2016 04 Asphalt

Page 1

2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

04 16

MIT TRAUMA ZURÜCK EINER FÜR ALLE Soldat kämpft für belastete Kollegen.

ARM ABER FREI

Auf Güterzügen unterwegs: Obdachlose in den USA.

STREIT UM TÖNE Mehr Kontrolle für Straßenmusikanten.


4

Notizblock

6 Angespitzt 8

Mit Trauma zurück

Helden in Afghanistan, abgestürzt zuhause. Immer mehr deutsche Soldaten kehren mit PTBS zurück. Einer von ihnen kämpft für alle.

11 Auf Schienen unterwegs

Arm aber frei fühlen sich Hobos. Obdachlose Menschen die in den USA illegal auf Güter­ zügen umherfahren.

15 Wer war eigentlich …? 16 War es Mord?

Rechtsmediziner warnen: Es wird zu wenig obduziert – Tausende Mörder kämen so unentdeckt davon.

19 Briefe an uns 20

Vom Zauber der Musik

Straßenmusik auf hannoverschen Plätzen und in Fußgängerzonen ist wieder in der Kritik.

23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben

von Asphalt-Verkäuferin Andrea

26 Rund um Asphalt 27 Impressum 28 Wir verlosen Karten für den Zoo 29 Gemeinsam, nicht einsam

Zu Besuch auf Beginenhöfen, Frauen­ kommunen in Niedersachsen und Bremen.

32 Die Lesebühne

Johannes Weigel: Der Tütenmann

34 Buchtipps 35 April-Tipps 38 Ihr Engagement

Titelfoto: Fotolia/highwaystarz

39 Silbenrätsel

Das Asphalt-Prinzip

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung.


bei unserem Engagement für das Asphalt-Magazin als zumeist ehrenamtlich Tätige werden wir nicht selten mit einer uns schockierenden Frage konfrontiert: »Warum vergeudet Ihr eure Energie für Leute, die sich ihre sozialen Probleme selbst eingebrockt haben?« Vollends schockierend wird es, wenn wir im Gespräch nebenbei erwähnen, dass viele von uns auch aktiv in der Flüchtlingshilfe tätig sind. Dann heißt es: »Für die faulen Ausländer? Bloß das nicht, da kann ich ja gleich lieber euer Asphalt-Blatt kaufen!« In solchen Aussagen bestätigt sich der schon seit Jahren vom Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer festgestellte Trend zu »roher Bürgerlichkeit«. Diese findet sich mittlerweile nicht nur bei Pegida und AfD in entsicherter, ungehemmter Nazi-Sprache der Weimarer Republik, sondern auch in einer Vielzahl von verbrecherischen Brandanschlägen. Nachdem im Sommer vergangenen Jahres im niedersächsischen Salzhemmendorf von einem dieser unbescholtenen Bürger ein Molotowcocktail in das Kinderzimmer einer Flüchtlingswohnung geworfen wurde, sagten dessen Eltern dem NDR, dass ihr Sohn nicht fremdenfeindlich sei. Er habe nur seine Meinung, die ja jeder dritte oder vierte Deutsche hätte. Dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend zufolge schämt sich jedoch die große Mehrheit (83 Prozent) der Deutschen für die Gewalttaten gegen Flüchtlinge. Laut der vom Deutschen Spendenrat beauftragten Studie »Bilanz des Helfens« haben sich im Jahr 2015 31,8 Millionen Bundesbürger mit Geld-, Sach- oder Zeitspenden für Flüchtlinge eingesetzt. Mit insgesamt 5,5 Milliarden Euro wurde über die Flüchtlingshilfe hinaus sogar ein neuer Spendenrekord aufgestellt. Und gleichzeitig sagen 76 Prozent, dass unsere Politiker die gewalttätigen Übergriffe gegen Flüchtlinge stärker verurteilen sollten. Dem kann ich mich nur anschließen. Es reicht politisch nicht aus, Pegida und AfD widerlich zu finden und zu hoffen, dass sie mit dem Ende der Flüchtlingskrise von der Bildfläche verschwinden. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass Rassismus jeglicher Art dort bekämpft wird, wo wir auf ihn treffen. Treten wir für die Würde aller Menschen ein. Ihr

Heiko Geiling · Mitherausgeber von Asphalt

ASPHALT 04/16

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

2 3


Foto: Holger Hollemann/dpa

NOTIZBLOCK

Unistädte ohne Wohnraum Hannover/Oldenburg. Der Niedersächsische Städtetag stellt zunehmend fest, dass die Zahl der günstigen Wohnungen besonders in Städten mit Hochschulen knapper werden. Grund dafür sei vor allem die zusätzliche Unterbringung von Flüchtlingen. Zwar ist die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge gesunken, allerdings sei laut dem Niedersächsischen Städtetag dort kaum noch Platz für weitere Menschen. Demnach sind unter anderem die Hochschulstandorte Oldenburg, Göttingen und Lüneburg besonders betroffen. In den Unistädten verschärft sich das Problem durch die ebenfalls hohe Nachfrage nach günstigen Wohnungen durch die Studenten, die zusätzlich den Wohnraum knapp werden lassen. ME

Gegen Versalzung Mehr Autobahnen geplant Mit einem neuen Bundesverkehrswegeplan hat die Bundesregierung den Weg für zwei weitere Autbahnen in Niedersachsen frei gemacht, die A20 von Oldenburg über Bremerhaven nach Glückstadt und Lübeck und die A39 von Wolfsburg bis Lüneburg zum Anschluss Hamburg, auch »V W-Autobahn« genannt. Gegen beide Vorhaben gibt es massive Widerstände örtlicher Bürgerinitiativen rund um Uelzen Lüneburg und Gifhorn (Bild). Aber mit VW und Industrieverbänden auch starke Befürworter. Entsprechend in Not gerät Rot-Grün in Niedersachsen, das nur mit einer Stimme Mehrheit regiert. »Statt für teure Neubauprojekte volkswirtschaftlich unsinnig viel Geld auszugeben, einen enormen Flächenverbrauch in Kauf zu nehmen und intakte Umwelt zu zerstören, müssen Erhalt und Optimierung der vorhandenen Infrastruktur klar Vorrang haben«, kristisiert Stefan Körner, Landesvorsitzender der Grünen, den Plan. Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) sieht in den Plänen indes »wichtige Weichenstellungen für die Zukunft unseres Landes«. Und der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Gerd Will, ergänzt: »Wichtig ist, dass diese Autobahnen jetzt bei Baureife auch gebaut werden können, dafür muss der Bund dann auch die ausreichenden Mittel zur Verfügung stellen.« MAC

Hannover. Das gibt es auch nicht oft im Landtag in Niedersachsen: Alle Fraktionen haben im MärzPlenum gemeinsam einen Antrag eingebracht und beschlossen. Mit dem Beschluss soll der weiteren Versalzung der Werra und der Weser entgegengewirkt werden, indem die Einleitung von Laugen verringert werden soll. Das betrifft vor allem den Düngemittelhersteller K+S aus Kassel, von dem die vier Fraktionen fordern, endlich moderne Technik einzusetzen, um die Einleitung von salzhaltigen Abwässern zu verringern. Streit mit den Nachbarn aus Hessen ist vorprogrammiert. Denn das Bundesland plant, Kalilaugen über eine Pipeline in die Oberweser zu leiten. Dazu wurde bereits ein Raumordnungsverfahren eingeleitet. ME

Politik umwirbt die Jugend Hannover. Der Landtag hat im März eine Website online gestellt, die Jugendliche zur Teilhabe am politischen Geschehen anregen soll. Auf der Internetseite werden interaktiv politische Begriffe erklärt. Dabei setzen die Betreiber bewusst auf eine leichtere Sprache, um sperrige Sachverhalte im politischen Geschehen verständlich darzustellen. www.landtag-niedersachsen.de/jugend ME


ZAHLENSPIEGEL »VERKEHRSUNFÄLLE«

Bremen. An der Weser soll künftig der Anbau von Cannabisprodukten für private Zwecke – und in geringen Mengen – straffrei gestellt werden. Bundesweit bisher einmalig. Der Handel aber soll verboten bleiben. Ein entsprechender Antrag steht im April zur Abstimmung in der Bremer Bürgerschaft an. Mittelfristig will die Bremer Landesregierung sogar ein Modellprojekt zur legalen Abgabe von Haschisch und Marihuana an Erwachsene einführen, braucht dafür aber Unterstützung anderer Bundesländer im Bundesrat. Mit dem weitergehenden Vorstoß soll die Droge dann dem Alkohol komplett gleichgestellt werden. Seit Jahren fordern Juristenverbände und Drogenexperten eine solche Liberalisiserung. Mit dem neuen Antrag will Rot-Grün in Bremen Vorreiter auf diesem Weg sein. Niedersachsen will Bremen zunächst nicht folgen. »Wir möchten zunächst beobachten, welche Erfahrungen dort gemacht werden und diese Erfahrungen in zukünftige Überlegungen einbeziehen«, sagte ein Sprecher des Niedersächsichen Justizministeriums. MAC

14 % (4.555) aller schweren Unfälle im Straßenverkehr waren 2014 auf Senioren

Gesundheitskarte für Flüchtlinge Hannover. Um Flüchtlinge vor dem Arzt anderen Patienten gleichzustellen wird Niedersachsen ab sofort eine Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber einführen. Darauf hatten sich Mitte März die Landesverbände der Gesetzlichen Krankenversicherungen und das Sozialministerium geeinigt. »Mit der Einführung wollen wir der Diskriminierung und dem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand des jetzigen Bewilligungsverfahrens ein Ende setzen«, sagte Ministerin Cornelia Rundt. Entscheiden müssten aber letzlich als Träger der Kosten die Kommunen, ob sie der Rahmenvereinbarung beitreten und somit die Gesundheitskarte für Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus einführen. Bisher müssen sich die Betreffenden bei der Kommune einen Behandlungsschein holen und jeden Arztbesuch und den Behandlungsumfang im Vorfeld genehmigen lassen. Der Verwaltungsaufwand ist hier nach Ansicht des Gesundheitsministeriums deutlich höher. MAC

zurückzuführen. Das meldet das Landesamt für Statistik. Gegenüber 2003 stieg

die

Anzeige

Zahl um 26 %. Demnach ist das auf den

wachsenden Anteil der Senioren zurückzuführen, die länger

mobil seien. Setzt

man ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung von 21 % in Relation, ist die Zahl ihrer Unfälle sogar unterdurchschnittlich. An-

ders Jugend­liche (bis 25 Jahre): Deren Anteil macht nur 8 % aus – dagegen sind sie

Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht.

für rund 20 % aller schweren Unfälle ver-

Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de

antwortlich.

Außenstellen: Nienburg, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

ASPHALT 04/16

Mehr Freiheit für Kiffer

4 5


ANGESPITZT

Wir haben neue Freunde – ganz ohne es zu wollen. Und das kam so: Jüngst war wieder Stadtrundgang. Der soziale. Der, der Hannover von unten zeigt. Unser Verkäufer Bernd hatte wieder einmal mit Geschichten aus seinem Leben und über die Sozialpolitik der Stadt ganz großes Staunen auf die Gesichter seiner Zuhörer gezaubert. Er kennt das schon. In Sachen Straße kennt sich kaum jemand besser aus als unsere Asphalter. Manchmal lesen wir dann später Danksagungen und Empfehlungen auf Facebook-Profilen oder Internetseiten. Das freut uns. Eigentlich meistens. Diesmal war es besonders ausführlich. »Unglaublich authentische Leidenschaft« und ein »hohes Maß an Wissen« wurden Verkäufer Bernd dort im Netz attestiert. Und dann noch der Dank, wie Honig fühlte sich das zunächst an: »Wir möchten an dieser Stelle den Mitarbeitern des gesamten Projekts alles Gute wünschen und einen Dank aussprechen für die bis hierher geleistete Arbeit!« »Welch wunderbare neue Freundschaft«, möchte man denken. Die Politik versagt, heißt es weiter im Erlebnisbericht angesichts von über Hunderten in Hannover, die »Platte machen«. Drastisch formuliert, aber in der Tendenz gehen wir da noch mit. Doch dann plötzlich das: Statt Obdachlosenarbeit finanziere Politik »Mig-

»FALSCH VERBUNDEN«

rationslotsen, Fahrradkurse, Taxifreifahrten, Schwimmbad-Gutscheine und freie Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln für jeden, der nicht Deutsch spricht oder eben Asylant sein möchte!« Wer sowas schreibt? Die NPD! Nix mehr Honig und Frohlocken. Benutzt fühlen wir uns. Unsere Arbeit gegen Armut für rassistische Zwecke missbraucht. Leute, geht’s noch? Arm gegen ärmer ausspielen ist armselig! Freunde kann man sich aussuchen, heißt es. Wir machen davon jetzt mal Gebrauch und klicken euch raus. Volker Macke


HTP0947_Anzeigen_asphalt_257hx189b_4C.indd 1

ASPHALT 04/16

Servicekraft aus der Nachbarschaft.

