2020 01 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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WIR KINDER VOM LAGER AUSGEGRENZT

BEGRENZT

ENTGRENZT

Aufwachsen im Obdach: Elend per Verordnung.

Überfälliges Urteil zu Hartz IV: Gericht deckelt Sanktionen.

Mittelschicht am Abgrund: der neue Film von Ken Loach.


7 Kindheit im Abseits Obdachlosenlager waren über drei Jahr­ zehnte bundesrepublikanische Realität. Barackensiedlungen, in denen Armut und Elend herrschten. Eine prekäre Heimstatt für Menschen in Not.

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Notizblock

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Angespitzt

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Marathon für Asphalt Asphalt ist dieses Jahr Sozialpartner von »eichels: Event« beim Hannover Marathon. Ein Kurzinterview mit Stefanie Eichel.

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Wir gedenken ... der im Jahr 2019 verstorbenen wohnungslosen Männer und Frauen.

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Briefe an uns »Ehrenamt tut gut« Mehr helfen! Wie es am besten geht erläutert Almut Maldfeld vom Freiwilligen­ zentrum Hannover.

22 Aus der Szene 23 Das muss mal gesagt werden 24 Rund um Asphalt 26 Aus dem Leben von Asphalt-Verkäuferin Simone

Der Kölner Professor und Armutsfor­ scher Christoph Butterwegge hat zum Jubiläum von Hartz IV Gerhard Schrö­ ders Sozial­reform auf den Prüfstand gestellt. Ein Gastbeitrag.

28 Rund um Asphalt/Impressum 30

Piquardts Genuss des Einfachen Der bekannte hannoversche Gastronom ist Autor, Olivenbauer und Kochanimator. Jetzt kocht er für Asphalt.

34 Buchtipps 35 Januar-Tipps 38 Silbenrätsel 39 Brodowys Momentaufnahme

Titelbild: Thomas Deutschmann

12 Armut ohne Ende?

Das Asphalt-Prinzip

32 Wieder mit Wut

Der Kultregisseur Ken Loach hat einen neuen sozialrealistischen Film gedreht. Am 30. Januar kommt er in die Kinos. Der Filmemacher im Gespräch über ein System, das so viele zurücklässt.

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchi­ gen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ih­ rem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren woh­ nungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hil­ fe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung. Spenden Sie bitte an: Asphalt gGmbH bei der Evange­ lische Bank eG, IBAN: DE35 5206 0410 0000 6022 30, BIC: GENODEF1EK1.


sie sollten keinesfalls besser als schlecht sein: Die Obdachlosen-Unterkünfte, damals vor 50, 60 Jahren in Hannover. Das war politische Vorgabe und entsprechendes Verwaltungshandeln. Und so gab es Barackensiedlungen, in denen Armut und Elend herrschten, mitten im Wirtschaftswunderland. Eine prekäre Heimstatt für Menschen in Not. Und für viele Kinder. Wir haben mit den Lagerkindern von damals gesprochen. Über ihre Angst, die Enge, ihren tristen Alltag und über das, was man heute vielleicht Mobbing in der Schule nennen würde. Und über die Entwicklung des heute wieder so umstrittenen Stufenmodells der Wohnungslosenhilfe. Ein Stück bisher unbekannte Hannover-Geschichte, exemplarisch für die Geschichte der Bundesrepublik. Den staatlichen Umgang mit der Würde des Menschen hat jüngst auch das Bundesverfassungsgericht auf dem Tisch gehabt. 15 Jahre nach der Einführung von Hartz IV hat es die unter dem Titel »Fördern und Fordern« geübte Praxis, Fehlverhalten und Eigenheiten von Hilfeempfängern zu sanktionieren, zu bewerten gehabt. Lesen Sie dazu gern unseren Gastbeitrag des renommierten Armutsforschers Christoph Butterwegge. Wenn ihr Paketdienst mit dem Schrottauto kommt oder gar mit einem Leihwagen, dann ist das die neue Gig Economy. Abhängige Solo-Selbstständige, die häufig von der Hand in den Mund leben. Ricky, Abby und ihre Kinder gehören zu dieser neuen Arbeiterklasse. Sie sind die Protagonisten in Ken Loachs neuem Film »Sorry We Missed You«. Der Kultregisseur legt wieder einmal mit Wut seine Finger in die Wunden. Wir haben mit ihm vor dem Filmstart gesprochen. Und damit das Unerträgliche erträglich wird, hilft übrigens gutes, faires Essen, liebe Asphalt-Freunde. Und kaum einer steht dafür so ein wie Jürgen Piquardt, der einstige Hannover-Gastronom. Jetzt ist er wieder da. In Asphalt. Das freut uns riesig. Freuen Sie sich auf seine neuen Kolumnen zum Genuss des Einfachen.

Einen angenehmen und erkenntnisreichen Start in 2020 wünscht

Volker Macke · Redaktionsleiter

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Liebe Leserinnen und Leser,

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Foto: Lea Lang

Tafeln fordern Hilfe Berlin/Hannover. Die Tafeln fordern mehr Unterstützung durch die Politik. Bundesweit arbeiten Ehrenamtliche allein bei den Tafeln rund 20 Millionen Stunden. Ein Jahr zuvor waren es noch 20 Prozent mehr. »Ein allgemeiner Trend: Die zeitlichen Möglichkeiten für freiwilliges Engagement sind beim Einzelnen im Laufe seines Lebens immer eingeschränkter«, sagte der Vorsitzende von Tafel Deutschland, Jochen Brühl. Um das Ehrenamt zu stärken, forderte er kostenfreie ÖPNV-Tickets für Ehrenamtliche. Darüber hinaus sollte ehrenamtliches Engagement bei der Berechnung der Rentenpunkte berücksichtigt werden. »180 Millionen Euro im Jahr würden die 60.000 freiwilligen Helferinnen und Helfer der Tafeln kosten, wenn sie mit Mindestlohn vergütet würden. Die Wertschöpfung, die durch Ehrenamt entsteht, ist unbezahlbar für eine Gesellschaft«, so Brühl. Aktuell versorgen die Tafeln bundesweit 1,6 Millionen Bedürftige. Neuer Negativtrend: Immer mehr Senioren sind darunter. MAC

Omas mit Courage Moringen/Kr. Northeim. Rund 400 Menschen haben in Moringen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus de­ mon­ s­­ triert. Anlass war eine zeitgleiche Kundgebung von Neonazis. Zu den Protesten hatte ein kurzfristig gebildetes Bündnis aufgerufen, dem unter anderem Parteien, die Moringer KZ-Gedenkstätte und die evangelische Kirchengemeinde angehörten. Der Kirchenvorstand hatte während der Kundgebung die Glocken der Kirche für einige Minuten läuten lassen. Die Veranstaltung der Neonazis um die rechtsextreme »Kameradschaft Einbeck« und die Partei »Die Rechte« richtete sich nach deren Angaben gegen eine angebliche »Pressehetze«. Sie stand offenbar aber auch im Zusammenhang mit einer abgebrochenen Führung in der KZ-Gedenkstätte. Im November habe eine Gruppe von Rechtsextremisten bei einem geführten Rundgang die Haftbedingungen in den früheren Konzentrationslagern der Stadt verharmlost und die Glaubwürdigkeit der Gefangenen diskreditiert, sagte Gedenkstellenleiter Dietmar Sedlaczek. Die Mitarbeiter der Gedenkstätte beendeten die Führung daraufhin. Anschließend posierten die Rechtsextremisten mit nach oben gerichteten Daumen vor der Gedenkstätte. In der Kleinstadt Moringen im Kreis Northeim hatten die Nationalsozialisten je ein Konzentrationslager für Männer, Frauen und männliche Jugendliche eingerichtet. EPD

Unkontrollierte Lebensmittel Hannover. 40 Prozent aller Lebensmittelkontrollen fallen aus in Niedersachsen, kritisiert die Verbraucherschutzorganisation foodwatch. Landesweit feh­le das nötige Personal. Besonders prekär sei die Lage in den Landkreisen Helmstedt, Celle und Gifhorn. Als oberste Fachaufsicht müsse das Verbraucherschutzministerium unter Barbara Otte-Kinast (CDU) darauf drängen, dass die kommunalen Ämter genügend Personal für ihre Aufgaben einstellen. Stattdessen habe das Ministerium sogar einen Erlass herausgegeben, demzufolge grundsätzlich 55 Prozent des bundeseinheitlich festgelegten Solls bei den Betriebskontrollen ausreichend seien. »Wenn kommunale Verbraucherschutzämter gegen Verbraucherschutzvorgaben verstoßen, ist das inakzeptabel – wenn eine Landesregierung auch noch versucht, den systematischen Verstoß der Ämter als eine permanente Regel zu legitimieren, ist das ein echter politischer Skandal«, kommentierte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Zuletzt hatten Meldungen von mit Listerien belasteter Wurst Verbraucher verunsichert. MAC


ZAHLENSPIEGEL »AUF DER FLUCHT«

Fracking lässt beben

Hannover. Die Ärztevereinigung »Marburger Bund« lehnt eine Landarztquote für Niedersachsen ab. Eine solche Quote werde den Mangel an qualifizierten Ärzten in den Krankenhäusern weiter verschärfen, sagte der Landesvorsitzende des Verbandes, Martin Wollenberg. Schon jetzt wanderten viele Mediziner aus den Kliniken in die Allgemeinmedizin und hausärztliche Tätigkeit ab. In den Krankenhäusern fehlten bereits mehr als 700 Ärzte. Dabei seien die Krankenhäuser das Rückgrat einer guten medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Die niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann (SPD) hatte eine Landarztquote gefordert, um dem Ärztemangel in ländlichen Gebieten zu begegnen. Wollenberg findet, die medizinische Versorgung außerhalb der Metropolen sollte der ärztlichen Selbstverwaltung überlassen werden: »Aufgabe des Landes Niedersachsen ist es, finanzielle Mittel, vor allem für neue Studienplätze in Oldenburg, Göttingen, Braunschweig und Hannover zur Verfügung zu stellen.« Kassenärztliche Vereinigung und Reimann aber bestehen auf der Quote. Aktuell sind 355 der landesweit rund 5.100 Hausarztstellen unbesetzt, im Jahr 2030 würden es ohne Gegenmaßnahmen 1.050 Vakanzen sein, so die Ministerin. EPD/MAC

Hannover/Verden. Im Landkreis Verden bebte die Erde am Abend des 20. Novembers gleich zweimal: Im Abstand von vier Stunden wurde zunächst ein Beben von 3,2 auf der Richterskala registriert, kurz danach ein Beben mit der Stärke 3,0. Eine Anfrage der Grünen an die Landesregierung zeigt nun, dass das Erdbebenrisiko in Niedersachsen in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv gewachsen ist. Im vorigen Jahrhundert wurden insgesamt nur sieben Erdbeben im Land verzeichnet. Seit dem Jahr 2000 registrierte der Niedersächsische Erdbebendienst 42 Erdbeben. Davon nur zwei tektonisch verursacht. 40 dieser Beben gehen auf die Förderung von Erdöl oder Erdgas zurück. Besonders betroffen: die Landkreise Verden, Nienburg, Heidekreis, Diep­holz, Cloppenburg und Oldenburg. »Die Landesregierung kann es nicht abstreiten: Öl- und Gasförderung machen die niedersächsischen Förderregionen zu Erdbebengebieten«, so Imke Byl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen. »Das Bundesbergrecht ist völlig aus der Zeit gefallen und muss dringend reformiert werden.« Zudem müsse das Land stärker als bisher die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung bei Bohrungen ausweiten. MAC

130.000 Menschen sind im Jahr 2018 nach Deutschland geflüchtet. Zudem wurde für rund 30.000 in Deutschland geborene Kinder von Flüchtlingen Asylantrag gestellt. Hauptherkunftsländer waren Syrien (44.000 Personen) Irak (16.000),

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Iran (11.000), Nigeria, Türkei, Afghanistan (je 10.000) und Eritrea (5.500). Gemäß UNHCR waren weltweit

70,4 Mio. Menschen

auf der Flucht. Von insgesamt 6,5 Mio. Flücht­ lingen aus Syrien lebten 3,6

Mio. in der

Türkei, 1 Mio. im Libanon und 670.000 in Jordanien.

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Ärztevereinigung gegen Landarztquote

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ANGESPITZT – DIE GLOSSE

Ein Olaf Scholz ändert sich nicht. Auch nicht für die Grundrente. Mit der wollte die SPD den kleinen Leuten was Gutes tun. Jedenfalls ein wenig. Der Clou vom Scholz: die kleinen Leute bezahlen den Zuschlag selbst. Dank Kleinanlegerstraf­ gebühr. Am Ende bleibt alles wie gehabt und die schwarze Null steht. Dafür hat er von den SPD-Mitgliedern jüngst die rote Karte bekommen und sich hinterher schwarz geärgert. Weil die Partei nichts mehr von der schwarzen Null wissen möchte. Zuviel ändern will sie aber auch nicht und nimmt jetzt irgendwie Kurs auf die rote Null. Seither sind sich die Roten nicht mehr grün. Ach ja, die Grünen. Die wollen was ändern. Vor allem die Klima- und Verkehrs­ politik. Aber inzwischen sehen die Grünen schwarz. Fürs Klima, für Rot-Grün-Rot,

»DIE FARBE DER NULL«

aber auch für die schwarze oder rote Null. Die Grünen sind da eben anders. So wie Belit Onay. Der grüne Oberbürgermeister von Hannover hat entdeckt, dass noch Leute in der Stadt wohnen. Und grün wählen. Für die fordert er nun die autofreie Innenstadt. Dann könnte man sogar die Kinder wieder zum Spielen vor die Tür lassen. Ohne Atemmaske. Aber Onay will auch die Internationale Auto­ mobilausstellung (IAA) nach Hannover holen. Autofreie Innenstadt und IAA, das ist wie schmale Fahrradstraße und breiter SUV im Gegenverkehr. Das ist zwar an­ ders, auch irgendwie grün, am Ende aber doch alles wie gehabt. Eine grüne Null. Ulrich Matthias Anzeige


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Foto: Thomas Deutschmann

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KINDHEIT IM ABSEITS Obdachlosenlager waren über drei Jahrzehnte bundesrepublikanische Realität. Barackensiedlungen, in denen Armut und Elend herrschten, mitten im Wirtschafts­ wunderland. Eine prekäre Heimstatt für Menschen in Not. Und für viele Kinder. Niemand hatte sie vorbereitet. Für Angela Engelke war es bislang ein ganz normaler Schultag im Sommer 1965 gewesen. Deshalb war sie zunächst völlig arglos, als sie auf dem Heimweg den Möbelwagen vor dem Haus in Hannover-Ahlem stehen sah. Wie hätte sie auch ahnen können, dass ihrem jungen Leben in diesem Moment eine harte Zäsur bevorstand? Für die Elfjährige war es schon schwer genug zu begreifen, dass die elterliche Wohnung zwangsgeräumt wurde. Aber dann musste sie

noch am gleichen Tag ihre vertraute Wohngegend, ihre Schule, Freunde und Nachbarn verlassen, ohne Abschied nehmen zu können. Und das war noch nicht das Schlimmste. Die Fahrt mit dem Möbelwagen ging ins Obdachlosenlager Vinnhorster Weg. Bis heute kann sich Angela Engelke an den Schock erinnern, der sie traf, als sie den Lagerplatz erreichten: »Hier also sollten wir nun leben? Wenn ich auch noch ein Kind war, ich konnte sehen, dass hier das Elend und die Armut


Foto: Thomas Deutschmann

Was bringt die Zukunft? Im Obdachlosenlager Vinnhorster Weg wuchsen viele Kinder auf.

wohnten. Ich habe tagelang geweint und bekam sogar Fieber. Dazu kam das Verbot der Eltern, die Freizeit außerhalb der Wohnung zu verbringen. Dass sie uns damit wohl schützen wollten, habe ich erst später verstanden.«

Das Lager Das Barackenlager Vinnhorster Weg war bereits seit 1928 städtische Obdachlosenunterkunft. Im Sommer 1965 bestand es aus acht Stein- und zwei Holzbaracken mit 141 Wohneinheiten, in denen 644 Menschen, davon exakt die Hälfte (322) Kinder lebten. Die damaligen Zustände im Lager sind mit nichts zu vergleichen, was heute noch in Deutschland existiert (Foto S. 7). Es war ein Niemandsland, scharf abgegrenzt von der Umgebung, dem Stadtteil und der Gesellschaft. Im Jahr zuvor erst waren in den Steinbaracken Toiletten und Wasserzapfstellen eingerichtet worden, für die zwei Holzbaracken standen nur Grubenaborte außerhalb der Gebäude zur Verfügung, Infektionskrankheiten grassierten, Parasitenbefall war die Regel.

