2017 03 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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DER LEGALE VERSUCH DURCHGESETZT

Cannabis als Medizin – erlaubt, aber kaum verfügbar.

AUSGEGRENZT

Armut als Stigma – Solidarität nicht in Sicht.

ABGEBREMST

Tempo 30 als Leitlinie – Sicherheit vor Eile.


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Notizblock

6 Angespitzt 7

Nicht allein

Armut treibt die Menschen in die Vereinze­ lung. Wir brauchen eine solidarische Kultur, sagt der Sozialpsychologe Heiner Keupp.

10 Der lange Weg in die Legalität

Cannabis ist Droge und Heilmittel zugleich. Das hat der Gesetzgeber jetzt anerkannt. Und tut sich dennoch schwer damit.

14 Wer war eigentlich …? 15 Briefe an uns 16 Interview mit dem Tod

Der Sensenmann spricht über sein Bühnen­ programm, Imageprobleme und seine Verbundenheit zu Hannover.

20 Abgebremst

Keine Toten, keine Schwerverletzten mehr im Straßenverkehr. Das will Hannovers Grünenchef Daniel Gardemin erreichen. Blitzgeräte gehören für ihn dazu.

22 Aus der Szene 23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben

von Asphalt-Verkäufer Ha-Jo.

26 Meine Worte

Texte aus der Asphalt-Schreibwerkstatt.

28 Rund um Asphalt 31 Kommunen auf dem Land

Gemeinsam wohnen, wirtschaften und feiern.

34 Buchtipps 35 März-Tipps 38 Impressum/Ihr Engagement 39 Silbenrätsel

Titelfoto: jirkaejc/123rf

Das Asphalt-Prinzip

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn gewor­ fen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung.


entspannen Sie sich – dieses Mal geht es in Asphalt um Cannabis. Genau, um diese vielblättrige Pflanze, die, geraucht oder gegessen, einen sanften Rausch und entspannende Wirkung verspricht. Ich höre Ihre Bedenken: Einstiegsdroge, löst Psychosen aus und treibt ganze Generationen in die Apathie. All’ das ist nicht bewiesen. Aber Sie haben Recht, internationale Forschungen beschäftigen sich seit langem intensiv mit den Auswirkungen von Cannabis auf Körper und Seele und weisen auf bestimmte Gefahren hin. Vor allem jedoch fanden sie heraus, dass die Hanfpflanze (lat. Cannabis) Menschen durchaus helfen kann. Schwerkranken zum Beispiel. Solchen, bei denen andere Medikamente gegen starke Schmerzen oder gegen Angstzustände nicht mehr wirken. Sie sollen Cannabis jetzt auf Rezept bekommen. Für MS-Patienten kann das erleichternd sein, für Aidskranke, auch Tourrette-Patienten erfahren eine Milderung ihrer gefürchteten Tics. Ein Rauschmittel wie Cannabis als Medizin ist übrigens keine Ausnahme. Viele unserer Medikamente basieren auf natürlichen oder synthetischen Drogen. Schon bei Kindern geht das los. Hyperaktive bekommen Ritalin, damit sie sich nicht länger ablenken lassen, sondern sich konzentrieren. Ritalin gilt als Betäubungsmittel. Oder all die Schlaf- und Beruhigungstabletten, die Erwachsene nehmen. Die Stimmungsaufheller und Wachmacher, die Schmerzmittel auf Morphinbasis – sie alle beeinflussen wie jede Droge das Zentrale Nervensystem, können Abhängigkeit hervorrufen und wirken bei jedem Menschen anders. Genauso ist es bei Cannabis. Es kann emotional gelassen, sogar lustig und euphorisch machen, aber derjenige, dessen Seele gerade belastet ist, wird auch das stärker spüren. Und wer zu Psychosen neigt, bei dem können diese schneller ausgelöst werden. Gefährlich ist Cannabis deshalb für Jugendliche, deren psychische Strukturen sich in der Pubertät häufig in Aufruhr befinden – aber eine Flasche Wodka wäre für sie ja auch nicht gesundheitsfördernd. Cannabis straffrei als Medizin einsetzen zu können – das ist gut. Aber nur ein erster Schritt. Auch über Cannabis als Genussmittel müssen wir neu nachdenken. Denn wer abhängig davon ist, braucht Hilfe, keine Strafe.

Ihre

Hanna Legatis · Mitherausgeberin von Asphalt

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

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Foto: Wiebke Dördrechter/dpa

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Mehr junge Wohnungslose Osnabrück/Oldenburg. Die Zahl der wohnungs­ losen Menschen unter 27 Jahren wächst rasant. Das geht aus einer Stichtagserhebung der Zentralen Beratungsstelle (ZBS) Niedersachsen hervor. Am 31. Oktober 2016 nahmen demnach 336 junge Menschen die Angebote der Wohnungslosenhilfe zwischen Osnabrück und Küste in Anspruch. »Damit war jeder dritte Hilfe­suchende an diesem Tag unter 27 Jahre alt«, so Mark Brockmann von der ZBS Westniedersachsen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 48 Prozent. Insgesamt wurden 2016 deutlich mehr Menschen gezählt als im Vorjahr. Am Stichtag nutzten 1.033 Personen die Angebote der Wohnungslosenhilfe, 2015 waren es 848. Von den 1033 waren 860 Menschen aktuell wohnungslos, 173 Personen waren von Wohnungslosigkeit bedroht oder lebten in unzumutbaren Wohnverhältnissen. »Und das ist nur eine Momentaufnahme«, hebt Brockmann hervor. »Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. Viele Menschen nehmen aus Scham gar keine Hilfe in Anspruch und fallen deshalb durchs Raster.« Gezählt wurde in niedrigschwelligen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe wie in Übernachtungsstellen der Wohlfahrtspflege, Tagesaufenthalten und Beratungsstellen. Der Erhebung zufolge hat der überwiegende Teil der erfassten Menschen die deutsche Staats­a ngehörigkeit. Der Anteil der ausländischen Hilfesuchenden liegt bei 22,7 Prozent. MAC

Behinderte mehr mittendrin Hannover. Mit einem umfangreichen Aktionsplan will das Land die Inklusion behinderter Menschen fördern. Darunter gezielte Bauförderung für mehr barrierefreien Wohnraum und die Unterstützung von Arbeitgebern bei der Einstellung behinderter Menschen. Das Land selbst geht voran und macht die Prüfung, ob geeignete behinderte Bewerber für die einzelnen Stelle zur Verfügung stehen, jeder Behörde zur Pflicht. Zudem sollen der Öffentliche Personennahverkehr barrierefreier und öffentliche Veranstaltungen bedarfsgerecht mit Rampen, FMAnlagen, Schrift- und Gebärdendolmetschern und Behinderten-WCs ausgestattet werden. »Wir beseitigen Barrieren auf ganz unterschiedlichen Feldern. Für Menschen mit Behinderungen soll die volle Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, in der Bildung und am Arbeitsmarkt selbstverständlich sein«, so Sozialministerin Cornelia Rundt. In Niedersachsen leben etwa 1,34 Millionen Menschen mit Behinderungen. Das ist etwa jeder sechste. Behinderten- und Sozial­verbände lobten den Aktionsplan als »Aufschlag«, »großen Schritt« und »richtige Richtung«. MAC

Elektronik für Gefährder Hannover. Um so genannte Gefährder von An­­ schlägen abzuhalten, sollen ausgewählte Personen in Niedersachsen künftig mittels Fußfesseln überwacht werden. Auch ohne zuvor kriminell geworden zu sein. Das haben jetzt Innenminister Boris Pistorius (SPD) und Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) mitgeteilt. So soll die elektronische Fußfessel zunächst für sechs Monate gelten, auf Antrag könne die Überwachung aber verlängert werden. Zwar könne ein Anschlag mithilfe der Fußfessel nicht verhindert werden, so der Innen­m inister. Sie sei als Teil eines Maßnahmen­ pakets aber geeignet, um Gefahren zu reduzieren. Als Rechtsgrundlage soll künftig der Begriff der »terroristischen Straftat« eingeführt werden. Anordnen könne die Fußfessel allein die Polizei, wer sich Willkür ausgesetzt sehe, könne die Gerichte anrufen, so die Justizministerin. Datenschützern reicht das nicht. Mindestens müsse ein Richter die Anordnung der Fußfessel genehmigen, kritisierten sie. MAC


Hannover. Lärm und Luftverschmutzung reduzieren, Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen: Das will das Land Niedersachsen mit Einführung von Tempo 30 auch auf innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen erreichen. In einem Modellversuch mit einer Laufzeit von drei Jahren soll auf einzelnen Strecken in Kommunen unterschiedlicher Größe getestet werden, ob mit der Reduzierung der Geschwindigkeit die Ziele erreicht werden können. Eine flächendeckende Anordnung von Tempo 30 oder die generelle Absenkung der innerörtlichen Richtgeschwindigkeit stünden nach Auskunft des Verkehrs­m inisteriums nicht im Fokus. »Mit diesem Modellversuch untersuchen wir erstmals, welche Effekte Tempo-30-Strecken tatsächlich auf den Verkehrslärm, die Luftreinhaltung und den Verkehrsfluss haben«, so Staatssekretärin Daniela Behrens. Daneben sollen auch die Akzeptanz der Geschwindigkeitsreduzierung, Auswirkungen auf den Fuß- und Radverkehr und auch den ÖPNV untersucht werden. »Wir brauchen als nächsten Schritt Kommunen, die intensiv am Thema mitarbeiten und den Kriterien genügen.« Die Opposition schäumt. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, Jörg Bode, hält die Pläne für Symbolpolitik. Man brauche »Grüne Wellen« statt »Gängelung der Menschen«. MAC

Hannover. Die niedersächsische Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) fordert einen Systemwechsel in Sachen Kinderarmut. Jedes fünfte Kind zwischen Ems und Elbe gilt als armutsgefährdet, über 190.000 Kinder beziehen Sozialleistungen nach dem SGB II. Bundesweit sind es sogar knapp zwei Millionen. Regelmäßige Erhöhungen des Hartz-IV-Satzes ändern nichts an der Misere. Rundt will deshalb eine Kindergrundsicherung in Deutschland einführen. Die Sozialministerin führt dazu eine Arbeitsgruppe der Bundesländer an. »Ein solch tiefgreifender Systemwechsel mit Auswirkungen auf das Steuer­recht, das Zivilrecht im Bereich der Unterhaltsansprüche, sowie auf alle Sozialleistungen, in denen Einkommen des Kindes berücksichtigt werden, erfordert Abstimmungen mit vielen Beteiligten«, sagte die Ministerin. Es gibt unterschiedliche Modelle zu einer solchen Grundsicherung. Von Sozialverbänden, Elternorganisationen und Parteien. Gemeinsam ist allen, dass Beträge um rund 400 Euro pro Kind unabhängig vom Einkommen der Eltern jedem Kind ohne Antrag gewährt würden. »Wir brauchen Mut, überzeugende Strategien und einen langen Atem, um dieses Ziel zu erreichen«, so Rundt im Niedersächsischen Landtagsplenum. MAC

680 aktive Salafisten zählt der Ver­

Anzeige

fassungsschutz in Niedersachsen aktuell. Tendenz steigend – vor 2 Jahren waren es noch 420, 2014

noch 330 Salafisten.

Rund 50 der 680 gelten als gewalt- bzw. terror­ bereit. 77 Islamisten sind zuletzt nach Syrien und Irak ausgereist. Darunter 6 Minderjährige. Die Mehrheit der Ausgereisten ist zwischen

20 und 30 Jahren alt. Rund 150 mal

gab es in Niedersachsen Koranverteilaktionen auf öffentlichen Plätzen.

Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

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Grundsicherung für Kinder?

ZAHLENSPIEGEL »EXTREMISMUS«

Auf Hauptstraßen Tempo 30

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ANGESPITZT

Furchen und Falten, die Stirn ganz kraus. Tief eingegraben haben sich da Jammern und Hadern. Solche Leute kennt doch jeder. Sie doch auch. Und wenn es beim Blick in den eigenen Spiegel ist. Das Unglück steht uns allen beizeiten ins Gesicht geschrieben. Doch das muss nicht sein. Botox hilft. Hat die Wissenschaft festgestellt. Botox, ach, das ist doch ein alter Hut, denken Sie jetzt womöglich. Macht Falten glatter, aber das Gesicht zur Maske. Reine Kosmetik. Das Unglück aber, das sitzt doch tiefer. Doch nein, die Medizinische Hochschule kam unlängst mit verblüffender Erkenntnis um die Ecke. Botox tut nicht nur glücklicher, es macht glücklich. Allein weil das Nervengift Stirnrunzeln verhindert. In einer Studie an depres­ siven Patienten wurde Botox in die Stirnen gespritzt und siehe da: 60 Pro­ zent der Probanden berichteten hernach von einer deutlichen Besserung der Symptome. Warum das so ist? »In dem Moment, wo sich ein Gedanke körperlich ausdrückt, bekommt er Gewicht. Er wird buchstäblich leibhaftig. Wenn ich also negative Gedanken habe, die überwiegend über die Stirn ausgedrückt werden, wird das Gefühl groß und wichtig«, so die Wissen­ schaft. Wenn Botox die Stirn lähmt, lähme es das Problem quasi gleich mit. Welch ungeahnte Möglichkeiten: Schluss mit langwierigen und teuren

»ENDLICH GLÜCKLICH«

Psychotherapien. Ein Stich, zehn Minuten warten, 150 Euro. Und schon sind zwei von drei Problemen nicht mehr zu spüren. Wenn das leere Konto, die Pfändung, die Stromsperre kaum Auswege lassen – ein Stich, und schon macht die Kälte und Dunkelheit der Wohnung nichts mehr aus. Das sind doch gut angelegte finanzielle Restbestände. Und wenn die Familie uns dennoch verlässt, Botox hilft: Wir sind zwar einsam, doch mangels Stirnfalte ist das wunderbar egal, weil eben so gar nicht leibhaftig. Vergesst Marx, Buddha, Biokost und freie Liebe. Ein Leben ohne Sorgen voller Glätte und Glanz ist möglich, man muss es halt nur zu spritzen wissen. Volker Macke


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Foto: W. G. Allgoewer/dpa

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NICHT ALLEIN Armut macht krank. Sie schädigt nicht nur die von Armut Betroffenen an Körper und Psyche, Armut zieht auch die Gesellschaft in Mitleidenschaft, die sie zulässt. Der Sozialstaat versprach den Menschen Sicherheit. Doch mit Hartz IV ist das soziale Netz für viele Menschen zur Falle geworden. Trotz guter Wirtschaftslage. Das wirke sich nicht nur auf die Armen aus, sagt der renommierte Sozialpsychologe Prof. Dr. Heiner Keupp. In weiten Teilen der Gesellschaft sei heute die Angst vor dem sozialen Abstieg zu spüren.