6 7

01.03.16 14:59


Foto: Michael Kappeler/dpa

MIT TRAUMA ZURÜCK Robert Sedlatzek-Müller war als Soldat im Kosovo und in Afghanistan. Und kam traumatisiert zurück. Heute ist er Ansprechpartner für geschädigte Kameraden. 235 allein im Jahr 2015. Offiziell.


ASPHALT 04/16

Es kommt vor, dass Robert Sedlatzek-Müller, Berufs- Rückkehr in einen zivilen Beruf, in dem sich seine Erkransoldat, auf der Fahrt zum Einkaufen von Stade in kung nicht einfach auflösen würde, ist für ihn keine Option: die Großstadt Hamburg wieder umkehren muss. »Ein guter Freund von mir hat schließlich von Hartz IV gelebt. Er sagt: »Am liebsten fahre ich abends oder nachts, Diesen Weg wollte ich nicht gehen.« Und der schlanke, sehr drahtige Mann mit dem festen wenn die Straßen leer sind.« Denn wenn er im Stau steht, wenn es nicht weitergeht, dann kann er sich Händedruck und den raspelkurzen Haaren kämpft. Kämpft nicht einfach wie andere damit ablenken, indem um seine Weiterbeschäftigung. Kämpft mit der Bundeswehr, er das Radio anschaltet, eine raucht oder aus dem kämpft mit der Politik, wird Sprecher der Soldaten, die von der Fenster schaut. Er sagt: »Ich muss die Situation, in Gesellschaft, die sie losgeschickt hat, erwarten, dass man sie der ich bin, kontrollieren.« Oder wenn er eingela- respektiert, dass man sie hört und dass sie dauerhaft versorgt den ist, einen Vortrag zu halten, in einer Schule, vor werden: »Wir Soldaten wollen integriert werden.« Mit dieser Botschaft und seinen Erfahrungen im Gepäck Politikern, vor Soldaten: »Ich merke heute, wenn ich mit einem Mal abdrifte, wenn ich mich weg- gibt er zahlreiche Interviews, spricht mit Politikern, ist in parbeame.« Dann greift er zu seinen Bonbons: Pastillen lamentarischen Ausschüssen zu Gast. Er schreibt ein Buch, er der Marke Fisherman’s Friends (»Sind sie zu stark, kehrt in Talkshows sein Innerstes nach außen. Und er erreicht bist du zu schwach.«). »Der scharfe Geschmacksreiz schließlich, dass das für verletzte Soldaten geltende Gesetz sorgt dafür, dass ich wieder zurückkomme«, sagt mit dem sperrigen Titel »Einsatzversorgungs-Verbesserungser. Und er kann seinen Vortrag fortsetzen. Kann gesetz« vom Bundestag grundlegend neu gefasst wird: Heute von den Toten erzählen, die er während seiner Ein- müssen auch Soldaten mit einem Verletzungsgrad von 30 Prosätze gesehen hat. »Von den Leichen«, sagt er. Und er zent weiterbeschäftigt werden – statt vorher mindestens 50 Prozent. Und der bisher willkürlich festgesetzte Stichtag kann erzählen, was ihm passiert ist. Es ist der 6. März 2002. Er ist in Afghanistan sta- für diesen Anspruch wird vom 1. Dezember 2002 auf den tioniert, als Fallschirmjäger, als Sprengstoff­experte; 1. Juli 1992 zurückdatiert: als für die Bundeswehr die ersten gehört zu einem Vorauskommando. Gerade schaut Auslandseinsätze begannen. Allein im vergangenen Jahr er zu, wie Kameraden sich abmühen, eine alte rus- wurde bei 235 Soldaten erstmals eine Belastungsstörung sische Rakete zu entschärfen, die sie zuvor den Tali- diagnotiziert, 15 Prozent mehr als 2014. Und die Dunkelziffer ban abgenommen haben. Sekunden später sind dürfte weit höher liegen. fünf Soldaten tot; ihn selbst hat es meterweit weggeschleudert. »Man kann unsere Auslandseinsätze befürworten, man kann sie ablehnen, aber sie sind vom Parlament jeweils beschlossen worden, und Stichwort PTBS wir sind eine Parlamentsarmee, also gehen wir Flashbacks und Alpträume, die eine traumatische, belastende dorthin, wo man uns hinschickt«, sagt er. Er lächelt Situation im Leben unbeeinflussbar immer wieder in Erinnerung kurz: »Ich weiß: ›Soldaten sind Mörder.‹ Und ich rufen, sind das Grundmuster der Posttraumatischen Belastungskenne die Gedichtzeilen ›Stell dir vor, es ist Krieg störung. Das Wiedererleben kann sich in Bildern, Gefühlszustänund keiner geht hin‹.« Er setzt eine wohldosierte den oder auch in körperlichen Reaktionen wie Schmerzen oder Pause: »Aber jetzt bitte das Gedicht weiter zitieren!« Taubheit äußern. Das gibt es im Krieg, aber auch nach Unfällen, Und er macht’s: Überfällen, Vergewaltigungen, Blitzeinschlägen oder Herzin»›… dann kommt der Krieg zu dir.‹« farkten. Als Folge treten emotionale Stumpfheit und GleichgülEr wurde einen Tag nach der Raketenexplosion tigkeit, aber auch Schlafstörungen, Reizbarkeit, Schreckhaftigausgeflogen. Im Herbst 2002 wird bei ihm das diakeit auf. Scham- und Schuldgefühle, Depressionen und immer gnostiziert, für das es ein so klug klingendes wie mehr Vermeidungsverhalten erschweren ein normales Leben. abstraktes Wort gibt: posttraumatische BelastungsZentral für die Behandlung sind traumafokussierende Psychostörung. Abgekürzt: PTBS. 2003 und 2005 geht es therapien. Begleitet von medikamentöser Unterstützung. Eine zu weiteren Einsätzen nach Kabul. Dann bricht in PTBS dauert mit einer adäquaten Behandlung durchschnittlich den folgenden Jahren die PTBS immer wieder mit 36 Monate. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine Macht aus, ist auch durch ständiges Überarbeiten Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, liegt laut und viel Alkohol kaum mehr einzudämmen. Die Zeit, den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen für die er sich für die Bundeswehr verpflichtet hat, Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) bei etwa 7 %. MAC endet. Er will bei der Bundeswehr bleiben, denn eine

8 9


Foto: Jakob Ganslmeier

Der einstige Elitesoldat Robert Sedlatzek-Müller hat erstritten, dass er trotz seiner Belas­ tungs­störung Soldat bleiben kann.

Robert Sedlatzek-Müller sagt: »Unsere Gesellschaft hat die Wehrpf licht ausgesetzt, okay. Doch heute haben wir mehr Einsätze als in den Jahren, als es die Wehrpflicht gab.« Die Folge sei, dass die Soldaten immer öfter und immer schneller hintereinander auf Auslandseinsätze geschickt würden. Und sie dazwischen keine ausreichenden Pausen hätten. Was auch dazu führe, dass die Soldaten nach dem Einsatz zu Hause nicht mehr ankämen: »Ich kenne Kameraden, die waren das achte Mal in Afghanistan. Die wollen immer wieder dorthin, weil sie hier im Zivilleben nicht mehr richtig klarkommen.« Und so mahnt er: »Wenn wir nicht aufpassen, züchten wir uns regelrechte Einsatzjunkies heran.« Damit es besser gelingen kann, die zurückkehrenden Soldaten wieder in den ganz normalen Alltag einzubinden, ist er aktuell dabei, mit dem von ihm gegründeten Verein »CombatVeteran (Germany)« ein Veteranenkonzept zu erarbeiten. Er weiß, dass schon das Wort »Veteranen« bei manchem Kopfschütteln hervorrufen wird. Veteranen – wie klingt denn das! Doch er schlägt vor, den Blick in andere Länder zu lenken: Dort gäbe es selbstverständlich einmal im Jahr einen Veteranentag. Und immerhin 380.000 Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen seien in den vergangenen Jahrzehnten unterwegs gewesen. Also 380.000 Veteranen.

»Die Bundeswehr hat die verschiedenen Probleme erkannt und ist auf einem guten Weg, auch wenn noch viel zu tun ist«, sagt er. So werde noch immer nicht ausreichend erfasst, wie viele Soldaten mit PTBS sich schließlich das Leben nähmen. »Wir wissen auch nicht, wie viele Soldaten nach ihrem Einsatz sich bei den Tafeln anstellen oder obdachlos werden.« So wie der einstige Kamerad, der in Kiel kürzlich noch irgendwo am Strand lebte. Er hatte zuvor einen Anschlag auf einen Militärbus überlebt. »Hilfe hat er erst angenommen, als der Winter kam und es kalt wurde.« Aktuell bemüht er sich um einen Soldaten, der am Rande der Lüneburger Heide am Waldrand haust und den Weg zurück ins normale Leben nicht findet. Als bei der Bundeswehr angestellter »Lotse für Einsatzgeschädigte« ist er auch An­­ sprechpartner für die Angehörigen der Soldaten: »In der Regel kommen die fünf Minuten vor zwölf, wenn die Probleme zu Hause nur noch aus dem Ruder laufen.« Sedlatzek-Müller selbst arbeitete zunächst nach dem »Hamburger Modell«, ein Reha-Konzept, das es ihm erlaubte, so viel am Tag zu arbeiten, wie er an dem Tag schaffte. Seit einem Jahr ist er wieder regulär im Dienst. Seine PTBS wird bleiben. Er sagt: »Als Soldat spreche ich bei mir von einer Verwundung. Im zivilen Leben nenne ich es eine Behinderung.« Denn das, was er erlitten habe, werde nicht weggehen. Sein ganzes noch folgendes Leben nicht. Aktuell beteiligen sich 3.250 deutsche Soldaten an 15 unterschiedlichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr. In Afghanistan und Usbekistan, im Kosovo, im Nahen Osten, in Mali, am Horn von Afrika, im Sudan und in Somalia. Seit 1992, dem Jahr in dem die Bundeswehr erstmals in den Krieg zog, waren es insgesamt über 380.000. Tausende kamen mit Trauma zurück. Frank Keil, H&K/INSP News Service www.INSP.ngo


ASPHALT 04/16

10 11

REBELLION IM RUCKSACK Wenig Gepäck, feste Schuhe und ein Güterzug: Das Leben als Hobo ist legendär. Aber auch arm, anstrengend und eigenartig allein. Fotografin Florentine Zuch war mit auf Reisen durch Amerikas Westen. Die meisten sind jung. Und selbst wenn sie schon lange dabei sind, sind sie noch lange nicht alt. Sie sind obdachlos, würden sich aber nie so nennen. Denn sie sind Hobos und haben ein Credo: stets unterwegs, unabhängig, rebellisch, frei. Seit der großen Depression im Amerika der 30er Jahre gibt es sie, die Nomaden unter den Außenseitern der Gesellschaft. Sie bereisen das Land indem sie illegal auf Güterzügen mitfahren. Die Gründe für ihr Außenseitertum sind stets gleich: Schwere Schicksalsschläge, Drogenabhängigkeit, Alkoholis-

mus und die daraus resultierenden finanziellen Nöte. All das allerdings gepaart mit einer großen Lust auf Abenteuer und Trotz. In den USA kommt sozial eines schnell zum anderen, und ehe man es sich versieht landet man innerhalb weniger Wochen vom Einfamilienhaus auf der Straße. Für 600.000 Menschen ist das in diesem Moment bitterer Alltag. Toadstool, auf Deutsch Giftpilz, ist einer von ihnen. Der Mitzwanziger mit den wilden blonden Locken und dem Zottelbart nennt sich


Eine gute Karte mit Bahnlinien ist wichtig um rechtzeitig von einem auf den anderen Güterzug wechseln zu können.

Wolf (li.) und Toadstool teilen sich den Weg, den Wagen und eine kalte Dose.

auf der Straße so. Eigentlich heißt er Alexander. Doch fast alle Hobos haben Aliasnamen, ihre bürgerlichen Namen lassen sie hinter sich wie ihre bürgerliche Existenz. Gemeinsam mit Wolf, der eigentlich Julian heißt, erbettelt er sich in den Großstädten Geld für Essen, Trinken, Rauchen – Mobilität ist ja kostenlos im Hoboleben. Ehrensache. Wolf, 18, Schulabbrecher mit Irokesenschnitt hat für das Schnorren in Bankenvierteln und Einkaufsmeilen immer ein Pappschild dabei: »Too ugly to prostitute, too smart to steel« (»Zu hässlich für Prostitution, zu schlau

Güterbahnhof: Anschleichen, Aufspringen.

zum Stehlen«), steht darauf gepinnt. Die beiden jungen Männer sind Freunde auf Zeit. Für den nächsten Zug gen Westen vielleicht, vielleicht länger, vielleicht kürzer. Mehr als ein paar Wochen halten Freundschaften unter Hobos nicht. Seit bereits zwei Jahren lebt Wolf auf der Straße. Zuerst lebte er bei seinem Vater, dann bei seiner Großmutter, schließlich bei seiner Mutter, die selbst aktuell obdachlos ist. Durch das Reisen möchte er Erfahrungen sammeln, sagt er. Etwas erleben und darüber ein besserer Mensch werden. Die rich-


zügen mit zu fahren, ist in fast allen Bundesstaaten der USA eine

ASPHALT 04/16

Vom der Polizei vom Zug geholt: Auf Güter­

Ordnungswidrigkeit.