Im gleichen Sommer 1965 »Die Gemeinden begannen zwei städtische haben als ObdachFürsorgerinnen im Lager losenbehörden Vinnhorster Weg ihre Arbeit. wohlfahrtspflegeIn einem Vermerk für das Sozialamt beschreiben sie das rische GesichtsGelände als »sehr ungepflegt punkte nicht zu und trostlos. Der graue Sandberücksichtigen.« boden weist Unebenheiten Niedersächsische und Schlaglöcher auf. AußerLand­gemeinde, 1960 dem liegen an vielen Stellen Steine umher. Bei Trockenheit wirkt das Gelände sehr staubig, bei regnerischem Wetter bilden sich große Pfützen. Da die ohnehin wenig gepflegt aussehenden Kinder hier spielen, werden sie nach kürzester Zeit schmutzig. Recht ungünstig wirkt sich dieser Untergrund auch bei den Wäschetrockenplätzen aus. Durch den fehlenden Anstrich wirken die Baracken düster und unfreundlich«.


Die Sicht der Behörden Das Elend der Obdachlosenlager war Ausdruck einer Haltung in der Verwaltung und Teilen der Politik, die fast bruchlos aus der NS-Diktatur in die Bundesrepublik überwechselte. Obdachlosigkeit wurde demnach vor allem als Störung der öffentlichen Ordnung aufgefasst, humanitäre Werte spielten anfangs so gut wie keine Rolle. Im Fall der Obdachlosigkeit stünde für die Behörden nicht die »Schädigung der Gesundheit durch dauernden Aufenthalt im Freien« im Vordergrund, sondern das »Interesse der Allgemeinheit an öffentlicher Ordnung«, heißt es in der »Niedersächsischen Landgemeinde« von 1960. Unmissverständlich wird festgestellt: »Die Gemeinden haben als Obdachlosenbehörden wohlfahrtspflegerische Gesichtspunkte nicht zu berücksichtigen (...) Der Sinn der Unterbringung ist auch nicht die (…) Fürsorge zur Person des Obdachlosen, sondern allein die Beseitigung oder Verhütung der Störung, d.h. die Entfernung des Obdachlosen von der Straße.« Dementsprechend dürfe bei den zu treffenden Maßnahmen keinerlei Rücksicht auf die Obdachlosen genommen werden. In diesem Zusammenhang werden den Betroffenen sogar die Bürgerrechte aberkannt, wie z.B. das Recht auf Widerspruch ge-

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gen eine behördliche Anordnung. Da »bei diesen Maßnahmen an den Obdachlosen weder ein Gebot noch ein Verbot gerichtet wird – er wird einfach untergebracht« – könne er gegen diese Maßnahme auch keinen Einspruch erheben. Der Obdachlose könne auf Einweisung in die Notunterkunft nicht verzichten. Es bedürfe seiner Mitwirkung (Annahme, Zustimmung) bei dem Zustandekommen des Verwaltungsaktes nicht. Der Obdachlose könne nicht »mehr verlangen als ein vorübergehendes Notquartier zum Schutz gegen Wind und Wetter, ein Dach über dem Kopf« (im Original mehrfach hervorgehoben). Und in einem Rundschreiben des Landkreises Hannover aus dem Jahr 1961 wird betont: »Einem Obdachlosen steht zur Beseitigung der Obdachlosigkeit nur eine Notunterkunft zu, die nicht über, sondern erkennbar unter dem Niveau der einfachsten Unterbringung im Rahmen der allgemeinen Wohnraumbewirtschaftung liegt«. Kurz: für die Unterbringung der Obdachlosen galten keine Mindeststandards, die über bloßen Wetterschutz hinausgingen. Insofern entsprachen die Lager den Vorgaben.

8 »Hier also sollten wir nun leben? Wenn ich auch noch ein Kind war, ich konnte sehen, dass hier das Elend und die Armut wohnten.« Angela Engelke von Bruch

Foto: privat

Die Baracken waren hoffnungslos überbelegt. In den Holzbaracken bewohnte eine Familie mit sechs Kindern einen Raum von 15 qm. Viel Platz hatte auch Angela Engelke mit ihre Familie nicht: »Unsere Wohnung hatte zwei kleine Zimmer, die wir mit sechs Familienmitgliedern bewohnten. Der vordere Raum war Küche und Wohnzimmer zusammen, im hinteren Zimmer war der Schlafraum für alle. Der ganze Raum voller Betten. Die Eltern schliefen auf einer Ausziehcouch, die tagsüber als Sofa diente, vor dem dann ein Couchtisch stand. Es gab auch einen Toilettenraum mit Waschbecken, jedoch nur kaltes Wasser. In der Wohnküche befand sich ein Herd, der gleichsam zum Kochen und zum Heizen genutzt und mit Kohle und Holz befeuert werden musste. Ein Kühlschrank war nicht vorhanden.« Lager wie das am Vinnhorster Weg gab es damals mehrere in Hannover und viele in Deutschland. Die Lager erschienen wie ein Stück Dritte Welt mitten im deutschen »Wirtschaftswunder«. Und genau so sollte es auch sein.

Die Obdachlosen Aber wer waren diese Obdachlosen? Für die Behörden stellte sich diese Frage damals offenbar nicht. Wer am Rande der Gesellschaft angekommen war, galt eben schon aus diesem Grund als asozial und gehörte separiert. Doch regte sich gegen dieses alte Denken bald auch in den Amtsstuben zunehmend Widerspruch. Zunächst geriet die Gleich- (schlecht-) behandlung aller Obdachlosen in die Kritik. Schließlich füllten als Folge des Krieges tausende Ausgebombte, Flüchtlinge und Vertriebene die Lager und diese Gruppen betrachtete man zunehmend als unschuldig obdachlos (im Gegensatz zu den vermeintlich schuldhaften »Asozialen«).

Angela Engelke (re.) mit ihrer klei­ nen Schwester (Bildmitte) und einer Freundin im Obdachlosenlager Vinnhorster Weg.

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Foto: privat

Foto: Thomas Deutschmann

Dagmar Knoche-Hentschel heute vor der immer noch bestehenden Siedlung,

Dagmar Knoche ungefähr im Alter von 12 Jahren. Fußball­

deren Häuser jedoch inzwischen durch Neubauten ersetzt wurden.

spielen war damals ihre große Leidenschaft.

Ein Ergebnis dieser Unterscheidung war die Etablierung des »Dreistufenmodells«: Familien, die als »wohnfähig« eingestuft wurden, konnten schon bald auf eine Wohnung hoffen, die nur »bedingt Wohnfähigen« hatten zumindest Aussicht auf eine schlichte Übergangswohnung, während die »asozialen« Obdachlosen zunächst in den Lagern verblieben. Auf diese Weise hoffte man nach und nach die »Unschuldigen« von den »Schuldigen« zu scheiden und Mitte der 1960er Jahre galten die Kriegsfolgen im Hinblick auf die Obdachlosigkeit in Hannover als behoben. Doch schon ab Ende der 1950er Jahre begannen sich die Lager mit den Opfern von Räumungsklagen erneut zu füllen. Darunter viele Familien mit Kindern.

Kindheit im Lager In den 1960er Jahren verloren Tausende ihre Wohnungen aufgrund von Mietschulden. Dagmar Knoche-Hentschel war noch ein Kleinkind, als sie mit ihrer Familie 1963 in die Obdachlosenunterkunft am Nordring 10 eingewiesen wurde. Sie erinnert sich noch an lange, dunkle Gänge in dem ehemaligen Kasernengebäude und an einzelne Zimmer, in denen ganze Familien untergebracht waren. 1967 erfolgte der Umzug in das Lager Badenstedt, ein Geviert von zweigeschossigen Baracken. Zunächst bewohnte die fünfköpfige Familie zwei Zimmer, wobei eines davon gleichzeitig Elternschlafzimmer, Küche

und Wohnzimmer war. »Im Eingangsbereich hatte unser Vater einen Vorhang angebracht, hinter dem wir uns waschen konnten, damit wir nicht in das stets schmutzige Waschhaus gehen mussten, das später auf einer Frei­ fläche errichtet wurde und in dem »In der Schule waren auch immer wieder Übergriffe immer wir Lagerkinder stattfanden.« Das Lager erlebte Knoche-Hentschuld, wenn irgend­ schel als »eigene Welt«. Es war eine etwas wegkam.« Welt, die wenig Raum für Kinder Dagmar Knoche-Hentschel bot. Einen Spielplatz gab es nicht, aber in der Benutzungsordnung für die Obdachlosenunterkünfte der Landeshauptstadt Hannover vom 16. Juli 1964 heißt es in Paragraf 4, Abs. 5: »Unnötiger Aufenthalt sowie das Spielen der Kinder auf den Fluren, in den Treppenhäusern, in den Kellerräumen und in den Grünanlagen ist untersagt.« Verboten war auch das Halten von Haustieren jeder Art. Bei Verstößen gegen diese Ordnung »kann dem Benutzer die Unterkunft entzogen werden«, präzisierte Paragraf 11. Die Kinder in den Lagern wuchsen unter denkbar ungünstigen Umständen auf. »Uns fiel auf, daß die Kinder körperlich und geistig unterentwickelt sind. Sie sind meist kleiner und schmächtiger als ihre Altersgenossen und wirken häufig apathisch«, heißt es in einer sozialpsychiatrischen Untersuchung von 1970 über das Lager Vinnhorster Weg. Biologische Ursachen habe es dafür nicht gegeben: »Bei dem Kinderreichtum und der hohen Wohndichte haben die Kinder nicht nur keine Entfaltungsmöglichkeit, vielmehr sind die Eltern sogar darauf angewiesen, die Kinder zu hemmen und ruhig zu halten.« Einer der Autoren dieser Studie war Günter Langensiepen, heute


Kein Ausweg aus dem Lager Angesichts dieser Auswirkungen der Lager auf die Bewohner erschien es umso bedenklicher, dass die durchschnittliche Verweildauer im Vinnhorster Weg 16 Jahre betrug. Die Kinder wuchsen im Lager auf und gründeten dort ihrerseits Familien, mit all den negativen Folgen für die Angehörigen. Auch das Dreistufenmodell trug ungewollt zu dieser Verstetigung bei, weil gerade diejenigen mit der kürzesten Verweildauer und den wenigsten Problemen als erste Hilfe und eine Wohnung bekamen. Zurück blieben die Familien mit vielen Problemen, die ohnehin schon seit langen Jahren dort lebten und sich den Verhältnissen angepasst hatten. Notgedrungen. Die Kinder aus den Lagern kamen in weit überdurchschnittlichem Ausmaß auf die Sonderschulen, Tendenz stark steigend. Angela Engelke und Dagmar Knoche-Hentschel blieb dies erspart, aber Knoche-Hentschel erinnert sich, dass ihr als Lagerkind diese »Karriere« mehrfach prophezeit wurde. Das war nur ein Beispiel der Diskriminierung von vielen, die dazu führten, dass die Kinder das Lager auch außerhalb dessen Grenzen nicht loswurden. »In der Schule waren immer wir Lagerkinder schuld, wenn irgendetwas wegkam und bei den ärztlichen Besuchen wurden bei uns angeblich immer Läuse gefunden, auch wenn wir gar keine hatten.« Wer aus dem Lager kam, war gezeichnet: Anderen Kindern wurde der Umgang mit »denen aus dem Lager« verboten, bei der Lehrstellen- und Arbeitssuche fielen sie durchs Raster. Bald gab es weitere Studien zu den Lagern, die vergleichbare Befunde wie die zum Vinnhorster Weg ergaben. Die meisten Kinder waren keineswegs wie lange behauptet minderintelligent, aber sie hatten trotzdem keine Chance in den Schulen. »Platz für Hausaufgaben war bei uns im Grunde ja nicht vorhanden und in der Schule hing es von den einzelnen Lehrkräften ab, ob wir Lagerkinder unterstützt wurden«, sagt Dagmar Knoche-Hentschel. Sie und Angela Engelke brachen wie viele andere früh die Schule ab, holten aber später die versäumten Abschlüsse nach, studierten sogar noch. Zwei Karrieren, die das ganze Lagersystem bloßstellten.

Das Ende der Lager Das alte Denken in Politik und Verwaltung geriet in den 1960er Jahren in zunehmende Widersprüche mit dem Grundgesetz. Es gelang ihm immer weniger, die Separierung von Menschen

in prekären sozialen Verhältnissen zu rechtfertigen. Die beginnende gesellschaftliche Modernisierung wurde schließlich durch die 68er enorm beschleunigt und Obdachlosigkeit wurde weniger als ordnungsrechtliches Problem, sondern innerhalb einer reichen Gesellschaft immer mehr als Skandal empfunden. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre kam es zunächst zu einigen Nachbesserungen in den Lagern, indem Duschen und Toilettenhäuser gebaut, Spiel- und Bolzplätze angelegt und Kitas eingerichtet wurden. So könnten die Lagerkinder unter sich bleiben und weniger Diskriminierungen im Umfeld erleben, war das Kalkül. Doch diese Vorstellung ließ sich angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema nicht lange halten und es setzte sich bald die Einsicht durch, dass die La»Das Lager hat ger an sich das Problem waren und gesellschaftliche Integradie Menschen erst tion nicht außerhalb der Gekrank gemacht.« sellschaft gelingen könne. Günter Langensiepen Ende der 1970er Jahre ging die Zeit der Obdachlosenlager in Deutschland zu Ende. Das Lager Vinnhorster Weg war das letzte seiner Art in Hannover. Der Auszug der letzten Bewohner im März 1978 machte noch einmal Schlagzeilen in der Presse, danach wurde es still um diese vergangene Welt. Ein Niemandsland, immer noch. Ulrich Matthias (Ein besonderer Dank gilt dem Stadtarchiv Hannover für die tatkräftige Unterstützung bei der Recherche)

Zeitzeugen gesucht Der Fotograf Thomas Deutschmann sucht für ein künstlerisch-sozialhistorisches Projekt ehemalige Bewohner des Obdachlosenlagers Vinnhorster Weg in Hainholz. Gesucht werden aber auch ehemalige Anwohner, Sozialarbei­ ter, Erzieher dieses oder anderer Lager, die ihre Informationen weitergeben möchten. Kontakt: Thomas Deutschmann, Fotografie, Gieseckeweg 9, 30659 Hannover, Tel.: 0511 – 71 64 71, thomas@deutschmann-foto­ grafie.de oder Ulrich Matthias, uli.matthias @t-online.de.