Sie sprechen von wachsender Angst in einem reichen Land wie Deutschland. Ist das nicht übertrieben?

schaft in den vergangenen dreißig, vierzig Jahren haben das Vertraute in Frage gestellt. Die Menschen erleben heute, dass man ganz schnell aus einem gesicherten Status abrutschen kann. Daraus entstehen Ängste, die ein gefährliches Potenzial bilden können. Das zeigt sich vor allem bei Menschen aus der Mittelschicht, die sich zuvor recht sicher fühlen konnten. Davon profitieren nicht zuletzt die Rechtspopulisten.

Die Mittelschicht hat Angst vor dem Abstieg, doch was ist

Es gibt in diesem reichen Land tatsächlich ein hohes Angst­ mit den prekär Beschäftigten und den Hartz-IV-Beziepotenzial, das lässt sich empirisch belegen. Obwohl es vielen hern? Die sind schon weit abgerutscht. doch so gut geht. Die Angst kommt von der Unsicherheit; viele Aber bei dieser Gruppe ist das Ohnmachtsgefühl besonders Entwicklungen der globalisierten, kapitalistischen Gesell- stark ausgeprägt. Weil unsere Gesellschaft nicht mehr darü-


Foto: W. G. Allgoewer/dpa

aus Südosteuropa, die als Bettler auf der Straße erkennbar sind. Ich habe Studierende gehabt in München, die mir gesagt haben: »Unsere Uni ist mitten im schönen Schwabing, ich habe Hemmungen, da überhaupt noch spazieren zu gehen, weil ich mit meinen Klamotten da nicht hinpasse.«

Macht diese Unsichtbarkeit der Armut es für die Betroffenen schwieriger, sich zu wehren?

Heute kann sich kaum noch jemand sicher fühlen. Bedürf­ tige stehen bei einer Essensausgabe an.

ber redet, dass Menschen unverschuldet in Not geraten können. Wenn auf einmal die Arbeitsplätze fehlen, die nach Rumänien oder irgendwoanders hin verlagert wurden, entstehen strukturelle Defizite, die Menschen erleben sie aber als ihre persönliche Schuld oder ihr persönliches Versagen. Und die Ideologen des Neoliberalismus bestärken das auch noch nach dem Motto: Jeder ist seines Glückes Schmied. Das was du nicht hingekriegt hast, das hast du selbst verbockt.

Sie sprechen von einer Siegerkultur, über Niederlagen rede man nicht mehr … Von den Amerikanern kennen wir das schon länger, die reden nur über die Gewinner. Inzwischen hat sich das auch in Deutschland immer stärker durchgesetzt. Man sagt immer seltener: »Ich bräuchte eigentlich mal Deine Hilfe, Deine Unterstützung.« Eher erzählt man sich, was man alles Tolles geleistet hat. Das ist ein Teil dieser Gewinnerkultur, die in unseren Alltag eingedrungen ist. Dagegen bräuchten wir eine Art Resonanzkultur, in der man sagt: »Mensch, ich höre Dir zu! Vielleicht habe ich eine Idee, wie Du das besser machen kannst.« Aber diese Geschichten werden nicht mehr erzählt.

Von Armut betroffene Menschen thematisieren ihre soziale Lage nicht mehr? Es gibt viel versteckte Armut: In manchen Städten sehe ich überhaupt keine Armen. Und wenn, dann sind es Menschen

Man braucht immer Mitstreiter, Leute, die sagen: »Mensch, mir geht es genauso!« Das ist ja eine wichtige Erfahrung, sich in seiner Not nicht mehr alleingelassen zu fühlen. Und sich ein Beispiel an jenen nehmen zu können, die einen guten Weg für sich gefunden haben. Die größte Gefahr für diese Gesellschaft, die immer stärker individualisiert wird, liegt darin, dass diese ganz grundlegenden Solidaritätserfahrungen nicht mehr gemacht werden. In den vergangenen vier Jahren habe ich mich mit dem Missbrauch in Eliteschulen – dem Kloster Ettal, der Odenwaldschule – beschäftigt. Dort haben sich ehemalige Schüler zusammengefunden und sagen: »Wir haben Dinge erlebt, die dürfen nicht weiterhin verschwiegen werden. Wir gehen damit an die Öffentlichkeit.« Dort, wo Menschen von ihren Erfahrungen zusammengeführt werden, entsteht eine große Kraft.

Sie sagten »diese Gesellschaft, die immer stärker individualisiert wird«. Wer oder was treibt das voran? Es dürfte schwer werden, da einen Täter zu benennen. Heute lösen sich die traditionellen Milieus zunehmend auf. Ursächlich ist jedenfalls der kapitalistische Konkurrenzdruck. In allen denkbaren Bereichen bis hin zur Partnerwahl, man ist heute ständig Konkurrent von irgendjemand. So wird es ja auch vermittelt: Du musst dich durchsetzen, Du musst der Bessere sein. Das fördert eine immer stärkere strategische


Wohin wird das führen, wenn sich immer mehr Menschen mit der Armut abfinden? Inzwischen zeigt sich in der Mitte der Gesellschaft ein Auflösungsprozess. Und die Gefahr ist, dass sich da Viele in ihrer Angst von den Rechtspopulisten abholen lassen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, hier klare Gegenpositionen zu formulieren und ich glaube, wir müssen das vor allem von unten her denken: Wie kann man Menschen in den Kommunen, in den verschiedenen Initiativen und Projekten stärken und aus der Opferrolle wieder herausbringen. Wir müssen die Menschen dazu ermutigen, Gegenstrategien zu entwickeln.

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Haltung der Menschen: Wie kann ich mein Kapital auf der persönlichen Ebene mehren, im Sozialen, im ökonomischen Bereich.

weitgehend verloren hat. Gerade in einer Gesellschaft wie der unsrigen. Wir müssen die Solidarität für die Armen bis in die Mittelschicht hineintragen, damit die Menschen dort auch sehen, dass inzwischen kaum noch einer in Sicherheit ist. Heute können viele Menschen die Leiter runterrutschen und bei Hartz IV ankommen. Und das, obwohl sie dreißig Jahre gearbeitet haben. Da muss man vor allem auch die SPD in die Pflicht nehmen, die diesen Prozess ja auf den Weg gebracht hat. Interview: Andreas Düllick

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Aber wie kann man Menschen, die ganz unten sind, dazu befähigen, sich zu wehren?

Das scheint jedoch die Ausnahme zu sein. Von Alg II-Empfängern hört man sonst wenig … Sie haben ja Recht, so ist momentan die Situation. Es gibt eine Umfrage vom Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer, die hat mich sehr erschreckt: 61,2 Prozent der Deutschen meinen demnach, dass Alg IIEmpfänger Menschen sind, die nicht arbeiten wollen, die lieber auf der faulen Haut liegen. Das zeigt: Es gibt eine unheimlich große Stigmatisierung dieser Menschen. Aber wir haben ja auch Beispiele wie die »Krüppelbewegung«. Die haben ihr Stigma als Ausgangspunkt zum Handeln genommen und sind damit relativ erfolgreich gewesen. Oder die Schwulen-Bewegung. Ich denke, dass man gerade in den Sozialinstitutionen die Menschen auch stärker vernetzen muss und sie auch ermutigen muss, z. B. mal in das kommunale Parlament hineinzugehen und zu sagen: »Wisst Ihr eigentlich, das wir hier Bürger dieser Stadt, dieser Gemeinde sind? Warum kommen wir in Eurer Politik eigentlich nicht vor?« Aber dann muss es natürlich auch über den lokalen Raum hinausgehen – in die große Politik hinein.

Muss es den Menschen erst noch schlechter gehen, bevor sie für ihre Rechte streiten? Das war schon früher ein klassischer Fehler, anzunehmen, dass die Menschen erst aufbegehren, wenn sie ganz, ganz unten angekommen sind. Ich glaube, dass man dann seine kämpferischen Energien schon

Foto: Andreas Gebert/dpa

Ein konkretes Beispiel: In Offenburg gibt es eine ganz tolle Obdach­ loseninitiative. Sie hat inzwischen auch auf der europäischen Ebene eine Stimme. Da haben sich Menschen mit ganz dramatischen Biografien zusammengefunden, die oft einen guten Start ins Leben hatten, dann aber abgestürzt sind wegen Krankheit oder weil die Familie ausein­ andergebrochen ist. Da gibt es einen Kollegen, der ganz bewusst gesagt hat: »Leute, wir müssen gemeinsam gegen diese Verhältnisse kämpfen!« Und das ist erfolgreich, diese Menschen trauen sich heute was, sie reden sehr differenziert über ihre Erfahrungen und auch über das, was not­ wendig ist.

Dr. Heiner Keupp ist Mitglied der vom deutschen Bundestag beschlossenen Unabhängigen Kommission zur Aufarbei­ tung sexuellen Missbrauchs und Autor zahlreicher Fachbücher, z. B. »Soziale Netzwerke« (1987); »Der Mensch als sozi­ ales Wesen« (1998); »Identitätskonstruk­ tionen« (2006); »Armut und Exklusion.« (2010); »Erschöpfende Arbeit« (2010); »Der Alterskraftunternehmer« (2015) und »Reflexive Sozialpsychologie« (2016).


Foto: Sebastian Gollnow/dpa

LANGER WEG ZUR LEGALITÄT Ein neues Gesetz legalisiert Cannabis als Medizin. Ärzte können nun Patienten ein Rezept für Medizinalhanf ausstellen – und die Krankenkassen sollen das in der Regel bezahlen. Für Menschen mit schweren Erkrankungen, denen Cannabis Linderung bringt, ist das ein Hoffnungsschimmer. Viel mehr aber noch nicht. Der Deutsche Bundestag hat am 19. Januar ein Gesetz verab- Das Bundesver wa ltungsgericht urteilte im Ja hr 2005: schiedet, das die Verwendung von Cannabis für medizinische Wenn andere Arzneimittel nicht helfen, dann muss der Staat Zwecke legalisiert. Das Gesetz tritt zum ersten März in Kraft. im Einzelfall Cannabis verfügbar machen. Es dauerte jedoch Eine gute Nachricht für Menschen, die an schweren Erkran- noch zwölf Jahre, bis endlich ein Gesetz dazu beschlossen kungen oder chronischen Schmerzen leiden. Denn Cannabis wurde. »Schwerkranke Menschen müssen bestmöglich veroder Medikamente auf Cannabis-Basis verschaffen vielen Lin- sorgt werden«, sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe derung, denen sonst kein Medikament hilft. Und doch stehen (CDU) bei der Verabschiedung. Die Krankenkassen dürfen die neu beschlossene Kostenübernahme nur in begründeten Aushinter dieser Nachricht noch viele Fragezeichen.


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Fotos (2): Gerd Schild

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Daniel Bruns ist auf Cannabis angewiesen, aber der Nach­

»Ein Totalversagen der Politik«, klagt Rechtsanwalt Jürgen Scholz an.

schub ist nicht gesichert. »Erbärmlich« sei das, meint er.

nahmefällen ablehnen. Und doch blicken Patien- Auch wer bislang eine Ausnahmegenehmigung bekommen ten wie Daniel Bruns mit Misstrauen auf das neue hatte, muss sich nun vor einer Erstverschreibung durch den Gesetz. Bruns hat aktuell als einer von 1.020 Men- Arzt einen Antrag auf Kostenübernahme von der Krankenschen in Deutschland eine Ausnahmegenehmi- kasse bewilligen lassen. gung. Diese läuft drei Monate nach Inkrafttreten Patienten, die künftig Cannabis auf Rezept bekommen, verdes Gesetzes aus. Bis dahin muss er sich nun einen pflichten sich, an einer Begleitforschung teilzunehmen. Prof. Arzt suchen, der ihm auf einem Betäubungsmit- Dr. Kirsten Müller-Vahl hat die Sorge, dass manche Ärzte von telrezept Cannabis verschreibt. Daniel Bruns hat Verordnungen Abstand nehmen, weil sie Daten erheben und Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und eine Sozialphobie. »Wenn ich heute Morgen übermitteln müssen. Müller-Vahl forscht an der Medizininichts geraucht hätte, wäre ich jetzt nicht hier zum schen Hochschule Hannover seit mehr als 20 Jahren zur WirGespräch – ich wäre gar nicht aus dem Bett rausge- kung von medizinischem Cannabis bei Tourette-Patienten. kommen«, sagt er beim Gespräch in einem Café in »Cannabis ist kein Wundermittel«, sagt sie. Man wisse aber, der Innenstadt. dass es im menschlichen Körper ein Cannabinoidsystem mit Bruns, blonder Bart, das lange Haar zum Zopf Botenstoffen und Bindungsstellen gebe. »Viele meiner Patiengebunden, nimmt seit Jahren Medikamente gegen ten berichten, dass ihnen ein Joint mehr Linderung verschafft die Krankheiten. Als er das erste Mal Cannabis probierte, merkte er gleich, wie gut ihm das half, ohne spürbare Nebenwirkungen auszulösen. Und doch Wann Cannabis verschrieben werden darf: war der Weg zum legalen Cannabis für ihn weit. Die Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die gesetz­ Nach einigen Jahren bekommt er endlich die Auslichen Krankenkassen ist nach § 31 Abs 6 SGB V geregelt: nahmegenehmigung von der Bundesopiumstelle. – Es muss sich um eine schwerwiegende Erkrankung handeln. Damit konnte er in die Apotheke gehen und soviel – Es gibt keine Alternative zur Behandlung mit Cannabis. Cannabis erhalten, wie er braucht: 1,5 Gramm pro – Es besteht die Aussicht auf spürbare Besserung der Krankheit Tag. Doch auf diese Menge kommt er selten. Denn oder Linderung der Symptome. der gelernte Gärtner ist momentan arbeitsunfä– Um den medizinischen Nutzen zu überprüfen, sollen Patienten hig. Ein Gramm Cannabis aus der Apotheke kostet fünf Jahre lang an einer (anonymisierten) Begleitforschung 16 Euro. Und selbst wenn er das Geld dafür zusamteilnehmen. menbekommt, kann es sein, dass es gerade kei– Die Verschreibung muss durch einen Kassenarzt erfolgen. Wie nen Nachschub gibt. »Die Situation ist einfach nur private Kassen mit Cannabis umgehen, ist im Gesetz noch erbärmlich«, sagt Bruns. Einen Arzt, der ihm Cannicht geregelt. SP nabis verschreiben wird, hat er auch noch nicht.