12 13

Wolf im Fahrtwind bei 65 Meilen pro Stunde.

tige Schule sei eh die Straße, die ganze Welt. BoozeBoy hingegen, der dritte im Bunde, erwartet sich nicht mehr viel von der Welt. Er ist um die 25 Jahre alt und alkoholabhängig seitdem er 13 ist. Auch seine Eltern sind beide Alkoholiker. Die Schule hat er nicht geschafft, seit Jahren ist er schon auf der Straße unterwegs, war schon ein paar mal im Gefängnis und investiert sein gesamtes Einkommen in Alkohol und Hundefutter. Denn seine große Liebe heißt Delilah, die braune Hundedame. Sie hat sogar einen Pass, der es ihr erlaubt ihr Herrchen überall

hin zu begleiten. Er weist sie als einen offiziellen »emotional unterstützenden Hund« aus. Dieses Dokument ist sein ganzer Stolz. Charlie, eine der sehr wenigen jungen Frauen unter den Hobos, macht die eigenwillige Reisegruppe komplett. Im Morgengrauen geht es zum Güterbahnhof von Denver. Anschleichen, aufspringen, wenn die eisernen Kolosse langsam anfahren. Festhalten, Plätze suchen. Schlafsäcke auspacken, kalte Dosensuppen löffeln. Mit 65 Meilen pro Stunde rattert die kleine Reisegruppe später durch die Prärie von


Obdachlos quer durch die Prärie im wilden Westen der USA.

Langeweile auf ratterndem Stahl. Charlie (re) und BoozeBoy.

Wyoming. Immer weiter gen Nordwesten. Ziel: Oregon, Pazi- rigkeit, aber die Gesetzeshüter müssen tätig werden, wenn fik. Zwischen harten Containern und rostigen Rädern hausen sie von blinden Passagieren zwischen den Waggons erfahsie mehr schlecht als recht, treffen unterwegs alte Bekannte, ren. Dann stehen sie mitten im Nirgendwo. Diskussionen sind verlieren sich wieder. Die Freiheit, die Landschaften, der dann zwecklos. Aber warum auch? Das Hoboleben hat vor Fahrtwind: Das ist ihnen Entschädigung genug. Vorerst. Trotz allem eins: Zeit. Der nächste Zug kommt bestimmt. Armut, Alleinsein und im Grunde auch Perspektivlosigkeit. Tamina Florentine Zuch/Volker Macke Selbst dann noch, wenn sie zwischenzeitlich etwas unsanft Fotos: Tamina Florentine Zuch vom Zug geholt werden. Auf Güterzügen mitzufahren ist in den meisten US-Bundesstaaten zwar nur eine Ordnungswid-


… REGINE HILDEBRANDT? Foto: Leon Schmidtke, Staatskanzlei des Landes Brandenburg

Mutter Courage des Ostens

Sie war in den 90er Jahren die beliebTod eine der wesentlichen Säulen ihres teste Politikerin Deutschlands. Sie Lebens – neben Familie, Freunden und wurde »Frau des Jahres«, erhielt die Beruf. Hildegard-Hamm-Brücher-Medaille Trotz guter Noten bekam sie nach für mutige Politik, den Fritz-Bauerdem Abitur erst im Nachrückverfahren Preis der Humanistischen Union und einen Studienplatz in Biologie. Nach dem das Bundesverdienstkreuz. »Sie ist Diplom ging sie bewusst in die Industrie eine der beeindruckendsten Politike– um eine ideologische Vereinnahmung rinnen der deutschen Nach-Wendezu vermeiden. Sie promovierte 1968, KarZeit, sie steht für einen Politik-Stil, der riere machte sie in der DDR indes nicht. Menschen mitreißt«, begründete das Ihren Mann Jörg Hildebrandt lernte Bundespräsidialamt die AuszeichRegine schon mit neun Jahren kennen, nung. Noch heute erinnern mehrere 1966 heirateten sie und bekamen drei nach ihr benannte Preise an die SPDKinder. Die Hildebrandts protestierten Politikerin. gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, Dabei war Regine Hildebrandt, gegen den Einmarsch in die Tschechoauch als Ministerin, nie eine »typislowakei 1968 und gegen die Einführung sche« Politikerin. Diplomatisch zu des Wehrkundeunterrichts. sein, sich anzupassen lag ihr nicht  – Parteipolitisch aktiv wurde Regine weder zu DDR-Zeiten noch im vereinten Deutschland. Sie Hildebrandt 1989: Sie engagierte sich in der Bürgerbewegung sagte ihre Meinung offen und unverblümt: Ihr Mundwerk und »Demokratie jetzt« und wurde Mitglied der neu gegründeten ihre Schlagfertigkeit waren legendär. Manche bezeichneten Sozialdemokratischen Partei der DDR (SDP). Bei den Wahlen Regine Hildebrandt als Nervensäge oder rhetorisches Maschi- 1990 schaffte sie den Sprung ins erste frei gewählte Parlament nengewehr. Doch die meisten bewunderten die Energie, Über- der DDR und war von April bis August Ministerin für Arbeit zeugungskraft und Ausdauer, mit der sie für ihre Ziele kämpfte: und Soziales. Nach der Wiedervereinigung übernahm sie bis Sie war die Stimme des Ostens, die Mutter Courage, die Räche- Oktober 1999 das gleiche Ressort (und die Bereiche Gesundheit rin der Arbeitslosen. und Frauen) im Land Brandenburg. Den Kurswechsel zu einer Regine Radischewski wurde am 26. April 1941 in der Großen Koalition mit der CDU machte sie nicht mit: Sie legte Bernauer Straße in Berlin geboren und lebte dort, bis die ihr Amt und Landtagsmandat nieder. Familie nach dem Mauerbau umgesiedelt wurde. »Wenn Sie 1996 erkrankte Regine Hildebrandt an Krebs, beruflich kür(…) bei uns zu Hause aus dem Fenster geguckt haben, waren zer trat sie deshalb nicht. Aus ihrer Krankheit machte sie keiSie mit dem Kopf im Westen und mit dem Hintern im Osten«, nen Hehl – im Gegenteil: Sie übernahm die Schirmherrschaft beschrieb sie die exponierte Lage an der Grenze. Ihr älterer für eine Aktion gegen Brustkrebs, setzte sich für aktive SterbeBruder Jürgen flüchtete im August 1961 in den Westen. Regine hilfe ein und wurde Namensgeberin für ein Hospiz. ging in West-Berlin zur Schule, bis ihre Eltern sie in die nächstAm 26. November 2001 starb Regine Hildebrandt in ihrem gelegene Schule im »demokratischen Sektor« umschulen muss- Haus in Wolterdorf bei Berlin, wo sie gemeinsam mit ihrem ten. Junge Pionierin oder FDJ-Mitglied war Regine Hildebrandt Mann, der ältesten Tochter, den Schwiegereltern und den nie, stattdessen engagierte sie sich in der Evangelischen Kir- Enkelkindern lebte. che und sang im Chor. Die Domkantorei blieb bis zu ihrem Eva Walitzek-Schmidtko

»Ich seh doch, was hier los ist«, Regine Hildebrandt, Biographie, Aufbau Taschenbuch Verlag. »Herz mit Schnauze« – Sprüche und Einsprüche von Regine Hildebrandt, Edition Berolina. »Liebe Regine … Erinnerungen zum Weiterleben«, Annette Hildebrandt, Evangelische Verlagsanstalt.

ASPHALT 04/16

WER WAR EIGENTLICH …

14 15


Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, Picture-Alliance

WAR ES MORD? Deutschland ist ein sicheres Land. Laut offizieller Statistik werden fast 100 Prozent aller Morde aufgeklärt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Rechtsmediziner warnen: Weil kaum noch obduziert wird, kommen Tausende Mörder womöglich ungeschoren davon. Es war einer der größten Mordprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte: 90 Patienten spritzte der Krankenpf leger Niels H. in gerade einmal sechs Jahren in den Tod. Womöglich hat er sogar bis zu 200 Menschen auf dem Gewissen. Der 38-Jährige verabreichte seinen Opfern ein tödliches Herzmedikament, um sie später wiederbeleben zu können. Ein selbst

ernannter »Held«, der mit Leben spielte, statt sie zu retten. Lebenslang muss Niels H. dafür hinter Gitter, so hat es das Landgericht Oldenburg im Februar 2015 entschieden. Dass H. jahrelang unbemerkt morden konnte, erscheint auf den ersten Blick wie ein tragischer Einzelfall. Immerhin werden in Deutschland 96,5 Prozent aller Morde aufgeklärt,


SOLIDARITÄT MIT ASPHALT.

ASPHALT 04/16

Foto: Christian Knörr,Uni Zürich

wie die polizeiliche Kriminalitätsstatistik (2014) vermeldet. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Während die Erfolgsquote bei entdeckten Verbrechen tatsächlich sehr hoch ist, steht eine enorme Dunkelziffer im Raum. So geht eine Studie der Universität Münster davon aus, dass in Deutschland jeder zweite Mord überhaupt nicht als solcher erkannt wird. Der Grund allen Übels: Es wird kaum noch obduziert. Während in skandinavischen Ländern rund 30 Prozent aller Toten auf dem Tisch eines Rechtsmediziners landen, geschieht dies in Deutschland nur in den seltensten Fällen. Eine Obduktion ist hierzulande nur dann verpflichtend, wenn ein Verdacht auf ein Verbrechen besteht. Die Folge: Gerade in Krankenhäusern und Altenheimen, wo der Tod zum Alltag gehört, haben Kriminelle theoretisch ein leichtes Spiel – so wie der Krankenpfleger Niels H. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) warnt: »Viele Verbrecher Doch es gibt auch eine gute Nachricht: In einigen rutschen uns durch die Lappen.« BDK-Präsident Bundesländern tut sich tatsächlich etwas. WähAndré Schulz spricht von einer »unrealistischen rend Obduktionen fast überall die Ausnahme Aufklärungsquote« und einer erheblichen Zahl an sind, werden in Bremen 80 Prozent aller Verstornicht entdeckten Verbrechen. »Bei Pflegepatienten benen von einem Gerichtsmediziner gesehen. Kinwissen wir oft nicht so genau: War es wirklich ein der unter sechs Jahren, deren Todesursache unbeHerzinfarkt oder hat ein Pfleger mit einem Kissen kannt ist, müssen verpflichtend obduziert werden. nachgeholfen?« Auch in Krankenhäusern gelten strengere Regeln Besonders bei Leichen ohne Lobby, also obdach- als im Rest der Republik. Zudem hat die Rechtsmelosen, drogenabhängigen oder alten Menschen, liegt dizin bei jedem Toten das Recht zur Leichenschau. der Verdacht nahe, dass nicht so genau hingeschaut wird. Gibt es bei ihnen doch keine Angehörigen, die sich über mangelnde Gründlichkeit beschweren könnten. Zudem können Mediziner, die in der Kriminologie nicht geschult sind, Würge- oder Drosselmale leicht übersehen. Bestimmte Mord-Methoden (wie Gift) lassen sich ohne Obduktion gar nicht feststellen. Der Bremer Gerichtsmediziner Michael Birkholz kämpft daher schon lange für eine Reform der Leichenschau. Bis zu 40 Prozent aller Totenscheine seien »für die Tonne«, vermutet der Experte. Er fordert: Nur noch speziell ausgebildete Ärzte sollten sie ausstellen dürfen. Deutschland ist mit diesem Problem nicht allein. Die hannoverschen Gewerkschaften. Weltweit gehen die Obduktionsraten seit Jahren zurück – sei es aus finanziellen, religiösen oder kulturellen Gründen. Eine Studie der »Imperial College School of Medicine« (London, 2015) brachte kürzlich ans Licht, dass in britischen Krankenhäusern nur noch 0,69 Prozent aller Verstorbenen obduziert werden – ein erschreckend geringer Wert.

