2016 07 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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MEHMET GANZ ANDERS MACHT PLATTEN Mehmet Scholl hat sein eigenes Musiklabel.

WECKT ANGST

Die Pest ist heute noch hochgefährlich.

SCHAFFT UNMUT Hannover streitet um seinen Raschplatz.


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Notizblock

6 Angespitzt 7

Mehmet Scholl mal anders

Der beliebte Fußball-Moderator hat ein eige­nes Plattenlabel und fördert junge MusikerInnen

10 Auf Höhe des Balls

Ein jugendlicher Schiedsrichter pfeift mit Leidenschaft in der Kreisliga. In Syrien war er auch schon fußballbegeistert.

12 Immer noch bedrohlich

Die Pest ist nicht ausgestorben. Weltweit flackert sie immer wieder auf. Und ist hoch­ gefährlich für Bioterrorismus. ­

15 Wer war eigentlich …? 16 Mundraub

Was ist eigentlich erlaubt, wenn man unter­ wegs an verlockenden Früchten vorbeikommt?

19 Kritik am Jobcenter 20 Fährmannsfest

Das beliebte Musikspektakel wird jetzt auch der Inklusion gerecht.

22 Aus der Szene 23 Das muss mal gesagt werden 24 Impressum 25 Schafft Unmut

Hannover streitet über die Situation am Raschplatz, einem der zentralen Orte der Landeshauptstadt

28 Rund um Asphalt 30 Aus dem Leben

von Asphalt-Verkäufer Reiner

32 Die Lesebühne

Marlene Stamerjohanns: Anni

34 Buchtipps 35 Juli-Tipps

Foto: Bayerischer Rundfunk/Denis Pernath

38 Ihr Engagement 39 Silbenrätsel

Das Asphalt-Prinzip

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung.


einigen von Ihnen wird das vorliegende Titelbild mit Mehmet Scholl nicht viel sagen, weil Sie mit Fußball nichts am Hut haben. Da sich noch bis zum 10. Juli fast alles um den EM-Fußball in Frankreich dreht, präsentiert Asphalt in dieser Ausgabe ein Interview mit einem ehemaligen Fußballprofi, der sich nicht allein über den Sport definieren lassen will. Er spricht mit Asphalt über seine Aktivitäten als Musikliebhaber. Geboren als Sohn eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter übernahm Mehmet Tobias Yüksel sehr früh den Familien­ namen seines späteren Stiefvaters. Mehmet Scholl war schon als Sportler durch selbständiges Denken aufgefallen und damit nicht selten angeeckt. Er scheint sich treu geblieben zu sein. Jedenfalls wirkt er im heute überdrehten und kommerzialisierten TV-Fußball als erholsamer Sympathieträger. Auch wenn er letztlich von diesem Hype als Experte und Werbefigur profitiert, hat er sich seine leicht spitzbübische Distanz zum belanglosen Medien-Trubel bewahrt. Er kann diesen Trubel, weil er wirklich etwas zu sagen hat, damit zugleich kritisieren. Mehmet Scholl, Mesut Özil oder auch Jérôme Boateng haben vor ihrer Anerkennung als prominente Fußballer in unserer Einwanderungsgesellschaft mit Sicherheit alltagsrassistische Demütigungen erfahren müssen. In der Regel sprechen sie darüber nur selten, zumal sie heute durch ihre Prominenz davor relativ geschützt sind. Jérôme Boateng musste dennoch die Erfahrung machen, dass die perfide AfD-Strategie von rassistischen Beleidigungen einerseits und Dementi andererseits vor seiner Person nicht Halt machte. Ich bin mir nicht sicher, ob die vielen Solidarisierungsbekundungen für den missbrauchten Jérôme Boateng diesen beruhigen konnten. Denn gemäß der Strategie der völkisch anti-liberalen AfD sind entsprechende rassistische Ungeheuerlichkeiten trotz in der Regel prompter Dementierungen in der Welt. Sie sickern in die Gesellschaft, stoßen zwar noch überwiegend auf Gegenwehr, finden aber im Alltag zunehmend Resonanz und Zustimmung. Verstärkt wird diese Resonanz noch dadurch, dass die Urheber der AfD am anderen Tag in Talk-Shows auftreten dürfen und offenbar als anerkannte Gesprächspartner wahrgenommen werden. Dann frage ich mich immer besorgter, was mit den Menschen passieren kann, die über keinen Prominentenschutz verfügen.

Ihr

Heiko Geiling · Asphalt-Mitherausgeber

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

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Foto: Picture-Alliance/A. Litzlbauer

NOTIZBLOCK

Erhöhte Krebsgefahr Rotenburg/Nienburg. Lange vermutet, nun ist es amtlich: In der Samtgemeinde Bothel bei Rotenburg sowie in Rodewald bei Nienburg gibt es deutlich mehr Krebsfälle als anderswo. Statistisch. Das sind die neuesten Ergebnisse des Krebsregisters Niedersachsen. Demnach gibt es in Bothel doppelt so viele Leukämie- und Lymphdrüsenkrebsfälle, wie es statistisch erwartbar wäre, und in Rodewald annähernd doppelt so viele. In beiden Gegenden wird seit Jahren Erdgas, teils über Frackingmethoden, gefördert. Bei Fracking werden krebserregende Chemikalien ins Erdreich gepresst. Zudem sind rund um Bremen sow ie im Landkreis Emden deutlich erhöhte Lungenkrebsfälle bei Männern zu beobachten. Das Krebsregister spricht hier von einer »signifikanten Häufung«. Die meisten der erkrankten Männer waren früher Werftarbeiter, sie arbeiteten häufig mit Asbest. Aktuell leben rund 3 Prozent aller Niedersachsen mit einer Krebserkrankung. MAC

Jeder dritte Bauer Teilzeitbauer

DGB fordert mehr für Kinder

Hannover. Laut dem Landesbauernverband werden rund 13.000 Bauernhöfe derzeit von Besitzern betrieben, die nur im Nebenerwerb als Bauern aktiv sind. Das entspricht etwa einem Drittel aller Landwirte in Niedersachsen. Nach Angaben des Bauernverbandes geschieht der Wechsel vom Hauptberuf Landwirt zum Nebenerwerb häufig bei einem Generationswechsel auf dem Hof. »Die Kinder fühlen sich dem Hof und dem Eigentum verpflichtet, dahinter steht auch ein lange gewachsenes und konservatives Denken. Vor allem außerhalb der Ballungsgebiete ist der Nebenerwerb fester Bestandteil der Landwirtschaft, weil der Ausstieg nahe der großen Arbeitgeber doch leichter fällt als in den strukturschwächeren Regionen«, erläutert Karl Wiedemeier vom Landvolk Niedersachsen. Für Wiedemeier sind die Bauern im Nebenerwerb auch gleichzeitig wichtige Botschafter, denn in ihrem Erstjob betreiben sie wichtige Öffentlichkeitsarbeit für ihren Berufsstand. Dadurch, dass die Bauern den Hof im Nebenerwerb betreiben, sind sie allerdings vor allem zu Arbeitsspitzen auf Unterstützung angewiesen. Diese Arbeiten werden dann von Lohnunternehmern ausgeführt. ME

Hannover. Ein Aktionsprogramm gegen Kinderarmut hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gefordert. Denn trotz starker Konjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit sei Kinderarmut in Niedersachsen weiter gestiegen. Mehr als 163.000 Kinder zwischen Ems und Elbe waren im vergangenen Jahr von Hartz IV abhängig – das sind 15,5 Prozent aller Kinder im Land. Im Vergleich zum Vorjahr ist ihre Zahl um 3.200 gewachsen, das entspricht rund zwei Prozent. Diese Entwicklung zeige, dass der Aufschwung vor allem an Kindern aus armen Familien vorbeigehe. »Die Zahlen in Niedersachsen sind beschämend. Alle Kinder haben ein Recht auf ein würdevolles Leben«, sagt DGB-Bezirkschef Hartmut Tölle und fordert vom Land, endlich einen sozialen Arbeitsmarkt mit öffentlich geförderten Arbeitsverhältnissen auf den Weg zu bringen. Zudem müssten Kinderzuschläge und Wohngeld erhöht werden, damit Familien seltener in Hartz IV abrutschen. MAC


Kein Wählen mit 16

Hannover. Angesichts der wachsenden Wolfspopulation in Niedersachsen plant die Landesregierung mehr Personal für das Wolfsmanagement im Land. Zudem will Umweltminister Stefan Wenzel die Entschädigungs­ beträge für von Wölfen gerissene Nutztiere erhöhen. Die FDP-Fraktion hatte jüngst im Niedersächsischen Landtag eine entsprechende Anfrage gestellt. Künftig sollen zwei Tierärzte die Begutachtung der mittlerweile sieben Rudel im Land verstärken, den Tieren helfen und die Bevölkerung beraten. Die meisten Tiere halten sich aktuell im Bereich der Lüneburger Heide und rund um Vechta auf. »Die Erfahrungen in den Ländern, in denen der Wolf schon früher zurückgekehrt ist zeigen, dass ein Zusammenleben von Wolf und Mensch funktioniert«, so Wenzel. Die FDP forderte indes, die Population von Jägern einzudämmen. »Über kurz oder lang wird man nicht daran vorbeikommen, Quoten festzulegen, wie viele Tiere erträglich sind für Menschen sowie für Flora und Fauna«, so der umweltpolitische Sprecher Gero Hocker. MAC

Hannover. Die CDU in Niedersachsen ist weiterhin dagegen, das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 abzusenken. SPD, Grüne und auch FDP haben sich bereits dafür ausgesprochen. Für eine Absenkung ist allerdings eine ZweiDrittel-Mehrheit im Landtag notwendig, da für eine entsprechende Regelung eine Verfassungsänderung notwendig ist. Ohne die Christdemokraten ist diese derzeit nicht zu erreichen. In SchleswigHolstein, Hamburg und Bremen gibt es bereits das »Wählen ab 16 Jahren«. Bis zu einer erneuten Befassung mit dem Thema im Landtag voraussichtlich im Herbst wollen SPD, Grüne und FDP nun Überzeugungsarbeit leisten, damit dann auch die CDU eine entsprechende Regelung mittragen wird. ME

Rund 88 % aller Niedersachsen besitzen laut

ZAHLENSPIEGEL »FAHRRAD«

Landesamt für Statistik 2013 mindestens ein

Fahrrad. Damit liegt Niedersachsen deutlich über dem Bundesdurchschnitt von nur rund 80 %. Niedersächsische Haushalte mit Kindern haben fast alle mindestens einen

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Drahtesel (96,8 %). Alleinlebende Frauen haben mit 79 % ebenso wie alleinlebende Männer (82,1 %)

am seltensten Fahrräder. Deutliche Unterschiede auch beim Einkommen: Während Haushalte von Besserverdienenden zu mehr

als 90 % mit Fahrrädern ausgestattet sind, liegt die Quote bei Arbeitslosen- und Rentnerhaus­ halten bei nur

etwa 80 %.

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Mehr Management für Wölfe

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ANGESPITZT

9.000 Leute müssen jetzt wohl rostige Schiffscontainer bei sich zu Hause unterbringen. Der Platz wird natürlich nicht ausreichen, auch wenn diese 9.000 Leute eine geräumige Wohnung haben sollten oder gar ein Haus mit Carport. Denn ein Schiffscontainer ist riesig, und jeder von den 9.000 Leuten besitzt viele davon. Warum? Weil die Leute GIERIG waren. Und das kam so: Das deutsche Unternehmen Magellan Maritime Services hat Ende Mai 2016 Insolvenz angemeldet. Es machte mal viel Geld damit, dass es Schiffscontainer verkaufte. An oberschlaue Anleger, die sich hohe Renditen versprachen. So ganz klar waren die Geschäftsbedingungen wohl nie, Container als Kapitalanlage wurden nicht von der Finanzaufsicht Bafin überwacht. Und da war eben die GIER. Jedenfalls kauften 9.000 Anleger, die null Ahnung hatten vom Schiffsverkehr, zigtausende dieser Container, und Magellan übernahm es, sie an Reedereien weltweit zu vermieten. Die Kapitalanleger bekamen monatlich einen Teil der Miete ab sowie das Versprechen, die Dinger nach fünf Jahren zu tollen Preisen an Magellan zurückverkaufen zu dürfen. Aber der Markt! Macht was er will. Immer weniger Container werden derzeit über die Weltmeere geschippert, und Magellan kauft kein einziges Ding mehr zurück, sondern ist ganz profan pleite. Folge: Die 9.000 Anle-

»ROSTIGE RENDITE«

ger besitzen jetzt persönlich alle diese Container, aus denen sie eigentlich nur GIERIG Gewinn schlagen wollten. Doch wer besitzt welchen Container? Gehört der rostige rote in Rotterdam Herrn Schmidt und der beige in Beijing Frau Krause? Oder gehört ihr doch einer von den braunen in Bremerhaven? Und selbst wenn jeder Container mit blechener Stimme seinem rechtmäßigen Besitzer zuriefe: »Hol mich ab, ich bin für immer dein!« Was soll man damit machen? Merke: GIER kann zu schwer wiegenden Problemen führen. Renate Schwarzbauer


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Foto: Bayerischer Rundfunk/Denis Pernath

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MEHMETS MUSIK Mehmet Scholl, Ex-Nationalspieler und TV-Fußballexperte, ist ein Musikfreak. Gemeinsam mit Filmkomponist Gerd Baumann und dem Kabarett-Veranstalter Till Hofmann betreibt er in München das Plattenlabel Millaphon Records, mit Achim Bogdahn moderiert er die Radiosendung »Mehmets Schollplatten«. Herr Scholl, welche Musik hat Ihre Leidenschaft entfacht? Es ging damit los, dass ich mal nachts mit klingelnden Ohren aus der Disco nach Hause kam. Weil ich noch nicht schlafen konnte, habe ich zuhause MTV eingeschaltet. Dort liefen nacheinander Echo & The Bunnymen, Filter und Eels. Und dann war’s um mich geschehen! Ich habe mir die Namen dieser Bands sofort aufgeschrieben, damit ich sie nicht vergesse. Mein größtes Konzerterlebnis hatte ich dann 2001 mit Arcade Fire in München vor 100 Leuten. Das war wie ein Orkan.

Inzwischen arbeiten Sie selber mit Bands zusammen. Was macht Millaphon Records anders als die großen Labels? Zuerst einmal sollen sich die Künstler bei uns wohlfühlen, das heißt, wir quatschen ihnen nicht rein. Wenn sie unseren Rat haben wollen, ja. Ansonsten garantieren wir ihnen die totale Freiheit. Und unser Verteilungsschlüssel ist anders, die Künstler bekommen bei uns mehr Anteile.

Was bringen Sie persönlich bei Millaphon Records ein?


Meine Art, Musik zu betrachten. Wir bei Millaphon sind alle sehr verschieden. Gerd Baumann ist selber Komponist und kann Musik handwerklich beurteilen, Till Hofmann ist unser Gehirn – und ich stelle meine Ohren zur Verfügung.

