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Im Dschungel des Mountainbikesports
from Bergauf #1.2025
Als im Kalifornien der 1970er-Jahre die ersten Mountainbikes entwickelt wurden, war es das Ziel der Biker*innen, möglichst sicher und schnell über schmale Wege und Schotterpisten zurück ins Tal zu brettern. Im Laufe der letzten 50 Jahre haben sich die Räder weiterentwickelt und decken nun eine Vielzahl an unterschiedlichen Einsatzzwecken ab. Wir versuchen, Licht ins Dickicht zu bringen.
von René Sendlhofer-Schag
Gemütlich zur Alm oder auf Zeit mit dem Downhiller im Bikepark bergab. Mit Fingerspitzengefühl über Stock und Stein oder möglichst schnell durch die nächste Kurve. Zum Training blitzschnell bergauf oder mit atemberaubenden Sprüngen durch den Slopestyle-Kurs. Die Disziplinen des Mountainbikens könnten kaum unterschiedlicher sein, gemeinsam ist allen Ausübenden – neben zwei Rädern – die Liebe zum Radsport. Doch worin unterscheiden sich die Bikes und deren Einsatzzwecke nun wirklich?
Die Kategorien
Räder gibt es wie Sand am Meer. Eine Einteilung in Kategorien bzw. Disziplinen hilft, die Bikes zu unterscheiden. Ganz allgemein unterscheidet man in der Bauweise zwischen einem Hardtail und einem Fully. Während ersteres nur vorne eine Federgabel aufweist, ist das Fully (full suspension bike) auch hinten gefedert. Die Höhe der Federung, angegeben in Millimeter, spiegelt so wie auch die Geometrie des Rades, insbesondere der Lenkwinkel, den Einsatzbereich wider.
#1 Biketyp: Tourenbike
Der günstige Klassiker, meist als Hardtail ausgeführt, für den gemütlichen Einsatz auf Rad- und Schotter wegen zur Alm. Vorne bis 120 mm Federweg. Aufrechte Sitzposition.
Wettkampf: nein
Unterwegs auf: Rad- und Schotterwegen
Fokus auf: Genuss, Gesundheit, Ausflüge
#2 Biketyp: Cross-Country & Marathon
Als Hardtail oder Fully mit ca. 100 mm Federweg. Möglichst leicht, für Wettkampf bergauf optimiert.
Wettkampf: ja
Unterwegs auf: Schotterwegen und Trails zum Training, speziellen Strecken im Wettkampf
Fokus auf: Training, Wettkampf, Leistung
#3 Biketyp: Trail und All-Mountain
Der Allrounder oder auch die Eierlegende Wollmilchsau der Mountainbikes. Meistens als Fully gebaut, leicht genug, um auch lange Touren bergauf zu bewältigen. Mit bis zu 140 mm Federweg sucht es bergab steinige und wurzelige Wege. Eignet sich für eine Vielzahl von Touren, von einer Trailrunde nach der Arbeit bis zur Alpenüberquerung.
Wettkampf: nein
Unterwegs auf: Schotterwegen bergauf, Trails in Form von Wanderwegen oder speziell für Biker*innen gebauten Singletrails bergab.
Fokus auf: Naturerlebnis, Genuss, Abenteuer, Abfahrt auf Trails
#4 Biketyp: Enduro
Mit einem Federweg von 140 bis 180 mm und flachem Lenkwinkel a auch für härtere Abfahrten geeignet. Bei Enduro geht es vor allem um Geschwindigkeit bergab und Wettkampf in Form von Endurorennen. Selber kurbeln bergauf ist möglich, Lift oder Shuttle werden aber bevorzugt.
Wettkampf: ja
Unterwegs auf: gebauten Enduro-Trails mit Mischung aus naturbelassenen Elementen und künstlichen Hindernissen wie Steilkurven, Sprüngen, etc.
Fokus auf: möglichst technisch und rasch bergab, Fahrspaß
#5 Biketyp: Freeride und Downhill
Mit 180–220 mm Federweg liegt der Fokus nur mehr auf der Abfahrt. Weite Sprünge, hohe Drops, riesige Steine und Wurzelstufen. Mit hoher Geschwindigkeit speziell geschaffene Strecken bewältigen.
Wettkampf: ja
Unterwegs auf: speziellen Wettkampfstrecken, Lift/Shuttle notwendig
Fokus auf: schnell bergab
Bei den hier vorgestellten Kategorien befinden sich die Räder mehr am Boden als in der Luft, der Fokus liegt trotz großer Sprünge bei den Kategorien Downhill und Freeride noch beim Fahren. Geht es weniger um den Speed bergab, sondern um waghalsige Sprünge und Style, befindet man sich in den Kategorien Dirt und Slopestyle. Beim Dirtbiken springt man über aufgeschüttete Erdhügel, die auch gleich namensgebend für diese Kategorie sind. Slopestyle beinhaltet Elemente des Dirtbikens, die Sprünge und Drops sind allerdings noch größer und die speziellen Räder auch hinten mit einer straffen Federung ausgestattet. Die Bikes können meistens um den eigenen Lenker gedreht werden und sind definitiv nicht fürs Bergauffahren geeignet.
