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Kommt kein Vogel geflogen

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Licht & Dunkel

Licht & Dunkel

… setzt sich auch nicht nieder auf meinem Fuß. Die Lebensräume für Hochgebirgs-Alpenvögel werden kleiner, während Skigebiete immer weiter nach oben wachsen (wollen).

von Georg Rothwangl

Vögel sind die evolutionstechnischen Nachfolger von Dinosauriern auf der Erde und haben somit Erfahrung mit Klimaveränderungen und ihren Auswirkungen. Schließlich waren sie unter den „Gewinnern“ der Klimaveränderungen, die zum Aussterben der Dinosaurier führten. Aus den Urvögeln, die wohl eine Zwischenform von Reptilien und Vögeln darstellten, haben sich in der Zwischenzeit etwas über 10.000 Vogelarten entwickelt. Davon leben zirka 360 Arten in Österreich. Von diesen sind 23 auf die Berge beschränkt.

Durch die globale Erwärmung ist die Temperatur in den letzten 100 Jahren in den Alpen um knapp 2 Grad Celsius angestiegen, global waren es nur 1,3 Grad Celsius. Dieser Temperaturanstieg hat vielfältige Auswirkungen und führt unter anderem dazu, dass Hochgebirgsvögel in den Alpen noch höher hinauf wandern.

Der Schneesperling (auch auf der linken Seite) ist deutlich größer als der Haussperling. Er lebt (auch im Winter) in Höhen zwischen 1.900 und 3.100 Meter.
Foto: Mattia Brambilla

Noch höher

Vögel, die im Hochgebirge leben, sind Spezialisten, die sich optimal an ihre Lebensraumnische angepasst haben. Sie haben beeindruckende Mechanismen und Taktiken entwickelt, um in der kargen und herausfordernden alpinen Welt zu überleben. So wechselt das Alpenschneehuhn nur sehr langsam sein Gefieder, um nicht frieren zu müssen. Dort, wo im Sommer die grau-braunen Farbpigmente sind, wird im Winter Luft eingeschlossen, um eine zusätzliche Isolation zu erreichen. Die Alpenbraunelle wiederum schließt sich zu Brut- und Aufzuchtgruppen zusammen, um einen möglichst hohen Bruterfolg sicherzustellen. Nun wird es spannend: Um abschätzen zu können, wie sich diese Migrationsbewegung in der Vertikalen auf gefiederte Bergbewohner wie Alpenschneehuhn, Bergpieper, Alpenbraunelle und Schneesperling auswirkt, lohnt es sich, die derzeitigen Habitate (Lebensräume) mit zukünftigen zu vergleichen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Mattia Brambilla (Universität Mailand) hat herausgefunden, dass sich die möglichen Habitatsflächen deutlich verkleinern werden. Dabei wurde untersucht, welche der aktuellen Lebensräume auch zukünftig geeignet sein werden, welche neuen Flächen in der Zukunft dieselben Rahmenbedingungen bieten werden wie die bisherigen und welche Flächen in Zukunft zumindest ähnliche Bedingungen aufweisen werden.

Die Prognose: Die derzeitigen Habitatsflächen werden sich um 17 bis 59 Prozent verkleinern, je nachdem, welche Vogelart betrachtet wird und welche Parameter herangezogen werden. Da ist es nur ein kleiner Trost, dass knapp die Hälfte der zukünftigen Lebensräume unserer Hochgebirgsvögel in Schutzgebieten wie Nationalparks, Naturparks und Ähnlichem liegen.

Der Bergpieper erreicht fast die Größe einer Bachstelze. Er ist überwiegend auf feuchten alpinen Wiesen und grasbewachsenen Geröllhalden anzutreffen.
Foto: Mattia Brambilla

Skigebietsdilemma

Was die Situation verschärft, ist die Tatsache, dass mit den steigenden Temperaturen nicht nur unsere Vögel, sondern auch Skigebietsbetreiber auf Suche nach neuen Flächen sind. Gerade (Gletscher-) Skigebiete möchten in großen Höhen immer noch Ausbaupläne umsetzen, wie zwei Beispiele im Tiroler Oberland (Pitztal, Kaunertal) bezeugen. Denn in großen Höhen ist die Schneesicherheit noch einigermaßen gegeben.

