinde in Bayern 7. wirrköpfig 8. scharfes Gewürz 9. ohne Mitleid 10. Spezielle engl. Kaffeeart (2 Wörter) 11. dt. Bundesland 12. etwas Erreichtes 13. männlicher Vorname 14. Einschreibung 15. überragend 16. chemisches Element

Die Lösung des Juli-Rätsels lautet: Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.

Greser & Lenz, FAZ

Aus den nachfolgenden Silben sind 21 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben (Achtung: ch = 1 Buchstabe) – jeweils von oben nach unten gelesen – ein Zitat von Hermann Hesse ergeben:

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal »Die Große Mauer in den Köpfen«. Mit seinem Buch begibt sich der in Deutschland lehrende Politologe Xuewu Gu auf die Suche nach Verständigung: Allein können weder China noch der 17. Götterspeise Westen die Folgen der Globalisierung bewältigen, aber, um voneinander zu lernen, gilt 18. Gefäß es die Mauer in den Köpfen zu überwinden – ohne seine Grundssätze aufzugeben. 19. versteckter Spott In dem Thriller »Black Box« von Michael Connelly bringt der ungelöste Fall einer ermordeten dänischen Journalistin wäh20. Himmelskörper rend heftiger Unruhen in Los Angeles den Detective Harry Bosch um seinen Schlaf. Bis 21. sinnliche Liebe er zwanzig Jahre später auf eine heiße Spur trifft und alles daran setzt, den Fall endlich Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. zu lösen... ? Ebenfalls dreimal für Sie. »Surfi ng The Clouds« – das neue Album der Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres WunschNew Yorker BrazilJazz-Group »Brazilian gewinnes) bitte an: Experience« um den Vibraphonisten Florian Asphalt-Magazin, Hallerstrasse 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. Poser besticht mit energischen BrazilRhythmen sowie klangvollen Balladen. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Schon seit einiger Zeit widmen sich die Bitte vergessen Sie Ihren Absender nicht! Musiker besonders der brazil-typischen Einsendeschluss: 31. August 2014 Bearbeitung klassischer Themen von etwa Bach und Mozart. Diese CD liegt dreimal für Sie bereit.


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