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Notizblock

Foto: Picture-Alliance/Bernd Wüstneck/dpa

Härtere Kontrolle gefordert

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Hannover/Oldenburg. Das »Agrarbündnis Niedersachsen« hat die Landesregierung aufgefordert, sämtliche Betriebe mit Leih- und Werkvertragsarbeitern in der Ernährungsindustrie auf Einhaltung des Sozial- und Infektionsschutzes zu kontrollieren. Auch die Unterbringung von Beschäftigten in Schlachthöfen sowie bei Spargel- und Erdbeeranbauern müsse überprüft werden, mahnte das Bündnis. Eigenen Angaben zufolge ist das Bündnis ein Zusammenschluss von 19 Verbänden aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, aus Verbraucherorganisationen und der Entwicklungszusammenarbeit. Ein Sprecher forderte Konsequenzen für Betriebe, die nicht für eine menschenwürdige Unterbringung sowie faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen sorgten. Außerdem müsse der Schutz vor Infektionen gewährleistet werden. Eine Schließung von Betrieben dürfe nicht nur dann erfolgen, wenn der Tierschutz nicht eingehalten wird. Guido Grüner von der Arbeitslosenhilfe Oldenburg sagte, die Politik müsse sicherstellen, dass die von Ministerpräsident Stephan Weil angekündigten Corona-Tests in den Schlachthöfen wirklich alle Mitarbeitenden erreicht. Grüner berät Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen in der Ernährungsindustrie. Ihm zufolge müssten die Arbeiter in den Schlachthöfen trotz der Pandemie weiterhin dicht an dicht arbeiten. EPD

Gesetz gegen Schrottvermietung

Hannover. Vermieter, die bauliche und soziale Mindeststandards ihrer Immobilien vernachlässigen, sollen bald zur Kasse gebeten werden. Das sieht der Entwurf eines Niedersächsischen Wohnraumschutzgesetzes vor. Schlechte Belüftung, schlechte Heizung, defekte Toiletten, Überbelegung – zehn Quadratmeter pro Kopf sind Minimum: Bei gravierenden Verstößen kann das Vermieter künftig bis zu 50.000 Euro Bußgeld kosten. Notfalls können Kommunen künftig Wohnungen für unbewohnbar erklären und Vermieter verpflichten, auf eigene Kosten Ersatzwohnungen für betroffene Mieter zu stellen. Schon 2019 hatte die Landesregierung ein Gesetz angekündigt, um Kommunen eine rechtliche Handhabe gegen Zweckentfremdung und Wucher im angespannten Mietmarkt zu bieten. Der Entwurf wurde jetzt in erster Lesung im Landtag beraten. Auch Teile der Opposition haben ihre Zustimmung signalisiert. MAC

Mieten gestiegen

Hannover. Der Preis für eine freie Mietwohnung in Hannover ist im vergangenen Jahr auf durchschnittlich 9,16 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Victor Perli (DIE LINKE) zur Mietenentwicklung in Niedersachsen hervor. Hannover ist damit von starken Mietsteigerungen betroffen. Die Angebotsmieten sind seit 2012 um 47,2 Prozent gestiegen. Damals betrug die durchschnittliche Kaltmiete lediglich 6,22 pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Am teuersten sind die Wohnungen mit 9,50 Euro pro Quadratmeter in Lüneburg. Am stärksten gestiegen sind die Mieten seit 2012 in Wolfsburg (plus 68 Prozent). »Durch die Corona-Krise ist jetzt eine wirtschaftliche Notlage entstanden. Das verschärft die Situation«, sagte Perli und forderte eine Zwangsdeckelung der Mieten durchs Land. MAC