Foto: Swen Pförtner/dpa

Cannabis kann helfen, ist aber kein Wunder­ mittel. Und nicht unbedenklich.

und die Tics besser abmildert als jedes Medikament, das sie genommen haben«, sagt Müller-Vahl. Die Patienten von Kirsten Müller-Vahl berichten von einem weiteren Problem: Es gibt Nachschubprobleme bei den Apotheken. »Patienten werden regelrecht in Richtung des Schwarzmarkts gedrängt«, sagt Müller-Vahl. Dazu kann auch Daniel Bruns eine Geschichte erzählen. Vor zwei Jahren versuchte er vergeblich, in der Apotheke Cannabis zu erwerben. Daraufhin besorgte er sich den Stoff in den Niederlanden – und wurde auf dem Rückweg erwischt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren letztlich ein, weil Bruns seine Notlage erklären konnte. Für Patienten ist das Cannabis von der Straße ohnehin höchstens eine Notlösung. Denn wer Cannabis illegal kauft, weiß nicht, was er für seine etwa zehn Euro pro Gramm bekommt. Oft werden Substanzen zum Strecken benutzt, wenn man Glück hat Gewürze. Es finden sich aber auch Blei oder Glassplitter im »Gras«. Ein Eigenanbau zur Sicherung der Versorgung bleibt auch mit dem neuen Gesetz verboten. Patienten, die Cannabis als Medizin nutzen, müssen sich oft Vorhaltungen anhören, sie hätten einen Weg zum legalen Rausch gefunden. Kirsten Müller-Vahl von der MHH stellt klar: »Medizinisches Cannabis sorgt nicht automatisch für eine Rauschwirkung.« Bei manchen zeige sich diese Wirkung gar nicht, bei anderen trete ein Gewöhnungseffekt ein. »Wer mit Patienten arbeitet, die Cannabis als Medizin nutzen, weiß, wie haltlos der Vorwurf

ist, Cannabis als Medizin sei eine Legalisierung durch die Hintertür«, sagt Müller-Vahl. Das seien zwei Themen, die man auch nicht vermischen solle. Jürgen Scholz muss an sich halten. »Absurd, bekloppt, ein Totalversagen der Politik« – mit diesen Worten umschreibt der Rechtsanwalt aus Hannover den deutschen Umgang mit Cannabis als Medizin. Vor ein paar Jahren erfuhr er von einem befreundeten Mediziner von dem Problem. Scholz konnte kaum glauben, wie hier Patienten um ein Mittel kämpfen müssen, das vielen Linderung verschafft. Um das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen, kaufte er mit ein paar Mitstreitern ein Stück Land für den Cannabisanbau und stellte einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung vom Betäubungsmittelgesetz bei der zuständigen Bundesstelle für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Behörde lehnte ab, Scholz klagte dagegen. Ob die Klage nach Verabschiedung des neuen Gesetzes noch Aussicht auf Erfolg hat, ist ungewiss. »In jeder Gesellschaft gibt es Süchte«, sagt Scholz. Der Staat dürfe aber die Süchtigen nicht kriminalisieren, sondern müsse ihnen helfen. Die Gesetzgeber komme hier seiner Aufgabe nicht nach, sondern lasse sich von Gerichtsurteilen vor sich hertreiben. Jürgen Scholz ist in den letzten Jahren zu einem Experten zum Thema geworden. Er wird zu Podiumsdiskussionen eingeladen, ist vernetzt mit den anderen Akteuren – und auch das Thema des Anbaus hat er noch nicht aus den Augen verloren. »Wir werden uns um eine Lizenz bemühen«, sagt Scholz. Für die Lizenzvergabe ist eine noch zu gründende staatliche Cannabis-Agentur zuständig. Sie soll Anbau und Vertrieb koordinieren und kon­ trollieren und den Import regeln. Anwalt Jürgen Scholz hat seine Zweifel, dass das bald funktioniert. Aktuell gibt es in Deutschland 1.020 Ausnahmegenehmigungen. Und selbst für diese geringe Zahl von Patienten konnte der Staat bislang keine sichere Versorgung mit Cannabis gewährleisten. Wie soll das also mit dem neuen Gesetz gelingen, wenn wegen der Kostenübernahme durch die Krankenkasse noch mehr Kranke Anträge stellen? Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte teilte dazu auf Anfrage mit: »Ziel ist es, dass die Cannabis-Agentur ohne Verzögerung ihre Arbeit aufnehmen kann, wenn das Gesetz in Kraft tritt.« Fragen zur personellen Ausstattung, zu den erwarteten Rezeptzahlen, zu den bisheri-


Leben«, sagt Scholz. Und vielen Kranken werde hier mutwillig ein Mittel vorenthalten, dass ihnen ohne Nebenwirkungen besser helfe als andere Medikamente. Er hofft, dass mehr Menschen an die Öffentlichkeit gehen, wenn ihnen Zugang zu Cannabis verwehrt wird. »Das ist ein Politik­ skandal! Wo bleibt der Aufstand?«, fragt Scholz. Gerd Schild

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gen Nachschubproblemen und zu möglichen Zeiträumen von Lizenzen für den Anbau in Deutschland wollte die Behörde auf Nachfrage nicht beantworten und verwies auf die »derzeit vorbereitende Maßnahmen für die Einrichtung der Cannabis­ agentur und die inhaltliche Ausgestaltung des zukünftigen Verfahrens«. Anwalt Jürgen Scholz glaubt an eine Fortsetzung der Politik der Langsamkeit. »Wir Menschen haben doch nur ein

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»Es ist und bleibt eine Droge« Wann hilft ein Joint auf Rezept? Mit dieser Frage beschäftigt sich Bernd Fiebich (54), Leiter einer Cannabis-Forschungsgruppe an der Uniklinik Freiburg. Sein Fazit: Besonders bei schweren Krankheiten kann das Medikament helfen.

Foto: privat

Herr Dr. Fiebich, im Januar hat der Bundestag einstimmig beschlossen, Cannabis als Medikament freizugeben. Begrüßen Sie diesen Schritt? Ich denke, dass es dafür gute Gründe gibt. Wenn bei Patienten andere Medi­ kamente nicht mehr anschlagen oder zu starke Nebenwirkungen verursachen, kann Cannabis hel­ fen – allerdings als letzte Wahl. Zunächst sollten die klassischen Therapieformen ausprobiert werden. Sie leiten eine Forschungsgruppe zu Cannabis. Gibt es schon erste Erkenntnisse? Vor allem bei Entzündungen und Gehirnerkrankun­ gen stellen wir eine gesundheitsfördernde Wirkung fest. Wir forschen zudem an einem THC-armen Hanf. Darin ist so wenig Rauschmittel enthalten, dass Sie ein ganzes Feld rauchen könnten, ohne »high« zu werden. Wenn es diesen rauscharmen Hanf ein­ mal als Medizin gibt, hätte das viele Vorteile. In nächster Zeit wird man in der Apotheke aber erst mal normales Cannabis bekommen, weil die THCarmen Hanfsorten noch nicht für den medizinischen Gebrauch angebaut werden und noch nicht zugelas­ sen sind. Bei welchen Krankheiten kann Cannabis helfen? Zum Beispiel bei Multipler Sklerose, bei chronischen Erkrankungen, bei Tumoren – im Grunde bei allem, was mit starken Schmerzen verbunden ist. Viele

Menschen haben auch eigene Erfahrungen, ob Cannabis bei ihnen hilft. Welche Nebenwirkungen können auftreten? Cannabis kann Psychosen und Schizophrenie auslösen. Manche Patienten sind in diesem Punkt vorbelastet, wissen aber nichts davon. Da kann bereits ein Joint Angst-Attacken und Panik aus­ lösen. Dann kommen die Gefahren beim Rauchen hinzu, also Lungenkrebs. Ein Joint enthält deutlich mehr Schadstoffe als eine Zigarette; drei Joints entsprechen ungefähr einer Packung. Bei jungen Menschen kann Cannabis das Lernen und den IQ negativ beeinflussen. Das klingt besorgniserregend. In welchem Fall ist diese Therapieform dann überhaupt gerechtfertigt? Immer dann, wenn die positive Wirkung das Risiko übersteigt. Man darf sich nichts vormachen: Cannabis ist eine Droge. Aber Hanf ist eben auch eine uralte Pflanze, die schon vor 5.000 Jahren zu medizinischen Zwecken angebaut wurde. Sie hemmt Schmer­ zen und lindert Entzündungen. Aber wie das bei Pflanzen so ist, sind darin Hunderte von Wirkstoffen enthalten. Die wirken bei jedem anders. Manche merken gar nichts, andere haut es nach einem Joint um. Es ist also eine Frage der Dosierung. In welcher Form nehmen Patienten das Medikament ein? Bekommt man wirklich einen Joint in der Apotheke? Das ist auf jeden Fall die einfachste Methode. Außerdem gibt es Nasensprays, die sehr gezielt wirken, weil die Nasenschleim­ haut empfindlich ist und die Wirkstoffe direkt ins Gehirn gehen. In Zukunft wird es sicherlich verstärkt THC-armes Cannabis geben, das als Tablette verabreicht wird. Das ist dann nicht nur ein Medikament, sondern sieht auch so aus. Interview: Steve Przybilla


WER WAR EIGENTLICH …

Foto: Wikipedia/Büste: F. A. Sötebier

… ADOLF TELLKAMPF? Schu len werden ger ne nach nasium wurde. In der Gründungsberühmten Menschen benannt. phase soll in seiner Schule ein alterEine Ehrung für die Namensgeber nativer Geist geweht haben. Eine  – und die Schule verspricht sich Schule für die Kinder der induswohl auch etwas vom Geist der triellen Revolution sollte es werG eeh r ten: Ma n w ü nscht den den, mit Naturwissenschaften und Schülern die Kreativität von Astrid modernen Fremdsprachen. BilLindgren, den Mut von Helene dung für alle und Bildung für das L a nge oder d ie Br i l la n z von Leben – das war Tellkampfs Idee. Hannah Arendt. Adolf Tellkampf blickte a ls Direktor auf die großen und kleiJohann Dittrich Adolf Tellkampf nen Dinge des Schulalltags. Im ist eine Ausnahme. Er hat die nach Juni 1858 etwa schrieb er in einem ihm benannte Schule am MaschBrief an den Magistrat der König­ see in Hannover selbst gegründet. lichen Residenzstadt Hannover, Tellkampf wurde 1798 in Hannodie Hitze mache es den Lehrern ver geboren. Seine Mutter starb ein »auch bei der größten AnstrenJahr später, der Sohn zog mit dem gung geradezu unmöglich, die Vater und dessen zweiter Frau in Gedanken der Schüler zu fesseln«. die Nähe von Hildesheim, wo der Deshalb gebe man nun in solchen sich als Verwalter um das Wall­ Fällen am Nachmittag frei – und modensche Gut Heinde kümmerte. Der Weg des Juniors zur Mathematik war kein leichter, musste erbitte, ganz nebenbei, Mittel für Fenstermarkisen. Heute besuchen 820 Schüler die Tellkampfschule am er doch zweimal in der Woche den fast zweistündigen Weg zum Unterricht zu Fuß laufen. Mit 15 Jahren meldete sich Adolf Maschsee. In dem 1956 erbauten denkmalgeschützten Tellkampf zum Kriegsdienst und half als Offizier, Napoleon zu Gebäude gibt es nicht nur eine Büste vom Schulgründer, sonbesiegen – auch wenn er nie direkt in einer Schlacht eingesetzt dern auch eine andere Überlassenschaft, die sich hier auf die Schüler überträgt: den Tellkampfwurde. Nach dem Krieg wollte Tellgeist. Katharina Badenhop steht kampf Akademiker werden, denn er Bildung für alle und Bildung seit rund drei Jahren als Schulleitespürte »die Neigung, die Wahrheiten für das Leben – rin in der Nachfolge des namensgeder Wissenschaften anderen zum benden Direktors. »Die IdentifikaBewußtsein zu bringen«. das war Tellkampfs Idee. tion mit dieser Schule ist sehr groß«, Mit 700 Talern Abfindung versagt sie und beschreibt die Offenließ Adolf Tellkampf die Armee und begann im Mai 1819 in Göttingen ein Studium der Mathe­ heit aller für Menschen und Ideen. Es gebe ein starkes Netzmatik. In seinen »Erinnerungen aus meinem Leben« beschrieb werk von Altschülern. Die Tellkampfschule ist heute Europaer auch den Kontakt zu Carl Friedrich Gauß, damals eine Schule, Umwelt-Schule, Schule gegen Rassismus. Jetzt im Ikone der Universität und eigentlich von Lehraufgaben befreit. März kommen Schüler aus sechs Ländern für Projekte zusamTellkampf bat den Gelehrten für sich und wenige Mitstrei- men. Und bald soll am eigenen Schullandheim in Springe ter um ein Privatissimum über sphärische und theoretische eine ökologische Sporthalle gebaut werden. Die heutige Astronomie. Gauß gewährte diese Privatvorlesung – Tellkampf Schulleiterin ist sich sicher: Eine weitere Idee ganz im Geiste Tellkampfs. war begeistert. Adolf Tellkampf starb im März 1869. Seine Schule wurde Nach Jahren als Mathematik-Lehrer in Hamm ergriff Adolf Tellkampf 1835 die Gelegenheit zur Rückkehr in seine Heimat im Jahr 1936 nach ihm benannt. Hannover. Er wurde Gründungsdirektor der höheren Bürger- Gerd Schild schule, die später erst zur Realschule und dann zum Realgym-


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Zum Artikel »Mit der Rente in die Armut« in der Oktober-Ausgabe

Zum Artikel »Bob, der Lebensretter« in der JanuarAusgabe

Mehr Miteinander!

Einladung ins Kino

Als Leser von Asphalt und mit einer dicken Rente gesegnet setzte ich mich seit Jahren leidenschaftlich für Menschen ein, die auf der Schattenseite des Lebens stehen. Ich habe fünf Bücher zu sozialen Themen geschrieben. Ich habe Briefe an die zustän­ digen Ministerien geschrieben und an Zeitungen, ohne jemals eine Antwort zu bekommen. Machen wir uns doch nichts vor: Die Leute, die Geld haben, haben auch das Sagen. Sie werden nichts ändern, was ihre Altersbezüge mindert. Sie beklagen zwar die Altersarmut, aber ihnen fällt nichts Anderes ein als Abzüge hier, Kürzungen da, Verlängerung der Lebensarbeits­ zeit und Minderung der Nettostandartrente auf 43 %. Es inte­ ressiert sie wenig, wovon die tüchtige alleinerziehende Mutter, der Niedrigverdiener, der keine Betriebsrente hat, die Kranken und Behinderten, die Verkäuferin und all die anderen, die wich­ tiger als mancher Vorstand sind, im Alter leben müssen. Ihnen wird es ja gut gehen. Ein Miteinander kann ich darin nicht sehen. Schon gar nicht ein christliches Miteinander. Dr. Lutz Osterwald, Hannover IN DER FALLE

ABSTURZ

Rentenpolitik schafft Armut statt Sicherheit im Alter.