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Psychotherapeut in Köln. Er erinnert sich noch gut an die damaligen Verhältnisse. »Das Lager hat die Menschen erst krank gemacht«, betont Langensiepen heute mit Nachdruck.

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Foto: Picture-Alliance/Paul Zinken/dpa

ARMUT OHNE ENDE? Der Kölner Professor Christoph Butterwegge gehört zu den renommiertesten Armutsforschern Deutschlands. Er legt den Finger in die Wunden der modernen Arbeits- und Leistungsgesellschaft. Zum Jubiläum von Hartz IV hat er Gerhard Schröders Sozial­ reform auf den Prüfstand gestellt. Ein Gastbeitrag. Nicht nur zum aktuellen Urteil. Das im Volksmund als »Hartz IV« bezeichnete Gesetzespaket ist am 1. Januar 15 Jahre alt geworden. Hartz IV bildete das Herzstück der »Agenda 2010« vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, die das seit mehr als 130 Jahren in Deutsch-

land bestehende Sozialsystem nicht modernisiert, sondern im neoliberalen Sinne transformiert hat. Durch die rot-grünen, von späteren Bundesregierungen teilweise noch verschärften Reformen wurde Deutschland so tiefgreifend verändert, dass


Trotz einer fast zehn Jahre währenden Konjunkturphase leiden immer noch sechs Millionen Menschen, darunter zwei Millionen Kinder und Jugendliche, unter dem Hartz-IV-System, das sie drangsaliert und demütigt. Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen wurden in den vergangenen Jahren immer mehr von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt. Sowohl absolut wie relativ hat sich der Abstand zwischen dem Regelbedarf (ohne Miet- und Heizkosten) und der Armutsgefährdungsschwelle, die laut einer EU-Konvention bei 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt, seit Einführung von Hartz IV erheblich vergrößert. Betrug er 2006 noch 401 Euro (absolut) und 53,8 Prozent (relativ), so stieg er bis 2018 auf 619 Euro bzw. 59,8 Prozent. Man kann also von einer zunehmenden Verarmung der Betroffenen sprechen.

Extreme Folge: Obdachlosigkeit Die (zum Teil noch) bestehenden Sanktionsregelungen sind nicht zuletzt deshalb problematisch, weil sie die wachsende soziale Ungleichheit in Deutschland verstärken: Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen ohne bzw. mit niedrigem Schulabschluss werden

Durch den Zwang, jeden Job – wie Arbeitsplätze seither bloß noch genannt werden – annehmen zu müssen, sofern dieser nicht sittenwidrig ist, also unabhängig von der eigenen (eventuell viel höheren) beruflichen Qualifikation, und zwar auch dann, wenn der angebotene Lohn weder dem Tarifvertrag noch der ortsüblichen Höhe entspricht, sowie der Drohung mit Sanktionen, falls sich ein Transferleistungsbezieher weigert, machen die Jobcenter ihre »Kunden« gefügig. Gleichzeitig werden Belegschaften, Betriebsräte und Gewerkschaften unter dem Damoklesschwert von Hartz IV genötigt, schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Löhne zu akzeptieren. Auf diese Weise einen breiten Niedriglohnsektor zu schaffen und den »Standort D« auf den Weltmärkten dadurch noch konkurrenzfähiger zu machen, bildete den Hauptzweck von Hartz IV. Diesen scheint das Gesetzespaket in den vergangenen Jahren zwar erfüllt zu haben, wie die deutschen Exportüberschüsse belegen; Leidtragende sind die von dem rigiden Arbeitsmarkt­ regime betroffenen Menschen, ihre Familien und die seit 2005 im Niedergang befindliche SPD.

Foto : Wolfgang Schmidt

Gefügige »Kunden«

Christoph Butterwegge war von 1998 bis 2016 Professor für Poli­ tikwissenschaft der Universität Köln und bis 2005 Sozialdemokrat.

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man ohne Übertreibung von einer »Hartz-Gesellschaft«, einem »Hartz-Kapitalismus« oder einer »Hartz-IV-Republik« sprechen kann. Hartz IV hat einen sozialen Klimawandel bewirkt und die politische Kultur der Bundesrepublik dauerhaft beschädigt. Vorangetrieben wurden durch das rigide Arbeitsmarkt- und Armutsregime die »Verrohung des Bürgertums« (Wilhelm Heitmeyer) und die Verhöhnung von (Langzeit-)Erwerbslosen. Zwar hat Deutschland noch immer einen Wohlfahrtsstaat, seine Wesenszüge haben sich aber in den vergangenen Jahrzehnten unter dem maßgeblichen Einfluss von Großunternehmern, Spitzenmanagern, Finanzinvestoren und Wirtschaftslobbyisten hin zu einem Fürsorge-, Almosen- und Suppenküchenstaat gewandelt. Nach einer von der damaligen SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles und dem Vorsitzenden der Bündnisgrünen Robert Habeck im November 2018 angezettelten Diskussion über Hartz IV ist diese Arbeitsmarkt- und Sozialreform umstrittener denn je, seit die rot-grüne Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder sie trotz heftiger Proteste vor allem in Ostdeutschland am 1. Januar 2005 verwirklicht hat. Das miserable Image, welches Ursula von der Leyen während ihrer Amtszeit als Bundesministerin für Arbeit und Soziales veranlasste, nach einem weniger diskreditierten Namen für das Gesetzeswerk zu suchen, aber ihren Nachfolger Hubertus Heil ebenfalls umtreibt, hängt nicht zuletzt mit den Sanktionen zusammen, die über »Kunden« der Jobcenter verhängt werden, wenn ihnen diese Pflichtverletzungen oder Meldeversäumnisse vorwerfen.

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Foto: Picture-Alliance/Uli Deck/dpa

Moment der Levitenlesung: Der Vorsitzende des Ersten Se­ nats des Bundesverfassungsge­ richts Stephan Harbarth (2.v.l.) erklärt die Sanktionspraxis im Umgang mit ALG-II-Beziehern für teilweise verfassungswidrig.

häufiger sanktioniert als Hartz-IV-Betroffene mit einem höheren Bildungsgrad. Besserqualifizierte verfügen offenbar über mehr Handlungsoptionen, um die mit Sanktionen verbundenen zusätzlichen materiellen Einbußen und mentalen Beeinträchtigungen zu vermeiden. Zu den Hauptleidtragenden der Hartz-IV-Gesetzgebung gehören Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene unter 25 Jahren. Sie wurden von den Jobcentern häufiger und (außer bei Meldeversäumnissen) auch schärfer sanktioniert als ältere Leistungsberechtigte. Schon bei der zweiten Pflichtverletzung mussten sie mit einer Totalsanktion rechnen: Das Jobcenter stoppte nicht bloß die Regelleistung, zahlte also kein Geld mehr für den Lebensunterhalt, sondern übernahm auch nicht mehr die Miet- und Heizkosten. Hierdurch haben wahrscheinlich Tausende junger Menschen ihre Wohnung verloren und wurde im Extremfall sogar (vorübergehende) Obdachlosigkeit produziert. Diese besondere Strenge ist weder in vergleichbaren Ländern noch auf anderen Rechtsgebieten üblich: Ein jugendlicher oder auch mancher heranwachsende Straftäter wird zum Beispiel milder bestraft, als wäre er bereits erwachsen. Obwohl das Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG) den Sozialstaat laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 verpflichtet, ein »menschenwürdiges

Existenzminimum« für alle Transferleistungsbezieher/innen zu gewährleisten, tritt er dieses Verfassungsgebot ausgerechnet bei jungen Menschen mit Füßen. Wenn die Grundsicherung für Arbeitsuchende mit ihrem Regelbedarf sowie der Übernahme »angemessener« Wohnkosten das soziokulturelle Existenzminimum gerade noch sichert, wie das Bundesverfassungsgericht am 23. Juli 2014 in einem weiteren Hartz-IV-Urteil festgestellt hat, bedeutet jede Kürzung wegen einer Sanktionierung zumindest relative Armut für Leistungsberechtigte. Im Falle einer Totalsanktion, die normalerweise zur völligen Mittellosigkeit und manchmal zur Wohnungslosigkeit des Leistungsbedürftigen führt, liegt sogar absolute, extreme bzw. existenzielle Armut vor.

Sanktionen als Disziplinierungsinstrument Sanktionen, die eine Drohkulisse, ein Druckmittel und Diszi­ plinierungsinstrument bilden, ohne die Hartz IV seine brisante Wirkung nicht entfalten kann, sind inhuman und letztlich auch ineffektiv, weil sie oft genug das Gegenteil dessen bewirken, was angeblich erreicht werden sollte: die Mitwirkung der Betroffenen. Man führt junge Menschen durch massiven Druck nicht etwa »auf den rechten Weg«, sondern veranlasst sie höchstens,


Eingriff des Gerichts reicht nicht Weder ist die fragwürdige Sanktionspraxis der Jobcenter in Gänze bestätigt worden, noch wurde sie grundsätzlich in Frage gestellt. Vermieden wurde also der Super-GAU für Hartz IV, der

ein politisches Erdbeben hätte auslösen können. Vielmehr beschritten die Richter in den roten Roben einen Mittelweg, der ihnen Lob von (fast) allen Seiten eintrug. Damit hat der Erste Senat ein neues Kapitel in der wechselvollen Geschichte des Hartz-IV-Systems aufgeschlagen und ein Zeichen für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts gesetzt. Es fehlte ihm allerdings der Mut, die Sanktionen und damit Hartz IV insgesamt zu kippen. Juristisch lässt sich das Problem ohnehin kaum lösen – das Engagement für eine politische Totalrevision von Hartz IV bleibt mithin unverzichtbar! Ziel muss eine soziale Grundsicherung sein, die den Namen im Unterschied zu Hartz IV wirklich verdient, weil sie armutsfest, bedarfsdeckend und repressionsfrei ist. Armutsfest wäre eine solche Mindestsicherung unter der Voraussetzung, dass ihr Zahlbetrag zusammen mit den Miet- und Heizkosten, die nicht pauschaliert werden dürfen, zumindest im Bundesdurchschnitt über der Armuts(risiko)schwelle der Europäischen Union läge: Das sind für einen Alleinstehenden 1.000 Euro. Bedarfsdeckend zu sein heißt bei der sozialen Mindestsicherung, dass spezifische Bedarfe, etwa im Fall einer Schwangerschaft, einer Krankheit oder einer Behinderung, geltend gemacht werden können. Schließlich sollte die soziale Mindestsicherung ohne Sanktionen auskommen, wenngleich eine moralische Verpflichtung fortbesteht, dass seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit selbst sicherstellt, wer dazu gesundheitlich, psychisch und aufgrund seiner beruflichen Qualifikation in der Lage ist. Christoph Butterwegge

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ASPHALT 01/20

sich zu überschulden oder mit Kleinkriminalität durchs Leben zu schlagen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem am 5. November 2019 verkündeten Urteil die Sanktionen im Grundsatz gebilligt, aber Kürzungen der Regelbedarfe, die über 30 Prozent hinausgehen, als unverhältnismäßig und zu massiven Eingriff in das Existenzminimum mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Der willkürlichen Vernichtung von Existenzen wurde damit ein Riegel vorgeschoben. Ohne dass dies Gegenstand des Verfahrens war, hat Karlsruhe nebenbei auch die härtere Sanktionierung von Unter-25-Jährigen aus der Welt geschafft, denn natürlich müssen die Ausführungen des höchsten deutschen Gerichts zur Wahrung der Menschenwürde und zur Verhältnismäßigkeit von Sanktionen unabhängig vom Lebensalter gelten. Hoffentlich werden junge Menschen künftig nicht mehr aus ihren Wohnungen und in die Kleinkriminalität oder die Überschuldung gedrängt. Außerdem hat Karlsruhe die starre Dauer der Sanktionen (drei Monate, selbst wenn der Betroffene inzwischen seiner Mitwirkungspflicht nachkommt) verworfen, sich für Härtefallregelungen ausgesprochen und den Jobcentern einen größeren Ermessensspielraum bei der Verhängung von Sanktionen eingeräumt.

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Foto: G. Biele

MARATHON FÜR ASPHALT Läufer, Inline-Skater, Handbiker – sie alle kommen jedes Jahr in Hannover zusammen. An einem ganz bestimmten Tag. An dem Tag, wenn eichels: Event zu einer der größten Straßenlaufveranstaltung in Deutschland ruft. Tausende nationale und internationale Läufer und Läuferinnen nehmen jährlich an Niedersachsens Laufspektakel im April teil. Mit einer Länge von 42,195 Kilometer ist der Marathon die längste Strecke dieses Events. Daneben gehen die Sportlerinnen und Sportler auch noch beim Halbmarathon, der 10-Kilometer-Strecke für Läufer, Walker und Nordic Walker und beim Halbmarathon für Inline-Skater und Handbiker an den Start. Mit nur 20 Meter Höhenunterschied zählt der Hannover Marathon zu den flachsten Strecken Deutschlands, was Bestzeiten garantiert. Die jüngsten

Teilnehmer sind bereits einen Tag vor dem Großereignis auf der Strecke und flitzen beim Kinderlauf um die Plätze. Weil eichels: Event soziale Einrichtungen im Rahmen ihrer Großveranstaltung unterstützen möchte, suchen sie sich jedes Jahr einen neuen Sozialpartner. Diesen begleitet und unterstützt das Team ein ganzes Jahr bei verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen im Vorfeld des Marathons. Die Erlöse aus den verschiedenen Veranstaltungen und die Spenden aus den Online-Anmeldungen für den Hannover Marathon am 26. April 2020 gehen zu 100 Prozent an den Sozialpartner. Für das Jahr 2020 fiel die Wahl auf Asphalt, die soziale Straßenzeitung für Hannover und Niedersachsen. Grit Biele


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Foto: eichels: Event

SPORTGRUNDLAGE ASPHALT Stefanie Eichel ist Geschäftsführerin der Sport- und Eventagentur eichels: Event und Veranstalterin des HAJ Hannover Marathon.

