Anwaltsblatt Karriere Heft 1/2017

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sonderausgabe

1/ 2017

„Technologie und Digitalisierung werden die Arbeitswelt von Juristen radikal verändern ‒ viel umfassender als wir es erwarten. Computer werden die Arbeit von Anwälten zwar nicht ersetzen, aber juristische Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle grundlegend verändern, beeinflussen und neu definieren.“ Micha-Manuel Bues

futurelawyer 10 Jahre Anwaltsblatt Karriere – Was könnte in den nächsten 10 Jahren passieren?

anwaltsköpfe S. 12 // anwaltszukunft S. 26 // anwaltseinstieg S. 44 // anwaltsausbildung S. 58


anwaltszukunft

Dentons. Building the law firm of the future. Now. Nutzen Sie Ihr Talent und Engagement gepaart mit unserer breiten geographischen und fachlichen Aufstellung. So werden wir gemeinsam den hohen Beratungsstandards gerecht, die Mandanten von einer globalen Anwaltskanzlei erwarten. Gestalten Sie gemeinsam mit uns Ihre Zukunft. Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir in Berlin, Frankfurt und München: Rechtsanwälte (w/m) Referendare (w/m) Wissenschaftliche Mitarbeiter (w/m) Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns auf Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen per E-Mail an: Dentons Europe LLP Agneta Lullies HR Manager, Deutschland T +49 30 26473 612 Career.Germany@dentons.com

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anwaltszukunft

„Kolleginnen und Kollegen werden in Zukunft mit ihren ganz individuellen persönlichen Stärken und Talenten zum Erfolg gelangen. Computer werden die Arbeit übernehmen, die repetitiv und austauschbar ist. In Zukunft zählt nicht die generalisierende Examensnote, sondern die persönliche Note. Be different. Be yourself.“ Claudia Otto, www.cotlegal.com, Frankfurt am Main


anwaltszukunft

„Wenn Webdienste bald alle Standardfälle abfertigen, hat der Anwalt der Zukunft die Wahl: Entweder spezialisiert er sich fachlich und wird zum Experten für komplizierte Einzelfälle. Oder er spezialisiert sich auf seine Mandanten und betreut sie fachübergreifend, umfassend und maßgeschneidert.“ Daniel Streiff, www.streifflaw.de, Berlin


anwaltszukunft

„Die friedliche und neutrale Streitbeilegung in Schiedsverfahren zwischen Staaten, aber auch zwischen Staaten und Unternehmen oder Privatleuten gehört zu den großen rechtsstaatlichen Errungenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts. Es gilt, sie und damit das Ideal einer Herrschaft des Rechts gegen das Recht des Stärkeren zu verteidigen.“ Dr. Sabine Konrad, McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP, Frankfurt am Main



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Herzlichen Glückwunsch, Anwaltsblatt Karriere Ulrich Schellenberg

Liebe junge Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie schon einmal gezweifelt haben, ob Ihre Juristenausbildung Sie wirklich fit für ein langes Berufsleben macht, sind Sie bei Anwaltsblatt Karriere richtig. Heft für Heft ‒ und das seit zehn Jahren ‒ bringt Anwaltsblatt Karriere Ihnen, der neuen Generation von Juristinnen und Juristen, die Vielfältigkeit und den Facettenreichtum des Anwaltsberufs näher. Denn die meisten Anwältinnen und Anwälte lösen für ihre Mandanten nicht die Rechtsfragen, die Sie gerade für ihre Examina lernen. Praxisorientiert und trendbewusst ‒ so ist und bleibt Anwaltsblatt Karriere der Wegweiser zu einem erfolgreichen Berufseinstieg. Kein Wunder also, dass auch das Jubiläumsheft im Zeichen der Zukunft der Anwaltschaft steht. Es lässt sich nicht leugnen, der Markt für Rechtsdienstleistungen verändert sich gerade. „The competition that kills you doesn’t look like you“, warnt Prof. Richard Susskind (ab Seite 40) bereits seit geraumer Zeit und meint damit Legal Tech-Unternehmen, die der Anwaltschaft mit ihren Produkten das Leben leichter machen können, aber auch etablierte Geschäftsmodelle von Kanzleien gefährden. Leverton ist eines dieser Unternehmen. Das Porträt seines Geschäftsführers Dr. Micha-Manuel Bues, eines gelernten Rechtsanwalts, gibt es ab Seite 12. Doch Legal Tech ist nicht die letzte Stufe der Tech-Evolution. Block-

chains sind momentan vor allem im Zusammenhang mit Bitcoins ein Begriff. Bald könnten sie die technische Grundlage für Smart Contracts bilden (mehr dazu im Interview mit Rechtsanwältin Dr. Nina-Luisa Siedler ab Seite 20). Ist Legal Tech deshalb ein Grund zu Panik? Wohl kaum, finden die Unternehmer, Anwältinnen und Anwälte im Einstellungsreport (ab Seite 44). Veränderungen hat es schon immer gegeben. Genauso wie Juris und Beck-Online nach und nach Bibliotheken und Entscheidungsbände abgelöst haben, wird sich der Anwaltsberuf auch an eine Welt der automatisierten Due Diligence und Smart Contracts anpassen. Den Kern des Anwaltsberufs wird Legal Tech nicht verändern: Es ist ein „people’s business“. Hinter einem ernsten Rechtsproblem stecken nicht selten persönliche Schicksale. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt können auch die schlausten Computerprogramme nicht ersetzen. Lernen Sie deshalb, zuzuhören, seien Sie offen für Neues und gehen Sie auch mal den unkonventionellen Weg ‒ dann werden Sie ihren Platz in der Anwaltswelt schon finden.

Beste Grüße Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg Präsident des Deutschen Anwaltvereins anwaltsblatt karriere / 7

editorial

anwaltszukunft


»Elektromobilität« porträt

12

anwaltszukunft 26

Micha-Manuel Bues – Der Dirigent der Digitalisierung 18

gastkommentar

The Future Lawyer Mark A. Cohen, Washington

plädoyer

28

Doreen Funke ist Rechtsanwältin

29

trends

interview

31

Zukunft > Elektromobilität Zukunft > E-Health Zukunft > Industrie 4.0

Dr. Nina-Luisa Siedler – Neugier und Offenheit

32

special

30 20

»Industrie 4.0«

»E-Health«

inhalt

anwaltsköpfe

„Legal Tech“ ist der Tod der eierlegenden Wollmilchsau 38

report

„So viel Pro-bono-Arbeit wie noch nie“ 40

report

The Future for Lawyers 7

editorial

10

FAQ

65

autoren, impressum

Effizient und spezialisiert tätig werden

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leserbriefe

Dr. Cord Brügmann, Berlin

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anwaltverein

8 / anwaltsblatt karriere

42

kommentar


inhalt –

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anwaltsausbildung 58

Arbeiten an der Schnittstelle – über aktuelle Trends, neue Perspektiven und alternative Karrierewege

report

Zwei Seiten einer Medaille 61

51

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anwaltseinstieg

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„Der Mut vieler Menschen hat mich geprägt“

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Bachelor of Laws vs. Staatsexamen

existenzgründung

Die Störfallexperten 64 54

anwaltsalltag

kommentar

Was ist anwaltliches Berufsrecht?

„Anwalt 2017“ – so digital wie alle anderen auch 56

stellenmarkt

www.anwaltsblatt-karriere.de

Die Website bietet weitere Beiträge, sowie Übersichten, Original-Aktenvortrag, LL.M. Report und Rechtsprechung …

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FAQ

anwaltszukunft

FAQ Zukunft der Anwaltschaft? Nachwuchsmangel! Die Anwaltschaft wächst? Nicht mehr! 2015 lag die Zuwachsrate bei 0,16 Prozent

14.182

Rückgang neuer Assessoren um ein Drittel zwischen 1996 – 2015

14.200

2008

14.914

2006

16.667

19.464

10.000

19.694

15.000

21.628

20.000

Rückgang der Rechtsreferendare um 43 Prozent zwischen 2000 und 2014

22.741

25.000

ca. 25.000 Rechtsreferendare treten den Vorbereitungsdienst an

(außerhalb von Kriegszeiten die zweitniedrigste Zuwachsrate seit 1860)

2014

2015

5.000

0

2000

2002

2004

2010

2012

Neue Assessoren 10.689 1996

10.397

10.710

10.366

10.330

9.639

8.573

8.345

8.358

7.711

7.500

7.462

1998

1999

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

2014

2015

Rückgang an Jurastudenten trotz steigender Anzahl an Studierenden 10 / anwaltsblatt karriere

Lange Zeit entschieden sich 8–10 % der Abiturienten für ein Jurastudium. 2009 wurde ein Tiefstand von 6,5 % erreicht. Heute: 7 %


FAQ

anwaltszukunft

FAQ Jurastudent ist nicht gleich Jurastudent: Rückgang der Volljuristen in spe q Bis 1997: 95 Prozent der Studenten waren künftige Volljuristen q 2003: 90 Prozent q Heute: 80 Prozent

Was sind die von Anwälten am häufigsten genannten Schwerpunkte? (Soldan Studie) Beachte: Mehrfachnennung möglich

Zusammensetzung der Jurastudenten in Deutschland Allgemeines Zivilrecht

q q q q

HEUTE

Ca. 129.000 Jurastudenten in Deutschland Davon ca. 90.000 Volljuristen in spe Über 15.000 Fachhochschulstudenten Rest Bachelor/Master

41%

q Ca. 103.000 Jurastudenten in Deutschland q Davon ca. 90.000 Volljuristen in spe (ca. 90 Prozent – s.u.)

2003

Familienrecht

30%

Anzahl der Volljuristen in spe (Historisch) Studierende im Fach ReWi an Universitäten (Insgesamt)

Arbeitsrecht

Studierende im Fach ReWi an Fachhochschulen

27%

1997/98

111.700

2001/02

98.309

2003/04

98.484

2005/06

94.098

2007/08

86.123

2009/10

92.447

2011/12

103.162

2014/15

113.341

Miet- und Wohnungseigentumsrecht

21%

4.742 5.796 9.701

Verkehrsrecht

Strafrecht

15%

15%

11.696 13.516 15.282

Erbrecht

14% Mietrecht

12% 0

30

60

90

120

Anteil der Volljuristen in spe in Prozent

Öfftl. Recht 9%

(Vergleich: In der ersten juristischen Staatsprüfung werden in der Mehrheit Bundesländern drei zivilrechtliche, zwei öffentlich-rechtliche und eine strafrechtliche Klausur geschrieben!)

100%

80%

2001/02 2003/04 2005/06 2007/08 2009/10 2011/12 2014/15

Die Autorin erstellte den Beitrag auf der Grundlage der statistischen Zusammenfassung des Artikels „Wandel des juristischen Arbeitsmarktes – Wandel der Juristenausbildung?“ (Kilian, AnwBl 10/2016, 698); ergänzt durch Angaben von Kilian/Dreske (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch der Anwaltschaft) anwaltsblatt karriere / 11


Rechtsanwalt Dr. Micha-Manuel Bues


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Der Dirigent der Digitalisierung Text: Jochen Brenner, Hamburg Fotos: Peter Adamik, Berlin

Er war Anwalt in einer Großkanzlei, Spezialgebiet Kartellrecht. Nebenbei schrieb er einen Tech-Blog, den immer mehr lasen. Irgendwann auch die Gründer des Start-ups Leverton, dessen smarte Algorithmen inzwischen viele einfache Anwaltsaufgaben übernehmen. Heute ist Micha-Manuel Bues dort Geschäftsführer. Besuch bei einem, der die Branche umkrempeln will.

Dr. Micha-Manuel Bues. Masterabschluss in Oxford, zwei Prädikatsexamen, mehrjährige Berufserfahrung in einer der größten deutschen Wirtschaftskanzleien, teilt sich sein Büro mit drei Kollegen. Wird es ihm zu laut, wechselt er in den Konferenzraum. Oder er lässt sich auf das Sofa im Aufenthaltsraum fallen und tippt dort auf seinem Macbook weiter. Wenn er Durst kriegt, bedient er sich am leise summenden Gastrokühlschrank neben dem Kickertisch. „Hi Micha“, sagen Kollegen, die er auf dem Flur dorthin trifft. Alltag bei Leverton, einem Start-up in Berlin-Mitte. Die Hälfte der Mitarbeiter kommt aus Deutschland, die andere aus der ganzen Welt. Konferenzsprache: Englisch. Einzug in die neuen Räume: 2015. Geplanter Auszug: 2017. Es wird einfach zu eng. Irgendwo müssen die inzwischen fast 60 hochspezialisierten Programmierer ja sitzen, um an der Revolution des Anwaltsberufes arbeiten zu können. Die Frage ist längst, ob Leverton eigentlich überhaupt noch ein Start-up ist. Wenn die Deutsche Bank, Union Investment und SAP zu den Kunden gehören und der Immobilien-Riese Jones Lang Lasalle mit 70.000 Mitarbeitern weltweit seine Verträge von Leverton analysieren lässt. Fünf Jahre ist das Unternehmen am Markt, jüngst haben die Gründer Büros in London und New York eröffnet, um näher am Kunden sein zu können. „In unserer Welt herrscht Goldgräberstimmung. Leverton ermöglicht seinen Kunden neue Produkte und neue Geschäftsmodelle, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben“, sagt Micha-Manuel Bues. Seit Juni 2016 ist der 31-Jährige Geschäftsführer von Leverton. Er hat dafür eine Karriere aufgegeben, um die ihn viele Juristen beneideten. Nach vier Jahren als Kartellrechts-Experte bei der Großkanzlei Gleiss Lutz in München kündigte er seinen Job, überzeugte Frau und Kinder, bestellte den Umzugswagen und zog nach Berlin. „Ich habe unter Kollegen so viele Anwälte getroffen, die das ganze Berufsleben lang vom Wunsch nach Veränderung getrieben waren, aber diesem Wunsch nie nachgegeben haben. Das wollte ich anders machen“, sagt Bues.

Der Legal-Tech-Szene ist er mit seinem Blog aufgefallen. Heute ist Micha-Manuel Bues, gelernter Rechtsanwalt, Geschäftsführer bei Leverton.

anwaltsblatt karriere / 13

porträt

anwaltszukunft anwaltsköpfe


porträt

anwaltsköpfe

2004 – 2009 · Jura-Studium in Passau und Bonn · Erstes Staatsexamen Köln (10/2009)

2011/2012 · Dissertation an der Universität Köln „Der ‚Single European Sky‘. Europarechtliche Vorgaben für die Errichtung eines einheitlichen europäischen Luftraums und Probleme der nationalstaatlichen Umsetzung“ (10/2011) · Rechtsreferendar bei Gleiss Lutz, Hamburg · Rechtsreferendar bei Milbank Tweed Hadley & McCloy, München · Zweites Staatsexamen Hamburg (11/2012)

2013 – 2016 · Senior Associate bei Gleiss Lutz, München · Magister Juris (LL.M.) an der University of Oxford (10/2013 – 6/2014)

Seit 2016 · Managing Director (Geschäftsführer) bei Leverton, Berlin

Daneben · Mitglied der Executive Faculty bei der Bucerius Law School, Hamburg, verantwortlich für Legal Tech, Legal Innovation & Start-ups · Lehrauftrag an der German Graduate School of Law and Management, Heilbronn

14 / anwaltsblatt karriere

Noch bei Gleiss Lutz begann er zu bloggen. Sein Thema: Wie „Legal Tech“ die Branche verändert. Wie Software und Cloud-Lösungen juristische Arbeitsprozesse unterstützen oder sogar automatisieren. Warum gerade das und nicht Kartellrecht, sein Spezialgebiet in der Kanzlei? „Schlichtes Interesse“, sagt Bues, „und eine Ahnung vielleicht, dass da was Großes passiert.“ Es passierte. Die Leverton-Gründer lasen den Blog. Und wurden auf den jungen Juristen in München aufmerksam, der so sachkundig über das Thema schrieb. Der Rest ist Geschichte, wenn auch erst eine kurze. „Der Blog war das Bewerbungsschreiben, das ich nie verfasst habe“, sagt Bues – es ist vielleicht einer der elegantesten Wege, einen neuen Job zu bekommen. Leverton zieht große Unternehmen und Kanzleien mit einer Software an, die die Eigenheiten komplizierter Verträge versteht. Große deutsche Fondsgesellschaften verwalten so ihre Immobilienportfolios. Levertons Entwicklung ist in der Lage, Verträge auszulesen und sie mit künstlicher Intelligenz zu analysieren. Braucht ein Portfoliomanager Informationen, muss er nicht mehr den ganzen Vertrag lesen, sondern lässt sich von der Software die entscheidenden Stellen zeigen. „Da beginnt die Musik der Digitalisierung“, sagt Bues. Er klappt sein Macbook auf und zeigt, wie in den Kanzleien künftig gearbeitet werden wird – wenn sich die Anwälte auf Levertons Algorithmen einlassen. Bues lädt einen Vertrag in die Leverton-Software hoch – und die Analyse beginnt. Ein paar Augenblicke genügen, um aus den über 100 Seiten die Kerndaten herauszufiltern: Adresse, Quadratmeter, Gesamtmiete. Wie viele Mietparteien wohnen oder arbeiten in dem Gebäude? Wann darf wer kündigen? „Ein Unternehmen ist heute so viel Wert wie die Summe seiner Verträge“, sagt Bues, „und unsere Algorithmen machen diese Verträge und damit den echten Wert transparent.“ Bei Übernahmen würden immer noch „Kartons mit Schrott“ abgeliefert – Aktenberge, die niemand jemals durchforsten, geschweige denn verstehen könne. „Ist die Datenlage eines Unternehmens aber gut, kann das bedeuten, ein bis zwei Prozent auf den Kaufpreis draufschlagen zu können.“ Unternehmen hätten heute noch oft kein Gefühl für den Wert ihrer Daten. „Leverton verschafft den Überblick. Sie wollen wissen, wie viele Verträge in drei Jahren auslaufen“, fragt Bues. „Die Antwort ist einen Klick weit entfernt.“ Bei der Analyse geht es nicht darum, Schlag- oder Stichworte zu definieren, nach denen das Dokument dann durchsuchbar wäre. Die Software analysiert eine Textwolke und setzt die einzelnen Worte in einen Zusammenhang. „Das hat nichts zu tun mit dem regelbasierten Lernen, das es seit den achtziger Jahren gibt und das als Ergebnis aus einem Vertrag etwa den größten Betrag einer Rechnung auslesen kann oder alle Kontonummern aufzählt“, sagt Bues, „es geht um mehr.“ „Machine learning“ nennen es die Experten, wenn die Daten mit der Zeit beginnen, ein Eigenleben zu führen. Unstrukturierter Fließtext wird in Zusammenhang gesetzt und die Informationen daraus werden plötzlich wertvoll. Beispiel Immobilienrecht: Welche Kündigungsklauseln funktionieren besonders gut? Und welche führen dazu, dass das Mietverhältnis überdurchschnittlich oft vor Gericht landet? Wofür Anwälte vorher allenfalls ein Bauchgefühl entwickeln konnten – das soll nun eine empirische Basis bekommen. „Ich kann als Rechtsanwalt die Erfolgswahrscheinlichkeit von Klagen erfassen, weil ich nachvollziehen kann, wie viele Klauseln ich in einen Vertrag eingearbeitet habe“, sagt Bues. Kollateralschaden der immer schlauer werdenden Software und der mitlernenden Algorithmen ist das Geschäftsmodell der meisten größeren und großen Sozietäten


Für viele eine mutige Entscheidung: Statt der Karriere in einer Großkanzlei entschied sich Micha-Manuel Bues für ein Start-up.

in Deutschland. Bisher funktioniert es so: Kanzleien erhalten ein Mandat und angestellte Associates beginnen mit seiner Bearbeitung – was meist eine Fleißaufgabe ist. Die erfahrenen Partner wenden sich dann den juristisch komplexeren Fragen zu, die sich aus der eher schematischen Bearbeitung des Falls durch die jungen Kollegen ergeben. Abgerechnet wird die Gesamtheit der Arbeit, wobei die Fleißarbeit höher bepreist wird, als die Lohnkosten sind, die dafür anfallen. Wenn selbstlernende Algorithmen binnen Minuten Hunderte Seiten lange Immobilienverträge auf ihre Aussagekraft hin analysieren können – schneller als je ein Jurist dazu in der Lage wäre – was sollen die Anwälte dann noch abrechnen außer jener Leistung, die keine Maschine je wird erbringen können – die rechtliche Analyse? „Schon heute sehen wir, dass die Zahl der Anwälte, die pro Jahr Partner werden, immer weiter sinkt“, sagt Micha-Manuel Bues, „die Branche ist unter Druck und braucht dringend neue Geschäftsmodelle.“ Basis dafür soll Levertons Datenanalyse sein. „Für große Kanzleien sind wir die Vorhut der Digitalisierung“, sagt Bues, „und geben ihren Daten gewissermaßen ein Gesicht, eine Stimme.“ Das Beispiel des amerikanischen Immobilienriesen und Leverton-Großkundens Jones Lang Lasalle (JJL) illustriert, wohin auch Anwaltskanzleien sich hierzulande entwickeln könnten: zu hochqualifizierten Daten-Übersetzern. Die Berater von JJL etwa sind Vertragsexperten, deren Geschäftsmodell immer besser funktioniert, je genauer sie verstehen, welche Werte in den Verträgen stecken, die sie managen. In Deutschland könnte ein Immobilieninvestor seinen Rechtsanwalt künftig schlicht bitten, die einem Projekt zugrundeliegenden Daten in Form von Verträgen so detailliert wie möglich auszuwerten. „Ein Geschäft, das hierzulande noch kaum jemand anbietet“, sagt Bues. Wenn Bues über die Anwaltsbranche und ihr abwartendes Wesen spricht, scheinen Ungeduld und Neugier bei ihm durch, die ihn zu den schnellen Schritten treiben, mit denen er bei Leverton über die Flure eilt. Er wirkt ein wenig so, als habe er sich an einem bestimmten Punkt seiner Karriere aus der Masse ausgeklinkt und den verdutzten Kollegen zum Abschied eine Art Lebensmotto zugerufen: „Ich geh dann schon mal vor.“ anwaltsblatt karriere / 15


porträt

anwaltszukunft

Leverton liefert die Algorithmen, mit denen Anwaltskanzleien große Massen von Verträgen analysieren können. „Sie wollen wissen, wie viele Verträge in drei Jahren auslaufen“, fragt Bues. „Die Antwort ist einen Klick weit entfernt.“

16 / anwaltsblatt karriere

Vorne gefällt es ihm sichtlich. Er ist jetzt nicht mehr Anwalt, sondern Manager. Muss viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten: Ein Team führen, neue Leute einstellen, Kunden überzeugen, Finanzentscheidungen treffen, die Strategie im Auge behalten. „Ich habe als Anwalt gemerkt, dass ich Fähigkeiten habe, die ich auch einsetzen möchte“, sagt Bues, „ich wollte strategischer denken und in vielschichtigeren Teams arbeiten.“ Eine Erkenntnis, die ihn erst erreichte, als er war, wo er lange Zeit glaubte, angekommen zu sein – in der Großkanzlei. Um dorthin vorgelassen zu werden, studierte Bues, der in Hamburg aufgewachsen ist, nach dem Zivildienst Jura in Passau und wechselte dann an die Universität Bonn, wo er das Erste Staatsexamen ablegte. „Ich habe das Studium so schnell wie möglich beendet“, sagt Bues, „weil ich praktisch arbeiten wollte.“ Wie viele seiner Kommilitonen lockte ihn die Großkanzlei – es sollte anders kommen. Nach einer Promotion im Luftrecht über die „Europäisierung der Flugsicherung“ absolvierte Bues das Referendariat in Hamburg. Sein Plan gelingt und der junge Jurist steigt bei Gleiss Lutz in München ein, wo er vor allem Mandanten im Kartellrecht betreut. „Und dann habe ich mich doch gleich auf die Flucht begeben“, sagt Bues heute. Ohne Groll oder Unmut. Aber eben doch auch selbstbewusst: Bues absolviert ein Master-Programm an der Universität Oxford. Kehrt zurück, arbeitet, fängt an zu bloggen – und flieht – vier Jahre später – zum zweiten Mal, diesmal als Geschäftsführer zu Leverton. Bues würde seine Entwicklung vom Anwalt zum Vordenker und Geschäftsführer natürlich so nie beschreiben, wer ihn aber vor Ort in seinem Element erlebt, dem wird klar, dass es für Bues keinen Weg zurück gibt. „Bei Leverton werden Entscheidungen schnell und sachlich getroffen, das imponiert mir“, sagt Bues. Das Tempo in einem Start-up kommt seinem Wesen entgegen. Die Vielfalt der Kollegen, ihre fachliche Expertise, die hierarchiearme Struktur des Unternehmens: Den Wunsch nach Veränderung, den Bues bei so vielen Kollegen und sich selbst wahrnahm, kann er hier fast täglich ausleben. Die Start-up-Atmosphäre bietet ihm überdies Gelegenheit, sein Verkaufstalent auszuleben. Auf die Frage, welche Position Leverton in der LegalTech-Branche heute einnimmt, hat Micha-Manuel Bues nur eine Antwort: „Google ist auch nicht mehr einholbar.“


porträt

anwaltsköpfe

Für mich bedeutet… Ehrgeiz Zu wissen, dass man sich stets verbessern kann.