AUFWIND

Gesundheitscheck per App voll im Trend.

ANTRIEB

Intendant Walburg über Kunst, Politik und Vertreibung.

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WAHRES MÄRCHEN

Wie Kater Bob dem Obdachlosen James das Leben rettete.

SCHWERER WEG

Wie Integration gelingt: Sprache ist nicht alles.

WEHRHAFTE KNIFFE

Wie Mädchen und Frauen mit Wen-Do stärker werden.

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen.

Zum Artikel »Tödlicher Schatten« in der Januar-Ausgabe

Zweifelhafte Militäreinsätze

Mit einiger Verwunderung, gepaart mit Unverständnis und Zorn, habe ich den Artikel zum Bundeswehreinsatz in Mali zur Kenntnis genommen. Ihre ansonsten begrüßenswerte Unter­ stützung für die Rechte von Obdachlosen, Armen und Hartz IV-Empfängern hat dadurch bei mir eine deutliche Abwertung erfahren, weil ich Ihnen nach solch einem Artikel Ihre Wahr­ haftigkeit im Einsatz für die Rechte von randständigen Min­ derheiten nicht mehr abnehmen kann. Wieso ist es an Ihnen vorbeigegangen, dass der Militäreinsatz in Mali in erster Linie der Sicherung der Uranversorgung des französischen Atom­ konzerns »Areva« dient? Wieso verschweigen Sie, dass das Nomadenvolk der Tuareg andauernder Verfolgung durch die Regierungen der Sahara- und Sahelstaaten unterliegt, sich immer wieder dagegen erhoben hat und wiederholt Opfer von völkermordähnlichen Massakern geworden ist? Ich möchte Sie dringend bitten, Ihr bisher sehr geschätztes Magazin nicht neu­ erdings zum Durchlauferhitzer für die Rechtfertigung zweifel­ hafter Militäreinsätze zu machen. Erwin Weide, Bremen BOB & JAMES

Ja, auch Asphalt-Verkäufer lesen das Magazin. Schließlich will man zu den aktuellen Themen etwas sagen können. Zum Thema »Bob und James« war das Wissen einiger Kundinnen und Kunden fortge­ schrittener als meines, einige hatten bereits alle drei Bücher gelesen, waren auch schon im Kino. Ein besonders freundlicher Kunde überreichte mir einen Gutschein für das »Astor Grand Cinema«, die Nach­ folgestätte zum »CinemaxX« in der Nikolaistraße 8. Hiermit ein herzliches Dankeschön an den Spender. Verkäufer HaDe, Hannover

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang! Asphalt zeigt Ihnen das andere Hannover. Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer füh­ ren Sie zu Orten, an denen Wohnungslose keine Randgruppe sind. Ein außergewöhnlicher Stadtrundgang – von ExpertInnen der Straße geführt! Nächster Termin: 31. März 2017, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstraße 3, 30161 Hannover. Bitte anmelden: 0511 – 30 12 69-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person. Gruppen vereinbaren bitte gesonderte Termine! Auf Nachfrage auch in englischer Sprache!

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BRIEFE AN UNS

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»BLICKWINKEL ÄNDERN« Sterben und Humor – passt das zusammen? Ja, wenn man es so angeht wie dieser Sensenmann, der seit einigen Jahren die Comedy-Bühnen und TV-Sendungen der Republik unsicher macht. Der Mensch unter der Kutte will anonym bleiben, ist aber dennoch zum Interview bereit. Ein Gespräch mit dem Tod. Dein letztes Bühnenprogramm war eine Imagekampagne für den Tod, weil das Sterben deiner Ansicht nach einen so schlechten Ruf habe. Was fasziniert dich am Tod?

beim Tod zwangsläufig erkennen, dass sie gleich sind und es keine Unterschiede gibt.

Vor allem, dass sich ihm niemand entziehen kann. Keiner kann sagen: »Das interessiert mich nicht« oder »Sterben ist mir zu unmodern, da mache ich nicht mehr mit.« Denn: Alle Menschen – ganz gleich welche Hautfarbe, Ideologie, Religion, wie viel Vermögen oder welchen Status sie haben – müssen

Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, den Tod auf der Bühne zu etablieren? Es war relativ offensichtlich, dass etwas getan werden musste. Die Jenseits-Tourismus-Behörde hat das Thema Marketing und Öffentlichkeitsarbeit viele Millionen Jahre grob vernachlässigt.


Gibt es eigentlich Leute, die deine Art von Humor pietätlos finden? Das tendiert fast gegen null. Ich habe mit mehr Gegenwind gerechnet, als ich mit meinem ersten Bühnenprogramm gestartet bin. Allerdings gehe ich auch sehr sensibel mit dem Thema um. Gewisse Linien überschreite ich nicht. Es geht mir nicht um Tabubruch, sondern um Freude und Kommunikation über ein schwieriges Thema. Ich will den Blickwinkel ändern, nicht rücksichtslos mit der Sense alles niedermähen.

Den ersten Bühnenauftritt hattest du in Hannover … Ja, fast sechs Jahre ist es her. Dadurch habe ich auch einen gewissen Heimatbezug zu dieser Stadt. Es waren nur fünf Minuten, die ich auf der Bühne im »marlene« stand. Ein Kurzauftritt, nur, um mal zu schauen, ob das Publikum überhaupt dafür bereit ist, mit mir zu lachen. Es hat funktioniert. So wurde Hannover sozusagen zur Geburtsstadt der töd­ lichen Imagekampagne.

Ach, es würde schon reichen, wenn man ihn mehr ins Bewusstsein ließe. Das erhöht tatsächlich die Lebensqualität.

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Und: Was der Mensch nicht kennt, das fürchtet er besonders gerne. Das kennt man von der Angst vor der Islamisierung des Abendlandes. Wenn dann noch viele Jahrhunderte von Fegefeuer und ewiger Verdammnis erzählt wird, die nach dem Tod auf einen warten, dann darf man sich nicht wundern, dass keiner in Jubelschreie ausbricht, wenn ich an der Tür klopfe.

Wie das? Wer regt sich schon ernsthaft darüber auf, dass die Bahn zehn Minuten Verspätung hat oder der Latte macchiato nicht schmeckt, wenn er mich im Hinterkopf hat? Es hilft, sich auf die wichtigen Dinge zu fokussieren. Ich habe noch nie jemanden geholt, der am Ende gesagt hat: »Ach, hätte ich mal mehr gearbeitet, wäre ich mal öfter pünktlich zum Meeting gekommen, hätte ich mal nicht so viel Zeit mit Familie und Freunden verbracht.«

Gibt es Orte, wo du nicht auftreten würdest? Während der ersten Jahre hatte ich aus Hannover-Verbundenheit tatsächlich Braunschweig auf der roten Liste. Mir hat dann aber irgendwann jemand plausibel erklärt, dass es doch eigentlich kontraproduktiv wäre, wenn der Tod den »Messeparkplatz Ost« bewusst meidet.

Du besuchst auch Menschen in Hospizen. Wie sind die Reaktionen dort? Begeistert und ausgelassen. Auch das hätte ich am Anfang so nicht vermutet. Viele bald Sterbende wollen ihre letzten Tage gerne fröhlich oder gar lustig verbringen, haben aber das Problem, dass Humor am Ende oft völlig ausgeblendet wird. Alle sagen den Sterbenden nur noch, wie fürchterlich alles sei und die Verwandten weinen vor ihnen. Es ist schon ein wenig paradox, dass dann erst der Tod vorbeikommen muss, um aufgelockerte Stimmung zu verbreiten und Konfetti zu schmeißen.

Der Tod kündigt sich nicht immer an. Machst du in den Hospizen eine Ausnahme? Ja. Es ist wichtig, dass mein Besuch auf einer freiwilligen Entscheidung der Patienten basiert, denn natürlich geht jeder mit so einer Lebens­ situation anders um. Es gibt aber viele, denen es wirklich hilft. Ich habe auf Tour auch immer mal wieder sterbenskranke Zuschauer, die mir – so lang es noch geht – hinterherreisen, um mit mir bis zum Schluss zu lachen.

Der Tod in Niedersachsen: 15. März, Hannover, Pavillon 25. März, Lüneburg, Kulturforum 5. Mai, Wolfsburg, Hallenbad

Würden die Menschen dem Tod generell gelassener entgegensehen, wenn Sie ihm mit Humor begegneten?

Weitere Informationen unter www.endlich-tod.de

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Gibt es auch eine unfreiwillige FriedhofsKomik? Ja, man findet auf Friedhöfen in diesem Land jede Menge Gegebenheiten, die zum Schmunzeln sind. Sei es das Einbahnstraßenschild unter dem Wegweiser zum Krematorium oder der GrabsteinAuf kleber »Ruhezeit abgelaufen, bitte in der Verwaltung vorsprechen«. In Hannover wirbt die Üstra für ihre Tickets an der Haltestelle »Stadtfriedhof Stöcken« mit »Feierabend = Partytime«.

Fotos: Anja Pankotsch

Über deinen »Spendenschädel« sammelst du Geld für gemeinnützige Organisationen und Initiativen. Nach welchen Kriterien wählst du diese aus?

Der Tod zeigt, wie Radieschen von unten aussehen.

Du bist viel auf Friedhöfen unterwegs und fotografierst ausgefallene Gräber. Zum Teil sind da auch sehr humorvolle Grabinschriften dabei – etwa »Hier schweigt Johanna Vogelsang  – sie zwitscherte ihr Leben lang.« Was meinst du, sind solche Inschriften eher liebevoll gemeint oder postmortaler Spott? Was genau solche Inschriften bezwecken sollen, darüber lässt sich nur spekulieren, zumindest verhelfen sie den Bedachten aber zu einer gewissen Unsterblichkeit. Es ist aber sehr schwer, lustige Inschriften auf Gräbern zu finden, denn in Deutschland gibt es viele Regeln und Gesetze, die so etwas generell verbieten.

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Muss man hören: Hertzliches Hannover das Wohnungslosen-Magazin. Immer am 2. Montag im Monat, 17 Uhr. ... auf UKW 106.5 oder Kabel 102.5 und bei www.leinehertz.de

Bedingung ist, dass es immer irgendwie um das Ziel geht, Menschen am Lebensende glück­ licher zu machen. Unterstützt werden unter anderem Kinderhospize und Vereine. Ein tolles Beispiel ist »Der Wünschewagen«, der sterbenskranke Menschen dahin fährt, wo sie an ihren letzten Tagen unbedingt noch einmal hinwollen – ans Meer oder zu einem Freund. Oder die Aktion »Freunde alter Menschen«, die vereinsamten Senioren Gesprächspartner und Kontakte vermittelt. Es gibt sehr viele tolle Projekte, man muss nur ein wenig recherchieren und sie natürlich auch jedes Mal überprüfen. Die Arbeit lohnt sich aber, denn seit über zwei Jahren können das Publikum und ich auf diese Weise ein Lächeln an Sterbende verschenken. Das fühlt sich un­­ glaublich sinnvoll an und rundet die Image­ kampagne erst richtig ab.

Derzeit bist du mit einem neuen Bühnen­ programm unterwegs. Auf was dürfen wir uns einstellen? »Happy Endstation« ist eine Art Reiseführer, denn ich habe gemerkt, dass gerade bei der letzten großen Reise viele Fragen offenbleiben. Muss ich etwas mitnehmen? Brauche ich ein Handtuch, um meinen Liegeplatz zu reservieren? Gibt es WLAN? Einige dieser Fragen werde ich beantworten, einige andere aber auch selbst stellen. Interview: Sören Nolte


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Das Fahrgastfernsehen. · Goethestraße 13 A · 30169 Hannover · (0511) 366 99 99 · redaktion@fahrgastfernsehen.de


Fotos: V. Macke

Zu oft zu schnell, zu viele Unfälle in Hannover. Radfahrer rüsten mit Leuchtwesten und Airbagjacken auf. Autofahrer fühlen sich ausgebremst. Fußgänger von Rad-Rowdies bedroht. Und vor Schulen gefährden Elternautos bisweilen sogar Schulkinder. Was tun? Das Ziel »Vision Zero« fordert nun Hannovers Grünen-Chef Daniel Gardemin. Herr Gardemin, drei neue mobile Blitzgeräte für die Überwachung von Tempo-30-Zonen in Hannover haben jüngst für Aufregung auch in der Presse gesorgt. Man unterstellt der Stadt rein finanzielle Interessen, spricht von Gängelung von Autofahrern.

stehen: Vision Zero. Straßenbau und Verkehrsleitplanung müssen daran ausgerichtet werden. Das Ziel muss die Null sein: Keine Verkehrstoten mehr, keine Schwerverletzten im Straßenverkehr.

Das ist unerklärlich. Unsere Aufgabe muss es sein, dort für Ein frommer Wunsch. In Hannover werden jährlich mehr Recht und Ordnung zu sorgen, wo die schwächsten Verkehrs- als 3.500 Menschen verletzt. Regionsweit über 5.000. teilnehmer in Gefahr geraten. Die Einnahmen für das Stadt- Es kann nicht sein, dass man einzig in diesem Bereich Gesetsäckel sind willkommen. Wenn sie dann aber weniger werden zesübertretungen ständig billigend in Kauf nimmt. Dass man sollten, weil die Disziplin zunimmt, ist das gut. Die Polizei hat Verkehrskontrollen, Blitzer und dergleichen als Bevormundung uns deutlich gemacht, dass es in Hannover im Vergleich zu empfindet, gar – wie geschehen – als »Mehrbelastung für Autoanderen Städten überproportional viele Unfälle gibt. Sie ent- fahrer« bezeichnet. Wenn ein Ladendieb bestraft wird, heißt stehen aus einer Gemengelage von Gesetzesübertretungen. es ja auch nicht, das sei eine Mehrbelastung von SupermarktDazu gehört zu schnelles Fahren wie auch Eckenparken, rück- kunden. Die Installation eines Blitzgeräts führt zu einem Rücksichtsloses Fahrverhalten auf Schleichwegen und vor Schulen gang von Unfallzahlen, sozusagen eine lebensrettende Einund Kindergärten. Am Ende aller Verkehrspolitik muss daher richtung. Vision Zero ist kein Spiel, es geht um Menschenleben.


Das Land hat gerade die rechtliche Möglichkeit eröffnet, dass Kommunen Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen einrichten. Ein Modell für Hannover?