Frau Eichel, in diesem Jahr haben Sie sich für As­ phalt als Sozialpartner des HAJ Hannover Marathon entschieden. Wie ist es dazu gekommen? Asphalt hat das im Titel, was unsere Arbeits- und Sportgrundlage ist. Es ist das Material auf dem wir laufen. Das ist unsere Laufstrecke. Diese Affinität zu diesem Begriff und dem Titel dieses Magazins und das herausragende Engagement haben den Wunsch geweckt, Asphalt zum Sozialpartner für uns zu machen.

Was halten Sie persönlich von Asphalt? Ich schätze Asphalt als Magazin sehr. Ich mag die Art, wie ich von einer Asphalt-Verkäuferin oder einem Asphalt-Verkäufer angesprochen werde. Ich weiß aber auch um die Hintergrundarbeit. Asphalt ist für mich nicht nur ein Magazin. Es ist für mich auch ein Förder-, ein Unterstützungs-, ein Gesundheits-, ein Schulungsprojekt. Wenn man ein bisschen über die Arbeit weiß, dann erkennt man

auch den hohen Wert für alle Beteiligten dort. Das begeistert mich, davon bin ich angetan, das möchte ich unterstützen.

Welche Aktionen wird es geben? Einige. Wir werden zum Beispiel am Jogginghosen-Tag, der traditionell unser Feiertag ist, den Jogginghosen-Lauf durchführen. Zudem wird es verschiedene Laufgruppeninitiativen für Asphalt-LäuferInnen sowie Staffelangebote geben. Und wir von eichels: Event werden einen sozialen Stadtrundgang mitmachen, denn wir möchten einmal hinter die Kulissen von Asphalt schauen und unseren Sozialpartner richtig kennenlernen. Außerdem können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Hannover Marathon 2020 bei der Online-Anmeldung über einen Spendenbutton direkt freiwillig spenden. Der Erlös daraus geht zu 100 Prozent an Asphalt. Interview: Grit Biele

Jogginghosenlauf Jedes Jahr am 21. Januar veranstaltet eichels: Event gemeinsam mit Hannover 96 den traditionellen Jogginghosenlauf. Bei bester Laune und mit möglichst »modischer« Jogginghose können Gleichgesinnte munter in der HDI Arena ihre Runden drehen. Einlass in die Arena ist um 17.30 Uhr, der Startschuss fällt um 18 Uhr. Eintritt müssen die Laufbegeisterten nicht bezahlen, dafür gibt es am Eingang aber ein Schweinchen für individuelle Spenden. Für das leibliche Wohl sorgen unter anderem die Ehrenamtlichen von Asphalt. Auch dieser Erlös kommt zu 100 Prozent Asphalt zugute. GB

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WIR GEDENKEN Wohnungslos, aber nicht vergessen. Wir gedenken der im Jahr 2019 verstorbenen wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Männer und Frauen. Wir haben sie geschätzt, wir sind mit ihnen einen Teil ihres Weges gegangen, wir haben mit ihnen gelacht und geweint. Wir trauern um sie. Wir erinnern uns an sie – als Würdigung ihrer starken Persönlichkeiten und als Trost für die Lebenden. Denn tot ist nur, wer vergessen wird. Franc Kovacic

Dariusz Stefan Tymczyna

Michael Pattberg

67 Jahre

ca. 48 Jahre

54 Jahre

Andreas Greb

Hans Joachim Grothe

Michael Zanetti

64 Jahre

ca. 57 Jahre

53 Jahre

Heinz-Werner Kossik

Oliver Staudt

Michael Beushausen

67 Jahre

ca. 46 Jahre

55 Jahre

Thomas Lochte

Günter Erich Pawlow

Alfred Erdmann

48 Jahre

64 Jahre

Alter unbekannt

Bernd Groß

Michel Engelhardt

»Spider« (Spitzname)

55 Jahre

42 Jahre

Alter unbekannt

Krzysztof Grzegorz Cieslik

Karsten Stoll

Monika Jahn

44 Jahre

39 Jahre

64 Jahre

Karl-Heinz Nulle

Eva Kumpf

Klaus De Voss

67 Jahre

57 Jahre

69 Jahre

Jürgen Niemann

Michael Wunderlich

Rainer Eisele

64 Jahre

57 Jahre

66 Jahre

Torsten Peters

Hermann »Pivo« Körner

Ulrich Bessert

48 Jahre

63 Jahre

60 Jahre

Lothar Schmidt

Myola Malewicz

Tommi

67 Jahre

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ca. 54 Jahre

Tobias Brandes

Heike Seelbinder

Name unbekannt

46 Jahre

Alter unbekannt

ca. 64 Jahre

Brigitte Schmidt

Jürgen (»Bauer«) Niemann

71 Jahre

Alter unbekannt

Freundinnen und Freunde, Besucherinnen und Besucher, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hannoverscher Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe: »DüK« – Dach überm Kopf, Frauenwohnheim Gartenstraße, Karl-Lem­ mermann-Haus, »Szenia« Tagestreff für Frauen, Kontaktladen »Mecki«, Krankenwohnung »Die KuRVe 1 und 2«, Tagestreff Nordbahnhof, Werkheim Büttnerstraße, Zentrale Beratungsstelle Berliner Allee, Asphalt-Magazin.


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25 1994 –

Zu Asphalt 10/19 Titelbild

Zu Asphalt 9/19 Thema: »Macht Schule«

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JAHRE

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Bildungsreformen auf der Strecke geblieben

Ehrlich und wohltuend unideolo­ gisch nimmt sich ihr Beitrag zur Schulpolitik aus. Ja, wir sind mit den Bildungsreformen auf der Strecke stehen geblie­ ben. Nicht Almosen oder linksversifftes Gedankengut lagen der Erfindung des Bafögs zugrunde, sondern wirtschaftliche Vernunft. Denn wenn wir mehr Men­ schen die Möglichkeit geben, für das Gelingen des Ganzen Verantwortung zu übernehmen, ist das die beste Überlebenshilfe für einen Staat. Aber es ging nicht weiter, im Gegenteil: Wir leisten uns immer noch die Unvernunft, die Talente und Begabungen vieler armer Kinder und vieler Migrantenkinder ungenutzt zu lassen. Insofern gefallen mir Ihre Vorschläge wie Bussing oder die Einführung eines Sozialindex bei der Finanzierung der Grundschulen sehr gut. Vielleicht muss man sogar so weit gehen: Wer die räumlichen und wirtschaftlichen Grenzen zwischen armen Kindern und reichen Kindern nicht schleunigst aufweichen will, wer also Brennpunktschulen lieber Brennpunktschulen lassen will, weil das für die eigenen Kinder von Vorteil ist, ist vermutlich einfach nicht gesellschaftsfähig. Bernd Kohlmann, Hannover APROPOS ZUKUNFT

ARMUT

KLIMA

MOBILITÄT

Einmal unten, immer unten: Kinderarmut ist Schicksal.

EU vor Gericht: Opfer von Extremwetter klagen.

Fahrradgerechte Stadt: Noch viel zu tun in Hannover.

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen. Bitte vergessen Sie nicht, Ihre Absenderadresse anzugeben.

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»Hetze«

Im gesellschaftlichen Diskurs und in der politischen Diskus­ 25 STADT. LAND. PFLICHT. sion kann sachbezogen oder personenbezogen argumentiert werden. Die personenbezoge­ ne Diskussion zielt nicht auf Inhalte, sachbezoge­ ne Fragen und deren Beantwortung, sondern auf Verunglimpfung und Fertigmachen. Zur Verunglim­ pfung, zum Fertigmachen gehört es, die Zielperson mit ihrer, von der eigenen abweichenden Meinung zu entpersonalisieren und zu dämonisieren. Der Mit­ mensch wird zur Hexe, zum Zauberer, zum Teufel, zum Miethai. Meist handelt es sich nicht um Einzel­ personen, sondern Angehörige einer mehr oder we­ niger willkürlich definierten Gruppe. Dieser wird ein himmelschreiendes Übel zugeschrieben. Das per­ sonifizierte Böse kann verschiedene Gestalt anneh­ men: Ketzer, Ungläubige, Kapitalisten, Kulaken und Juden. Aktuell ist es der Vermieter als Miethai. Die Guten, d. h. Rechtgläubige, Kommunisten, Arier und Mieter haben das Böse zu bekämpfen. Im Kampf gut gegen böse sind den Guten alle Mittel erlaubt. Das Titelbild der Oktoberausgabe von Asphalt zeigt: Asphalt hat den Kampf aufgenommen. Ganz sicher ist Herr Papenburg auch ein Miethai. Die Wohnungsmiete in der Wasserstadt Limmer wird bei 15 bis 16 Euro/m², wahrscheinlich höher, liegen. Eine wesentliche Ursache sind die durch die Auflagen der Stadt in die Höhe getriebenen Kosten und die Tat­ sache, dass 25 Prozent der Wohnungen der Stadt zu einer Schandmiete zur Verfügung zu stellen sind. Zahlreiche Gutachten analysieren die Entwicklung der Baupreise. Deren gemeinsames Ergebnis ist, dass ständig steigende rechtliche Anforderungen zur Preisexplosion bei Bauten führen. Preisgünstiges Bauen ist möglich, aber verboten. Ich bin Dauerspender für Asphalt. Meine Frau und ich vermieten mehrere Wohnungen, sind also auch Miethaie. Das Titelblatt ist eigentlich ein Grund, diese Spende zu stoppen. Albrecht Mayer, Hannover JAHRE

WOHNUNGSBAU

OB-WAHL

VOGELKUNDE

Zu wenig und zu teuer: Warum der Markt allein versagt.

Hannover sozial: Was Experten von den Kandidaten fordern.

Liebling der Niedersachsen: Der Kranich kommt zur Rast ins Moor.

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BRIEFE AN UNS

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Foto: G. Biele

»EHRENAMT TUT GUT« Neues Jahr, guter Vorsatz: Mehr helfen! Den anderen. Was abgeben, was Gutes tun. Wie es am besten geht erläutert Almut Maldfeld vom Freiwilligenzentrum Hannover. Frau Maldfeld, gibt es im Januar viele neue Ehrenamt­ liche? Zu uns kommen eigentlich ganzjährig Menschen, die sich engagieren wollen. Aber sich im Januar zu entscheiden ist sinnvoll, wir haben zwar viel Ehrenamt in Hannover, aber da ist noch deutlich Luft nach oben. Wir wissen, dass Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sich damit auch selbst etwas Gutes tun. Das macht nämlich etwas mit den Menschen. Unsere Aufgabe ist, Menschen zu beraten, die noch nicht so genau wissen, wo ihre ehrenamtliche Reise hingehen soll.

Wie ist die Bandbreite des von Ihnen vermittelten Ehren­ amts? Sehr groß. Wir haben über 1.000 Engagementfelder, wo Freiwillige für ein bürgerschaftliches Engagement gesucht werden. Zur Klarheit sollte man sich als künftiger Ehrenamtlicher überlegen, wieviel Zeit kann und will ich investieren. Wir wissen von

den gemeinnützigen Organisationen ziemlich genau, was für ein Zeitfenster gewünscht ist. Das reicht von einmal in der Woche zwei Stunden über vier Stunden pro Woche bis hin zu zwei bis drei Einsätzen pro Woche. Entscheidend sind also zunächst die Lebensbedingungen der Menschen, die sich freiwillig engagieren möchten.

Sie beraten die Menschen dazu in den Räumen in der Karmarschstraße oben im Üstra-Gebäude. Einfach mal hingehen? Sinnvoll ist, sich bei uns einen Termin für ein ausführliches Beratungsgespräch zu holen. Gemeinsam mit der Beraterin wird dann geschaut, wie die Vorstellungen der Engagierten und Wünsche der Organisationen zueinander passen. Zu jeder gemeinnützigen Organisation haben wir einen Profilbogen. Die Engagementfelder liegen im Sozialen, im Kulturbereich, im Sport- und im Umweltbereich.


ASPHALT 01/20

Was sind das denn für Menschen, die sich ehrenamtlich enga­ gieren? Der Großteil der Ehrenamtlichen ist zwischen 20 und 60 Jahre alt. Also Menschen, die in der Berufsphase des Lebens stehen. Da sind gestandene Berufstätige darunter und auch solche, die sich erst noch beruflich orientieren wollen. Die Motivation vieler Ehrenamtlicher ist: Sie wollen etwas zurückgeben. Weil sie finden, dass sie Glück in ihrem Leben hatten. Dann gibt es die, die auch einfach mal etwas anderes kennenlernen wollen als den Bereich, in dem sie berufstätig sind. Zudem gibt es Menschen, die aktuell arbeitsuchend sind. Diese wollen dann häufig ihre unfreiwillig freie Zeit sinnvoll nutzen. Außerdem ist es immer sinnvoll, wenn man im Bewerbungsverfahren um eine neue Stelle auf ehrenamtliche Arbeit verweisen kann.

Vielen Dank für das Gespräch. Interview: Claudia Fyrnihs/StreetLIVE* So arbeitet das Freiwilligenzentrum Vor 20 Jahren wurde das Freiwilligenzentrum Hannover (FZ) als kleiner Verein der Willigen gegründet. Bis heute haben sich darüber gut 8.000 Ehrenamtliche organisiert. Wer sich künftig irgendwo ehrenamtlich en­ gagieren möchte, nimmt bestenfalls über die kostenfreie Hotline 08003302030 Kontakt auf. Am anderen Ende ebenfalls Freiwillige: Acht Menschen geben hier in zehn Schichten erste Auskünfte und organisie­ ren Termine. Rund 3.000 Mal im Jahr. Die Beratungsgespräche selbst führen meist speziell geschulte Freiwillige durch. Diese Berater suchen quasi maßgeschneiderte Betätigungsmöglichkeiten für die Interessier­ ten heraus. In einem von rund 1.000 gemeinnützigen Einsatzgebieten in etwa 640 Vereinen und Initiativen aus den Bereichen Soziales, Kul­ tur, Bildung, Umwelt und Sport. Das kann geschehen als Bürohilfe, als BegleiterIn, als Unterrichtshilfe, als UnterstützerIn bei Veranstaltungen oder, oder. Der Verein lebt von regelmäßigen Zuwendungen: Stadt und Land sowie einige Stiftungen und Mitgliedschaften sorgen für die Finanzierung per annum, etwa eine halbe Million Euro. Alljährlich ver­ gibt das FZ zudem gemeinsam mit der Spardabank-Stiftung den Lei­ nestern, den »Oskar fürs Ehrenamt«. Zuletzt gingen die ersten Preise an Ehrenamtliche vom Sozialkaufhaus fairkauf, von der Künstlerbühne TamTam und von Seniors in School. Auch Asphalt war schon mal Preis­ träger, im Jahr 2013. Seit 2008 führt das FZ einen so genannten »So­ cial Day für Unternehmen« durch. Dieser bietet Austausch zwischen Wirtschaft und Non-Profit-Organisationen. Unternehmen stellen dafür interessierte Mitarbeiter für einen Tag frei. Der nächste Sozialtag ist am 15. Mai 2020. Bei Asphalt kann man übrigens auch einen Sozialtag verbringen. MAC

*StreetLIVE ist eine Kooperation von und

96plus macht Geflüch­ tete zum Junior-Coach Mit einem Stadionbesuch in der HDI Arena wurde jüngst die dritte Runde des Projekts „Willkommen im Fuß­ ball“ abgeschlossen. Die neun jungen Teilnehmer haben mit Hilfe von 96plus, dem Niedersächsischen Fußballver­ band (NFV) und der Bildungsvereini­ gung Arbeit und Leben Niedersachen eine Trainerausbildung zum Junior-­ Coach (JC) absolviert und somit die erste Hürde zur Trainer-C-Lizenz ge­ nommen. Dafür wurden Sie in der HDI Arena im Rahmen eines 96-Heimspiels ausgezeichnet. Neben dem regulären Sprachunterricht haben die Teilnehmer einen zusätzlichen fußballspezifischen Sprachkurs absolviert, um noch schnel­ ler die deutsche Sprache zu erlernen und am sozialen Leben in Hannover teilnehmen zu können. Durch weitere Programmpunkte, wie beispielsweise Hospitationen in der 96-Fußballschule und Besuche zu Heimspielen in der HDI Arena, wurden den Teilnehmern zusätzlich Bezugspunkte zu Hannover 96 gegeben. Ziel des „Willkommen im Fußball“-Projekts ist es, dass die Teilnehmer nach Abschluss der Juni­ or-Coach-Ausbildung als Trainer in Vereinen der Stadt und Region Hannover tätig sind und somit am gesellschaftli­ chen Leben teil­ haben können.