Ernüchterung Realitätscheck für den Optimisten.

Motivation Der Wille, nie aufzugeben.

Genuss Belohnt, was man sich verdient hat.

Spiel Wettbewerb und Spaß vereint.

Taktik Das planvolle Verfolgen von Zielen.

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plädoyer

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anwaltsköpfe

Doreen Fucke ist Rechtsanwältin. Doreen Fucke ist Rechtsanwältin und Mediatorin. Sie ist selbstständige Rechtsanwältin in Dessau-Roßlau und unter anderem Vorsitzende des Anhaltinischen Anwaltvereins sowie Regionalbeauftragte des Forums Junge Anwaltschaft für den Landgerichtsbezirk Dessau-Roßlau. Sie engagiert sich für die „Aktion Bunt statt Braun – eine Menschenkette für Frieden und Toleranz“, die das Netzwerk Gelebte Demokratie Dessau-Roßlau organisiert. Mit der Menschenkette protestieren die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dessau-Roßlau jedes Jahr bunt und phantasievoll gegen den Aufmarsch von Neonazis anlässlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt am 7. März 1945.

Was treibt Sie an?

Sich zu beschweren, dass die Welt nicht gut sei, ist zu einfach. Wir sind alle gefordert. Ich nehme unseren Anwaltseid, „die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und die Pflichten eines Rechtsanwalts gewissenhaft zu erfüllen“ sehr ernst: Wir können nicht einfach Anwalt sein, ohne uns klar für unsere Verfassung zu positionieren und für sie einzustehen. Generationen vor uns haben hart dafür gekämpft, dass wir in Frieden leben und uns selbst verwirklichen können. Das dürfen wir nicht aus Bequemlichkeit aufs Spiel setzen. Wieviel Zeit kann eine Anwältin (ein Anwalt) opfern?

Nur begrenzte. Neben Arbeit und Ehrenämtern muss man sich Zeit für Familie und Freunde, aber auch für einen selbst nehmen. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass man selbst mit wenig Zeit vieles bewegen kann. Was frustriert, was beglückt?

Frustrierend ist die Ignoranz vieler Kollegen. Ob es um den Einsatz gegen rechtsextremes Gedankengut, für wirtschaftlich Schwache oder ähnliches geht – viel zu viele Kollegen zeigen keinerlei Interesse an gesellschaftlichem Engagement. Als Anwälte leben wir von der Gesellschaft. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, sich auch für diese einzusetzen. Was raten Sie dem Nachwuchs?

Machen! Kommende Schritte zwar abwägen, aber unbedingt gehen. Und wofür das Ganze?

Ich will mir auch in ein paar Jahren noch im Spiegel ins Gesicht sehen und sagen können: „Ich bereue nichts. Ich habe mich nicht versteckt. Ich habe versucht, etwas zu ändern.“ Ich habe den Ehrgeiz, unsere beiden Kinder zu Toleranz, gesellschaftlichem Engagement, Empathie und Hilfsbereitschaft zu erziehen. Das kann ich nur, indem ich diese Eigenschaften, so gut ich kann, vorlebe. //

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Zur Unterstützung unseres Büros in Frankfurt a. M. suchen wir

Anwälte (m/w) mit Schwerpunkt Schiedsgerichtsbarkeit und völkerrechtliche Streitverfahren Sie haben 0 bis 3 Jahre Berufserfahrung, eine deutsche oder gern auch andere internationale Anwaltszulassung, verfügen über verhandlungssichere Deutsch- und Englischkenntnisse und sollten mindestens eine weitere Fremdsprache sprechen. Völkerrechtliche oder schiedsrechtliche Vorkenntnisse, die Sie durch praktische Tätigkeit, im Rahmen einer Zusatzqualifikation (LL.M. / Promotion) oder durch Moot-Court-Aktivitäten gewinnen konnten, sind sehr vorteilhaft.

Unsere Praxisgruppe Internationale Schiedsverfahren und Völkerrechtliche Streitverfahren bietet unseren Mandanten umfassende Expertise bei internationalen zivilen und völkerrechtlichen Schiedsverfahren. Wir betreuen Verfahren vor allen renommierten Schiedsinstitutionen und nach den bekannten Schiedsregeln, u.a. der ICSID-Konvention, ICSID-AF-Regeln, UNCITRAL, ICC, LCIA, SCC, HKIAC, SIAC, CRCICA, AAA / ICDR und DIS. Unsere Anwälte sind als Schiedsrichter und Parteivertreter tätig.

www.mwe.com Für Ihre Bewerbung und Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Dr. Sabine Konrad, skonrad@mwe.com Dr. Clemens Just, cjust@mwe.com

Feldbergstraße 35, 60323 Frankfurt am Main, Tel. +49 69 951 145 0


Rechtsanwältin Dr. Nina-Luisa Siedler, Berlin


interview

anwaltsköpfe

Neugier und Offenheit Blockchain – wenn sich Recht und Informatik verketten Interview mit Rechtsanwältin Dr. Nina-Luisa Siedler, Berlin Fotos: Franz Brück, Berlin

Das Recht, das sind Paragrafen, die lang und gründlich ausgebildete Juristen manchmal kunstvoll, hin und wieder auch eher mechanisch anwenden. Und wer heute Volljurist werden will, muss seine Denkergebnisse nach wie vor per Hand zu Papier bringen. Doch außerhalb der Examenssäle sieht die Welt ganz anders aus. Und natürlich zieht die vernetzte, von Algorithmen gesteuerte Technikwelt auch in das Rechtsleben ein. Denn warum sollte das Recht außen vor bleiben, wenn sich die Wirtschaft und Gesellschaft ändern? Was die Finanzwelt mit Fin Tech fast schon hinter sich hat, läuft nun unter dem Schlagwort „Legal Tech“ auf dem Rechtsmarkt. Der nächste Evolutionsschritt im Tech-Sektor könnte die Blockchain werden. Was es damit auf sich hat, fragte Anwaltsblatt Karriere Dr. Nina-Luisa Siedler. Die Rechtsanwältin ist bei DWF in Berlin Expertin für Finanz- und Kapitalmarktrecht und kommt aus der Fin Tech-Szene. In wenigen Sätzen: Was ist eine Blockchain?

Eine Blockchain ist eine verteilte Datenbank. Das ist die kürzeste Definition. Und wozu ist das gut?

Wenn eine Datenbank nicht mehr auf einem zentralen Server gespeichert wird, sondern auf einer Vielzahl von Servern, gewährleistet das eine relativ hohe HackSicherheit. Die Datenbank ist sehr gut geschützt gegen Angriffe von außen. Die große Neuerung an den Blockchains ist, dass vorgegebene Konsensmechanismen dafür sorgen, dass die Datenbank ‒ auch wenn sie konstant auf den neuesten Stand gebracht wird ‒ trotzdem immer noch auf allen Servern gleich ist. Das funktioniert selbst bei einer öffentlichen Datenbank, die auf einer Vielzahl von Servern liegt und der Allgemeinheit zugänglich ist.

Vor dem technologischen Fortschritt kann sich selbst das Recht nicht verstecken: Was die Zukunft bringt, verrät Rechtsanwältin Dr. Nina-Luisa Siedler.

Für welche Anwendungen ist das attraktiv?

Erfunden ist die Blockchain für Trustless Transactions. Das sind Transaktionen zwischen Parteien, die sich weder kennen, noch vertrauen und die dennoch ohne einen allseits vertrautem Intermediär wie einer Bank oder Amazon funktionieren. Durch diesen Konsensmechanismus, der in die Blockchain eingebaut ist, wird der Mittelsmann überflüssig. Die Mutter aller Blockchains ist bekanntermaßen Bitcoin, also eine Währung, die von Person zu Person ohne Zwischenschaltung von Banken transferiert werden kann. anwaltsblatt karriere / 21


interview

anwaltsköpfe

Und wie genau funktionieren dann Smart Contracts?

Die Blockchain bildet die Basis-Technologie, auf der Smart Contracts laufen. Smart Contracts sind schlicht automatisierte Vorgänge, Computer-Codes. Es gibt da ein hübsches Zitat: „When smart people hear the term ,smart contracts‘, their minds tend to run wild.“ Smart Contracts sind aber keine vollständigen Verträge, sondern es sind automatisierte Ausschnitte von vertraglichen Beziehungen. Am Beispiel einer Aktiengesellschaft: Eine Gewinnausschüttung könnte ohne Intermediäre auf der Blockchain mithilfe von Smart Contracts implementiert werden. Auch im Massenbereich wie Telekommunikation oder im Energie-Sektor kann so abgerechnet werden. Und wenn Sie Ihr Elektro-Auto irgendwann auf der Straße laden, weil Ladestationen in Parkplätzen eingebaut sind, kann die Abrechnung über Smart Contracts erfolgen. Können Smart Contracts mehr als den Zahlungsverkehr revolutionieren?

Ja, die Technik wird bald mehr leisten. Es gab kürzlich einen Test: Baumwolle wurde von den USA nach Asien verschifft. An der Ladung war ein GPS-Tracker angebracht und als die Ware angekommen war, wurde automatisch der Kaufpreis umgebucht. Wenn jetzt im Container noch ein Luftfeuchtigkeits- und Temperaturmesser angebracht wird, kann die Technik prüfen, ob die Baumwolle wirklich abnahmefähig ist oder verdorben ankommt. Und was sehen wir dann als nächste Innovation?

Das können DAOs sein, also Decentralized Autonomous Organizations. Und mit den DAOs bekommt die Blockchain auch eine gesellschaftspolitische Komponente. Eine DAO ist eine ziemlich komplexe Form eines Smart Contracts, der dazu dienen soll, Gruppen von Personen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, zu organisieren, ohne dass es ein zentrales Management gibt. Erster Anwendungsfall war ein Investmentvehikel, aber denkbar wäre auch die Organisation lokaler Communities. Das Internet kennt anders als das Recht keine Grenzen. Globale Technologien finden in jedem Staat ein anderes Recht vor. Diese Zersplitterung ist das Problem, sagt Rechtsanwältin Dr. Siedler.

Kann das Recht mit dem technischen Fortschritt noch mithalten?

Das Recht tut sich schwer ‒ nicht unbedingt, weil unser deutsches BGB nicht viele der Anwendungsfälle stemmen könnte. Das Problem ist eher die Zersplitterung des Rechts. Wir sprechen über globale Technologien und globale Ansätze, aber alle paar Quadratkilometerchen weiter gilt ein anderer Rechtsrahmen. Globale Unternehmen können damit umgehen und mussten schon immer eine Vielfalt von Jurisdiktionen beachten. Neu und spannend sind die Entwicklungen im Public Blockchain Bereich: Hier entwickeln Programmierer vollkommen unvoreingenommen von der juristischen Realität ihre Vorstellungen von einer global vernetzten Welt. Welche Auswirkungen wird die Dezentralisierung durch Blockchains mit sich bringen?

In der jüngeren Vergangenheit gab es die Tendenz, immer mehr zu zentralisieren. Amazon, Ebay, Facebook und Co. sind Beispiele. Diese internetbasierten Anbieter schöpfen als Mittler zunehmend größere Teile der Wertschöpfung ab. Für die eigentlichen Anbieter von Waren und Dienstleistungen bleibt so weniger übrig. Dieser Trend trifft nun auf eine Gegenbewegung. Die Blockchain ist genau mit dem Ziel entwickelt worden, wieder unmittelbar ‒ peer-to-peer ‒ den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen. Und wenn das Erfolg hat, also wirklich in der Masse direkte Transaktionen zwischen Anbietern und Abnehmern ermöglicht, könnte das die Macht der großen (Internet-)Mittler brechen. Irgendwann wird die Technologie so weit sein. 22 / anwaltsblatt karriere


Rechtsanwältin Dr. Siedler, spezialisiert auf Finanz- und Kapitalmarktrecht, ist sich sicher: Alles was technisch geht, wird auch kommen.

Dann sind nachher nicht mehr die Großen die mächtigsten Unternehmen, sondern die, die die Server und Netze haben …

Ja, genau! Lösen wir tatsächlich die Mittelsmänner ab oder ersetzen wir nur die heutigen Mittler durch andere Mittelsmänner? Das ist eine zentrale Frage. Die heute dominanten Mittler wollen natürlich verhindern, dass sie abgelöst („disrupted“) werden und setzen auf Angebote mit „permissioned“ oder private Blockchains. Ganz klar. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass sich auch im öffentlichen, für jeden zugänglichen public Blockchain-Bereich viel tun wird. Wo sind heute noch die Grenzen der Blockchain-Technologie?

Grenzen bestehen momentan noch im Hinblick auf die Skalierbarkeit, also die Anwendung für die Masse. Die Technologie verbraucht heute noch zu viel Rechnerkapazitäten und Energie. Daher lohnt das Nachdenken über die Konsensmechanismen. Und: Die Benutzerfreundlichkeit ist noch nicht ausreichend. Ist der Hype um Legal Tech übertrieben?

Die vielen Veranstaltungen haben ihre Berechtigung. Gerade in Massenverfahren, die sich erst durch Automatisierung für Kanzleien rechnen, sehe ich ein großes Spielfeld. Bei uns in den Großkanzleien kommt Legal Tech vor allem als Service für effizientere Bearbeitung der Fälle zum Einsatz (bei Due Diligences und der automatisierten Erstellung von Entwürfen), aber bei aller Standardisierung bleibt am Ende eben doch ein Bereich der Beratung, den auch künstliche Intelligenz nicht in den Griff bekommt. Wo spielt die Musik von morgen und was ist „The Next Big Thing“?

Wir müssen uns grundsätzlich bewusst sein, dass alles, was technologisch geht, auch gemacht wird ‒ ob wir das nun wollen oder nicht. Wenn man diese Erkenntnis für sich akzeptiert hat, ist die konsequente Folge ein Bedürfnis mitzugestalten. Diese Er-

5 High Five

Das persönliche Gespräch ist … … ganz wichtig und die Grundlage für eigentlich alles. Was hat Sie als Berufsanfängerin am meisten am Beruf gestört? Wenig. Ich habe damals meine kleine Traumeinheit gefunden; das hielt nicht lange, aber ich war total glücklich. Stört Sie heute etwas am Beruf? Darüber sollte man sich im Klaren sein, wenn man Anwältin oder Anwalt wird: Man führt ein Wirtschaftsunternehmen. Das bedeutet einen konstanten Druck, Geschäft zu machen. Kann Honorar auch Schmerzensgeld sein? Ja, aber bitte nicht zu oft. Wenn Geld die einzige Motivation ist, wird man diesen Beruf nicht lange durchhalten. Man sieht sich immer zweimal im Leben: Richtig oder falsch? Absolut richtig. Im Zweifel sogar häufiger. anwaltsblatt karriere / 23


interview

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kenntnis muss gerade in Deutschland noch eine breitere Öffentlichkeit erfahren. Die Politik beginnt aktuell erst, sich mit den neuen Phänomenen auseinanderzusetzen. Was bedeutet das für das Beratungsgeschäft der Kanzleien von morgen?

Die Blockchain hat unmittelbar für die Kanzleien noch geringe Bedeutung. Aber sie wird neue Beratungsfelder mit sich bringen. Sie eröffnet denjenigen gute Chancen, die keine Scheu besitzen, sich mit Technologie auseinanderzusetzen. Die Mandanten von heute werden sich mit dezentralen Technologien wie der Blockchain, aber auch 3d-Printing, beschäftigen müssen. Sie kommen aus der Fin Tech-Welt. Wie viel technisches Verständnis muss man als Anwältin oder als Anwalt haben? Ein wertvoller Tipp der Rechtsanwältin und zweifachen Mutter: „Einfach machen!“ – sowohl im Job als auch im Privaten.

Ich glaube, schon einiges! Natürlich muss ich nie irgendeinen Code schreiben oder gar auch nur lesen können, soweit geht es nicht. Man braucht aber schon eine gesunde Neugier. Reicht Neugier oder muss es mehr sein?

Wenn man neugierig genug ist, dann kommt das Mehr von alleine. Haben es Frauen leichter oder schwerer in der Legal- und Fin Tech-Welt?

Nicht leichter oder schwerer als in sonstigen wirtschaftlichen Bereichen in Deutschland. Die Finanzszene ist nicht dafür bekannt, dass sie besonders frauenfördernd sei. Das gilt aber auch für viele andere Branchen, eben auch für den Rechts- und Technologiebereich. Vor kurzem war ich auf einer Veranstaltung und da twitterte jemand: „Sieben weiße Männer auf dem Panel; haben wir vor, unsere Zukunft ohne Frauen und Menschen aus anderen Kulturen zu bauen?“ Ich glaube, in Deutschland dominieren immer noch alte Verhaltensmuster, durchaus auch bei jüngeren Männern und Frauen. Aber wenn sie darauf gestoßen werden, besitzen sie eine große Bereitschaft, ein Mehr an Vielfalt zu unterstützen. Kuschelkurs oder knallharter Wettbewerb? Muss man sich in der Tech-Szene besonders gut durchsetzen können?

Ich sehe eine starke Tech-Community in Berlin, die nicht reflexartig die Ellenbogen hochfährt. Das ist kein Haifischbecken, aber auch kein Kuscheln. Jedenfalls begreift sich die Szene auch als Community und versucht, zusammen etwas aufzubauen. Sie sind Partnerin in einer Großkanzlei. Haben es Frauen grundsätzlich schwerer in Sozietäten?

Ich bin zwiegespalten: Ich sehe Frauen mit vielen Möglichkeiten und Fähigkeiten, die diese nicht nutzen und bewusst auch nicht nutzen wollen. Auf der anderen Seite: Es gibt überall in der deutschen Wirtschaft noch die berühmten Männerbündnisse und die gläserne Decke für Frauen beim Aufstieg. Ich glaube schon, dass man es im Ergebnis tatsächlich in Deutschland noch ein bisschen schwerer hat als seine männlichen Kollegen – jedenfalls dann, wenn man Familie und Kinder nicht komplett aufgeben will. Das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist dem Nachwuchs ‒ egal ob weiblich oder männlich ‒ inzwischen ziemlich wichtig. Ihr Rezept?

Einfach machen. Jede und jeder sollte selbstbewusst sein Modell finden. Nine-to-five 24 / anwaltsblatt karriere


interview

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wird im Anwaltsbüro ebenso wie in allen anderen beratenden Berufen nicht funktionieren. Also muss berufliche Flexibilität mit dem familiären Leben in Ausgleich gebracht werden. Das will gut organisiert sein. Kein Mandant erwartet, dass sein Anwalt ausschließlich für ihn tätig ist, und Abwesenheiten für Besprechungen etc. mit anderen Mandanten sind absolut akzeptiert. Familienzeiten müssen gleich gewichtet werden, sonst gehen sie konstant unter. Alles mit Augenmaß natürlich, wenn es in einem Mandat brennt, versuche ich ja auch, weniger dringende, berufliche Termine zu verschieben. Das ist ein täglicher Balance-Akt, dem sich im Beruf jeder selbstverständlich stellt und in den die Familie mit ihrem Anspruch auf Verfügbarkeit im Alltag (also im Zweifel zu normalen Bürozeiten) schlicht einbezogen werden muss. Was sollten Kanzleien bieten, um die Work-Life-Balance zu verbessern?

Die Kanzleien werden zunehmend flexibler. Home Office wird langsam normal, ebenso Sabbaticals. In Anwaltskanzleien ist vor allem die hohe, zyklische Zeitbelastung immer noch ein Problem, aber die ehemals starre Erwartung an zeitlicher Präsenz ‒ unabhängig von der tatsächlichen Auslastung ‒ bricht zunehmend auf. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht mit Teilzeit-Anwälten, die trotz grundsätzlich fester Arbeitszeiten ihre Mandate zuverlässig managen und zur Not auch mal vom Spielplatz aus dringende Anfragen an Kollegen weiterleiten und sicherstellen, dass die Mandanten gut betreut sind. Das erfordert natürlich die grundsätzliche Bereitschaft, sein Smartphone einigermaßen im Auge zu behalten. Wie wird sich der Anwaltsberuf in den nächsten zehn Jahren verändern?

Bei den Großkanzleien werden immer seltener die Heerscharen von Juniors gebraucht. Die so genannte Leverage, also das Verhältnis von Partner zu angestellten Anwältinnen und Anwälten wird sinken, auch durch die Entwicklungen im Legal Tech Bereich. Die individuelle Beratung auf hohem Niveau gewinnt wieder an Bedeutung. Aber ich kann nur für den winzigen Ausschnitt der Großkanzleien sprechen. In der Juristenausbildung findet Legal Tech praktisch nicht statt. Was sollte ich mir anschauen, um mitreden zu können?

Offen sein für Technologien jedweder Art. Bitte sich nicht in der Bibliothek hinter seinen Büchern verschanzen und den Computer nur zum Formulieren seines WordDokuments für die Hausarbeit nutzen … sondern versuchen, zu begreifen, wie diese digitale Welt funktioniert, auch wenn einen danach kein Prüfer im Examen fragen wird.

