Anwaltsblatt Karriere Heft 2/2014

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gespräch

Apfelbacher: … in der Tat muss die Förderung von Talenten schon in der Schule

anfangen. Aus einer öffentlichen High School in den USA den Sprung an eine Law School zu schaffen ist nicht selbstverständlich. Deshalb gehen Kanzleien in den USA zum Teil schon in die Schulen. Klaus-Stefan Hohenstatt

Anwaltskanzleien sind besondere Unternehmen. Ohne den vollen Einsatz aller geht es nicht. Ist Arbeit aber nicht Arbeit und sollte Privates nicht Privates bleiben? Hohenstatt: In der Tat kommt gerade bei der Offenheit gegenüber LGBT (Anmer-

Klaus-Stefan Hohenstatt (geboren 1961) ist seit 1992 Rechtsanwalt. Er hat Rechtswissenschaften und Politik in Freiburg und Hamburg studiert, war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Albrecht Zeuner an der Hamburger Universität und promovierte dort 1992 zu einem arbeitsrechtlichen Thema. Das Referendariat absolvierte er in Hamburg, New York und Brüssel. Seit 1997 ist er Partner der heutigen Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer LLP. Seit 2010 ist er Managing Partner der Sozietät für Deutschland und Österreich. Der Arbeitsrechtler lehrt an der Bucerius Law School und wurde im November 2012 zum Honorarprofessor ernannt.

„Inzwischen weiß man, dass scheinbar rein Privates starke Auswirkungen im Beruf haben kann.“ Klaus-Stefan Hohenstatt

kung der Redaktion: „lesbian, gay, bisexual and transgender“) häufiger der Einwand: Ist das nicht einfach eine Privatsache und warum kümmern sich Anwaltskanzleien um das Thema? Inzwischen weiß man jedoch, dass scheinbar rein Privates starke Auswirkungen im Beruf haben kann. Wenn beispielsweise Väter und Mütter ihre jeweilige Familienrolle nicht vernünftig mit den Anforderungen des Berufes in Einklang bringen können, dann wird aus dem privaten Thema ein berufliches. Gleiches gilt, wenn Sie das Gefühl haben, sie sind als lesbischer oder schwuler Anwalt nicht erwünscht oder Sie können über das, was Sie privat bewegt, nicht sprechen. Das hindert Sie daran, sich beruflich zu entfalten. Deshalb ist es so wichtig, dass Sozietäten deutlich machen, dass ihre Mitarbeiter das Privatleben nicht an der Garderobe abgeben müssen. Apfelbacher: Das geht in der Tat auch über das Thema Work-Life-Balance hinaus. Gerade die jetzt in den Beruf startende Generation – ich spreche lieber von den Millenials als von der Generation Y – fordert Flexibilität in der Arbeitswelt auch im Sinne von Vielfalt. Das ist ein universelles Thema, dem sich Kanzleien in allen relevanten Jurisdiktionen stellen müssen. Geht es darum, die Kanzleienwelt besser zu machen oder Ressourcen beim Recruitment zu heben? Apfelbacher: Beide Aspekte spielen eine Rolle. Wenn Sie ein homogen zusammengesetztes Team haben – etwa im Hinblick auf Altersstruktur, sozialen Hintergrund und Geschlecht –, werden Sie am Ende einen relativ eindimensionalen Ansatz zur Problemlösung bekommen. Ein gemischteres Team bietet eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Und natürlich wissen wir, dass der Pool derjenigen, die Sozietäten gerne rekrutieren und auch behalten wollen, limitiert ist. Wir können es uns gar nicht leisten, irgendwelche Gruppen auszuschließen. Hohenstatt: Ich stimme zu. Ich glaube, dass wir einen der vielen Fällen haben, in denen das Partikularinteresse und das Allgemeinwohl in die gleiche Richtung gehen. Ist das klassische Nachwuchspotential der deutschen Anwaltschaft – Juristensohn, auf dem Golfplatz sozialisiert, hetero, Lebenspartnerin, die auf Karriere verzichtet hat – tot? Apfelbacher: Mausetot. Das ist eine aussterbende Spezies. Frauen wie Männer

zwischen 25 und 28 Jahren haben davon abweichende Vorstellungen. Hohenstatt: Es mag noch immer viele geben, die so leben und so denken, auch

die sind herzlich willkommen. Aber mit ihnen allein kann die deutsche Anwaltschaft ihren Nachwuchsbedarf nicht decken.

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