LAK will Fleisch für Arme

Hannover. Angesichts einer Forderung der Grünen nach einer grundlegenden Reform der Fleischproduktion in Deutschland mahnt die Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK), dass Lebensmittel für Arme bezahlbar bleiben müssen. »Hartz-IV-Beziehern stehen pro Tag lediglich 5,02 Euro für die Ernährung zur Verfügung. Die Preise für Nahrungsmittel sind aber im April um über fünf Prozent gestiegen«, sagte LAK-Geschäftsführer Klaus-Dieter Gleitze. Bereits jetzt seien viele Arme auf das Angebot der Tafeln angewiesen, weil ihr Geld für Lebensmittel nicht ausreiche. »Wenn sich die Preise aufgrund einer Reform der Fleischproduktion noch weiter erhöhen, wird dieses Grundnahrungsmittel für Millionen Menschen unbezahlbar. Das darf nicht sein«, betonte Gleitze. Deshalb fordere die LAK eine sofortige Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um 100 Euro im Monat. EPD

Mehr Hafthilfe gefordert

Hannover. Häftlinge in Niedersachsen, die kurz vor der Entlassung stehen, sollten nach Auffassung der Diakonie auch in der Corona-Krise geregelt auf den Schritt in die Freiheit vorbereitet werden. »Wir schlagen vor, Sprechzimmer nach den gültigen Hygieneregeln in den Justizvollzugsanstalten einzurichten, um so die wichtigen Vorbereitungsgespräche zwischen Inhaftierten und den Mitarbeitenden der Anlaufstellen zu ermöglichen«, sagte Diakonie-Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke. Die Inhaftierten litten derzeit sehr darunter, kaum Kontakt zur Außenwelt zu haben. Die Sorge um Familienangehörige und die ungewisse Lage außerhalb der Haftanstalten verunsichere sie – ebenso die Ungewissheit, ob sie nach ihrer Entlassung Wohnung und Arbeit fänden, sagte Lenke. Hintergrund des Vorschlags ist die Schließung der niedersächsischen Justizvollzugsanstalten für Besucher seit Beginn der Corona-Pandemie, die eine umfassende Begleitung von Häftlingen erschwere. Gerade in der ersten Zeit nach der Haftentlassung sei die Gefahr besonders groß, erneut straffällig zu werden, wenn existenzielle Fragen nicht umfassend geklärt seien. In Niedersachsen unterstützen 14 Anlaufstellen für Straffällige entlassene und vor der Entlassung stehende Häftlinge bei der Resozialisierung. EPD

59% aller Deutschen halten die Klima-Krise für langfristig gravierender als die Corona-Krise. So eine repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der DBU unter Bundesbürgern ab 14 Jahren. 23 % halten beide Krisen für gleich gefährlich, 17% die Corona-Krise am bedrohlichsten. Gleichzeitig finden es nur 40% »sehr wichtig«, dass der Staat in Klimaschutz investiert, 51 % finden Investitionen ins Gesundheitssystem »sehr wichtig«, Innovationsförderung finden 31 % »sehr wichtig«. Mehr Analysen der Wissenschaft als Grundlage der Politik fänden 55% der Befragten »sehr gut«.

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Von den gut 500 in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten sind laut Roter Liste mittlerweile 31 akut vom Aussterben bedroht, 197 gefährdet und 42 Arten stehen auf der Vorwarnliste.

Die Kornweihe, ein kleiner Greifvogel, braucht ruhige Feuchtgebiete, um zu brüten. 1990 gab es in Niedersachsen noch 55 Brutpaare, mittlerweile gilt sie als nahezu ausgestorben.

ZU LEISE IM LAND

Mit Unterschriften für den Artenschutz: Ein Volksbegehren soll im Juni in Niedersachsen für mehr Pflanzen-, Insekten- und Vogelvielfalt starten. Druck hat schon allein die Ankündigung erzeugt. 610.000 Niedersachsen müssten bis Jahresende zustimmen, um daraus ein Gesetz zu machen.

Wenn es am Acker rot wird, kommt der Sommer. Doch das Rot des Klatschmohns wird trotz Sommer weniger. Zusammen mit vielen anderen Ackerwildpflanzen verschwindet der Klatschmohn allmählich aus seinem Lebensraum. Moderne Landwirtschaftstechnik und Spritzmittel haben in den letzten Jahrzehnten viele Ackerwildpflanzen erst an den Rand der Äcker und dann an den Rand des Aussterbens gedrängt. Manche der rund 350 am und im Acker lebenden Wildpflanzenarten sind so spezialisiert, dass ihr Ende nicht mehr aufzuhalten ist. Sie können nicht anderswo hin ausweichen. Mit ihrem allmählichem Sterben sterben auch zahlreiche Insektenarten und damit unsere Vögel – im Land wird es leiser. Ein Volksbegehren vieler Naturschutzverbände will die Entwicklung in Niedersachsen jetzt stoppen, bestenfalls umkehren. Doch Bauern und Politik halten wenig von gesetzlichen Vorgaben.