Zur Person Rechtsanwältin Dr. Nina-Luisa Siedler (Jahrgang 1970) studierte Jura an der Universität Bielefeld und legte das erste Examen 1995 ab. An der Universität Bielefeld promovierte sie. Danach absolvierte sie das Referendariat im OLG-Bezirk Hamm. 1999 stieg sie als Associate in eine Berliner Kanzlei ein, die später im EY Law-Verbund aufging. Ein Jahr lang, von 2002 bis 2003, arbeitet sie als Associate bei McKee Nelson LLP in New York. 2005 wurde sie Partnerin bei EY Law Luther Menold und wechselte Mitte 2006 zu DLA Piper in die deutsche Finance und Projects Group. 2007 war sie im Londoner Büro von DLA Piper tätig. Im April 2017 eröffnete sie mit acht Anwälten das Berliner Büro von DWF, einer technologieorientierten, internationalen Sozietät. Siedler ist auf Finanztransaktionen spezialisiert. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder (6 und 8 Jahre alt).

Was braucht eine junge Juristin, ein junger Jurist, um in der Tech-Szene zu starten?

Neugier und soziale Kompetenzen braucht jeder Anwalt, jede Anwältin. Das Spezielle am Tech-Bereich ist, dass man keine Berührungsängste haben darf. Nur dann wird es gelingen, die eigenen Ansichten infrage stellen zu lassen. Und man muss die Gabe haben, das gute alte BGB für neue Rechtsfragen fruchtbar zu machen. Das schafft nicht jeder, wenn sich ein Rechtsproblem nicht eins zu eins im Recht spiegelt. Eine Schlussfrage: wovor sollte man sich als Berufseinsteiger hüten?

Vor dem Dünkel des Volljuristen ‒ und vor der Erwartung, dass man an einem Ort anfängt und nach fünf Jahren tatsächlich noch das Gleiche tut. Alle zwei Jahre erfinde ich mich quasi neu. Das wird nicht weniger werden. // Das Gespräch führten Rechtsanwältin Nicole Narewski und Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig

anwaltsblatt karriere / 25


gastkommentar

anwaltszukunft

The Future Lawyer Tectonic shift in the legal marketplace: Distinction between legal practice and legal delivery Text: Mark A. Cohen, Washington

To opine on “the future lawyer” does not require a crystal ball. It does, however, involve answering three questions: (1) What is a lawyer? (2) What is the difference between the practice of law and the delivery of legal services? (3) What are the core skills for “the future lawyer?”

What Is A Lawyer?

The Oxford dictionary defines a lawyer as: “A person who practices or studies law; an attorney or counselor.” That definition might be expanded to include: (1) licensure; (2) renders professional judgment; (3) adheres to a code of ethics; (4) represents clients; and (5) upholds the rule of law. One way to define a lawyer is to identify characteristics common to good ones. Top lawyers must be persuasive to prospective clients, peers, judges, and triers of fact. They are good storytellers. Lawyers are direct, concise, and get to the crux quickly. Top lawyers are equally adept at delivering good news and bad. They exude confidence but rarely lapse into cockiness. They utilize data and metrics only when they are relevant. They are not all things to all clients and understand the limits of their expertise. Lawyers meld law with fact and knowledge with experience. Their experience enables them to identify patterns, but they are not formulaic in problem solving. Good lawyers understand clients and advance their objectives. Lawyers never stop learning. They help people solve problems and, in so doing, command respect and earn confidence. Lawyers understand that results are tied to variables they cannot always control and, so, offer no guarantees. They are assiduous in their preparation and adept at improvisation. Lawyers know that legal practice is iterative and, so, must observe, analyze, and react. Client confidence is achieved when the lawyer demonstrates communication skills, competence, calm, candor, and an ability to collaborate with clients, professional colleagues, staff, and adversaries. Good lawyers know that law – especially litigation – is not a zero-sum game. Zealous advocacy is accompanied by an ability to “collaborate” with opposing counsel. This is why the vast majority of litigated cases are settled and why so many deals are closed. The Practice of Law versus The Delivery of Legal Services

Until recently, law firms had a virtual monopoly over the delivery of legal services. They handled all facets of a matter – start to finish. No more. In the US, for example, in-house legal departments and legal service providers now account for nearly half of total legal spend. Their market share is rising while demand for law firm services has been flat for three years and counting. The practice of law is not changing but the delivery of legal services certainly is. This tectonic shift in the legal marketplace highlights the distinction between legal practice and legal delivery. The practice of law refers to the core tasks and functions that lawyers perform. The delivery of legal services describes by whom, from what model, and at what price point those services are delivered. The terms are still (incorrectly) used interchangeably because they had been synonymous when law firms had a stranglehold on elite legal expertise and access to legal source materials. That is what law firms sold and what legal delivery was about. But now legal expertise is one of several components of legal delivery, and that has changed the buy-sell dynamic in the legal marketplace. Globalization, rapid technological advances, and the global financial crisis of 2008 have transformed legal delivery. The confluence of these factors accelerated the 26 / anwaltsblatt karriere

Mark A. Cohen is a Distinguished Lecturer in Law at Georgetown University Law Center (Washington D.C.) and an experienced trial lawyer. Apart from that, he is a pioneer in law firm/legal delivery system evolution, works as a legal business consultant (LegalMosaic) and is very active as a legal publicist, inter alia as a weekly columnist at Forbes.

(1) What is a lawyer? (2) What is the difference between the practice of law and the delivery of legal services? (3) What are the core skills for “the future lawyer?”


gastkommentar

anwaltszukunft

Legal Expertise

Technology

Business Process

“disaggregation” of legal services – peeling certain high-volume, low-value ‘legal’ tasks (e.g. document review, legal research, etc.) away from law firms. Marketplace acceptance of non-firm providers has spawned a new generation of tech-savvy, process driven, and well-capitalized legal services companies. They have corporate models different from law firm “partnerships” and utilize technology, labor arbitrage, and process management to deliver an expanding range of legal services “faster, better, and cheaper” than law firms. Corporate legal departments have concurrently grown dramatically in size, internal expertise, and legal operations capability. In-house lawyers have superior knowledge of the client’s business operations, enterprise objectives, and risk profile than outside law firms. A growing number of corporate legal departments have morphed from legal consumers to the principal providers of legal services for their companies. Like elite service providers, top in-house departments combine legal with technological and process expertise. They are part labor arbitrage, part new delivery model enabled by technology and business process. This has often resulted in a more efficient and cost-effective delivery of legal services than the traditional law firm model can provide. Legal delivery is now a three-legged stool consisting of legal expertise, technology, and process management. Law firms tend to excel in legal prowess but generally lag in technology and process – key delivery components. This is a principal cause of the market upheaval in the legal industry. Some suggest that lawyers will soon be replaced by artificial intelligence and other technological platforms. Lawyers will no doubt work alongside robots and will rely more heavily on technology. But professional judgment, persuasion, and the client relationship will ensure that lawyers are not replaced or marginalized in the legal delivery process. Lawyers will not disappear, but the traditional law firm model likely will – except for a cadre of brand differentiated firms that handle high-value matters at a premium price. What Skills Must Future Lawyers Have?

Legal expertise alone is no longer sufficient for lawyers to be competitive in the new legal marketplace. Some key additional skills required of future lawyers are:

q Understanding technology’s application and impact on the delivery of legal q q q q

services (i.e. e-discovery, contract management, cyber security, etc.) Project management Basic business skills Client skills Collaborative skills (with lawyers, other professionals, and paraprofessionals as well as clients)

Lawyers will be collaborating with other professionals and paraprofessionals in a tech-enabled, process driven marketplace. “Legal” problems are now an element of “business challenges,” and that means that lawyers must work collaboratively with others to solve them. Conclusion: Future Lawyers Have Plenty of Opportunities

Legal expertise was long the sole element in legal delivery. This is what sustained the traditional law firm model. With the rapid ascent of new legal delivery models that meld legal, IT, and business expertise, this is no longer the case. Future lawyers with legal, technological, process, business and collaborative skills will be well positioned in a rapidly changing legal marketplace. // anwaltsblatt karriere / 27


»Industrie 4.0«

»E-Health«

»Elektro mobilität

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»Elektromobilität« Eine Brücke in die Zukunft bauen

Der Gesprächspartner ist Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator (CVM), Of Counsel in der Kanzlei Bird & Bird LLP.

Interview mit Rechtsanwalt Hans-Michael Stracke, München

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Warum?

Wo?

Was?

Warum hat das Rechtsgebiet Elektromobilität Zukunft?

Wo werden Anwältinnen und Anwälte gebraucht?

Was brauchen Anwälte, was sie in der Juristenausbildung nicht lernen?

Im Bereich der Elektromobilität drängen derzeit neben diversen Fahrzeug-Startups noch weit mehr Anbieter von Elektronik, Software, Infrastrukturlösungen, Datentransfer- und Verarbeitungsservices inklusive Zahlungsservices (Beispiel Hubject), Cloudservices, etc. in die Automobilindustrie. Gerade die Elektromobilität wird ihren Durchbruch weniger mit staatlich finanzierten Kaufprämien erzielen, als vielmehr mit einer flächendeckenden und über alle Systeme kompatiblen Lade-Infrastruktur samt zugehöriger Datentransfer- und Zahlungsinfrastruktur. Das haben mittlerweile auch die Fahrzeughersteller erkannt und haben entweder selbst (Beispiel Tesla) oder mit diversen Partnern Joint Ventures gegründet (Beispiel Daimler, BMW, Volkswagen, Audi, Porsche und Ford), um die überfällige Lade-Infrastruktur aufzubauen. Damit geht es nunmehr nicht nur um klassisches Automobilzulieferergeschäft oder Fahrzeugbau, sondern vielmehr um die Zukunft der Mobilität. Autonomes Fahren wird möglichst einfach nur sinnvoll in Kombination mit Elektromobilität umzusetzen sein. Niemals mehr tanken oder Öl nachfüllen. Das geht nur elektrisch.

Die Vielschichtigkeit der Einflüsse auf die Elektromobilität wird von den Auswirkungen durch die Elektromobilität noch weit übertroffen. Damit werden natürlich nicht nur Anwälte im Technologiebereich gesucht, also IT/Telekommunikation, Software, Datenschutz, Produkthaftung und Produktsicherheit, Patente, Lizenzen und natürlich klassisches Vertragsrecht, sondern auch vermehrt im Bereich Fahrzeug- und System-Zulassung, Energie, Bauplanungs- und Baurecht. Weiter werden wir sicherlich einen starken Anstieg im M&A- und Finanzierungsbereich in diesem Umfeld sehen.

Was erfolgreiche Anwälte auf Fahrzeughersteller- und Zuliefererebene schon bisher brauchen – weit über Technikaffinität hinausgehendes Technikverständnis –, gilt für diesen Bereich noch vermehrt für die Zukunft. Zumal die Produkte noch weit digitaler werden als bisher. Für alle anderen beteiligten Kolleginnen und Kollegen gilt, dass in Infrastrukturthemen weit mehr Sicherheitsfragen Einzug finden werden als bisher. Die Komplexität der Vernetzung spiegelt sich in der Komplexität der Anforderungen an künftige Juristen wieder. Eine gute Leitplanke auf dieser Zukunftsautobahn ist sicherlich die stete Neugier auf technologische und damit einhergehende soziale und gesellschaftliche Herausforderungen. Von daher kann ich nur empfehlen, so oft und weit über den Tellerrand der Juristenausbildung hinauszublicken wie nur möglich.

Tipps/Links/Info • vda.de/de/themen/ innovation-und-technik.html • 2025ad.com

anwaltsblatt karriere / 29


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»E-Health«

Innovationen denken – und ermöglichen

Der Gesprächspartner ist Fachanwalt für Medizinrecht, Gründer und Partner von Vorberg & Partner Rechtsanwälte und Steuerberater sowie Vorstandssprecher des Bundesverbands Internetmedizin.

Interview mit Rechtsanwalt Sebastian Vorberg, LL.M. (Houston), Hamburg

1 Warum? Warum hat das Rechtsgebiet E-Health Zukunft?

Die Digitalisierung erobert Schritt für Schritt alle wirtschaftlichen Branchen. Der Bereich des Gesundheitswesens ist dabei ein klarer Spätzünder. Das liegt daran, dass hier die konservativen Riegen und alt eingesessene Seilschaften Innovationen grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Die Gesundheitswirtschaft gehört zu den am stärksten regulierten Branchen und Regularien sind immer unflexibel und schwerfällig bei Innovationen. Gerade Juristen gelten hier als die größten „Verhinderer“ von innovativen Vorstößen, weil sie meinen, sich so gut mit den Regularien auszukennen ‒ und eigentlich immer einen Grund finden, warum neue Entwicklungen mit traditionellen Rechtsgrundlagen nicht vereinbar oder zumindest problematisch sind. Meine Meinung ist daher, je weniger Juristen sich in diesem Bereich tummeln, umso besser für die Gesundheit, die aus den neuen Möglichkeiten der digitalen Medizin einen beachtenswerten Mehrwert ziehen kann, wenn es die Juristen nicht verhindern. Schnell hat der Jurist sein Handwerkszeug ausgepackt und Datenschutz, Fernbehandlungsverbot, Sicherheit, Wettbewerb, Verbraucherschutz etc. bilden Barrieren für neue Entwicklungen. Und 30 / anwaltsblatt karriere

schon wird aus einer guten Idee ein kompliziertes Konstrukt, woran die Innovatoren schnell die Lust verlieren. Dieser Bereich ist nur etwas für Juristen, die gerne ganz neu denken und sich nicht von alteingesessenen Bedenkenträgern einschüchtern lassen. Kreativität und zielführende Courage sind gefordert. „Das geht nicht“ geht nicht in diesem innovativen Bereich. „Wir finden einen Weg“ wäre das Motto. In diesem sehr anspruchsvollen rechtlichen Betätigungsfeld stoßen die komplizierten Regularien des Medizinrechts auf die agilen und teilweise auch etwas wagen Regelungen des IT-Rechts, verbunden mit Datenschutz und auch gewerblichem Rechtsschutz. Kein Schnellschuß!

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3 Was? Was brauchen Anwälte, was sie in der Juristenausbildung nicht lernen?

Die meisten der in diesem Bereich aufkommenden Rechtsfragen werden nicht Inhalt der Juristenausbildung sein. Es kommt also darauf an, sich in neue Rechtsgebiete oder auch ganz unbestellte Rechtsfragen einzuarbeiten. Danach wird es darum gehen, sich in der Praxis in diesem Bereich zu profilieren. Man muss das Gesundheitswesen und vielleicht auch die Startup-Szene von innen kennen, um sich hier interessant zu machen.

Wo? Wo werden Anwältinnen/Anwälte gebraucht?

Nahezu alle Teilnehmer im Gesundheitsmarkt werden auf dem Weg zur Digitalisierung juristische Hilfe benötigen. Insbesondere die größeren Firmen, Behörden oder Krankenkassen werden hier in den internen Rechtsabteilungen ein paar spezialisierte Juristen brauchen, um dieses Gebiet nachhaltig abzudecken. Auch die spezialisierten Anwaltskanzleien und Großkanzleien werden für eine kompetente Beratung jeweils spezialisierte Rechtsanwälte brauchen.

Tipps/Links/Info bundesverbandinternetmedizin.de


trends

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»Industrie 4.0«

Das Recht für die digitale Welt fit machen Interview mit Rechtsanwalt Prof. Niko Härting, Berlin

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Der Gesprächspartner ist Rechtsanwalt, Partner bei Härting Rechtsanwälte und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin). Er ist Mitglied des Informationsrechtsausschusses, des Berufsrechtsausschusses und des Ausschusses für Anwaltsethik und Anwaltskultur des Deutschen Anwaltvereins.

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Warum?

Wo?

Was?

Warum hat das Thema „Industrie 4.0“

Wo werden Anwältinnen und Anwälte gebraucht?

Was brauchen Anwälte, was sie in der Juristenausbildung nicht lernen?

Zurzeit wird viel über „Legal Tech“ diskutiert. Hinter diesem Buzzword verbirgt sich Technologie, die sich längst nicht so schnell entwickelt, wie man oft meint. Man erinnere sich nur an das Jahr 2000. Was ist aus Anwalts-Hotlines, was ist aus der Rechtsberatung in digitalen Welten, was ist aus der „OnlineBeratung“ geworden? Dennoch: Die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche – auch den Anwaltsberuf. AGB, die man vor 20 Jahren noch per Diktat erstellt hat, setzt man heute – copy und paste – aus einem Vorlagenfundus zusammen. Das geht viel schneller, kostet den Mandanten weniger Geld und bringt dem Anwalt weniger Umsatz. Nichtsdestotrotz müssen wir nicht befürchten, über kurz oder lang durch künstliche Intelligenz und Roboter ersetzt zu werden. „Industrie 4.0“ ist in vielen Bereichen ein Jobmotor für die Anwaltschaft. Die Unternehmen brauchen unsere Unterstützung bei der schwierigen Balance zwischen Innovation und Compliance. Bei neuen Geschäftsmodellen sind kreative Juristen gefragt, die regulatorische Fallstricke umschiffen. Neue Ideen müssen in neuen Vertragsmodellen umgesetzt werden.

In der Zeit meiner Ausbildung gab es den Begriff der „Soft Skills“ noch nicht. Heute bemüht man sich bereits, rhetorische Fähigkeiten und Verhandlungsmethoden in der Ausbildung zu schulen. Das ist gut so. Und ich glaube, dass junge Anwältinnen und Anwälte – trotz mancher Defizite – heute besser auf den Beruf vorbereitet sind als früher. Junge Anwälte, die Unternehmen beraten, brauchen ein gewisses Grundverständnis, wie Wirtschaft funktioniert. Das war vor 25 Jahren nicht anders. Als ich als selbstbewusster junger Anwalt das erste Mal gestandenen Kaufleuten gegenübersaß, spürte ich, wie Theorie und Wirklichkeit hart aufeinander prallten. Erfahrung kann man nicht studieren. Branchenkenntnisse entwickeln sich erst nach einigen Berufsjahren. Der IT-Anwalt darf zudem keine Angst vor Technik haben. Die besten technischen Kenntnisse nützen dem Anwalt jedoch nichts, wenn es am juristischen Handwerkszeug fehlt.

für Anwälte Zukunft?

„Industrie 4.0“ ist ausnahmsweise einmal kein Anglizismus, sondern eine deutsche Wortschöpfung. Hinter dem Begriff stehen die Bemühungen der deutschen Industrie, bei der zunehmenden Vernetzung der Produktionsprozesse zukunftsfähig zu bleiben. Große Anbieter im Silicon Valley (Ebay, Amazon, Google, Facebook, Microsoft, Apple) haben bei den Verbrauchern die Nase vorn. Dies soll im Industriebereich anders werden. Clouddienste, Software as a Service sowie digitale Plattformen sind Instrumente der vernetzten industriellen Produktion. Für den Anwalt bedeutet dies: neue Geschäftsmodelle, neue Vertragsstrukturen, neue Herausforderungen beim Schutz von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen. Spannende Fragen. „Industrie 4.0“ sorgt dafür, dass dem IT-Rechtler die Arbeit nicht ausgeht.

Tipps/Links/Info plattform-maerkte.de

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„Legal Tech“ ist der Tod der eierlegenden Wollmilchsau Die Digitalisierungswelle erfasst die Rechtsbranche – wo Anwältinnen und Anwälte ihren Platz finden werden Interview mit Rechtsanwalt Michael Grupp und Rechtsanwalt Michael Friedmann Fotos: Andreas Burkhardt, Berlin

Start-up-Unternehmer Michael Grupp (links) und Internetpionier Michael Friedmann (vorne) diskutieren über Chancen, Risiken und Nebenwirkungen von „Legal Tech“.


Das Bild verzaubert noch immer Anwältinnen und Anwälte. Sie sind Interessenvertreter, fühlen sich gleichwohl als Organ der Rechtspflege, üben einen Vertrauensberuf aus, der auf ihrer fachlichen Kompetenz und dem persönlichen Kontakt zu Mandanten beruht. Warum sollte man sie ersetzen wollen? Doch die Revolution ist längst im Gange. Im Schnittbereich von Recht und IT entstehen neue Angebote für den Rechtsdienstleistungsmarkt. Wenn sie billiger, präziser und schneller sind, warum sollten Mandanten sie ignorieren? Was es mit dem neuen Trend „Legal Tech“ auf sich hat, fragte das Anwaltsblatt Michael Grupp vom Start-up Lexalgo und Michael Friedmann, Mit-Erfinder von „frag-einenanwalt.de“ und Geschäftsführer der QNC GmbH. Das Trendwort in der Anwaltsszene ist „Legal Tech“. Wie erläutern Sie einem erfolgreichen Anwalt von 55 Jahren, Platzhirsch bei seinem Landgericht, was „Legal Tech“ ist?

Friedmann: Das ist gar nicht so spektakulär. Im Grunde genommen verbirgt sich hinter „Legal Tech“ die technische Unterstützung der anwaltlichen Arbeit. Sie kann in mehreren Bereichen erfolgen: Das können die Mandatsabläufe in der Kanzlei, die Recherche oder auch die Beschaffung von Mandaten sein. Grupp: Genau. „Legal Tech“ ist quasi die technologische Komponente der Branche, und der Begriff kommt von „Fintech“ oder „Medtech“. So gibt es eben auch „Legal Tech“. Im engeren Sinne ist es das, was früher Rechtsinformatik genannt wurde, also mit dem Herzstück der Rechtsabbildung durch Algorithmen. Heute werden quasi alle Bereiche des E-Commerce dazu gezählt, also auch eine E-CommercePlattform wie „frag-einen-anwalt.de“. Es ist ein Modewort – definitiv. Wie würden Sie denn „Legal Tech“ einer 29-jährigen Volljuristin erläutern, die auf dem Weg in die Anwaltschaft ist?

Grupp: Die Veränderungen im Anwaltsberuf sind in der Tat eine Frage der Perspektive. Wer heute jung ist, für den ist „Legal Tech“ vor allem eine berufliche Chance. Wenn wir den Aspekt der Entwicklung von Produkten ausklammern, können wir fragen: Was hat denn Tech und Jura heute miteinander zu tun? Tech und Jura haben heutzutage sehr viel mehr Verbindungen als noch vor 10 Jahren. In vielen Rechtsbereichen gibt es Tech-Fragen, vom Datenschutz bis zur IT als Unternehmenswert, von denen man im juristischen Studium wahrscheinlich nichts gehört hat. Friedmann: In meinen Bewerbungsgesprächen mit Endzwanzigern finde ich durchaus noch die Vorstellung, dass der Anwaltsberuf so ist, wie er ist – und sich auch in der Zukunft nicht ändern wird. Dann frage ich die Bewerber: „Passt mal auf. Ihr nutzt privat Facebook, WhatsApp und so weiter für eure persönliche Kommunikation. Was macht euch denn glauben, dass sich dadurch nicht auch die anwaltliche Kommunikation verändern wird?“ Das ist im Grunde genommen die Frage, die sich ein 29-jähriger oder eine 29-jährige Bewerberin stellen muss. Genau das, was du jeden Tag nutzt, wird in die anwaltliche Arbeit einziehen. Das weitet den Horizont.

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Über Wahrnehmung von Innovationen: bis 20 werden sie als Bestandteil des eigenen Lebens erlebt

zwischen 20 und 40 kann man mit ihnen wahrscheinlich Karriere machen nach 40 widersprechen sie der natürlichen Ordnung der Dinge und gehören verboten. ;-)

Was sollte Anwältinnen und Anwälte an der Legal Tech-Welt interessieren?