Sie muss Leidenschaft haben für das, was sie macht. Ich war gestern Abend bei Teleman in München. Die hören sich auf CD ordentlich bis gut an, sind aber live wirklich beeindruckend. Ohne dass sie die ganz große Show machen, langweilt man sich bei ihnen keine Sekunde.

Wie gehen Sie an Musik heran? Zunächst einmal habe ich herausgefunden, dass Musik, die bei mir bleibt, nicht sofort ins Ohr geht. Diese Musik hat einen melancholischen Touch und enthält ein Crescendo. Da kann ich Leidenschaft, Leid und teilweise auch Wut heraushören. Wenn ich spüre, dass ein Künstler sein Leben in Musik verpackt, dann bin ich dabei.

Foto: Picture-Alliance/Eibner-Pressefoto

Wie muss eine Band klingen, damit Sie bei Ihnen unterkommt?

Ihr neuer Sampler heißt: »Miss Milla 2«. Nach welchen Kriterien haben Sie ihn zusammengestellt? Ich habe seit mehreren Jahren eine Radiosendung bei Bayern 2 zusammen mit Achim Bogdahn. Der Sampler vereint das Beste aus dieser Sendung aus den letzten zwei Jahren. Es hätten da eigentlich noch viel mehr Titel draufgehört. Wir haben dann eine Liste mit 30 Stücken zusammengestellt.

Der Sampler ist international ausgerichtet mit Bands aus den USA, Kanada, England, Dänemark, Schweden und Deutschland. Da sind zum Teil auch skurrile Künstler dabei, wie stoßen Sie auf die? Suchen! Man muss auch mal schlechte Konzerte besuchen, um beurteilen zu können, ob etwas herausragend ist. Bei der Band Future Islands zum Beispiel habe ich nicht viel erwartet, aber meine Erwartungen wurden weit übertroffen. Für mich ist das die Live-Band des letzten Jahres. Ich habe die Songs nicht nach Ländern ausgesucht, sondern ich glaube, dass diese besonderen Bands eine breitere Öffentlichkeit verdient haben.

Haben Sie versucht, möglichst exklusive Songs zu bekommen?

Mehmet Scholl, Jahrgang 1970, spielte als Profi-Fußballer für den Karlsruher SC, für Bayern München und in der deutschen Nationalmannschaft, mit der er 1996 Europameister wurde. Seit Beendigung seiner aktiven Fußballkarriere arbeitet Mehmet Scholl als TV-Fußballexperte (Foto), Sportkommentator und Trainer. 2011 gründete er das Musiklabel Millaphon Records, das vorwiegend Independent Rock vertritt, seit 2012 moderiert er die Radio-Sendung »Mehmets Schollplatten« auf Bayern 2.

Nein, das sind alles meine Lieblingslieder. Da ist keine einzige Band drauf wegen ihres Coolness-Faktors oder weil sie gerade angesagt ist. Die Champs haben wir mit unserer Radiosendung besucht, das sind ganz nette Jungs von der Isle Of Wight. Mit ihnen haben wir drei Tage verbracht, und daraus ist eine Freundschaft entstanden, die bis heute anhält.

Merken Sie als Radio-DJ den Druck von Plattenfirmen? Überhaupt nicht. Achim Bogdahn und ich sind Gottseidank völlig autonom und können in unserer Sendung machen, was wir wollen. Da wird weder drübergeschaut noch kontrolliert. Wer »Mehmets Schollplatten« einmal gehört hat, weiß, was da an Musik auf einen zukommt. Im Moment verfolgt


Wissen die Bands eigentlich, dass Sie Mehmet Scholl, der Profi-Fußballer sind? Ich glaube, die meisten dieser Bands haben überhaupt keine Ahnung, wer ich bin. Vielleicht interessiert sie das auch gar nicht. Wer mehr über mich wissen möchte, kann mich ja googeln. Es war eher so, dass die Bands wirklich Lust hatten, bei dieser Zusammenstellung dabei zu sein.

Haben die Songs auf Ihrem neuen Sampler auch etwas mit Fußball zu tun? Nein, es gibt darauf keine Berührungspunkte mit Fußball. Wenn überhaupt, dann bin ich das. Ich mag beides gerne – und könnte auch nicht sagen, welche Leidenschaft die größere ist: Ob es die Künstler mit ihrer Musik oder die Profis mit ihrem Fußball sind.

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mich zum Beispiel das französische Lied »Christine« von Christine & The Queens, weil es so speziell ist.

Label schlechthin sind. Zu unserem Stall gehört unter anderen die Band Dreiviertelblut, bei der Gerd Baumann selbst mitspielt. Die machen ganz andere Musik als etwa Balloon Pilot, deren nächste CD wir rausbringen.

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Möchten Sie Millaphon Records als starke Marke etablieren?

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Wir gehen ganz entspannt mit der Firma und den Künstlern um. Da gibt es keinen Stress. Wo es hinführen wird, wissen wir nicht. Wir sind alles Idealisten, die Menschen mögen, die anders denken. Deswegen unterstützen wir unsere Bands.

Machen Sie auch selber Musik? Die Welt dieser Art von Musik ist total entspannt. Wenn ich Konzerte besuche, mag ich die Energie, die diese Musik verströmt. Laut gehört, weckt sie bei mir sehr schöne Gefühle.

Hat Ihnen Musik in Ihrer aktiven Fußballzeit in irgendeiner Weise geholfen? Ja, und wie! Wir saßen immer vier Tage in der Woche im Hotel. Da gibt es ja nicht viele Möglichkeiten, sich abzulenken. Man kann Karten spielen, man kann lesen – und man kann wie ich nach Musik suchen.

Schlagersängerinnen wie Helene Fischer und Andrea Berg sind scheinbar sehr beliebt bei Fußballstars. Kamen Sie sich da mit Ihrem Musikgeschmack manchmal ein bisschen einsam vor? Ich weiß gar nicht, was die heutige Generation hört. Zu unserer Zeit war es bei den meisten Hip-Hop. Südamerikaner hörten südamerikanische Musik, ansonsten war es querbeet. Ich habe damals versucht, den einen oder anderen von dieser Art von Musik zu überzeugen, aber es ist mir nicht gelungen. Mit meinen Mix-CDs für den Bus hatte es sich relativ schnell erledigt. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass Olli Kahn einmal zum Busfahrer sagte: »Kannst du bitte den Schmarrn vom Scholl da rausmachen!«

Sie haben mit Millaphon Records vor fünf Jahren mit ganz viel Idealismus angefangen. Kann das Label heute aus eigener Kraft existieren? Zumindest musste noch niemand von uns etwas nachschieben. Wir drei Gründer leben alle nicht davon, für uns ist das ein Riesenspaß. Unseren Idealismus haben wir uns bis heute erhalten.

Nein, nein! Ich bin musikalisch völlig unbegabt.

Lionel Messi ist angeblich großer Oasis-Fan. Haben Sie sich mit ihm schon mal über Musik unterhalten? Nein, ich habe mich überhaupt noch nicht mit ihm unterhalten. (lacht) Interview: Olaf Neumann

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Was ist anders in der Welt der Musik als im Fußball?


KLARE KANTE Als 15-Jähriger kam Dilschad als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland. Mittlerweile ist er Fußballschiedsrichter. Vielleicht qualifiziert ihn ausgerechnet seine persönliche Geschichte besonders gut dafür. Fingerspitzengefühl, Fußballregelkunde und klare Kante: Von pfeifen noch sehr zurückhaltend«, sagt Christian Münzberg, Schiedsrichtern wird erwartet, dass sie Spiele leiten wie ein Vorsitzender von Dilschads Verein TuS Marathon. »Aber er hat Dirigent sein Symphonieorchester – nur deutlich unauffäl- eine ganz eigene Ausstrahlung und viel mehr Selbstvertrauen liger. Entscheidungen müssen dabei in Sekundenbruchteilen als die anderen Jungs in seiner Altersklasse.« Erst vor kurzem getroffen werden: Foul ja oder nein? Reicht eine Ermahnung sei der junge Schiedsrichter bei einem Jugendspiel von einem oder muss schon eine Karte gezeigt werden? Wie können Emo- erwachsenen Zuschauer blöd angemacht worden. Den habe er tionen zugelassen, aber Aggressionen eingedämmt werden? direkt – ruhig, aber bestimmt – zur Ruhe gerufen und mit resSpieler, Trainer, Zuschauer: Alle rufen, fordern, motzen – eine pektabler Autorität mit dem Verweis vom Sportplatz gedroht. Dass Dilschad so viel abgeklärter agiert als seine Altersbisweilen enorme Anforderung an die Psyche. Für den 17 Jahre alten hannoverschen Nachwuchsschiedsrichter Dilschad aber genossen, dürfte zu einem großen Teil daran liegen, dass er offenbar kein Problem. »Die meisten Schiris in seinem Alter schon deutlich mehr erlebt hat als diese. Oder besser: Deut-


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lich mehr erleben musste. Denn vor noch gar nicht besucht. Sprachlernklassen sorgten für einen langer Zeit lebte Dilschad noch in Syrien. Auch dort guten Start, erklärt er. Dennoch sei er am Anfang war er begeistert vom runden Leder, spielte Fuß- noch in den Fächern Sport und Englisch am besball, gewann in seiner Altersklasse sogar eine Lan- ten gewesen: »Da braucht man ja kein Deutsch«, desmeisterschaft. Eine unbeschwerte Jugend war in schmunzelt er. dem vom Bürgerkrieg zerstörten und mittlerweile Mindestens ebenso viel Enthusiasmus wie für faktisch gar nicht mehr existierenden Land bald Fußball hat Dilschad für ein ganz anderes Metier: jedoch nicht mehr möglich. Im Gegenteil: Nach dem das Schauspiel. Zunächst machte er bei »How I met Tod des Vaters fiel die Entscheidung zur Flucht – die my neighbor – on stage« mit, einem internationaschließlich vor gut zwei Jahren in Hannover endete, len Theaterprojekt, bei dem sich Jugendliche aus wo er mutterseelenallein ankam. 13 Nationen in einer Art Szenen-Collage in selbstViel reden möchte er darüber heute nicht mehr. geschriebenen Sequenzen mit Krieg, Vertreibung Es wirkt beinahe so, als hätte er – noch nicht ein- und dem Ankommen in einer mal volljährig – mit einem ersten Teil seines Lebens zunächst f remden Gesel lbereits abgeschlossen. Stattdessen blickt er lieber schaft auseinandersetzten. optimistisch in die Zukunft, freut sich über das Das war ein voller Erfolg, Fußballspielen bei der TuS Marathon – und sein insgesamt wurde das Stück Dasein als Schiedsrichter. Nun ist es freilich nicht in der Region 15 Mal aufgeunbedingt das gefragteste Hobby für einen Jugend- führt. Jetzt engagiert er sich lichen in seinem Alter, die Wochenenden als Refe- in einem weiteren Projekt mit ree zu verbringen. Fußball spielen, klar, das wollen dem Namen »Lost in Paraviele. Aber Fußballspiele leiten? Da hört es bei den dise«. Auch hier geht es um meisten dann doch eher auf. Ein Teil der Begeis- die Beschäftigung mit eigeterung für die Rolle des Unparteiischen auf dem nen und fremden IdentitäPlatz speist sich bei Dilschad aus einem ausgepräg- ten. Das Motto lautet: »Raise ten Sinn für Gerechtigkeit. Auch sein Vater habe your voice for respect.« Für Dilschad liegt genau hier das Ideal des Einsatzes für andere gelebt. Hier über- der Antrieb. »Ich möchte anderen Menschen meine dauert dieses Ideal nun in gewisser Weise – wenn Meinung mitteilen«, sagt er. Und auf der Straße auch auf ganz andere Art. könne er eben nicht so viele Leute erreichen wie Auf der anderen Seite ist es aber auch pure Lei- von der Bühne aus. Er macht eine kurze Pause – und denschaft für das Spiel, die ihn antreibt. Dilschad präzisiert das dann noch einmal. Aufgrund seiner selbst bringt das lachend auf den Punkt: »Schieds- syrischen Herkunft dächten viele in einer bestimmrichter sein macht einfach Spaß!« Dabei hat der Nie- ten Assoziationskette: schwarze Haare, Moslem, IS. dersächsische Fußballverband (NFV) vor diesen »Ich will zeigen, dass nicht jeder, der aus Ländern Spaß zunächst mal trockene Theorie gesetzt: Einen kommt, wo der IS ist, automatisch auch zum IS mehrtägigen Lehrgang nämlich, der nur mit einem gehört«, sagt Dilschad mit Nachdruck. »Schließlich gewissen Durchhaltevermögen und Enthusiasmus haben die meinen Vater umgebracht.« Es ist diezu meistern ist. Der Vereinsvorsitzende Christian ser gerechtigkeitsliebende Ernst, der bei Dilschad Münzberg beschreibt das mit einer Anekdote: Der trotz allem Spaß an den verschiedenen Aktivitäten Verein TuS Marathon habe im Januar vier Personen immer wieder durchkommt – auf der Bühne wie auf zum Schiedsrichter-Lehrgang beim NFV angemel- dem Fußballfeld. Dort bekam das neulich sein jündet. Dilschad war gar nicht dabei. Er sei dann aber gerer Bruder zu spüren, der mittlerweile ebenfalls einfach ohne Anmeldung zum Lehrgang gegangen – in Hannover lebt. Dilschad leitete eines von dessen und habe gesagt: »Hier bin ich, ich will den Schieds- Spielen als Schiedsrichter – und zeigte dem jüngerichterschein machen!« Es klappte. Und wie: Letzt- ren Bruder prompt eine gelbe Karte: »Regel ist nun lich war es Dilschad, der den Lehrgang als einziger einmal Regel.« der Marathon-Vertreter auf Anhieb bestand. Text und Fotos: Sören Nolte Ein Lehrgang also, durch den man sich durchbeißen muss. Das kannte Dilschad allerdings bereits von der Realschule, die er in Hannover

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»Dilschad ist einzigartig«, findet sein »Chef«, der Vorsitzende vom TuS Marathon, Christian Münzberg.


Foto: Picture-Alliance/Dr.Gary Gaugler/OKAPIA

DIE PEST Ein Drittel der europäischen Bevölkerung fiel ihr im Mittelalter zum Opfer und sie ist auch heute bedrohlich trotz moderner Antibiotika: In etlichen Regionen weltweit bricht die Pest immer noch aus. Auch für Terroranschläge sind Pestbakterien geeignet.