Ist man lieber weniger waghalsig unterwegs, aber liebt es, Hindernisse zu überwinden, ist man im Trialsport beheimatet. Auf speziellen Parcours gilt es Hindernisse zu überwinden, meistens am Hinterrad springend und mit hoher Anforderung an die Balance und Geschicklichkeit. Geschwindigkeit spielt hier keine Rolle, die Bikes haben einen sehr tiefen Sattel (oder zum Teil gar keinen) und einen sehr kleinen Rahmen mit 20“-oder 26“-Rädern. So manche Technik des Trialsports ist auch beim Trail- oder Endurobiken von Vorteil so kann der umgestürzte Baum ohne Absteigen überwunden und die enge Kehre am Wanderweg ohne Abkürzer befahren werden.
Faktor Mensch
Die oben angeführten Kategorien sind selbstverständlich nur Richtwerte. Die Grenzen verschwimmen und mit der technischen Entwicklung der Bikes verschieben sich die Disziplinen. Was vor fünf Jahren noch als Endurobike bezeichnet wurde, fällt heute in die Kategorie All-Mountain. Und dann kommt ja noch die Fahrerin oder der Fahrer hinzu. Denn erst der Mensch bestimmt den tatsächlichen Einsatzzweck. Mit einem Downhillbike kommt man natürlich nicht zur nächsten Alm hinauf, und ebenso wenig wird man mit dem XC-Rad heil am Ende eines Slopestyle-Kurses ankommen.
Doch bei den Bikes der Kategorien von XC bis Enduro gibt es eine große Schnittmenge, je nach fahrtechnischem Können der Fahrer*innen und der Beschaffenheit des Weges. Man kann also geübte Biker*innen mit dem Hardtail auf schwierigen Wegen treffen oder Einsteiger*innen mit dem vollgefederten Trailbike auf der Forststraße bergab. Hinsichtlich der notwendigen Infrastruktur für die Ausübung der jeweiligen Kategorie bedeutet es, dass ab der Kategorie Enduro – wenn man diese gemäß ihrer Bestimmung einsetzt – eigene Strecken für die Ausübung des Sports erforderlich sind. Mountainbiken ist aufgrund der restriktiven Gesetzeslage in Österreich nach wie vor eine polarisierende Sportart. Nicht zuletzt, weil auch das Bild der Mountainbiker*innen medial sehr verzerrt dargestellt wird und vereinzelte negative Vorkommnisse pauschal für eine Sportart aufgebauscht werden. Das Image des Wildverschreckers, Adrenalinjunkies und der Spaßgesellschaft lastet schwer auf den Schultern der Sportler*innen. Dabei ist nicht jeder bergab fahrende Mountainbikende ein Downhiller und wer mit einem E-MTB unterwegs ist, ist auch nicht automatisch faul.
Naturgenuss hoch im Kurs
Unsere MTB-Umfrage (1) aus dem Jahr 2020 zeigt, dass für 88 Prozent der Mountainbiker*innen das Thema Naturgenuss an erster Stelle steht. Das ist der Ausflug zur Alm und Berghütte, die Kulinarik, das Panorama, aber eben auch die Abfahrt abseits von Forststraßen auf Wanderwegen. Die Motive (2) von Wandernden und Mountainbiker*innen sind sich also sehr ähnlich.
Wo Menschen involviert sind, passieren Fehler. Es kommt daher natürlich vor, dass jemand zu schnell und rücksichtslos am Wanderweg gen Tal braust und Wandernde verärgert oder gar gefährdet. Die Regel ist das allerdings nicht und Mountainbiker*innen können, wie auch alle anderen Bergsportler*innen, nicht über einen Kamm geschert werden. Die Aufklärung über die unterschiedlichen Disziplinen soll dabei helfen, ein tieferes Verständnis für diese diverse Sportart zu bekommen und den Faktor Mensch in den Vordergrund zu rücken. Damit läuft am Berg natürlich noch nicht alles reibungslos, dennoch ist der Alpenverein davon überzeugt, dass eine Koexistenz auch in Österreichs Bergen möglich ist. Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es bekanntlich auch zurück. Mit einem gewissen Maß an alpiner Sozialisierung, Rücksicht und Akzeptanz, haben wir alle am selben Weg Platz. Auch unsere Trailbell (erhältlich im alpenverein.shop) trägt maßgeblich zu mehr Respekt am Berg bei und kündigt Biker*innen durch das Bimmeln sanft und vor allem frühzeitig an. Schritt für Schritt kommen wir so einem friedlichen Miteinander immer näher.

Autor: René Sendlhofer-Schag ist Mitarbeiter der Abteilung Bergsport im Österreichischen Alpenverein. Bei Fragen zum Thema Mountainbike erreicht man ihn unter mountainbike@alpenverein.at
(1) Umfrage MTB 2020, https://www.alpenverein.at/portal/news/2021/2021_05_03_ MTB-Umfrage.php
(2) Mountainbike Tourismusforum Deutschland, https://www.mountainbike-tourismusforum.de/forschungsstand-mountainbiken-natursport-umweltauswirkungen