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AUS DER SZENE

Foto: V. Macke

H.I.o.B. sammelt warme Kleidung

Obdachlose sammeln Müll Hannover. Sergio, Damian, Catalyn und Kyril haben eine Aufgabe: Sie reinigen den Raschplatz, den Weißekreuzplatz, das Areal vor der Bahnhofsmission. Um wieder Struktur in ihr Leben zu bekommen, ein wenig Geld zu verdienen, sich nützlich zu fühlen. Die vier Männer aus Moldawien, Polen, Rumänien und Bulgarien sind quasi die Vorhut eines neuen Modellprojekts des Kompass, dem Trinkerraum des Diakonischen Werks Hannover. Zweimal pro Woche sammeln sie den Müll ein, den Partygänger tags zuvor liegengelassen haben. »Weil die Arbeitsmigranten, die hier stranden, meist ohne jegliche Ansprüche auf finanzielle Grundsicherung sind, verelenden sie häufig schnell. Wir wollen mit dem neuen Projekt gegen Vorurteile einerseits und gegen Perspektivlosigkeit anderseits ankämpfen«, sagt Diakoniechef Rainer Müller-Brandes. »Und wir hoffen, damit auch Vorbild für andere Städte sein zu können, denn die Situationen rund um die Hauptbahnhöfe der großen Städte ist überall ähnlich.« Müll gibt es viel am Raschplatz, davor und dahinter. Papier, Flaschen, Coladosen, jede Menge Plastiktüten. Mit zwei 80-Liter-Tonnen ziehen die vier Männer los, picken auf, was rumliegt. Nach einer Stunde sind beide Tonnen voll. Rund 2.000 Liter Müll haben die Männer aus dem Kompass seit Projektstart im Oktober bereits eingesammelt. »Wir können mit dem Kompass den Menschen zwar einen Rückzugsraum geben, aber bisher konnten wir ihnen überhaupt nichts weitergehend anbieten«, sagt Kompass-Sozialarbeiter Juri Sladkov. »Mit diesem Projekt können wir endlich direkt helfen. Wir können die Männer zum Teil einer Stadtgesellschaft machen, die sie eigentlich ablehnt«, so der Experte. Nebeneffekt: Die Männer vom Aufräumdienst kontrollieren an ihren Einsatztagen auch deutlich mehr ihre Alkoholsucht. Zwischen zwei und drei Euro bekommen Sergio, Damian, Catalyn und Kyril pro Stunde. Sechs Euro könnten es langfristig werden, so der Plan der Sozialarbeiter. Dafür müssen die vier verlässlich dabeibleiben. Ihr Auftreten lässt keinen Zweifel daran, dass das so sein wird. Denn zum Arbeiten waren sie nach Deutschland gekommen. MAC

Hannover. Die Hannoversche Initiative obdachloser Bürger (H.I.o.B.), seit Anbeginn einer der beiden Gesellschafter von Asphalt, sammelt wieder Warmes und Wärmendes für die vielen Obdachlosen in Hannover. Gemeinsam mit der Obdachlosenhilfe Hannover stehen die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen mit Wohnwagen und Transporter am 24. Januar in der Zeit von 10 bis 18 Uhr sowie am 25. Januar in der Zeit von 10 bis 16 Uhr auf dem Opernplatz. Gesucht werden insbesondere Mäntel, Pullover, Parka, warme Unterwäsche, Socken und Strümpfe. Decken, Iso-Matten, Schlafsäcke. H.I.o.B.-Chef Alfred Bulmahn bittet zu beachten: »Die Kleidungsstücke sollten möglichst bereits in Tüten oder Müllsäcken verpackt sein. Die lassen sich besser transportieren als Kartons oder noch schlimmer lose.« MAC

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a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen. Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475


Meinen treuen Leserinnen und Lesern wünsche ich ein gesundes und stressfreies neues Jahr mit vielen schönen Begegnungen und Erlebnissen. Auch für unsere Stadt könnte es ein interessantes Jahr werden, immerhin haben wir nach so vielen Jahren SPD einen grünen Oberbürger­ meister, und ich bin gespannt, was sich so tut im Rathaus. Grüner soll die Stadt werden und gesünder, und da sich das inzwischen alle Parteien vorgenommen haben, dürfte bei diesen Themen der Gegenwind ja nicht so stark werden. Ich finde, Hannover hat so viele schöne grüne Ecken: den größten Stadtwald Europas, den Maschsee, zwei Flüsse und den Kanal, den Großen Garten und den Berggarten, um nur einige zu nennen. Da noch einiges »draufzusetzen« und Hannover zur »Vorzeigestadt« zu machen, müsste doch machbar sein. Und in der Stadtmitte eine autofreie Zone zu schaffen, muss doch mit ein bisschen gutem Willen auf allen Seiten auch möglich sein. Andere Städte machen es uns doch vor. Da haben Geschäftsleute auch keine Einbußen hinnehmen müssen. Im Gegenteil, die Innenstädte sind viel lebendiger geworden. Und die, die jetzt jammern, weil sie künftig so parken müssen, dass sie nicht mehr garantiert unter zwei Minuten zu Fuß in das nächste Geschäft brauchen, werden letzt­ endlich auch merken, wie schön es ist, sich in einer autofreien Zone zu bewegen. Freuen wir uns doch einfach mal auf ein schönes und spannendes 2020! Karin Powser Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden …

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RUND UM ASPHALT

G. Biele

Foto: V. Macke

Gesund und munter sein

Asphalt verlost 3 x 2 Karten für den Jazz Club Hannover

Apfel, Nuss und Mandelkern gab es für die Asphalt-Verkäufe­ rinnen und -Verkäufer zu Nikolaus. Und ein paar weitere klei­ ne Köstlichkeiten. Gespendet von der Bioladenkette Denns, sortiert, verpackt und persönlich jedem einzelnen Asphalter ausgehändigt von unseren Ehrenamtlichen wie Konrad Pfann­ schmidt (Bildmitte). Mit den gesunden Geschenken startet Asphalt in sein neues Gesundheitsprogramm »Gesund & fit 2.0«, bei dem es um Sport und gesundes Essen geht. DennsBezirksleiter Peter Baranyai (li. im Bild): »Wir stehen für ge­ sunde Biokost, da ist es uns eine Ehre, Asphalt bei dem neuen Gesundheitsprogramm für seine Verkäufer zu unterstützen.« Das Asphalt-Gesundheitsprogramm besteht aus Sport und Kochkursen. Für die Kochkurse in den Räumen der VHS wird Denns künftig regelmäßig alle Zutaten liefern. Und weil auch sich mal was gönnen, mindestens zur seelischen Gesundheit, zwingend mit dazu gehört, gab es obendrauf Einkaufsgutscheine für jeden und jede unserer Asphalter. Im Gesamtwert von 1.000 Euro. Gespendet vom Lions-Club Victoria Luise. Einen Tag vor Nikolaus waren Brigitte Hamme­ rich (re. im Bild) und Sabine Grune (li. im Bild) persönlich bei Asphalt vorbeigekommen, um mit Vertriebsleiter Thomas Eich­ ler die Gutscheine in die Nikolaustüten zu stecken. Das war eine gelungene Überraschung. Danke, Lions. Danke, Denns. MAC

iel

Gewinnsp

Swing, Bossa Nova und virtuose Klänge an Gitarre und Pia­ no – so startet der Jazz Club Hannover in das neue Jahr. Am 28. Januar ist die Berliner Jazzpianistin Julia Kadel zu Gast im berühmten Jazzkeller auf dem Lindener Berg. Mit im Gepäck: ihr neues Album »Kaskaden«, das die Musikerin im Original­ studio des sagenumwobenen Plattenlabels »Musik Produktion Schwarzwald (MPS)« aufgenommen hat. Das, was Kadel am altehrwürdigen Flügel jenes Kulturdenkmals mit ihrem Trio ein­ spielte, war nicht irgendeine Form von Retro-Jazz, es war eine, ganz ihrem Freigeist entspringende, Klangfantasie zwischen Harmonik und Spannung, die die Komponistin und Arrangeurin nun mit in den Club bringt. Mehr Informationen zum Programm gibt es unter www.jazz-club.de. Gewinnen Sie mit Asphalt dreimal zwei Tickets für das Konzert der Jazzpianistin Julia Kadel, am 28. Januar, um 20.30 Uhr, Am

Foto: privat

Harmonie und Spannung

Lindener Berge 38 in Hannover. Rufen Sie uns dafür am 22. Ja­ nuar zwischen 12 und 13 Uhr unter der Telefonnummer 0511 – 301269-18 an und beantworten folgende Frage: Aus welcher Stadt stammt Julia Kadel? Die ersten drei Anrufer mit der rich­ tigen Antwort dürfen sich über die begehrten Tickets freuen.


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96-Verlos

ung

Karten für 96!

Hannover 96 – Hamburger SV Wer uns einfach eine Karte, eine E-Mail oder ein Fax mit dem Stichwort »96« schickt, der hat die Chance, zwei Karten in Block S 4 zu gewinnen! Wir drücken ganz fest die Daumen und wünschen viel Glück! Asphalt-Magazin, Hallerstr. 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; gewinne@asphalt-magazin.de oder Fax: 0511 – 301269-15. Einsendeschluss: 31. Januar 2020.

Kommen Sie mit – zum sozialen Stadtrundgang! Asphalt zeigt Ihnen das andere Hannover. Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer führen Sie zu Orten, an denen Woh­ nungslose keine Randgruppe sind. Ein außergewöhnlicher Stadtrundgang – von ExpertInnen der Straße geführt! An jedem letzten Freitag im Monat gibt es einen offenen Stadtrundgang, dem Sie sich anschließen können. Nächster Termin: 31. Januar 2020, 15 Uhr. Treffpunkt: Asphalt, Hallerstr. 3, 30161 Hannover. Bitte anmelden unter: 0511 – 301269-20. Teilnahme auf Spendenbasis: ab 5 Euro pro Person. Gruppen verein­ baren bitte gesonderte Termine! Auf Nachfrage auch in englischer Sprache.

25 Foto: V. Macke

Jede Unterstützung ist wichtig. Deshalb verlosen Asphalt und Hannover 96 wieder gemeinsam 2 x 2 Karten für ein Top-Heimspiel der zweiten Bundes­ liga. Am 22. Spieltag (14. Februar bis 17. Februar) findet das Traditionsderby statt:

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Wirtschaft spendet Asphalt-Westen Mehr Präsenz auf der Straße, mehr Klarheit für Asphalt-Kun­ den: Alle hannoverschen Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäu­ fer werden dieser Tage mit neuen roten Westen ausgestat­ tet. Vorne und hinten mit dem Asphalt-Logo bedruckt sollen sie den Asphalt-Kunden künftig zur Orientierung dienen. Und den Verkäufern noch stärker das Gefühl vermitteln, Teil einer großen Straßenzeitungs-Gemeinschaft zu sein. Mit Glück wird die Einführung der weithin erkennbaren Asphalt-Westen auch dazu dienen, die in letzter Zeit gehäuften Vorfälle von betrü­ gerischen Straßenzeitungsverkäufen zu minimieren. Denn nur wer erkennbar Asphalt-Verkäufer ist (Ausweis, Weste, Jacke, Tasche) verkauft auch wirklich die soziale Straßenzeitung aus Hannover. Möglich gemacht hat das jetzt der Wirtschaftsclub »Wir!«. Das Unternehmernetzwerk in Hannovers Norden hat­ te Asphalt im Dezember zum gemeinsamen Frühstück nach Burgwedel eingeladen, Stadtführer Thomas (mit Weste im Bild) und Geschäftsführer Georg Rinke (li. im Bild) berichteten dort von ihrer Arbeit. Natürlich hatte der Club für jedes Clubmit­ glied eine aktuelle Ausgabe des Magazins gekauft und zudem eine Spende in Höhe von 3.000 Euro bereitgehalten, um die dringend benötigten Westen zu finanzieren. »Wir fühlen uns als Wirtschaftsclub auch dem Sozialen sehr verbunden«, beton­ te Vorstandsfrau Marena Heuer (Bildmitte). Jedes Jahr werde deshalb eine andere soziale Initiative unterstützt. »Diesmal Asphalt, weil es ein vorbildliches Projekt ist, das direkte Be­ gegnung möglich macht«, ergänzte Vorstandskollege Stephan Handwerker (Foto re. neben dem Clubvorsitzenden Uwe Has­ ter). »Einkaufen gehen, netter Schnack vorm Supermarkt, Asphalt kaufen, Gutes Lesen, Gutes tun.« Wir danken herzlich für das so gezeigte Vertrauen in unsere Arbeit. MAC


»AUF EINEM BAUERNHOF« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäuferin Simone (52). Hallo Simone. Du bist neu bei Asphalt. Herzlich willkom­ men! Danke! Ich verkaufe seit September. Ich möchte mich unbedingt bei meinen Kunden bedanken, dass sie mich so gut annehmen. Es tut mir so gut, mit allen ins Gespräch zu kommen.

schätze! Eigentlich ging es uns gut. Wir hatten alles: zwei gesunde Töchter, eine Wohnung, keine finanziellen Schwierigkeiten. Und trotzdem ging unsere Ehe 2001 kaputt. Rückblickend muss ich sagen, dass es mit meinem Leben nach dem Ende der Ehe irgendwie bergab ging.

Wie bist du zu Asphalt gekommen?

Was ist passiert?

