Alpenpost 25 2015

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Lebzelter, Zuckerbäcker und Caféhäuser in Aussee Im Dreiklang der Ausseer Gewerbe: Lebzelter, Zuckerbäcker und Caféhäuser ist die Lebzelterei als Grundton das bedeutendste und bei weitem älteste Geschäft. Gehört doch die Lebzelterei zu den ältesten urkundlich genannten steirischen Gewerben. Die früheste Jahreszahl, in der ein Ausseer Lebzelter-Meister genannt wurde, ist mit 1584 festzumachen. Damals gehörte Aussee zum eigenständigen Staat Inneröstereich, Landesfürst war Erzherzog Karl II., fast die ganze Steiermark war protestantisch, und die Türkengefahr war groß. VON MARTIN TH. POLLNER Die Zeit um Nikolo und Weihnachten ist die wichtigste Jahreszeit für Lebzelter und Zuckerbäcker. In Aussee gab es schon lange, bevor die Bedürfnisse des Fremdenverkehrs die hiesigen Cafèhäuser und Konditoreien entstehen ließen, ortsansässige Handwerker, die mit Lebkuchen gewissermaßen Luxusartikel für die einheimische Bevölkerung herstellten. Ein kleiner historischer Überblick über die Lebzelter, Zuckerbäcker und Caféhäuser in Aussee mag deshalb jetzt reizvoll sein. Der Traditionsberuf des Lebzelters Mit dem Ausseer Lebzelter-Meister Timotheus Prunner aus 1584 ist nicht bewiesen, dass es in Aussee nicht auch schon viel früher Lebzelter gegeben haben kann. Die älteste steirische Nennung aus Oberzeiring mit dem Jahre1294 ist dem Zufall zu verdanken, weil die Berufsbezeichnung Lebzelter nur nebenbei als Beruf eines Zeugen in einer anderweitigen Verkaufsurkunde genannt wurde. Wenn es schon in einem so kleinen Ort einen Lebzelter gegeben hat, so ist deren Existenz auch in vielen anderen Orten anzunehmen. Im 14. Jhdt. waren alle bürgerlichen Handwerker, soweit sie nicht hofbefreit waren oder zu Klöstern gehörten, in streng organisierten Zünften vereinigt. So auch die Lebzelter, zu denen die Wachszieher, die Met-Erzeuger und im weitesten Sinn auch die Imker gehörten. 1523 erließ Landesfürst Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand I., das erste allgemeine Gesetz zur Auflösung der Zünfte, denen bis zur vollständigen Gewerbefreiheit 1859 noch vier weitere Gesetze folgten, die im Kern alle das gleiche bestimmten. Es war daher für einen Lebzelter-Meister nicht unbedingt notwendig, Mitglied einer Zunft zu sein, weshalb es auch nur spärliche Nennungen solcher Leute in Urkunden gibt. Die Existenz dieser Gewerbe in der Steiermark ist über lange Zeit ziemlich stabil, was auf die etwa gleichbleibende Anzahl der Imker bzw. Bienenstöcke hinweist. 1850 gab es etwa 80 Lebzelter. Mit dem Reichsgewerbegesetz des Jahres 1859 wurden die Lebzelter mit den Zuckerbäckern (Konditoren) organisatorisch in den Innungen vereinigt, was aber in der Praxis erst nach und nach geschah. Im Jahre 1859 zählte die Gewerbebehörde 93 Lebzelter, im Jahre 1870 gab es 100 Lebzelter. 1890 wurde mit 107 Lebzeltern der Höhepunkt erreicht, denn danach gingen die Lebzelter mehr und mehr in den Gewerben der Zuckerbäcker auf. Mit der Entwicklung der industriellen Herstellung von Zucker aus der Zuckerrübe entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. in Böhmen und Mähren riesige Zuckerfabriken, deren 18

Produkte natürlich auch von der stets anwachsenden Zahl der Zuckerbäcker verarbeitet wurden. Süße Versuchung in verschiedenen Formen Lebzelten oder Lebkuchen, wie sie ab dem 19. Jhdt. von den Zuckerbäckern genannt wurden, bestehen hauptsächlich aus Roggenmehl, Honig, Nüssen, Früchten, Gewürzen und fallweise sonstigen Zutaten wie Treibmittel. Weizenmehl eignet sich nicht zu Lebzelten. Die Lebkuchen haben die Eigenschaft, lange Zeit bei Normalbedingungen aufbewahrt werden zu können, ohne zu verderben. Im Zentrum der im Detail oft geheimgehaltenen Rezeptur steht der Honig, der aus der Bienenhaltung gewonnen wird, die zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Einrichtungen der ersten Klöster unseres Landes gehört. Geschmack, Bekömmlichkeit und der beherrschende Duft der Lebzelten werden bestimmt durch die Zusammensetzung der Zutaten und ihre Mengenverhältnisse, durch die jeweils spezielle Art der Herstellung, und vor allem durch die Auswahl der Gewürze. Was aber das Besondere der Lebzelten ausmacht, ist ihre Eignung zu besonderen Aufmachungen. Lebzeltenteig paßt sich genau an feine Modelformen an, ohne beim Backvorgang zu verfließen. Lebzelten sind optisch kleine Kunstwerke und eignen sich bestens als hübsche Geschenke. Es sind daher vor allem die Modelstecher, die den Lebzeltern phantasievolle Formen zur verkaufsfördernden Verfügung gestellt haben und dadurch das Lebzeltergewerbe für die Volkskunst bedeutsam machen. Und hier ist es wieder Aussee, wo aus dem Jahre 1660 das älteste steirische Lebzeltermodel mit der Signatur G. G. (Georg Gaiswinkler), das Bild eines reich gewandeten und verzierten Geschützmeisters, aus dem Besitz des Konditormeisters Gustav Lewandofsky jun., auf uns gekommen ist. Von 1618 bis 1648 wütete bekanntlich der 30jährige Krieg, der Deutschland an den Rand des Abgrundes geführt hat, und das Konterfei eines Geschützmeisters (oder Feuerwerkers) belegt ein wohl friedliches künstlerisches Ausseer Echo. – Im Allgemeinen wurden Formen und Aufmachungen von Lebzelten oft den Jahreszeiten, den befahrenen Kirtagen oder den kirchlichen Festen angepaßt. Aber nicht nur mit Formen wurde und wird geworben. Fertige Lebzelten werden oft mit extra Zutaten belegt, etwa mit Mandeln oder Nüssen oder Glasuren. Auch aufgeklebte farbige Bilder kommen gelegentlich vor, was aber ein Nachteil ist, denn das Papier muß man vor dem Essen ablösen, was nicht immer vollständig gelingt.