Grupp: Der Anwalt, der als Dienstleister mit viel persönlicher Leistung billable hours erbringt (vielleicht noch mit der Unterstützung von einem Sekretariat), denkt über die juristische Wertschöpfungskette nicht nach. Das alles ist für ihn – oder auch für sie – ein holistischer Knäuel. Die Technik kann diese Wertschöpfungskette aber aufbrechen. Das nenne ich „Unbundling“. Wir kennen beispielsweise Tools wie Smartlaw, die angefangen haben, Musterformulare zu digitalisieren. Das sollte Anwältinnen anwaltsblatt karriere / 33

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„Gibt es Teile meiner Tätigkeit, die vielleicht wegfallen könnten? Teile meiner Akquisetätigkeit, Teile meiner Recherchen, Teile meiner fachlichen Kompetenz, die dann von Algorithmen übernommen werden können.“

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Sp

Wie glauben Sie, wird sich die Anwaltswelt ändern?

Grupp: Ich will den Gedanken fortführen. Die Anwaltswelt verändert sich analog oder parallel zu den Veränderungen im normalen Alltag. Auf jeden Fall werden bestimmte Aspekte digitalisierter: Die Mandatsakquise wird digitalisierter, noch maßgeschneiderter und vielleicht deswegen auch teurer. Andere Sachen werden günstiger, vielleicht Recherchen nach Urteilen … Friedmann: Es wird wohl etwas kommen, was ich – so meine These – die arbeitsteilige Kanzlei nenne. Durch die Technologieunterstützung werden sich die Tätigkeiten innerhalb einer Kanzlei und innerhalb des Anwaltsberufes weiter spezialisieren. Ich meine das gar nicht fachlich. Zurzeit ist ein Anwalt die eierlegende Wollmilchsau: Er muss der Rainmaker der Kanzlei sein, er muss den Kontakt zum Mandanten halten, er muss fachlich herausstechen und er muss auch noch prozessual als Genie vor Gericht gehen. Die Realität zeigt: In der Regel können Anwälte einige Aufgaben richtig gut, aber andere eher mäßig. Die technologische Unterstützung wird eine Aufteilung innerhalb der Kanzlei ermöglichen. Es wird dann die Anwälte geben, die sich beispielsweise nur um die Akquise kümmern – vielleicht müssen das gar keine Anwälte sein, sondern Paralegals. Andere Anwälte halten den Kontakt zum Mandanten als Key Accounter (one face to the customer). Ein Spezialist bearbeitet mit technologischer Hilfe die Mandate schnell und qualitätsvoll, und es wird einen Prozessanwalt geben, der den ganzen Tag nichts anderes machen wird, als die Sachen vor Gericht vorzutragen. Das ist so meine Vision. Herr Grupp, ist die These Friedmann realistisch?

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Michael Friedmann

und Anwälte interessieren: Welche Aspekte meiner Tätigkeit können sich ändern, welche bleiben konstant? Und die, die sich ändern: Welche Konsequenzen hat das dann für die, die noch übrig bleiben? Vor der übermächtigen künstlichen Intelligenz muss man keine Angst haben, aber vor den vielen kleinen Teilen der Wertschöpfungskette, die optimiert werden. Friedmann: Letzten Endes gibt es wahrscheinlich keinen Anwalt in Deutschland, der nicht schon in Bereichen mit Legal Tech arbeitet. Vielleicht Legal Tech 1.0. Das ist die Online-Rechtsdatenbank, die Hälfte der Anwälte benutzt eine Kanzleisoftware, die auch in Teilen automatisch Schriftsätze erstellen kann – und er benutzt auch Google Adwords, wirbt im Netz, ist bei Suchdiensten und Portalen aktiv. Eigentlich muss er sich nur überlegen, was wird daraus in der Zukunft? Was wächst zusammen? Gibt es Teile meiner Tätigkeit, die vielleicht wegfallen könnten? Teile meiner Akquisetätigkeit, Teile meiner Recherchen, Teile meiner fachlichen Kompetenz, die dann von Algorithmen übernommen werden können. Manches nutzen wir, aber noch nicht richtig effizient. Da liegt die Zukunft.

Die technologische Unterstützung wird eine Aufteilung innerhalb der Kanzlei ermöglichen.

Grupp: Die These Friedmann ist zum großen Teil realistisch. Das ist die konkrete Übertragung des „Unbundlings“, von dem ich gesprochen habe. Das Spannende ist natürlich, dass sich das ganz unterschiedlich entwickeln wird, je nachdem, wie groß die Kanzlei ist von der wir jetzt sprechen. In den großen Kanzleien wird es mehr Einsparungspotential geben, während in kleinen Einheiten, wo die eierlegenden Wollmilchsäue noch arbeiten, das später kommen wird. Computer, Datenbanken, E-Mails und Internet helfen in der Praxis jetzt schon seit einigen Jahren. Ist denn „Legal Tech“ wirklich noch etwas Revolutionäres?

Friedmann: Der Rechtsbereich ist eine der letzten Branchen, die von der Digitalisierung erfasst werden. Da kann man nicht von einer Revolution sprechen. Versand34 / anwaltsblatt karriere


special

anwaltszukunft

handel, Banken, Versicherungen, wo man hinschaut, selbst bei den Ärzten – viele Bereiche haben das schon hinter sich. Es gibt die technischen Möglichkeiten, also wird das auch umgesetzt. Grupp: Definieren wir revolutionär: Wir sehen in Branchen iterative oder disruptive Innovation. Im Rechtsbereich haben wir kaum Lösungen, die den Markt so verändern, dass bisherige Wettbewerber nicht mehr mithalten können. Selbst bei einem Anbieter wie Flight Right, der Flugverspätungsentschädigungen geltend macht, braucht es am Ende wieder Anwältinnen und Anwälte. Und ein Großteil der Mandate wäre wahrscheinlich nicht mal bei einer Kanzlei gelandet. Friedmann: Flight Right ist aber durchaus ein Beispiel für eine disruptive Entwicklung. Bisher musste man zum Anwalt gehen, um festzustellen, ob man einen Anspruch hat. Das erledigt jetzt ein Expertensystem mit wenigen Klicks. Das ist für sich gesehen ein disruptiver Ansatz. Grupp: Die Technik macht Bündelungen möglich. Wer es versteht, möglichst viele und ähnlich gelagerte, standardisierbare Mandate zu akquirieren, kann daraus Geschäftsmodelle entwickeln. Friedmann: Für den Mandanten wird sich wahnsinnig viel ändern. Als Konsument bestelle ich im Netz und morgen, vielleicht am gleichen Tag, wird es geliefert. Das wird auf die Anwaltswelt übertragen werden. Versuchen Sie das als Kanzlei einmal zu bewerkstelligen. Das wird eine Aufgabe für Plattformen werden. Und jetzt geht es dem Mandanten darum, dass seine Frage in den nächsten zwei Stunden beantwortet wird. Die Plattform fragt: Wer von euch Anwälten hat jetzt Zeit das zu machen? Oder es wird mit Vertragsgeneratoren erfolgen, die dann über einen Chatbot einen Vertrag selbst zusammenstellen. Das ist dann der Vorteil für den Mandanten. Grupp: Ja, das gefällt mir gut. Die Anwälte denken gerne über sich und ihre Arbeit nach. Sie sollten aber viel konsequenter die Perspektive der Rechtssuchenden einnehmen. Die finden im Internet schon extrem viel Rechtswissen, aber es reicht am Ende nicht. Wenn die Mandanten dann die Abbiegung zu den Kanzleien nehmen, sollten die Kanzleien auf diese juristischen Fragen, die spezialisierter, aber auch besser vorsortierbar sind, vorbereitet sein. Das begünstigt natürlich wieder Tendenzen zum Bündeln, was zu kompetitiveren Preisen führt, weil die Kanzlei standardisieren kann. Das Szenario fortgedacht, wird das zu starken Segmentierungen und einem noch stärker intensivierten Servicegedanken führen. Was kann die Technik besser als der Mensch?

Grupp: Prozessabläufe abwickeln. Friedmann: Ja, aus unserer Erfahrung beruhen die meisten Beschwerden von Mandanten über ihre Anwälte darauf, dass die Kanzleien unorganisiert seien und die Abläufe dort nicht stimmten. Der Anwalt sei schlecht zu erreichen, halte sich nicht an Versprechen und Vorgaben. Technologie kann es schaffen, aus Sachverhalten Prozesse zu machen, die der Anwalt gezielt abarbeiten kann. Damit kann er mehr Zeit für den Mandanten bekommen, um besser zuhören zu können. Das schafft dann dauerhaftes Vertrauen. Grupp: Juristen können meist nur Geld sparen, nicht besorgen. Deswegen ist der Prozess so wichtig und dessen Belastbarkeit. Mehr Geld für Rechtsberatung, bringt nicht mehr Recht. Ich kann natürlich in bestimmten komplexen Situationen ein höheres Level an Sicherheit erreichen und bessere Szenarien fahren, aber das sind ganz große Ausnahmen. In der Regel will der Mandant das Problem weghaben und fragt: Wie viel kostet mich das? Anders als in der Finanz- oder Versicherungsbranche

Michael Friedmann (QNC GmbH, oben) und Michael Grupp (Lexalgo) haben ihren ganz eigenen Blick auf die Legal Tech-Szene. Manche Entwicklung wird überschätzt, aber langfristig wird auch die Rechtswelt digitalisiert werden – was technisch geht, wird auch kommen.

Rechtswissen

im Internet für alle Rechtssuchenden

xxxxxx Juristische, spezialisierte Fragen

vom Mandanten an die Kanzlei

xxxxx Vorsortierung

xxxx Bündeln

xxx Standardisierung

xx kompetitivere Preise

x Starke Segmentierung, stärker intensivierter Servicegedanke anwaltsblatt karriere / 35


special

anwaltszukunft

können Juristen mit Technologie nicht mehr Geld verdienen oder bessere Leistungen erbringen. Die menschliche Beratung bei Jura ist sehr gut. Die Technologie kann aber schneller und kostengünstiger sein. Kann sie fehlerfreier werden?

Grupp: Ja, sie kann fehlerfreier werden in Bezug auf eine kritische Masse, die definiert wurde. Die Software etabliert einen Prozess, der für diesen Anwendungsbereich schneller, günstiger und einfacher ist – und vielleicht verlässlicher wird. Bedarf es dann noch eines Anwalts mit seinem Judiz?

Grupp: Das kommt darauf an. Friedmann: Bei standardisierten Rechtsfällen sicherlich nicht. Das kann man über den Prozess steuern und über die Daten, die man hat. Die Masse macht es dann. Zur Person Michael Grupp (Jahrgang 1983) hat das Wissenschaftsportal Thesius und das Start-up Lexalgo für Legal Tech-Anwendungen mitgegründet. Er ist Mitglied der Executive Faculty des Bucerius Center on the Legal Profession. 2014 veröffentlichte er im Anwaltsblatt den heute noch lesenswerten Beitrag „Legal Tech – Impulse für Streitbeilegung und Rechtsdienstleistung“ (AnwBl 2014, 660), der vieles der späteren Diskussion vorwegnahm. Jura studierte er in Mainz, Paris und Münster. Das Referendariat folgte im OLG Bezirk Koblenz mit Stationen in Seoul, London und New York. Er hat in Großkanzleien im Bereich der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und der commercial litigation gearbeitet. Seit 2012 ist er Rechtsanwalt.

Werden Mandanten dann auch solchen prozessorientierten Plattformen vertrauen?

Grupp: Zunehmend. Friedmann: Ja. Das Vertrauen verändert sich. Im ärztlichen Bereich beobachten wir das schon. Wenn man einen Patienten fragt, ob er seine Diagnose von einem Arzt oder Computer bekommen möchte, in dem alle Informationen weltweit hineinlaufen, dann sagen die meisten Patienten: Ich will die Diagnose vom Expertensystem. Es wäre vermessen, wenn wir sagen: Für uns Anwälte gilt das nicht. Wenn wir auf die Felder blicken, wo es IT-Unterstützung im juristischen Bereich gibt: Streitbeilegung, Wissensmanagement, Work-flows im Mandat, Vertragsgeneratoren, automatisierte Rechtsanwendungen, Marketing. Wo werden wir die größten Innovationen sehen?

Grupp: Das ist eine schwierige Frage. Wenn wir auf die Landkarte schauen, dann sind es zur Hälfte Marktplätze und Plattformen, die webbasiert oder technologieunterstützt Akquise- oder Rechtsberatungsprozesse leisten. Auf der anderen Hälfte sehe ich formale sowie materielle Anwendungen. Mandantenmanagement, Kanzleisoftware usw. sind formale Anwendungen. Und die materiellen Lösungen sind zahlenmäßig noch eher selten. Wo jetzt die meisten Innovationen herkommen, kann ich nicht vorhersagen. Das Wichtigste wird aber die Verbindung zwischen allen Anwendungen werden. Da spielt die Musik. Friedmann: Ich habe wieder eine These. Wir werden die meisten Innovationen in der Arbeitsunterstützung des Anwalts sehen, also bei Datenbanken und Expertensystemen. Hier ist die Zahlungsbereitschaft bei Kanzleien für Entlastung am größten. Beim Marketing und Prozessoptimierung ist das Berufsrecht ein Innovationshemmnis. Es ist angesichts des Provisionsverbots bei Anwälten sehr schwer, hier so zu investieren, dass es sich rechnet. Ich kann als Legal Tech-Anbieter keinen prozentualen Anteil am Mandatshonorar erhalten. Es gilt die Exklusivvermarktung für Anwälte.

Friedmann: Ja. Aber auch wenn wir über die Prozesse nachdenken. Ich kann keine Software schaffen, mit der der Anwalt ein konkretes Mandat abwickelt und dann für die Nutzung einen festen Anteil seines Umsatzes für die Software zahlt. Deswegen werden wir in diesen Bereichen langsamer Innovationen sehen als in anderen Branchen. Hier fehlt es auch an der Zahlungsbereitschaft der Anwältinnen und Anwälte. Die Kanzleien glauben, an ihren Prozessen nichts ändern zu müssen. 36 / anwaltsblatt karriere


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anwaltszukunft

Schafft das Netz eine neue Transparenz im Markt?

Friedmann: Sie ist schon heute da. Grupp: Ja, Leistungen und Preise werden vergleichbarer. Friedmann: Sie sind schon vergleichbar und sinken. Grupp: Ja, zunehmend. Der Markt bemüht sich noch um Intransparenz, aber sie sinken im Mittel. Das heißt, wer nicht kostengünstig arbeitet, hat verloren?

Friedmann: Das ist halt more for less. Grupp: Der Trend hält an. Die Technologie ist aber keine Gefahr für die maßgeschneiderten individuellen Lösungen, sondern für die Nischenprodukte, die zu Massenprodukten werden. Den Insolvenzberater für Maschinenbauer trifft es nicht, solange Maschinenbauer in die Krise rutschen. In dieser neuen Technikwelt, wo werden Anwältinnen und Anwälte ihren festen Platz haben?

Friedmann: Hinterm Computer … [lacht] Grupp: [ fällt ins Lachen ein] … als freies Organ der Rechtspflege werden sie da gebraucht, wo sie eigentlich hingehören: Sie werden die urrechtlichen Sachen bearbeiten, aber nicht Tätigkeiten erledigen müssen, die sie eigentlich nicht gut können und für die sie nicht ausgebildet wurden. Sie werden zwar heute zunehmend zum Projektmanager, sollten es aber nicht werden. Friedmann: Wir müssen uns ein bisschen darauf besinnen, was ein Anwalt ist. Herr Grupp sagt, er ist Organ der Rechtspflege. Ich widerspreche. Der Anwalt ist kein Organ der Rechtspflege, sondern ein Anwalt ist ein Dienstleister. Ein Dienstleister am Mandanten. Dieser Dienstleister am Mandanten muss sich mit dem Mandanten auseinandersetzen. Also ist sein Platz in der Kommunikation mit dem Mandanten. Das muss sich in der Zukunft verbessern. Der Anwalt muss mehr Zeit haben, mit seinem Mandanten zu sprechen. Das ist Kundenzufriedenheit. Grupp: Der Einsatz von Technik bietet jetzt eine gute Gelegenheit, dass die Anwaltschaft ihre Rolle in diesem Verhältnis Mandant, Staat und Organ der Rechtspflege wieder neu definiert, statt durch den Einsatz von Technik tatsächlich zu versuchen, zu dem standardisierten, dienstleistungsorientierten Serviceprovider zu werden. Wir müssen klären: Was kann die Technik erledigen, was muss der Mensch machen. Wo da die Trennlinie verläuft, das kann man nicht sagen. Friedmann: Wenn Herr Grupp jetzt mit Organ der Rechtspflege den Zugang zum Recht meint, dann stimme ich ihm voll und ganz zu. Technologieunterstützung kann den Zugang zum Recht verbessern, weil es Mandate gibt, die sich heute schlicht nicht lohnen.

Zur Person Michael Friedmann (Jahrgang 1974) ist Geschäftsführer der QNC GmbH aus Hannover. Das Unternehmen betreibt Webportale wie 123recht.net und frag-einen-anwalt.de und gehört zu den Legal Tech-Pionieren in Deutschland. Bereits im Jahr 2000 wurde123recht.net gegründet, frag-einen-anwalt.de folgte 2004. Was anfangs vom anwaltlichen Establishment belächelt oder ignoriert wurde, hat sich über die Jahre munter entwickelt – und viele Einsteiger in den Anwaltsberuf haben über die Plattformen ihre ersten Fälle bekommen. Die Seiten ziehen nach Angaben von QNC pro Monat rund 2,5 Mio. Besucher an. Über die Portale werden Mandate vermittelt in einem jährlichen Volumen von mehr als 60 Millionen Euro und inzwischen haben sich rund 160.000 Antworten von Anwältinnen und Anwälten auf Rechtsfragen des Alltags angesammelt. Michael Friedmann studierte Wirtschaftswissenschaften und Jura in Hannover in sechs Semestern, legte das erste Examen mit 21 Jahren ab, absolvierte das Referendariat in Hannover und ist seit 2001 auch als Rechtsanwalt zugelassen.

Was müssen Anwältinnen und Anwälte dazu lernen und wovon sollten sie sich verabschieden?

Grupp: Das dünkelhafte Verständnis des Anwalts, der seiner Berufung folgt, statt eine Berufstätigkeit auszuüben, ist vielleicht etwas, das langsam revisibel wird. Friedmann: Anwälte haben sich viel zu lange über die Informationsasymmetrie definiert. Das wird jetzt aufgebrochen. Im Grunde genommen greifen die Mandanten auf die gleichen Quellen zu, wie die Anwälte auch. Je früher man das als Anwalt akzeptiert und sich eher als Dienstleister begreift, desto besser. Der Anwalt sollte denken: „Ich nehme dieses Problem von Dir weg und bearbeite es schnell, transparent und zu einem fairen Preis“ – es muss ja nicht billig sein. Das sollten Anwältinnen und Anwälte lernen.

Das Gespräch moderierte Dr. Nicolas Lührig, Anwaltsblatt-Redaktion, Berlin. Es wurde zuerst im März-Heft 2017 des Anwaltsblatts veröffentlicht.

anwaltsblatt karriere / 37


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anwaltszukunft

„So viel Pro-bonoArbeit wie noch nie“ Unbezahlter Rechtsrat rechnet sich für Australiens Anwälte Text: Nicola de Paoli, Edinburgh

Ausgerechnet unbezahlte Pro-bonoArbeit ist für viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Australien ein Mittel gegen sinkende Umsätze und geringere Profitabilität. Noch nie zuvor leisteten Sozietäten in Australien so viel unbezahlte Rechtsberatung wie in 2016. Laut einem Bericht des Australian Pro Bono Centre schrieben australische Anwälte in diesem Jahr 402.216 unbezahlte Arbeitsstunden auf. Das war ein Plus von 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Für Catriona Martin von der Kanzlei DLA Piper ist es kein Widerspruch, auf dem hart umkämpften Rechtsberatungsmarkt unbezahlte Rechtsberatung anzubieten. Der Erfolg ihrer Kanzlei hänge letztlich von der Stärke ihres Umfeldes ab, sagt Martin: „Und indem wir in dieses Umfeld investieren, investieren wir gleichzeitig in die Zukunft der Kanzlei.“ Der australische Rechtsberatungsmarkt ist unter Druck geraten. Nach einem Bericht der Melbourne Law School zusammen mit dem Finanzinformationsdienst Thomson Reuters ist die Nachfrage nach Rechtsdienstleistungen auf dem Kontinent im vergangenen Jahr in den Kanzleien durchschnittlich um 1,9 Prozent gesunken. „Das Bild, das dieser Bericht zeichnet, ist nicht besonders positiv“, schreibt Carolyn Evans von der Melbourne Law School in einem Vorwort. Wegen einer anstehenden

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Rechtsreform erwartet die Anwaltschaft ab dem 1. Juli 2017 weitere deutliche Kürzungen der australischen Regierung bei der Prozesskostenhilfe. Viele Sozietäten sehen nun ausgerechnet unbezahlte Pro-bono-Arbeit als Teil ihrer Wachstumsstrategie. DLA Piper beispielsweise hat ein virtuelles Pro-bono-Programm für Arbeitsrecht ins Leben gerufen. Die Kanzlei unterstützt damit eine sozial schwache Region im Westen des Landes, rund 450 Kilometer entfernt von der Großstadt Perth. DLA Piper arbeitet dort mit einer Hilfsorganisation zusammen, die den ersten Kontakt zu dem Mandanten hat und den Fall aufnimmt. „Wenn die Hilfsorganisation bei einem arbeitsrechtlichen Problem wegen Kapazitätsproblemen oder fehlender arbeitsrechtlichen Kenntnis nicht weiterhelfen kann, verweist sie den Fall an DLA Piper weiter“, sagt Martin. Der Sachverhalt sowie dazugehörige Dokumente werden der Kanzlei in eines der Büros in Sydney, Brisbane oder Perth weitergeleitet. Die Hilfsorganisation organisiert ein Beratungsgespräch. Dieses Gespräch findet in den Räumen der Hilfsorganisation und über den InternettelefoniererService Skype statt. Auf diese Weise erhält der Pro-bono-Mandant eine Stunde lang kostenlosen Rechtsrat von einem Anwalt.

An dem Programm seien insgesamt sieben Anwälte von DLA Piper beteiligt, darunter zwei Partner, sagt Catriona Martin. Der Wert der bisher geleisteten Arbeit belaufe sich auf umgerechnet mehr als 17.000 Euro. Der Bedarf an Rechtsberatung sei enorm, sagt sie. Aber auch DLA Piper profitiere von dem Programm und erfülle damit die Erwartungen vieler Mandanten. „Unsere Mandanten teilen unsere Auffassung von sozialer Verantwortung und haben ebenfalls Programme aufgelegt, von denen wir viel lernen können“, sagt Martin. Derzeit arbeitet die Kanzlei in 60 unterschiedlichen sozialen Kooperationen mit Mandanten zusammen. Die Erfahrung zeige, dass Pro-bono-Arbeit die Produktivität der einzelnen Anwälte erhöht.