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Der Erreger der Pest ist ein anspruchsloses Bak­ Seit 1972 ächtet eine Genfer Konvention die Entwicklung und terium. Es ist leicht übertragbar und kann auch Anwendung von Bio-Waffen. Fast alle Staaten haben diese Konlange überleben in menschlichen Leichen, toten vention inzwischen ratifiziert, aber es hapert noch gewaltig Tieren, auf Kleidern oder einfach irgendwo. Es bei der Kontrolle. Die Pest wird in der Kategorie A (»besonders heißt »yersinia pestis« nach seinem Entdecker Ale- geeignet und besonders gefährlich«) geführt. Sie wird als eines xandre Yersin (1863 – 1943). Er war Arzt, Mitarbei- der bedrohlichsten Mittel für Bioterrorismus eingeschätzt. Die ter von Louis Pasteur in Paris. Mit französischen Bakterien sind im Labor gut vermehrbar und robust. In die Luft Indochina-Truppen kam Yersin nach Vietnam gebracht, zum Beispiel durch Be- und Entlüftungen, verbreiten und die französische Regierung schickte ihn 1894 sie sich schnell. Auch die Infektion und das Verstreuen ganzer weiter nach Hongkong, wo gerade wieder eine Pest- Populationen von Rattenflöhen ist machbar. Es gibt Hinweise, epidemie wütete. Er hatte den Auftrag, endlich dass Japan während des Zweiten Weltkrieges gezielt infizierte etwas herauszufinden über Ursachen und Über­ Flöhe und infiziertes Rattenfutter über chinesischen Dörfern tragungswege dieser Krankheit, die im 14. Jahrhun- auswarf. Hunderte Menschen starben dort an der Pest oder dert mindestens 20 Millionen Menschen in Europa litten lebenslang an schweren körperlichen Schäden. Offiziell getötet hatte und auch seitdem immer wieder hat Japan diese Pestangriffe nicht bestätigt. Es steht aber fest, ausbrach (siehe Kasten). Yersin untersuchte akri- dass es japanische Forschungsstationen gab zur Pest als Waffe. bisch den Inhalt der typischen Beulen, die er Pest­ Militärische Biowaffenentwicklung mit Seuchenviren und toten aus der Leiste schnitt, und fand unter dem -bakterien (einschließlich Pest) betrieben unter anderem auch Mikroskop die Struktur des auslösenden Bakteri- die Sowjetunion bis Anfang der 90er Jahre und Südafrika ab ums. Seine Erkenntnisse sandte er an die französi- 1983 bis circa 1992. Beide Programme wurden durch Whistle­ sche Akademie der Wissenschaften und als Mitte des blowing aufgedeckt, danach international geächtet und laut 20. Jahrhunderts Antibiotika serienreif waren, konnte endlich auch die Pest medizinisch bekämpft werden. Der Schwarze Tod Das Pestbakterium reagiert auf Antibiotika – Die häufigste Form der Pest ist die Beulenpest. Die Beulen Antibiotika sind gut herzustellen – die Pest ist kein sind eitrige Anschwellungen, vor allem in der Leistengegend, Problem mehr: So einfach könnte der Zusammendie anzeigen, dass das Immunsystem im Kampf gegen den hang sein. Ist er aber nicht. Denn es gibt inzwiErreger verloren hat. Der heilige Sebastian ist der christliche schen gegen Antibiotika resistente Peststämme, die Schutzpatron der Pestkranken und wird auf mittelalterlichen Pest bricht immer wieder aus, und die moderne Bildern selbst mit Pestbeulen dargestellt. Ohne Antibiotika Forschung hat ein doppeltes Gesicht: Je mehr sie verläuft die Beulen­pest, die von Ratten und Flöhen durch Biss über die Struktur des Erregers herausfindet, umso übertragen wird, tödlich, der Krankheitsverlauf ist schleppend höher ist das Risiko, dass Forscher bewusst oder über Tage oder Wochen. Die Lungenpest kann aus der Beulenunbewusst dazu beitragen, das Pestbakterium aus pest erwachsen oder durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu den Hochsicherheitslaboren entweichen zu lassen. Mensch oder von Tier zu Mensch übertragen werden. Ihr Verlauf Medizinethiker bemängeln, dass diesem »Dualist schnell, innerhalb von nicht einmal drei Tagen treten hohes Use-Problem« der Seuchenforschung zu wenig Fieber, Durchfälle, Blutungen auf, die unmittelbar zum Tod fühAugenmerk geschenkt wird: Medizinisch nützliche ren. Werden Antibiotika nicht innerhalb von Stunden nach der Analyse kann genauso gut Grundlage für die EntAnsteckung verabreicht, ist die Lungenpest auch heute absolut wicklung moderner Biowaffen sein. tödlich. Den Namen »Der Schwarze Tod« erhielt die Pest, weil In der Warnung vor dieser Gefahr ist derzeit eine im Endstadium innere Blutungen zu Flecken gerinnen, die durch deutsche Institution eine der wichtigsten Stimmen die Haut der Sterbenden und Toten schwarz durchscheinen. weltweit: die Forschungsstelle Biologische Waffen Die größte Pestepidemie war die des 14. Jahrhunderts, der über und Rüstungskontrolle am Zentrum für Naturwis20 Millionen Menschen in Europa zum Opfer fielen. Zuvor hatte senschaft und Friedensforschung der Universität die »Justinianische Pest« im 6. Jahrhundert auf dem Gebiet des Hamburg. Sie trägt wesentlich zu einem regelmäRömischen Reiches durch ihre hohe Anzahl von Opfern mit zum ßigen Monitoring bei, das alle erreichbaren Quellen Untergang des Reiches beigetragen. Weitere Pestepidemien nutzt, um herauszufinden, welche Staaten in wie ereigneten sich im 17. und 18. Jahrhundert in London, Wien und vielen Hochsicherheitslaboren zu welchen Zwecken Marseille, im 19. Jahrhundert in Zentral- und Ostasien. SCH an der Pest forschen (www.znf.uni-hamburg.de).

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Foto: Picture-Alliance/dpa

Ein Vater trauert um sein an Pest verstorbenes Kind, Indien 1994.

offiziellen Angaben beendet. Weltweit lagern aber noch in hunderten von Laboren infizierte Körperteile oder isolierte Pestbakterien. Überall, wo sie im Verlauf der Geschichte auftrat, veränderte die Pest die europäische Sozialgeschichte. Ganze Landstriche starben aus, die Altersstruktur verjüngte sich dramatisch, Besitzverhältnisse änderten sich im Rhythmus von Jahren oder gar Monaten. Hergebrachte Regeln des Zusammenlebens brachen unter dem Eindruck des Massensterbens ein, Genuss ad hoc ohne Rücksicht auf die Folgen erschien dem einen Teil der Bevölkerung die angemessene Reaktion. Der andere Teil unterwarf sich strengster Befolgung religiöser Rituale und unternahm Bittprozessionen. Einig waren sich beide Gruppen in der Konstruktion eines Feindbildes zur Ursache der Pest: Der bereits vorhandene Antisemitismus wuchs sich zu einer Welle von Pog-

romen aus, Juden wurden als Sündenböcke für die Ausbrüche verantwortlich gemacht. Die wenigen vernünftigen Stimmen, die darauf hinwiesen, dass Juden der Seuche ebenso grausam zum Opfer fielen wie Christen, wurden niedergemacht. Seuchenforschung mit Hilfe der Genom-Analyse menschlicher Knochen und Zähne aus historischen Pestfriedhöfen hat inzwischen herausgefunden, dass ältere Peststämme offenbar ausgestorben sind: Alle Ausbrüche der letzten Jahrhunderte gehen auf Peststämme des berüchtigten Schwarzen Todes des Mittelalters zurück. Durch sensationelle Gräberfunde im Untergrund eines ehemaligen Hospitals ließen sich im vergangenen Jahr auch in London mutierte Stämme des Schwarzen Todes von Skeletten aus der Zeit der dortigen Pestepidemie 1665 isolieren. Daniel Defoe, der Autor des Robinson Crusoe, beschrieb 1722 in seinem wie eine Reportage anmutenden Buch »Die Pest zu London« den frühneuzeitlichen Umgang mit der Katastrophe am Beispiel dieser Londoner Epidemie. Von heutigen Pestausbrüchen am härtesten betroffen ist Madagaskar. Die Seuche kam erstmals Ende des 19. Jahrhunderts auf diese Insel, aus Indien – einem über viele Jahrhunderte hochaktiven Pestreservoir – mit Schiffen, die Reis geladen hatten und ungewollt auch Ratten und Flöhe. Seither bricht die Pest auf Madagaskar in Abständen aus, zuletzt 2014, und fordert jedes Mal Hunderte von Toten. Schlechte Sanitärverhältnisse und Krankenhaus­ hygiene, mangelndes Wissen über Ansteckungswege und den schnell tödlichen Verlauf der Pest, wenn sie unbehandelt bleibt: Auf Madagaskar kommen viele Faktoren zusammen, die die Pest immer wieder ausbrechen lassen. Wie so häufig, finden sich die meisten Opfer unter den Ärmsten. So auch in den mindestens 20 weiteren Regionen der Welt, in denen heute die Pest noch ausbricht, von Indien bis zur Mongolei, vom Kongo bis in einige abgelegene Gegenden der USA. Ein verträglicher Impfstoff ist immer noch nicht gefunden. Renate Schwarzbauer


… ERICH MÜHSAM?

Foto: Bundesarchiv/Wikipedia

Angepasstheit war seine Sache nicht: Im Untertitel »der deutschen Sozial­ demokratie gewidmet« schuf der Revolutionär im Jahr 1907 das aufmüpfige Lied vom »Revoluzzer, im Zivilstand Lampenputzer«, das auch Jahrzehnte später noch von großen Künstlern wie Ernst Busch oder Wolfgang Neuss interpretiert wurde. Erich Kurt Mühsam, der am 6. April 1878 in Berlin in eine Lübecker Apothekerfamilie hineingeboren wurde, gab sich zeitlebens nicht mit Halbheiten ab. Bereits als Schüler flog er wegen »sozialistischer Umtriebe« vom Gy mnasium. Nach einer Apothekerlehre arbeitete er erst als Apothekengehilfe, doch bereits ab 1901 bewegte er sich als freier Schriftsteller in der Berliner Bohème. Er hasste Autoritäten und fühlte sich tief verbunden mit den sozial Benachteiligten. Dabei widerstrebten ihm Reformismus und Legalismus der SPD, den Marxismus lehnte er pauschal ab. Stattdessen hoffte er darauf, dass die Ärmsten der Armen gegen das ihnen auferlegte Schicksal revoltieren würden.

Der unbequeme Kämpfer Erich Mühsam zog es in die Ferne, nach Zürich, Norditalien, München, Wien und Paris. Zwischen 1904 und 1908 war er immer wieder auf dem Monte Veritá bei Ascona zu Besuch, einem Hügel im Tessin, wo sich damals Künstler, Schriftsteller und Anhänger unterschiedlicher alternativer Bewegungen trafen. 1909 ließ er sich in München nieder und befreundete sich mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger und anderen Vertretern der Schwabinger Künstlerszene. Von 1911 bis 1918 gab er die Zeitschrift »Kain« heraus, von 1926 bis 1931 die »Anarchistische Monatsschrift Fanal«. Die Gründung der »Gruppe Tat«, die für den Anarchismus begeistern sollte, trug ihm gleich 1910 eine Verhaftung wegen Geheimbündelei ein. Das Verfahren endete mit einem Freispruch. Nach dem Aus-

bruch des Ersten Weltkriegs versuchte Mühsam, einen internationalen Bund der Kriegsgegner zu gründen, und half mit, Proteste gegen den Krieg zu organisieren. Ab 1915 kämpferisch immer an seiner Seite: Seine Frau Kreszentia, genannt Zenzl, die später seinen Nachlass rettete. Im März 1918 wurde Erich Mühsam in Traunstein interniert, doch bereits am 7. November 1918 beteiligte er sich wieder mit Reden und Programmen an der Errichtung der Münchner Räterepublik. Wieder wurde er verhaftet und zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. Im September 1919 trat er in die KPD ein, im November wieder aus. Nach einer Amnestie ging Mühsam 1924 nach Berlin und war dort bald wieder intensiv als Publizist im Einsatz. Ein Jahr später wurde der unbequeme Kämpfer wegen seiner Nähe zur KPD aus der Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands ausgeschlossen, 1931 aus dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller. Als einer der eindringlichsten und frühesten Warner vor dem Nationalsozialismus wurde Erich Mühsam 1933 verhaftet. Gleich nach der Machtübernahme der Nazis waren er und seine Frau unter den Ersten gewesen, denen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wurde. Nach 14 Monaten Folter ermordete ihn die SS in der Nacht zum 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg. Mühsams Schrift »Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat« war sein politisches Testament. So widerständig er sich in seinem ganzen Leben gab, so originell und unterhaltsam konnte er auch sein. Er verfasste Schüttelreime und widmete seiner Zenzl Verse wie diesen: »Nimmst du es mit der Pflicht der Liebe ernst, so prüfe, wo des Nächsten Kummer haust. Indem du ihm die Pein vom Haupt entfernst, hast du die eigne Seele mit entlaust.« Sabine Szameitat

– Erich Mühsam, Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat – Was ist kommunistischer Anarchismus, Edition Holzinger, Berliner Ausgabe 2015, ISBN 978-1508829911. – J. Schiewe und H. Maussner, Erich Mühsam – Trotz allem Mensch sein: Gedichte und Aufsätze, Reclam Verlag 1998, ISBN 978-3150082386.

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WER WAR EIGENTLICH …

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Foto: Harald Koch

ERNTE OHNE EIGENTUM In Linden und List, Donnerschwee und Eversten, Zwischenahn und Steinhude: Überall gibt es Obst. Äpfel, Birnen, Kirschen für lau. Am Wegesrand. Für jedermann. Eine Netzseite listet die Standorte auf.