16 17

Virtopsy-Maschine in der Rechtsmedizin der Uni Zürich

Anzeige


Bremen war das erste Bundesland, das den »vorläufigen Totenschein« eingeführt hat. So kann der Arzt am Fundort den Tod eines Menschen bescheinigen, die spätere Leichenschau aber auf einen Experten übertragen. Die Folge: Jedes Jahr entdecken die Pathologen über 50 unnatürliche Todesfälle, die sonst übersehen worden wären. Außerdem schreitet die Technik voran. Ein neues Verfahren namens »Virtopsy« (= virtuelle Autopsie) könnte das Skalpell schon bald ersetzen  – oder zumindest ergänzen. Der Schweizer Rechtsmediziner Michael Thali forscht bereits seit 20 Jahren an der Technik, die an der Uni Zürich inzwischen flächendeckend im Einsatz ist. »Bei uns

wird jede Leiche in den Automaten geschoben«, sagt Thali und meint damit den Computer-Tomographen, der die Virtopsy durchführt. Im Anschluss findet in 90 Prozent aller Fälle eine klassische Obduktion statt. Das bildgebende Verfahren sei sehr fortgeschritten, betont Thali. Schüsse etwa könne man bei der Virtopsy viel besser erkennen. Neben der Schweiz setzen inzwischen auch andere Länder wie Großbritannien, die USA oder Deutschland (Hamburg, Berlin, München) die Virtopsy teilweise ein. »Am Anfang schlug uns viel Ablehnung entgegen«, sagt Thali, »immerhin hat die Obduktion eine 2.000-jährige Tradition«. Inzwischen habe sich das Blatt aber gewendet – und die Zukunft liege ohnehin in der digitalen Autopsie. Steve Przybilla

»VIELE ÄRZTE SIND ÜBERFORDERT«

Foto: privat

Dr. Oliver Peschel (51), Facharzt für Rechtsmedizin an der LMU München, hat im Laufe seiner Karriere zwischen 6.000 und 8.000 Leichen untersucht. Er kritisiert, dass an Obduktionen gespart wird – und viele Verbrechen dadurch unentdeckt bleiben. Im »Tatort« wird jede Woche eine Lei- Warum wird in Deutschland so wenig obduziert? che seziert. Laufen echte Obduktio- In Deutschland muss bei jedem Verstorbenen eine Leichennen wirklich so ab wie im Fernsehen? schau durchgeführt werden. Das macht der Hausarzt oder

Dass wir zu einer Leiche gerufen werden, Klinikarzt, ggf. auch ein anderer Arzt, der gerade verfügbar ist die große Ausnahme. Meist werden ist – also mitunter auch ein Radiologe oder ein Augenarzt, wir im Obduktionssaal zum ersten Mal der seit dem Studium nichts mehr mit diesem Thema zu tun mit ihr konfrontiert. Die Kleidung wurde hatte. Viele Kollegen sind damit überfordert und erkennen die dann schon von der Polizei entfernt, um Anzeichen für ein Tötungsdelikt nicht. Dann wird häufig keine Spuren zu sichern. Die Obduktion müs- Obduktion angeordnet. sen immer mindestens zwei Ärzte durchführen – so sieht es das Gesetz vor. Auch ein Präparator und ein Polizeibeamter Vielleicht wollen die Krankenhäuser auch Geld sparen? sind dabei. Natürlich ist das auch eine Geldfrage. Eine Obduktion kostet zwischen 500 und 1.000 Euro. Angehörige können diesen Betrag auch selbst bezahlen, wenn sie auf einer Obduktion Wie läuft eine Obduktion ab? Die Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen werden geöffnet, die bestehen. Politiker machen gern einen großen Bogen um das Organe entnommen, gewogen und untersucht. Das Gehirn Thema, weil man sich daran leicht die Finger verbrennen kann. schneiden wir in Scheiben, die Herzkammern öffnen wir. All Ein Tötungsdelikt zu erkennen, einen Täter zu ermitteln und das dient dazu, Organveränderungen zu erkennen. Normaler- zu verurteilen kostet unsere Gesellschaft aber Geld, ohne dass weise dauert eine Obduktion etwa 45 Minuten. Bei komplexen sich die Frage nach finanzieller Rentabilität stellen darf. Fällen – zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall – können es Interview: Steve Przybilla auch mehrere Stunden werden.


Zur Kurzgeschichte »Strozeck, sen, »wer am längeren Hebel sitzt« (O-Ton) und dass Schmierek, Klackler und ich« die »Diktatur des Proletariats« (O-Ton) keine Chance in der Dezember-Ausgabe von hat. Meine letzte Ohrfeige von einem Lehrer aber Wolfram Hänel über teils hand- habe ich noch in der elften Klasse kassiert, als ich feste Erziehung an der han- in den Fahrradkeller gefahren bin, statt zu schieben. noverschen Leibnizschule der Aber keiner von uns hat es jemals gewagt, sich zur Sechziger Jahre. Wehr zu setzen. Ein Freund von mir hat es einmal so formuliert: »Ich habe an dieser Schule vom ersten bis zum letzten Tag immer nur Angst gehabt.« Ich will aber gerne und mit vollem Namen an dieser Ansehen beschmutzt Stelle auch die Lehrer benennen, die ich während Durch die volle Namensnennung in dem fiktionalen meiner Schulzeit zu schätzen gelernt habe – viele Text von Herrn Hänel liegt ein klarer Verstoß gegen sind es ohnehin nicht: vor allem Adolf Thielke, weidas Persönlichkeitsrecht von Frau Dr. Boger-Blümel terhin Dr. Dietrich Tergau sowie auch die Herren vor. Sie sollten dies in ihrer nächsten Ausgabe klar- Twele, Sander, Stillfried. Und womöglich gab es stellen und sich für die Verletzung des Persönlich- auch bei den Lehrern, die ich selber nie im Unterkeitsrechts von Dr. Boger-Blümel entschuldigen. Ich richt hatte, noch ein paar, die über jeden Verdacht kann mir nicht vorstellen, dass es Stil von Asphalt ist, erhaben sind. das Ansehen von Verstorbenen so in den Schmutz Wolfram Hänel, Schriftsteller zu ziehen. Zur Preiserhöhung Kurt Veith, Schulleiter der Leibnizschule Lieber Herr Veith, bei den fiktionalen Texten unserer Reihe »Lesebühne« lassen wir den Autoren ein großes Maß an künstlerischer Freiheit. Gleichzeitig nehmen wir vehementen Widerspruch in Kauf und veröffentlichen kritische Reaktionen unserer Leser, so beispielsweise schon in der Januar-Ausgabe. Mit der Nennung des realen Namens von Frau Dr. Boger-Blümel ist die Grenze der Fiktion überschritten. Darin stimmen wir mit Ihnen überein und bedauern die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Verstorbenen. Reent Stade, Asphalt-Geschäftsführer Ich entschuldige mich für die volle Namensnennung der Lehrerin. Ich hatte sie stellvertretend für das Verhalten anderer Kollegen respektive die zur beschriebenen Zeit an der Leibnizschule durchaus üblichen »Erziehungsmethoden« angeführt. Ich würde es jetzt allerdings auch für angemessen halten, wenn sich die heutige Schulleitung deutlich von den damaligen Zuständen distanziert. Wir wurden am Ohr durch die Gänge gezerrt, mit dem Taktstock auf die bloßen Hände geschlagen, mit dem Gesicht auf die Tischplatte gedrückt, mit dem Kopf gegen die Kreideablage der Tafel gestoßen – und wir wurden als Hornochse, Rindvieh und Kamel »aufgerufen«. Je älter wir wurden, desto weniger wurden die Schläge und umso perfider die Methoden, um uns zu bewei-

Preis okay, Vermittlung schlecht Der in der Februar-Ausgabe geäußerten Leser-Kritik zur Preiserhöhung schließen wir uns insoweit an, als wir uns vom Verkäufer, dem wir stets 2 Euro gegeben hatten, sagen lassen mussten, dass dieser Betrag nicht mehr ausreiche. Der Preis von 2,20 Euro erscheint uns jedoch angemessen. Insgesamt ist das Magazin von Anfang bis Ende lesenswert. Wir danken Ihnen für Ihr Engagement, wünschen Ihnen steigende Verkaufszahlen und freuen uns schon auf die nächste Ausgabe. Karin und Gerhard Schild, Burgwedel

Mehr Gewinn ist gut Gratuliere zur neuen Aufmachung! Das FebruarHeft sieht edel und großzügig aus. Auch dass die VerkäuferInnen jetzt mehr dabei gewinnnen, gefällt mir. Weitere gute Geschäfte wünsche ich allen Mitwirkenden. Dorothea Mohring, Hannover

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen.

ASPHALT 04/16

BRIEFE AN UNS

18 19


Foto: V. Macke

VOM ZAUBER DER MUSIK Außer zwischen 12 und 16 Uhr – dann haben die Instrumente zu schweigen. So zumindest sieht es ab dem kommenden Jahr die Verordnung »Allgemeinverfügung Straßenmusik in Hannover« für die Stadt vor. Samt Kontrollen und Bußgeldandrohung.


ASPHALT 04/16

Foto: M. Eickhorst

Mika am Mäntelhaus kennt das schon. Aus anderen Städten. Mancherorts wird viel kontrolliert, woanders müsse man viel bezahlen, um spielen zu dürfen. In Hannover, so meint der Mann am Akkordeon, sei das anders. Besser. Für ihn. Und für die Stimmung insgesamt. Geld fließe nicht viel, aber eben genug um weiterzumachen. Sagt’s und spielt wieder leise seine Weise aus Bulgarien, seiner Heimat. Die Akkordeonspieler aus Osteuropa, das Oboenquartett an der Marktkirche, die zottelhaarigen Gitarristen aus Göttingen: Sie sind jüngst öffentlich ins Gerede und mithin auf die Agenda der Politik geraten. Denn die Kaufleute der City haben gelegentlich Probleme mit ihnen. Sie finden die Musik zu schlecht. Manchmal zu laut. Manchmal zu eintönig. Die Musik passt nicht ins ausgetüftelte Konzept von Kundenführung: Ambiente, Lichteffekte, Düfte: all das ist in den Läden der City für teuer Geld aufeinander abgestimmt, um Kunden – für sie selbst unmerklich – zum Kaufen zu animieren. Auch Musik gehört in dieses Neuromarketing-Konzept. Selbst gewählte selbstverständlich. Nicht die von der Straße. Manche Kaufleute der City haben deshalb jüngst eine alte Debatte neu belebt. Wieviel Musik welcher Sorte verträgt eine City? Fragen sie und fordern mehr Kontrollen, Qualitätschecks und Ruhezeiten für Straßenmusiker. Erster Erfolg: Wer im kommenden Jahr Musik auf der Straße machen möchte, der braucht dazu eine Genehmigung der Stadt. Ohne diese läuft dann nichts mehr nichts. Und erst dann darf der oder die Musikerin ihr Instrument in die Hand nehmen und sich auf den Weg in die Gassen der Stadt machen. Allerdings nicht immer, nicht überall und mit jedem. So sieht die Verfügung vor, dass auf vielen Plätzen nur zwischen 10 bis 12 und 16 bis 18 Uhr musiziert werden darf. Angesichts der Tatsache, dass es in Hannover keine gesetzliche Mittagsruhe mehr gibt, wirkt die Verfügung aus der Zeit gefallen. Denkt man das weiter, dann soll es auf der lauten Straße mittags leiser sein als in der stillen Wohnung. Außerdem sollen die Musikanten jeweils nur eine halbe Stunde an einem Ort musizieren dürfen. Wirklich kontrolliert wurde auch das in der Vergangenheit wenig. Gleichwohl ist es als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt mit bis zu 5.000 Euro. Gebrauch hat die Stadt davon in der äußersten Form noch nie gemacht. 50 bis 150 Euro sind die durchschnittlichen Bußgelder, wenn sie überhaupt verhängt werden.