„Sie fühlen sich gut dabei und bauen eine stärkere Bindung zu der Kanzlei auf.“

Auch bei der Nachwuchssuche spiele Pro-bono eine immer größere Rolle. „Oft ist das Pro-bono-Programm das ausschlaggebende Argument bei der Kanzleisuche von talentierten Nachwuchskräften“, sagt Martin. Für den juristischen Nachwuchs böten diese Programme die Möglichkeit, Rechtsberatung und den Umgang mit Mandanten zu üben. //


MIT RECHT

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report

anwaltszukunft

Bestsellerautor Richard Susskind hatte das Schlusswort auf dem Anwaltszukunftskongress in Köln im Herbst letzten Jahres. Dabei ging es dem Briten nicht darum, das letzte Wort zu haben, vielmehr wollte Susskind die in den zwei Kongresstagen entflammte Diskussion über die Zukunft der Anwaltschaft noch weiter anfachen. Und das gelang ihm auch, obwohl – oder gerade weil – er in seinem Beitrag einen vergleichsweise versöhnlichen Ton anschlug.

Richard Susskind ist inzwischen auch außerhalb Großbritanniens fast jedem in der IT-Branche ein Begriff. Neben seiner Tätigkeit als Autor, Redner, internationaler Unternehmens- und britischer Regierungsberater ist er auch Professor der University of Oxford, des Gresham College und der Strathclyde University. In Deutschland zog er die Aufmerksamkeit besonders durch seine Bücher auf sich, in denen er sich mit dem Einfluss digitaler Technologien auf den Anwaltsberuf auseinandersetzt. Charakteristisch ist seine schonungslose Herangehensweise, die über eine deskriptive Analyse hinausgeht: Susskind kritisiert, wagt Prognosen und hält der Anwaltschaft den Spiegel vor. Allerdings begegnet er seiner eigenen Arbeit mit denselben Maßstäben. Sein jüngster Bestseller „The Future of the Professions“ ist eine Zusammenarbeit mit seinem Sohn Daniel Susskind, in dem zwei Generationen den Wandel der freien Berufe für die nächste Generation betrachten. Mit provokanten Titeln wie „The End of Lawyers?“ aus dem Jahre 2008 zeigt Susskind, dass er nicht nur informieren, sondern wachrütteln möchte. Verständlich, dass er dafür gelegentlich dem Vorwurf der Dramatisierung ausgesetzt ist. Aber Susskind ist gerade an einer kritischen Auseinandersetzung mit seinen Thesen gelegen. „Das Fragezeichen am Ende des Buchtitels ist wichtig“, stellte Susskind zu Beginn seines Vortrags Anfang September augenzwinkernd klar, den er diesmal etwas positiver „der Zukunft der Anwälte“ widmete.

The Future for Lawyers Prof. Richard Susskind

Was will der Mandant?

Diese Frage stellte Susskind den Kongressteilnehmern. Die Antwort erscheint zunächst naheliegend: anwaltlichen Rat. Doch im Grunde geht es den Mandanten um die Lösung eines Problems in der jeweiligen Situation. Und diese kann eben auch in einem Formularvordruck, einem Onlineartikel oder einer Streitbeilegungssoftware liegen. Wenn man diesen Anknüpfungspunkt wählt, wird schnell ersichtlich, warum neue Technologien derzeit große Erfolge auch in der Rechtsbranche feiern. Es geht nicht darum, die angebotenen Leistungen mit denen eines Anwalts zu vergleichen. Es geht darum, andere Leistungen zu suchen und in Form von Software zu finden. Susskind umschreibt dieses Phänomen mit der Formulierung „the competition that kills you doesn’t look 40 / anwaltsblatt karriere

Richard Susskind gibt der Anwaltschaft noch eine Chance Text: Nora Zunker, Berlin


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like you“. Auch bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz gehe es nicht darum, ein menschliches Wesen nachzubilden. Es geht um Entscheidungsfindung und Datenanalyse, wobei dabei nicht gesagt sei, dass das menschliche Gehirn tatsächlich den effizientesten Weg dafür darstellt. So stellt sich auch für die Zukunft nicht die Frage nach einem digitalen Anwalt, sondern vielmehr danach, was einen Anwalt im digitalen Zeitalter ausmachen wird. Was macht es eigentlich genau aus, dieses Anwaltsgeschäft? What business are you in?

Daniel Susskind

„The competition that kills you doesn’t look like you“ Prof. Richard Susskind

Die Anwaltstätigkeit hat viele Elemente: Dokumentenprüfung, Projektmanagement, Unterstützung im Rechtsstreit, Verhandlungsgeschick, strategisches Vorgehen, Vertretung des Mandanten, rechtliche Recherche. Doch welche dieser Aufgaben kann wirklich nur ein Anwalt bewerkstelligen? Susskind stellt das traditionelle Berufsmodell gleich einer ganzen Reihe von Alternativen gegenüber. Angesichts dieser fällt es schwer, davon auszugehen, dass sich nur die Weiterentwicklung des bisherigen Modells durchsetzen wird. Denkbar sind beispielsweise Modelle wie das „networked experts model“, bei dem die Kunden eines Unternehmens Zugang zu einer Gruppe von Freelancer-Anwälten erhalten, wodurch die Kosten im Vergleich zu privaten Kanzleien gesenkt werden. Weitere Möglichkeiten sind „knowledge engeneering“, in Form von automatisierter Dokumentenerstellung, „communities of experience“, in denen professioneller Rat untereinander ausgetauscht wird, anstelle die Fragen an externe Experten weiterzuleiten, „embedded knowledge“, also das Bereitstellen von ComplianceLösungen für den Mandanten ohne die Intervention des Anwalts bis hin zum „machine-generated model“, bei dem das komplette Problem einem Computersystem überlassen wird, welches eine Lösung und damit gegebenenfalls sogar neues Wissen generiert. Diese Ansätze finden schon heute in vielen Bereichen in unterschiedlicher Intensität Anwendung. Für die Anwaltschaft gilt es nun ebenfalls, sich mit den Alleinstellungsmerkmalen ihrer Tätigkeit auseinanderzusetzen und den tatsächlichen Schwerpunkt zu finden. Denn genau darauf basieren die neuen Technologien: der Ausgliederung standardisierbarer Aufgabenbereiche. Laut Susskind ist die Anwaltschaft also nicht am Ende, sondern am Anfang. Es geht darum, das Berufsbild selbst neu zu gestalten. Ähnlich einem Algorithmus müssen die Anwältinnen und Anwälte dabei alle Möglichkeiten zumindest einmal in Betracht ziehen. Wer Susskind zuhört, merkt, dass er die Anwaltschaft nicht verunsichern, sondern zu einer proaktiven Gestaltung ihrer Zukunft ermutigen will. // Die Autorin hat Jura an der Humboldt-Universität studiert und schreibt regelmäßig für Anwaltsblatt und Anwaltsblatt Karriere. Der Beitrag erschien zuerst im Anwaltsblatt 11/2016.

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report

anwaltszukunft


kommentar

anwaltszukunft

Effizient und spezialisiert tätig werden Text: Dr. Cord Brügmann, Berlin

Wissen Sie schon, auf welches Rechtsgebiet oder auf welche Mandanten-Gruppe Sie sich einmal spezialisieren wollen? Auf ein Rechtsgebiet, in dem es viele Rechtsstreitigkeiten gibt, wie das Familien- oder das Arbeitsrecht? Oder wollen Sie in eine Nische gehen? Oder wollen Sie gar eine Lücke finden, die vor Ihnen noch ganz wenige entdeckt haben? Um das zu entscheiden, wäre es gut, wenn Sie erfahren könnten, in welchen Bereichen die Bedürfnisse nach Rechtsrat in Deutschland wie gut befriedigt sind. Wenn Sie die Anwaltschaft das fragen würden, müssten wir sagen: Wir kennen die Antwort nicht.

Die Antwort verwundert Sie? Denn natürlich kann man aus der Befragung von Anwälten oder Mandanten Schlüsse ziehen, die einer Antwort nahe kommen. Das Soldan Institut in Köln etwa führt seit Jahren solche Studien durch, die auch für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger sehr lesenswert sind. Darüber hinaus gibt es anekdotisches Wissen um Hindernisse für einen Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Rechtsanwälten und Gerichten. Wir wissen, dass die Eingangszahlen bei den erstinstanzlichen Gerichten seit 2004 um ca. 20 Prozent zurückgegangen sind, wenn wir auch nicht sicher sind, ob wir daraus schließen müssen, dass Menschen weniger Zugang zum Recht haben. Wir wissen weiter, dass Menschen einen Rechtsstreit scheuen, wenn der Gegenstandswert unterhalb von 1.950 Euro liegt, obwohl das gar nicht so wenig Geld ist. Wir bemerken auch, dass die Menschen nicht mehr so sehr interessiert sind daran, vermeintliche Ansprüche zu 100 Prozent durchzusetzen, wenn das mehrere Instanzen und Jahre dauert. Wenn es möglich ist, bekommen sie lieber 80 Prozent in kürzester Zeit. Der Internethandel hat uns beigebracht, dass wir immer alles sofort überall bekommen. Das schürt Erwartungen auch im Dienstleistungssektor. Und wir beobachten, dass trotz Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe (PKH) viele Menschen den Gang zum Anwalt oder Gericht vermeiden, weil niedrigschwellige Angebote auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt rar sind und diese Menschen gar nicht wissen, dass das Recht ihnen helfen kann. Aber so richtig gemessen hat noch niemand, wo und wie groß der unbefriedigte Rechtsberatungsbedarf ist. Andere Länder sind da weiter. In mehr als 20 Ländern gibt es wissenschaftliche sog. Unmet-legal-needs-Studien, die dem Gesetzgeber, Justizministerien und Organisationen der Anwaltschaft und Justiz Aufschluss geben über Bereiche, in denen Menschen – warum auch immer – ihre Rechte nicht verfolgen. Auf Basis dieser Erkenntnisse können so staatliche Mittel zur Finanzierung des Zugangs zum Recht viel genauer zugewiesen werden. Ein schöner Nebeneffekt: Auch ideenreiche Kanzleigründerinnen und -gründer können durch solche Arbeiten erkennen, wo Bedarf an Rechtsberatung und -vertretung herrscht. Wir brauchen auch in Deutschland empirisch belastbare Daten darüber, welche Hindernisse für einen Zugang der Bürger zu Rechtsanwälten und Gerichten bestehen. Zugestanden: Solche Unmet-legal-need-Studien können Informationen zutage bringen, die auch uns Anwältinnen und Anwälten zeigen, wo wir den Zugang zum Recht nicht oder nicht mehr gewähren. Hier könnten wir gute Einsatzgebiete für Legal-Tech-Angebote identifizieren, die uns helfen, effizienter anwaltlich zu arbeiten. Vielleicht unternimmt es die nächste Bundesregierung nach den Wahlen im Herbst 2017, der Rechtspflege mit einer Unmet-legal-needs-Studie aufzuzeigen, wo Chancen für eine Weiterentwicklung liegen. Nicht nur Anwälte und Richter, auch Verbraucher würden es ihr danken. //

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Der Autor ist Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins.

Menschen sind nicht mehr so sehr daran interessiert, vermeintliche Ansprüche zu 100 Prozent durchzusetzen, wenn das mehrere Instanzen und Jahre dauert. Wenn es möglich ist, bekommen sie lieber 80 Prozent in kürzester Zeit.


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TRENDS

anwaltszukunft

EINSTELLUNGSREPORT

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L G Ö

H C I

I E K

N E T

Am aktuellen Einstellungsreport haben folgende Unternehmen und Kanzleien mitgewirkt:

Kanzleien

Unternehmen

Baker & McKenzie Clifford Chance LLP Dentons Europe LLP Freshfields Bruckhaus Deringer LLP Friedrich Graf von Westphalen & Partner (PartGmbB) Hengeler Mueller (PartGmbB) Hogan Lovells International LLP Latham & Watkins LLP Linklaters LLP Menold Bezler (PartGmbB) Oppenhoff & Partner (PartGmbB)

Advocado GmbH Busylamp Consilium Rechtskommunikation UG Jurato Digital GmbH Juris GmbH Leverton GmbH Perconex GmbH QNC GmbH (Frag-einen-Anwalt.de) Rightmart (Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) Verlag C.H. Beck Wolters Kluwer Deutschland GmbH (Smart Law)


Arbeiten an der Schnittstelle – über aktuelle Trends, neue Perspektiven und alternative Karrierewege Text: Zakiya Mzee, Berlin Mitarbeit: Sophia von Bültzingslöwen, Berlin

Die Zukunft? Ein schwieriges Thema. Sich auf eine Sache festlegen? Eher unattraktiv. Gut, dass sich auf dem Rechtsmarkt der Trend zur Arbeit an Schnittstellen durchsetzt. Großkanzleien verbinden klassisch Wirtschaft und Recht. Legal Tech Unternehmen schaffen eine Verbindung zur IT-Branche, aber auch zum Vertrieb. Nicht nur die PR-Abteilungen von Kanzleien stellen gerne Juristen ein, ganze Unternehmen arbeiten erfolgreich an der Schnittstelle Kommunikation und Recht. Da ist die Position des „Knowledge Management Lawyer“, die sich in vielen Großkanzleien durchgesetzt hat, fast schon konventionell, aber nicht weniger spannend.

Wer heute Jura studiert, ist ein „Digital Native“, Teil einer Generation, die sich eine Welt ohne Internet, Social Media und Smartphone-Apps gar nicht vorstellen kann – oder will. Dem Trend zur Digitalisierung kann sich auch der Rechtsberatungssektor nicht mehr entziehen. Die Zukunft gehört Legal Tech. Doch was bedeutet das für den Berufseinstieg? Welche Anforderungen werden Kanzleien künftig an Bewerber stellen und wie wird sich die anwaltliche Arbeitsweise verändern? So viel vorweg: das Ende des Anwaltsberufs ist nicht in Sicht. Dennoch, die Begeisterung für Legal Tech hielt sich in weiten Teilen der Anwaltschaft lange Zeit in Grenzen. Zwar sind Datenbanken wie Beck-Online oder Juris aus dem Kanzleialltag kaum wegzudenken. Doch das Internet als Akquiseplattform nutzen, Zeitarbeit für Juristen oder eine digitalisierte Due Diligence waren der konservativen deutschen Anwaltschaft eher suspekt. Seit kurzem ändert sich diese Einstellung. Alle befragten Kanzleien gaben an, dass sie Legal Tech als unausweichliche Entwicklung betrachten, dies aber durchaus positiv sehen. „Jeder sieht, dass wir uns inmitten einer Umwälzung der traditionellen Abläufe befinden.“, sagt Beda Wortmann, Rechtsanwalt und Partner bei Clifford Chance. Und auf diese Umwälzungen müssen die Kanzleien reagieren, wenn sie nicht überrollt werden wollen. Deutschlands große Kanzleien haben längst erkannt, dass Legal Tech durchaus Vorteile mit sich bringt: „Datenerfassung und Dokumentenvergleich kann eine Maschine im Zweifel besser als ein Mensch. Uns nimmt das wahnsinnig viel Arbeit ab und der Anwalt kann sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren: die Analyse des Problems und die strategische Beratung des Mandanten.“, fasst Dr. Christian Storck, Rechtsanwalt bei Linklaters, zusammen. Darüber hinaus gibt es zunehmend Druck von außen: „Mandanten sind nicht mehr bereit, für standardisierbare Arbeitsprozesse die volle Arbeitszeit zu zahlen.“, erläutert Rechtsanwalt Laurent Meister (Menold Bezler).

„Legal Tech ist ein echter Wettbewerbsvorteil“ Dr. Micha-Manuel Bues, Leverton

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anwaltseinstieg


„Wir wünschen uns ein Interesse für Legal Tech.“ Claudia Trillig, Baker McKenzie

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KOMMUNIKATION

EFFIZIENZ

DATENERFASSUNG

KREATIVITÄT

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anwaltseinstieg

KONZENTRATION

Also gehen die Kanzleien in die Offensive, schließen Kooperationsverträge mit Softwareunternehmen, investieren in Start-Ups oder entwickeln selbst Produkte. Das wohl prominenteste Beispiel ist die Kooperation von Freshfields und dem Software Unternehmen Leverton auf dem Gebiet des Immobilienwirtschaftsrechts. „Wir kannten Leverton schon vor den meisten unserer Mandanten. In der Folge haben wir unseren Mandanten Leverton dann vorgestellt, einige kannten Leverton schon aus dem Markt.“, erzählt Dr. Christina Spenke, Rechtsanwältin im Knowledge Management bei Freshfields. Im Rahmen der Kooperation nutzt Freshfields die Software von Leverton für die immobilienwirtschaftsrechtliche Due Diligence. Im Gegenzug erhält Leverton Feedback, um die Software noch besser an die Bedürfnisse von Kanzleien anzupassen. „Wir machen keine Kompromisse bei der Qualität und prüfen die Leverton-Ergebnisse genau.“, sagt Dr. Spenke „Insgesamt können wir mit Leverton ein besseres Produkt liefern. Den Effizienzgewinn geben wir 1:1 an unseren Mandanten weiter.“ Mit Nextlaw Labs möchte sich auch Dentons einen Wettbewerbsvorteil sichern. Das „independent subsidiary“ fördert als Venture Capital Fonds zum einen vielversprechende Start-Ups. Zum anderen entwickelt es selbst Legal Tech Produkte. Bei all der Aufregung um das Thema Legal Tech darf jedoch nicht vergessen werden, dass es praktisch noch in den Kinderschuhen steckt. Die Kosten für die Produkte sind noch relativ hoch, ihre Anwendungsbereiche bisher auf bestimmte Transaktionstypen ausgerichtet. Dr. Barbara Mayer, Partnerin bei Friedrich Graf von Westphalen & Partner, hat sich in den letzten Monaten viel mit Legal Tech auseinandergesetzt: „Bisher hat allerdings noch kein Produkt unser Interesse geweckt. Legal Tech ist vor allem beim Massengeschäft interessant, z. B. bei großvolumigen Gerichtsverfahren. Das ist nicht unser Kerngeschäft.“ Es wird also noch einige Zeit dauern, bis Legal Tech in allen Kanzleien zum Alltag gehört. Bewerber sollten sich dennoch mit dem Thema auseinandersetzen. Die Arbeitgeber fordern neben Prädikatsexamen und Auslandserfahrung nun auch eine gewisse Technikaffinität. Doch dass Junganwälte an Legal Tech scheitern könnten, glaubt Andreas Ziegenhagen, Germany Managing Partner bei Dentons, nicht. „Die neue Generation hat das, was sie braucht schon längst drauf. Sie können alle mit einem iPhone umgehen und kennen die einschlägigen Datenbanken.“ Auch die Befürchtung, die Kanzleien könnten anfangen, weniger Leute einzustellen, scheint unbegründet: „Ich denke nicht, dass der Bedarf an Neueinsteigern aufgrund von Legal Tech sinken wird“, sagt Sybille Hirsch von Hogan Lovells. „Jedoch wird sich die Arbeit der Neueinsteiger verändern.“ Dr. Christina Spenke (Freshfields) sieht darin nur einen Vorteil. „Wir können unseren Bewerbern in Aussicht stellen, dass sie sich mehr auf die spannenden juristischen Themen fokussieren können.“


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Schon heute bietet Legal Tech für junge Juristinnen und Juristen mit Unternehmergeist ganz neue Chancen. Die Branche boomt und sucht dringend juristischen Nachwuchs. Die Mehrheit der befragten Unternehmen gibt an, in diesem Jahr Neueinstellungen zu planen. Doch wie sieht die Arbeit in einem Legal-Tech Start-up eigentlich aus und welche Anforderungen hat die Branche an juristische Bewerber? Was die Legal Tech Szene so attraktiv macht, ist das Start-up-Feeling, das selbst bei etablierten Unternehmen wie Leverton noch nicht verloren gegangen ist. „Wir sind ein bunt gemischtes Team mit Leuten aus 20 verschiedenen Ländern“, berichtet Geschäftsführer Micha-Manuel Bues. „Da kann man nicht mit Stempelkarten kommen.“ Neben flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodellen, setzen die Legal-Tech-Unternehmen auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. „Bei uns durchläuft eine Idee alle Abteilungen und jeder kann an der Entwicklung mitwirken.“, berichtet Rechtsanwalt Ingo Mahl von Wolters Kuwer. Als Geschäftsbereichsleiter verantwortet er das Legal Tech Produkt Smart Law, das seit 2012 seinen Kunden die Möglichkeit gibt, individuelle Rechtsdokumente zu erstellen, ganz ohne juristische Vorkenntnisse. Auch bei Busylamp sind neben IT-lern und Juristen schon mal Künstler und Medizinstudenten an der Produktentwicklung beteiligt. Das Frankfurter Start-up sorgt mit seiner Legal Management Software für mehr Kostentransparenz zwischen Mandant und Anwalt. Als Anwaltsvermittlungsplattformen bieten Advocado und Jurato ihren Kunden vordefinierte Beratungspakete an. Wer auf Jurato beispielsweise einen AGB-Check buchen möchte, bekommt verschiedene Anwälte vorgeschlagen, die zu einem selbst festgesetzten Preis einen bestimmten Leistungsumfang anbieten. Der Kunde weiß also genau, was er für sein Geld bekommt. Für die Entwicklung und Zusammenstellung dieser Pakete setzen diese Unternehmen ebenfalls Juristen ein. Bei Juris arbeiten Juristinnen und Juristen vor allem im Lektorat und in der Redaktion. Sie sind dafür verantwortlich, die Gerichtsentscheidungen für die Veröffentlichung vorzubereiten. Dies erfordert fokussiertes und akkurates Arbeiten. Busylamp, Leverton, und Juris haben eine Sache gemeinsam. Alle drei Unternehmen setzten auch im Vertrieb und beim Marketing auf juristisches Know-How. Dr. Manuel Meder, Co-CEO von Busylamp, erklärt diese so: „Juristen sind besser im Umgang mit Juristen. Sie verstehen das Verhältnis Mandant/Anwalt, auf das es bei uns ankommt, oft besser.“

„Arbeiten auf Augenhöhe“ Philipp von Bülow, Jurato

„Wie ein Amazon für Anwälte – wir vermarkten den Anwalt als Produkt.“ Maximilian Block, Advocado

Legal Tech für Kanzleigründer? Ja, klar! Legal Tech Start-ups sind nicht nur als potentielle Arbeitgeber interessant. Einige Unternehmen können jungen Juristinnen und Juristen auch den Schritt in die anwaltliche Selbstständigkeit deutlich vereinfachen. Eine der größten Hürden auf dem Weg zur eigenen Kanzlei ist die Mandatsakquise. Ohne Kontakte und Empfehlungen kann es eine ganz Zeit dauern, bis sich die ersten Mandanten in die Kanzlei verirren. Da heißt es, selbst aktiv werden. Rechtsrats- und Anwaltsvermittlungsplattformen wie Frag-einen-Anwalt, Advocado oder Jurato können dabei helfen. Die Nutzung von Advocado für die Mandatsakquise ist denkbar einfach: „Grundsätzlich kann sich jede Kanzlei einen Account einrichten lassen.“, erklärt Maximilian Block, CEO. „Wir sichten die angegebenen Daten, schauen, was die

Kanzleien leisten können und schalten sie dann zunächst für diesen Bereich frei.“ Die Anwälte können dann auf Kundenanfragen antworten. Darüber hinaus bietet Advocado kostenlose Schulungen für die Erstkommunikation mit potentiellen Mandanten an. Jurato funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Seit 2015 vermittelt die Plattform über Jurato Pro auch Dauerberatungsmandate. Bei Frag-einen-Anwalt veröffentlichen die Nutzer ihre Rechtsfrage auf der Webseite, bestimmen selbst den Preis für die Beantwortung, und ein Rechtsanwalt antwortet. Damit ist das Problem des Nutzers jedoch meistens nicht gelöst. Daher mandatieren sie anschließend häufig den Anwalt, der die Frage beantwortet hat. „Für junge Anwälte gibt es keine schnellere Möglichkeit an Mandantenkontakte zu kommen.“, findet Geschäftsführer Michael Friedmann.