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Wenn man mit dem Rad rausfährt Richtung Marienwerder, die Landes- tischen Umfeld bewegen nicht nur hauptstadt hinter der Wasserkunst hinter sich lässt, findet man Äpfel satt. finanzielle Gesichtspunkte, sondern der Ingrid-Marie und Boskop darunter. Am Wegesrand. Rund zwei Dutzend Gedanke der Selbstversorgung aus der Bäume, teils knorrig, krumm und alt. Kein Zaun, kein Schild. Da kann Natur. man sich bedienen. Wer die Stelle nicht kennt, kann sie im Internet finden. Diese Einstellung ist auf dem Land Wie auch die Baumbestände entlang der Haaren in Oldenburg oder die noch sehr lebendig. Alljährlich zur ErnÄpfel und Kirschen am Pastorenkamp bei Wilkenburg. Beispielsweise. Auf tezeit sind auf den abgeernteten Feldern mundraub.org, der Plattform für frei verfügbares Obst und Gemüse, sind Menschen zu sehen, die auf klauben, bisher rund 2.000 Einträge für Niedersachsen gelistet. Die bisher 36.513 was die Erntemaschinen übrig­gelassen bundesweit registrierten Mitglieder der Website haben sich in den Kopf haben. Das sogenannte Stoppeln von gesetzt, zu ernten, wo sie nicht gesät haben. Sie informieren sich gegen- Kartoffeln, Zwiebeln und Bohnen ist seitig und die mehr als 100.000 Nutzer der Seite darüber, wo sie in der nicht nur bei Menschen beliebt, die mit freien Landschaft kostenlos Vitamine tanken können. Wenn sie öffentlich dem Cent rechnen müssen, sondern für zugängliche Mirabellen, Maulbeeren, Aronia, Schlehen und Johannis- viele Einheimische und Neubürger ein beeren entdeckt haben oder wissen, wo Pflaumen, Birnen, Quitten, Apfel- herbstliches Hobby. Streng genommen bäume wachsen, machen sie das auf der Mundraub-Landkarte bekannt. ist das Betreten eines fremden GrundDie Saison für moderne Obst- und Gemüsepiraten dauert lange: stücks ohne Erlaubnis des Eigentümers Schon im April locken mitten in der Stadt Bärlauch, Löwenzahn und straf bar. Andererseits heißt es schon Gänseblümchen, später im Jahr können Sauerkirsch-, Apfel- und Bir- in der Bibel im AltenTestament: »Und nenbäume sowie – am Lindener Heizkraftwerk – Walnüsse geern- wenn ihr die Ernte eures Landes erntet, tet werden. In Berlin, wo sich auf der Mundraub-Karte die Punkte mit darfst du den Rand deines Feldes nicht Hinweisen auf Gratiserntesegen drängen, werden mittlerweile auch vollständig abernten und darfst keine Fahrradtouren organisiert. Hopfensprossen sowie Blätter und Blüten von Nachlese deiner Ernte halten« (3. Mose Sommerlinde, Brom- und Vogelbeere, Alpen-Johannisbeere und Spitz- 19,9) und »Wenn Du deine Ernte auf ahorn sind schließlich nicht jedem Stadtbewohner als gesunde Nah­ deinem Feld einbringst und du hast rungsmittelergänzung vertraut. Nur eine Frage, bis die Idee auch nach eine Garbe auf dem Feld vergessen, sollst Niedersachsen schwappt. Mundraub-Aktivisten vermelden Funde inzwi- du nicht umkehren um sie zu holen. schen auch außerhalb Deutschlands: Der südlichste Hinweis bezieht Für den Fremden, für die Waise und für sich auf »Geisterorangen« in Kalabrien, der nördlichste auf Sauerkirschen die Witwe soll sie sein.« (5. Mose 24,19). in Oslo. Meistens sehen die Bauern auch darüHinweisgeber müssen – so die Mundraub-Regeln – vor dem Eintragen ber hinweg, wenn die Stoppler bei ihrem in die Karte und dem Ernten sicherstellen, dass keine Eigentumsrechte Herbst-Hobby rücksichtsvoll zu Werke verletzt werden, behutsam mit den Bäumen und Sträuchern umgehen gehen. und sich bei der Pflege und der Nachpflanzung von Obstbäumen engagie- Sabine Szameitat ren. Ziel ist, »in Vergessenheit geratene Früchte wieder in die Wahrnehmung zu rücken und in Wert zu setzen, um sie als Teil unserer Kultur­ landschaft und der Biodiversität dauerhaft zu erhalten«, heißt es auf der Website. Die Idee zu Mundraub kam dem Umweltingenieur Kai Gildhorn bei einer Paddeltour mit Berliner Freunden in Sachsen-Anhalt. Es war Erntezeit, und den jungen Leuten fielen die Äpfel auf alten Wiesen und vom Straßenrand regelrecht in den Mund. Immer wieder stellten sie fest, dass niemand das Fallobst aufsammelte, dabei schmeckte das Obst besser als das gekaufte. »Bei der Gründung von Mundraub im Herbst 2009 ging es auch darum, den alten Gedanken der Allmende, der gemeinschaftlich genutzten Fläche eines Orts, wiederzubeleben«, erklärt Mundraub-Mitarbeiter Konstantin Schroth. Die oft jungen Mundräuber aus dem städ­

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DIE DAS ESSEN RETTEN Initiativen gegen den Wegwerfwahn. Beispielhaft: Private Lebensmittelretter versorgen Bedürftige. Foto: S. Szameitat

Noch vor 100 Jahren war es undenkbar, dass »etwas wegkam«, was noch zu gebrauchen war. Falls vom Essen wirklich noch etwas übrig war, freuten sich Hühner, Schweine und Hund darüber. Heute werden in Deutschland jährlich 11 Millionen Tonnen genießbare Lebensmittel mit einem Wert von etwa 25 Milliarden Euro auf den Müll geworfen. Raphael Fellmer, der seit fünf Jahren »im Geldstreik« lebt, wie er es nennt, will das ändern. Statt eine weitere Petition im Internet zu starten, um die Lebensmittelvergeudung in den Supermärkten zu stoppen, setzte er bei der Gründung von foodsharing auf Eigeninitiative. »Wir sind eine OnlinePlattform mit dem Ziel, Lebensmittel zu teilen«, erklärt der 31-Jährige, »Mittlerweile sind wir mehr als 6.000 ehrenamtliche Lebensmittelretter in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich ganz bewusst von der Wegwerfgesellschaft absetzen. Rund 70.000 Menschen versorgen sich über uns.« Konkret läuft das so: Wer in einer Bäckerei, einem Supermarkt oder als Privatmensch von einer Party oder einem Büfett Reste übrig hat, stellt die Information ins Netz und hofft auf Abholer. Auf der foodsharing-Karte werden dann beispielsweise in Hannover-Hainholz »zweimal 500g Margarine neu mit Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) 29.5.2016« angeboten. »Wir haben eine Backform gekauft, dabei waren die zwei Pakete Margarine. Wir brauchen sie nicht«, heißt es dazu. Ein anderer Food­s erver hat im Stadtteil Burg Tiefkühlerbsen von Bofrost anzubieten, die in seinem Haushalt niemand isst. »Wir arbeiten wie die Tafeln, aber niemand muss Bedürftigkeit nachweisen. Dafür vermitteln wir auch Lebensmittel mit abgelaufenem MHD«, erklärt Raphael Fellmer. »Bei foodsharing tragen Spender wie Empfänger Verantwortung, Betriebe müssen

Weitere Informationen unter www.food­sharing.de, www.zugutfuerdie­tonne.de oder www.wamkat.de

keine rechtlichen Schritte fürchten und Verbraucher kön nen kei nen Recht sstreit wegen eines überreifen Joghurts anstrengen«, erklärt Fellmer. »Alle tragen Verantwortung.« Bis zur Erfindung des MHD galt der Menschheit jahrtausendelang die sensorische Prüfung als anerkannte Methode, um die Genießbarkeit der Nahrung zu prüfen. Und Schrumpel­ möhren und aufgeschos­ sener Sa lat lassen sich durch­aus verwenden, wenn die unansehnlichen Stellen weggeschnitten werden. Nach diesem Prinzip ar­­ beitet auch Wam Kat. Seit 30 Jahren bekocht der 58-jä hrige Hollä nder in aller Welt Festivalbesucher und Demonstranten – inzwischen waren es mindestens vier Millionen Mahlzeiten. Zuletzt hatte er mit seinen Suppen, die er in 400-Liter-Töpfen kocht, die Hungrigen auf der TTIPDemonstration in Hannover versorgt. Mit krummem Möhren, zu kleinen Kartoffeln und abgelaufenen Lebensmitteln von Ökohöfen und Supermärkten. Mit seinen Aktionen gegen die Vernichtung hat Wam Kat übrigens auch den Anstoß für die Initiative »Zu gut für die Tonne« gegeben, die von der früheren Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner gegründet wurde. Dauerhafte Versorgung mit kostenlosen Lebensmitteln strebt auch das TransitionTownProjekt in der nordhessischen Kleinstadt Witzenhausen an. Die Einwohner wurden aufgefordert, sich mit Nachbarn zu Pflückoasen zusammenzuschließen und vor den Häusern und Läden in Kübeln der auf öffentlich zugänglichen Brachflächen essbare Pflanzen anzupf lanzen. Außerdem steht seit einiger Zeit vor dem Transition-Haus »Peter Silie, das erste Essens-(Ver)schenke-Regal Witzenhausens« (Foto). Wer Nudeln, Grieß oder andere haltbare Lebensmittel abgeben möchte, kann die buntbemalte Vitrine nutzen. Könnte man nachmachen. Sabine Szameitat


Die Sanktionen gegen ALG-II-Empfänger beschäftigen die Gerichte. Jetzt verklagte eine Mitarbeiterin das Jobcenter in Osterholz-Scharmbeck. Die Fallmanagerin des Jobcenters klagte vor dem Arbeitsgericht Verden gegen eine verstärkte Kontrolle durch ihren Arbeitgeber. Zudem kritisierte sie die Praxis standardisierter Eingliederungsvereinbarungen, die ohne die eigentlich vorgeschriebene persönliche Beratung verschickt wurden. Die Nichteinhaltung der darin auferlegten Verpflichtungen zog Leistungskürzungen nach sich, ohne dass die Behörde geprüft hätte, ob die Betroffenen überhaupt fähig waren, die Auflagen zu erfüllen. Dennoch durfte sich die Klägerin gegenüber ihren »Klienten« nicht einmal zu diesem Thema äußern. »Für unsere Mandantin stellte dies auch eine Beschneidung ihrer Beratungspflicht dar«, erklärte deren Rechtsanwältin Victoria Lübeke. Interne Beanstandungen der Fallmanagerin im Jobcenter blieben jedoch erfolglos. Das Gericht wies die Klage ab. Die beanstandete Praxis des Jobcenters wurde dabei nicht beurteilt, da sie bereits beendet sei. Umstrittene Kürzungen: Die Sanktionen der Jobcenter Heike Schumacher, erste Kreisrätin in Osterholz und Vor- werden die Gerichte noch länger beschäftigen. stand im dortigen Jobcenter, bestätigt das Ende des »Projekts« mit den Serienbrief-Vereinbarungen. Sie weist die Kritik an den Abs. 1 GG gleich, der die Würde des Menschen für Sanktionierungen zurück, schließlich hätten die per Serien- unantastbar erklärt. Das BVerfG hat leider nicht über den Fall entbrief angeschriebenen ALG-II-Empfänger ja die Gelegenheit gehabt, Widerspruch einzulegen oder Beratungsbedarf anzu- schieden. Zwar habe das Sozialgericht »gewichmelden. »Mit diesen Eingliederungsvereinbarungen haben wir tige verfassungsrechtliche Fragen« aufgeworfen, das Ziel verfolgt, ältere Kunden, die schon längere Zeit passiv es jedoch versäumt abzuwägen, ob die Rechtsfolgeblieben waren, wieder zu aktivieren«, bekräftigt Schumacher genbelehrungen zu den Bescheiden den gesetz­ lichen Anforderungen genügen. Mit anderen Wordie Sichtweise der Behörde. Anwältin Lübeke präsentierte vor Gericht auch eine Exper- ten: Wenn die Betroffenen nicht verstehen, was tise des Paritätischen, der die Rechtsmäßigkeit der Serienbrief- die Behörde von ihnen verlangt oder was ihnen im Vereinbarungen und daran geknüpfte Sanktionen bezweifelte, Falle der Nichtbefolgung droht, sind die Bescheide da das Verfahren den gesetzlichen Vorgaben widerspreche. rechtswidrig. Wie berücksichtigt das Jobcenter die mögliche Ihre Mandantin habe sich dieser Praxis zudem verweigert, weil die Betroffenen durch die Kürzungen ihres Grundbedarfs in Überforderung mancher Menschen mit dem Procedere? »Also ich habe das Menschenbild, dass unsere eine existenzgefährdende Lage gebracht worden seien. Dieser Gedanke veranlasste auch das Sozialgericht Gotha, Kunden selbständige und verständige Menschen die Klage eines sanktionierten Leistungsempfängers an das sind und dass man davon ausgehen kann, dass sie Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weiterzuleiteten. In seiner sich kundig machen, wenn sie etwas nicht verste50-seitigen Begründung bezweifelte das Gericht die Zulässig- hen«, sagt die Kreisrätin. Die Fallmanagerin und ihre Anwältin prüfen keit von Kürzungen des Existenzminimums und ging auch auf die Folgen ein: »Die Betroffenen werden durch die Sanktionen jetzt, ob sie in Berufung gehen, vor dem BVerfG gezwungen, sich sozial zu isolieren, ungesund zu ernähren sind bereits weitere Klagen gegen ALG-II-Sanktiound sind durch die Unterschreitung des Existenzminimums in nen anhängig. Die Unsicherheit für Betroffene und ihrem physischen und psychischen Wohlbefinden derart ein- Juristen bleibt bis zur endgültigen Entscheidung geschränkt, dass ihre körperliche Unversehrtheit nicht mehr bestehen. Nur Frau Schumacher ficht das nicht gewährleistet ist« (SG Gotha, S 15 AS 5157/14, S. 40). Das käme an: »Sanktionen fallen ja nicht vom Himmel«. nach Ansicht der Sozialrichter einem Verstoß gegen Artikel 1, Text und Foto: Ulrich Matthias

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MUT ZUR KLAGE

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Fotos: I. Hannemann

KOMMT VORBEI Das hannoversche Fährmannsfest auf dem »Weg zur Inklusion« – mit bisher nur guten Erfahrungen. In Deutschland leben rund 10,2 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Diesen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, ist die zentrale Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention. Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch gibt es noch immer viele Hürden für

Menschen mit Behinderung. Und zwar sowohl rein physisch, wie die mit einem Rollstuhl unüberwindbare Stufe vor einer Eingangstür, als auch psychisch. Denn im Alltag gibt es de facto noch immer recht wenig Berührungspunkte der Sphären von behinderten und nichtbehinderten Menschen. Dem Ziel,