Die Faktenlage ist eindeutig. Gleich ein ganzer Schwung wissenschaftlicher Studien der letzten Jahre kommt zu dem Schluss: Weltweit nimmt die Vielfalt der Insekten rapide ab. Jede dritte Art ist vom Aussterben bedroht. Eine viel diskutierte Krefelder Langzeitstudie, die die Gesamtmasse an Insekten in 60 vorher bestimmten deutschen Gebieten regelmäßig gemessen hat, kommt gar zu dem Ergebnis, dass heute gut 70 Prozent weniger Insekten fliegen als vor 30 Jahren. Auf der roten Liste des Bundesamtes für Naturschutz, das seit 40 Jahren die Artenvielfalt in Deutschland untersucht, stehen viele Tagfalterarten, Eulenfalter, Spanner, Spinnen, Ohrwürmer, Ameisen, Köcher-, Tanz- und Raubfliegenarten und jede Menge Bienen. Etwa die Hälfte aller 500 Bienenarten weisen rückläufige Bestände auf. Für die Schwebfliegen, neben den Bienen die wichtigsten Bestäuber im Garten und im Obstanbau, werden in Studien

Populationsrückgänge von bis zu 85 Prozent erwähnt. Verantwortlich für das Sterben der Nützlinge sei der ständige Rückbau der Lebensräume und der Einsatz hochgiftiger Pestizide und Herbizide im konventionellen Ackerbau. Aber auch die Monokultur der deutschen Wälder. Eine ganz gezielte Untersuchung zu Ursache und Schuld am Artensterben verspricht eine neue Studie namens DINA – Diversität von Insekten in Naturschutzgebieten, die im vergangenen Jahr als Verbundprojekt unterschiedlicher Uni- und Forschungsinstitute startete und Endergebnisse für 2023 verspricht. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat zunächst knapp fünf Millionen Euro in die Studie investiert. »Die Honigbienen gehören zu unseren wichtigsten Nutztieren. Wildbienen und andere Insekten erfüllen auf unserer Erde für den Menschen überlebenswichtige Aufgaben: sie bestäuben Blüten, sorgen für die Fruchtbarkeit des Bodens und sichern damit unsere Ernährung«, so Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. »Die Ursachen sind vielfältig. Unstrittig ist, dass etwa der Klimawandel und eine veränderte Landnutzung Gründe für das Insektensterben sind«, sagt DINA-Forscherin Livia Schäffler. Eine ihrer Hypothesen: Pestizide aus der Landwirtschaft dringen auf verschiedenen Wegen sogar bis in strenge Schutzgebiete vor. Messungen sollen das jetzt verifizieren. Im Ergebnis müssten dann große »Pufferzonen« zwischen landwirtschaftlichen Nutzflächen und Schutzgebieten eingerichtet werden, so die Biologin des Leibniz-Instituts für Biodiversität der Tiere in Bonn. Damit zum Beispiel Kiebitz, Star, Feldsperling, Zippammer, Kornweihe und Braunkehlchen nicht endgültig aus Niedersachsen verschwinden.