20 21

Mit dem Platzwechsel können die meisten Musiker noch leben. Wie Mika, und Bora und Ozan. Und auch Thomas Posth, Musikprofessor und Dirigent vom Orchester im Treppenhaus, das häufig an ungewöhnlichen Orten und eben auch auf Straßen und Plätzen ohne Vorankündigung auftritt, hat dafür »noch etwas« Verständnis. Dass nun aber auch gefordert wird, Musiker sollten künftig ein Casting durchlaufen, bevor sie auf die Straße dürfen macht ihn wütend. »Genau das soll doch ein Raum sein, in dem jeder sich präsentieren kann. Und das Publikum entscheidet, was es mag oder nicht. Das ist eine Freiheit, die unbedingt verteidigt werden muss. Sollen nur noch uniforme hochglanzpolierte Künstler auftreten dürfen, die zur uniformen hochglanzpolierten Innenstadt passen? Das wäre sehr schade!« Auch Für die Straßenmusiker Bora und Ozan, aus Köln zugewandert, ist der Quaslitätscheck eine unsinnige Idee: »Wer nichts kann, traut sich auch nicht auf die Straße.« Und verdient auch nichts. Marktwirtschaft halt. Im Kleinen wie im Großen. Volker Macke

Bora (21) und Ozan (25) sehen die Regelungen kritisch

Anzeige

Muss man hören: Hertzliches Hannover das Wohnungslosen-Magazin. Immer am 2. Montag im Monat, 17 Uhr. ... auf UKW 106.5 oder Kabel 102.5 und bei www.leinehertz.de


Das Fahrgastfernsehen. · Goethestraße 13 A · 30169 Hannover · (0511) 366 99 99 · redaktion@fahrgastfernsehen.de


Ich bin glücklich, in diesem Land, in dieser Zeit geboren zu sein, und dass ich lebe. Das ist nicht selbstverständlich. Dank des medizinischen Fortschritts kann ich mich künstlich ernähren, ohne diese Möglichkeit wäre ich schon viele Jahre tot. Ich bin dankbar, dass ich eine Mietwohnung habe; dankbar, dass ich im Winter nur an einem Knopf drehen muss, um nicht zu frieren; dankbar, dass mir jederzeit warmes oder kaltes Waser zur Verfügung steht. Das alles ist auch nicht selbstverständlich. Ich hätte in diesem Land geboren werden können, als hier Kriege geführt wurden, als es fließendes Wasser und all unsere heutigen Errungenschaften nicht gab. Oder in einem Land, wo Hunger und Elend herrschen. Ich kann nicht stolz darauf sein, dass Deutschland meine Heimat ist, denn das ist wahrlich nicht mein Verdienst. Aber ich kann dankbar dafür sein, in diesem Land leben zu dürfen. Und ich kann nicht das geringste Verständnis dafür aufbringen, dass sich viele Menschen nicht mal Gedanken darüber machen, wie anders es sie hätte treffen können. Ich weiß natürlich, dass auch in diesem Land viele Menschen genauso wenig wie ich auf der Sonnenseite geboren sind. Aber wie gesagt: Es hätte uns noch ganz anders treffen können. Ich jedenfalls möchte mit dem Leben keines einzigen Flüchtlings tauschen müssen. Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

ASPHALT 04/16

Das muss mal gesagt werden…

22 23


»EIN BISSCHEN LUFT ZUM ATMEN« Aus dem Leben: im Gespräch mit Asphalt-Verkäuferin Andrea. Andrea, du bist ein sehr kreativer Mensch, du gestaltest viel und malst Bilder. Seit wann machst du das? Inspiriert hat mich schon als junges Mädchen die Tochter einer Familie, bei der ich die Pferde reiten durfte. Dieses Mädchen war auf der Waldorfschule und hat sehr viel kreativ ge­a rbeitet. Davon war ich fasziniert. Diese junge Frau hat mich inspiriert. Ich hatte dort richtigen Familienanschluss, die hatten ein sehr offenes Haus. Auch zum Glauben habe ich durch diese Leute gefunden.

lang habe ich auch auf 400-Euro-Basis gearbeitet. Aber das ist ein relativ schwerer Job.

Wie ist es heute, als Asphalt-Verkäuferin? Durch Asphalt habe ich ein bisschen Luft zum Atmen. Manchmal kann ich mir dann etwas kaufen, was vielleicht ein bisschen teurer ist – ein Kissen zum Beispiel. Oder auch mal gutes Essen, von Edeka vielleicht. Man möchte nicht immer ganz unten sein, nicht immer an der Grasnarbe kratzen.

Was bedeutet dir dein Glauben?

Verkaufst du jeden Tag?

Sehr viel! Davon fühle ich mich immer wieder getröstet. Als ich so krank wurde, habe ich irgendwann gedacht: Nur noch Jesus kann mir helfen. Ich bin sogar mal mit jungen Christen mitgetrampt, in einem V W-Bus! Von denen ging so eine Wärme aus. Ich bin Losungschrist sozusagen: Ich lese jeden Morgen die Losungen. Oftmals bin ich so durcheinander, dass ich froh bin, so etwas wie einen Leitfaden zu haben. Das gibt mir Mut und Kraft.

Nein, das kann ich gar nicht. Das ist zu anstrengend für mich. Momentan verkaufe ich zweimal die Woche.

Von welcher Krankheit sprichst du? Ich bin psychisch krank und zu achtzig Prozent schwerbehindert. Seit dreißig Jahren lebe ich schon damit. Und seit zehn Jahren habe ich Verdacht auf MS. Das ist mal mehr, mal weniger stark. Das Schlimmste aber, was mich im Moment begleitet, ist mein Tinnitus.

Was du erzählst, hört sich so an, als ob jeder Tag deines Lebens eine Herausforderung wäre. Ja, so ist es auch. Manchmal habe ich Angstzustände, fühle mich verfolgt, träume oft schlecht. Es ist halt nie alles in Ordnung. Aber ich muss irgendwie überleben. Mit psychischen Krankheiten hast du auch einfach einen Stempel weg.

Wann und wie bist du zu Asphalt gekommen? 9 Jahre ist das her. Ich habe damals selber Asphalt gekauft und gelesen, dass immer Ehrenamtliche gesucht werden. Darauf habe ich mich gemeldet und wollte erst an der Runde der Ehrenamtlichen teilnehmen. Da ich Sozialhilfeempfängerin war, wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich das Magazin auch selber verkaufen darf.

Was hast du vorher gemacht? Ich war Floristin. Vor über dreißig Jahren habe ich das gelernt. Dekoration hat mich eben schon immer interessiert! Eine Zeit-

Kommst du beim Asphalt-Verkauf mit vielen Kunden ins Gespräch? Ja, mit sehr vielen. Das kommt oft auch von den Kunden. Manchmal muss ich die richtig bremsen und sagen: ›Ich kann mich nicht so lange unterhalten, ich will doch Asphalt verkaufen!‹ Aber ich merke daran eben auch: manche Menschen wollen einfach nur reden. Das Frustrierendste am Verkaufen ist allerdings, dass so viele Leute einfach vorbeigehen. Ich wünsche mir eigentlich mehr Kunden!

Und wie lebst du privat? Ich lebe ziemlich einsam. Ich habe im Grunde nur einen Freund – mit dem telefoniere ich jeden Tag. Und alle zwei Wochen treffen wir uns zum Essen. Meine Eltern sind jetzt 88. Zu meiner Schwester in Süddeutschland habe ich kaum Kontakt, die ist auch psychisch krank und lebt sogar im Heim. Und dann habe ich noch einen Bruder, der ist Ingenieur und läuft Marathon, der ist irgendwie fit geblieben. Einmal im Monat besuche ich meine Eltern, dann kochen wir etwas zusammen, meistens gibt es Fisch. Noch kommen die beiden mit ambulanter Pflege zurecht – ich weiß gar nicht, wie das werden soll, wenn meine Eltern richtig pflegebedürftig sind und sterben …

Wenn du mit drei Wörtern dein Leben beschreiben solltest, welche wären das? Einsam, verzweifelt und trotzdem nicht verlassen. Interview und Fotos: Jeanette Kießling


ASPHALT 04/16

24 25

Andrea verkauft in Hannover-Misburg, an Meyers Garten.


Alles Glück dieser Erde … Wenn Verkäuferinnen und Verkäufer von Asphalt auf Wesen wie Goliath und Zeus treffen, wird schon mal geschmust und die ein oder andere Zärtlichkeit ausgetauscht. So geschehen im Februar in Hannover, denn da stand ein Besuch bei der Reiterstaffel der Polizei Hannover an. Ein tolles Erlebnis für die, die dabei waren und sehr informativ: Bei der Stippvisite erfuhren die Verkäufer von Polizeioberkommissar Claas Bode, dass Pferde gegenüber Autos so einige Vorteile haben. Sie sind schnell und kommen in Ecken, wo ein Auto nicht hinkommt. Allerdings sind die Vierbeiner auch pflegeintensiver als ein PKW, denn sie sind Lebewesen und brauchen neben Futter auch viel Aufmerksamkeit. Von unseren Verkäufern gab es die auf jeden Fall. ME

Eine neue Perspektive Eigentlich verkauft er Reisen mit allem Drum und Dran in die ganze Welt, doch für einen Tag gingen bei Reiseverkehrskaufmann Manuel Rogall vom Reiseunternehmen TUI mal ganz andere Dinge über den Tresen: Rogall verkaufte Asphalt-Magazine an Asphalt-VerkäuferInnen. Manuel Rogall hat Anfang März bei dem Projekt »Seitenwechsel« mitgemacht, bei dem die Teilnehmer für einen Tag in ganz andere Lebensbereiche eintauchen können, mit denen sie sonst wenig bis gar nichts zu tun haben. Besonders aufschlussreich war für ihn dabei die Erkenntnis, dass hinter Asphalt mehr steckt, als er zuvor erwartet hatte: Neben Redaktion und Vertrieb wird auch viel soziale Arbeit geleistet, die den Verkäuferinnen und Verkäufern hilft, ihren Alltag besser zu bewältigen. Während seines Arbeitstages bei Asphalt traf Manuel Rogall (rechts im Bild) auch einen guten Bekannten: Asphalt-Verkäufer Martin verkauft das Magazin regelmäßig im Haupthaus der TUI. ME

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang! Asphalt zeigt Ihnen das andere Hannover. Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer führen Sie zu Orten, an denen Wohnungslose keine Randgruppe sind. Ein außergewöhnlicher Stadtrundgang – von ExpertInnen der Straße geführt! Nächster Termin: 29. April 2016, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstraße 3, 30161 Hannover. Bitte anmelden: 0511 – 30 12 69-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person. Gruppen vereinbaren bitte gesonderte Termine! Auf Nachfrage auch in englischer Sprache!

Foto: J. Kießling

Foto: C. Ahring

RUND UM ASPHALT


Wir haben aufgerufen, viele haben mitgemacht: Bis Ende März konnten sich von der Schülerband bis zu erfahrenen Bühnenprofis Musiker und Gruppen bei unserem Protestsong-Contest bewerben. Und das, was uns erreicht hat, verspricht einen tollen Abend am 13. Mai. Dann startet der Protestsong-Contest von Asphalt und der Hanns-Lilje-Stiftung im Kulturzentrum Pavillon in Hannover. Das Motto in diesem Jahr: Lebendig. Kräftig. Scharf. Aus den Einsendungen werden nun acht Bands ausgewählt, die dann Mitte Mai gegeneinander antreten. Zu der Jury gehören unter anderem die Soulsängerin Tokunbo Akinro und der Gitarrist Christof Stein-Schneider. Am Abend selbst entscheidet dann das Publikum über die drei Gewinner. Für den ersten Platz winken 500 Euro, 200 Euro für den zweiten und 100 Euro für den dritten. Als besondere musikalische Gäste werden dann die Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder auftreten. ME

Impressum

Herausgeber: Prof. Dr. Heiko Geiling, Hanna Legatis, Rainer Müller-Brandes

Gründungsherausgeber: Walter Lampe

26

Redaktion: Volker Macke (Leitung), Mark Eickhorst, Jeanette Kießling, Renate Schwarzbauer

27

Geschäftsführer: Reent Stade

Fotografin: Karin Powser

Freie Mitarbeit dieser Ausgabe: K. Powser, S. Przybilla, B. Pütter, L. Stegner, W. Stelljes, E. WalitzekSchmidtko, J. Weigel, K. Zempel-Bley

Anzeigen: Heike Meyer

Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter)

Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Als Top-Act mit dabei: Wingenfelder.

Herstellung: eindruck, Hannover

Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 25.000

Asphalt erscheint monatlich.

gesucht – gefunden Verkäufer Detlev: Suche einen vollständigen und funktionstüchtigen Langhaarschneider. [V-Nr. 733] Kontakt: 01525 – 159 89 52. Verkäufer Mario: Suche Laptop oder PC und eine Stereoanlage. [V-Nr. 1970] Kontakt: 0157 – 55 43 35 09. Verkäuferin Cordula: Suche Wollreste Stärke 3, einen Rollator mit Rückenlehne und einen Laptop. [V-Nr. 1683] Kontakt: 0177 – 749 29 54.

ASPHALT 04/16

Protestsong-Contest im Mai

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 17. März 2016

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde.

Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger


Freches Fellknäuel Am 17. Februar wurde das Hulman-Äffchen geboren und noch immer ist das Geschlecht nicht gewiss. Dabei ist das Kleine mit den Segelohren und dem rosafarbenen Knautschgesicht ganz und gar kein Klammeraffe. Es klettert frech und unermüdlich auf Mutter Sariska herum und schafft es dabei doch, den Tierpflegern den Blick aufs wesentliche Detail zu verwehren. Selbst während des »Hulman-Hütchen-Spiels« konnte die Männlein-Weiblein-Frage nicht geklärt werden. Jedes Familienmitglied möchte das Baby gerne einmal halten und so wird das Jungtier weitergereicht, wie eine Kugel beim Hütchenspiel. Als Beobachter muss man schon ganz genau hinschauen, um das kleine Fellknäuel nicht aus den Augen zu verlieren. Vater Kochi lässt der ganze Trubel um das Neugeborene kalt. Als ranghöchstes Mitglied der Gruppe ist er für die Sicherheit und nicht für die Jungtieraufzucht verantwortlich. Hulman-Languren, auch Hanuman-Languren genannt, gelten in Indien als heilig. Laut Nationalepos »Ramayana« wurde Sita, die Frau des Gottes Rama, vom Dämonenfürsten Ravana entführt. Affengott Hanuman brach nach Sri Lanka auf, um Sita aus den Fängen Ravanas zu befreien. Dabei zündete er die Stadt Lanka an und verbrannte sich Gesicht, Hände und Füße. Die Rettungstat glückte und Rama war so dankbar, dass er Hanuman die Unsterblichkeit verlieh. Hulman-Languren gelten als Nachfahren des heldenhaften Affengotts und tragen mit ihren schwarzen Gesichtern, Händen und Füßen noch immer die Spuren der Befreiung Sitas zur Schau.