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dies zumindest ein wenig aufzubrechen, hat sich mit dem dritten und vielleicht sogar wichtigsten Teilbereich seit einigen Jahren das Fährmannsfest verschrieben. aus – nämlich dem der Besucher? Auch da wird beim FährQuasi eine Art inoffiziellen Startschuss gab mannsfest im Vergleich zu anderen Großveranstaltungen dafür Fury-Gitarrist und Wohnraumheld Christof viel getan. So gibt es etwa an allen drei Tagen einen LotsenStein-Schneider. Der legte dem Geschäftsführer dienst, der von Schülerinnen und Schülern der Kranken- und Peter Holik vor einigen Jahren die Band »Die Eisbre- Kinder­pflegeschule der MHH betreut wird (siehe kleines Foto). cher« ans Herz, eine Gruppe von Musikern aus den Da­r über hinaus gibt es Informations- und Servicestellen auf Hannoverschen Werkstätten mit ganz unterschied- dem Festival-Gelände sowie Zugang zu rollstuhlgerechten lichen Behinderungen, die sich stimmungsvoll Toiletten. »Was wir möglich machen können, das machen wir durch die Rock- und Bluesgeschichte covern. Seither auch möglich«, sagt Peter Holik. Letztlich sei die Anwesenheit sind sie fester Bestandteil des Open Airs und treten von Menschen mit Behinderung auf dem Fährmannsfest für dort jedes Jahr auf. »Es dauert zwar alles ein wenig alle Beteiligten ein Gewinn. »Die ›Normalos‹ gewöhnen sich länger als bei anderen Bands«, sagt Peter Holik, daran, dass auch die ›Handicaps‹ Spaß haben können. Und die »eine Stunde Auf bau, eine Stunde Abbau, dann wiederum gewöhnen sich daran, dass sie nicht schief angemuss noch mal schnell ’ne Rampe her. Aber das ist guckt werden. Wenn die sich auf dem Fest umschauen und es wert! Die Jungs sind nämlich einfach geil drauf!« um sich herum nur ›normale‹ Menschen sehen, fühlen die Ein erster Anfang war somit also gemacht. Und sich auch ganz schnell normal.« Möglich sei dieses problemein gewisser Enthusiasmus ergriff das Fährmanns- lose Miteinander auf dem Fährmannsfest auch deshalb, weil fest-Team. Man habe sich daran gemacht zu über- dort ohnehin eine große gegenseitige Akzeptanz herrsche. legen, so erzählt Peter Holik, in welchen anderen »Wir haben ein Milieu, das kompatibel ist«, sagt Peter Holik. Bereichen Menschen mit Behinderung auf dem Als Beispiel erzählt er die Anekdote von einem Besucher, der Festival mitwirken könnten. Die ganz große Eupho- sich – zwecks besserer Sicht auf die Bühne – auf die eigentlich rie scheiterte dann allerdings zunächst mal an den für Rollstuhlfahrer reservierte Empore gestellt habe, die zu praktischen Gegebenheiten. »Man darf ja nicht diesem Zeitpunkt allerdings noch leer war. Als man ihn aufaußer Acht lassen, dass das Fährmannsfest ein forderte, diese zu verlassen, sei er schier ausgerastet: Er fühlte großes Open-Air-Event ist«, sagt er. Soll heißen: Das sich in seiner Ehre gekränkt, da er meinte, man würde ihm Team musste einsehen, dass es – zumindest von jetzt unterstellen, keinen Platz zu machen, wenn tatsächlich ein auf gleich – nicht möglich war, Menschen mit Behin- Rollstuhlfahrer ihn benötigen würde. Peter Holik fasst das so derung komplett gleichrangig ins Fährmannsfest zu zusammen: »Wenn du eine Sozial­gemeinschaft hast, in der integrieren. »Das tut schon weh«, beschreibt Peter es den Menschen gut geht, weil es eine gewisse Achtsamkeit Holik diese Erfahrung. »Da musst du auf einmal dis- unterein­a nder gibt, dann kannst du nur gewinnen.« kriminieren und sagen: ›Tut mir leid, aber das geht Sören Nolte halt leider nicht.‹ Also mussten wir einsehen, dass wir hier nicht einfach Inklusion machen konnten, sondern dass wir uns auf einen Weg hin zur InkluEin Lotsendienst holt Besusion begeben mussten. Das geht nur per Trial and cher, die auf den Rollstuhl Error. Das muss man ausprobieren.« angewiesen oder sehbehinEine Sache ergab sich dann nach diversen dert sind, bei Bedarf von der Gesprächen allerdings fast von selbst: Mittlerweile Bahn-Haltestelle ab und hilft arbeiten Menschen mit Behinderung auf dem Fährdarüber hinaus auch bei der mannsfest wie selbstverständlich im Catering – und Orientierung auf dem Fährzwar an einem Stand bei der Kulturbühne auf der mannsfest. Faustwiese und im Bereich der Künstler und Bands. Die Haltestellen: KönigswortBezahlt werden sie übrigens wie alle anderen Fährher Platz (Bahn Linie 4 oder 5)/ mannsfest-Mitarbeiter auch. Den Stolz und die Gerberstraße (Bus Linie 100 Freude, die man damit auslöse, könne man eigentund 200) lich gar nicht in Worte fassen, sagt Peter Holik. Anmeldung: Fährmannsfest Verein e. V. Eleonorenstraße 21, Sowohl auf der Bühne als auch im Mitarbeiter30449 Hannover, 0511 – 969 158 67, kontakt@faehrmannsfest.de Bereich sind beim Fährmannsfest also Menschen Kontakthandy an den Veranstaltungstagen: 0178 – 866 95 45. mit Behinderung aktiv. Wie sieht es denn nun

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AUS DER SZENE

Das soziale Klima wird rauher. Und ebenfalls rauher wird das Klima bei den Ausschreibungen für genau jene Hilfeleistungen, die das soziale Klima eigentlich weniger rauh machen sollen. Richtlinien auf europäischer und bundesdeutscher Ebene schreiben jetzt nämlich vor, dass Hilfeleistungen – zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe – europaweit ausgeschrieben und an den günstigsten Anbieter vergeben werden müssen. »Dagegen wehren wir uns, das ist nicht gerecht, das führt zu Verzerrungen und letztlich zu einer Verschlechterung der Hilfen«, sagt Rainer Müller-Brandes, Leiter des Diakonischen Werkes Hannover und derzeit Sprecher der AGW. Die AGW (Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege) ist ein Zusammenschluss von AWO, Caritas, Diakonie, Paritätischem und Rotem Kreuz in der Region Hannover. Die AGW betont: »Im Bieterkampf um Hilfeleistungen auf sozialem Gebiet sind wir nicht immer die Billigsten. Aber wir bringen Erfahrung vor Ort aus Jahrzehnten mit; unsere gut ausgebildeten Hauptamtlichen werden von mehreren tausend Ehrenamtlichen unterstützt, und wir beachten eine Ethik des Helfens, die uns im Umgang mit den Klienten wichtiger ist als die rein ökonomische Gewinnorientierung. Leider werden wir bei der Vergabe oft übergangen, weil oft nur noch der günstigste Preis zählt.« Die AGW fordert die politischen Akteure in Stadt und Region auf, im Rahmen des gesetzlich Möglichen die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege zu berücksichtigen. Andreas Jung, Geschäftsführer der Caritas: »Wir sehen es auch kritisch, dass der Staat dazu übergeht, parallel ein eigenes Hilfesystem aufzubauen, obwohl Artikel 5 des EG-Vertrages bestimmt, dass er soziale Leistungen nicht unbedingt selbst erbringen, sondern nach dem Subsidiaritätsprinzip Freien Trägern überlassen soll.« In einem 16-seitigen Positionspapier beschreibt die AGW die acht sozialen Felder, bei denen sie derzeit den größten Handlungsbedarf sieht und für die sie sich mit ihrer besonderen Kompetenz in Erinnerung rufen möchte: Kinder, Jugendliche, Familien, Senioren, Migranten, Flüchtlinge, Erwerbslose und Wohnungslose. Das Positionspapier ist unter www.diakonisches-werk-hannover.de zu finden. SCH

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Muss man hören: Hertzliches Hannover das Wohnungslosen-Magazin. Immer am 2. Montag im Monat, 17 Uhr. ... auf UKW 106.5 oder Kabel 102.5 und bei www.leinehertz.de

Jörg Matthaei jetzt bei Johann Wagener Dem Wohl der »Armen, Kranken, Rathlosen und Notleidenden« hat der hannoversche Bäckermeister Johann Jobst Wagener 1784 seinen Nachlass gewidmet. Heute wohnen 80 Männer und Frauen in der Wohnanlage an der TheodorKrüger-Straße (Foto: Eingangstor). Sie sind arm, viele auch krank. Die Stiftungsgelder ermöglichen ihnen eine menschenwürdige Unterkunft und Versorgung. Die Stiftung geriet 2009 in die Schlagzeilen, als ein kurzfristig bestellter Vorsteher hohe Summen für private Zwecke abzweigte. Nach einer Übergangszeit zur Konsolidierung ist die Stiftung inzwischen wieder gefestigt. Seit 2011 befindet sich bei den Wohnungen auch eine Diakoniestation zur Krankenbetreuung. Auf Vorschlag des Stiftungs-Kuratoriums unter Vorsitz des Obermeisters der Bäckerinnung, Cord Buck, wurde nun Jörg Matthaei zum neuen Vorsteher bestellt. Matthaei war langjähriger Leiter des Werkheims Büttnerstraße für wohnungslose Männer und hat auch das hannoversche Sozialkaufhaus fairKauf mit aufgebaut. Seit einiger Zeit ist er im Ruhestand und übernimmt die neue Aufgabe jetzt ehrenamtlich. SCH Foto: WikiCommons

»Billig ist nicht unbedingt am besten«


Wieso werden Fußballspieler und auch andere Sportler eigentlich immer als »Helden« bejubelt? Fußballspieler, die 90 Minuten hinter einem kleinen, harmlosen Ball her laufen, sind für mich ganz bestimmt keine »Helden«. Auch ein Bastian Schweinsteiger, der nach dem ersten Tor im ersten Europameisterschaftsspiel ein weiteres Tor schoss, ist für mich gewiss kein »Held«, dafür wird er ja verdammt gut bezahlt. Auch ein Sebastian Vettel, der stundenlang im Ferrari seine Runden dreht, ist kein sogenannter »Held«. Ein Held ist eine Person, die eine Heldentat, also eine besondere, außeralltägliche Leistung vollbringt. Mit Aufopferungsbereitschaft, Kraft und Einsatz für Mitmenschen. Ich denke zum Beispiel an die SozialarbeiterInnen im Kontaktladen »Mecki«. Oder an die SozialarbeiterInnen in den Tageswohnungen für Obdachlose. Das sind für mich die Helden, weil sie den Bedürftigen stets zur Seite stehen, weil sie in Schwierigkeiten mit ihren Fachkenntnissen zu Hilfe eilen, weil sie Obdachlose zu Ämtern begleiten oder auch, nach Bedarf, zum Arzt. Das sind für mich die wahren Helden. Danke, Ihr kraftvollen SozialarbeiterInnen!!! Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden…

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gesucht – gefunden Impressum

Herausgeber: Prof. Dr. Heiko Geiling, Hanna Legatis, Rainer Müller-Brandes

Gründungsherausgeber: Walter Lampe

Geschäftsführer: Reent Stade

Redaktion: Volker Macke (Leitung), Mark Eickhorst, Jeanette Kießling, Ulrich Matthias, Renate Schwarzbauer Fotografin: Karin Powser

Freie Mitarbeit dieser Ausgabe: O. Neumann, S. Nolte, K. Powser, B. Pütter, M. Stamerjohanns, L. Stegner, W. Stelljes, S. Szameitat, K. Zempel-Bley

Anzeigen: Heike Meyer

Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter)

Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

Verkäufer Klaus: Suche eine gut erhaltene Mikrowelle. [V-Nr.1418] Kontakt: 0174 – 7838591. Verkäuferin Natalie: Ich suche eine Wohnung (3 Z.) oder kleines Häuschen im Grünen bis 400 EUR inklusive Nebenkosten + Gas und Strom. Ich habe drei Kinder. Ich freue mich sehr auf Ihren Anruf. [V-Nr. 2170] Kontakt: 0178 – 9984 58. Verkäufer Frank: Suche Kinderfahrrad, wenn möglich rot, für meine Tochter (8 Jahre). Vielen Dank. [V-Nr. 957] Kontakt: 0176 – 97 53 41 18. Verkäufer Michael: Suche für mich und meine Lebenspartnerin eine 2 – 3 Zimmer-Wohnung (60qm), Ost-Bereich Hannover und Region (wegen Kündigung Eigenbedarf), Tierhaltung muss möglich sein, da wir eine Katze haben. [V-Nr. 1676] Kontakt: 01575 – 731 47 74. Verkäufer Mario: Suche einen Toplader und ein Laptop. [V-Nr. 1970] Kontakt: 01575 – 543 35 09. Verkäufer Frank: Suche einen Fahrradanhänger und Zinn. Danke im Voraus. [V-Nr. 2041] Kontakt: 01514 – 162 44 79. Verkäuferin Heidi: Suche mit Hund eine kleine Wohnung, Miete 372 Euro inklusive Betriebskosten + Strom + Gas. Freue mich auf Ihren Anruf. [V-Nr. 1786] Kontakt: 0179 – 377 75 92.

Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Herstellung: eindruck, Hannover

Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 25.000

Asphalt erscheint monatlich.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 16. Juni 2016

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde.

Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang!

Asphalt zeigt Ihnen das andere Hannover. Unsere Verkäu­ ferinnen und Verkäufer führen Sie zu Orten, an denen Wohnungslose keine Randgruppe sind. Ein außergewöhnlicher Stadtrundgang – von ExpertInnen der Straße geführt! Nächster Termin: 29. Juli 2016, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstraße 3, 30161 Hannover. Bitte anmelden: 0511 – 30 12 69-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person. Gruppen vereinbaren bitte gesonderte Termine! Auf Nachfrage auch in englischer Sprache!


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HANNOVER, RASCHPLATZ Das war noch nie eine Liebesbeziehung. Die Wertschätzung für den Ort »hinterm Bahnhof« bewegte sich schon auf niedrigem Niveau, bevor der Platz tatsächlich tiefer gelegt wurde. Doch so schlecht wie heute war die Stimmung selten. Eine Spurensuche. Hannover im Mai 2016, eine Stadt probt den Ausnahme­ lassen«. Doch »No-Go-Areas darf es in Hannover nicht geben« zustand: »Trinkergruppen, Dreck und Unbehagen: Die Han- schreibt eine Zeitung. »Manche Kunden haben regelrecht noveraner trauen sich nicht mehr auf den Raschplatz«, titelt Angst«, wird der anonyme Mitarbeiter eines nahen Ladens die Lokalpresse und SPD-Chef Alptekin Kirci pf lichtet bei: zitiert. Klar, da muss man »durchgreifen«, wie CDU Fraktions­ »Ich möchte meine Kinder nicht allein über den Platz gehen chef Jens Seidel meint, da darf »sich die Stadt nicht mehr weg-


ducken« fordert ein Redakteur, schließlich geht es »um die Wiedereroberung des Platzes für alle Bürger«. Was ist da nur schief gelaufen?

Step-Chef Serdar Saris hält es für möglich, die Sozialarbeit am Raschplatz zu intensivieren. Mit einer weiteren Vertreibung der Szene auf andere Plätze sei keinem gedient.

macht keinen Sinn, es sei denn als Sitzplatz. Insofern funktioniert der Platz doch; aber es sind offenbar die falschen Leute, die dort verweilen. Ortstermin mit Joachim Teuber. Der Sozialarbeiter hilft schon seit rund dreißig Jahren im Kontaktladen »Mecki« im hinteren Bereich des Platzes jenen, die durch die Maschen des sozialen Netzes fallen. Für Teuber fangen die Probleme nicht erst am Raschplatz an. »Am alten ZOB fällt ein Treffpunkt wegen der Baustelle weg, und auch ein ehe­ maliger Garagenhof in der Oststadt wird bebaut«, sagt er. Irgendwo müssten die Menschen ja hin, »viele sind einsam, suchen soziale Kontakte, was sollen die am Stadtrand«? Die Innenstädte seien eben natürliche Anziehungspunkte, einfach zu erreichen und mit guter Infrastruktur. An der Treppe zum Bahnhof halten sich an diesem Vormittag nur wenige auf, die erkennbar Alkohol trinken. Dazwischen stehen Passanten und rauchen. Von der dunkleren Passerelle aus betrachtet, darauf macht Teuber aufmerksam, schieben sich die Schatten dieser so unterschiedlichen Leute fast bedrohlich vor das Tageshell des sich dahinter öffnenden Platzes. »Angsträume sind etwas subjek­ tives«, sagt der erfahrene Sozialarbeiter.

