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Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage

Eine Gebrauchsanleitung für

Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium

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enberichts durch den Tenor singt der Chor-Sopran gemeinsam mit dem Bass-Solisten in einem wundervollen Wechselspiel den Choral und das Rezitativ „Er ist auf Erden kommen arm“. Dann folgt die fulminante Bassarie „Großer Herr, o starker König“. Das gesamte Orchester treibt in ihr mit atemberaubender Verve das musikalische Geschehen vorwärts. Vor allem die strahlenden Trompetenklänge in dieser Arie erinnern uns noch einmal an den Impetus des Eingangschores „Jauchzet, frohlocket.“ Der erste Teil des Weihnachtsoratoriums, der von der armseligen Geburt des Heilands erzählt und dieses wunderbare Geschehen in seinen Arien intensiv beleuchtet, endet mit dem Choral „Ach mein herzliebes Jesulein“. Dabei kommt noch einmal das ganze Instrumentarium zum Einsatz; und zwar in einer grandiosen FestHymne von Chor und Orchester.

Am Beginn des zweiten Teils steht die Sinfonia in G-Dur. Diese „Hirtenmusik“ erzählt uns in musikalischer Form von der Begegnung der Hirten mit der Engelschar. Es kommen einem, während man diese Musik hört, wie von selbst die passenden und dazugehörigen Bilder und Szenen in den Sinn. Wir hören anschließend die Worte des Evangelisten „Und es waren Hirten in derselben Gegend...“. Es folgt der Choral „Brich an, o schönes Morgenlicht“. Man stelle sich vor: 2. Weihnachtstag 1734, 7 Uhr morgens, Hauptgottesdienst zu Leipzig – und dann dieser strahlende Choral! Der Evangelist kündigt den Engel an und jener spricht mit der Stimme des Soprans: „Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude...“. Nach einem Bass-Rezitativ, der Tenorarie (Frohe Hirten, eilt, ach eilet), dem Evangelisten, einer Choralstrophe und einem Bass-Rezitativ erwartet uns eine der schönsten Arien aus Bachs Schaffen „Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh“. Ein Wiegenlied dem neugeborenen Kind von der Altstimme zärtlich vorgesungen. Wenn diese große, getragene Arie verklungen ist, berichtet der Evangelist vom Erscheinen der himmlischen Heerscharen und diese loben Gott mit einem prächtigen Chorsatz „Ehre sei Gott in der Höhe“. Das Bass-Rezitativ bekräftigt den Jubel der Engel und drängt die Gemein- de, mit einzustimmen in den Lobgesang „Wir singen dir in deinem Heer“. Mit dieser Strophe aus Luthers Kinder-Weihnachtschoral „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ beschließt Bach die zweite Kantate des Oratoriums.

Nun zu Kantate Nummer drei aus Bachs Weihnachtsoratorium (BWV 248) „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen, lass dir die matten Gesänge gefallen...“. Im ersten Satz gibt Bach gleich zu, wie schlecht, wie miserabel doch seine und unsere aller Musikalität neben dem Wunder der Heiligen Geburt bestehen kann. Dieser herrliche Lobgesang, den der Chor und das Orchester unter dem Aufgebot aller zur Verfügung stehenden Stimmen und Instrumente bereitstellen, wird als matt und unzureichend deklariert; dass hier allemal auf höchstem Niveau „gelallt“ wird, steht außer Frage. Thema des Eingangschores und der gesamten Kantate ist der nächtliche Weg der Hirten nach Bethlehem und deren Anbetung des neugeborenen Christuskindes. Der Evangelist setzt seine Schilderung der Ereignisse nach dem Lukasevangelium fort. Die Hirten machen sich auf, der Chor singt „Lasset uns nun gehen...“. Man hört und sieht das Hirtenvolk förmlich, wie es eilig, voll Erwartung und Spannung seine Wanderung beginnt. Das Rezitativ des Basses gibt uns und den Hirten einen Hinweis darauf, was diese Christnacht eigentlich bedeutet. Es folgt der Choral „Dies hat er alles uns getan“. Der sechste Satz ist das Duett von Sopran- und BassStimme: „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“. Dieser Satz wird von nur kleiner Besetzung filigran begleitet. Das dann folgende Evangelisten-Rezitativ erzählt uns folgendes: die Hirten finden Maria, Joseph und das Kind in der Krippe; sie verstehen und begreifen die Botschaft und geben sie weiter. Danach erklingt die Altarie „Schließe, mein Herze, dies selige Wunder“. Diese vermittelt eine ganz nach innen führende Sicht auf das Wunder der Christnacht. Begleitet wird die Altstimme bei ihrer leisen, fast meditativen Arie von einer Violine und dem Basso continuo. Die Altstimme ist direkt danach mit ihrem Rezitativ zu hören und bekräftigt darin noch einmal den Inhalt der vorher erklungenen Arie. Zwei Choräle – dazwischen die Worte des Evangelisten – setzen die Kantate fort. Der erste Choral „Ich will dich mit Fleiß bewahren“, etwas getragener, in langsamerem Tempo. Der zweite Choral „Seid froh dieweil...“, mit mehr Dynamik und nach oben führenden Linien. Die dritte Kantate endet dort, wo sie ihren Ausgangspunkt hatte. Der Eingangschor erklingt noch einmal und bildet damit einen sich perfekt schließenden Kreis als ein treffendes Symbol für dieses ewige Wunder der Heiligen Nacht.

Wolfgang Waldenmaier

CD-Tipps

Bach: Weihnachtsoratorium –Münchner Bachchor und Orchester, Leitung: Karl Richter, Deutsche Grammophon/ Archiv, 1965

Bach: Weihnachtsoratorium –Gächinger Kantorei, Bach-Kollegium Stuttgart, Leitung: Helmut Rilling, Hänssler, 1987

Bach: Christmas Oratorio –Monteverdi Choir, English Baroque Soloists, Leitung: John Eliot Gardiner, Deutsche Grammophon 2011

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