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Das Leben is(s)t süß
from Neu Nota Bene 16
by Mateo Sudar
Süß – dieses Wort bewerten wir doch überwiegend positiv. Wir versüßen uns den Nachmittag, wir belohnen uns mit etwas Süßem, Zucker als Seelentröster oder Energiespender.
Uns entfährt ein: „Ist der süß“, wenn wir ein niedliches Hündchen sehen. Kein negativer Gedanke ist verknüpft mit diesem Wort. Wie kommt das?
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Für unsere Vorfahren war der Geschmack süß ein eindeutiges Zeichen, dass etwas genießbar war. Etwas, das man unbedenklich essen konnte, wie süße Früchte und Beeren. Da diese auch nur zu bestimmten Zeiten verfügbar waren, aß man davon auch soviel man bekommen konnte. Kam der Winter, war die süße Zeit vorbei. Süß gab es nur aus natürlichen Lebensmitteln, in begrenzter Form, zu begrenzten Zeiten. Das hat sich geändert.
Die Natur kennt das weiße Pulver Zucker nicht, er wächst nirgendwo und ist auch nicht wie Salz unter der Erde abbaubar. Zucker ist ein Produkt der Industrie, aus Zuckerrübe und Zuckerrohr, und so konnte er die Welt erobern. In raffinierter Form ist Zucker fast unbegrenzt haltbar und transportfähig. Damit konnte er in jedem Haushalt Einzug halten. Zucker ist das Lebensmittel, das unser Geschmacksempfinden am meisten verändert hat. Und er ist nicht nur zu bestimmten Zeiten zugänglich, sondern rund um die Uhr – morgens in der Marmelade, dem Fruchtjoghurt, den Müslimischungen, zwischendurch ein süßes Stückle, ein Softdrink, ein handlicher Pausensnack, der Nachtisch zum Mittagessen, ein Eis, ein Pudding, der Nachmittagskuchen, der Keks zum Kaffee, der Zucker im Tee… Und da gab es doch auch noch die Gummitiere, die froh machen, der Riegel, der mich mobil macht, der Drink, der mir Flügel verleiht, die extra Portion Milch im Schokoriegel oder ein Zwerg, der so wertvoll wie ein kleines „Steak“ ist.
Worauf ich nicht selbst Appetit habe, darauf macht mir die Werbung Appetit. Natürlich zielgerichtet auf die kleinsten Konsumenten unserer Bevölkerung, denn gewöhnen wir diese früh an den süßen Geschmack, sind uns die Kunden von Morgen sicher. Das wäre ja auch alles kein Problem, wenn da nicht die Nebenwirkungen wären. Nur stehen diese nicht auf dem „Einkaufszettel“ und darüber klärt uns auch nicht die Kassiererin an der Kasse auf.
Ein zu hoher Zuckerkonsum kann zu Karies führen, Diabetes fördern, Blut- hochdruck begünstigen, die Regulierung des Gewichts im Gehirn durcheinanderbringen und somit Übergewicht bewirken. Zuviel Zucker kann in Fett umgewandelt werden und damit das Risiko für Herzkrankheiten steigern. Zucker kann eine Rolle bei der Alzheimerkrankheit und der Entwicklung von Demenz spielen, auch bei Kindern hat man eine geistige Minderleistung durch zu hohen Zuckerkonsum feststellen können. Leider lieben auch Krebszellen Zucker. Sie wachsen besonders gut, wenn sie gut genährt werden.
„Wir stellten fest, dass Saccharose (Haushaltszucker) in Mengen, wie sie in der normalen westlichen Ernährung vorkommen, zu einem verstärkten Tumorwachstum und einem höheren Ausmaß an Metastasenbildung führt. Eine stärkereiche Ernährung hingegen, die keinen Zucker enthält, bringt diese Gefahren in deutlich geringerem Maß mit sich“, so Dr. Peiying Yang, Assistenzprofessorin für Palliative Medizin, Rehabilitation und Integrative Medizin. Und da Zucker auch die gleichen Aktivitätsmuster im Gehirn erzeugt wie süchtig machende Drogen und das Belohnungszentrum stimuliert, kann es auch zur Zuckersucht kommen. Wird dann versucht, auf den Zucker zu verzichten, kommt es zu ähnlichen bis gleichen Symptomen wie beim Alkohol- oder Drogenentzug.
Unser Gehirn braucht Zucker als wichtigsten Energielieferanten. Aber damit ist der Baustein gemeint, den der Körper aus Früchten, Kartoffeln, Reis und anderen Getreideprodukten selber gewinnen kann. Im Notfall auf Umwegen, auch durch fett- und eiweißhaltige Lebensmittel. Nur die süße Versuchung, die braucht es nicht. Die riesigen Mengen Zucker, die wir heute verspeisen, kann unser Körper auf die Dauer gar nicht verarbeiten oder verbrauchen. Das ständig erhöhte Insulin heizt nicht nur die Speicherung von Fett an, son- dern bewirkt, dass die Zellen im Körper immer schlechter auf das Insulin ansprechen.