Ich bin Bäckereiverkäuferin und hatte einen befristeten Vertrag. Der ist im August ausgelaufen. Mein Freund Micha, der auch Asphalt in Wettbergen verkauft, hat mich auf Asphalt aufmerksam gemacht. Ich brauche den zwischenmenschlichen Kontakt. Asphalt lässt mich finanziell über die Runden kommen und psychisch aufleben. Auch die Beziehung zu Micha tut mir gut. Ich war die letzten sieben Jahre alleine. Vor ein paar Monaten habe ich dann Micha besser kennengelernt, vom Sehen kannten wir uns schon, wir sind quasi Nachbarn. Mein Leben hat sich komplett gedreht seitdem. Alles macht jetzt wieder mehr Sinn. Alleine zuhause sitzen, arbeiten, wieder alleine sein … das ist so sinnlos. Es geht jetzt endlich wieder aufwärts.

Ich musste komplett von vorne anfangen; raus aus der ehelichen Wohnung. In meiner ersten eigenen Wohnung in Ricklingen hatte ich dann nicht mal den Nagel, den ich hätte in die Wand schlagen können. Er hat mir nichts gelassen. Ricklingen war mir auch zu nah dran an ihm und so bin ich weiter nach Wolfsburg. Ich hatte da eine tolle Wohnung, aber beruflich lief es gar nicht. Sieben Jahre war ich da. Dann habe ich jemanden kennengelernt und bin zurück nach Hannover. Nach drei Monaten war aber wieder Schluss.

Hast du wie Micha seinen Mailo auch immer deine Hündin Shanti beim Verkauf dabei? Immer. Ich hatte mein gesamtes Leben über Tiere. Zu Ost-Zeiten, noch mit meinem Ex-Mann, hatten wir einen riesigen Hof mit Hühnern, Enten, Schweinen – wir hatten sogar kleine Ferkel. Auch in meiner Kindheit hatten wir immer Tiere. Wir Kinder hatten sogar alle eine eigene Ziege. Ich bin in einem richtigen Dorf in der Nähe von Seehausen in Sachsen-Anhalt aufgewachsen, mit fünf Spitzbuben und drei Häusern. Meine Geschwister und ich hatten eine tolle Kindheit. Wälder, Wiesen, Kornfelder. Wir waren immer draußen. Eigentlich wollte ich aber gar keinen Hund mehr haben, ist ja auch eine finanzielle Frage. Aber Shanti sollte ins Tierheim. Sie gehörte dem Arbeitskollegen meines Ex-Freundes. Er kam mit ihr bei mir vorbei, sie sprang dann direkt auf meinen Schoß und die Sache war durch – allen Zweifeln zum Trotz. Das war vor sieben Jahren.

Wie bist du von Seehausen nach Hannover gekommen? Als die Grenzen aufgemacht haben, bin ich nicht mit der Masse mit, sondern noch ein Jahr geblieben. Mein damaliger Mann ist aber schon nach Hannover und hat da gearbeitet. Wir haben schon mit 18 geheiratet, mit 19 kam unsere erste Tochter, damals waren wir also schon zu dritt. Er hat sich dann um eine Wohnung gekümmert und so kamen wir hierher.

Heute seid ihr geschieden? Ja. Wir waren 17 lange Jahre verheiratet und haben noch eine zweite Tochter bekommen. Meine Töchter sind meine Gold-

Wo lagen die Probleme im Job? Ich habe im Osten was gelernt, was es so heute nicht mehr gibt. Schuhfacharbeiter. Ich habe Schuhe noch richtig genäht, saß den ganzen Tag an der Nähmaschine. In Hannover habe ich umgeschult und bin Bäckereiverkäuferin geworden. Ich war schon in verschiedensten Betrieben, bin aber nirgends wirklich angekommen. Von meinem letzten Arbeitgeber sollte ich eigentlich nach einem befristeten einen festen Vertrag bekommen, aber dann war ich krank. Ich hatte einen Schlaganfall. Sie dachten wohl, ich wäre nicht belastbar. Es gab keinen Festvertrag. Schade! Deswegen ist Asphalt das Beste, was mir passieren konnte. Ich unterhalte mich gern und bin eigentlich auch ein fröhlicher Typ.

Eigentlich? Ich habe seelisch viel zu kämpfen. Meine Mutter hatte viele Jahre Krebs und ist früh gestorben. Vater hatte drei Jahre nach ihrem Tod einen Herzinfarkt und ist auch gestorben. Ich war damals 26. Das hat mich psychisch sehr mitgenommen. Bis heute trage ich das mit mir herum. Ich hatte eine gute Verbindung zu ihnen: Mutter war meine Freundin, mein Kumpel, mein Alles eigentlich. Sie fehlt mir immer noch wie verrückt. Ich kann auch schlecht darüber sprechen, mit Micha jetzt manchmal.

Was wünschst du dir für deine Zukunft? Noch ein paar Jährchen zu leben. Ich habe ja mit angesehen, wie jung meine Mutter an Krebs gestorben ist. Und ich könnte mir gut vorstellen, wieder aufs Land zu ziehen – mit Micha, Mailo und Shanti auf einen Bauernhof, wo die Tiere sich frei bewegen können. Das wäre toll! Dass wir alle lange leben und glücklich auf einem Bauernhof enden: Das ist mein Wunsch. Interview und Fotos: Svea Kohl


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Simone verkauft Asphalt in Hannover-Wettbergen vor »Rewe«.


RUND UM ASPHALT

Foto: V. Macke

Perlen, Schnitzkunst und Gestecke, Gesticktes, Ge­ stricktes und feine Christbaumanhänger gab es zum ersten Advent in der Kreuzkirche. Mit Liebe für As­ phalt angeboten von den vielen engagierten Stand­ betreibern des großen Weihnachtsbasars des Diako­ nischen Werks. Zugunsten des einzigartigen sozialen Zeitungsprojektes. Hunderte Interessierte kamen, sahen und kauften das ein oder andere Geschenk und Schmuckstück, genossen zudem bei Kaffee und Kuchen Klönschnack und Asphalt-Infos. Ehrenamt­ liche Helferinnen und Helfer und einige unserer

Asphalt-Verkäufer sorgten für den reibungslosen Ablauf des Nachmittags in der schönen Altstadtkir­ che. Und auch Verkäufer Jens (Foto) freute sich über eine stattliche Anzahl verkaufter Zeitungen. Für den guten Zweck, die wichtige gesellschaftsstabilisieren­ de soziale Arbeit von Asphalt für hunderte Arme und Obdachlose, kamen insgesamt etwas mehr als 8.000 Euro zusammen. Wir sind hellauf begeistert von so viel Zuspruch und Zuwendung und bedanken uns ganz herzlich beim DW und allen Beteiligten. MAC

Foto: G. Biele

Basar stützt Asphalt(er)

Ehrenamtlich gebacken Selbstgebastelte Adventskränze, aus Holz gefertigter Baum­ schmuck und verschiedenste Dekoartikel und Naschereien für die Adventzeit – der Herbstbasar im Historischen Museum in Hannovers Altstadt hat auch in diesem Jahr wieder sozia­ len Einrichtungen die Möglichkeit gegeben, ihre Produkte für den guten Zweck anzubieten. Auch Asphalt war dabei. Mehr als 85 Tütchen voll mit selbstgebackenen Plätzchen konnten die BesucherInnen des Basars gegen eine individuelle Spende von Asphalt-Ehrenamtlichen erwerben. Insgesamt 174,95 Euro sind dabei zusammengekommen. Danke. Auch Verkäufer Jörg machte ein gutes Geschäft. GB

Verkäuferausweise Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei VerkäuferInnen mit gültigem Ausweis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Hell-Orange

Impressum Herausgeber: Matthias Brodowy, Dr. Margot Käßmann, Rainer Müller-Brandes Gründungsherausgeber: Walter Lampe Gesellschafter: Diakonisches Werk Hannover, H.I.o.B. e.V. Geschäftsführung: Georg Rinke Redaktion: Volker Macke (Leitung), Grit Biele, Svea Kohl, Ulrich Matthias Fotografin/Kolumnistin: Karin Powser Gestaltung: Maren Tewes Freie Autoren in dieser Ausgabe: C. Butterwegge, C. Fyrnihs, B. Pütter, J. Piquardt, W. Stelljes, K. Zempel-Bley

Anzeigen: Heike Meyer Verwaltung: Janne Birnstiel (Assisten­ tin der Geschäftsführung), Heike Meyer Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bie­ nert, Christian Ahring (Sozialarbeiter) Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15

Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1 Online: www.asphalt-magazin.de redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 22.500 Asphalt erscheint monatlich. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 16. Dezember 2019

Für unaufgefordert eingesandte Manus­kripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rück­ sendung nur, wenn Porto beigelegt wurde. Adressen werden nur intern ver­ wendet und nicht an Dritte weiter­ gegeben. Unsere vollständige Datenschutzerklärung finden Sie auf www.asphalt-magazin.de/impressum. Alternativ liegt diese zur Ansicht oder Mitnahme in unserer Geschäftsstelle aus.


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Danksagung n

O-To

Asphaltverkäufer Heinz-Dieter Grube: Bei der mo­ natlich stattfindenden Asphalt-Verkäufer-Versamm­ lung wurde letztlich nachgefragt, ob jemand von uns ein dreirädriges Fahrrad benötige. Wunderbar, denn aufgrund meiner krankheitsbedingten und mit starken Medikamenten eingeschränkten Mobilität bin ich schon seit Monaten recht wackelig auf den Beinen, kann ein Fortbewe­ gungsmittel welches mich vor dem Umfallen schützt, sehr gut gebrauchen. Herzlichen Dank an Herrn und Frau K. (deren Na­ men ich ohne ihr Einverständnis hier nicht nennen kann) für die­ se Spende zu diesem hochwertigen Dreirad. Gerne würde ich eine Gegenleistung erbringen, bemühe mich aber intensiv darum, dass jeglicher Schaden, z. B. ein Diebstahl dieses guten Stückes erschwert wird. Als ehemaliger Elektround Computer-Fachmann habe ich noch entsprechende Kom­ petenzen, kann Alarm-Technik und auch Ortung bei Diebstahl einrichten, was auch beim Abstellen ohne Garage dringend erforderlich erscheint, biete auch gerne meine Hilfe bzw. Be­ ratung an. Als Mensch, der bisher in seinem Leben unzählige Fahrzeuge bewegen musste, habe ich erstmalig noch sehr große Schwierigkeiten ein mir ungewohntes Fahrrad sicher zu bewegen und muss, wie mir wie vor der Übergabe bereits an­ gekündigt wurde, erst noch viel üben. Sobald ich mich damit sicher im Straßenverkehr bewegen kann und es die körperliche Tages-Verfassung zulässt, werde ich mich damit wieder zu »mei­ nem Wochenmarkt« begeben, von diesem Rad gestützt sitzend, werde meine Asphalt-Kundschaft vor Ort bedienen können.

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»Berührend und ehrlich« Ralf Meister Landesbischof

»Ich bin ein begeisterter und treuer Leser – und genau deshalb ein großer Anhänger von »Asphalt«. Denn hier lese ich jeden Monat spannende, berührende und ehr­ liche Geschichten von der Straße. Zugleich erlaubt das Magazin seinen Verkäuferinnen und Verkäufern, mit einem tollen Produkt Geld für ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So bekommen Menschen seit 25 Jahren echte Perspektiven.«

on … Wussten Sie sch

gesucht – gefunden Verkäufer Jörg: Ich wünsche meinen Kunden ein gesegnetes Neues Jahr 2020 und suche eine Spielekonsole mit Spielen. [V-Nr. 2117] Kontakt: 0176 – 52758568. Verkäuferin Cordula: Ich suche dringend einen soliden Bürostuhl mit Kopfstütze. Danke im Voraus! [V-Nr. 1683] Kon­ takt: 01577 – 9467348. Verkäufer Uwe: Suche Wohnlandschaft in L-Form. Mein Sofa wurde vom Kater vernichtet. Liebe Grüße von Uwe (denn´s Bio­ markt in der Nordstadt). [V-Nr. 1865] Kontakt: 01575 – 1993769.

regelmäßige seine Arbeit ohne … dass Asphalt e finanziert? chliche Zuschüss öffentliche und kir enerlösen sind aufs- und Anzeig Neben den Verk Förderer die rer Freunde und die Spenden unse ierung. nz zur Gesamtfina wichtigste Stütze ende: indung für Ihre Sp Unsere Bankverb Asphalt-Magazin 30 0410 0000 6022 IBAN: DE35 5206 EK1 BIC: GENODEF1 nk Evangelische Ba ck: Perspektiven Verwendungszwe

… mehr als eine gute Zeitung!

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JÜRGEN PIQUARDTS GENUSS DES EINFACHEN

Foto: Barbara Pheby/stock.adobe.com

Der bekannte hannoversche Gastronom lebt in der Provence, ist Autor, Olivenbauer und Kochanimator. Seine Gerichte: regional und saisonal. Jetzt kocht er für Asphalt. Ein Gericht zu jeder Jahreszeit. »Wenn Du es nicht einfach erklären kannst, hast Du es nicht gut genug ver­ standen.« Oder: »Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden, aber nicht einfacher.« Ich liebe die klugen Sprüche unserer Altvorderen. Albert Einstein ist einer meiner liebsten »Auf-den-PunktBringer«. Wunderbar, wie so auf schöns­ te, toleranteste Art die menschlichen Generationen Nutzen voneinander haben können, ohne den ausschließlichen Ansatz, et­ was absolut Neues in die sowieso schon immer turbulenter werdende Welt hineinposaunen zu müssen. Tradition und Moderne zeitgemäß zu verbandeln, das scheint ein Dauerauftrag zu sein, um uns die individuell gangbaren Wege in eine heilere Zukunft aufzuzeigen. So werde ich versuchen, diese Ernährungskolumne mit Hilfe des im letzten Jahrzehnt Hinzugelernten lebendig-zeitnah zu schreiben. Von meinen geliebten 5 G´s – Genuss, Gesundheit, Geselligkeit, Gemeinwohl, Ganzheit – entwickelt sich die Ganz­ heit, in glücklich-harmonischen Momenten, immer deutlicher zu einem Über-G. Dieses steht aber nicht im Mittelpunkt der Kolumnen. Ohne Verdruss und »Gewissensbisse« zu erzeugen, aufdringlich-philosophisch-professoral, wäre das auf einer As­ phalt-Seite nicht möglich. Wir haben es miteinander vorrangig mit Genuss & Gesundheit zu tun. An diesem Zusammenspiel werden sich die Rezepte, die Sie dann hoffentlich oft, mit ei­ genen Änderungen versehen, kochen werden, ausrichten. Die »großen« Themen, die so schnell vom Wesentlichen, dem Ge­ nuss und der Gesundheit für Körper, Seele und Geist, ablenken können, werden somit möglichst spielerisch und einfach, s.o., behandelt. Ein Versuch in diese Richtung:

olfgang Foto: W

VEGANER WINTERAUFLAUF

Becker

»Viel, viel Liebe « »Der Mensch gelangt mit Müh und Not, vom Nichts zum ersten Stückchen Brot. Vom Brot zur Wurst geht´s dann schon besser, der Mensch entwickelt sich zum Fresser und sitzt nun scheinbar ohne Kummer, als reicher Mann, bei Sekt und Hummer. Doch ach, am Ende ist die Leiter, vom Hummer aus geht´s nicht mehr weiter. Beim Brot, so scheint ihm, war das Glück, doch findet er nicht mehr zurück.« (Eugen Roth, 1895-1976) »Er stolpert hilflos und von Sinnen, die Korrektur will nicht ge­ lingen: Er ging schon auf so vielen Wegen, doch auf die Sonne folgt stets Regen. Gewitter sind vermehrt darunter, doch sei­ ne Nahrung wird noch bunter. Oft weiss er nicht, was er ver­ schlingt, gesund ist es nur sehr bedingt. Er ahnt, dass Fleisch und Gummibären vor allem seinen Arzt ernähren. Laktose und Gluten allein, werkeln ihm das Leben klein. Das freut die Nahrungsfabrikanten, die Retter, so nun selbst ernannten: Mit reichlich Zucker, reichlich Fett, machen sie den Schaden wett. Er sieht sein Leben in Gefahr, das früher oft so heiter war. Drum will er nicht mehr jammernd klagen, jetzt will er sich nach vorne wagen: ›Mein Brot der Zukunft heisst Gemüse; bio, fair und von der Wiese. Mein Fleisch der Zukunft heisst Karotte, gepaart mit Linda und Schalotte. Ich nehm´ die Hacke in die Hand und ra­ dele ins Regioland. Dort treff´ ich heiter Gleichgesinnte, unser Vertrag braucht keine Tinte.‹ Noch auszuträumen sind solch´ Sachen, die allem Leben Freude machen. Dann zwitschern auch die Spatzen rege: ›Das waren längst schon uns´re Wege!‹ Was sollt´s trällert der Kolibri: ›Die Welt wird schön, so schön wie nie!‹« (Eugen Roth, 2012 aus dem Humoristenhimmel) Zu den »französischen Kolibris«, die mit Hilfe des Banners »Glückliche Genügsamkeit« gemeinsam das heitere Fliegen in die Zukunft erlernen, im April Genaueres. Ich wünsche Freu­ de beim Kochen mit den neu geadelten – »fair-regional-saiso­ nal-bio« – Lebensmitteln. Und dann: guten Hunger!


