kultur
Die Flurnamen der Marktgemeinde Brenner Anfang Oktober wurde in Gossensaß das Flurnamenbuch der Marktgemeinde Brenner vorgestellt – und damit ein einzigartiges Vermächtnis der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Geschichtswissenschaft, die sich dem Studium der Vergangenheit widmet, schöpft ihre Erkenntnisse ausschließlich aus den Quellen längst verflossener Zeiten. Wie eine Wasserquelle den Ursprung eines Flusses darstellt, so führen historische Quellen zurück bis an den Beginn der Menschheit und ermöglichen dabei tiefe Einblicke in die Lebensund Arbeitsweisen allzu schnell vergessener Generationen. Abstrakte Überreste stellen dabei eine ganz besondere und zugleich überaus interessante historische Quelle dar. Siedlungsnamen und Gebietsbezeichnungen sind nicht nur für den Sprachwissenschaftler, sondern besonders für den Historiker von größter Bedeutung. Seit den frühesten geschichtlichen Zeiten, als der Mensch zunächst einzelne Gebiete nomadenhaft durchstreifte, schließlich sesshaft wurde und später dauerhafte Siedlungen errichtete, gab er seiner Umgebung, die er näher bezeichnen wollte, eigene Namen. Diese Bezeichnungen waren von Beginn an jenem eigentümlichen Schicksal unterworfen, das den Kreislauf der Natur wesentlich kennzeichnet: Sie entstanden, veränderten und wandelten sich, wurden vergessen und verschwanden wieder. Viele ursprüngliche Namen trug
Günther Ennemoser
Hubert Seidner
Harald Kofler
Roland Mayr
Ein einzigartiges Vermächtnis: das neue Flurnamenbuch der Gemeinde Brenner
der Strom der menschlichen Erinnerung bis in unsere heutige Zeit und doch scheinen sie nun allmählich mehr und mehr zu verblassen und gänzlich verloren zu gehen. In der Marktgemeinde Brenner sammelten in den letzten fünf Jahren Historiker und Chronisten in enger Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Landesarchiv und der Mithilfe von zahlreichen ortskundigen Einheimischen über 1.600 Flurnamen in den drei Fraktionen Brenner, Gossensaß und Pflersch. Nun haben sie diese in Form eines wohl einzigartigen Flurnamenbuches der Bevölkerung zugänglich gemacht. Viele dieser Flurnamen wurden im Rahmen eines an der Landesuniversität Innsbruck angesiedelten Projektes im Auftrag des Südtiroler Landesarchivs erhoben und schließlich der Marktgemeinde Brenner in Form von
Kuriose Flurnamen Manche Flurnamen der Marktgemeinde Brenner muten heute überaus seltsam an und sind wohl nur noch einzelnen Mitbürgern bekannt. An dieser Stelle seien einige Bezeichnungen stellvertretend für viele andere angeführt: Brenner: Anterkehle, Krin, Seige, Zunterloch Gossensaß: Galgenstifl, Plattris, Raitfeld, Schönwald Pflersch: Dosse, Durre, Fraulaub, Patrune 58
Josef Gasteiger
Rohdaten zur Verfügung gestellt. Diese erste Sammlung musste jedoch hinsichtlich der geografischen Zuordnung, Schreibweise und Aussprache der Flurnamen kontrolliert und korrigiert werden. Ein Teil des heute noch gebräuchlichen Namensgutes war in den Rohdaten nicht vorhanden und musste ergänzt werden. Wald- und Flurbesitzer, Forstbeamte, Jäger, Wald- und Jagdaufseher sowie viele ältere ortskundige Mitbürger halfen, die Sammlung weiter zu vervollständigen. Manche Flur namen wurden schließlich dem Theresianischen Kataster entnommen. Die österreichische Kaiserin Maria Theresia (1740 – 1780) erließ am 9. April 1771 ein Patent, demzufolge jedes Haus sowie dessen Größe und Lage und die dazugehörigen Grundstücke und Fluren beschrieben werden und mit einer Katasternummer versehen werden mussten. Die Beschreibungen der Grundstücke und Fluren enthalten eine Vielzahl von Flurnamen, die heute noch gebräuchlich, teilweise im Laufe der Jahrhunderte aber auch in Vergessenheit geraten sind. Die auf diese Weise gewonnenen Flurnamen wurden in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler
Landesarchiv in orthofotographische Karten eingetragen und damit auch geographisch zugeordnet. Plötzlich erhielten Almen, Wiesen und Weiden, Äcker und Felder, Wälder und Gebirgsgegenden, Bäche, Rinnsale und Quellen ihre längst in Vergessenheit geratenen ursprünglichen Namen und Bezeichnungen zurück. Die Ergebnisse der fünfjährigen Forschungsarbeit wurden schließlich in Buchform gebracht und Anfang Oktober 2010 der Bevölkerung vorgestellt. Als Autoren haben Günther Ennemoser, Hubert Seidner, Josef Windisch, Roland Mayr, Cilly Wegscheider, Josef Gasteiger und Harald Kofler mitgewirkt. Seidner leitete auch die Recherchen am Südtiroler Landesarchiv, Gasteiger nahm sich der drucktechnischen Belange an. Unterstützt wurde das Projekt von der Marktgemeinde Brenner, der Stiftung Südtiroler Sparkasse, der Elektrogenossenschaft Pflersch sowie den Interessentschaften von Brenner und Gossensaß. Das Flurnamenbuch der Marktgemeinde Brenner kann ab sofort im Gemeindeamt in Gossensaß erworben werden.
Harald Kofler erker dezember 10