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Sicher Sportklettern am Fels
from Bergauf #1.2025
Nach der Hallensaison ist vor der Felssaison: Rechtzeitig zu Frühlingsbeginn hat der Club Arc Alpin (CAA) zehn Empfehlungen zum risikobewussten Klettern am Fels verabschiedet.
von Gerhard Mössmer
Sportklettern in Klettergärten stärkt Körper und Geist, fördert Gemeinschaft und Naturbeziehung und macht richtig Spaß. Beim Felsklettern gibt es aber Gefahren, die es in Kletterhallen nicht gibt. Diesem Umstand Rechnung getragen, verabschiedete die Bergsportkommission des CAA letztes Jahr – ergänzend zu den bewährten „Zehn Empfehlungen Sportklettern Indoor“ – nun zehn Tipps zum sicheren Klettern am Naturfels.
1) Wähle den passenden Klettergarten!
Damit wir beim Klettern in der Natur ebenso viel Spaß haben wie beim Klettern in der Halle, ist es wichtig, den passenden Klettergarten für unser Kletterniveau auszusuchen. Dabei geht es aber nicht nur um den Kletterspaß, sondern auch um sicherheitsrelevante Aspekte, da Klettergärten – je nach Region und Tradition – unterschiedliche Absicherungsstandards haben, sprich die Abstände der Haken durchaus groß sein können. Informationen diesbezüglich erhalten wir aus Kletterführern bzw. von den „Locals“ vor Ort. Was gilt es sonst noch zu beachten?
Wir müssen den Schwierigkeitsgrad der Tour viel genauer unserem Kletterniveau anpassen, da es keine bunten Griffe gibt, mit denen wir uns über die Schlüsselstellen hinwegschummeln können.
Außerdem müssen wir die Absturzgefahr beim Zustieg und am Wandfuß ebenso beachten wie die aktuellen Verhältnisse vor Ort: Besteht Steinschlaggefahr? Ist der Fels trocken? Oder besteht – insbesondere im Frühjahr – gar Lawinen- und/oder Eisschlaggefahr im Klettergarten oder beim Zu- und Abstieg? Besonders wenn wir mit Kindern unterwegs sind, kommt diesem Punkt – Schlagwort „Familienfreundlichkeit“ des Klettergartens –große Bedeutung zu. Zu guter Letzt wählen wir noch die Ausrichtung der Wand passend zur Jahreszeit und zur aktuellen Wettersituation.
2) Steinschlagrisiko einschätzen und beurteilen!
Nur weil es sich um einen „Garten“ handelt, heißt das noch lange nicht, dass dieser auch steinschlagsicher ist. Der Steinschlaghelm kann bei Steinschlag und Stürzen schützen. Hinweise zur Steinschlaggefahr finden wir ebenfalls in der Führerliteratur bzw. über „stumme Zeugen“ – das sind mehr oder weniger große, ausgebrochene Gesteinsbrocken, die am Wandfuß liegen. Besonders im Frühjahr kann es durch Frostsprengung immer wieder zu Steinschlagereignissen kommen, vor allem wenn sich über dem Klettergarten noch eine größere Felswand befindet.
3) Route beurteilen!
Bevor wir in eine Tour einsteigen, machen wir uns ein Bild von der Felsbeschaffenheit, Linienführung, der vermuteten Schlüsselstelle sowie Zustand, Abständen und Anzahl der Zwischensicherungen. Besteht Bodensturzgefahr durch einen hohen ersten Haken bzw. durch weit entfernte Folgehaken? Gibt es Absätze, Bänder und Vorsprünge im Sturzraum? Werden diese Fragen mit „Ja“ beantwortet, gilt es umso mehr, den Kletterschwierigkeiten – besonders zu Beginn der Route – gewachsen zu sein. Fix installierte Expressschlingen beurteilen wir immer kritisch. Diese könnten eingeschliffen sein, was bei einem Sturz im „Worst Case“ sogar zu einem Seilriss führen kann.
4) Team-Setup zu Beginn!
Nicht anders als in der Halle auch klären wir den Gewichtsunterschied und treffen im Falle geeignete Maßnahmen, wie das versetzte Einhängen der ersten beiden Expressschlingen oder die Verwendung eines zusätzlichen Reibungsverstärkers (z. B. Ohm von Edelrid). Zudem berücksichtigen wir Sicherungskompetenz und Tagesform und vereinbaren Kommunikationsregeln, insbesondere beim Ablassprozedere. Im Gegensatz zur Kletterhalle prüfen wir noch, ob wir auch genügend Expressschlingen sowie Material zum Umfädeln am Top mitführen.