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„Schlechte Noten schaden nicht“ Michael Friedmann, Frag einen Anwalt

„Konzept Kanzlei neu gedacht“ Marco Klock, Rightmart

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Nicht jeder ist für die Arbeit in einem Legal Tech Start-up geeignet. „Mit dem typischen Juristen können wir wenig anfangen, wenn er nicht in der Online-Welt angekommen ist.“, sagt Philipp von Bülow, CEO von Jurato. „Wir brauchen jemanden mit Verständnis für die neue Mobilität.“ Dem kann sich Dr. Ralf-Michael Schmidt von Smart Law nur anschließen: „Wichtig ist, dass die Arbeitnehmer eine Technik-Affinität mitbringen. Sie müssen nicht selber programmieren können, aber eine gewisse Faszination für digital-technische Systeme haben.“ Ein Prädikatsexamen ist da weniger gefragt. Natürlich wollen auch diese Unternehmen gute Juristen, doch es muss nicht immer ein Volljurist sein. Alle befragten Unternehmen konnten es sich vorstellen, auch Berufsanfänger mit einem Bachelorabschluss einzustellen oder haben es bereits getan. Die Fähigkeit, kreative Lösungen zu finden und sie für einen juristischen Laien verständlich zu präsentieren, ist vor allem für Unternehmen mit Mandantenfokus relevant. Es zählen aber auch die klassischen Einstellungsvoraussetzungen wie Englischkenntnisse, Teamfähigkeit und unternehmerisches Denken. Dr. Meder (Busylamp) fordert von einem Bewerber vor allem eins: Einsatzbereitschaft. „Wer sich wegducken und nach dem Motto „dabei sein ist alles“ tätig sein möchte, ist in einem Start-up falsch. In einem vergleichsweise kleinen Team muss jeder voll zupacken.“ Doch wenn die Dinge richtig gut laufen, dann gibt es bei Busylamp den Champagner schon mal nachmittags. Auch das gehört zum Start-up Spirit, genauso wie die Tatsache, dass sich die meisten Unternehmen zum Gehalt nicht äußern wollten. Die überwiegende Mehrheit der Juristen beginnt ihre Karriere nicht mit einer eigenen Kanzlei, sondern in Anstellung. Für viele Berufsanfänger ist es allerdings gar nicht so einfach, zu entscheiden, wo sie sich bewerben wollen. Perconex bietet die Möglichkeit, verschiedene Optionen auszuprobieren. Das Unternehmen hat sich auf Legal Outsourcing spezialisiert. Neben Legal Process Outsourcing, der Übernahme von beispielsweise Vertragsmanagement oder E-Discovery für Kanzleien und Unternehmen, vermittelt Perconex auch Projektanwälte. Das Modell funktioniert wie Zeitarbeit für Juristen: Die Projektanwälte sind beim Unternehmen angestellt und bekommen ein festes Monatsgehalt. Die Vergütung richtet sich nach Qualifikation und Tätigkeit. Bewerben kann sich praktisch jeder. Weder Berufserfahrung noch Traumnoten sind Voraussetzung. Man sollte allerdings örtlich flexibel sein und Englischkenntnisse mitbringen. „Gerade Berufseinsteiger, die nicht im Olymp des Doppelprädikats schweben, haben eine gute Chance über das Projektgeschäft einen Fuß in die Tür zu kriegen“, sagt Dr. Olaf Schmitt, Gründer und Geschäftsführer von Perconex. Für viele ist das Projektgeschäft nur eine Zwischenlösung, doch immer mehr entscheiden sich, zu bleiben. „Es gab schon mehrfach Leute, die ein Übernahmeangebot vom Kunden abgelehnt haben.“ Mit der Rightmart Rechtsanwaltsgesellschaft haben die Gründer ein Kanzleimodell entworfen, dass Legal Tech fest in den Arbeitsalltag integriert. Die Kanzlei hat sich auf den Verbraucher-Rechtsmarkt spezialisiert. Angefangen haben die Gründer mit einer Software, die Hartz IV-Bescheide überprüft. „Die Software analysiert vorab die Erfolgschancen des Mandanten. So können wir kostengünstig und effizient arbeiten, da der Rechtsanwalt nur noch an den richtigen Stellen auf das Mandat schaut.“, erklärt COO Marco Klock. In Zukunft möchte die Kanzlei ihr Angebot auf Bußgeldbescheide im Verkehrsrecht, Kündigungsschutz und Fluggastentschädigungen ausweiten. Neu sind diese Ideen nicht. Flightright.de und geblitzt.de bieten einen ähnlichen Service. Dennoch gäbe es, so Klock, einen entscheidenden Unterschied: „Wir sind als Kanzlei auf allen Ebenen der Ansprechpartner und wir bieten dem Mandanten einen persönlichen Kontakt.“ An dieser Stelle zeigen sich die Grenzen von Legal Tech. Sicher lassen sich viele Prozesse standardisieren und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich das Geschäftsmo-


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dell „Kanzlei“ künftig ändern wird. Doch Rechtsberatung ist und bleibt ein „people’s business“. Samuel van Oostrom, Geschäftsführer von Juris, bringt es auf den Punkt: „Rechtsberatung ist eine Tätigkeit, bei der es um Menschen geht und menschliches Denken und Gefühle kann man nicht wirklich automatisieren.“ Schnell, kostengünstig und von hoher Qualität, das ist der Anspruch der Mandanten an die Arbeit ihrer Rechtanwälte. Legal Tech ist ein Weg, um den gestiegenen Erwartungen gerecht zu werden. An der Schnittstelle von juristischem Arbeiten und Standardisierung setzt aber auch das Knowledge Management (KM) an. In vielen Großkanzleien ist die Position des „Knowledge Management Lawyers“ längst etabliert und hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir effizienter und profitabler beraten können, wenn wir ein etabliertes Know-How-System zur Verfügung haben und nicht jedes Mal bei Null anfangen müssen.“, erklärt Dr. Spenke, Freshfields, die Entwicklung. Doch wie sieht der Arbeitsalltag eines KM-Lawyers aus, welche Anforderungen sind zu erfüllen und ist der Bereich auch für Berufsanfänger geeignet? Die letzte Frage beantwortet Rechtsanwältin Dr. Mareike Weidemann, die für Linklaters im Knowledge Management tätig ist, mit einem klaren Nein. Denn Knowledge Management erfasst weit mehr als das Sammeln, Verwalten und Updaten von Vertragsmustern. „Horizon Spotting“ nennt Anke Bechtold, KM-Lawyer bei Hogan Lovells, die Suche nach neuen Produkten und Bereichen mit Beratungsbedarf. Wer im Knowledge Management erfolgreich sein möchte, muss neben hervorragenden Kenntnissen in seinem Rechtsgebiet auch kommunikative Fähigkeiten und eine gewisse Hartnäckigkeit mitbringen. Es gilt, das Netzwerk der Praxisgruppe zu pflegen und aktiv das Gespräch mit Rechtsanwälten und Partnern auf Augenhöhe zu suchen. Dafür braucht es einen hohen juristischen Sachverstand und fundierte Berufserfahrung. In das tägliche Mandatsgeschäft ist ein KM-Lawyer nicht mehr eingebunden. Dafür sind die Arbeitszeiten deutlich planbarer. Damit ist das Knowledge Management auch eine Option für all jene, die die Arbeit in einer Großkanzlei mit der Familienplanung unter einen Hut kriegen wollen. Wie viele Türen ein erfolgreiches Jurastudium tatsächlich öffnet, vergisst die Universität gerne zu vermitteln. Journalismus hat Mathias Bruchmann schon seit früher Jugend interessiert. Seit 2006 arbeitet er im Bereich Presse und Lizenzen bei C.H. Beck. Der Rechtsanwalt mag die Kreativität, die seine vielfältigen Tätigkeiten mit sich bringen: Von der Pressearbeit bis zur Planung von Kampagnen und Kontaktpflege, aber auch speziellen rechtlichen Fragestellungen, ist alles dabei. Allerdings gestaltet sich die Nachwuchssuche schwierig. Die Schnittstelle Journalismus/Jura besetzen nicht viele. Auch Rechtsanwalt Martin Wohlrabe, Geschäftsführer bei Consilium Rechtskommunikation, kennt das Problem mit der Nachwuchssuche. Das Unternehmen hat sich auf die Medienarbeit bei Rechtsstreitigkeiten spezialisiert. Dabei schließt Consilium die Lücke zu klassischen PR-Agenturen, denen häufig die juristischen Kenntnisse fehlen. „Klare Kommunikation ist heute wichtiger, denn je.“, sagt Martin Wohlrabe. „Das liefern wir im juristischen Umfeld.“ Die Beispiele zeigen, dass es sich lohnt, die Augen nach der Schnittstelle offenzuhalten, die das Jurastudium mit den eigenen Interessen verbindet, sei es Technik, Journalismus oder etwas ganz anderes. Der Rechtsberatungssektor ist im Umbruch. Wer die Zukunft mitgestalten will, muss bereit sein, Risiken einzugehen, Recht und vor allem Rechtsberatung neu zu denken, und darf auch vor unkonventionellen Ideen nicht zurückschrecken. Die Möglichkeiten sind unendlich. //

„Man muss nicht für jeden Mandanten das Rad neu erfinden.“ Dr. Kirsten von Rönn, Latham & Watkins

„Es sind spannende Zeiten mit großen Herausforderungen und unendlichen Möglichkeiten.“ Dr. Christian Storck, Linklaters

Die Einstellungsreports Anwaltsblatt Karriere bietet viele Informationen zu den Einstellungschancen und -gehältern für viele Rechtsgebiete: Wintersemester 2011/12 Zivilprozessrecht, Patentrecht, Ausländer- und Asylrecht sowie Litigation in Großkanzleien Sommersemester 2012 Arbeitsrecht, Verkehrsrecht sowie das Urheberund Medienrecht Wintersemester 2012/13 Familienrecht, Insolvenzrecht und Medizinrecht Sommersemester 2013 Immobilienrecht (mit Baurecht, Mietrecht und Vergaberecht) Wintersemester 2013/14 Regionale Topkanzleien, Bank- und Kapitalmarktrecht und Strafrecht Sommersemester 2014 Syndikusanwälte und IT-Recht Wintersemester 2014/2015 Erbrecht, Steuerrecht, Sozialrecht Wintersemester 2015/2016 Verwaltungsrecht, Umweltrecht, Agrarrecht Sommersemester 2016 Versicherungsrecht, Kartellrecht, Sportrecht Wintersemester 2016/17 Handels- und Gesellschaftsrecht, Transport- und Speditionsrecht, Energierecht

Alle Reports sind abrufbar unter www.anwaltsblatt-karriere.de.

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Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.

68. DeutscherAnwaltstag 24. – 26. Mai 2017 in Essen

Innovationen und Legal Tech DAT FÜR EINSTEIGER am 24. Mai 2017 von 14.30 – 16.00 Uhr mit anschließendem Netzwerk- und E-Gaming-Event! Der Deutsche Anwaltstag bietet ein besonderes Programm für junge Juristen und Berufseinsteiger. Zu Beginn des 68. Deutschen Anwaltstages in Essen erwartet Sie der DAT für Einsteiger (Teilnahme: 15 €) mit Fachvorträgen und anschließendem Netzwerk- und E-Gaming-Event. Daneben eignen sich zahlreiche weitere Veranstaltungen des Deutschen Anwaltstages für junge Juristen, Berufseinsteiger, Referendare und Studierende (im Pro gramm mit einem E gekennzeichnet). Programm und Anmeldung unter: www.anwaltstag.de

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Die Gründer von adjust (v.l.n.r.): Christian Henschel, Paul H. Müller, Manuel Kniep und COO Aurel Stenzel.

Intransparenz stört In einer Wohnung im Berliner Stadtteil Pankow fingen sie an zu tüfteln. Im April 2012 gründeten Christian Henschel, Paul H. Müller und Manuel Kniep dann das Unternehmen „Adeven“. Das Start-up hatte eine Technologie, mit der sich das Nutzerverhalten – und damit der Erfolg von Werbung – in Apps messen lässt. Und das kam an. 2014 erfolgte die Umbenennung in Adjust. Über 25 Millionen Wagniskapital wurden in das Unternehmen investiert. Die Codes von Adjust sind unter anderem hinterlegt bei MyTaxi, Uber, Angry Birds oder Spotify. Neben dem Hauptsitz in Berlin hat das Unternehmen mittlerweile Standorte in der ganzen Welt. Gestartet mit fünf Mitarbeitern, besteht das Adjust-Team jetzt aus 150 Köpfen und will weiter wachsen. COO Aurel Stenzel beantwortete unseren Mandantenfragebogen. Wer muss kämpferischer sein: Mandant oder Anwalt?

Es kommt darauf an – der Anwalt im rechtlichen Bereich, der Mandant im kommerziellen. Der Anwalt übernimmt das Mandat und sollte alles dafür tun, dass sein Mandant das erhält, was ihm rechtlich auch zusteht. Der Mandant gibt sozusagen mit der Mandatierung eines Anwalts das „Kämpfen“ für das Recht an ihn weiter.

Wenn Sie einen Anwalt auswählen: Worauf achten Sie?

Auf die Referenzen von Partner-Unternehmen mit vergleichbaren Fällen. Zudem sollte der Anwalt für den Rechtsbereich eine Qualifizierung vorweisen, mindestens über mehrjährige Erfahrung und gegebenenfalls auch über einen entsprechenden Fachanwaltstitel verfügen.

Was schätzen Sie an Ihrem Anwalt am meisten?

Er ist immer erreichbar und bietet kurzfristig eine gute Zusammenfassung der möglichen Lösungsansätze an.

Gibt es einen Punkt, der Sie bei Anwälten so richtig stört?

Gelegentlich ist es intransparent, wenn Anwälte der verschiedenen Parteien direkt miteinander kommunizieren, ohne dass der Mandant anwesend ist. Hier ist nicht immer sichergestellt, dass lösungsorientiert gearbeitet wird – weil alle mehr verdienen, wenn die Uhr länger läuft.

Was darf ein Anwalt bei Ihnen kosten?

Da gibt es bei uns keinen maximalen Wert. Das hängt von dem Fall ab und muss am Ende ökonomisch Sinn ergeben. // anwaltsblatt karriere / 51

mandantenfragebogen

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Die Störfallexperten

Eine Kanzlei im Netz neu erfinden Das Internet ermöglicht neue Dienstleistungen rund um das Recht Text: Malte Varnhagen, Düsseldorf

Innovative Geschäftsmodelle können auch kleinere Kanzleien entwickeln. Für die Kanzlei Müggenborg in Aachen geht es mal um effizient abgewickeltes Massengeschäft, mal um hoch spezialisierte, interdisziplinäre Beratungsmandate. Die Basis bildet stets ein professioneller Auftritt im Internet. Der jüngste Coup ist ein Krisenteam für Betriebsstörungen mit gefährlichen Ausmaßen – bundesweit und im Wettbewerb mit Großkanzleien.

Der Zugang führt zwischen altem Baumbestand über eine Brücke und einen breiten Wassergraben. Dahinter leuchtet Schloss Rahe weiß in der Sonne. Prof. Dr. jur. Hans-Jürgen Müggenborg ist mit seiner Kanzlei vor ein paar Jahren in das repräsentative Schloss gezogen. Hier residierte 1818 der russische Zar Alexander nach der Niederlage Napoleons. Auch Kaiser Franz I. von Österreich bettete schon sein Haupt in den Gemächern, die nun diverse Unternehmen beherbergen. In diesem Ambiente entwirft der Umwelt- und Technikrechtler Müggenborg mit seinem Büroleiter, dem Betriebswirt und Informatiker Michael Schmitz, neue Geschäftsmodelle. Müggenborg lehrt als Honorarprofessor an der RWTH Aachen, ansonsten könnte die Kanzlei auch sonstwo in Deutschland sitzen. „Ich habe kaum Mandanten hier aus Aachen“, sagt Müggenborg, Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Der jüngste Streich der innovativen Kanzlei mit nur fünf festen Mitarbeitern und Honorarkräften sind „Die Störfallexperten“. Ein achtköpfiges Krisen-Interventionsteam steht für 52 / anwaltsblatt karriere

Störfälle in der chemischen Industrie und anderen Risikobranchen parat. Es ist ein Pool von Experten aus Recht, Verfahrenstechnik, Anlagensicherheit und Psychologie für den Ernstfall, aber auch für Prävention und Beratung, damit es gar nicht erst zum Äußersten kommt. Wenn es knallt, raucht, brennt, gefährliche Stoffe freigesetzt und womöglich sogar Menschen verletzt oder getötet werden, stehen die Störfallexperten in einer 24-Stunden-Rufbereitschaft parat. Im Expertenpool sind etwa Kapazitäten wie Prof. C. Jochum, ehemaliger Sicherheitschef der Hoechst AG und Ex-Vorsitzender der Störfall-Kommission. Sogar ein Experte für Chemiewaffen ist mit von der Partie, verrät Schmitz. Das Team ist handverlesen: „20 Jahre Berufserfahrung sind das Minimum“, um Aufnahme zu finden, sagt Müggenborg. „Das Konzept verbindet bewusst Juristen und Nicht-Juristen.“ Es geht um die Abwicklung von Störfällen, das Planungsrecht rund um Störfall-Anlagen mit riskanten Stoffen und das Krisen-Management bis hin zur Störfallübung. Der letzte große Störfall bei der BASF brachte Müggenborg auf die Idee. Unternehmen, die in der ersten Phase Fehler machen, etwa gravierende behördliche Anordnungen nicht rechtzeitig angreifen, können schnell in existenzielle Gefahr geraten. Es geht um große Risiken und um entsprechend hohe Beträge. Eine britische Studie beziffert die durchschnittlichen Kosten eines Störfalls auf 15 Millionen Euro.


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Ein Unternehmen, das erst auf ihn zukam, als das Kind sprichwörtlich im Brunnen lag, also Fristen versäumt waren, kämpft auch noch Jahre später mit den Folgen. „Die haben schon das 36. Sachverständigen-Gutachten beibringen müssen“, sagt Müggenborg. Im Dezember 2016 ging die Webseite der Störfallexperten online, seither sind erste Mandate angebahnt. 95 Prozent der Arbeit des Professors ist Beratung. Es geht um die Seveso-IIIRichtlinie, angemessene Sicherheitsabstände und ganz konkrete Fragen wie die, ob der Betriebskindergarten tatsächlich direkt am Störfall-Lager gebaut werden sollte. „Vor Gericht sieht man mich selten. Wer braucht eine Entscheidung in fünf Jahren? Das muss schneller gehen.“ Das Netzwerk der Störfallexperten sei auch ein Mittel, um der geballten Kraft der Großkanzleien Paroli bieten zu können,

Zeit

xer Mandate. Der Widerruf von Immobilien-Darlehen wegen fehlerhafter Klauseln wurde zum neuen Tummelplatz (www.widerruf-immobiliendarlehen.de) für den Umwelt- und Technikrechtler. „Über das Internet Mandanten zu akquirieren, war auch für mich neu – bis ich Herrn Schmitz kennengelernt habe. Dass es so einen Sog entwickelt, hätte ich auch nicht geglaubt. Das ist ungeheuer wirkungsvoll. Das musste ich auch erst lernen. Ich komme ja aus klassischen Kanzleien, habe sehr viel veröffentlicht, Kommentare herausgegeben, Vorträge gehalten – habe mir so einen Namen gemacht. Aber das hier geht viel schneller. Zeitweise mussten wir die Google-Werbung abschalten, weil wir so viele Anfragen bekamen, dass wir die alle gar nicht mehr bewältigen konnten.“ In einem Jahr kamen 4.000 Mandate herein. „Wir haben eine

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!

Experten

Kosten

Investitionsstau

sagt Müggenborg. „Wir haben nicht deren Overhead-Kosten und können daher geringere Stundensätze berechnen. Wir zielen auf den riesigen Mittelstand in Deutschland. Die Störfallbetriebe und deren Nachbarschaft. Die Großkonzerne brauchen unsere Expertise nicht, die haben sie intern.“ Das Störfallrecht, so hat es der Europäische Gerichtshof entschieden, muss inzwischen in jedem einzelnen Genehmigungsverfahren angewendet werden, was früher nicht der Fall war. „Das hat eine große Rechtsunsicherheit geschaffen, die Behörden wissen auch nicht, wie sie damit umgehen sollen – und verzögern die Genehmigungen.“ Die Expertise der Störfallexperten soll somit auch helfen, den dadurch entstandenen und auf 25 bis 30 Milliarden Euro geschätzten Investitionsstau in Deutschland abzubauen. Ein Aspekt, der die Nachfrage nach dem Expertenteam weiter erhöhen dürfte, ist die Gefahr durch Terroristen. Die Störfallverordnung nennt das „Abwehr von Eingriffen Unbefugter“. Da müssen die Unternehmen Vorsorge treffen, besonders gegen Innentäter. Geschäftsfeld Immobilien-Darlehen

Der erste Erfolg der Zusammenarbeit von Schmitz und Müggenborg wurde im Jahr 2014 auf einem ganz anderen Rechtsgebiet auf den Markt gebracht. Die Idee war das Gegenteil zu den Störfallexperten: Massengeschäft statt hochkomple-

eigene Datenbank entwickelt mit den rund 1.000 einschlägigen Gerichtsurteilen und einem Klage-Generator, um unsere Effizienz zu steigern. Die insgesamt 47 Fehler in Widerrufsbelehrungen von Immobilien-Darlehen wurden mit den passenden Textbausteinen hinterlegt, um sie durch eine rasch erzeugte Klageschrift anzugreifen. „Das hat unsere Produktivität vervierfacht. Dafür konnten wir auch höhere Gehälter zahlen, denn gute Leute zu bekommen, ist das größte Problem“, berichtet Schmitz. Das Geschäft mit den Immobilien-Darlehen war allerdings rasch vorbei, weil der Gesetzgeber auf Druck der Banken das Recht geändert hat. „Das läuft jetzt aus, aber wir betreuen immer noch zahlreiche Mandate – eine Weile trägt das noch“, sagt Müggenborg. Google hat sich eine goldene Nase an den Aachenern verdient. „Denen haben wir bis zu 16.000 Euro im Monat gezahlt. Gelohnt hat es sich natürlich trotzdem.“ Schnell und dann mit aller Kraft auf ein neues Thema aufspringen, das sei in Zeiten der Digitalisierung die notwendige Strategie für Anwälte. „Bei den VW-Rückrufen haben wir zum Beispiel auch überlegt, ob wir da einsteigen, es aber schließlich verworfen, um uns nicht zu verzetteln.“ Ein paar andere Ideen sind dafür noch auf Lager, aber nichts, worüber Schmitz und Müggenborg jetzt schon sprechen würden. „Wir haben noch einige Ideen, nur nicht genug Zeit, 80 bis 90-Stunden-Wochen sind die Regel – weil es so gut läuft.“ // anwaltsblatt karriere / 53


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„Anwalt 2017“ – so digital wie alle anderen auch

Wer die heile Märchen-Welt sucht, wird in der Anwaltschaft nicht glücklich werden Text: Rechtsassessorin Jacqueline Bräuer, München

Hänsel und Gretel waren in den Zeiten der Gebrüder Grimm noch mit Brotbröckchen unterwegs, um ihren Rückweg aus dem Wald zu sichern. In unseren modernen Zeiten wären diese von Geburt an technikaffinen Kinder mit einem Smartphone mit Navigations-App ausgerüstet. Und zu aller Vorsicht, da in freier Natur die Steckdosen eher knapp sind, hätte man auch eine Powerbank dabei. Die böse Hexe geht also heutzutage leer aus – es dürfte sich hier ohnehin um ein überkommenes Berufsbild handeln.

