Alpenpost 16 2008

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Ein Kind und ein sehr weiser alter Chinese... Die Salzburger Brüder Wolfgang von Karajan (21. Juli 1906 – 4. November 1987) und Herbert (5. April 1908 - 16. Juli 1989) verbringen knapp vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges unbeschwerte Jugendjahre, oft auch im Hause der Großeltern in Grundlsee/ Mosern. In den Jugendbriefen aus Grundlsee an die Eltern entnimmt man noch Gemeinsamkeiten, da viele der Briefe in der „Wir-“ Form abgefaßt, manchmal von beiden Brüdern unterzeichnet, mit Tinte geschrieben sind. Es ist auch in den Kriegsjahren eine scheinbar unbeschwerte Jugendzeit mit vielen gemeinsamen Ausseer Erlebnissen - „wir waren im Kino..., wir gehen ins Kaiserfest..., wir können schon Stelzen gehen...“. Bemerkenswert der gemischt deutsch/französisch abgefaßte Brief Herberts aus Grundlsee vom August 1915: „chere maman Comment vas tu...Hier nous sommes Schinackerl gefahren mille baisers ton Herbert“. zehnte). Woran das liegt kann man möglicherweise einem Ausspruch von Michel Glotz, einem seiner Vertrauten, entnehmen: „Ein Kind und ein sehr weiser alter Chinese, das war die außergewöhnliche Mischung Herbert von Karajan“. Der Magier des Taktstockes starb am 16. Juli 1989 in Anif bei Salzburg.

Die Geschichte der Familie von Karajan

„Liebe Mama wie geht es Dir Hast Du meine zwei ersten Briefe bekommen? Papa hat uns schon geschrieben Schreib mir auch Die Pauline hat mir eine Karte vom Callenberg geschickt Gestern sind wir Schinackerl gefahren Tausend bussis Dein Herbert“

Wolfgang ist immer das Vorbild für den jüngeren Bruder. Gemeinsam werden viele Jugendstreiche ausgeheckt und durchgeführt, wird gemeinsam Motorrad gefahren und musiziert, im Chor von Bernhard Paumgartner bis zum Stimmbruch gesungen. Paumgartner, der auch eng mit Konrad Mautner zusammengearbeitet hatte, war damals schon ein

schaften zusammenhängt. Er ist auch ein ausgezeichneter Mathematiker. Die Brüder halten sich mehrere Monate in London zum Sprachstudium auf. Wolfgang beginnt ein Studium an der Technischen Hochschule in Wien und wird Diplomingenieur. In seinem eigenen Laboratorium für Elektrotechnik entwickelt er Elektro- und Mikrokardiographen. Ein Angebot für eine leitende Stelle in der Firma Siemens lehnt er ab. Sein Bruder Herbert, der auch hier seinem älteren Gefährten nacheifert, bricht sein

Fuge“ auf Tournee geht. Das führt zu ernsten Differenzen mit Herbert, der seinen Namen in Konzertankündigungen marketingmäßig mißbraucht sieht. Die beiden Brüder treffen einander kaum mehr, obwohl sie in der selben Stadt wohnen. Privatbesuche bei Herbert in Anif sind äußerst selten und zumeist nur nach mühsamer Terminvereinbarung mit dessen Sekretärin möglich. In einem Interview meint er, nicht mit Herbert tauschen zu wollen und „vielleicht haben wir uns gar nichts mehr zu sagen“. Wolfgang, der ärztliche Konsultationen ablehnt, stirbt am 4. November 1987 in Salzburg.

Maestro assoluto

Herbert, Wolfgang und ihre Eltern, Martha und Dr. Ernst von Karajan

Vertrauter von Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt, zusammen mit ihnen Gründungsmitglied der Salzburger Festspiele und später deren langjähriger Präsident. Wolfgang lernt Klavier, wird alsbald aber von seinem Bruder Herbert überflügelt und beginnt daher Geige zu spielen. Ein besonderes Faible entwickelt er aber für alles, was mit Naturwissen-

Technikstudium nach kurzer Zeit zu Gunsten seines Musikstudiums ab.

Bruderzwist im Hause Karajan Wolfgang ist ein sehr begabter Organist und baut auch selbst Orgeln. Er gründet ein Ensemble mit alten Musikinstrumenten und das „Karajan Orgelensemble“, mit dem er auch mit Bachs „Kunst der

Zu Herbert von Karajan, der von Natur aus mit einem unbezahlbaren „absoluten Gehör“ ausgestattet war, könnte man eine eigene Sondernummer gestalten, ohne die Persönlichkeit und Bedeutung für das Musikleben tatsächlich zu erfassen. Unzählige Biographien sind bereits erschienen und werden noch immer publiziert. Anlässlich seines hundertsten Geburtstages werden mehrfach Elogen und Berichte geschrieben und mehrere Dutzend Beispiele seiner musikalischen Hinterlassenschaft im Rundfunk und Fernsehen vermittelt. Das Phänomen Herbert von Karajan hatte mehr Machtpositionen als je ein Dirigent vor oder nach ihm. Der berühmte Dirigent Victor de Sabata sagt schon 1939 über Herbert von Karajan: „Denken Sie an meine Worte, dieser Mann wird dem Musikleben im nächsten Vierteljahrhundert seinen Stempel aufdrücken!" (Sabata irrt wohl nur im Zeitbegriff, denn Karajan dominiert die nächsten fünf Jahr-

Sie kann einige Jahrhunderte zurückverfolgt werden und ist geprägt von einer Reihe großer Persönlichkeiten: Georg Johann von Karajan (Karojoannes oder Karajannis) wird 1743 in Kozani in Makedonien geboren. Schon dessen Vorfahren waren dort heimisch. Interessant ist, dass in der Nähe des Geburtsortes die Siedlung Karayán liegt und ein Tal den Namen Karáyan-Ovasi trägt. Um 1760 reist Georg Johann nach Wien, um bei einem griechischen Handelsmann eine Lehre zu beginnen. Georg Johanns besonderes Geschick und seine Tüchtigkeit lassen ihn bald zum Verkäufer türkischer Waren auf der Leipziger Messe werden. Kurze Zeit später beschließt er, die Waren selbst anzufertigen und läßt sich in Chemnitz nieder. Er errichtet eine Fabrik, läßt seinen Bruder Theodor nachkommen und gründet weitere Webereien. Aufgrund seiner Fähigkeiten werden die beiden Brüder vom Kurfürsten Friedrich August Herzog von Sachsen 1792 in den Adelsstand erhoben. Um die Jahrhundertwende überläßt Georg Johann seinen beiden Brüdern (Bruder Johann ist ebenfalls nachgekommen) die Geschäfte und geht als Großhändler nach Wien. Seiner zweiten Ehe entspringen sechs Kinder. Sein jüngstes Kind Theodor Georg wird 1810 in Wien geboren und sollte ein bedeutender Altdeutscher Philologe und Geschichtsforscher werden. Er besucht das Gymnasium der Griechischen Gemeinde, kann aber auch seine technischen Fähigkeiten durch Unterweisungen im Glasblasen, Holz- und Metalldrehen erweitern. 1829 tritt er im Kriegsministerium in den Staatsdienst ein. Nach einem dreijährigen Leidensweg findet er endlich eine seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Stellung in der k.k. Hofkammer 19


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