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Was bedeutet eigentlich Alter?
from Neu Nota Bene 16
by Mateo Sudar
Statistisch gerechnet haben heute Achtzigjährige noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 7,92 Jahren (Männer) bzw. 9,45 Jahren (Frauen), Neunzigjährige noch 3,7 bzw. 4,26 Jahre, und Hundertjährige immerhin noch 1,91 bzw. 2,11 Jahre! Im Forum König-Karls-Bad erfuhren dies die Teilnehmer beim 11. GeriatrieForum Bad Wildbad Ende Oktober. Eingeladen hatte dazu die Johannesklinik Bad Wildbad. Deren Geschäftsführerin, Anneli Zenker, sowie Chefarzt Dr. Thomas Müller begrüßten die rund 50 Teilnehmer, überwiegend Ärzte, Physio- und Psychotherapeuten, Pharmazeuten und Pflegekräfte aus der Region, außerdem auch interessierte Einwohner von Bad Wildbad.

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Obige Aussage leitete den Vortrag „Diabetes mellitus – Besonderheiten der Behandlung im Alter“ von Alexander Friedl ein. Friedl ist Ärztlicher Leiter des Geriatrischen Zentrums
Stuttgart, Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie, Diabetologie und Diabetologe DDG. Geriatrie sei vor einigen Jahrzehnten noch „exotisch“ gewesen, da es sich ja „nur“ um „lauter alte Menschen gehandelt habe.“ Friedl hält dagegen: Alter sei nicht unbedingt Hinfälligkeit und keineswegs ein „kleines Thema.“ Geriatrie, so Friedl, ist die Lehre von den Krankheiten und Behinderungen, sowie den Besonderheiten bei alternden und alten Menschen. Bestandteile der Geriatrie sind Vorbeugung, Behandlung und Rehabilitation mit dem Ziel, den Verlust der Selbständigkeit zu vermeiden bzw. Hilfsbedürftigkeit wieder abzubauen.
Was bedeutet eigentlich Alter? Ab 30 Jahren verringern sich alle Körperfunktionen, was keine Krankheit ist, sondern durchaus normal. Das Alter zeigt sich als Syndrom (Kombination von verschiedenen Krankheitsanzeichen) von zahlreichen Symptomen, so u. a. Immobilität, Instabilität, intellektuellem Abbau, Isolation, Inkontinenz, Mangelernährung, Gebrechlichkeit, Schlafstörung, Depression, Delir, chronischem Schmerz, Schwindel, Seh-, Hör-, Sprechund Sprachstörungen, die oft nur teilweise angesprochen und erkannt werden. Rund drei Millionen Menschen über 65 Jahre leiden zudem an Diabetes mellitus (sog. Zuckerkrankheit), ab 80 Jahre sind es bereits bis zu 34 % (ca. 27 Mio.). Fol- gen des Diabetes mellitus sind vor allem Veränderungen am Nerven- und am Blutgefäßsystem, darunter das diabetische Fußsyndrom. Dazu kommen die Besonderheiten des Diabetes mellitus im höheren Lebensalter, die schwieriger werdenden Therapieziele sowie die Diabetesversorgung im Alter.
Prof. Dr. Gerhard W. Eschweiler, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter des Geriatrischen Zentrums der Eberhard Karls-Universität Tübingen, führte am Nachmittag in das Problem des „Delir“ ein, eine akute Störung der Gehirnfunktion, somit eine neurologische Erkrankung, eine Verwirrtheit im Alter, die im gewohnten häuslichen Umfeld zunächst kaum auffalle. Häufig würde diese Erkrankung erst bei einem Klinikaufenthalt erkannt werden. Durch eine zeitliche und örtliche Desorientierung wissen Betroffene oft nicht, wo sie sich befinden und aus welchem Grund sie dort sind. Auf Fragen geben sie oft unsinnig scheinende Antworten, wirken unkonzentriert und lassen sich leicht ablenken. Ihr Zustand ist nicht konstant, geistig klare und geistig verwirrte Phasen wechseln sich teils abrupt ab. Ärger, Reizbarkeit, Unruhe, Angst sowie Halluzinationen sind weitere Anzeichen eines Delirs, auch der Tag- und Nacht-Rhythmus wird oft umgekehrt. Leider würde häufig aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des Mangels an geschultem Pflegepersonal im Krankenhaus versäumt, verschiedene Faktoren abzufragen, um festzustellen ob ein Patient an einem Delir leide.
An beide Vorträge (mit Powerpointpräsentationen) des Tages schlossen sich ausführliche Fragen und Diskussionen an, die zeigten, dass die Probleme bekannt sind, man jedoch durchaus dankbar ist für Hinweise und Erklärungen, wie sie in den beiden Referaten von Alexander Friedl und Prof. Dr. Gerhard W. Eschweiler aufgezeigt wurden.
Götz Bechtle