Was hat das nun mit der Tätigkeit des Anwalts zu tun? Eine ganze Menge! Auch sein Berufsbild hat sich stark verändert. Die juristischen Anforderungen haben sich beim Anwalt über die Jahre gar nicht allzu sehr verändert, immer noch sind Klagen einzureichen, Fristen zu wahren oder säumige Schuldner zur Zahlung aufzufordern – aber die Methoden und Arbeitsweisen sind ganz andere geworden. Der Anwalt, der heute noch mit analogen Brotbröckchen unterwegs ist, wird im digitalen Dickicht verloren gehen; man wird ihn irgendwann einfach nicht mehr wahrnehmen. 1997 standen in Anwaltskanzleien üblicherweise Schreibmaschinen. Fristwahrende Schriftsätze ans Gericht hatte man bitte im Original per Post oder Boten ans Gericht zu schicken. Das war kein Problem, da die Entfernungen überschaubar waren. Man war ohnehin nur bei den örtlichen Gerichten zugelassen, nicht im ganzen Land. Faxe wurden von den Gerichten nicht als schriftformwahrend betrachtet, das Original musste auf jeden Fall noch folgen. Eine ganze Batterie von Schreibkräften tippte die anwaltlichen Diktate ab, Korrekturen wurden bei maschinengeschriebenen Schriftsätzen mit Tipp-Ex vorgenommen. Man wartete geduldig auf den Postboten und setzte sich unter Kollegen weiträumige Fristen. Es war halt alles etwas beschaulicher. Und heute? Was bitte ist Tipp-Ex? Gerichte wollen am liebsten gar kein Papier mehr annehmen, Mails an und von Kollegen und Mandanten sind absolut üblich. Das frisch eingeführte besondere elektronische Anwaltspostfach ermöglicht die gesicherte Online-Kommunikation zwischen 54 / anwaltsblatt karriere

Anwälten und Gerichten – hoffentlich. Der Postbote kann sich endlich auf die Pakete von Zalando konzentrieren. Und selbstverständlich verfasst der Anwalt Briefe und Schriftsätze selbst mit Diktiersoftware. Die Mandanten sitzen in der ganzen Welt verstreut, Telefonate in ferne Länder sind allenfalls wegen der Zeitverschiebung etwas lästig, technisch sind keine Grenzen gesetzt. Der Anwalt kann, wenn er will, immer und von überall arbeiten. Seine Welt ist in den letzten Jahren erheblich größer geworden – im realen und im übertragenen Sinne – und eben auch viel digitaler. Das eine wäre ohne das andere gar nicht machbar! Andererseits ist der Anwalt aber auch gezwungen, jede Minute zu nutzen. Einfach auf dem Weg zu einem Auswärtstermin entspannt im ICE rumsitzen – geht leider nicht. Der Erledigungsdruck ist analog zur Digitalisierung immens gewachsen. Da alles so wahnsinnig schnell gehen kann, ist die Erwartungshaltung der Mandanten, Gegner und Gerichte entsprechend hoch, dass es dann eben auch bitte so schnell gehen soll. Die echte juristische Arbeit braucht dann dennoch ihre Zeit, auch wenn alle Informationsquellen online erreichbar sind. Und zu allem Überfluss muss sich der Anwalt dann auch noch Gedanken machen über Cyber-Crime, sicheren E-Mailverkehr und elektronische Fristenkalender, die sich selbst löschen. Leichter geworden ist der Job nicht, nur ganz anders. Ein Jurastudium und zwei Staatsexamen braucht es immer noch. Und das Abstraktionsprinzip gilt auch noch. Aber viel mehr haben der „Anwalt 1997“ und der „Anwalt 2017“ nicht gemeinsam. Der Prototyp „Anwalt 2017“ ist ein technikaffiner englischsprachiger 24/7-Hochleistungsallrounder. Das Modell „Anwalt 1997“ muss regelmäßig zum Tuning, um überhaupt arbeitsfähig zu bleiben. Sind wir gespannt, wie das Modell „Anwalt 2037“ konfiguriert sein wird. // Die Autorin ist bei der Allianz Versicherungs AG tätig. Der Beitrag gibt ihre persönliche Auffassung wieder.


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Anwaltspraktikum gesucht?

Testen Sie die Anwaltvereine: Sie helfen Jurastudierenden bei der Vermittlung eines Anwaltspraktikums.

Anwaltspraktikum gefunden!

Im Deutschen Anwaltverein sind Anwältinnen und Anwälte in 243 Anwaltvereinen in ganz Deutschland und in 13 Auslandsvereinen organisiert. Die Anwaltvereine wissen besser als jeder andere, welche Kanzleien am Ort für ein Anwaltspraktikum in Betracht kommen.

Alle 256 Anwaltvereine unter www.anwaltverein.de/ueber-uns/oertliche-anwaltvereine


stellenmarkt

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anted

• Den Online-Stellenmarkt finden Sie unter www.anwaltsblatt-karriere.de

Der Anwaltsblatt-Stellenmarkt

Rechtsanwalt (m/w) in Bürogemeinschaft in Paderborn gesucht Wir sind: Rechtsanwaltskanzlei mit 3 Rechtsanwälten (m/w) Wir suchen: Berufskollegen (m/w) zur Schaffung von Synergien durch den Aufbau weiterer Dezernate Wir bieten: Repräsentative an exponierter Hauptverkehrsader mit hochwertiger technischer Ausstattung Wir wünschen uns: RA und/oder Notar, gerne auch Fachanwalt mit Erfahrungen, guten Kenntnissen in ihren Rechtsgebieten und mit einem sympathischen und souveränen Auftreten Ausführliche Info finden Sie unter www.anwaltsbuerogemeinschaft.de Interesse? Dann freuen wir uns auf den Dialog mit Ihnen! Senden Sie Ihre aussagekräftige Bewerbung an kanzlei@warm-rechtsanwaelte.de oder per Post an Warm & Kollegen Rechtsanwälte, Rechtsanwalt Martin J. Warm Detmolder Straße 204 33100 Paderborn Tel. 05251 142580

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Wir, PMH Rechtsanwälte, sind eine auf das Medizin-, Arbeits-, Gesellschafts-, und Gesundheitsrecht spezialisierte Kanzlei in Düsseldorf. Zur Erweiterung unseres Teams suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine(n) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt Eine überdurchschnittliche fachliche Quali kation setzen wir voraus. Vorkenntnisse oder Berufserfahrung in einem unserer Tätigkeitsschwerpunkte sind hilfreich. Unternehmergeist, Lust an der Selbstständigkeit und an der Eigenakquise sowie ein überzeugendes Auftreten zeichnen Sie aus. Wir bieten ein teamorientiertes und quali ziertes Kollegium sowie die Möglichkeit eigenverantwortlicher und anspruchsvoller Tätigkeit in guter Arbeitsatmosphäre mit schlanken Strukturen und einer klar de nierten Perspektive für eine Partnerschaft. Bewerbungen richten Sie bitte an Rechtsanwältin Sylvia Harms: s.harms@ra-pmh.de.

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1A vorbereitet Mit der Heuking Academy bieten wir unseren Mitarbeitern vielseitige Qualifizierungsprogramme, die sie kontinuierlich fördern, das Profil schärfen und sie nach vorne bringen. Unser Seminar- und Workshopangebot für Referendare w/m und wissenschaftliche Mitarbeiter w/m:

• Kaiser Seminare • Präsentationstechniken – Workshop für erfolgreiches und überzeugendes Präsentieren • Workshop „Der Aktenvortrag in der mündlichen Prüfung“ • Seminar „Verhandeln für angehende Anwälte“

Wir wollen gemeinsam besser werden

• Business Englisch • Zugang zum Online Repetitorium „Examensvorbereitung mit Lecturio“ Treten Sie mit uns in Kontakt! www.heuking.de/karriere

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ARNECKE SIBETH ist eine unabhängige nationale Kanzlei, die mit über 100 Anwälten an vier Standorten zu den Top-Kanzleien in Deutschland zählt.

WIR SUCHEN FÜR UNSEREN STANDORT IN FRANKFURT EINE/N

RECHTSANWALT (M/W) IM BEREICH PRIVATES BAU- UND ARCHITEKTENRECHT Sie haben zumindest eines Ihrer Examina mit Prädikat absolviert und durch Zusatzqualifikationen

belegt, dass Sie in Ihre Persönlichkeit investieren. Sie verfügen über ein bis zwei Jahre

Berufserfahrung in dem gesuchten Bereich und suchen nun nach einer neuen Herausforderung?

Wir suchen einen neuen Kollegen (m/w), der die Voraussetzungen mitbringt, unser Partner zu

werden. Sie werden bei uns mit viel Eigenverantwortung in einer angenehmen Atmosphäre für

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anwaltsblatt karriere / 57

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Zwei Seiten einer Medaille Der digitale Wandel ängstigt die einen, die anderen nutzen die Chancen Text: Nicola de Paoli, Edinburgh Eine Karriere in der Anwaltschaft? Anwaltsblatt Karriere hat Marktexperten aus verschiedenen Ländern nach ihrem Rat für junge Berufseinsteiger gefragt. Die Antwort war einhellig: Es gibt viel Grund zum Optimismus – über die Grenzen hinweg.

Schrumpfende Profite, das Internet und alternative Geschäftsmodelle haben in den vergangenen Jahren den Druck auf traditionelle Anwaltskanzleien erhöht. Das bleibt nicht ohne Folgen für junge Anwälte. „Die Ausbildung an den Universitäten sollte darauf reagieren und den Studenten das entsprechende betriebswirtschaftliche Wissen vermitteln“, sagt der Kanzleiberater Jaap Bosman aus den Niederlanden. Laut einer im vergangenen Jahr in Paris vorgestellten Studie unter jungen Anwältinnen und Anwälten hielten rund 28 Prozent der Befragten Teile der voranschreitenden technologischen Entwicklung für eine Bedrohung. Die Studie war gemeinsam vom Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) als Dachverband der europäischen Anwaltsorganisationen und dem grenzüberschreitenden Anwaltsverband Association Internationale des Jeunes Avocats (AIJA) in Auftrag gegeben worden. AIJA zählt 4.000 Anwältinnen und Anwälte unter 45 Jahren in 90 Ländern als Mitglieder. Was brauchen moderne Jura-Absolventen?

Hightech wird in vielen Kanzleien immer sichtbarer und es lässt sich nicht mehr verleugnen, dass technische Neuerungen 58 / anwaltsblatt karriere

in Zukunft den Berufsalltag vieler Juristen bestimmen werden. Was bedeutet das für den Berufseinstieg junger Anwältinnen und Anwälte? Müssen Jurastudierende neben ihrem Studium nun auch noch Kurse im Programmieren und Informatik belegen? Und: Wie wird die Rechtsberatung in wenigen Jahren aussehen? Junge Juristen müssen nach übereinstimmender Einschätzung von Kennern der Anwaltsszene keine IT-Experten werden, um ihren Beruf auszuüben. Sie sollten aber ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sich die Rechtsberatung in der nächsten Zeit verändern wird ‒ und sie sollten in der Lage sein, auf diese Veränderungen in ihrem Berufsalltag zu reagieren. So könnte in Zukunft beispielsweise eine Software den Ausgang eines Rechtsstreits mit großer Sicherheit voraussagen. Das aber könnte zur Folge haben, dass weniger Fälle vor einem Gericht verhandelt werden, weil Schlichtung oder außergerichtliche Klärung eines Rechtsstreits attraktiver sind. Dass mit der technischen Weiterentwicklung nicht nur Risiken für das Anwaltsgeschäft, sondern auch Chancen für die Kanzleien verbunden sind, zeigt das Beispiel des Legal Service Centre von Allen & Overy. Die Kanzlei eröffnete das juristische Datenzentrum im Jahr 2012 im irischen Belfast. Dort werden große Mengen an Dokumenten und Verträgen gesichtet und aufbereitet. Auf diese Weise versorgt das Legal Services Centre A&O-Büros auf der ganzen Welt mit dem Material für besonders umfangreiche Mandate. Die Kanzlei profitiert dabei unter an-


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derem von der im Vergleich zu London günstigeren Gehaltsstruktur in Belfast. „Wir sind mit 20 Mitarbeitern gestartet”, sagt Stephen Beattie vom Legal Service Centre. Heute liegt diese Zahl bei 85. Davon haben alle mit Ausnahme von sieben Mitarbeitern für die Datenanalyse einen juristischen Abschluss.

Bedarf an Rechtsberatung geben. Anwaltlichen Rat anzubieten heißt, mit den Mandanten im Gespräch zu sein. Das kann ein Roboter nicht leisten.“ Nicht sich ängstigen, sondern anpacken

Sind also die Ängste von Jurastudenten übertrieben, wenn sie ins Berufsleben starten? Für junge Anwältinnen und Anwälte wird Überhaupt lohnt sich ein Blick auf diejenigen Kanzleien, die es darauf ankommen, sich auf die Bedürfnisse ihrer Mandanten mit Hilfe von Testlaboren und eigenen Start-ups Innovation in Zukunft noch besser einzustellen. Eine große Zahl hat das groß schreiben. Eines dieser Innnovationszentren ist die USoffenbar auch verstanden. Laut der Umfrage von CCBE und AJIA amerikanische Firma „Nextlaw Labs“. „Nextlaw Labs“ gehört sah eine Mehrheit der Befragten die größte Gefahr für die Branzur internationalen Kanzlei Dentons und soll in Zusammenche in der Anwaltschaft selbst begründet: Fast zwei Drittel waarbeit mit anderen IT-Firmen, Branchenren der Ansicht, dass die fehlende Innoexperten und Anwälten innovative ITvationsbereitschaft in den Kanzleien Lösungen entwickeln. Die Kanzlei habe dem Berufsstand schadet. Nun muss sich bewusst dafür entschieden, die niemand ein Start-up gründen oder in IT-Entwicklungsaktivitäten auszulagern, teure IT investieren, wozu die meisten sagt John Fernandez von „Nextlaw Labs“: kleinen und mittleren Kanzleien ohneDiese Frage wird auf dem 68. Deutschen Anwaltstag am 26. Mai 2017 von „Wir können so an Projekten arbeiten, hin nicht in der Lage sind, geschweige 11–13 Uhr in Essen beantwortet werden. die vielleicht jetzt noch nicht zu unserem denn Berufseinsteiger. Aber es hilft vielAuf dem Podium werden Kenner der Kerngeschäft zählen, aber unsere Zuleicht zu verstehen, dass manche ManAnwaltsszene aus den Niederlanden kunft bestimmen werden“, sagt er. Eine danten heutzutage lieber skypen, als in q Kanzleiberater Jaap Bosman, weitere große Rolle spielen Investitionen die Kanzlei zu kommen. aus den USA q Rechtsjournalist in andere Start-ups, die Technik für die David Frølich von der dänischen Mark A. Cohen, aus Dänemark q David Frølich AIJA-Präsident, Arbeit in einer Kanzlei entwickeln. „UnKanzlei Lund Elmer Sandager in Kopenaus Großbritannien q Stéphanie sere Kunden haben schon vor langer Zeit hagen ist AIJA-Präsident. Für ihn ist der Smatt, Allen & Overy und aus in ihre IT investiert, um die Abläufe in Blick über den Tellerrand ein wichtiger Deutschland q DAV-Hauptgeschäftsihren Betrieben zu automatisieren. Sie Aspekt für den beruflichen Erfolg als führer Dr. Cord Brügmann sein. erwarten nun das Gleiche von uns“, sagt Anwältin oder Anwalt: Andere Sprachen Für Studierende und Referendare kostet Fernandez. lernen und Verständnis für internatioeine Tageskarte für den Anwaltstag nur Die französische Rechtsanwaltsvereinale Zusammenhänge entwickeln. „Die 15 Euro (für die gesamte dreitägige Tagung nigung Paris Bar gründete im Jahr 2014 Zukunft ist nun einmal international”, 25 Euro). Informationen und Anmeldung: den so genannten Legal Incubator. Auch sagt er. Kanzleiberater Bosman rät dazu, www.anwaltstag.de auf diese Weise sollen Innovationen in den Blick auf wirtschaftliche Zusamden Kanzleien gefördert werden. Einmal menhänge zu schärfen und zum Beiim Jahr lädt der Incubator mehrere hundert Fachleute zu einem spiel Ausbildungsstationen in Unternehmen einzuplanen. Das Gedankenaustausch über die Zukunft des Anwaltsmarktes ein. würde Anwalt und Mandant gleichermaßen dienen, sagt BosDer Beruf des Anwalts sei schon jetzt vielfältig, sagt Benjamin man. Selbstverständlich seien Kenntnisse in IT hilfreich. Doch Pitcho vom Incubator: „Diese Vielfalt wird in den kommenden niemand erwarte von einem Anwalt, dass er IT-Spezialist sei. Jahren noch weiter zunehmen.“ Anwälte könnten multinatioAuch das Rechtsgebiet spiele für den beruflichen Erfolg keine nale Konzerne beraten oder Sozialverbände. Sie könnten interso große Rolle, wie gemeinhin angenommen, sagt Bosman. ne Untersuchungen leiten oder ganz neue Berufsfelder betreEs wird wohl künftig für viele Anwälte darauf ankommen, ten, etwa als Agenten für Künstler oder berühmte Sportler. Mit IT sinnvoll zu nutzen und Routinearbeiten einer cleveren dem traditionellen Berufsbild habe das oft nicht mehr viel zu Software zu überlassen. So bleibt mehr Zeit, Rechtsrat zu tun. Aber das ist kein Nachteil, sagt Pitcho: „Solange die bieten, den eine Suchmaschine im Internet nicht leisten kann. jungen Juristen neugierig bleiben und bei Innovationen nicht Selbst der lernfähigste Computer kann eben ein Gespräch nachlassen, haben sie eine großartige Karriere vor sich.“ unter vier Augen nicht ersetzen. Und darin liegt, da sind Anwältinnen und Anwälte werden weiterhin gebraucht, sich Branchenexperten einig, in Zukunft die Stärke des sagt auch Stephen Beattie von Allen & Overy: „Es wird immer Anwaltsberufs. // Viele probieren Vieles aus.

How to Become an Innovative Lawyer?

60 / anwaltsblatt karriere


„Der Mut vieler Menschen hat mich geprägt“ Thomas Stöckl absolviert einen Teil seines Referendariats im Flüchtlingscamp Moría auf Lesbos. Dort engagiert er sich im Pro-Bono-Projekt „European Lawyers in Lesvos“. Im Interview gibt er einen Einblick.

Ein Referendariat im Flüchtlingslager in Moría stelle ich mir als große berufliche und persönliche Herausforderung vor. Was beschäftigt Sie gerade?

Im Camp ist eine Frau, die im achten Monat schwanger ist. Dort ist zwar eine medizinische Versorgung gewährleistet, aber die reicht nicht aus. Die Frau muss für eine bessere Versorgung dringend nach Athen. Dazu muss sie erst registriert werden. Die Anwälte des Projekts versuchen, diesen Prozess zu beschleunigen, aber es geht nicht voran. Das Papier, auf das die notwendige Bescheinigung gedruckt werden muss, ist nicht vorhanden.

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Flüchtlinge. Zunächst verdeutlichen wir ihnen, wie wichtig dieses Interview ist – viele wissen nicht, dass es fast allein über ihre Zukunft entscheidet. Wir klären sie über den EU-Türkei-Deal und die Folgen auf, nämlich, dass die Türkei als sicherer Drittstaat angesehen wird: Viele der Mandanten haben in der Türkei negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Wie sehen solche Gespräche mit den Flüchtlingen aus?

Die Anwälte gehen das Schicksal der Betroffenen mit ihnen Schritt für Schritt durch, sprechen über ihre Motive für die Flucht. Die Menschen müssen klar vortragen können, was ihnen zu welchem Zeitpunkt wo widerfahren ist. Außerdem klären die Juristen sie beispielsweise über den Flüchtlingsstatus auf. Manche kommen aber auch mit allgemeinen Fragen zum Anerkennungsprozess oder über die Familienzusammenführung zu uns. Seit dem Start des Projekts im Juli 2016 bis Februar diesen Jahres haben 45 Freiwillige knapp 800 Menschen beraten.

Wie werden die Mandanten auf das entscheidende Gespräch vorbereitet?

Etwa vier bis sechs Anwälte sind von Montag bis Samstag in einem DreiRaum-Container im Flüchtlingslager vor Ort. Dort beraten die Freiwilligen die

Dass man einen langen Atem und viel Durchhaltevermögen braucht! Ich habe auch viel über das Asylrecht hinzugelernt, da es sehr stark europäisiert ist und über nationale Grenzen hinausgeht. Es bestärkt einen, sich mit Anwälten aus ganz Europa auszutauschen. Da wir in einem internationalen Team arbeiten, konnte ich auch mein Englisch verbessern. Sie haben zuvor Station gemacht in einer Kanzlei für Asyl- und Ausländerrecht. Bietet Ihnen Ihre Referendariatsstation auf Lesbos Vorteile?

Auf jeden Fall: Man kann den Menschen hier schnell und direkt helfen, seine Kenntnisse unmittelbar einsetzen. Die Anwälte sind dort, wo Rechtsrat mit am meisten gebraucht wird. Und Lesbos ist natürlich eine schöne Insel, Mytilini ist sehr pittoresk. Sehen Sie auch Nachteile?

Für die alltägliche Praxis wäre eine Station in einer Kanzlei vielleicht relevanter. Und man muss hier mit viel Frustration umgehen, weil grundlegende Rechte nicht gewährleistet werden. Das Niveau, von dem aus man agiert, ist ein anderes als in Deutschland. Aber dafür vermittelt einem die Tätigkeit hier noch viel mehr als Sinnhaftigkeit. Ich empfinde sie als eine Notwendigkeit.

Wie gehen Sie mit Konfliktsituationen wie dieser um?