Der Raschplatz entstand Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge des Bahnhofsbaus und entwickelte sich mit dem Gefängnis, den angrenzenden Armutsquartieren und dem Schwarzmarkt schnell zu einem schlecht beleumundeten Ort. Hier landete lange Zeit alles, was als anrüchig oder unansehnlich galt. Damit sollte nach dem Wiederaufbau eigentlich Schluss sein. Doch die 60er Jahre-Architektur erwies sich bald als schwer bespielbare Bühne. Mehrere Versuche, den Platz aufzuwerten, schlugen fehl, der letzte Umbau mit der Errichtung der beiden Freitreppen 2010 sollte endlich den Durchbruch bringen. War doch alles umsonst? Anfang Juni 2016 im AnzeigerHochhaus: Der Raschplatz beschäftigt eine Podiumsdiskussion. Vor allem die Treppe zum Bahnhof sei zum Treffpunkt einer oder mehrerer Die objektiven Zahlen sprechen eine deutliche Gruppen geworden, die schon Sprache. Die Polizei berichtet von durchschnittlich tagsüber reichlich Alkohol fünf Vorfällen mit »strafrechtlichem Hintergrund« konsumieren, früh betrunken sind, Unrat hinter­ pro Monat am Raschplatz. Dazu gehören einfache lassen und öffentlich urinieren. Sozialarbeiter, Körperverletzungen und Delikte wie Widerstand Journalisten, Politiker und Polizei sprechen über gegen die Staatsgewalt. Verglichen mit Events wie Menschen, deren Probleme, Motive und Bedürf- dem letztjährigen Schützen- oder Maschseefest nisse unklar bleiben. Keiner von ihnen wurde ein- mit 11, bzw. 64 derartigen Vorkommnissen, steht geladen. Martin Prenzler, Geschäftsführer der der Platz noch gut da. Ganz zu schweigen von der City-Gemeinschaft, äußert seinen Unmut, dass zu Gegend um das Steintor, wo sich im selben Zeitviel Verständnis für Leute aufgebracht werde, die raum insgesamt 157 strafrechtlich relevante Sachöffentlich ihren Rausch ausschliefen. Die Hälfte verhalte einschließlich Raub, räuberischer Erpresaller Bürger kenne Angsträume in der Stadt und sung, Körperverletzung und Widerstand ereigneten. dazu gehöre auch der Raschplatz. Da gelte es zu Also mehr als 50 pro Monat, zehnmal mehr als am handeln. Raschplatz. Und im Gegensatz zum Steintor gab es »hinter dem Bahnhof« nicht einen einzigen VorAn einem Donnerstagvormittag: Der Blick geht fall, bei dem Passanten zu Schaden kamen. Warum von der Bahnhofsrückseite hinunter auf einen fast lösen dann ausgerechnet die »Trinker vom Raschleeren Platz. Ist es tatsächlich Angst, die Hanno- platz« diese Ängste aus? veraner vom Raschplatz fernhält? Weshalb sollte Der 60-jährige Reinhard ist einer von rund überhaupt jemand dort hinunter wollen? Die Ver- 4.000 Wohnungslosen in Hannover und besucht bindung zur Lister Meile ist ebenerdig an den Kinos den Kontaktladen am Raschplatz schon seit acht vorbei viel einfacher und der Weg zur U-Bahn führt Jahren, weil es »einer der wenigen Orte ist, wo man in die andere Richtung. Eine Treppe nach Norden für wenig Geld hingehen« kann, wie er sagt. Dies


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gelte besonders für die frühen Morgenstunden. Die Probleme entstünden durch Menschen, die sich neu am Platz eingefunden haben. Die seien von woanders vertrieben worden, vermutet auch Reinhard. Er hat von den Diskussionen gehört. »Es gibt doch immer weniger Plätze für sozial schwache Leute, man will uns wohl alle an den Stadtrand abschieben«. Auch Wolfram kommt regelmäßig in den Kontaktladen. Der 59-Jährige beobachtet das Geschehen auf dem Platz aufmerksam. Über die neuen Gruppen an der Bahnhofstreppe kann er trotzdem nicht viel erzählen, die blieben lieber unter sich. »Die schlafen irgendwo, wo sie gerade Platz finden – billige Wohnungen gibt es ja kaum noch – und dann treffen sie sich auf dem Platz, um zu trinken«. Noch vor Erscheinen dieser Ausgabe will die Stadt ein neues Konzept für den Platz präsentieren. Der Bezirksrat Mitte ist nun vorgeprescht und fordert mehr Sozialarbeiter und längere Öffnungszeiten für die sozialen Einrichtungen. Zudem müsse der Platz belebt werden. Viele Probleme, die hier sichtbar werden, sind am Platz selbst jedoch nicht lösbar. Osteuropäern können Sozialarbeiter nicht einmal einen Wohnheimplatz vermitteln. Es ist schwer, einen Zugang zu Menschen zu finden, denen man kein Angebot machen kann. Es sind Menschen wie Marek und Waldemar, die ihren richtigen Namen und ihr Bild nicht in der Zeitung sehen möchten. Beide kommen aus Polen und treffen sich regel­ mäßig am Raschplatz. Waldemar meint, er käme schon seit dreißig Jahren hierher. Sie sind Teil einer lockeren Gruppe, die hier gemeinsam trinkt, eine Wodkaflasche kreist auch während unseres Gesprächs. Marek möchte nicht als wohnungslos bezeichnet werden, darauf legt er Wert, er habe Arbeit sagt er, »nun ja, keine richtige Arbeit, aber eine Art Job«. Es gäbe noch mehrere Leute aus Polen, die regelmäßig herkämen, meint Marek, auch aus anderen osteuropäischen Ländern, aber mehr wisse er auch nicht zu sagen. Marek und Waldemar machen nicht den Eindruck, als müsste man Angst vor ihnen haben. Liegt es an der Verbindung von Alkohol und Armut, die bei vielen Unbehagen auslöst?

war es einfacher, jetzt wird dort ein Hotel hochgezogen. Und das nächste Bauvorhaben steht schon an: auf dem Andreas Hermes Platz. Auch dort gibt es bald einen Treffpunkt weniger. Es kommt also vieles zusammen am Raschplatz. Saris plädiert dennoch für Gelassenheit: Bisher habe man in dieser Stadt immer zu Lösungen gefunden, die deeskalierend und sozialverträglich Armut hat viele Gesichter. Auch die »harte« Drogenszene ist zugleich seien. Aber es bleibe auch ein inzwischen auf dem Raschplatz anzutreffen, obwohl zwei grundsätzliches Problem: »Die Gesellder zentralen Angebote der Drogenhilfe wie der Fixpunkt schaft möchte diese Menschen nicht und das Café Connection direkt in der Nähe sind. Weil sie vor sehen«. diesen Einrichtungen ständig von der Polizei schikaniert wer- Text und Fotos: Ulrich Matthias den, behaupten Szenekundige. Serdar Saris, Leiter der Drogenhilfeeinrichtung Step, zu der auch die erwähnten Angebote gehören, wirbt um Verständnis. Für die Abhängigen und für die Polizei. »Die Situation mit dem Fixpunkt an der Stelle ist schon etwas schwierig, bis zum Bezug des Neubaus kann man aber damit leben«. Am alten Standort

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Frisch renoviert. Der Umbau hat viele dunkle Ecken beseitigt, aber die Armut bleibt sichtbar. Wie geht die Stadtgesellschaft damit um?


V.l.n.r.: Zeichner Ingo Siegner, Dana Njie von der Nordstädter Kindertafel, Asphalt-Geschäftsführer Reent Stade.

Bilder für den guten Zweck Gleich drei Bilder hat der Geschichtenerzähler und Zeichner Ingo Siegner Asphalt für den guten Zweck überlassen. Entstanden sind sie am Freitag, den 13. November im vergangenen Jahr. Asphalt-Kenner wissen, dass wir da mit Ingo Siegner und vielen Kindern unseren Glückstag im Ballhof Eins in Hannover gefeiert hatten. Jetzt können sich die Kinder im Tollhaus »Spunk« und der Nordstädter Kinder­ tafel in Hannover über die Bilder des kleinen Drachen Kokosnuss freuen. Mitte Mai haben wir sie zusammen mit Ingo Siegner an die Einrichtung übergeben. Ein tolles Geschenk, findet Dana Njie, die Leiterin der Nordstädter Kindertafel: »Großartig, dass Ingo Siegner auch gleich noch die Geschichte zu den Bildern erzählte. Die kam bei den Kindern super an. Dass haben wir eher selten, dass die Kinder über eine lange Zeit so ruhig bleiben.« Ingo Siegner wurde auch gleich zum »Künstler des Monats« gekürt. Jeden Monat stellt das »Spunk« einen Künstler in den Mittelpunkt und beschäftigt sich mit dessen Tun. ME

Auf dem Weg »Zur Sonne« Seit Anfang Juni hat der Biergarten »Zur Sonne« in der Steintormasch wieder geöffnet. Soweit eigentlich noch keine Meldung wert, würde der Biergarten nicht durch zwei ehemalige Asphalt-Verkäufer be­trieben: Elke und Wolfgang haben bis Ende Mai beide Asphalt verkauft. und wagen nun den Schritt in die Gastronomie. Mit Live-Musik wurde im Juni die Gaststätte eröffnet und viele kamen. Darunter auch der ein oder andere Ex-Kollege von Asphalt, der sich bei einer Cola die Sonne auf die Nase scheinen ließ. Die beiden Betreiber haben viel vor: Einmal im Monat soll eine Band spielen, und für die nächsten Monate stehen bereits so einige Veranstaltungen außer der Reihe auf dem Programm – unter anderem passend zum Wetter eine Beachparty mit Pool. Sogar einen kleinen Spielplatz gibt es auf dem Gelände, damit auch die Kleinen Spaß in der Sonne haben können. Das alles zu sehr zivilen Getränkepreisen, denn Elke und Wolfgang wissen, wie schwer manchmal ein Euro verdient werden muss. Wir drücken die Daumen! ME Biergarten »Zur Sonne«, In der Steintormasch 47, 30167 Hannover

Foto: M. Eickhorst

Foto: M. Eickhorst

RUND UM ASPHALT

Neu-Gastronomen: Elke und Wolfgang.


Studierende lernen von Asphalt Wie gestalte ich den Einstieg in eine Reportage? Welche Fragen braucht ein gutes Interview? Was macht eine Presse­ mitteilung interessant? 22 Studierende aus Hannover und Polen bekamen im Juni an der Leibniz-Uni eine kurze journalistische Einführung von Asphalt-Redakteurin Jeanette Kießling (Foto). Als Anregung und Möglichkeit, die gemachten Erfahrungen ihres bi-nationalen Seminars medienkompatibel zu verfassen. Für das länderübergreifende Austauschseminar »Deutsch-polnische Vergangenheiten« arbeiteten die Leibniz-Uni Hannover (Prof. Dr. Cornelia Rauh und Dr. Wiebke Lisner) und die Universität Lodz (Prof. Dr. Krystyna Radziszewska) gemeinschaftlich miteinander, gefördert von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit: Studierende aus Hannover reisten im Februar für eine Woche nach Lodz und erkundeten mit den dortigen Studentinnen und Studenten die historischen Überreste des ehemaligen Ghettos Lodz/Litzmannstadt. Nun kamen die jungen Leute aus Polen nach Hannover, um sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Vergangenheitsbewältigung weiter auseinanderzusetzen. Doch nicht nur die Ver­gangenheit spielte eine große Rolle, auch für die Zukunft sind unter den Studierenden wichtige Kontakte und sogar Freundschaften entstanden. Vielleicht hat sich sogar der ein oder andere Berufswunsch herauskristallisiert: Die Praktikums­ anfrage einer polnischen Studentin liegt der Asphalt-Redaktion schon vor. RED

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Spargelzeit – auch bei uns und unseren Verkäuferinnen und Verkäufern. Erneut hat der Handelskonzern REWE Asphalt im Mai zum Spargelessen eingeladen. Natürlich, so wie es sich gehört, mit Sauce Hollandaise und Schinken. Keine Frage, das kam super an! Initiator des Ganzen, REWE-Bezirksmanager Klaus Wedekind ließ es sich nicht nehmen, alle Gäste persönlich zu begrüßen. Der Saal der Apos­telkirche in der List in Hannover war bis zum Anschlag gefüllt. Und da auch ein zweiter Gang zum Büfett nicht verboten war, nutze der ein oder andere die Chance zum Nachschlag. Zum Abschluss gab’s ein frisches ErdbeerMascarpone-Dessert. REWE hat sich auch in diesem Jahr nicht lumpen lassen und für die Verkäufer Tüten gepackt, die mit vielem Nützlichen aus dem Supermarkt gefüllt waren und zusätzlich die Geldbeutel der Verkäufer schonen. Von Konserven bis löslichem Kaffee war alles dabei. Wir sagen »Danke!« ME

Foto: K. Powser

Foto: W. Liesner

Spargelessen

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DURCH DEN STROHHALM Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäufer Reiner (40). Wenn man dir begegnet, könnte man denken: Was für ein cooler, lässiger Typ! Bist du das in Wirklichkeit auch? Ja, kann sein. Ich denke, ich strahle das schon aus. Ich komme eben ganz gut zurecht, auch mit meiner Beeinträchtigung.

Welche ist das? Ich habe von Geburt an eine Sehbehinderung. KindheitsGrauen Star. Das ist zwar eine vererbliche Erkrankung, aber in meiner Familie hat das sonst keiner, ich bin der erste Erbträger. Wir haben so lange zurückgeforscht, wie wir konnten.

Jahren. Damals war ich noch nass. Asphalt hat mir sehr dabei geholfen, trocken zu werden.

Du hast getrunken? Ja, ich war Alkoholiker. Ich komme aus einer Alkoholiker­ familie, bei uns sind alle alkoholkrank, bis auf meine Mutter. Ich bin fest davon überzeugt, dass man Alkoholismus auch vererbt kriegt.

Wann hast du mit dem Trinken angefangen?