Möchten Sie die Hulman-Affen im Zoo Hannover gern persönlich besuchen? Dann beantworten Sie uns einfach folgende Frage: Von wem wurde Sita entführt? Schicken Sie uns eine Postkarte, eine E-Mail oder ein Fax mit Ihrer Antwort und dem Stichwort »Zoo« bis zum 30. April 2016 an: Asphalt-Redaktion, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover, gewinne@asphalt-magazin.de, Fax: 0511 – 30 12 69-15. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück! Die Lösung unseres letzten Zoo-Rätsels lautete: 5,5 Tonnen.

Anzeige

Helm auf, Lampe an, „Glück auf“ Tauchen Sie ein in die 300-jährige Geschichte des Deisterbergbaus! Nach einer Fahrt mit der Grubenbahn setzen Sie den Weg zu Fuß fort. Der Besucherführer demonstriert Ihnen an vielen Stationen das ehemals gefährliche Handwerk des Bergmanns. Der Lärm der Drucklufthämmer, Schüttelrutschen oder Wurfschaufellader hallt durch den Stollen. Blicke in labyrinthartige Gänge lassen erschauern. Aber keine Angst! Nach zwei Stunden Bergbau-Erlebnis kommen Sie zurück ans Tageslicht. Sind Sie bereit für dieses Abenteuer? Anmeldung: Montag bis Freitag von 9.30 Uhr bis 12.30 Uhr unter 05105 514187. Es werden festes Schuhwerk und warme Bekleidung benötigt. Preise: Erwachsene 10 €, Kinder 4 €, Jugendliche 5 € Weitere Informationen erhalten Sie telefonisch oder unter www.klosterstollen.de

iel

Foto: Zoo Hannover

Gewinnsp

Asphalt verlost 10 x 2 Karten für den Zoo Hannover!


ASPHALT 04/16

Foto: Barbara Brosch/privat

28 29

GEMEINSAM, NICHT EINSAM Allein leben? In einem anonymen Wohnblock, wo niemand den anderen kennt? Oder in einem Haus auf dem Land, das nach dem Auszug der Kinder viel zu groß geworden ist? Vor allem viele Frauen möchten anders leben: eigenständig, aber sozial eingebunden in einer Gemeinschaft: Zu Besuch bei Beginen in Niedersachsen und Bremen. Beginenhöfe erleben eine Renaissance: In Deutschland gibt es inzwischen wieder mehr als 20 Projekte und Initiativen, vier davon in Niedersachsen und Bremen. Namensgeber sind die Beginen-Gemeinschaften, die seit dem 12. und 13. Jahrhundert in vielen europäischen Ländern entstanden. Die religiösen Wohn- und Wirtschaftsgemein-

schaften waren im Mittelalter und der frühen Neuzeit für Frauen oft die einzige Alternative zur Ehe oder zum Klosterleben. In Beginenhöfen oder -häusern lebten alleinstehende Frauen aus verschiedenen sozialen Schichten zusammen und führten ein relativ selbstständiges Leben. Die Beginen verdienten ihren Unterhalt selbst, meist durch soziale Aufgaben


Foto: E. Walitzek-Schmidtko

Foto: Karsten Klama

Moderne Gemeinschaft: Irmtraut Suhr wohnt im Beginenhof in Bremen

Steht heute noch: Der Beginenturm in Hannover.

wie Krankenpflege, Armenhilfe, Sterbebegleitung und Totendienste, aber auch als Lehrerinnen oder (Textil-)Handwerkerinnen. Religion spielte in den Gemeinschaften immer eine wichtige Rolle, die Beginen gehörten jedoch zu keinem Orden, leisteten kein lebenslanges Gelübde und konnten ihre Konvente auch wieder verlassen. Beginengemeinschaften von heute sind so bunt und vielfältig wie die Frauen, die in ihnen leben: in eigenen Wohnungen, aber gemeinsam mit anderen. Die Bewohnerinnen bestimmen die Regeln ihres Zusammenlebens selbst. Manchmal entwickeln sich Projekte allerdings anders als

geplant – das weiß Irmtraut Suhr aus Erfahrung. Sie ist Mitbegründerin des Beginenhofs in Bremen  – eines der ersten modernen Beginenprojekte in Deutschland und Vorzeigeprojekt bei der Expo im Jahr 2000 in Hannover. Um ihre Idee vom gemeinsamen Wohnen und Arbeiten zu verwirklichen, gründeten die Frauen eine Genossenschaft. In der Bremer Neustadt entstanden 85 Wohnungen mit 30 bis 100 Quadratmetern Wohnfläche – je ein Drittel als Eigentums-, freie Miet- und Sozialwohnungen; 2001 zogen die ersten Frauen ein. »Die Lage ist optimal«, sagt Irmtraut Suhr. »Bis zur Innenstadt und bis zur Weser ist es nicht weit.« Die Wohnungen sind bei Frauen sehr begehrt, es gibt mittlerweile eine Warteliste. Trotz des großen Interesses musste die Genossenschaft 2001 Insolvenz anmelden – auch weil zugesagte Fördergelder ausblieben. Der Plan, alle Wohnungen an Frauen zu verkaufen, scheiterte: Vielen Interessentinnen fehlte das nötige Geld. So erwarb eine Wohnungsbaugesellschaft 65 Wohnungen – und vermietet nun auch an Ehepaare und Männer. Deshalb wohnen jetzt neben rund 100 Frauen auch etwa zehn Männer dort. Trotzdem unterscheidet sich der Beginen­hof von üblichen Wohnanlagen: Der Kontakt der Frauen untereinander geht über den üblichen

Beginen in Hannover In Hannover erinnert nur noch der Beginenturm in der Altstadt an die Beginen, die vom 13. bis zum 16. Jahrhundert in der Stadt lebten und wirkten, seit dem 14. Jahrhundert in einem Haus mit großem Grundstück am Leineufer. Nach der Reformation wurde die Zahl der Süsteren, wie sie in Hannover genannt wurden, auf 20 begrenzt; sie verließen zunächst das gemeinsame Haus, dann löste sich die Gemeinschaft ganz auf. Den nach ihnen benannten Turm nutzten die Beginen übrigens nie  – »de nye Torn« wurde ab 1357 ursprünglich im Garten der Beginen errichtet, war Teil der Stadtbefestigung und diente Anfang des 16. Jahrhunderts zeitweise als Gefängnis. Informationen über Beginenprojekte in Deutschland: www.dachverband-der-beginen.de


Investoren gesucht Das meint auch Marion Pagel-Eule von der »Beginen-Initiative an Ems und Wiecken«. Ziel der Initiative ist es, in Westoverledingen, Papenburg, Leer, Rhauderfehn und dem Rheiderland Beginenkonvente zu gründen. Das Interesse am gemeinschaftlichen Wohnen ist auch im ländlichen Ostfriesland groß. Auf der Suche nach einem geeigneten Haus wurden die Frauen fündig: In der Seniorenresidenz Papenburg konnte der Beginenverein mehrere Wohnungen anmieten – Anfang 2010 zogen die ersten fünf Frauen in das in der Nähe des Stadtzentrums gelegene Haus. Die Wohnungen sind 45 bis 90 Quadratmeter groß. Außerdem gehört ein Gemeinschaftsraum zum Projekt. Die älteste Begine ist derzeit 82 Jahre alt, die jüngste Mitte 40. »Das Projekt ist auch für alleinerziehende Frauen interessant: Kinder sind gern gesehen und werden bei Bedarf auch bei Hausaufgaben unterstützt«, betont Marion Pagel-Eule, die sich selbst »ButenBegine« nennt: Sie engagiert sich für das Projekt, will aber selbst nicht einziehen, weil sie verheiratet ist. Männerbesuche sind im Beginen-Konvent – anders als in früheren Zeiten – natürlich jederzeit möglich. Wenn eine Frau mit einem Partner aber dauerhaft zusammenziehen möchte, muss sie sich eine Wohnung außerhalb des Hofes suchen. Die Initiative plant noch weitere Projekte. So suchen einige Frauen einen geeigneten Bauernhof, andere wollen einen Beginenhof in Leer gründen. Ein Grundstück gibt es bereits, doch es ist nicht leicht, Investoren für erschwingliche Wohnungen zu finden. Ähnlich ist die Situation in Norden/Ostfriesland: »Wir brauchen kleine Wohnungen, gefördert im sozialen Wohnungsbau. Viele Frauen können sich keine großen Wohnungen leisten. Außerdem sind Gemeinschaftsräume und Gästezimmer vorgesehen«, beschreibt Jakoba Kuhlmann das vom Verein »Beginen van’t Diek« erarbeitete Konzept. Wann die Pläne realisiert werden können, ist unklar, doch schon die Planungen haben sich positiv ausgewirkt: »Es hat sich eine Frauengemeinschaft gefunden, die sich regelmäßig trifft, gemeinsam etwas unternimmt und sich gegenseitig hilft«, erzählt sie. Im ehemaligen Benediktinerinnenkloster Malgarten bei Bramsche/ Landkreis Osnabrück besteht seit einigen Jahren eine kleine Beginengemeinschaft: Zwei Frauen leben ständig in einem Nebengebäude des Klosters, vier weitere Frauen gehören zum »Freundinnenkreis«: Sie haben Ferien­z immer auf der Beginenetage gemietet und unterstützen das

ASPHALT 04/16

Projekt inhaltlich, organisatorisch und finanziell. »Wir haben viele Gemeinschaftsflächen«, erklärt Barbara Brosch, die Initiatorin des Projekts. »In anderen Beginenprojekten sind die Wohnungen zentral – bei uns ist es umgekehrt: Jede hat eine kleine eigene Wohnung. Als Gemeinschaftsraum dient das FachwerkBeginenhäuschen, außerdem gibt es eine Wohnküche mit Kaminofen. Wir führen einen gemeinsamen Haushalt und essen in der Regel gemeinsam.« In ihren Gärten bauen die Beginen Gemüse und Kartoffeln selbst an. »Wir wollen so ökologisch, naturnah und einfach wie möglich leben. Wir sind naturverbunden, feministisch und spirituell.« Die kleine Gemeinschaft will dazu beitragen, die Frauenkultur zu stärken und die Beginen-Idee zu verbreiten. So organisiert Barbara Brosch regelmäßig Workshops, Seminare und Reisen für interessierte Frauen. Eva Walitzek-Schmidtko

30 31

Anzeige

Unsere Mieter wohnen

VOLL ENTSPANNT

Wir haben mehr als 13.000 Wohnungen in Hannover – und begeisterte Mieter. Zum Beispiel, weil wir bei Bedarf sofort zur Stelle sind. Unsere Objekte sind top modernisiert, attraktiv und energiesparend. Für Singles, Paare, Familien und Senioren. In allen Größen und vielen Stadtgebieten.

www.gbh-hannover.de

creativteam.com

Smalltalk zwischen Nachbarn hinaus. Die Bewohnerinnen treffen sich zum Frühstück oder zu Spielenachmittagen im Gemeinschaftsraum, sie spielen Theater, meditieren und musizieren gemeinsam. Es gibt eine Liste mit allen Telefonnummern, eine hauseigene Zeitung – und einen Geschenke-Keller für nützliche Dinge, die andere Bewohnerinnen noch brauchen könnten. »Manche Frauen teilen sich ein Nahverkehrsticket, andere einen Schrebergarten«, erzählt Irmtraut Suhr. »Es ist wie ein Dorf in der Stadt, eine Art Wahlverwandtschaft. Wir kennen uns, leben mit­ einander und kümmern uns umeinander – alles auf freiwilliger Basis. Es müsste mehr solcher Projekte geben!«