Viele Autofahrer sagen, sie seien mit ÖPNV und Rad einfach zu langsam. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in Großstädten liegt ohnehin bei unter 25 km/h.

Mit dem Auto? Ja, mit dem PKW innerhalb der Stadt von Punkt A nach Punkt B. Beispielsweise auf einer Strecke von drei oder vier Kilometern, also aus Kleefeld oder Linden in die Innenstadt. Das hat man hier mehrfach gemessen. Damit wird das Fahrrad, noch dazu wenn es künftig häufiger elektrounterstützt sein wird, zur schnelleren Alternative.

Der Autoliebhaber wird sagen, dann müsse man In Hannover ist die Frage nach Tempo 30 nicht in einen Mas- Ampeln beseitigen, die Straßen verbreitern und terplan eingebettet, sondern muss immer noch meterweise grüne Wellen einrichten.

erkämpft werden, wo beispielsweise Unfallschwerpunkte oder Auch dreispurige Hauptstraßen lösen die Probleme unübersichtliche Stellen offenbar werden. Besser wäre ein nicht, zumal dann nicht, wenn sie Durchgangsverabgestimmtes Konzept. Eine flächendeckende Tempo-30-Ein- kehr weiterhin zulassen. Die Innenstädte sollten wir führung ohne Begleitmaßnahmen wie grüne Wellen für Fahr- deshalb auch nicht länger durchfahrbar sondern räder und Autoverkehr, Ersatzmöglichkeiten wie Ausbau von nur noch erreichbar gestalten. Natürlich auch mit kostengünstigerem ÖPNV macht keinen Sinn, solange sie keine deutlich kostengünstigerem ÖPNV. Akzeptanz erfährt.

Welche Rolle haben die so genannten RadWie offen wirkt denn die Verwaltungsspitze für einen schnellwege? solchen Masterplan? Vision Zero wäre ja dann Quer- Die Velorouten sollen sternförmig als sichere und schnittsaufgabe. gute Radverbindungen auf die City zulaufen. Das Hannover war ja mal eine verkehrsinnovative Stadt. Damals bringt Berufspendler und Radumsteiger aufs Zweiaber noch stark auf den individualen Autoverkehr aber auch rad. Von der Verwaltung und Politik werden diese auf den ÖPNV gerichtet. Beide Verkehrsformen werden derzeit Ansätze mittlerweile sehr ernst genommen. Denn wenig innovativ weiterentwickelt. Daran trägt auch die Ver- sie entlasten nachweislich den Straßenverkehr inswaltung ihren erheblichen Anteil. Gleichzeitig drückt der stark gesamt. Auch die Citygemeinschaft, die organisierzunehmende Radverkehr in den engen, häufig nicht erweiter- ten Kaufleute der Innenstadt Hannovers, fordern baren Raum der Straßenfluchten. Wenn ich in Hannover einen für die Innenstadt ein funktionierendes Radwege­ Straßenraum habe, in dem 60 bis 70 Prozent für den Auto­ system. Denn Radfahrer sind längst zahlungskräfmobilverkehr zur Verfügung stehen, das Auto aber schon seit tige Kunden. Wir sollten das als HandlungsempfehJahren kaum mehr einen Anteil von 40 Prozent des Verkehrs- lung begreifen. Interview: Volker Macke aufkommens ausmacht, dann braucht es ein Umdenken.

Und der Radverkehr wird gefühlt immer mehr. Wir haben einen tatsächlichen Anstieg innerhalb weniger Jahre von rund zehn auf 20 Prozent Anteil am Verkehrsaufkommen. Gleichwohl wird immer noch an Brücken und Kreuzungen, immer dort, wo es Engstellen gibt, der Radverkehr entweder ungeschützt in den Raum für die Automobile oder in den Raum für Fußgänger geleitet. Das skandinavische Modell setzt hingegen radikal darauf, dass eine Fahrspur immer für den Radverkehr reserviert und markiert wird. Das Auto muss Platz hergeben, der Verkehrsfluss aber leidet darunter nicht.

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Gibt es Vorbilder für Vision Zero? Wie so oft in diesen Dingen sind die Skandinavier rund zehn Jahre weiter als wir in Deutschland. In Schweden ist schon 1997 Vision Zero zu einer Leitlinie für alle Planung ausgerufen worden. Auch in Kommunen in Deutschland gibt es bereits Erfolge in dieser Richtung. Das kann sich jeder im Internet auf der Vision Zero Map der Dekra ansehen. Für Hannover fehlt bisher ein umfassendes Verkehrssicherheitskonzept. Das muss jetzt erarbeitet werden. Gewinnen werden hinterher alle. Die Unfallzahlen werden Jahr für Jahr rückläufig sein und es wird gerechter und fairer im Straßenraum zugehen.

Daniel Gardemin ist Sozial­ wissenschaftler, Grünen-Chef und Ratspolitiker. Der Vater von drei Kindern fährt selbst gern Rad. Schätzt aber auch mal ein Auto, als Carsharing. Ein eigenes sei überflüssig. Es heiße ja auch »Fahrzeug nicht Stehzeug«.

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AUS DER SZENE

Heiß begehrt und notwendig

Die guten Neuigkeiten reißen nicht ab: Nach dem DüK (wir berichteten in Asphalt 02/17) hat nun mit dem Nordbahnhof auch der zweite Tagestreff für Wohnungslose und sozial Hilfsbedürftige eine neue Bleibe gefunden. Vom Engelbosteler Damm geht es jetzt ein paar Meter weiter in die Schulenburger Landstraße 34. Man bleibt also gewissermaßen vor Ort und auch das Angebot kann im gleichen Umfang aufrechterhalten werden. Petra Tengler, Geschäftsführerin der Betreibergesellschaft »Selbsthilfe für Wohnungslose« (Sewo) zeigte sich denn auch »sehr zufrieden« über die gefundene Lösung. Die Stadtsparkasse Hannover, die ihre ehemalige Filiale an der Stelle aufgegeben hat, habe sich der Sewo gegenüber als angenehmer Verhandlungspartner erwiesen und sei der sozialen Einrichtung auch bei den Umbauten entgegengekommen. »Wir hoffen, irgendwann im April 2017 die neuen Räume beziehen zu können«, sagt Tengler. Bis dahin bleibe der alte Nordbahnhof am E-Damm noch geöffnet. Die Einrichtung ist schließlich weiterhin unverzichtbar. UM

Am neuen Standort der ökumenischen Essenausgabe in den Räumen der Heilsarmee herrscht großer Andrang. »Der Platz reicht bei Weitem nicht aus«, sagt Sabine Schneekloth von der Diakonie und Koordinatorin der Einrichtung. 70 Sitzplätze stehen für die Menschen in sozialer Notlage zur Verfügung, die dort von Dezember bis März an sechs Wochentagen eine warme Mittagsmahlzeit erhalten können. Doch bis zu 200 Hilfebedürftige stehen täglich für einen Teller Suppe oder ein Schnitzel an. »Die Leute sind vom Leben auf der Straße erschöpft, die können wir nicht nach dem Essen gleich rauswerfen, um Platz zu schaffen«, sagt Schneekloth. Trotz des Gedränges ist die Disziplin unter den Gästen beachtlich. Diese wissen, was sie an der Essenausgabe haben: »Die ist superwichtig«, bestätigt Holger (58), der regelmäßig in die Burgstraße kommt, »die Mahlzeit ist warm und umsonst, gestern gab es sogar Kassler!« Für den Nachschub sorgen abwechselnd die Köche des Frederikenstifts, der NordLB und Cord Kelle, Patron des Hotels & Restaurants Jägerhof in Langenhagen sowie Vorsitzender des Vereins »Kochen für Obdachlose« (KfO). UM

ZBS hat neuen Leiter Die Zentrale Beratungsstelle – Wohnungslosenhilfe (ZBS) der Diakonie in Hannover bekommt einen neuen Leiter. Der 48-jä hrige Norbert Herschel, ehemaliger Geschäftsführer einer Firma für den Betrieb von Kindertagesstätten, übernimmt zum 1. Mai in der Hagenstraße. Kurz bevor dort der Umzug in die Hamburger Allee beginnt (Asphalt berichtete im Februar). Herschel bringt Szeneerfahrungen aus Hannover mit: Als Prakti­ kant sammelte er einst im Kontaktladen Mecki erste Eindrücke in der Wohnungslosenhilfe. UM

Richtigstellung: In Ausgabe 01/17 unterlief uns auf Seite 20 (»Gemeinsam wohnen«) ein ärgerlicher Fehler: Das Wohnprojekt CasaNova entsteht nicht wie gemeldet in der Plauener, sondern in der Posener Straße. Wir bitten den Fauxpas zu entschuldigen.

Foto: U. Matthias

Nordbahnhof zieht um


Sie sind mir wirklich sympathisch – die Grünen! Ich denke, ohne ihre Initiative vor vielen Jahren wäre das Bewusstsein für unsere Umwelt erst viel später geweckt worden. Aber was ihnen (bzw. einer von ihnen) da in den Kopf gekommen ist, würde ich wirklich als AprilScherz ansehen, wäre es dafür nicht der falsche Monat: Nach der Hundesteuer soll nun eine Katzensteuer eingeführt werden. Kein Witz, das habe ich gelesen. Mein Vorschlag: Warum nicht auch die Vögel besteuern, die Meerschweinchen und was noch so alles in den Haushalten »kreucht und fleucht«? Dann könnten sämtliche Arbeitslose in Lohn und Brot geholt werden, damit sie kontrollieren, wie viele Tiere sich in den Haushalten tummeln. Und da Tiere sich bekanntlich vermehren, müsste eine derartige Überprüfung wieder und wieder erfolgen und alle hätten eine Anstellung auf Lebenszeit. Obwohl – auch das habe ich gelesen – die Jägerschaft empfiehlt, sämtliche Katzen zu sterili­ sieren. Bevor andere auf die Idee kommen: Könnte diese Empfehlung nicht auf sämtliche Tiere in Haushalten angewendet werden? Die Grünen wären zufrieden, die Jägerschaft wunschlos glücklich, und für die Arbeitslosen wäre die Welt wieder in Ordnung! Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden…

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»BISSCHEN ENTSPANNTER« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäufer Ha-Jo (50). Ha-Jo, du hast einige Fotos von dir mitgebracht …

war nicht in der Lage, eine Partnerschaft zu führen oder eine Ja, mein Pflegevater hat viel fotografiert. Ich bin im Albert- Familie zu gründen, dieses Erlebnis kam immer wieder hoch. Schweitzer-Kinderdorf in Uslar aufgewachsen. Wir waren elf Auch meine Epilepsie hat es mir schwer gemacht. Kinder in meiner Familie: die drei eigenen der Pflegeeltern und acht Pflegekinder. Seit wann bist du Epileptiker? Seit meinem 20. Lebensjahr habe ich epileptische Anfälle gehabt. Mit 25 war ich soweit, dass ich mir das Leben nehmen War es gut für dich, bei Pflegeeltern aufzuwachsen? Ja. Meine Mama ist zwei Wochen nach meiner Geburt gestor- wollte. Ein Anfall zog immer Depressionen nach sich, ich war ben. Mein Vater wollte uns nicht. Ich habe noch drei leib- gerädert, mir war schlecht, ich hatte Kopfschmerzen über mehliche Geschwister gehabt, die wurden von ihm ins Kinder- rere Tage. Schon als Kind war ich mehrmals in der Neurologie, heim gesteckt. Ich kam ins Säuglingsheim. Unsere Großtante da haben sie immer gesagt, da stimme was nicht – mehr nicht. hat meine Geschwister rausgeholt und bei sich aufgenom- Ich habe Jahre damit gelebt, ohne zu wissen, was es ist. men. Mich als Kleinkind konnte sie nicht versorgen, aber sie war befreundet mit der Mutter meiner Pflegemutter und ver- Du wolltest dir das Leben nehmen? schaffte mir dort einen Platz. Ja, aber als ich das tun wollte, hatte ich eine göttliche Erscheinung: Ich sah unseren Herrn Jesus Christus und neben ihm Engel. Die haben mir Mut gemacht: Wir sind immer bei dir, Hattest oder hast du noch Kontakt zu deinem Vater? Der ist schon länger tot. Einmal hat er mich noch im Postwohn- wir passen auf dich auf. Damals habe ich angefangen täglich heim angerufen, während ich hier beim Fernmeldeamt arbei- zu beten, suchte wieder den Kontakt zu meiner Pflegefamilie tete. Ich hab Fernmeldehandwerker gelernt. Ich weiß nicht, und wollte Gutes tun. Deshalb fing ich ehrenamtlich an, bei der woher er die Nummer hatte, aber ich habe ihn kaum zu Wort H.I.o.B. zu arbeiten, der Hannoverschen Initiative obdachloser kommen lassen und ihn nur angeschrien, dass er uns Kinder Bürger, die später mit der Diakonie Asphalt gegründet hat. Ich kannte damals viele Menschen, die auf der Straße lebten. in Ruhe lassen soll. Das tut mir heute leid.

Warum? Ich wusste ja gar nicht, was er wollte. Ich hätte ihm vielleicht eine Chance geben sollen – es könnte doch möglich sein, dass er uns um Verzeihung bitten wollte.

Wann bist du nach Hannover gekommen? Nach meiner Ausbildung gab es Arbeit für mich, damals war ich 19. Da kriselte die Beziehung zu meinen Pflegeeltern auch gerade.

Wie kam es dazu? Einmal natürlich durch die Pubertät. Aber vor allem auch, weil ich mich selber abgekapselt habe, schwierig wurde. Da ist etwas passiert in meiner Kindheit. Etwas ganz Schlimmes.

Irgendwann hast du selber angefangen, Asphalt zu verkaufen. 2001 hatte ich einen Verkehrsunfall und lag im Koma. In der MHH haben sie festgestellt, dass ich Epileptiker bin, weil ich auch im Koma einen Anfall hatte. Erst da wurde mir das Ganze klar. Von da an bekam ich eine medikamentöse Behandlung. Plötzlich war ich aber arbeitsunfähig! Meine Medikamente helfen mir seitdem, keine Anfälle mehr zu haben, sind aber so stark und haben so viele Nebenwirkungen, dass ich nicht mehr arbeiten darf. Also fing ich selber an, Asphalt zu verkaufen – um mir meine Rente aufzubessern und zu gucken, wie das ist.

Und wie ist es? Ein relativ harter Job. Ich würde lieber in meinem Beruf arbeiten. Aber es ist eine Alternative.