Honig als Hauptbestandteil der Lebzelten war in alter Zeit in Aussee nicht einfach zu bekommen, und seine Verfügbarkeit bestimmte, ob Lebzelten überhaupt hergestellt werden konnten und wieviel davon es geben konnte. Bienen benötigen die Bienenweide, das heißt bestäubbare Pflanzen aller Arten. Bei dem im Ausseerland vorherrschenden harten Klima, in dem kaum ausgedehnte Landwirtschaft möglich war und bei den hier ausgedehnten Nadelwäldern war Bienenzucht nicht in großem Ausmaß möglich. Der meiste Honig für Lebzelten mußte daher eingeführt werden. Dies geschah aus dem Ennstal und aus der Untersteiermark. Der von dort angelieferte Rohhonig war ein Gemisch gefüllter, gestampfter Waben, das in Fässern geliefert wurde. Darin befanden sich oft auch Larven, tote Bienen und andere Verunreinigungen, die einem Betrachter die Lust am Honig gründlich verleiden konnte. Die Raffinade ging in mehreren Schritten vor sich. Der Rohhonig mußte in eine sanfte Wärme gestellt werden, die den Honig verflüssigte, ohne auch das Wachs zu schmelzen. Verunreinigungen und Wachs wurden abgeschöpft. Der aus dem Rohhonig gewonnene Erste Honig konnte bereits vorteilhaft für Lebzelten verwendet werden, weil die geringen noch vorhandenen Wachsreste die im Backvorgang aufgehenden Bläschen im Lebzelterteig verfestigten. Daneben gab es noch einen stärker gereinigten, gesiebten Zweiten Honig, der von den Apothekern zur Herstellung von Medikamenten gebraucht wurde. Das für den Ersten Honig abgeschöpfte Gemisch von Wachs und Verunreinigungen mußte ebenfalls in seine Bestandteile geteilt werden, woraus das angereicherte Wachs gewonnen werden konnte, das seinerseits nocheinmal gereinigt und in der Sonne mehrfach gebleicht werden mußte. Es diente zur Herstellung von Kerzen, weshalb die Kerzen-zieherei ein Zusatzgewerbe der Leb-zelter war. Nicht alle Lebzelter befaßten sich damit. Das Auswaschen des Wachses führte zu einem honigreichen Rückstand, woraus der Nachseim gewonnen wurde, welcher den Rohstoff für den Met abgab. Daraus wurde einerseits der Süße Met hergestellt, der eine gekochte, geseihte und gewürzte Honiglösung war. Hingegen wurde der Starke Met erzeugt, indem der honigreiche Rückstand mit Hopfen versetzt und auf einen minderen Süßigkeitsgrad heruntergegoren wurde. Es ist dieser Starke Met, von dem berichtet wird, dass ihn die alten Germanen, in ihren Hütten auf Tierfellen lagernd, grölend aus Büffelhörnern genußvoll schlürften. Ob sie bei diesen kraftvollen Trinkgelagen auch Lebzelten naschten, ist nicht überliefert und darf

Das älteste Steirische Lebkuchenmodel aus 1660. Fotos: H. Pirker

bezweifelt werden. – Erst die Erfindung der Honigschleuder führte zu sauberen Honigausbeuten und weil die Waben wiederverwendet werden konnten, auch zum Ersatz des Bienenwachses durch Stearin und Paraffin für Kerzen. Auch die Reinheit und Süffigkeit des Metes profitierte von der Honigschleuder. Ausseer Lebzeltertradition In der langen Reihe der Ausseer Lebzelter scheinen viele Namen und Schicksale auf und insbesonders im 19. Jhdt. die turbulenten und nicht ganz einfach durchschaubaren Geschichten der Zuckerbäcker und Caféhäuser. Der eingangs schon genannte Timotheus Prunner aus dem Jahre 1584 scheint im Bürgerbuch des Marktes Aussee ab 1577 als erster hiesiger Lebzelter auf. Er besaß das heutige Markthaus Nr. 51 (alte Apotheke). Er war wie viele seiner Zeitgenossen ein aufrechter Protestant und wurde 1599 von der gestrengen Reformations-Kommission „verschmidt“, also in Eisen gelegt, nach Graz ins Gefängnis gebracht. Zurückgekommen mußte er Aussee verlassen, ging nach Regensburg, wurde wieder Bürger und verkaufte 1607 von dort aus sein Ausseer Haus. Der protestantische Lebzelterjunge (ein Lehrling?) Fabian Mays ging ebenfalls nach Regensburg und starb dort 1617. – Der nächste Ausseer Lebzelter, Hans Gamser, erhielt 1611 das Ausseer Bürgerrecht und erwarb 1614 das heutige Markthaus Nr. 146. – Der nächste Lebzelter war der Marktrichter Georg Gaiswinkhler sen.,


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