DIE LESEBÜHNE – KURZGESCHICHTE IN ASPHALT

Der Tütenmann

von Johannes Weigel

N E U L I C H

fuhr ich mit Paul mit der S-Bahn in die indem er sich langsam und missmutig an den Reißverschluss Stadt, umsteigen. Paul ist sieben Jahre, alt genug seines Parkas fasste. Nun ist es so, dass mit einer Monatsum vorauszugehen und sich einen Platz seiner Wahl karte des Großraumverkehrs Hannover, wie ich sie aus meiauszusuchen. Die beiden prall gefüllten Pfandfla- nem Portemonnaie zog, am Wochenende drei Kinder und schentüten bemerkte er nicht, für den Unterschied ein Erwachsener mitfahren können. Allerdings nur, wenn sie zwischen gewöhnlichem Müll und wertvollem zusammengehören, was Kontrolleure grundsätzlich zu hinLeergut hat man mit sieben nicht so den Blick. Ich terfragen getrimmt werden. »Nur sie beide?« fragte die Kartenvermisste den Pfandf laschensammler zur Pfand- knipserin also. Ich schüttelte den Kopf und machte eine Geste, flaschensammlung, aber da sich mein Sohn schon die den Mann einschließen sollte. Ich wusste nicht, ob er eine gesetzt hatte, teilten wir uns eben den Vierer mit der Fahrkarte hatte, aber so sollte es jedenfalls kein Problem geben. »Ich frag nur, weil er sich so an den Kragen gefasst hat …«, wertvollen Plastikware. Der Tütenbesitzer ließ sich Zeit, bis er ankam schob sie noch nach, in meine Richtung. Der Mann ließ den und den Platz neben seinen Wertstoffen einnahm. Reißverschluss seines Kragens los und ich zuckte nur mit den Seinen feindseligen Blick nahm ich hin. Paul achtete Schultern. Was sollte ich dazu schon sagen: »Fahrgäste, die nicht darauf. Auch nicht auf den fiesen Tabakgeruch sich an den Kragen fassen, sind als Selbstfahrer zu betrachdes Mannes, der offenbar eine Nikotinpause auf ten? Das habe ich in den Beförderungsbedingungen gar nicht der Zugtoilette eingenommen hatte. Kindern sind gefunden!«. Als wir in den Hauptbahnhof einfuhren, zog ich meine Gerüche egal, und solange Paul jetzt nicht plötzlich mal musste, kam ich damit klar. Angespannt Jacke an und half Paul mit seiner. Ich nahm Rucksack, Koffer war ich trotzdem, was soll ich sagen, aber das Miss- und Reisetasche zur Hand und beeilte mich, den Platz freizumachen, um endlich aus dem kalten Tabakdunst zu kommen. trauen beruhte bestimmt auf Gegenseitigkeit. Eine Kontrolleurin durchbrach unsere halbge- Außerdem wollte ich nicht der letzte an der Tür sein, in Gedanmütliche Dreisamkeit, indem sie nach den Fahr- ken bei dem wieder mal zu knapp kalkulierten Anschlusszug, ausweisen fragte. Der Flaschensammler reagierte, den wir bekommen wollten.


ASPHALT 04/16

Fotos: V. Macke

32 33

Die Durchsage hatte bereits auf die Lücke zwischen Zug und Bahnsteigkante hingewiesen, als der Flaschensammler zwei Wörter sprach. Zwei Wörter, die auf den Gegenstand in seiner Hand hinwiesen, den ich in der Eile des Zusammenpackens offenbar auf dem Sitz hatte liegenlassen: »Ihr Geld!« Schweiß perlte auf meiner Stirn, als mir der Flaschensammler mein Portemonnaie überreichte. Es war ziemlich prall gefüllt, wenngleich hauptsächlich mit Fünfern, so dass ich es nach der Kontrolle nicht mehr in meine Hosentasche hatte zurückstecken wollen. Aus der Jacke war es dann wohl beim Aufstehen auf den Sitz gerutscht. »Danke!« sagte ich und sah den Mann zum ersten Mal richtig an, nicht nur beiläufig aus den Augenwinkeln. Er sah fertig aus, seine Augen waren so rot wie seine Haare weiß, und mit seinen Bartstoppeln hätte man einen Küchentisch abschleifen können. Aber er lächelte. Er freute sich darüber, sich revanchiert zu haben, darüber, dass er kein Almosen hatte annehmen müssen, vielleicht auch darüber, dass er gerade etwas Gutes hatte tun können. Als wir die Bahn verlassen hatten, warf ich beiläufig einen Blick in das Portemonnaie. Misstrauen sitzt tief. Auch wenn es manchmal bescheuert ist. Ich kam nicht dazu, darüber nachzudenken, warum und wieso das so ist, wie es ist, da ich mit meinem Sohn an der Hand zu Gleis 3 flitzen musste, wo

hoffentlich der Anschlusszug wartete. Wenn dieser wie üblich ein, zwei Minuten Verspätung hatte, hatten wir eine Chance, ihn zu erreichen.

Johannes Weigel, 1971 in Gunzenhausen  – irgendwo in Franken – geboren, ist seit 20 Jahren in und um Hannover zuhause. 2007 hat er die Lesebühne »nachtbarden« im Theater am Küchengarten (TAK) in Hannover-Linden mitgegründet, schreibt »über den Wahnsinn des Alltags«. Fortan regelmäßig auf und hinter der Bühne präsent. Jeden dritten Dienstag im Monat. Wenn er nicht schreibt oder liest, ist er Geograf und kümmert sich um die Anbindung von Windparks ans Stromnetz.


BUCHTIPPS Von wegen grün Kathrin Hartmann ist wütend. Akribisch hat sie für ihr neues Buch recherchiert, dort, wo die Kollateralschäden unseres »grünen« Nachhaltigkeits-Kapitalismus entstehen. In den gerodeten Regenwäldern Borneos, wo auf endlosen Plantagen Palmöl für unseren Bio-Diesel und Bio-Tütensuppen produziert wird. Oder in zerstörten Mangrovenwäldern Bangladeschs, wo Naturland zertifizierte Bio-Garnelen »anbaut«. Auf 400 Seiten zählt sie die Zerstörungen, die Enteignungen und Menschenrechtsverletzungen der »Green Economy« auf. Einer Ideologie, die Wachstum mit »Ablass« verbindet: Hunderte Ökosiegel als Kaufargumente für ein gutes Gewissen. Wo die Zweifel zu laut werden, helfen Gefälligkeitsgutachten. Fazit: Den eigenen verschwenderischen Lebensstil mit Nach­ haltigkeits-Siegeln ethisch zu rechtfertigen, misslingt. Denn der Rohstoffhunger des grünen Kapitalismus’ setzt immer neue Zerstörungen in Gang. BP Kathrin Hartmann · Aus kontrolliertem Raubbau · Blessing · 18,99 Euro

Denken lassen Eine geschmeidige Begriffsklärung zu Beginn: »Algorithmen sind Kunstwerke der Faulheit«. Zum Planeten dieser seltsamen Wesen, ohne die im digitalen Zeitalter nichts mehr geht (obwohl sie natürlich viel älter sind), hat der Mathematiker Sebastian Stiller einen geradezu verblüffenden Reiseführer geschrieben. Wir Laien raunen von Algorithmen, wenn es um Suchmaschinen, Datensicherheit und Überwachung, letztlich um (digitale) Komplexität geht. Der mahnende Untertitel »Versteht sie, bevor sie euch verstehen« holt uns bei genau diesen diffusen Ängsten ab und ist doch ein Etikettenschwindel. Stillers Buch ist eine geradezu lustvolle Tour, mitreißend und handfest geschrieben. Es geht um die Frage, warum Autos nicht mehr als sieben Sitze haben sollten, um das Teilen von Kuchen, um Fortpflanzung, Rubbellose oder um Leonardo da Vincis Überlegungen zum Malen von Bäumen. Nach 250 Seiten, die bei aller Klarheit fast im Plauderton daherkommen, fühlt man sich gleichermaßen unterhalten und eine ganze Ecke schlauer. BP Sebastian Stiller · Planet der Algorithmen · Knaus · 14,99 Euro

Ein Polizeichef für Klarheit Der Braunschweiger Kripo-Chef Ulf Küch erklärt in »Soko Asyl«, wie seine Polizei 2015 angesichts der vielen Geflüchteten in der Stadt reagiert hat: Mit dem Erfassen und dem Bekämpfen von, sowie dem Informieren über Kriminalität. Klingt banal? Ist es eigentlich auch. Genauso wie die Befunde: »Der Anteil von Kriminellen, die mit den Flüchtlingen nach Deutschland eingereist sind, ist prozentual nicht höher als der Anteil von Kriminellen in der deutschen Bevölkerung.« Ulf Küch ist eher ein Hardliner – genau deshalb gefällt die Unaufgeregtheit des Buches, das sich nicht mit Ressentiments und gefühlten Wahrheiten aufhalten will. Küch sagt, wie´s ist. Und so verweist »Soko Asyl« in erster Linie auf das flächendeckende Scheitern von Politik und Verwaltungen, einfach vernünftig darüber zu sprechen, was sich ändert und was nicht, wenn Neue kommen. BP Ulf Küch · Soko Asyl · Riva · 16,99 Euro


Kino

Theater

»Wir Wunderkinder«

Götter, Glocken, Gläubige

Ehrlichkeit zahlt sich bekanntlich aus, aber für Hans scheint das nicht zu gelten: Obwohl er stets brav und fleißig ist, hat sein verschlagener, selbstsüchtiger Klassenkamerad Bruno die besseren Karten. Während des Dritten Reichs verliert Hans mangels brauner Gesinnung seinen Job als Feuilletonredakteur, während Bruno auf die Moral pfeift und es sich als hohes Tier in der Partei gutgehen lässt. Auch nach dem Krieg schafft es Bruno mal wieder, das Schicksal zu seinen Gunsten zu lenken. Die Besatzer halten ihn für unentbehrlich und schnell steigt er zum angesehenen Geschäftsmann auf. Doch dann macht sich Hans daran, einen Artikel über Brunos braune Vergangenheit zu schreiben. 7.4., 15 Uhr, Kommunales Kino Hannover, Sophienstraße 2, Hannover. Eintritt: 7,50 Euro, ermäßigt 5,50 Euro (inklusive Kaffee und Gebäck).

Wer beim Thema regionale Sagen und Legenden an trockene Heimatkunde denkt, wird aufs Vergnüglichste eines Besseren belehrt. Denn es ist so einiges los in der »norddütschen Deipebene«: Ratlose germanische Götter, liebestolle Glocken, lebensfrohe Baumeister und zahlreiche weitere skurrile Gestalten tummeln sich in der Gegend rund um Hannover. Christiane Hess (Foto) spielt sie gleich alle und schlüpft dabei in mehr als 30 verschiedene Rollen – ohne Requisiten oder aufwändiges Bühnenbild. Der Theaterabend richtet sich gleichermaßen an Erwachsene und Jugendliche ab neun Jahren. 8.4, 19 Uhr, Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Georgengarten, Hannover. Eintritt: 15 Euro, ermäßigt 12 Euro.

Filmfestival »Arbeiten 4.0« Vom 7. bis 13. April findet das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierte Filmfestival »Arbeiten 4.0« statt. Gezeigt werden das crossmediale Filmprojekt »Deine Arbeit, dein Leben!« des WDR über den deutschen Arbeitsalltag (7.4., 20 Uhr), die Dokumentation »Silicon Wadi« über die israelische Startup-Nation (8.4., 20.15 Uhr), der niederländische Dokumentarfilm »Ik ben Alice« über Pflege-Roboter (9.4., 17.30 Uhr), der französische Dokumentarfilm »Mein wunderbarer Arbeitsplatz« über innovative Arbeitsplatzkonzepte (9.4., 20.15 Uhr), die USDokus »Please Subscribe« über YouTuber (11.4., 20.15 Uhr) und »Print The Legend« über 3-D-Druck (12.4., 17.30 Uhr) sowie die deutsche Dokumentation »Digitale Nomaden – Deutschland zieht aus« (13.4., 20.15 Uhr). Zu allen Filmvorführungen sind renommierte Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eingeladen. 7. bis 13.4., Kommunales Kino Hannover, Sophienstraße 2, Hannover. Eintritt frei.

ASPHALT 04/16

KULTURTIPPS

34 35


Musik im Dritten Reich Um die Jahreswende 1937/38 wurde die musikalische Vielfalt im Dritten Reich »zum Schutz des Deutschen Kulturlebens« in starkem Maße eingeschränkt. Die Reichsmusikkammer unter Goebbels bezeichnete die von der offiziellen Linie abweichende oder von jüdischen Komponisten komponierte Musik als »entartet«. Sie galt als »undeutsch, dekadent, als Nigger- und Zigeunermusik«. Elena Kondraschowa (Violine) und Stella Perevalova (Klavier) haben sich dieser zu großen Teilen vergessenen Musik angenommen und ein Programm zusammengestellt, das einerseits während der NS-Zeit verfemte Stücke einschließt und andererseits Werke nach 1945 behandelt, die unter dem NaziRegime noch als »entartete« Musik verbannt worden wären. 10.4., 11.30 Uhr, Gedenkstätte Ahlem, Heisterbergallee 10, Hannover. Eintritt frei.