Mit elf. Obwohl: ›angefangen‹ kann ich gar nicht sagen. Ich Wie verlief deine Kindheit und Schulzeit mit Sehbehinde- komme aus ’ner Partyfamilie, da stand immer irgendwo Alkohol rum. Cuxhaven, ländlicher Raum, da wird schon zur rung? Die ersten zwei Jahre ging ich auf eine normale Grundschule, Begrüßung ein Schnäpschen getrunken. In unserer Familie danach bin ich auf eine Schule für Sehbehinderte gekommen. gab es auch sehr viel Gewalt. Gott sei Dank bin ich ins InterAnders ging es nicht. Ich hab dort meinen qualifizierten Real- nat gekommen, sonst wäre aus mir ein schwerkriminelles Kind schulabschluss gemacht. Wobei: ›behindert‹ ist so ein blödes geworden! Wort – ich fühle mich gar nicht behindert, behindern tun mich die anderen. Meine Sehkraft ist nur eingeschränkt. Wer hat dafür gesorgt, dass du ins Internat kamst? Ich selber. Aufgrund meines eingeschränkten Sehvermögens musste ich ja auf eine spezielle Schule gehen, konnte aber als Wie stark? Mit Brille sehe ich ungefähr vier Prozent. Das höchste, was Kind nicht jeden Tag von Cuxhaven nach Hamburg fahren ich mal hatte, waren zehn Prozent. Ich hab ’nen Blick wie und zurück. Dann habe ich das mit den Papieren und mit dem Jugendamt geregelt, meine Eltern mussten nur noch unterdurch ’nen Strohhalm. schreiben. Aus einer Alkoholikerfamilie zu kommen, heißt: du musst schnell selbstständig werden. Kommst du damit im Alltag ohne Hilfsmittel aus? Normalerweise müsste ich mich als hochgradig sehbehindert kennzeichnen und auch einen weißen Stock mit mir führen. Wie ging es dir danach? Aber das habe ich ein Jahr lang gemacht und bin dreimal über- Gut. Ich bin zum Glück unter pädagogischer Betreuung auffallen worden. gewachsen, habe meinen Schulabschluss gemacht, bin hier in Hannover am Landesbildungszentrum für Blinde Möbeltischler geworden, habe überhaupt viel gelernt. Klar, ich habe meine Wie bitte? Ja, leider war das so. Immer um den ersten herum, wenn die Alkoholsucht trotzdem ausgelebt, aber eben auch über­­wunden. Leute dachten, ich hätte Geld bei mir. Dreimal bin ich mitten in der Stadt auf offener Straße von jungen Leuten überfallen Und wie geht es dir heute? worden. Die Täter wurden nie gefunden, ich kann die ja nicht Tja, heute bin ich vierzig. Und eigentlich habe ich noch identifizieren. nicht viel auf die Reihe gekriegt. Früher habe ich mal davon geträumt: eigenes Haus, Familie, all sowas. Bei vielen Menschen mit Sehbeeinträchtigungen sind Jetzt bin ich alleine, seit einem halben Jahr ohne Beziehung, das fällt mir schwer. Ich kann nicht gut alleine sein und dafür andere Sinne stärker ausgeprägt. Bei dir auch? Meine anderen Sinne sind insgesamt alle stärker ausgeprägt. bin eigentlich ein absoluter Familienmensch. Aber ich bin gesundheitlich relativ gut drauf, hab keine Schäden mehr Ich höre zum Beispiel unwahrscheinlich gut! vom Alkohol und bin letztendlich ganz zufrieden. Interview und Foto: Jeanette Kießling Wann und wie bist du Asphalt-Verkäufer geworden? Ich hatte von einem anderen Asphalt-Verkäufer darüber gehört und bin einfach mal mitgegangen. Das war vor ungefähr zehn


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Asphalt-Verkäufer Reiner verkauft beim A2-Center in Altwarmbüchen.


DIE LESEBÜHNE – POETEN IN ASPHALT

Anni N E U L I C H

Von Marlene Stamerjohanns

besuchten wir drei Freundinnen Anni zum letz- Weit hinterm Deich, wo die Schafe stehen, kann ten Mal im Altenheim, Anita spielte auf der Mundharmonika, Anni das Watt sehen. »Lauf Anni, lauf bis zum Priel.« wir sangen alte Lieder und Anni dirigierte mit dem Teelöffel Die fetten Nichten sind am Ziel. Die machen derweil sitzend im Gitterbett, das war neulich und jetzt ist sie ano- einen Test zum Pfingstfest, Mobilität testen. nym abgeschoben worden in den Untergrund, wir wissen nicht Da! Anni steckt fest mit beiden Beinen im Watt. Sie verliert den Halt. Ihr Rufen hallt zu Bauer Ubbo wann und wie und wo sie liegt, aber hier ist ihre Geschichte. Ubben. Der holt sie raus mit Urlaubsgästen. Die traAnni ist neunzig. Sie lebt alleine als Frau im Anbau zwischen gen sie zu den Nichten, die gerade Jever Pils testen. Stall und Scheune, wo die Kühe und das Schweine-Vieh ange- Am Pfingstmontag liegt sie nieder wieder im Anbauhaus. Alleine versagen ihre Beine. Die fetten Nichzählt und abgezählt sich durch den Winter quält wie sie. Weit hinter Aurich ist der Winter kalt und schaurig, traurig ist ten ziehen Leine. das Leben für Anni hinter Aurich. Noch tragen sie die Beine. Jetzt wird die Story immer schlimmer. Kinder hat sie keine. Doch jeden Monatsersten kommen mit dem Fahrrad zwei fette Nichten, um sich häuslich bei ihr einzurichten. Für ein Zelt Aus dem Ämterzimmer von der Stadt kommt ne reicht das Geld. Doch für die Welt sind sie nicht mobil. Perma- Dame, die heißt Hildegard. Anni prookt platt. Die nent insolvent träumen sie vom Campingplatz mit Wohnmobil. Dame sagt, dass Anni den Mund zu halten hat, weil sie jetzt der Vormund ist, und im Namen der Stadt Anni prookt Ostfreesenplatt, träumt vom Watt, wo sie schon muss sie für die Alten Ausweis, Papiere und das als Kind im Schlick gebuddelt hat. Wenn die Erde platt wäre, Geld verwalten. Zwei Teddys und ein Foto hier von könnte sie auf dem Deich stehen, bis Amerika sehen. Das wäre ihrem Mann kann sie behalten. Der Mann ist nicht ihr Mann, da ist der Schwager drauf, mit dem sie gar schön. nichts anfangen kann. Draußen steht ein Krankmobil. Anni hinten rein, Jetzt wird die Story immer schlimmer. tatütata. Da ist schon Wilhelmshaven, wo die Alten Anni rückt das Sparbuch raus. Pfingsten steht vorm Anbau schlafen, abgezählt und angezählt von dem Rest der Haus ein gebrauchtes Wohnmobil. Anni hinten rein. Da ist Welt. Das Gitter vor dem Bett hält, damit sie da nicht rausfällt. Neben ihr liegt eine Oma im Wachkoma. schon Hooksiel achtern und vörn Schillighörn.


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Foto: Diego Azubel/Picture-Alliance

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Anni sagt … »Jetzt ist das Schluss mit Honig um den Mund. Jetzt geht das rund mit Vormund. Ich bin alt und noch nicht kalt, jetzt übe ich Gewalt, dass es knallt.« Und sie zielt ihr ganz gezielt mit Jedes Jahr zum Geburtstag schicken ihr der Krücke eine Zahnlücke in den Vormund. die fetten Nichten Ostfriesentee, den Der ist jetzt bunt und wund. Auf dem Boden liegt die Hildegard, die jetzt außer der Zahnlücke von echten, dass sie an sie dächten. der Krücke noch ein blaues Auge hat. Die Perücke Doch was geht ab? In der Alten Git- fliegt nach Oma im Wachkoma. ter Schweinewelt? Der Rest ist schnell Später kommen Sanitäter. Bringen Hildegard erzählt. Anni rückt den Rollstuhl weg. Da sieht hinaus in ein Krankenhaus. Die sieht ganz alt sie an der Ecke eine Krücke, die nimmt aus. Anni rückt die Krücke raus. sie mit unter die Bettdecke. Nur die Teddys kennen die Verstecke. Abends, Als sich das Lauffeuer ausgelaufen hat im Heim wenn sie schlafen soll, zielt sie gezielt mit und in der Stadt, kriegt Anni ein Einzelzimmer. der Krücke nach der Mücke auf der Bett- Sie spricht jetzt immer feines Hochdeutsch mit decke. der Polizei. Alle sind dabei. Sie ist der revoluzzer wortverputzer. Das Fotobild von ihrem Mann Sie wird fünfundneunzig. Und weil sie hängt an. Jetzt ist sie der Held in der Schweine­ Geburtstag hat, kommt die Dame Hilde­ gitter Altenwelt. gard von der Stadt, die ihr die ganze Wohnung geklaut hat. Da kommt sie Tu was, mach Liebe, bevor du mit der Krücke schon! nach der Mücke … auf die Bettdecke zielst. »Guten Tag Frau Anni, Geburtstags- Tu was, mach Liebe, bevor du ohne app und twitkind, wie mich das freut, heute hab ich ter durch das Gitter nach den jungen KrankenZeit, wie mich das freut. Sie werden gut pflegern schielst. Tu was, mach Liebe, besuch betreut? Wie mich das freut.« mal wieder deine Oma.

Marlene Stamerjohanns, 1937 geborene Froese, ist die Grande Dame des Poetry Slams. Wohnt heute in Wilhelmshaven und hat 30 Jahre lang in Hannover als Heilpraktikerin gearbeitet. Vor Jahren stand sie in Wien – eher zufällig – erstmals auf einer Poetry-Slam-Bühne. Hat gleich den zweiten Platz und fortan weitergemacht. Politisch und wortgewaltig war sie schon als die meisten anderen Poetry-Slamer von heute noch Kinder waren oder erst welche werden sollten.

Foto: privat

Ein Meter zwei Meter Box. Der kleine Teddy erzählt dem großen Teddy auf dem Schrank, wie krank die hier alle sind.


BUCHTIPPS Selber machen Vor 40 Jahren schwappten Lärm und Zukunftsverweigerung des britischen Punks über den Ärmelkanal. Das herausgerotzte »No Future« der Sex Pistols infizierte auch Kids in der deutschen Provinz, die weder mit dem Fleiß-und-Disziplin-Ethos der Eltern noch mit der Love-and-Peace-Gemütlichkeit der älteren Geschwister etwas anfangen konnten. DIY – do it yourself, Selbermachen wurde zum Befreiungsschlag: Mit den selbstverschandelten Klamotten und Frisuren ließen sich unterdrückte Nazi-Reflexe der Älteren wach­rufen, mit der »3 Akkorde – eine Band«-Haltung wurde jeder zum Künstler. Aus Thomas Sehl, Bürgerkind vom Ostseestrand, wurde Schorsch Kamerun, mit »Die Goldenen Zitronen« liefert er den Gegenentwurf zu den »Toten Hosen«. Kameruns Buch ist keine einfache Autobiografie und kein Popkulturgeschichtsbuch. Sondern eine Geschichte von Sehnsucht und Befreiung, Schuld und Heimat. BP Schorsch Kamerun · Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens · Ullstein · 18 Euro

Brücken bauen Martin Leidenfrost ist Europäer. Der vielsprachige Journalist und Drehbuchautor zog 2004 von Wien in eine slowakische Plattenbausiedlung und bereist von dort aus den Kontinent. Seine Kurzreportagen erscheinen in mehreren Zeitungen, nun hat er »Fünfzig exzessive Selbstversuche« in einem schönen Band versammelt: »Je tiefer ich mich durch unser kleines Europa wühle, desto exotischer kommen wir mir vor: Da liegt die Lebenserwartung einer westeuropäischen Stadt unter dem Gaza-Streifen. Da treffe ich auf gescheiterte bosnische Revolutionäre, euthanasierte belgische Transsexuelle, auf liebestolle walachische Kirschbauern in Griechenland. Da gehören Tetovo und das Wallis, Aberdeen und Baku zusammen.« Es sind wunderbare Geschichten aus Europa. BP Martin Leidenfrost · Expedition Europa. Fünfzig exzessive Selbstversuche · Picus · 15,99 Euro

Selber denken! Patrick Breitenbach und Nils Köbel betreiben das Soziopod, »das Arte unter den Podcasts«. In ihren als Audio abrufbaren Gesprächen debattieren beide aktuelle gesellschaftliche Themen anhand von sozialwissenschaftlicher Theorie. Sie begeistern eine große Fangemeinde durch die Offenheit für ihr Sujet, der eine vom Fach – Nils Köbel ist promovierter Soziologe – der andere ein belesener Amateur – Patrick Breitenbach. 2013 wurde ihr Podcast mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In der aktuellen Folge zum Thema Migration geht es um »Push- und Pull-Faktoren (Wer kommt und warum?), Familien­bindungen und die Würde des Menschen. Nun ist aus den Sendungen ein Buch geworden. Verdichtet und geordnet nehmen sie Interessierte mit auf einen Streifzug durch den Garten der Philosophie. Unter den Überschriften Ich – Wir – das Andere gibt es keine schnellen Antworten, doch am Ende ist man schlauer. DS Patrick Breitenbach, Nils Köbel · Wie ich wurde, wer ich bin, und was wir einmal sein werden. · Bastei Lübbe · 15 Euro


Musik

Typisch deutsch?

theAngelcy

Gartenzwerge, gezirkelte Beete, Rosen oder Vergissmeinnicht und die Hecke immer schön auf einer Höhe: Der Schrebergarten gilt als typisch deutsch und ein wenig spießig. Doch gibt es auch viele Migranten, die sich in ihren Kleingärten ein eigenes florales Refugium schaffen, den Ort als Treffpunkt nutzen, Gemüse anbauen oder Geburtstage feiern. Die Fotojournalistin Emine Akbaba porträtiert in ihrer Serie »Ein Stück Heimat« verschiedene türkischstämmige Familien in ihren Schrebergärten und zeigt so einen neuen Einblick in die Kolonien. Bis 14.7., montags bis freitags 8.30 bis 22 Uhr, Kargah e.V., Zur Bettfedern­ fabrik 1, Hannover. Eintritt frei.

In ihrer Heimat Israel sind die vier Männer und zwei Frauen von theAngelcy (Foto), der mit einem Augenzwinkern selbst ernannten »Agentur für Engel«, längst eine der kommenden großen Bands – trotz oder gerade wegen ihrer antimilitaristischen und antinationalen Haltung. Ihr lyrisch-sehnsüchtiger Folk-Sound mit viel Kontrabass, Klarinette, Violine, Gitarre und Percussion lässt aber auch in Europa inzwischen immer mehr Menschen zu ihren Konzerten strömen. Ende Juli präsentieren sie ihre Debütplatte »Exit Inside« in Linden. 27.7., 20 Uhr, Café Glocksee, Glockseestraße 35, Hannover. Eintritt: 12 Euro (VVK), 14 Euro (AK). Foto: Pierre Veillet

Ausstellung

Textile Vielfalt Das Bomann-Museum in Celle präsentiert Kleidung, Gebrauchs- und Schmucktextilien aus insgesamt vier Jahrhunderten, die in den verschiedensten Techniken gearbeitet wurden. Die meisten Objekte waren noch nie in Ausstellungen zu sehen. Patchworkdecken aus dem 18. und 19. Jahrhundert geben Aufschluss über Stoffmoden und die Verarbeitung, bevor die Nähmaschine erfunden war. Trachtenelemente repräsentieren die ländliche Kleidung, während modische Kostüme vom Empire bis in die 1980er Jahre den gehobenen Chic im Wandel der Zeiten vorführen. Bis 31.7., montags und mittwochs bis sonntags 10.30 – 16.30 Uhr, BomannMuseum Celle, Schloßplatz 7, Celle. Eintritt: 8 Euro, ab 15.30 Uhr 5 Euro, mittwochs Eintritt frei.