5) Partnercheck vor jedem Start!
Natürlich führen wir auch im Freien den altbekannten und bewährten Partnercheck wie gewohnt mit Augen und Händen gegenseitig durch. Dabei checken wir Anseilknoten und Anseilpunkt, Sicherungskarabiner und Sicherungsgerät mittels Blockiertest sowie Gurt und Gurtverschlüsse. Besonderes Augenmerk legen wir auf den Knoten im Seilende: Im Freien kommt der ausreichenden Seillänge, respektive dem gesicherten Seilende mittels Knoten, noch größere Bedeutung zu als in der Halle, da es am Fels auf Grund eines zu kurzen Seils ohne Knoten im Seilende immer wieder zu schweren Unfällen kommt.

6) Volle Aufmerksamkeit beim Sichern
Was in der Halle gilt, gilt natürlich auch am Felsen: Wir sichern – immer dem Bremshandprinzip treu bleibend –mit vertrauten Geräten, wobei Halbautomaten zusätzliche Sicherheit bieten, und natürlich passen Karabiner, Seil und Sicherungsgerät zusammen. Etwas schwieriger umzusetzen als in der Halle ist der richtige Standort nahe der Wand und mit dem verbunden das Prinzip, kein Schlappseil zu produzieren bzw. den Sturzraum freizuhalten. Gegebenenfalls spotten wir bis zum Einhängen des ersten Hakens.
7) Volle Aufmerksamkeit beim Klettern!
Im Klettergarten sind Stürze nicht überall unbedenklich, deshalb gilt es gut zu überlegen, aus welcher Position wir die Zwischensicherung klippen. Auch können Griffe und Tritte ausbrechen, weshalb es umso wichtiger ist, alle Zwischensicherungen richtig einzuhängen. Besondere Vorsicht gilt – sowohl für den Kletterer als auch für den Sicherer –, wenn kein Sichtkontakt mehr besteht.
8) An der Umlenkung!
Ein wesentlicher Unterschied zur Kletterhalle sind die Umlenker am Top. Wenn umgefädelt werden muss, gilt 1. höchste Konzentration, 2. eine aufmerksame Schlusskontrolle und 3. eine klare Kommunikation mit dem Seilpartner. Toprope geklettert wird nur an einem zuverlässigen Stand, wobei wir auf Redundanz achten, indem wir z. B. die letzte Expressschlinge eingehängt lassen. Außerdem verwenden wir beim Topropen zur Schonung des Umlenkers unser eigenes Material. Achtung: Wegen der Schmelzverbrennung dürfen nie zwei Seile in eine Umlenkung eingehängt werden.
9) Vorsicht beim Ablassen!
Wir lassen nur über Umlenker aus Metall ab, niemals über textiles Material. Der Partner wird langsam und gleichmäßig abgelassen, das abgeknotete Seilende behalten wir ebenso im Blick wie Hindernisse am Boden.
10) Respektiere die Natur
Beim Klettern im Freien befinden wir uns in der Natur. Um ein friedliches Miteinander aller Nutzergruppen zu gewährleisten, ist es wichtig, dass wir Zutrittsverbote und Schonzeiten respektieren, die Vegetation schonen, indem wir konsequent Zustiegswege benützen, keinen Müll zurücklassen, kein Feuer entzünden und Lärm vermeiden. Vorhandene Toiletteninfrastruktur gilt es unbedingt zu nutzen, sind keine Toiletten vorhanden, hinterlassen wir beim Verrichten unserer Notdurft keine Spuren. Zu guter Letzt versuchen wir, umweltverträglich anzureisen und rücksichtsvoll zu parken.

Autor: Gerhard Mössmer sind Mitarbeiter der Abteilung Bergsport im Österreichischen Alpenverein.
Info: Mitglieder des Club Arc Alpin, des Dachverbandes der großen Bergsportverbände des Alpenbogens: AVS (Alpenverein Südtirol), CAI (Club Alpino Italiano), DAV (Deutscher Alpenverein), FFCAM (Fédération Francaise des Clubs Alpins et de Montagne), LAV (Liechtensteiner Alpenverein), ÖAV (Österreichischer Alpenverein), PZS (Planinska Zveza Slovenije), SAC (Schweizer AlpenClub)