FUZWIEBEL-TO R E H C IS S Ö FRANZ UF ÜREE-AUFLA KARTOFFELP Zutaten für vier Personen Das Püree: 500 g Kartoffeln (R) Olivenöl (E) Hafer- oder Sojasahne (D) Salz (D) Pfeffer (A) Wasser (R) Das »Bett«: 300 g Zwiebeln (R) 3 Zehen Knoblauch (D) 1 EL Mehl (R) 2 EL Essig (R) 400 g Tofu natur (R, D) »etwas« Gemüsebrühe (R) 0,5 l Wasser (R) Sojasoße (D) Sonnenblumenöl (R) oder Olivenöl (E) Thymian (R, E) Lorbeer (R, E)

h S. Ko : Foto

Foto: S. Kohl

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R = Region | D = Deutschland E = Europa | A = Andere Erdteile

Prozedere:

Tipps:

Die Kartoffeln garen | mit dem Öl und der Hafersahne pürieren (geschmeidige Konsistenz) | würzen | Die kleinen Zwiebelscheiben im Öl anschwitzen | den vorher klein ge­ würfelten Knoblauch und den EL Essig hinzugeben | mit dem Mehl bestreuen und alles miteinander, bei ständi­ gen Rühren, weiter anschwitzen | mit 0,5 l Gemüsebrühe ablöschen und ca. 30 Minuten »köcheln« lassen | ab­ schmecken mit Lorbeerblatt, Thymian, S & P | Die mari­ nierten Tofuscheibchen gesondert leicht anbraten | Ein »Bett« – unten Tofu, darüber die Zwiebeln – in einer Auf­ laufform »anrichten« | Das Püree darauf verteilen | Und dann: auf in den Backofen für ca. 45 Minuten.

Das Bett müsste breiiger sein als das Püree. Viel, viel Liebe für die Zwiebeln. Wenn das dann nicht schme­ cken sollte?

Für alle Experimentierfreudigen: In das Püree kleine, zuvor gedünstete und leicht an­ gebratene, Steckrübenwürfel.

Menüvorschlag: Carpaccio von gegarter Roten Bete und rohem Apfel; Senfvinaigrette | Miroton | Getrocknete Fei­ gen in Traubensaft mit Mandelsahne.

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Miroton vegan

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Foto: The Big Issue UK

WIEDER MIT WUT Der Kultregisseur Ken Loach hat einen neuen sozialrealistischen Film gedreht. Am 30. Januar kommt ›Sorry We missed you‹ in die Kinos. Der Filmemacher im Gespräch über ein System, das so viele zurücklässt. Von »Cathy Come Home«, die die Welt veränderte, indem sie 1966 Obdachlosigkeit in die Wohnzimmer einer ahnungslosen Öffentlichkeit brachte, bis hin zu »Daniel Blake«, der die seelenzerstörerischen Auswirkungen von Leistungssanktionen der Jobcenter aufzeigte: Ken Loachs Filme sagen was ist. Da unten, wo es schiefläuft. Für die Menschen. Und niemand freiwillig hinsieht. Seit mehr als 50 Jahren macht er das. Sein neuestes Werk, »Sorry We Missed You«, widmet sich der Gig Economy:

Arbeitsaufträge auf Zuruf ohne jede Absicherung, nur kurzfristige Verträge, keine Planungssicherheit. Jobs teils via Internetplattformen, quasi versteigert. Während der Recherchen zu seinem letzten Film »Ich Daniel Blake« hatte Loach immer mehr Vertreter dieser neuen Arbeiterklasse bemerkt. Viele der Menschen, die er in den Suppenküchen traf, seien in Arbeit gewesen. In dieser prekären neuen Arbeitswelt. »Das schien eine außergewöhnliche, neue Entwicklung zu sein«, sagt Loach


gibt eine gelebte Erfahrung, die dich mit ihnen verbindet«, findet Loach. »Wenn du Solidarität mit ihnen empfinden kannst, schafft das eine Verbindung. Und daraus kann eine andere Sichtweise auf die Welt entstehen«, sagt der immer noch nicht müde Weltverbesserer. Loach spricht leise, langsam, kross, aber seine Worte sind immer ein Schlag ins Gesicht: »Es ist die ständige Unsicherheit. Die Menschen hängen an einem Faden«, sagt er. »Und das Gefühl, mit dem wir die Leute zurücklassen wollten, ist, dass dies kein Zufall ist. Das ist kein Versagen des Kapitalismus. Das ist die Funktionsweise des Kapitalismus. Das ist der Erfolg des Kapitalismus. Weil es sich um flexible Arbeit handelt – und das ist es, was der Kapitalismus will, ohne Verantwortung für den Arbeitgeber. Also sagen wir, dass sich das ändern muss.« Die im Film dargestellte Familie, die auf so vielen Hunderttausenden im Vereinigten Königreich basiert und die vergleichbar ist mit den neuen working poor auch in Frankreich, Deutschland, Italien oder Polen, hat wenig oder gar keine Kontrolle über ihr Arbeitsleben. Keine Kontrolle über ihre Zeit. Abgerissene Momente der Freude und Liebesbekundungen sind selten, überwältigt vom Stress des unsicheren Arbeitsplatzes, ungeregelter Stunden und unsicherem Einkommen. Ken Loach ist jetzt 83 Jahre alt, und jeder neue Film ist ein großer Einsatz von Zeit und Energie auf dem Weg zur politischen Erleuchtung. Gibt es eine einzige Gesetzgebung, die Loach aus dem öffentlichen Engagement mit ›Sorry We Missed You‹ sehen möchte? »Es braucht mehr als eine Gesetzgebung«, sagt er. »Es ist eine ganze soziale Revolution.« Adrian Lobb Mit Unterstützung von INSP.ngo/The Big Issue UK

Eine Familie wie Hunderttausende: Ricky, Abby und ihre Kinder.

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beim Interview. »Sie hatten Arbeit und konnten ihre Familien immer noch nicht ernähren. Diese arbeitenden Armen. Wenn der Kerl an deine Tür klopft, um ein Paket zu liefern, siehst du es ihm nicht unbedingt an, oder der Frau, die kommt, um sich um deine Oma zu kümmern. Sie setzen ein Lächeln auf, wenn sie bei der Arbeit sind und kommen total erschöpft nach Hause. Aber deren Familien spüren es. Da ist keine Zeit mehr für Geduld, keine Zeit mehr für die Kinder«, erzählt Loach. Für den Film hat Loach viel recherchiert, mit Menschen gesprochen, sich fachkundig beraten lassen. Im Grunde ist es ein Dokumentarfilm. »Er basiert auf vielen wahren Geschichten – und viele von ihnen, die wir gehört haben, waren schlimmer. Noch extremer.« Die düstere Schönheit eines solchen Films besteht darin, dass ein Thema, von dem wir alle wissen, dass es auf einer abstrakten Ebene existiert, ein menschliches Gesicht erhält. Im Kontext des Familienalltags der Betroffenen. Konkret von der Haus- und Pflegehelferin Abby und ihrem Mann Ricky aus Newcastle. Abbys Tagesschichten haben 13 oder 14 Stunden, bezahlt wird sie nur für den direkten Kontakt vor Ort. So ist sie stets auf der Suche nach dem nächsten Auftrag zum Dumpingpreis. Ricky »Das ist kein Unfall. ist Auslieferungsfahrer, quasi selbstständig. Doch jede BeSo arbeitet wegung jedes Menschen und Kapitalismus.« jedes Pakets wird an seinem Ken Loach neuen Arbeitsplatz verfolgt. Toilettenpausen sind nicht möglich. Ricky kann für einen freien Tag mit einer Geldstrafe belegt werden. Er haftet für verloren gegangene oder gestohlene Pakete und hat keinen Schutz bei Krankheit, Verletzung oder familiärem Notfall. Das ist die Gig Economy in ihrer schlimmsten Form. Die Kinder erzieht Abby vom Bus aus. Sie hinterlässt Sprachnachrichten auf den Telefonen ihrer Kinder, strukturiert die Schlafens­zeiten, die Hausarbeiten, die Speisen, die aufgewärmt werden sollen und wie viel Computerzeit vor dem Schlafengehen erlaubt ist. Seine Tochter nimmt Ricky manchmal mit auf seine langen Fahrten, weil er sie sonst kaum sieht. Und bekommt prompt Ärger. Von den Kunden, weil sie das für nicht kindgerecht halten. »Man liest zwar über diese Menschen als soziales Phänomen, aber in das Leben und die Familie von jemandem hineingezogen zu werden, ist anders. Es

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BUCHTIPPS Hinterland Tommy Wieringa ist einer der wichtigsten niederländischen Erzähler. In »Santa Rita« erzählt er aus der Peripherie, dem Dorf Marienveen, irgendwo an der deutschen Grenze. Wer hier geblieben ist, dem widerfährt die Welt. Paul Krüzen, 50, wohnt hier mit seinem Vater auf dem Familienhof und betreibt einen Militariahandel, die Nachfrage nach Nazi-Devotionalien ist stabil. Er, sein Freund Hedwige, der seinen kleinen Laden »mit starrem Mut gegen die Axthiebe der Zeit verteidigt«, und die anderen sehen nur die Ausläufer der Globalisierung in den Ort wehen. Den Anfang machte der russische Pilot, der nach der Flucht aus der Sowjetunion hier abgestürzt war, weil er mit Pauls Mutter verschwinden wollte. Später osteuropäische Eigentumskriminalität und zwei chinesische Familien, die mit Shu Dy­ nasty und der Happyteria triste Mittelpunkte des Dorflebens betreiben. Aus rechtlichen Gründen liegt der Pascha Club direkt hinter der Grenze. Eine langsam Fahrt aufnehmende Handlung gibt es auch, vor allem ist »Santa Rita« aber eine dank der sprachlichen und kompositorischen Präzision fesselnde Lektüre. Lakonisch, mit absurdem Humor und tiefer Sympathie für die abgehängten An­ ti-Kosmopoliten aus dem Hinterland, vor deren Wahlentscheidungen sich ganz Europa fürchtet. BP Tommy Wieringa | Santa Rita | Hanser | 304 S. | 22 Euro

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Was ist Freiheit? Der Briefroman ist wirklich nicht ge­ rade die Textsorte der Zeit. Ein Ju­ gendroman also aus fiktiven Briefen, und dann noch zu einem historischen Thema? Es ist verblüffend, wie gut das funktioniert. Frank Maria Reifen­ berg ist ein erfahrener Kinder- und Jugendbuchautor und Lehrbeauftrag­ ter für »Leseanimation für Jungen« in der Lehramtsausbildung an der Uni zu Köln. Ihm gelingt es, die Briefwechsel der 16-jährigen Lene Meister mit Freundin, Familie und vor allem mit dem Edelweißpiraten Erich einerseits mit einem Spannungsbogen zu versehen, der über die Distanz trägt. Und ihm gelingt die Grat­ wanderung, über ganz gegenwärtig wirkende Figuren den Alltag in der Diktatur und im Krieg für Jugendliche erlebbar zu machen. Nicht zuletzt, dass es unterhalb des zahlenmäßig winzigen politischen Widerstands die Unangepassten gab, eine dissidente Jugend, die eben nicht mitmachen wollte und zunehmend für das System zum Problem wurde. Eine knappe historische Einordnung der Edelweißpi­ raten ergänzt diesen lesenswerten Jugendroman (Empfehlung zum Weiterlesen: Sascha Lange, Meuten, Swings und Edelweißpiraten), eine Zeittafel 1933 – 1945 hilft bei der Orientierung. BP Frank M. Reifenberg | Wo die Freiheit wächst. Briefroman zum Widerstand der Edelweißpiraten | arsEdition | 15 Euro

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KULTURTIPPS Konzert

34 Sounds und Klangcollagen Kompositionen und Konzept-Performances von Martin Schwarz und Marie Luisa Ehrlich – hier tref­ fen ungewohnte Klänge auf sphärische Sounds und Klangcollagen. Die beeindruckende Vocal Perfor­ mance der Sängerinnen in diesem Ensemble sorgt für ganz besondere und wahrscheinlich so noch nicht gehörte Momente. Nicht nur die Grenzen der Musik verschwimmen, auch die Grenzen zwischen diver­ sen künstlerischen Ausdrucksformen wie Schauspiel oder Bühnendesign. Mittwoch, 15. Januar, Einlass 20 Uhr, Beginn 21 Uhr, Kulturpalast Linden, Deisterstraße 24, Hannover, Eintritt frei.

Foto: Sally Lazic

Elektronischer Retrosound

Tonhallenkonzert mit Eva Klesse Quartett Sie ist Schlagzeugerin und Bandleaderin – und damit bis heu­ te eine Ausnahme im Jazz. Mit ihrem Quartett begeistert Eva Klesse seit Jahren die Musikwelt auf renommierten Festivals und in Konzerthallen. Wie keine andere Jazzformation verste­ hen es die Vier, schwere Leichtfüßigkeit mit anspruchsvollen Songstrukturen zu musikalischen Erlebnissen zu verbinden. Es ist das Fließende, ebenso wie das Plötzliche, das Überraschen­ de, das ihre Musik so spannend macht. Sonntag, 12. Januar, 18 Uhr, Tonhalle Hannover, Fischer­ straße 1A, Hannover, Eintritt 15 Euro, VVK 12,50 Euro, erm. 10 Euro.