Hildegard Knef – eine Femmage Die Knef, Schauspielerin, Chansonsängerin, Schriftstellerin und MusicalStar, war ihrer Zeit immer ein Stück voraus: unbequem, rebellisch, couragiert, dazu vielseitig begabt und erfolgreich. Die Münchner Schauspielerin und Chansonsängerin Franziska Ball produziert sich in ihrer selbstgeschriebenen One-Woman-Show ganz bewusst nicht als Double der Diva, sondern wählt die Form des fiktiven Interviews, auf das sie – mit Herz und Schnauze – ganz im Stil der Knef antwortet. Virtuos am Klavier begleitet sie Marty Jabara, der in den letzten Jahren mit allen großen Musicals durch Deutschland tourte. 30.7., 20 Uhr, Werkstatt-Galerie Calenberg, Kommandanturstraße 7, Hannover. Eintritt: 21 Euro, ermäßigt 16 Euro.

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KULTURTIPPS

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Foto: Wilhelm Busch Museum/Daumier

Kinderfest im Wisentgehege Springe Gelände- und Rätselspiele, ein kostenloses Nostalgie-Kinder­ karussell, Ponyreiten, eine riesengroße Hüpflandschaft sowie eine Riesenseifenblasen-Station sorgen dafür, dass die jungen Gäste beim Kinderfest ihren Spaß haben. Beim Bogenschießen können alle an einem Schnupperkurs teilnehmen. Beim Kinderschminken verwandeln sich Jungen und Mädchen in Löwen, Tiger, Katzen, Feen und Schmetterlinge. Nicht verpassen sollten Besucher die Flugvorführung von Falken, Adler und Uhu auf dem Falkenhof (11, 14, 16 Uhr) und die Wolfspräsentation der handaufgezogenen Polar- und Timberwölfe (14.45 Uhr). 30. und 31.7., 11 bis 17 Uhr, Wisentgehege Springe. Eintritt: 11 Euro, ermäßigt 8,50 Euro, Kinder von 3 bis 14 Jahren 7 Euro, Kinder ab 15 Jahren mit Schülerausweis 7,50 Euro.

Kindertag im Straßenbahn-Museum

Kinder Ferienworkshop: Verrückte Mode Spitze Hüte, schrille Kleider, schräge Schuhe: Bei einem Ausstellungsrundgang schauen sich die Kinder zuerst einige Arbeiten französischer Karikaturisten an (Foto). Dabei fällt auf, wie originell Mode seit jeher ist, wie sie sich im Lauf der Zeit gewandelt und immer wieder neu erfunden hat. Im praktischen Teil des Workshops werden die TeilnehmerInnen selbst zu Modeschöpfern und kreieren im Collageverfahren mit Stoffen, Papieren und anderen Materialien extravagante Mode für die zuvor gestalteten Figurinen. Die Veranstaltung richtet sich an Kinder ab 10 Jahren. Anmeldung unter 0511 – 16 99 99 11 oder E-Mail an mail@karikatur-museum.de. 26.7., 14 bis 16 Uhr, Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst Georgen­ garten, Hannover. Eintritt: 10 Euro inkl. Museums­ eintritt und Arbeitsmaterial.

Zum dritten Mal veranstaltet das Straßenbahn-Museum einen Tag mit vielen Aktionen speziell für junge Besucher: Neben dem Kinderspielzimmer und dem Straßenbahnsimulator stehen zusätzlich auch eine Hüpfburg und Kinderschminken auf dem Programm. Kinder und Jugendliche bis 15 Jahren können zudem kostenlos beliebig viele Fahrten auf dem Rundkurs und der Außenstrecke zurücklegen. 31.7., 11 bis 17 Uhr, Hannoversches Straßenbahn-Museum, Hohenfelser Straße 16, Sehnde-Wehmingen. Eintritt: 7,50 Euro, ermäßigt 6,50 Euro, mit HannoverCard 5,50 Euro, Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre Eintritt frei.

Moor-Wanderung »O schaurig ist’s übers Moor zu gehn« heißt es in einer Ballade von Annette von Droste-Hülshoff. Das Moor ist aber weitaus mehr als ein mystischer Ort, um den sich zahlreiche Geschichten ranken: Ein intaktes Moor bindet das klimaschädliche Gas Kohlendioxid und ist ein Wasserspeicher. In dem artenreichen Lebensraum sind zahlreiche Spezialisten anzutreffen, wie die fleischfressende Pflanze Sonnentau. Auf der geführten Moor­ exkursion mit einem Mitarbeiter des Naturparks Steinhuder Meer erfahren die angehenden Naturforscher Interessantes zum Torfabbau, zur Rekultivierung der Moore und zur einzigartigen Flora und Fauna dieser faszinierenden Landschaft. Bis 20.10., mittwochs und donnerstags, 14 bis 16 Uhr, »Neue Moorhütte«, Hubertusstraße 5, Neustadt-Mardorf. Eintritt: Erwachsene 3 Euro, Kinder bis 14 Jahre 1,50 Euro. Anmeldung in der Infostelle des Naturparks in Mardorf, Telefon 05036 – 889.


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Theater Die Leiche im Schrank

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Der Fotograf Johann Bloedt sieht sich mit vielen gebetenen und ungebetenen Besuchern in seinem Atelier konfrontiert. Als auch noch eine Leiche im Schrank auftaucht, ist das Durcheinander perfekt und Johann wird von den Ereignissen überrannt. »Die Leiche im Schrank« ist eine turbulente und kurzweilige Komödie mit vielen bekannten Waldbühnen-Gesichtern. Ab 29.7., 20 bis 22 Uhr, Waldbühne Otternhagen, An der Waldbühne, Neustadt am Rübenberge. Eintritt: 9 Euro, ermäßigt 7 Euro. Karten­ reservierung unter 05032 – 93 99 03 (AB) oder E-Mail an karten@ waldbuehne-otternhagen.de.

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Verschiedenes Vorlesung: Jüdische Bibelauslegung Wie lesen Juden in den verschiedenen Strömungen heute die Bibel? Wer legt sie wann und wo aus? Welche Rolle spielt die Tradition, welche die wissenschaftliche Exegese? Welche Methoden wissenschaftlicher Auslegung haben sich als fruchtbar erweisen und welche nicht? Diesen und weiteren Fragen widmet sich frühere Direktor des Londoner Leo-BaeckColleges Prof. Dr. Jonathan Magonet, der vor über 40 Jahren die internationale jüdisch-christliche Bibelwoche mitbegründete. 20.7., 18 Uhr, Hanns-Lilje-Haus, Knochenhauerstraße 33, Hannover. Eintritt: 5 Euro für Mitglieder, 7,50 Euro für Nicht-Mitglieder.

Stadtteilspaziergang »Mit Löns durch die List« Wer war Hermann Löns – harmloser Heidedichter oder »Künder des Natio­ nalsozialismus«? Zum Broterwerb arbeitete er als Redakteur für verschiedene Zeitungen, doch wichtig waren ihm nur seine Romane, Naturerzählungen und Gedichte. Er durchlebte zwei konfliktbeladene Ehen, präsentierte sich als weltgewandter Dandy im weißen Anzug und als »Urmensch« auf der Pirsch, vertrat in seinen Romanen eine zweifelhafte Blut-und-Boden-Ideologie und verehrte heimlich Oscar Wilde. Die Spaziergänger begeben sich auf Spurensuche im Stadtteil List, in dem Löns einige Jahre lebte, und in der Eilenriede, die er gern durchstreifte, erfahren dabei Überraschendes aus seiner Biographie und lauschen einigen seiner Texte. 31.7., 11 Uhr, Treffpunkt Bahlsen Verwaltungsgebäude Haupteingang, Podbielskistraße 11, Hannover. Eintritt: 5 Euro. Anmeldung unter 0511 – 16 84 24 02.

Am Lindener Berge 38 30449 Hannover Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

Juli 2016 Mittwoch, 20.7. JOSCHO STEPHAN & OLLI SOIKKELI Gypsy Swing (Jazz-Gitarren und Bass) Ort: Wohnungsgenossenschaft Gartenheim, Hildesheimer Straße 142 Beginn: 19.30 Uhr Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro

Der Jazz Club Hannover geht in die Sommerpause. Unser Team wünscht Ihnen einen tollen Sommer. Wir freuen uns, Sie im Herbst wieder begrüßen zu dürfen.


IHR ENGAGEMENT

Ja, ich unterstütze das Asphalt-Projekt!

Machen Sie mit!

Ich übernehme eine Patenschaft für das Straßenmagazin, indem ich es mit

An jedem letzten Dienstag im Monat trifft sich die Runde der Ehren­­amtlichen in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstal­tungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäufe­ rin­n en und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen – und ich freue mich, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten!

dieser Summe fördere:

Euro

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monatlich

vierteljährlich

halbjährlich

Dieser Betrag soll zur Deckung der laufenden Kosten und zum weiteren Ausbau des Projekts verwendet werden.

Ich bitte Sie, den Betrag von meinem Konto abzubuchen*:

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Ich überweise den Betrag regelmäßig auf Ihr untenstehendes Konto.

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Name/Vorname:

Das nächste Treffen ist am Dienstag, 26. Juli 2016, um 17 Uhr.

Straße/Hausnr.: PLZ/Ort:

Rufen Sie mich einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-26.

E-Mail (falls vorh.): Ort, Datum Einfach per Post oder Fax an: Redaktion Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Fax: 0511 – 30 12 69-15

Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE35520604100000602230 BIC: GENODEF1EK1 Gläubiger-ID: DE32ZZZ00000959499

* SEPA-Lastschriftmandat: Ich/Wir ermächtigen die Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebs­g esellschaft mbH Zahlungen von unserem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein/weisen wir unser Kreditinstitut an, die von Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH gezogenen Lastschriften einzulösen. Hinweis: Ich kann/Wir können innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungs­d atum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem/ unserem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.

Herzlichst, Ihr Reent Stade, AsphaltGeschäftsführer

Asphalt dankt: L. Drescher, S. Bako-Kubis, F. Walkling, M. Brockmann, R. + E. Kleineidam, G. Wagenfeld, H. Joseitis, M. Kleene-Sauer, B. + G. Drager, G. v. Hantelmann, K. Roddewig, J. + C. Bormann, R. Hochut, A. Mau, W. Reisner, A. Luettmann, A. Luther, G. + T. Litterscheid, W. + R. Sirisko, A. Zun, G. Pinkvos, E.-M. Fahrenholz, K. Bock, J. + M. Seitz, V. Bauriegel, M. + T. Darnedde, A. Jeschonnek, L. Schiffers, C. Dittmar-Lindemann, M. Kruse, R. Doepke, H. Hutfless, D. + W. Mahr, K.-D. Melloh, H. + J. Tippmann, B. Hannemann, G. Langer, W. Meseberg, R. Liebthal, H. Erber, H. Redeker, K.-H. Schnell, R. Geweke, J. Ingold, E. Neils, H. Kaune, M. Neemann, A. Hoffmann, U. Haberkamm-Veenker, H. Weilnhammer, H. + H. Kehrwieder, Dr. U. + W. Kellner, M. + H. Wieczorek, R. Kaiser, M. Ruehe, H.- H. Schaefer, K. Krueger, C. Ellermann, H. Prein, E. Jahn, G. + H. Hoppe, I. Woda, S. Buenten, S. + U. Trzeciok, G. Behrens, G. Dercum, B. Schoebel, H. Haase, J. Loeffler, R. Pietzowsky, S. + H. Meier, M. Toebben, I. Bednarczyk, D. + I. Luther, D. Faubel, M. Weiland, S. Schulze, C. + H. Mueller, G. Bielfeld, I. Walther, U. Dietrich, R. Peters, S. Kuenstler, U. Kerkmann, R. Bien, O. Grunert, M. Rosenland, D. Hueffmeier, E. + G. Frantz, A. Spundflasche, A. Meyer, M. Smarsli, H.-J. Schreiber, M. + H. Vetter, D. Bannuscher, T. Mosinski, A. Lange, E. Behmann, W. Kollmorgen, W. Haberland, H.-D. Roch, A. Beneke, R. Stachowski, R. + P. Wuerz, I. Weinhold, E. Kreuzer, R. + S. Heiligmann, G. Hillmer, H. Rose, H. Lehnert, U. Roesner, K. Nischik, Verkäuferausweise C. + D. Faerber, K. Brauns, H.-P. Dobmeier, H. Kaelble, Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei Ver­käuferInnen K. Thormeier, H. Domine, M. Schmiech, E. + J.-H. Jacobs, mit gültigem Aus­weis! C. Wirsching, M. Dzambasevic sowie allen anonymen Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Rosa Spendern und allen Asphalt-Patinnen und -Paten.


Aus den nachfolgenden Silben sind 16 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – einen Spruch von Heinrich Schliemann (1822 – 1890) ergeben: auf – ban – da – dem – di – ding – druck – ed – ein – em – er – er – er – gel – gen – gung – ken – la – lang – lauf – men – na – ner – neu – no – nuech – qui – re – ro – rung – se – so – strek – tal – tan – te – te – trau – trieb – uni – va – wa

1. Kurzstreckenzug 2. Heftige Gefühlsbewegung 3. Marathon 4. Kreisstadt in Bayern 5. Metallstift 6. alkoholisches Getränk aus Mexiko 7. Fahne an einem Querholz

Unter allen Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir viermal »Murks – der planlose Bau des menschlichen Gehirns«. Das Buch des amerikanischen Psychologieprofessors Gary Marcus gibt auf witzige Art Einblicke in den Kopf eines schrulligen Wesens: des Menschen. Logisches Denken ist eher die Ausnahme, wir täuschen uns permanent, nehmen Dinge war, die gar nicht existieren. Eine Fehlkonstruktion der Evolution? Ebenfalls viermal haben wir »Aussortiert und Abkassiert – Altwerden in Deutschland« für Sie. Der bekannte TV-Journalist Michael Opoczynski (»WISO«) beschreibt in seinem neuen Buch schonungslos die Lage der älteren Menschen innerhalb unserer kalten, profitgierigen Gesellschaft. Mittlerweile gehört er selbst zur Gruppe der Betroffenen und weiß deshalb genau, wovon er spricht. Dreimal verlosen wir das Hörspiel zu Cornelia Funkes fantastischer Geschichte »Drachenreiter«. Für die silbernen Drachen schwindet in der Menschenwelt der Platz zum Leben. So machen sich der junge Drache Lung, das Koboldmädchen Schwefelfell und der Waisenjunge Ben auf den Weg zum sagenumwobenen Saum des Himmels. Dort soll die Heimat der Drachen liegen …

Die Lösung des Juni-Rätsels lautete: Wer hungrig ist, dem ist kein Brot zu schwarz. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de Einsendeschluss: 31. Juli 2016. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht!

8. hier entsteht das Layout für Asphalt 9. gefeierte Sängerin oder Schauspielerin 10. Desillusionierung 11. im Einklang aller Stimmen 12. spezielles Fahrrad 13. Werk der germanischen Literatur 14. Gefühl nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen 15. Landschaft in der Schweiz 16. seelische Störung

ASPHALT 07/16

SILBENRÄTSEL

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