Inzwischen ist das auch vielen Menschen bewusst und sie wollen ihren Zuckerkonsum einschränken. Das ist nicht im Interesse der Lebensmittelindustrie. Nur 17 % des Zuckers, den wir Deutschen verspeisen, kaufen wir selbst ein. Gut 83 % verzehren wir als „versteckten Zucker“ dort, wo ihn keiner vermutet. Das kann in den Milchbrötchen zum Frühstück sein, im Schinken, der Salami, in der Teewurst, der Dose Ravioli, der Fertig-Hühnersuppe oder der Tiefkühlpizza. Da ist es wieder, das Kleingedruckte auf der Packung. Und wenn ich das entziffert habe und keinen Zucker drauf finde? Bin ich längst nicht auf der sicheren Seite. Gut getarnt, damit es keiner merkt, verwenden Lebensmittelhersteller auch andere Zuckerarten oder süßende Zutaten, die zum Teil nur schwer als Zucker zu erkennen sind. Zu Zuckern und zucker- reichen Zutaten gehören Saccharose, Dextrose, Raffinose, Glukose, Fruktosesirup oder Fruktose-Glukose-Sirup, Glukosesirup, Glukose-Fructose-Sirup oder Stärkesirup, Karamellsirup, Laktose, Maltose oder Malzextrakt/Gerstenmalzextrakt, Maltodextrin, Dextrin oder Weizendextrin. Den Zuckerkonsum reduziert man am besten, indem man naturbelassene Lebensmittel konsumiert! Je weniger Zutaten auf der Zutatenliste stehen und je unverarbeiteter das Lebensmittel, desto besser.
Es geht nicht darum, nie wieder Süßes zu essen oder mit Reue und schlechtem Gewissen ein Stück Kuchen zu verdrücken. Es geht darum, dass ich mir bewusst mache, was ich esse, wieviel ich esse, wann ich esse. Kann ich den Kuchen als etwas Besonderes genießen? Oder esse ich mich an 3 Stück satt? Kann ich mir eine gute Praline auf der Zunge zergehen lassen, den zarten Schmelz spüren, wenn langsam die Schokolade schmilzt, oder esse ich eine Tafel Schokolade wie ein Stück Brot? Brauche ich 2 Löffel Zucker im Kaffee oder tut es doch auch einer? Man kann sich den Zuckerkonsum auch langsam wieder abgewöhnen. Und man kann auf Produkte verzichten, in denen Zucker nichts zu suchen hat. Dazu gehören besonders Fertiggerichte. Natürliches Essen, Essen ohne zugesetzte, versteckte Zuckerarten. Süße aus frischen Früchten oder auch getrocknetem Obst, wie z. B. Datteln und Feigen, die im Müsli sehr gut den Zucker ersetzen können. Oder mit den Worten von Hans Lauber gesagt (Autor von Fit wie ein Diabetiker): „Meine Philosophie ist, ernähre dich aus der Natur heraus, ernähre dich im Rhythmus der Jahreszeiten und schau, dass du das mit Genuss verbindest.“
Bianka Zielke MHT Ernährungsberaterin und Diätassistentin
Kurz vor der Ankunft bittet die Studentin der Theologie/Sozialen Arbeit Damaris Diestel ihren Freund, Daniel Wiesner, ganz langsam zu fahren: „Da vorne darfst du aber nur 5 km/h fahren!“. Als Daniel in die Straße zum Johanneshaus in Monakam einbiegt, weiß er warum. Die Aussicht über das Liebenzeller Schwarzwaldtal ist gigantisch. Ganz ruhig wird es im Auto und dann ist nur ein „Ohhh…“ zu hören. Auf den Gesichtern von Damaris, Daniel und der Kommilitonin Elisabeth formiert sich ein Lächeln. Alle zwei Wochen besuchen sie die Bewohner des Johanneshauses Bad Liebenzell-Monakam.
Als die Studenten der Internationalen Hochschule Liebenzell an dem Nachmittag ankommen, ist die Einrichtungsleitung gerade in einer Besprechung und so gehen Damaris, Elisabeth und Daniel selbstständig in den Aufenthaltsbereich 2. Sie tragen bereits eigene Namensschilder des Johanneshauses und sind als „ehrenamtlicher Mitarbeiter“ ausgeschrieben. Es warten bereits 10 ältere Menschen auf sie. Sofort steht eine ältere Dame, Carmen*, auf und nimmt Damaris‘ Hand in ihre eigene. Sie hält sie ganz fest und begrüßt sie mit etwas unverständlichen Worten. Dann bekommt Damaris‘ Strickjacke ihre Aufmerksamkeit und Damaris fragt sie: „Möchten Sie die gerne mal anziehen?“ und zieht sie im selben Moment schon aus und hilft der älteren Dame, sie anzulegen. Die freut sich, sodass Damaris noch hinzufügt: „Die brauche ich nachher aber wieder!“
Elisabeth hat sich derweil zu einer anderen älteren Dame im Rollstuhl begeben. Sie hockt mit einem breiten Lächeln neben dem Rollstuhl. Eine Hand hält sich an der Rollstuhllehne fest und die andere hat sie ganz sanft auf den Unterarm der älteren Damen gelegt. „Hallo Frau Weber*, wir sind heute wieder zu Besuch da!“, beginnt Elisabeth das Gespräch, aber Frau Weber hat Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium. Sie kann sich kaum artikulieren. Lediglich Laute gibt sie von sich. Liebevoll begrüßen die Studenten jeden einzelnen im Raum.
Den Pflegern sind die Studenten schon bekannt. Diese holen in der Zwischenzeit den Kuchen. Es