Die Wissenschaftlerin Francesca Roseo – eine Kollegin von Mattia Brambilla – hat untersucht, dass eine mögliche Ausweitung von Skigebieten zu einer noch stärken Zerstückelung der Lebensräume für alpine Vogelarten führen kann. Bei der Bewilligung von neuen Skigebietsflächen wird zu wenig darauf geachtet, ob diese Flächen zukünftig wertvolle Ausweichflächen von gefiederten Klimaflüchtlingen werden. Der derzeitige Trend zeigt, dass Skigebietsflächen zwischen 200 und 600 Höhenmetern nach oben wandern werden. Das könnte dazu führen, dass sich die zukünftigen Refugien für Hochgebirgsvögel deutlich mit Skigebietsflächen überlappen könnten. Und damit sind wir als Österreichischer Alpenverein bei einem Thema, das uns seit jeher beschäftigt: die alpine Raumordnung.

Wenn nun die hochalpinen Vogelarten (und auch andere Wildtiere) auf immer kleinere Flächen in die Höhe wandern, wird es dort in Zukunft vermehrt zu „Kollisionen“ mit den technischen Erschließungsplänen kommen.

Wie die Studie zeigt, sind die Auswirkungen auf Alpenvögel vielfältig: Kabelspannungen für Liftanlagen sind gefährliche Flughindernisse. Baumaßnahmen mit Schwerlastfahrzeugen, Lärm- und Lichtentwicklung haben negative Auswirkungen auf die Habitatsqualität und belasten gerade die spezialisierten Nischenbewohner überdurchschnittlich.

Die beiden Studien zeigen eindrücklich, dass sich die Lebensräume für hochalpine Spezialisten aufgrund der Klimaerwärmung verändern werden und dass somit bei Bauplänen im hochalpinen Raum nicht nur die Auswirkungen auf die derzeit dort lebenden Tiere berücksichtigt werden müssen, sondern im Sinne eines Vorsorgeprinzips auch die Auswirkungen auf zukünftig dort lebende Arten. Dabei sollte ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass alpenweit genügend Habitatsflächen und Trittsteinbiotope vorhanden bleiben, um eine gesunde Biodiversität für Pflanzen und Tiere zu ermöglichen.

Alpenscheehuhn in seinem Winterkleid.
Foto: Mattia Brambilla

Autor: Georg Rothwangl ist Mitarbeiter der Abteilung Raumplanung und Naturschutz im Österreichischen Alpenverein.

Info: Biologische Vielfalt im Hochgebirge

  1. Klimaschutzgebiete (an das zukünftige Klima angepasste Lebensräume) sind der Schlüssel für einen wirksamen Schutz der biologischen Vielfalt in einem sich ändernden Klima. Dies gilt insbesondere für die an kalte Bedingungen angepassten tierischen und pflanzlichen Bergspezialisten, die durch die Erwärmung bedroht sind, da die klimatisch geschützten Gebiete auch in Zukunft geeignete Bedingungen erhalten werden.

  2. Etwa 15.000 km2 der Alpen sind In-situ-Refugien, die unter heutigen und zukünftigen Klimabedingungen mindestens drei der vier untersuchten Vogelarten beherbergen können. Nur 44 % dieser Standorte liegen innerhalb von Schutzgebieten.

  3. Skiabfahrtspisten nehmen in den Alpen fast 500.000 ha ein. Wenn man ihre unmittelbare Umgebung mit einbezieht, beträgt die derzeitige Überlappung mit Schutzgebieten 11 %, was zu einer weiteren starken Fragmentierung der Hochgebirgslebensräume führt.

  4. Jede dritte bestehende Skipiste hat möglicherweise eine Auswirkung auf Klimaschutzgebiete und diese Situation wird sich in Zukunft verschärfen, da sich die Verteilung der Skipisten aufgrund des Klimawandels nach oben verschiebt, was zu einer Zunahme der Überschneidungen zwischen geeigneten Gebieten für Skipisten und Klimaschutzgebieten führt (von 57 % unter aktuellen Bedingungen auf 69 % – 72 %).

  5. Es besteht ein dringender Bedarf, klimabeeinflusste Gebiete und die klimabeeinflusste Biodiversität, die sie beherbergen, vor Umweltveränderungen zu schützen, die durch eine nicht nachhaltige Entwicklung verursacht werden. Weiters ist es von großer Wichtigkeit, bei Skigebietsausbauplänen im Hochgebirge nicht nur auf die aktuellen Auswirkungen zu achten, sondern auch auf die Auswirkung auf zukünftige klimaveränderte Lebensräume.

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