Monsters of Liedermaching

Musik Rantanplan und Wisecräcker Rantanplan (Foto) aus St. Pauli gehören zu Deutschlands Vorreitern, wenn es um intelligenten Ska-Punk geht. Abseits des Mainstreams kreiert die Hamburger Rotlichtformation seit 1995 konsensfähige Musik zum Spaßhaben und Gutfühlen, drängt ihren Anspruch dabei aber niemandem auf. Wisecräcker aus Hannover servieren seit 1996 internationalen Ska-Punk auf Spanisch, Englisch und Deutsch. Die sieben Musiker trumpfen dabei mit einer Mischung aus fetten Gitarrenriffs und furiosem Partyblech­ gebläse auf und scheren sich auch nach 20 Jahren Bandgeschichte weder um Sprach- noch um Stilbarrieren. 29.4., 20.30 Uhr, Kulturfabrik Löseke, Langer Garten 1, Hildesheim. Eintritt: 12 Euro (VVK), 14 Euro (AK), ermäßigt 9,30 Euro (VVK), 11 Euro (AK).

Wenn Burger (»Die Schröders«), Fred Timm (Ex-»Norbert und die Feiglinge«), Labörnski, Rüdiger Bierhorst, Pensen und Tottovic Kalkül die Bühne stürmen, ist beste Unterhaltung garantiert. Monsters of Liedermaching steht für die ultimative Verbindung zwischen der Kraft von Rock’n’Roll und hoher lyrischer Qualität – stilecht präsentiert auf der klassischen Wandergitarre. Seit dreizehn Jahren lässt das Sextett aus Hamburg den grauen Alltag vergessen und präsentiert auf seiner aktuellen Tour das brandneue Album »Wiedersehen Macht Freude«. 15.4., 20 Uhr, Pavillon, Lister Meile 4, Hannover. Eintritt: 23 Euro VVK, 25 Euro AK, erm. 20 Euro, mit Hannover-AktivPass (nur bei Ticketerwerb vor Ort) 11,50 VVK, 12,50 Euro AK.

Kinder Alles Familie Ab wann ist eine Familie eine Familie? Was unterscheidet heutige Familien von denen früherer Zeiten? Was sind Regenbogenfamilien? Warum ist es manchmal toll und manchmal blöd, eine Schwester zu haben? Und wie schafft es Jakob, wenigstens einmal alle Patchwork-Familienmitglieder zu einem Foto zusammenzukriegen? Von all diesen Fragen handelt das Theaterstück »Alles Familie« nach dem Roman von Alexandra Maxeiner und Anke Kuhl, das für Kinder ab sechs Jahren geeignet ist. 14.4., 15 Uhr, Theater für Niedersachsen, Theaterstraße 6, Hildesheim. Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 5 Euro.


ASPHALT 04/16

Anzeige

Ausstellung Fotografie trifft Malerei Sie scheinen einen zu beobachten, zu hinterfragen, anzuklagen. Die Bilder von Susanne Salzbrunn fordern einen auf, zu kommunizieren und einzu­ treten in ein unwirkliches Szenario. Sie wirken wie Seelenlandschaften oder wie versteckte Seelenzustände. Dynamisch gesetzte Farbspuren treffen auf menschliche Fragmente der Ausgangsfotografien. Die neu formulierte Formensprache hebt dabei die Einteilung in Kategorien wie »Fotografie« oder »Malerei« auf. Die Vernissage findet am 8. April um 19.30 Uhr statt. Zur Finnisage am 23. April spielt mcddavid ab 20 Uhr »HiddenFantasien«. 8. bis 23.4, donnerstags und freitags 16 bis 19 Uhr, samstags und sonntags 15 bis 18 Uhr, konnektor – Forum für Künste, Kötnerholzweg 11, Hannover. Eintritt frei.

Literatur »Die Fettlöserin« Der Spiegel sagte, sie sei fett. Die Waage sagte: Bitte nicht in Gruppen aufsteigen! Nicole Jäger war Mitte 20, sah unmöglich aus und fühlte sich schrecklich. Im Krankenhaus sagte man ihr, ihr Gewicht läge bei weit über 340 Kilogramm. Seitdem hat sie über 160 Kilo abgenommen und ist noch lange nicht am Ziel. Nicole Jäger will zeigen, dass es eben doch geht: ohne Operationen, ohne zu hungern, ohne dauerhaften Verzicht, ohne Pillen, dafür aber mit Sport, Ernährung, Wissen, Aufklärung und viel Ehrlichkeit. Davon erzählt sie mit einer großen Portion Humor in ihrem auto­ biographischen Buch »Die Fettlöserin«. Veranstaltet wird die Lesung von der Buchhandlung Leuenhagen & Paris. 14.4., 19.30 Uhr, Apostelkirche, Gretchenstraße 55, Hannover. Eintritt: 10 Euro

36 Am Lindener Berge 38 30449 Hannover Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

April 2016 Freitag, 1.4. CHARENÉE WADE Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Samstag, 2.4. TAD ROBINSON & ALEX SCHULTZ Eintritt: 20 Euro, keine Ermäßigung Freitag, 8.4. FRIEDRICH LIECHTENSTEIN Karten: 20 Euro, keine Ermäßigung Freitag, 15.4. JULIA KADEL TRIO Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Mittwoch, 20.4. BRÖTZMANN-SWELL-NILSSON-LOVE Eintritt: 20 Euro, ermäßigt 15 Euro Sonntag, 24.4. 50 JAHRE JAZZ CLUB HANNOVER Feier ab 16 Uhr im und um den Club Samstag 30.4. GABY MORENO zum UNESCO JAZZ DAY 2016 Eintritt: 20 Euro

Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

37


IHR ENGAGEMENT

Ja, ich unterstütze das Asphalt-Projekt!

Machen Sie mit!

Ich übernehme eine Patenschaft für das Straßenmagazin, indem ich es mit

An jedem letzten Dienstag im Monat trifft sich die Runde der Ehren­­amtlichen in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstal­tungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäufe­ rin­n en und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen – und ich freue mich, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten!

dieser Summe fördere:

Euro

einmalig

monatlich

vierteljährlich

halbjährlich

Dieser Betrag soll zur Deckung der laufenden Kosten und zum weiteren Ausbau des Projekts verwendet werden.

Ich bitte Sie, den Betrag von meinem Konto abzubuchen*:

IBAN: BIC:

Ich überweise den Betrag regelmäßig auf Ihr untenstehendes Konto.

Bitte Spendenquittung zustellen

Name/Vorname:

Das nächste Treffen ist am Dienstag, 26. April 2016, um 17 Uhr.

Straße/Hausnr.: PLZ/Ort:

Rufen Sie mich einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-26.

E-Mail (falls vorh.): Ort, Datum Einfach per Post oder Fax an: Redaktion Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Fax: 0511 – 30 12 69-15

Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE35520604100000602230 BIC: GENODEF1EK1 Gläubiger-ID: DE32ZZZ00000959499

* SEPA-Lastschriftmandat: Ich/Wir ermächtigen die Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebs­g esellschaft mbH Zahlungen von unserem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein/weisen wir unser Kreditinstitut an, die von Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH gezogenen Lastschriften einzulösen. Hinweis: Ich kann/Wir können innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungs­d atum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem/ unserem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.

Herzlichst, Ihr Reent Stade, AsphaltGeschäftsführer

Asphalt dankt: L.-P. + S. Gall, B. Klueter, K. Mildenstein, B. + Dr. L. Boehme, N. + U. Weger, C. Roth, M. v. Ulmann, J. Baehre, G. + M. Tobiaschek, H. Weber-Hielscher, I. + E. Huebner, A. Mueller, H. Pape, R. Bolduan, E. Olbrich, B. Schanklies, M. Kehrbach, E. Venzke, U. Kugel, M. + U. Kasten, I. Ochs, S. Pust, E. Goerlitz, C. Schroedter, G. Reinecke, H. + A. Gaedtke, M. Hederich, C. Fabarius-Clauss, A. Cramm, M. Wegener, H. Weihrauch, G. Kruse, J. Heise, I. + P. Boeer, J. + S. Richter, K. + G. Niedersberg, A. Bohlmann, M. Metze, K. Kayser, H. Grams, E. + H. Arend, M. Stiller, K. Muehlena, A.-L. + E. Godzierz, E. Tenge, E. Schwarz, B. Heibel-Garms, C. Semmler, U. Deppe, Dr. H. + H. Martin, H. Zimmermann, H. Zacher, A. Golder, E. Rheinlaender, R. Stanschus, H. Christiansen, D. Rump, B. + K.-H. Flemme, H. Grimpe, G. Kroening, L. Eberlein, S. Ebeling  +  M. Rossmann, H. Badt, L. Boeswetter, E. Taschowsky, R. Koenig, I. + K. Mevius, A. Priesner, W. Grussendorf, C. Thaeter, H. Seusing, H. + J. Lyda, M. Kruse, B. Almstedt, U. Beyse, E. + K. Taudien, U. Wolf-Peltzer, C. Kayser, A. Jaeger-Reinicke, E. Roske, S. Neuschulz, M. Wolny, I. Busse, M. Dessauer, D. + G. Knott, B. + H. Cnyrim, G. + H. Rust, H. + E. Kolberg, E.-M. Schumacher, M. Arndt, H. Heim, G. Betting, K. Stahn, M. Burdack, G. Olthoff, V. Groben, I. Grote, T. + C. Urbons, H. Renners, R. v. Poser, H.-J. Kopischke, K.-D. Bonk, H. + R. Heidorn, C. Zacharias, K. Singer, R. + H. Schwitzer, R. Srocka, M. Knoener, A. Dwenger, J. Peterlein, E.-M. Tykwer, J. + G. Kluss, I. Mehrmann, W. + I. Hill, Verkäuferausweise M.-L. Richter, R. Kindt-Hoffmann, E.-M. Dieckmann, U. + W. Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei Ver­käuferInnen Firnhaber, A. Credner, B. Seelaff, C.-A. Bitter, K.-H. Eichbaum, mit gültigem Aus­weis! H. Berlich-Schaefer, U. Riskowski, E. Rose sowie allen anonymen Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Hellblau Spendern und allen Asphalt-Patinnen und -Paten.


Aus den nachfolgenden Silben sind 21 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben (Achtung: ch = 1 Buchstabe) – jeweils von oben nach unten gelesen – einen Spruch von Anton Tschechow ergeben: an – ber – bio – brei – chro – dank – das – de – der – ei – ein – emi – ent ern – flie – flo – gen – ger – hal – he – idi – in – ini – ka – kno – lei – lie loh – me – milch – na – na – ne – ne – nen – ner – no – om – pau – rett rou – ru – rung – se – sel – son – te – ten – ten – ter – ti – ti – ti – ti – tia trei – un – ve – wan – watt

– – – –

1. Spaziergang im Meer bei Niedrigwasser 2. Alltagstrott 3. durch Übung erworbene Fähigkeit 4. Schmarotzerinsekten 5. besondere Mundart 6. eine Arbeit bezahlen 7. Mädchenname 8. Anfang einer Aktion

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir viermal den neuen Jugendroman »Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen« von Erfolgsautorin Mirjam Pressler. Das Glück kam bislang nur selten zu der zwölfjährigen Halinka, die seit Jahren im Kinderheim lebt. Was vor dieser Zeit war, erzählt sie nicht. Sie hat keine Freunde und will auch keine – am liebsten spielt sie allein auf dem Speicher. Halinka weiß aber: Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen … Dreimal haben wir den brisanten Krimi »Opferfläche« von Eva Karnofsky für Sie: Nach mehreren Jahren als Auslandskorrespondentin gerät die ehrgeizige Journalistin Karola Krauss in ihrer Heimat am Niederrhein in die Schusslinie von Großkonzernen und Regierungen. Die Geschichte ist hochaktuell und politisch – es geht um die stark umstrittene Gasbohrmethode »Fracking«. Ebenfalls dreimal verlosen wir Thomas Krauses »Männerkochschule«. Mit einfachen Rezepten ohne Schnickschnack, dafür mit besten Zutaten und kleinen Raffinessen will er die Männer an den Herd locken: Geballtes Kochwissen für Männer mit Geschmack.

9. Tierrasse 10. Hauptkörper unseres Planetensystems 11. Mittel bei Infektionskrankheiten 12. Krankenkost 13. Verschlingung von Fäden 14. Vorschriften befolgen 15. Bewohner eines asiatischen Subkontinents 16. Helfer bei der Jagd 17. Fechtsportgerät

Die Lösung des März-Rätsels lautete: Nur die Liebe zur Wahrheit schafft Wunder. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de Einsendeschluss: 30. April 2016. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht!

18. Stadt in Nordrhein-Westfalen 19. kirchliches Fest im Oktober 20. Arbeitsunterbrechung 21. Präzisionsuhr

ASPHALT 04/16

SILBENRÄTSEL

38 39


Kaufen Sie das

Kurzstrecken Ticket jetzt online.

Mobil mit KurzstreckenTicket

Mobiler ist jetzt noch flexibler Wenn der Rückweg ganz spontan doch zu weit ist: Das KurzstreckenTicket jetzt auch unterwegs im Mobilitätsshop buchen und die kurzen Wege in der Region Hannover noch bequemer und einfacher zurücklegen.

gvh.de


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.