Möchtest du das erzählen? Also, das war ein erwachsener Mann. Der allerdings auch vor- Am 3. März ist dein 50. Geburtstag. Du blickst auf schwere her Kinderdorfkind war, nur damals schon volljährig und weg- Zeiten zurück. Was siehst du, wenn du nach vorne blickst? gezogen. Der hat mich, als ich 13 oder 14 war, vergewaltigt. Ich schaue mit 50 ein bisschen entspannter in die Zukunft. Als mein fünf Jahre älterer Bruder sich mit 39 Jahren das Leben nahm, da wollte ich mindestens noch 39 werden, so alt wie Hast du damals mit jemandem darüber gesprochen? Nein, ich habe mich total übel gefühlt und mich zurückgezo- er. Als ich die 39 erreicht hatte, da wollte ich noch 50 werden. gen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich darüber geredet habe. Jetzt mit 50 setze ich mir kein Ziel mehr. Seitdem ich das mache, kann ich aber besser damit leben. Ich Interview: Jeanette Kießling


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Fotos: privat (4); J. Kieร ling (1)

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Ha-Jo verkauft Asphalt in der Lister Meile (Hรถhe Buchhandlung Beeck).


Meine Worte

Texte aus der kreativen Asphalt-Schreibwerkstatt. Diesmal: Kleine Geschichten aus in Schreibspielen gesammelten Wörtern.

Eine kleine Geschichte zum Thema „SCHÖNHEIT“ Eine kleine Geschichte zum Thema „FREUDE“ Im Frühjahr ist es mir immer eine große Freude, in den Wald zu ziehen und die funkelschöne Sonne im morgendlichen Tau zu bewundern.

Das Glitzern auf den Blättern

In einem tristen Monat sind die Herzen der Menschen immer ganz krank. Alles erscheint wie durch einen Nebelumhang. Doch in Wahrheit trägt die Zeit ein funkelschönes, mit Diamanten besetztes Kleid.

Das nur die Menschen sehen, die sich ihre Kindheit bewahrten. Von Asphalt-Verkäufer Hasso Diedrich.

funkelt fast wie Diamanten und der Schatten des Windes zaubert einen Märchenwald. Von Asphalt-Verkäufer Thomas M. Weniger.

Eine kleine Geschichte zum Thema „ZEIT“ Meine Freunde fragten mich: Warum hast du oft so gute Laune? Ich dachte nach und überlegte. Da fiel mir ein: Meine Oma hat mir viel beigebracht – zum Beispiel Zeit zu haben, den fröhlich tanzenden Schneeflocken zuzusehen.

Als ich mal traurig war, weil ich meinte, keine Zeit zu haben, schneite es. Ich sah zu, wie alles in der Natur eingehüllt wurde – wie mit einem weiten Umhang, silbern und mit Diamanten bestickt. Diese Schönheit anzusehen und zu bemerken, erfordert eigentlich nur eines: Zeit. Foto: Colin Cramm/Fotolia

Von Asphalt-Verkäuferin Inge-Lore Rackisch.


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Foto: b_susann

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Eine kleine Geschichte zum Thema „LEBEN“

Eine kleine Geschichte zum Thema „MUT“

Auch in einem tristen Monat geht das Leben weiter. Auch aus einem Nebelumhang muss man nicht unbedingt mit griesgrämiger Miene heraustreten, gute Laune führt oft zu einem funkelschönen Strahlen, auch in deinem

Gesicht ist das möglich. Da war er wieder. Der Drache. Ich war eben aus dem Bett gestolpert und zur Toilette gewankt. Der erste Blick in den Spiegel war die erste Überraschung. Statt eines verschlafenen Selbst blickte er mich aus dem Spiegel an. Der Drache. Eine mich in den letzten Monaten verfolgende Halluzination. Er war schon aus dem Kühlschrank gekommen und schlief normalerweise unter meinem Sofa. Ich nickte ihm zu und warf einen Blick aus dem Fenster. Tristes Wetter.

Das gehört eben zum Leben. Von Asphalt-Verkäufer HaDe.

Ich beschloss, mich dennoch auf den Weg zu machen. Einer inneren Eingebung folgend, steckte ich ein paar Nüsse in meine Manteltasche. Auf dem Weg zur Bahn: Wind.

In der Bahn: finstere Mienen, die ich schon länger zu kennen glaubte. »Vielleicht sind sie auch einfach nur alle gleich.« Ich drehte mich um und erschrak. Der Drache saß auf meiner Schulter. Das war das erste Mal, dass er mit nach draußen kam. Gut, dass ich die Nüsse eingesteckt hatte … Während ich diesen Tag in seiner Gänze Revue passieren lasse, bin ich sehr froh über seine Begleitung.

Vielleicht hätte ich es ohne ihn gar nicht zum Arbeitsamt geschafft. Von einer Asphalt-Verkäuferin.

Seit September 2015 gibt es eine regel­ mäßige kreative Schreibwerkstatt für Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer. In spielerischen Schreibübungen entste­ hen hier authentische Texte, von denen immer wieder einige im Asphalt-Magazin veröffentlicht werden.

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RUND UM ASPHALT

Liebe Leserinnen und Leser, drei Jahre Asphalt. Drei Jahre Entwicklungen, Neuerungen und Veränderungen. Drei Jahre viel auf den Weg gebracht und viel geschafft. Eingestiegen zur 20-Jahr-Feier im Sommer 2014 folg­ ten für mich als Asphalt-Geschäftsführer alsbald die Arbeiten zur Ausweitung des Asphalt-Vertriebsgebietes samt dazuge­ höriger Regionalausgabe Asphalt Nordwest. Zudem wurde das Erscheinungsbild des Magazins neu justiert. Frischer, lesbarer und umfangreicher. Seit Dezember 2015 verkaufen Wohnungs­ lose und von Armut betroffene Menschen nun in Oldenburg, Wilhelmshaven und Leer eine speziell für den Nordwesten her­ gestellte Asphalt-Version. In 2016 wurden wir dafür bei den International Street Paper Awards ausgezeichnet. Dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, trotz der damit verbun­ denen Preiserhöhung Asphalt die Treue gehalten haben, freut mich sehr. Es war ein Wagnis. Heute, Stand März 2017, können sich 170 Verkäufer auf Asphalt verlassen. Auf die Redaktion, auf den Vertrieb, auf Sie, liebe Leserinnen und Leser, liebe Spende­ rinnen und Spender. Und nicht zuletzt auf die sehr engagierte Gruppe der Ehrenamtlichen. Mit vielen tollen Eindrücken ver­ lasse ich dieses einzigartige soziale Projekt, um mich neuen Her­ ausforderungen zu stellen. Mein großer Dank gilt dem Team der Mitarbeitenden, den Herausgebern und Gesellschaftern für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich gehe vor allem im Respekt vor der großen Leistung all der Verkäuferinnen und Verkäufer, die ihr Leben wieder in die Hand nehmen – mit Hoff­ nung und Mut. Vielen Dank und auf Wiedersehen, Ihr Reent Stade

Asphalt unterwegs im Land, dies­ mal: Mandelsloh, genauer Luttmersen, 45 Autominuten nördlich von Hannover. Der traditionell dort bestens organisierte Landfrauenverband hatte Asphalt-Ver­ triebsleiter Thomas Eichler eingeladen. Und der berichtete. Von der Not man­ cher Wohnungsloser und vom Straßen­ zeitungskonzept, wie es Menschen zur Selbsthilfe hilft. Das Interesse der anwe­ senden 70 Landfrauen sowie des einen Landmannes, nämlich Ortsbürgermeister Günter Hahn, war groß. Und die Herzen der Anwesenden ebenfalls. Eine Spende von 635 Euro überreichte die Vorstandsvorsitzende der Landfrauen, Irene Hornbostel, im Anschluss. Dass auch die Asphalt Spezialausgabe »Poe­ try« von jeder zweiten der anwesenden Landfrauen mit nach Hause genommen wurde, freut uns zusätzlich. Wir sagen Danke und freuen uns schon auf den Besuch der engagierten Damen bei uns in der hannoverschen Oststadt. Wenn Sie zum sozialen Asphalt-Stadtrundgang anreisen werden. MAC

Foto: privat

Foto: privat

Eine Landpartie


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O -To

Asphalt-Verkäufer Hasso Diedrich: Kontakte knüpfen, für die Sache werben: Neun Teilnehmer aus dem letztjährigen Projekt Wohnungslosentreffen/Sommercamp in Freistatt waren Ende Januar nach Waldbröl ins Bergische Land gefahren. In Waldbröl gibt es eine große diakonische Wohnungsloseneinrichtung, das »Haus Segen­ born«. Bei der Einwohnerversammlung haben wir uns über ihre Arbeits­ weise und Ziele informiert, unser Sommercamp in Freistatt/Diepholz vorgestellt und die Bewohner eingeladen, dort im Juli mitzumachen. Spät­ nachmittags sind alle Neune dann nach Köln zur Initiative »Bauen Wohnen und Arbeiten« weitergereist. Wir hatten sehr interessante Gespräche über deren Projekte. Auf dem Grundstück einer ehemaligen Kaserne entsteht dort in gemeinschaftlicher Arbeit ein Wohnprojekt mit 46 Wohneinheiten, acht Bauwagenplätzen und einige kleine Gartenhäuschen für Menschen, die den Schritt von der Straße in eine eigene Wohnung noch scheuen. Wo ist eine solche Initiative in Hannover? Auch wir haben leere Kasernen! Im Mai ist unsere Sommercamp-Initiative übrigens auf dem Kirchentag in Berlin zu Gast. Das Sommercamp für Wohnungslose und ehemals Woh­ nungslose selbst findet in Freistatt vom 24. Juli bis zum 30. Juli 2017 statt.

Unterstützung in Weiß Seit Jahren ist die Apothekerin Azar Baradaran treue Asphalt-Leserin. Weil sie aber nicht nur ihren Stammverkäufer unterstützen, sondern dem gan­ zen Projekt etwas Gutes tun wollte, bat sie ihre Kunden in der Vorweih­ nachtszeit um eine kleine Spende für Asphalt. Den Kunden der GalenusApotheke in Hannover Ricklingen gefiel die Idee und so füllte sich der Spendentopf. 170 Euro kamen zusammen. Die Apothekerin, die nun schon zum zweiten Mal für uns sammelte, machte die Summe rund und spendete selbst noch einmal 30 Euro. Wir bedanken uns herzlich bei Frau Baradaran (neben Redaktionsleiter Volker Macke) und ihrem freundlichen Team für die wiederholte Unterstützung unseres Projekts. SKO

gesucht – gefunden Verkäufer Jens: Suche einen DVB-T2 HD Receiver, einen Flachbildfernseher und ein Herrenrad 28 Zoll. Vielen Dank. [V-Nr. 2093] Kontakt: 0152 – 23 27 82 81. Verkäuferin Sissy: Ich suche einen Wäschetrockner. [V-Nr. 1982] Kontakt: 0177 – 930 89 21. Verkäufer Thomas: Suche ein autarkes Kochfeld aus Glaskeramik mit vier Platten. [V-Nr. 2260] Kontakt: 0151 – 63 11 29 51. Verkäufer Tom aus Celle: Suche kostenlose Lektoren zur Korrektur meines 600 Seiten umfassenden Skriptes zum Thema »Wahrhaftige Schicksale des alten DDR-Regimes«. [V-Nr. 192] Kontakt: 05141 – 48 23 61. Verkäufer Wolfgang: Ich möchte mich herzlich bei allen SpenderInnen bedan­ ken, die dafür gesorgt haben, dass wir neue Jacken bekommen. Sie sind warm und richtig schön! Meine Kunden erken­ nen mich nun schon von Weitem. Danke!

Wir trauern um unseren langjährigen Asphalt-Verkäufer, der bei einem Besuch in seiner Heimat Ukraine unerwartet verstarb.

Valentyn Linbarskyi

Foto: S. Kohl

*4.3.1937  † 21.1.2017

Alle Verkäuferinnen und Verkäufer und das gesamte Team von Asphalt.

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Wohnungslose auf Werbetour

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RUND UM ASPHALT

Theaterwerkstatt im Pavillon, Bühne frei auf »Bühne Zwei«. Ein Abend voll Musik für den guten Zweck. Mit Blues und Rockklassikern sorgte die Coverband Odd’n Sane für einen ordentlichen Kaltstart in der Aufwärmwärmphase des Benefizabends. Die 100 Gäste waren von der voluminösen Stimme von Sänger Tom Heller schnell eingenommen. Im Anschluss nach mehr als zehn Jahren das erste Mal – extra für Asphalt – wieder auf der Bühne: Die Speed-Pop-Band Oversize rund um Sängerin Jenny begeisterte mit eingängigen, tanzbaren Melodien. Weit härter dann The Comets of Doom: virtuos arrangierter Indie-Metall, klare Linien, imposante Stimme. Zu Recht war die Band beim letzten Asphalt Protest-Song-Contest mindestens Zweiter gewor­ den. Alle drei Bands teilen sich einen Übungsraum, zum Schluss des Konzerts auch die Bühne (Foto)

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Foto: V. Macke

Hart und akustisch für Asphalt

und schon lange die Begeisterung für das Asphalt-Projekt. Die Einnahmen des Abends gingen komplett an unser Straßen­ magazin: 555 Euro. Wir danken allen, die mitgemacht haben und der Theaterwerkstatt für die Unterstützung. MAC

Forschers Basar

a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Wenn etwas zum elften Mal erfolgreich läuft, dann ist das schon eine Tradition. Dann ist eine Verbin­ dung entstanden, die uns dankbar macht. Auch über die Jahreswende 2016/2017 hatten die Mitarbei­ terinnen und Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) wieder ihren Bücherbasar organisiert. Sie spende­ ten Bücher, bestückten damit Regale der hauseige­ nen Bibliothek und boten den Lesestoff sich dann gegenseitig für einen Euro zum Kauf an (Foto). Das so eingenommene Geld hat die sozial engagierte Dokumentarin des Instituts, Cornelia Jürgens, bei Asphalt vorbeigebracht. Diesmal 435 Euro. Wir dan­ ken dem ITEM-Team ganz herzlich. MAC

Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475

Foto: Cornelia Jürgens

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen.