Mit analogen Synthesizern, E-Pianos und einem komplexen Multipercussion-Setup reisen Johannes Motschmann, Boris Bolles und David Panzl alias Jo­ hannes Motschmann Trio zwischen den Welten und treten in Clubs und klassischen Konzertsälen glei­ chermaßen auf. Dadurch, dass fast alle Instrumente aus den 1970er und 1980er Jahren stammen, ent­ steht eine Art »Retro-Sound«. Was sonst gewöhnlich maschinengesteuert ist, liegt hier in den Händen der drei klassisch ausgebildeten Musiker. Sie lassen mit hoher Präzision Motschmanns Kompositionen so sinfonisch klingen, als würde man einem ganzen Orchester lauschen. Freitag, 24. Januar, Konzertbeginn 20 Uhr, Künstlergespräch vorab 19 Uhr, Schloss Landestrost, Schlossstraße 1, Neustadt am Rbge., Eintritt 15 Euro, erm. 10 Euro.

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Galerie der Materialkultur Die Arbeiten von Koenraad Dedobbeleer schärfen die Wahr­ nehmung von unterschiedlichsten Objekten und Formen. All­ tägliche Gegenstände werden vom herkömmlichen Gebrauchs­ wert befreit und in neue Beziehungen gebracht. Dadurch erfahren sie eine raffinierte und bisweilen humorvolle Neu- und Umbewertung. In Dedobbeleers »Galerie der Materialkulturen« werden kulturhistorisch gewachsene Sehgewohnheiten und eu­ ropäisch geprägte Konventionen von Kunstausstellungen zu ei­ ner ganz eigenen imaginären und doch sehr realen Ausstellung zusammengeführt. Zu sehen sind unter anderem die Abbildung einer antiken Haartracht über ein Gipsmodell der Göttin Dia­ na mit neuer Nase, große Objekte, die an Turngeräte erinnern, und Skulpturen, die Nüsse oder frisches Obst enthalten. Bis Sonntag, 26. Januar, dienstags bis samstags 12 bis 19 Uhr, sonn- und feiertags 11 bis 19 Uhr, Kunstverein Hannover, Sophienstraße 2, Hannover, Eintritt 6 Euro, erm. 4 Euro, Mitglieder frei.

Bühne Heinz Erhardt Abend In einer einzigartigen Weise lässt Parodist Andreas Neumann den beliebten Komiker und Humoristen Heinz Erhardt wieder auferstehen, so, als würde er höchstpersönlich wieder zum Publikum sprechen. Doch trotz der vielen zeitlosen Sketche, Geschichten und Gedichte, die der Unterhaltungskünstler hin­ terlassen hat, und mit denen sich leicht mehrere Abende fül­ len ließen, präsentiert Neumann auch noch andere prominen­ te Gäste. Mit dabei: Heinz Rühmann, Hans Moser oder Theo Lingen. Schließlich sollte man als Parodist mehr als eine Stim­ me zur Verfügung haben. Und auch Marcel Reich-Ranicki, Inge Meysel und andere kommen zu Wort. Meist in einer Geschwin­ digkeit, das man meinen möchte, es stünden mehrere Personen auf der Bühne. Einer für Alle – alle auf einmal, so das Motto des Parodisten. Lachen ist so gut wie garantiert. Mittwoch, 15. Januar, Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr, Leibniz Theater, Kommandanturstraße 7, Hannover, Eintritt 28,90 Euro, erm. 24,90 Euro.

Foto: FAHeckmann GmbH

Ausstellung

Sonstiges

Verlosung

Asphalt verlost 5 x 2 Karten für die abf 2020

Messe für aktive Freizeit Ob Aktiv & Fit, Caravaning & Camping, Reisen & Urlaub, Fahrrad & Outdoor oder Autotage Hannover – auf Norddeutschlands größter Freizeitmesse können Reiselustige und Sportbegeister­ te in fünf Themenwelten wieder jede Menge entdecken, wenn Ende Januar die abf ihre Tore öffnet. Mehr als 500 Aussteller präsentieren Neuheiten, geben Informationen und bieten Be­ ratungen, Mitmachaktionen sowie Live-Vorträge. Auf der Photo & Adventure, die im Rahmen der abf stattfindet, locken etwa 20 Aussteller aus dem Bereich Fotografie und Video mit zahl­ reichen Fachvorträgen, Produktpräsentationen, Workshops, Seminaren und Kurzdiashows. Parallel zur abf geht außerdem die B.I.G. in die nächste Runde, die große Messe rund um die Themen Bauen, Immobilien und Garten. Für einen erlebnisreichen Tag auf der abf mit ihren Nebenaus­ stellungen verlost Asphalt 5 x 2 Karten. Schicken Sie uns dafür einfach eine Postkarte mit dem Kennwort »abf« an: Asphalt-­ Redaktion, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover oder eine E-Mail an: gewinne@asphalt-magazin.de oder ein Fax an: 0511 – 30126915 und gewinnen Sie mit etwas Glück die be­ gehrten Tickets. Einsendeschluss ist der 26. Januar. Mittwoch, 29. Januar, bis Sonntag, 02. Februar, jeweils 10 bis 18 Uhr, Messegelände Hannover, Eintritt: Tagesticket 13,50 Euro, Tagesticket erm. 12,50 Euro, Junior-Tagesticket (13 bis 17 Jahre) montags bis freitags frei, samstags und sonntags 8,50 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei, Nachmittagsticket ab 15 Uhr (mittwochs bis freitags) 6,50 Euro.


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Für Kinder Die heimliche Insel Auf Dienstags Insel gibt es ein Versteck, eine Oase und viel Einsamkeit. Da freut sich Dienstag, dass jemand vorbeikommt. Dieser Jemand ist einer, der alles kennt. Kennich ist ein abgeklärter Typ, den nichts beeindruckt. So nimmt er den scheuen Dienstag nur als Echo war und erhebt sich zum König der Insel Echoland. Alle Neuankömmlinge haben sich nun zu fügen: Rummguck, der mehr als flüchtige Bli­ cke für seine Umwelt hat und auf den ersten Blick gar nichts sieht. Falsch, der ganz ehrlich ist und fast nie was richtig macht. Und die Fremde, deren Sprache niemand versteht. Das Stück von Horst Hawemann ist eine Allegorie über das Miteinander, in der tiefe Weisheiten hinter dem Humor auftauchen. Für alle ab acht Jahren. Samstag, 18. Januar, 15 Uhr, Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, Hannover, Eintritt VVK 7,60 Euro, AK 8 Euro, AktivPass frei.

Comicwerkstatt Mit seiner Bildergeschichte von Max und Moritz wurde Wilhelm Busch zu einem der wichtigsten Vorläufer heutiger Comics. Doch was macht diese Bildgeschichte so besonders und wie konnte sie so berühmt werden? Diesen und weiteren Fra­ gen gehen die Kinder in der Comicwerkstatt mithilfe der im Kinder-Kabinett aus­ gestellten Streiche der Brüder auf den Grund. Im Anschluss daran überlegen die Mädchen und Jungen unter der Leitung von Maike Dahl, was für Streiche Max und Moritz heute wohl so aushecken würden und entwerfen gemeinsam einen neuen Streich der beiden Buben. Die Comicwerkstatt ist für Kinder ab acht Jahren. Samstag, 18. Januar, 15 bis 17 Uhr, Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Georgengarten, Hannover, Anmeldung unter 0511 – 16999-11, Teilnahme 6 Euro.

Lesung Die 68er in Hannover Mit seinem Roman »Tanz Roter Punkt Tanz« öffnet Udo Bergmann ein Fenster in die »wilden« Endsechziger Jahre in Hannover: das Aufbegehren gegen die Herr­ schaft des »Alten«, geformt aus Wertvorstellungen der Vorkriegszeit. Proteste ge­ gen die bedrängend autoritär erscheinenden Ausbildungsverhältnisse in Schule, Betrieb und Universität. Der tödliche Schuss auf den Hannoveraner Benno Ohne­ sorg. Der Vietnamkrieg der USA. Eine Welle der Empörung rollt über die Straßen westdeutscher Universitätsstädte, vertieft die Gräben zwischen dem »alten« Esta­ blishment und den drängenden Kräften der »neuen« Jugend. Samstag, 25. Januar, 15 Uhr, Cafe Anna Blume, Stöckener Straße 68, Hannover, Eintritt frei.

Am Lindener Berge 38 30449 Hannover · Telefon 45 44 55 www.jazz-club.de

JANUAR 2020 Freitag, 10. Januar KNUT RICHTER SWINGTETT 2020 Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Mittwoch, 15. Januar Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert PHILIP CATHERINE/PAULO MORELLO/ SVEN FALLER Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Donnerstag, 16. Januar IGOR PRADO & RAPHAEL WRESSNIG Brazilian Guitar-Boss & Euro-OrganMaster Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Freitag, 17. Januar JASPER VAN'T HOF B.E. TRIO 2020 Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Dienstag, 28. Januar Die Gesellschaft der Freunde des Jazz präsentiert JULIA KADEL TRIO Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Mittwoch, 29. Januar DENNIS JONES BLUES BAND Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Freitag, 31. Januar DOMINIC MILLER QUINTET Eintritt: 25 Euro/erm. 15 Euro Konzertbeginn jeweils um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr

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SILBENRÄTSEL Aus den nachfolgenden Silben sind 20 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – eine Bauern­ weisheit ergeben: be – beln – brei – de – din – dut – ei – el – ele – epi – er – gie – go – hat – iden – in – ju – ko – lach – leuch – li – ma – man – ment – mi – mie – moe – ne – ne – nern – on – pflan – ren – rund – si – sinn – stein – sten – tan – te – te – ter – tern – tisch – treu – un – un – we – ze – zend

1. Freude zum Ausdruck bringen 2. zurückdenken 3. eine bestimmte Menge 4. oval 5. seitliche Ausdehnung 6. ein Vogel 7. illoyal 8. südamerikanische Teesorte

In diesem Monat verlosen wir fünfmal das Frage- und Mitmachbuch »Mein großes Opa-Interview« von Elma van Vliet. Kinder an das Mikrofon! Das Kind darf Reporter spielen und stellt Opa lauter lustige und spannende Fragen – zu seiner Kindheit, seinem Leben und seiner Sicht auf die Welt. Ein toller gemeinsamer Zeitvertreib für Opa und Enkelkind. Viermal verlosen wir »Lust auf Pflanzenkost!« von Jürgen Piquardt. Die CD des Asphalt-Kolumnisten über die Beziehung zwischen Ernährung und Landwirtschaft vermittelt ganzheitliche Ansätze zu einer individuell sinn­ vollen Ernährung von Körper, Geist und Seele. Glückliche Genügsamkeit ist das Ziel. Insgesamt dreimal können Sie die CD »Serendipity« von Hill & Ray gewin­ nen. Die beiden Musiker nehmen uns mit auf eine Reise in die Unwägbar­ keiten des Lebens, und das mit starken Stimmen, kreativen Arrangements, handgemachten Sounds und Tiefgang. Ob gut gelaunt oder kontemplativ, ob rockig, poppig, folkig oder angeswingt, gerade die vielen Zwischentö­ ne und Facetten der Tracks sorgen für ein rundes Hörerlebnis. Die Lösung des Dezember-Rätsels lautet: Konzentration und Geduld weisen den Weg. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss: 31. Januar 2020. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

9. Grundbestandteil 10. nordamerikanische Insel 11. Spesen 12. Mimose 13. unechter Edelstein 14. australischer Haushund 15. sich weit verbreitende Infektionskrankheit 16. verneinen 17. technischer Mitarbeiter im Theater 18. völlig gleich 19. Teil der Familie 20. Edelgas


Foto: Tomas Rodriguez

n f u a t n Mome

Das Foto der Fischkutter vor diesem farbenträchtigen Himmel habe ich an einem Morgen im Dezember in Greetsiel geschossen. Ich liebe dieses kleine Städtchen in Ostfriesland, das mit seinen zwei Windmühlen am Ortseingang grüßt und dessen backsteinige Romantik mich ganz automatisch aus der hektischen Welt hinauszieht und zum träumenden Verweilen lädt. Ganz in der Nähe übrigens steht der gelb-rote Pilsumer Leuchtturm, der eine gewisse Berühmtheit durch die Otto-Filme der 80er Jahre erlangt hat. Was Sie übrigens auf dem Foto nicht sehen können: Mich! Ich habe kein Selfie gemacht. Und ich mache auch nur höchst selten welche. Zum einen, weil ich mich auf Fotos noch nie mochte, zum anderen, weil mich dieser Selfie-Wahn ganz kirre macht. Viele Selfie-isten nehmen die Dinge um sie herum kaum noch wahr. »Ich und der Kölner Dom«, »Ich und das Taj Mahal«, »Ich und die Freiheitsstatue«. Das Selfie ist der Beweis: Ich war da! Und das ist auf immer und ewig im Speicher gebannt. Wichtig ist dabei, immer cool rüberzukommen, um den Applaus in den sogenannten »sozialen« Medien entgegenzunehmen. An besonders touristischen Orten sieht man immer noch Menschen mit diesen besonders ulkigen »Selfie-Stangen«. Um auch ja gut im Bild zu sein, verlängert man mittels Selfie-Stange seinen Fotografenarm. Und da ja ständig irgendwas zu sehen ist, vor dem man sich fotografieren muss, läuft man die ganze Zeit mit Selfie-Stange und dort festgezurrtem Smartphone durch die Gegend. In vielen Museen sind diese Verlängerungsdinger längst verboten, weil manch ein Selfie-ist auf der Suche nach dem schokoladigsten Winkel ein Kunstwerk ruiniert hat. »Das bin ich vor der Mona Lisa und das ist die Mona Lisa nach meinem Foto…« Übrigens, eine traurige Statistik am Rande: In den letzten Jahren sind mehr Menschen durch Selfies ums Leben gekommen als durch Hai-Angriffe. Und zwar fünfmal so viele. Weil sie sich unbedingt am Klippenrand oder vor einem anfahrenden Zug aufnehmen wollten. Was haben wir an einem Strand nach einem Hai-Angriff Angst vor diesem Tier. Aber wer bekäme Angst vor seinem Smartphone? Ich plädiere dafür, überhaupt erst einmal wahrzunehmen, wo man eigentlich ist. SelfieMaschine in der Tasche lassen, nicht gleich ein Foto schießen, sondern das Drumherum wirken lassen. Das entschleunigt ungemein. Mal irgendwo hinsetzen und gucken. Einfach nur gucken. Und den anderen dabei zusehen, wie sie sich mit ihren Selfiestangen duellieren. Oder so einen herrlichen Sonnenaufgangsmorgen mit lila gefärbtem Himmel auf sich wirken lassen. Denn bei Capri mag die rote Sonne im Meer versinken, aber in Greetsiel steigt sie purpurfarben wieder auf. Und ganz ehrlich: Da würde ich im Bild nur stören! Matthias Brodowy/Kabarettist und Asphalt-Mitherausgeber

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