Man muss immer wieder erfahren, dass die eigenen Möglichkeiten begrenzt sind. Zumal ich in meiner Rolle als Referendar ohne Anwaltszulassung die Mandanten nicht berate, sondern beispielsweise an der Vorbereitung der AsylbewerberInterviews beteiligt bin. Trotz vieler negativer Erfahrungen muss ich sagen, dass mich aber auch der Mut vieler Menschen stark geprägt hat.

Was haben Sie gelernt?

Wo sehen Sie Ihre Zukunft? Thomas Stöckl, geboren 1988, stammt aus Neuss, hat in Freiburg Jura studiert und absolviert sein Referendariat im Freistaat Sachsen. Nach Pflichtstationen im Zivil- und Strafrecht am Amtsgericht Leipzig, arbeitete er im Rahmen seiner Verwaltungsstation beim Rechtsamt der Stadt Leipzig im Referat für Ausländerrecht. Danach machte er Station in der „Kanzlei für Aufenthaltsrecht - Jentsch Rechtsanwälte“ in Berlin. Zurzeit verbringt er seine Wahlstation für knapp drei Monate auf Lesbos im Rahmen des Projekts „European Lawyers in Lesvos“, welches vom Deutschen Anwaltverein (DAV) sowie dem Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft (CCBE) ins Leben gerufen wurde q www.elil.eu.

Ich möchte im Asyl- und Ausländerrecht bleiben und könnte mir die Arbeit als Anwalt in diesem Feld gut vorstellen. Ich fühle mich bestärkt darin, mich später in diesem Rechtsbereich einzusetzen. Würden Sie sich nochmal für ein Referendariat auf Lesbos entscheiden?

Ganz klares Ja. Das Gespräch führte Julia Amberger, Berlin.

anwaltsblatt karriere / 61


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Bachelor of Laws vs. Staatsexamen

Und was kann man dann später damit machen? Text: Sophia von Bültzingslöwen, Berlin

Nach Jahren der Ablehnung von Bologna und Co. in der Juristenausbildung gewinnt der Bachelor of Laws (LL.B.) auch in Deutschland an Zulauf. Doch kann er sich neben dem Dauerbrenner Staatsexamen wirklich behaupten? Eine Gegenüberstellung.

Deutschland ist zunehmend allein auf weiter Flur, was die Ausbildung seiner Juristen angeht. In fast allen europäischen Ländern wurden die Vorgaben der Bologna-Beschlüsse von 1999 auch in der Juristenausbildung umgesetzt. Das heißt weg vom nationalen Abschluss und hin zu einem vereinheitlichten System, das bei entsprechender „Credit“-Zahl auf den Bachelor den Master folgen lässt. Ziel der Reform war es damals, die 62 / anwaltsblatt karriere

internationale Hochschulausbildung zu harmonisieren. Abschlüsse sollten vergleichbar sein und so einen grenzüberschreitenden akademischen Austausch fördern. Für Staatsexamina blieb kein Raum mehr. Das Bologna-System ist heute internationaler Standard – gilt aber nach wie vor nicht in der klassischen Ausbildung von Volljuristen. Die Argumente für den Sonderweg sind so alt wie die Diskussion um die Staatsexamina: Das juristische Staatsexamen sei – auch international – renommiert, alle wüssten, dass Deutschland gute Juristinnen und Juristen ausbilde. Wieso also ein seit dem 19. Jahrhundert bewährtes System auf Kosten von


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Qualität und Ansehen unnötig umkrempeln? Zudem sei die Stoffmenge schier zu groß, um sie in einem Bachelorstudium von sechs Semestern unterzubringen. Doch während die JuraFakultäten am Status quo festhalten, entwickelt sich im Schatten des Etablierten eine neue Ausbildungswelt für Juristinnen und Juristen. Die Wünsche vieler Personaler in den Unternehmen und die Neugier vieler Studierender sind die Auslöser. Der integrierte Bachelor: die sichere Alternative?

Immer mehr Universitäten bieten ihren Jura-Interessenten entweder neben der klassischen Laufbahn hin zum Staatsexamen oder auch ausschließlich einen Bachelor of Laws an, der zwar nicht für den Staatsdienst qualifiziert, stattdessen aber eine interdisziplinär breiter gefächerte, oft international orientierte Rechtsausbildung liefert: Die neuen Studiengänge ermöglichen es, neben juristischen, auch wirtschafts-, sozial- und politikwissenschaftliche Kenntnisse zu erlangen. Das Ergebnis: Ein Universaljurist, der sich mühelos in der freien Wirtschaft, wie im Kultur- und Sozialbereich bewegen kann und meist während eines Auslandsaufenthaltes gelernt hat, über das eigene Rechtssystem zu blicken. Viele Unternehmen im Wirtschaftsbereich suchen genau diese Flexibilität und den Rundumblick. Rechtsassessoren sind dagegen auf das Amt des Richters und Staatsanwalts getrimmt, obwohl letztlich nur etwas mehr als zehn Prozent der Absolventinnen und Absolventen in die Justiz gehen. Die Universität Potsdam beispielsweise verzeichnet einen enormen Zulauf an Studenten, seit dort zum Wintersemester 2013/2014 der LL.B. in das Jurastudium integriert wurde. Im Gegensatz zu den Berliner Unis kann man in Potsdam jetzt also en passant auf dem Weg zum Staatsexamen einen anerkannten juristischen Abschluss erwerben. Hier gilt das Motto „sowohl … als auch“ statt „entweder … oder“. Das ist vor allem für Unentschlossene sehr attraktiv und gibt zudem als „doppelter Boden“ Sicherheit für das Staatsexamen. Denn sollte es da wider Erwarten schief gehen, steht man nach vier Jahren Studium nicht mit völlig leeren Händen da. Auch Fachhochschulen ziehen immer mehr Studierende an. Die Zahl der juristischen Absolventen ohne Befähigung zum Richteramt steigt. Nachwuchsmangel als Chance

Gleichzeitig klagen nicht nur die Anwaltschaft, sondern auch immer mehr Justizverwaltungen in den Ländern, dass es an Nachwuchs fehle. Der Rückgang an Referendarinnen und Referendaren und der daraus resultierende Absolventenmangel bietet natürlich auch neue Chancen – selbst für Absolventen ohne Prädikat. In ländlichen Regionen werden Richterposten zunehmend mit Kandidaten besetzt, die in ihren Examina Ergebnisse im Bereich befriedigend und ausreichend erzielten.

Und in der Anwaltschaft spielt jenseits der Top-Kanzleien die Examensnote schon lange kaum noch eine Rolle. Wer also den mühsamen Weg über zwei Staatsexamina geht, findet in Justiz und Anwaltschaft attraktive Beschäftigungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten. Tausend Möglichkeiten: Wie finde ich den richtigen Weg?

Fest steht: Der juristische Arbeitsmarkt wird reagieren, Wandel ist vorprogrammiert. Denn langsam dämmert es auch den konservativsten Rechtsgelehrten: Das zweite Examen ist für den Nachwuchs längst nicht mehr der heilige Gral, vor allem weil es für die Nachfrager von Juristen nicht mehr stets zwingend ist. Das belegt auch der Einstellungsreport zur Digitalisierung des Rechtsmarkts in diesem Heft (ab Seite 44). Gerade Legal-Tech-Unternehmen arbeiten gerne mit den LL.B.-Absolventen zusammen, denn sie sind meistens jünger als ihre vom Staatsexamen gebeutelten Kollegen und hatten während ihres deutlich kürzeren Studiums häufig noch Gelegenheit, IT- oder BWL-Skills zu erwerben. Statt einer langen Professionsausbildung, die doch nur hochspezialisiertes Wissen vermittelt, zählen andere Kompetenzen immer stärker. Wie also als potentieller Rechtsstudierender mit diesen Trends umgehen? Die Antwort lautet wie so oft: Es kommt darauf an. Und zwar zum einen auf die eigene Fähigkeit, mit beruflichen Unsicherheiten umzugehen, ebenso wie auf die Bereitschaft, sich einem langen und harten Studium und Referendariat zu stellen, das Disziplin und Motivation fordert. Zum anderen spielen natürlich auch die konkreten Berufsvorstellungen eine große Rolle. Wer international unterwegs sein will, wird das Staatsexamen verschmerzen können. Wer insgeheim von der Freiheit des Anwaltsberufs träumt, muss eben doch die Staatsexamina bestehen. Die neue Vielfalt beim Bachelor rüttelt durchaus am Staatsexamen. Nichtsdestotrotz vermittelt er immer noch ein Weniger an Inhalt und Tiefe und wird wohl auch weiterhin in den klassisch-juristischen Berufen hintenan stehen. Fakt ist aber auch, dass Volljuristen immer öfter mit anderen Juristen konkurrieren werden, sei es der praktisch ausgebildete Fachhochschuljurist oder der Bachelor-/Masterabsolvent mit Auslandserfahrung. Für die Bewerbung gilt also die Devise: Sei anders und probiere dich aus, auch schon während des Studiums! Praktika im Inund Ausland bieten Einblicke in juristische Berufe und helfen gegen Vorurteile oder unrealistische Vorstellungen. Gerade den Unentschlossenen kann nur geraten werden, schnuppert auch in die Nischen, sucht fernab der ausgetretenen Pfade und denkt zukunftsorientiert. Denn was euch heute wie der Traumjob schlechthin erscheint, könnte morgen schon ausgebranntes Terrain sein und eine scheinbar öde Spezialmaterie ist in der Praxis vielleicht doch viel spannender als gedacht. // anwaltsblatt karriere / 63


kommentar

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Was ist anwaltliches Berufsrecht? Das Berufsrecht regelt nicht nur den Anwaltsberuf, sondern den Markt für Rechtsdienstleistungen Text: Jakob Weberstaedt, Berlin

Kaum eine Jura-Studentin, ein Jura-Student macht im Studium Bekanntschaft mit dem anwaltlichen Berufsrecht. Das ist auch gut so, noch mehr Pflichtstoff braucht das Jurastudium nun wahrlich nicht. Berufsrecht als Pflichtstoff wäre auch deshalb eine schlechte Nachricht, weil mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit ein beschränktes Verständnis des anwaltlichen Berufsrechts gelehrt und geprüft würde. Und damit sind wir schon bei der Frage, worum es beim Berufsrecht eigentlich geht. Man kann hier differenzieren zwischen einer „beschränkten“ Sicht (oder neutraler ausgedrückt einem BRAO-zentrischen Verständnis der Materie) und einer weiten Sicht auf „Berufsrecht im Kontext“ (einer eher regulierungstheoretischen Herangehensweise).

Zunächst zur BRAO-zentrischen Sicht: Die BRAO, die Bundesrechtsanwaltsordnung, ist die wichtigste Gesetzesquelle für die Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte bei der Berufsausübung. Sie enthält sinnvolle Regelungen, wie die Schweigepflicht oder das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten. Sie enthält auch einige Regelungen, die in der Kritik stehen, man denke nur an den ewigen Dauerbrenner Anwaltswerbung. Eine Beschäftigung mit den Details der BRAO ist durchaus wichtig für angehende Anwältinnen und Anwälte. Hierzu nur ein Beispiel: Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gipfelt im § 356 StGB, der Strafbarkeit wegen Parteiverrats. Kaum zu glauben, aber als Anwalt ohne BRAO-Kenntnisse kann man hier schnell in ein Strafverfahren stolpern. Realer Fall: Die Ärzte A und B wollen in den Ruhestand gehen und ihre Gemeinschaftspraxis verkaufen. Sie beauftragen Anwalt R, der beiden hilft und getrennte Käufer für ihre jeweilige Hälfte findet. Später zerstreiten sich A und B und noch später wird R von B wegen Parteiverrats angezeigt. Surprise! Solchen Ärger sollte man als Anwalt lieber vermeiden. Kenntnisse der BRAO sind von Vorteil. Wirklich interessant wird es aber, sobald wir über die BRAO-zentrische Sicht hinausgehen und ein Verständnis für „Berufsrecht im Kontext“ entwickeln. Dabei zeigt sich, wie das anwaltliche Berufsrecht den Rechtsdienstleistungsmarkt entscheidend prägt. Viele juristische Tätigkeiten dürfen nur von Anwälten erledigt werden. Dieses sog. „Anwaltsmonopol“ wird von der organisierten Rechtsanwaltschaft bei jeder sich bietenden Gelegenheit verteidigt, das ist nicht überraschend. Auch nicht überraschend ist allerdings, dass laufend starke verfassungsrechtliche, europarechtliche und rechtspolitische Argumente gegen Vorbehaltsaufgaben für Anwälte vorgebracht werden. Als Juristin könnte man sich aus mindestens zwei Gründen für diese Debatte interessieren: Zum einen, um abzuschätzen, wie sich die eigenen Berufschancen entwickeln werden. Zum anderen mag es auch diejenigen geben, die ursprünglich ein Jurastudium gewählt haben, weil sie Menschen zu ihrem Recht verhelfen wollten. Man denke nur an die Nachrichten aus den USA und wie dort viele Juristen und Anwälte engagiert die Grund- und Bürgerrechte gegen Donald Trump verteidigen. Unter diesem Gesichtspunkt – „Access to Justice“ ist das Schlagwort in dieser Debatte – sehen auch einige Anwälte das Anwaltsmonopol kritisch. Ein derart erweitertes Verständnis des anwaltlichen Berufsrechts als regulatorisches Recht des Rechtsdienstleistungsmarkts ist hoch spannend. Nur ein paar Fragen: Sollten Erfolgshonorare erlaubt sein? Dürfen Anwältinnen und Anwälte Prozessfinanzierung anbieten? Dürfen Nicht-Anwälte mitarbeiten? Dürfen Nicht-Anwälte in Anwaltskanzleien investieren? All diese Themen können unter dem Aspekt behandelt werden, was gut für die Anwaltschaft oder was gut für „Access to Justice“ ist. Dem anwaltlichen Berufsrecht kommt eine entscheidende Rolle dabei zu, wie das Ideal des Rechtsstaats in der Lebenswirklichkeit konkret wird. // 64 / anwaltsblatt karriere

Der Autor schreibt regelmäßig zum anwaltlichen Berufsrecht.

Sollten Erfolgshonorare erlaubt sein? Dürfen Anwältinnen und Anwälte Prozessfinanzierung anbieten? Dürfen Nicht-Anwälte mitarbeiten? Dürfen Nicht-Anwälte in Anwaltskanzleien investieren?


Franz Peter Altemeier ist Rechtsanwalt und Mitglied der Redaktion Anwaltsblatt Karriere. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins.

Julia Amberger ist Journalistin aus Berlin und schreibt u.a. auch für das Anwaltsblatt.

Jochen Brenner ist Journalist in Hamburg und schreibt seit 2009 die Portraits von Anwaltsblatt Karriere.

Jacqueline Bräuer ist Rechtsassessorin und bei der Allianz Versicherungs AG in München tätig.

Dr. Cord Brügmann ist Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins in Berlin. Er hat das Gründungsheft von Anwaltsblatt Karriere 2007 maßgeblich mitentwickelt.

Mark A. Cohen is Distinguished Lecturer in Law at Georgetown University Law Center (Washington D.C.) and experienced trial lawyer.

Prof. Niko Härting ist Rechtsanwalt und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin.

Dr. Nicolas Lührig ist Rechtsanwalt und leitet die Redaktion Anwaltsblatt Karriere und Anwaltsblatt. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins und Mitglied der Hauptgeschäftsführung des DAV.

Nicole Narewski ist Rechtsanwältin und

Wir haben unsere Leser gefragt, warum sie Anwaltsblatt Karriere lesen… … weil es die erste Zeitschrift ist, welche mich über meine juristische Zukunft nachdenken lässt. (Referendar Stuttgart) … weil ich nur schnell „durchblättern“ wollte … dafür dann zwei Stunden gebraucht habe. (Doktorand und Wissenschaftlicher Mitarbeiter Raum München) … weil interessante Artikel und wertvolle Tipps sowie Stellenanzeigen im Heft sind. (Student Berlin)

… weil es stets inspirierende Artikel enthält. (Referendarin Lübeck) … weil dieses Magazin eine vielfältige Übersicht der deutschen und internationalen juristischen Welt bietet. (Student Köln) … wegen der vielen interessanten Informationen zu Referendariat, Berufseinstieg und Karriere. (Referendar Nürnberg) … weil es das Recht in einem abwechslungsreichen Kontext darstellt. (Student Bayreuth) … weil die Lektüre dieses Magazins im Hinblick auf Studium und Karriere neue Perspektiven ermöglicht. (Student Jena) … weil man immer neu inspiriert wird. (Studentin Passau) … weil es andere Rechtsgebiete, die im Studium nicht behandelt werden, erläutert. (Referendarin Berlin)

… weil aktuelle, berufsbezogene Inhalte, seltene und abwechslungsreiche Themen(felder) enthalten sind. (Studentin Münster) … weil Jobperspektiven und spezielle Fachthemen behandelt werden. (Referendar Köln) … weil es mich auf dem Laufenden über Möglichkeiten in Beruf und Studium hält. (Student Göttingen)

… weil es interessante Artikel, Inspiration und Stellenanzeigen gibt; sehr gute Aufbereitung. (Referendar Oldenburg)

Mitglied der Redaktion Anwaltsblatt Karriere. Sie ist Geschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins.

… weil es einen rundum gelungenen Einblick über das vielseitige Berufsfeld „Jurist“ gibt. (Referendarin Köln)

Nicola de Paoli ist freie Journalistin in

… weil es mich motiviert, weiter zu studieren bzw. mein Studium mit Erfolg abzuschließen. (Student Bonn)

Edinburgh. Sie schreibt regelmäßig für das Anwaltsblatt.

Ulrich Schellenberg ist Rechtsanwalt und Notar in Berlin. Seit Juni 2015 ist er Präsident des Deutschen Anwaltvereins.

Hans-Michael Stracke ist Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator bei der Kanzlei Bird & Bird LLP.

Malte Varnhagen ist Journalist in Düsseldorf und schreibt regelmäßig für Anwaltsblatt Karriere.

Sebastian Vorberg, LL.M. (Houston) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in Hamburg sowie Vorstandssprecher des Bundesverbandes Internetmedizin

Jakob Weberstaedt ist Doktorand an der Humboldt Universität zu Berlin und schreibt regelmäßig zum anwaltlichen Berufsrecht.

Nora Zunker hat Jura an der HumboldtUniversität zu Berlin studiert, wartet auf das Referendariat und schreibt regelmäßig für Anwaltsblatt und Anwaltsblatt Karriere.

Impressum Anwaltsblatt Karriere Herausgeber Deutscher Anwaltverein e.V., Littenstr. 11, 10179 Berlin (Mitte), T 030-72 61 52-0, F -191, anwaltsblatt-karriere@anwaltverein.de Redaktion Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig (Leitung) Franz Peter Altemeier, Nicole Narewski, Rechtsanwälte Redaktionelle Mitarbeit Zakiya Mzee, Sophia von Bültzingslöwen, Max Schmuckert Koordination und Produktion Antje Busse Grafik Eggers + Diaper, Potsdam Verlag Deutscher Anwaltverlag und Institut der Anwaltschaft GmbH Wachsbleiche 7, 53111 Bonn, T 0228 / 919 11-0, F -23, kontakt@anwaltverlag.de Anzeigen ad Sales & Services, Ingrid A. Oestreich, Pikartenkamp 14, 22587 Hamburg, T 040 / 86 62 84-67, F -68 info@ad-in.de

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Der Deutsche Anwaltverein ‒ wer, was, wann, wo und wie?

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Im Detail… Der Deutsche Anwaltverein (DAV)* ist der Interessenvertreter der Deutschen Anwaltschaft und wahrt, pflegt und fördert die beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Anwaltschaft (und des Anwaltsnotariats). Es gibt Geschäftsstellen in Berlin und Brüssel mit 83 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie hunderten ehrenamtlich aktiven Anwältinnen und Anwälten. *Gründungsjahr: 1871

Dem DAV gehören insgesamt 256 Anwaltvereine an: davon 243 in Deutschland und je einer in Großbritannien, Italien, Griechenland, Portugal, Belgien, Brasilien, Luxemburg, Spanien, Polen, der Ukraine, den Niederlanden sowie zwei Anwaltvereine in Frankreich. Über die örtlichen Anwaltvereine sind dem DAV derzeit rund

66.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte angeschlossen.

„Sprecht Recht!“

66.000

2017 findet nach dem erfolgreichen Start in 2016 in verschiedenen Städten die 2. Auflage des DAV-Jura-Slams statt:

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in

anwaltverein.de/de/jura-slam

256

Anwaltvereinen

Die ersten 100 Tage Alles was junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für den Berufseinstieg wissen sollten, findet man auf 770 Seiten im DAV-Ratgeber.

41

Gesetzgebungs- und Fachausschüsse

Bestellung unter: www.anwaltverein.de/

berufsstart/dav-ratgeber

Ja, ich will Für den Nachwuchs gibt es das Forum Junge Anwaltschaft. Beitreten können hier auch Referendare und Assessoren, die sich für den Anwaltsberuf interessieren.

30 Arbeitsgemeinschaften

Über seine 41 Gesetzgebungs- und Fachausschüsse, die in allen Rechtsgebieten arbeiten, nimmt der DAV Stellung zu nationalen Gesetzentwürfen und Richtlinienentwürfen der Europäischen Union. Diese beeinflussen die parlamentarische Willensbildung in Deutschland und Europa. Sie bringen rechtsstaatliche Maßstäbe und anwaltliches Know-how in die Gesetzgebung ein und machen Gesetze praktikabel.

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte benötigen Kommunikation, Kooperation, Fortbildung, Spezialisierung und neue Denkanstöße. Ein Forum hierfür bieten die unter dem Dach des DAV bestehenden 30 Arbeitsgemeinschaften – von Agrarrecht, über Geistiges Eigentum, IT-Recht, Sportrecht bis Verwaltungsrecht.

davforum.de

Contra Rechtsextremismus Eine Stiftung des Deutschen Anwaltvereins

Die Stiftung übernimmt Kosten für die Rechtsberatung und -vertretung von Opfern rechtsextremistischer oder politisch motivierter Straftaten, die bedürftig sind. Ziel ist es, die Opfer in ihrer psychischen Notlage zu unterstützen und ihre Interessen – auch vor Gericht – zu wahren. Seit ihrer Gründung 2001 konnte die 66 / anwaltsblatt karriere

Stiftung bereits in über 400 Fällen helfen. Finanziert wird sie durch Spenden, durch Geldauflagen in Strafverfahren und durch Benefizkonzerte, die mit der Unterstützung namhafter Musiker ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen. Spenden kann jeder auf anwaltverein.de. Jeder Betrag hilft!


Dr. Christian Arnold, Partner

Wir suchen

Rechtsanwälte, Referendare, wissenschaftliche Mitarbeiter (m/w) Ob als Berufseinsteiger oder mit ersten Berufserfahrungen – Sie sollten mindestens „vollbefriedigende“ Examina sowie sehr gute Englischkenntnisse mitbringen und Spaß an einer in jeder Hinsicht herausfordernden Tätigkeit haben. Dann möchten wir mit Ihnen ins Gespräch kommen! Bei Gleiss Lutz erwartet Sie das perfekte Umfeld für Ihre Karriere an der Marktspitze. Wir freuen uns auf Sie! Mehr auf gleisslutz.com/karriere/

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