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Foto: privat

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MITEINANDER Die Gründung der legendären Kommune I liegt 50 Jahre zurück. Auch heute noch bilden Personen mit alternativen Lebenskonzepten Interessengemeinschaften. Sie leben und wirtschaften miteinander, sind politisch aktiv und organisieren kulturelle Projekte wie die Auennacht. Wenn die Wohn- und Lebensgemeinschaft aus der Heinser Straße 4 in Deilmissen einmal im Jahr zur Auennacht einlädt, werden die Parkplätze in dem kleinen verschlafenen Dorf im Leinebergland knapp. Immer im Spätsommer organisiert die Kommune ein Fest in dem großen Garten am Haus – mit Licht und Feuer, Musik und Kunst. Das Kulturereignis ist das wichtigste gemeinsame Projekt der Bewohner und vieler freiwilliger Helfer. Die Landkommune in Deilmissen hat eine lange Vergangenheit. »Im nächsten Jahr werden es 30 Jahre, die das Haus auf diese besondere Weise bewohnt wird«, berich-

tet Andrea Flor, die seit 29 Jahren Teil der Wohn- und Lebensgemeinschaft ist. »Insgesamt 58 Menschen haben hier schon gewohnt.« Anfangs war ein Selbstversorgerhof geplant, ganz im Sinn der Aussteigerbewegung der Achtziger. Im großen Garten rund um das geräumige Backsteinhaus stehen immer noch die Obst- und Walnussbäume von damals und tragen zur Versorgung der derzeit 13 Bewohner zwischen sechs und 71 Jahren bei. Drei Katzen, zwei Hunde, zwei Kaninchen, vier Hühner und ein Hahn leisten ihnen Gesellschaft. Wer in die Heinser Straße 4 zieht, lässt sich auf Gemeinschaft ein.


Fotos: S. Szameitat

Andrea Flor, Majo Stelljes, Lea Guhl, Patrizia Benincasa, Ulrich Lennart und

Danilo Stahn ist vor vier Jahren in die

Ilse Pfaffe (von links) am Küchentisch, dem Mittelpunkt ihres Zusammenlebens

Landkommune in Deilmissen eingezogen,

in der Landkommune in Deilmissen

Ilse Pfaffe erst im Sommer 2016.

»Wir Menschen sind soziale Wesen und für das Alleinsein nicht geeignet«, erklärt Andrea Flor. »Wir haben nicht alle dieselben Fähigkeiten, deshalb sind die anderen eine Bereicherung und Spiegel des eigenen Seins. Erst das Zusammensein mit anderen ermöglicht persönliches Wachstum.« Ursprünglich hatte die Ostwestfälin zusammen mit Freunden nach Tasmanien auswandern wollen. Zuerst allerdings sollte ihr erster Sohn noch in Deutschland zur Welt kommen. Nach der Geburt waren ihre Freunde bereits aus Tasmanien zurückgekehrt. Doch das Leben als Gemeinschaft hatten weder ihre Freunde noch Andrea aus den Augen verloren. Gemeinsam suchten die Drei mit ihren drei Kindern nach einem geeigneten Gebäude und wurden in Sichtweite des Ith fündig. »Wir haben das Haus als Ruine gekauft und nach und nach ausgebaut«, erinnert sich Andrea an die Anfänge. Inzwischen haben die Bewohner mehrere Firmen, die alle miteinander vernetzt sind, in der einstigen Ruine gegründet. Abgesehen von einer im Haus ansässigen Landheilpraxis dreht sich das Geschäft hauptsächlich ums Feiern: Die »Feuerküche« versorgt Gäste bei Veranstaltungen und auf Privatpartys, es werden Sonnensegel und Zelte verliehen und montiert oder Kontakte zu Künstlern und Theatergruppen vermittelt. Damit sich die unterschiedlichen Menschen auch verstehen, müssen sie sich in den wesentlichen Punkten einig sein. Zum Beispiel beim Thema Geld. Unabhängig von ihren jeweiligen Einlagen haben alle Bewohner das gleiche Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen. Wenn Entscheidungen über Reparaturarbeiten gefällt werden müssen oder darüber debattiert wird, ob jemand neu einziehen soll, wird nicht abgestimmt, sondern es gilt das Konsensprinzip. Das Plenum trifft sich in unregelmä-

ßigen Abständen, je nach Bedarf. Der Ort bleibt dabei aber immer derselbe: Entschieden wird am großen Küchentisch. In der Heinser Straße 4 kann nichts vererbt werden. »Besitz ist nicht das, was trägt im Leben«, betont Andrea Flor. Als wertvoll haben sich der lange diskutierte Kauf- und Nutzungsvertrag und die Hausordnung bewährt. »Das ging nach dem Motto ›Was fällt einem Böses ein, was alles im Zusammenleben passieren kann‹«, erklärt die Kommune-Pionierin. Auch wenn es gemeinsame Regeln braucht, empfindet Majo Stelljes insbesondere die Verschiedenartigkeit seiner »Wahl-Familie« als menschliche Bereicherung. Das gilt auch für Ilse Pfaffe, die erst im Juli 2016 eingezogen ist. Mit ihren 71 Jahren ist sie die älteste Bewohnerin und findet das Leben in Deilmissen »gewöhnungsbedürftig aber gut«. Nachdem ihr Mann vor zwei Jahren starb, verkaufte sie ihr Haus und wurde Teil der Kommune. Ihre bürgerliche Existenz aufgegeben zu haben, bereut Ilse nicht.


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Andrea Flors Ansicht nach bestehe das Erfolgsrezept der eine neue Heizung eingebaut und rund 30 Fenster Lebensgemeinschaft darin, »so wenig Regeln wie möglich« in Eigenarbeit erneuert.« Mit dem Wohnhaus haben aufzustellen. So wird in der geräumigen Küche entweder die Bewohner immer viel zu tun. »Wir waren hier gemeinsam gekocht oder jeder bereitet sich einzeln etwas zu. nie mehr als vier, aber wir sind eigentlich zu wenig«, meint Ast r id. Denn: Den Ungezwungen soll das Miteinander Wohn- und Lebensgemeinsein. »Abends am Küchentisch finschaften im ländlichen Raum det sich immer jemand zum Klönen, »Erst das Zusammensein fehlt der Nachw uchs. »Mit manchmal spielen wir auch Karten«, mit anderen ermöglicht einem Altersdurchschnitt von beschreibt Lea Guhl das gemeinsame persönliches Wachstum.« 40,5 Jahren sind sie überalLeben. Mit 27 Jahren ist sie eine der Andrea Flor tert,« resümiert Astrid. jüngsten in der Kommune. »Und wenn Gelegen heit den Nachman will, kann man in den vielen lauschigen Ecken auf unserem Riesengrundstück, im eigenen wuchs für ein Leben in der Landkommune zu Zimmer oder im Bauwagen allein sein.« Auch wenn Deilmis- begeistern, haben zumindest die Bewohner der sen sehr ländlich gelegen ist, muss nicht jeder der Bewohner Wohn- und Lebensgemeinschaft in Deilmissen ein Auto haben. Das Zusammenleben erleichtert gemeinsame wieder bei ihrer diesjährigen Auennacht, die für Unternehmung wie Theater-, Konzert- oder Kinobesuche. den 9. September fest im Terminkalender steht. Dafür ist Patrizia Benincasa verantwortlich. »Sie ist unser Sabine Szameitat Kulturattaché und macht uns auf interessante Veranstaltungen aufmerksam«, erklärt Majo. »Von hier aus fahren wir dann nach Gronau, Hildesheim, Alfeld, Hameln oder Hannover.« Auch die Bewohner der Kommune in Uthlede, das zwischen Bremen und Bremerhaven liegt, fühlen sich nicht abgeschnitten vom Stadtleben. »Wir nehmen an Aktionen und Demonstrationen teil, schließlich ist Bremen nur 35 Kilometer entfernt«, berichtet Astrid, die seit der Gründung 2002 dabei ist. »Wir diskutieren viel, weil wir uns als politische Kommune verstehen.« Zusammen mit 35 anderen Kommunen in Deutschland und Österreich haben sie sich im Kommuja-Netzwerk einem gemeinsamen Leitsatz verpflichtet: »Wir wollen ein gleichberechtigtes Miteinander, Machtstrukturen lehnen wir ab. Wir wollen die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern und uns vom herrschenden Verrechnungs- und Besitzstandsdenken lösen«, heißt es da. Für die derzeit drei Mitglieder der Kommune Uthlede – alle um die 50 Jahre alt – bedeutet das, dass sie ihre Einkommen zusammenlegen. »Wir haben aber einen AusGBH und union-boden bündeln stiegsvertrag ausgemacht. Darin ist beispielsweise festgelegt, ihre Kräfte – mit Hannoverherz dass jemand, der auszieht, sein Startkapital wieder ausgezahlt und Immobilienverstand. bekommt«, erklärt Astrid. Ursprünglich war die Kommune Uthlede – wie die meisten der heute noch existierenden Landkommunen auch – als Selbstversorgergemeinschaft gedacht. Doch autark leben wollen heute nur noch die wenigsten. In Uthlede würden dafür ein 4.000 Quadratmeter großer Garten und kleinere, kaum nutzbare Ländereien zur Verfügung stehen. »Der Gemüseanbau ist zurückgegangen, Obstbäume und Sträucher sind weniger geworden«, erzählt Astrid. Hühner, Enten, Gänse, Laufenten und Schafe gibt es auf dem 1904 gebauten Hof auch heute noch. hanova.de Bis in die 90er Jahre existierte hier eine Kneipe mit Festsaal. »Scheune und Stallungen waren sehr vernachlässigt, wir haben

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Zwei starke Partner eine gemeinsame Zukunft

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BUCHTIPPS Kulturkampf von rechts Mit Pegida beansprucht erstmals ein sich bürgerlich gebender völkischer Nationalismus die Straße, mit der AfD erzielt eine rechtspopulistische Partei Wahlerfolge, die vor weni­ gen Jahren vielen kaum möglich erschienen. Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung analysiert in dem Sammelband »Kulturkampf von rechts« die ideolo­ gische Basis der Neuen Rechten, ihre Vordenker und Themen. Das Schlusskapitel heißt »Was tun?«. Die AutorInnen weisen auf die Verbindung zwischen Neoliberalismus und Rechtspopulismus im AfD-Konzept eines »nationalen Wettbewerbsstaates auf völkischer Basis« (Helmut Kellershohn) hin, beschreiben die Rechtspopulisten Europas als »Produkt politischer Legitimationskrisen« (Alexander Häusler) und betonen die Rolle neurechter Protagonisten als Wegbereiter eines »geistigen Bürgerkrieges«. Die dezidiert wissen­ schaftlichen Beiträge sind keine leichte Lesekost, liefern aber erhellende Einsichten. BP Helmut Kellershohn, Wolfgang Kastrup (Hg.) · Kulturkampf von rechts. AfD, Pegida und die Neue Rechte · Edition DISS, Bd. 38 · 24 Euro

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Salafismus als Jugendkultur

bis 23. April 2017 DAS GLÜCK DER ERDE … Zossen, Rösser, Pferde in der modernen Kunst

Marc Chagall, aus „Arabian Nights – Four Tales from the Arabian Nights“, 1948 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: Michael Herling/Aline Gwose, Sprengel Museum Hannover

Mit dem Salafismus hat sich eine Strömung des Islamismus entwi­ ckelt, die medienwirksam – z.B. durch die Koranverteilungen der inzwischen verbotenen LIES!Kampagne –, mit aggressiver Missionsarbeit und als Radikali­ sierungsmaschine in den Jihad die europäischen Gesellschaften herausfordert. Salafistische Strömungen bilden zwar nur eine Splittergruppe unter den vier Millionen Menschen muslimi­ schen Glaubens in Deutschland, allerdings die am schnellsten wachsende. Salafisten werben vor Schulen, in Jugendzentren, Flüchtlingseinrichtungen, im Internet. Der soeben erschienene Sammelband »Salafismus in Deutschland« betrachtet die sala­ fistische Bewegung als Jugendkultur. Und fragt, was den rigidasketischen Antimodernismus der Salafisten für westlich sozia­ lisierte Jugendliche attraktiv macht. Dazu werden Ansätze zur De-Radikalisierung und pädagogischen Prävention vorgestellt. Eine so spannende wie hilfreiche Aufsatzsammlung auf aktuel­ lem Forschungsstand. BP Ahmet Toprak, Gerrit Weitzel (Hg.) · Salafismus in Deutschland. Jugendkulturelle Aspekte, pädagogische Perspektiven · Springer VS · 29,99 Euro

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Bühne Meine Kresse! – Ein Mann sieht grün

Sumpfe Slam

Björn Pfeffermann möchte endlich sesshaft werden – im Rei­ henhäuschen sitzt die hochschwangere Freundin und fordert Taten. Der ganze Mann ist gefragt. Das nahe Ziel nun: Der Gar­ ten muss bestellt werden. Doch damit fangen die Probleme an. Denn ein moderner Stadtmensch hat zwar alles von Apple, aber nichts mehr in der Birne. Und schon mit dem ersten Spatenstich werden Fragen aufgeworfen, die Google nicht beantworten kann: Was für einen Baum soll man setzen? Hainbuche, Augen­ weide oder Randfichte? Sind Kiefern, die man in Flipflops pflanzt, automatisch Latschenkiefern? Dazu lauern überall grau­ same Gegenspieler: Nacktschnecken, Nagetiere und Nachbarn. Der diplomierte Landschaftspfleger Björn Pfeffermann nimmt das Publikum mit in die grausame Absurdität deutscher Vor­ stadtgärten – Kabarett vom Feinsten. 17.3., 20 Uhr, Die Hinterbühne, Hildesheimer Straße 39a, Hannover. Eintritt 15 Euro, erm. 10 Euro.

Gerade einmal sieben Minuten haben die PoetrySlammer Zeit, das Publikum für sich einzunehmen. Sieben Minuten, in denen alles passieren kann: Von nahezu ekstatischer Buchstaben-Aneinanderreihe­ rei in atemberaubender Geschwindigkeit bis hin zum poetisch dargebotenen Live-Lyrik-Vortrag. Dabei geben sich arrivierte Slammer und enthusias­ tische Newcomer die Klinke, beziehungsweise das Mikrofon in die Hand: Eine Dichterschlacht allerers­ ter Güte bei der sich die Wortakrobaten ihr textli­ ches Talent unter Beweis stellen. Moderiert wird der Abend von Gerrit Wilanek aus Hannover (»Macht Worte«), der seinerseits ebenfalls als versierter Poetry-Slammer bekannt ist. 24.3., 20 Uhr, Sumpfblume, Am Stockhof 2a, Hameln. Eintritt: 7 Euro.

Vortrag Portrait einer Wasserstraße Wie ein blaues Band zieht sich die längste künstliche Wasserstraße Deutschlands 325 Kilometer durch die norddeutsche Tiefebene: der Mittellandkanal. Und obwohl sich in dem Gewässer mehr als 150 Jahre deutscher Geschichte spiegeln, wissen die meisten Zeitgenossen nicht viel darüber. Der Fotograf und Autor Bernd Ellerbrock portraitiert ihn nun faktenund facettenreich in Wort und Bild. Während seiner fotografischen Reise von West nach Ost lässt er die Zeit vom wilhelminischen Kaiserreich bis zur Wieder­ vereinigung Revue passieren, erklärt Anlagen und Bauten, erzählt auch manch unbekannte und kuriose Geschichte, um bei den Themen der Neuzeit zu enden, die von Containerschifffahrt oder Nutzung des Kanals als Pumpenergiespeicher handeln. 8.3., 19 Uhr, Bildungsverein, Wedekindstraße 14, Hannover. Eintritt: 5 Euro.