Der Schutz der bestehenden Naturschutzgebiete in Niedersachsen ist entsprechend auch Teil des »Volksbegehrens Artenvielfalt«, das BUND, NABU, WWF sowie Otter-, Imker- und Tierschutzverbände in diesem Monat auf den Weg bringen wollen. Das Volksbegehren hat einen langen, detaillierten Gesetzentwurf im Ge»Das Volksbepäck. Dieser soll juristisch das Niegehren könnte dersächsische Wasser- und das Niedie Fronten dersächsischen Waldgesetz sowie verhärten.« das landeseigene Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz Karin Logemann, SPD-Agrarsprecherin ändern. Faktisch würde es den Pestizideinsatz in Naturschutzgebieten ausnahmslos verbieten, Land und Bauern zu mehr Ackerrandstreifen, Hecken und Randgehölzen verpflichten, Gewässer und kleine Gräben mit schützenden Rändern versehen, Wiesen vernässen und den Wald in Niedersachsen langfristig von Monokultur befreien. Ein Drittel des Waldes in Niedersachsen gehört dem Land, ein weiterer großer Anteil der Klosterkammer Hannover. Politik und Bauernverbände sind wenig begeistert vom ›Volksvorstoß‹ der Naturschutzverbände. »Die Landwirtschaft ist überrascht vom Vorstoß, weil Naturschutzverbände, Politik und Landwirtschaft einen auch in großen Teilen der Landwirt- schaft und Politik unterstützten Maßnahmenkatalog für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz vereinbart haben«, so der Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke, selbst Landwirt in Bad Iburg gegenüber Asphalt. Gemeint ist der so genannte »Niedersächsische Weg«, ein erst kürzlich mit Eile gezimmerter Maßnahmenkatalog, quasi eine freiwillige Selbstverpflichtung von Land- und Forstwirtschaft zu mehr Naturschutz. Darin stünden bereits »viele gezielte und effektive Maßnahmen, die zudem sehr rasch umgesetzt werden können«, so der Landvolk-Präsident weiter. Konkrete Inhalte des Maßnahmenpakets: Ein Aktionsprogramm zu Insektenschutz, Aufstockung der Landesmittel zur Finanzierung von Maßnahmen in Schutzgebieten, Schaffung neuer Biotope sowie die Ausweisung neuer Gewässerrandstreifen. Auch die regierende SPD setzt auf die Freiwilligkeit der Bauern und Forstbesitzer. »Wir stehen dem Volksbegehren und dem damit verbundenen Verfahren skeptisch gegenüber und befürchten anhaltenden politischen Stillstand«, so Karin Logemann, agrarpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. »Der Niedersächsische Weg kann hingegen konkrete Ergebnisse liefern und Verbesserungen in allen berührten Feldern bringen. Nur im gemeinsamen Dialog der zentralen Akteure können wir den Artenschutz und die Biodiversität in unserem Bundesland vorantreiben. Das Volksbegehren birgt die Gefahr, dass sich Fronten verhärten.« Ähnlich verlautet es bisher aus der CDU. Grüne und Linke wollen sich am Volksbegehren beteiligen. Volker Macke

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Volksbegehren

Jenseits der üblichen parlamentarischen Entscheidungswege können Niedersachen mittels eines so genannten Volksbegehrens zu ihnen wichtigen Sachverhalten Gesetze einbringen. Zunächst muss für den Gesetzentwurf über eine so genannte Volksinitiative die Zulassung zum Volksbegehren erwirkt werden. Dafür müssen 25.000 wahlberechtige Niedersachsen unterschreiben. Ist diese erste Hürde genommen, bleiben sechs Monate Zeit das eigentliche Volksbegehren zu erwirken. In dieser Zeit müssen 610.000 in Niedersachsen gemeldete Wahlberechtigte den genauen Wortlaut des Gesetzentwurfs unterschreiben, die zuerst gesammelten 25.000 Unterschriften zählen dabei mit. Nach erfolgreicher Unterschriftensammlung wird der Gesetzentwurf automatisch ins Parlament eingebracht. Dieses kann zustimmen und den Entwurf mit allen rechtlichen und finanziellen Folgen annehmen oder ablehnen. Lehnt das Parlament mehrheitlich ab, wird der Gesetzentwurf automatisch allen Niedersachen zum so genannten Volksentscheid vorgelegt. Die Unterschriften können nur auf vorgedruckten Formularen geleistet werden. Sie können über info@artenvielfalt-niedersachsen.jetzt bestellt werden. Eine Online-Unterschriftensammlung lässt das Landesrecht nicht zu. MAC

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