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KULTURTIPPS

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Lesung Düsteres Nachkriegs-Wien

Ausstellung Frühling der Frauen Rojava – das steht für eine faktisch autonome Kurden-Region im Norden des zerrissenen Staates Syrien. Mitten im Bürgerkrieg entsteht hier der Versuch, eine friedliche Gesellschaft in Form eines demokratischen Konföderalismus zu schaffen. Kernpunkte sind die Gleichberechtigung von Ethnien, Religionen und Geschlechtern sowie die Selbstverwaltung durch Kommunen und Räte. Die Ausstellung »Rojava – Frühling der Frauen« ver­ anschaulicht vom 1. bis 27. März dieses einzig­ artige Projekt. Zum Begleitprogramm gehören außerdem zwei Veranstaltungen: Am 1. März geht es um das Thema »Ohne Freiheit der Frau keine Demokratie«; am 16. März wird über den »Aufbau einer Basisdemokratie in einer Kriegs­region« diskutiert. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. 1. bis 27.3., 10 Uhr, Pavillon, Lister Meile 4. Eintritt frei.

In ihrem Kriminalroman »Der zweite Reiter« entführt die Autorin Alex Beer ihre Leser in ein düsteres Wien kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs: Der Glanz der ehemaligen Weltmetropole ist Vergan­ genheit, die Stadt versinkt in Hunger und Elend. Polizeiagent August Emmerich, den ein Granatsplit­ ter zum Invaliden gemacht hat, entdeckt die Leiche eines angeblichen Selbstmörders. Doch dem erfah­ renen Ermittler kommen Zweifel. Da er keine Beweise vorlegen kann, und sein Vorgesetzter nicht an einen Mord glaubt, stellen er und sein junger Assistent selbst Nachforschungen an. Eine packende Jagd durch ein bedrohliches, von Nachkriegswehen geplagtes Wien beginnt. Und bald schwebt Emme­ rich selbst in tödlicher Gefahr. 22.3., 19.30 Uhr, Leuenhagen und Paris, Lister Meile 39, Hannover. Eintritt: 9 Euro.

Musik Akustik-Session Mundharmonika, Akkordeon, Geige, Mandoline, Saxophon, Klarinette, Piano, Trommel, Didgeridoo und natürlich Gitarre – die Auswahl an Instrumenten, die von den Musikern zu den beliebten Akustik-Ses­ sions ins Café Lohengrin mitgebracht werden, ist groß. Nur eine Einschränkung gibt es: Sie müssen gänzlich unverstärkt spielbar sein. Seit mittlerweile gut zehn Jahren gibt es diese jeweils am zweiten Dienstag des Monats stattfindende Auftrittsmög­ lichkeit für Musiker jeder Könnens- und Wollens­ stufe: Liedermacher, Songwriter, Instrumentalisten, Sängerinnen und Sänger mit und ohne Begleitung – erlaubt ist, was Spaß macht. Jeder Musiker hat etwa 15 Minuten, beziehungsweise in der Regel drei Stücke Zeit, sein Schaffen vorzustellen. Das Publi­ kum erlebt so etwa zehn Acts pro Abend auf der Bühne. Und eins ist dabei immer gewiss: Es gibt viel zu entdecken und viel zu hören. 14.3., 19.30 Uhr, Café Lohengrin, Sedanstraße 35, Hannover. Eintritt frei.


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Voluminöser Chorklang Gleich zwei Werke französischer Meister bringt das Collegium Vocale Hannover zusammen mit dem Oldenburger Kammerchor und dem Jungen Sinfonieorchester Hannover zu Gehör: Zum einen das »Strabat Mater« von Francis Pulenc, zum anderen das »Requiem« von Gabriel Fauré. Ersteres basiert auf der gregorianischen Choralmelodie eines mittelalterlichen Gedichts, das den Schmerz der Mutter Jesu um den Gekreuzigten als zen­ tralen Inhalt hat. Zweiteres ist ein klanglich friedvolles und kammermusika­ lisch-intimes Werk. Die Marktkirche in Hannover bietet den spirituellen und musikalischen Resonanzraum für Chor und Orchester. 25.3., 18 Uhr, Marktkirche, Hans-Lilje-Platz 11, Hannover. Eintritt: 15 – 20 Euro, erm. 10 – 15 Euro.

Kinder Die Abenteuer des hässlichen Entleins Irgendwie schlägt das siebte Küken aus der Art, findet die Entenmutter. Es ist anders als die anderen und das gefällt ihr überhaupt nicht. Nachdem es die Schikanen seiner unfreundlichen Familie satt hat, macht sich das nur scheinbar hässliche Entlein auf den Weg, um seinen Platz in der Welt zu finden. Bis es so weit ist, lernt es unterschiedliche Tiere und Menschen kennen, muss Hindernisse überwinden und schließlich ganz schön viel Mut aufbringen, um zu verstehen, wer es eigentlich ist. Die Inszenierung macht mit Schauspiel, Musik und Tanz die tiefgründige Geschichte auch für kleine Kinder ab drei Jahren sinnlich erfahrbar. Der Klassiker von Hans Christian Andersen als Kindermusical. 9.3., 11 Uhr, Theater für Niedersachsen, Theaterstraße 6, Hildesheim. Eintritt: 7 Euro, erm. 5 Euro.

Kreative Holzwerkstatt Holz ist Natur, Holz fühlt sich gut an, Holz regt die Phantasie an: In der kreativen Holzwerkstatt des Stadtteilzentrums Ricklingen können Kinder ab sechs Jahren sich im Umgang mit verschiedenen Werkzeugen üben und lernen besondere Techniken der Holzgestaltung kennen. Gemeinsam in der Gruppe wird gesägt, gehämmert, gelacht, geleimt und angemalt. Hauptsache es macht Spaß und findet zusammen statt. Dabei kann alles entstehen – von Kunst zum Handwerk und zurück! Schließlich ist das ganz eigene Werkstück fertig und kann von den jungen Holzwerkern selbstver­ ständlich mit nach Hause genommen werden. 18.3., 10.30 Uhr, Ricklinger Stadtweg 1, Hannover, Kosten: 1,50 Euro (mit Hannover-Aktiv-Pass 0,75 Euro). Anmeldung erforderlich unter Tel. 0511 – 168-49596 oder 168-49595.

36 Am Lindener Berge 38 30449 Hannover Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

März 2017 Samstag, 4. März THE EXCITEMENTS Soul and R&B from Barcelona Eintritt: 20 Euro Donnerstag, 9. März Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert: HEINZ SAUER & JASPER VAN’T HOF Eintritt: 20 Euro/ermäßigt 15 Euro Freitag, 10. März BARRELHOUSE JAZZBAND Eintritt: 25 Euro/ermäßigt 20 Euro Samstag, 18. März OMER KLEIN TRIO DEUTSCH-ISRAELISCHE KOOPERATION Eintritt: 20 Euro/ermäßigt 15 Euro Freitag, 24. März THE BLUES COMPANY FEAT. THE BC HORNS Eintritt: 20 Euro Dienstag, 28. März Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert: OZ NOY TRIO FEAT. JIMMY HASLIP & KEITH CARLOCK Eintritt: 20 Euro/ermäßigt 15 Euro Freitag, 31. März PE WERNER & FRANK CHASTENIER Eintritt: 20 Euro

Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

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IHR ENGAGEMENT

Machen Sie mit! Impressum

Herausgeber: Prof. Dr. Heiko Geiling, Hanna Legatis, Rainer Müller-Brandes

Gründungsherausgeber: Walter Lampe

Geschäftsführung: Rainer Müller-Brandes

Redaktion: Volker Macke (Leitung), Jeanette Kießling, Svea Kohl, Ulrich Matthias

Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser

Freie Mitarbeit dieser Ausgabe: A. Düllick, S. Nolte, B. Pütter, S. Przybilla, G. Schild, W. Stelljes, S. Szameitat, K. Zempel-Bley Anzeigen: Heike Meyer

Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Christian Ahring (Sozialarbeiter)

Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Herstellung: eindruck, Hannover

Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 25.000

Asphalt erscheint monatlich.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 17. Februar 2017

Für unaufgefordert eingesandte Manu­ skripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung nur, wenn Porto beigelegt wurde.

An jedem letzten Dienstag im Monat trifft sich die Runde der Ehrenamtlichen in den hannoverschen Asphalt-Redaktionsräumen. Da werden Veranstaltungen organisiert, Info-Stände geplant und Ideen gesammelt, um die Arbeit von Asphalt engagiert zu unterstützen. Besonders für unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer ist es wichtig zu spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen. Wir freuen uns, wenn Sie sich dieser lebendigen Runde anschließen möchten! Rufen Sie uns einfach vorher an: 0511 – 30 12 69-0. Das nächste Treffen ist am Dienstag, 28. März 2017, um 17 Uhr.

Asphalt dankt: G. Schumacher, A. Lange-Vester, J. + A. Gruene, G. Hamscher, I. Reichwehr, A. Dietrich, Y. Guenay, T. Bieber, R. Diepen, B. Juenemann, H. Weber, I. + R. Bierwisch, U. Heymann, I. Doering, G. Becker, C. S. Wienker, S. Weber, Flughafen Hannover-Langenhagen, G. + H. Buchholz, B. Rahn, K. + G. Fladt-Staehle, H.-J. + C. Strobel, R. Koenig, A. Herrmann, K. Rathsack, A. + R. Hennig, H. Meyer, D. Kleensang, dm Drogeriemarkt, M. Buentjen, D. Hyrschke, E. + P. Lissner, A. + H. Werner, J. + E. Schmidt, G. + B. Puhrsch, I. Mueller, G. Rotter, U. Kugel, W. Liesche, A. Backe, Dr. G. Koch-Wagner, H. Scholz, H. Weisse, S. Grziwa, S. Hoefling-Deister, A. Hitzig, F. Suhr, F. Sojka, M. Kolde, W. Deppe, W.-H. vonder Muelbe, I. Handrock, H. Rhein, H. Lange + A. Lange-Kaluza, S. Schneider, E. + P. Reinfelder, F. C. Molden­ hauer, R.- Rost-Dittrich, U. Langendorf, B. + O. Meier, E. Meinhardt, Kulturpalast Linden e. V., H. Falbrede, C. Heitmann, H. Ohler, A. Poppy, H. Toepfer, AWO Ortverein List, I. + J. Duden, R. + C. Ketelhake, Ev.-luth. Kirchengemeinde Wettbergen, Ev.-luth. Martin Luther-Kirchengemeinde, Ev.-luth. Michaelis-Kirchengemeinde, Ev.-luth. Kirchengemeinde Lede­ burg-Stöcken, E. Büchsel, T. Becker, P. Stock, M. Saeverin, B. Steveling, R. Gebauer, A. Groen, H. Bruening, S. Struss, C. Laage, G. Wildhagen, K. Kuckuck, R. Weiss, G. Streck, M. Eilers, L. Breunung, K. Keller-Herrlein, D. Bischoff, A. de Parade, W. + R. Koehler, R. Buddensiek, W. +  I. Suering, M. Lueders, H. Gundermann, A. + H. E. Kubis, R. Deerberg, A. Lichtenberg, Autohaus Krzykowski, R. Heinrich, R. + S. Pfeiffer, H. Guenter, U. Thiele, H. Scharlack-Becker, G. Kohlstedt, H.-W. Seider, K. Brauns, W. Rott, H.-J. Richter, K. Wirtz, M. Wolter, N. Radeck, H.-D. Roch, H.-U. Zedler sowie allen anonymen Spendern und allen Asphalt-Patinnen und -Paten.

Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger

Verkäuferausweise

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Aus den nachfolgenden Silben sind 18 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben jeweils von oben nach unten gelesen einen Spruch von Friedrich Georg Jünger (Schriftsteller; 1898 – 1970) ergeben: au – bau – bi – bin – bock – de – den – ein – el – ele – ent – es – fe – frie – ge – ge – gra – ha – horn – in – il – ler – ler – li – li – ment – nas – nau – neun – nus – oku – on – pau – ra – re – re – ri – ro – se – se – sen – sied – sper – stein – ta – tal – tau – ter – ter – ti – um – um – wen

1. Grundstoff 2. Teilnahme 3. Rhinozeros 4. Behälter für Reptilien 5. Wiederherstellung der Gesundheit 6. Sonntag in der Passionszeit 7. Unterbrechung einer Beschäftigung 8. westgermanischer Volksstamm

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal »Die seltsamsten Orte der Welt« von Alastair Bonnett – ein Buch voller gehei­ mer Städte, wilder Plätze, verlorener Räume und vergessener Inseln. Hier werden geographische Kuriositäten vorgestellt, die zeigen, dass auch für den modernen Menschen im »Google Earth«-Zeitalter das Entdecken nicht aufhört. Dreimal verlosen wir auch den praktischen Ratgeber »Brunch vegan« von Michaele Marmulla mit 75 genialen Rezepten von Mini-Frikadellen bis hin zu Schoko-Erdnussbutter-Cupcakes. Ob für drinnen oder draußen, klas­ sich oder ausgefallen, pikant, herzhaft oder süß: Hier gibt es eine Vielfalt leckerer, schneller und unkomplizierter veganer Köstlichkeiten. Für alle Brunch-Fans ein wahrer Glücksgriff! Ebenfalls dreimal gibt es die tolle Geschichte von »Mia und Lino – ein (fast) perfektes Hundewunder« zu gewinnen. Mia wünscht sich nichts sehnlicher als einen kleinen Hund. Sie hat tausend überzeugende Gründe parat, warum dieser Wunsch unbedingt erfüllt werden sollte. Tatsäch­ lich purzelt eines Tages der kleine Welpe Lino in ihr Leben und wirbelt es ordentlich durcheinander… Ein Roman für Kinder ab 9 Jahren. Die Lösung des Februar-Rätsels lautete: Zu einem guten Ende gehört auch ein guter Beginn. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de Einsendeschluss: 31. März 2017. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

9. Stadt am Südharz 10. fischartiges Wirbeltier 11. Stadt im bayerischen Wald 12. Veränderung eines Hauses 13. Eremit 14. Stauwerk 15. wegnehmen 16. Nebenfluss der Donau 17. Hochgebirgsziege 18. Mittelgebirge im Rhein-Main-Gebiet

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SILBENRÄTSEL

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Die City braucht freies WLAN. Die htp HotSpots für unterwegs.

Wir rn e m m kü uns!


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