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Sportklettern auf Mallorca

Sam und Timon trotz Hitze entspannt in Mallorca

Ein paar Eindrücke eines Versuchs, im Hochsommer auf einer als Partymekka verschrienen Mittelmeerinsel zu klettern.

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Text: Sam Wehr Fotos: Sam Wehr und Timon Höbert

„Hast du Tipps für Klettergebiete, in denen es auf Mallorca im Sommer aushaltbar ist?“, frage ich im Frühjahr 2021 einen Bekannten, dessen Social-Media-Account mir verraten hat, dass er dort momentan die Felswände unsicher macht. „Nur im Wasser“, antwortet er, „es ist jetzt Ende April schon zu heiß zum Klettern.“ Trotz dieser Hiobsbotschaft halten wir an unserer Idee fest, die eigentlich aus einer geplanten, später in den digitalen Raum verschobenen Konferenzteilnahme entstanden ist: Die Felswände der berüchtigten Partyinsel zu erkunden – und das mitten im Hochsommer. Denn der Wunsch, mit Blick aufs Meer im Seil zu hängen und danach zur Abkühlung ins Wasser zu hüpfen hat sich bereits in unseren Köpfen festgebrannt. War es die beste Entscheidung? Lest und urteilt selbst!

Man muss dazu wissen: Mallorca ist wirklich mehr als die verrufenen Partytouristen und überfüllten Sandstrände. Das Meer ist glasklar, warm und karibisch türkis, das Essen köstlich (auch für Vegetarier*innen und Veganer*innen gibt es inzwischen genügend Angebote in den Lokalen!) und die Geschichte und Architektur faszinierend. Und zuletzt wären da die Felswände der Insel: ein Eldorado fürs Klettern in allen Schwierigkeitsgraden! Somit sind wir im Juli 2021 nach ein paar Tagen wallender Hitze und ausgiebigem Sonnenbaden wohl die einzigen Gäste auf der Insel, die sich über das angesagte Gewitter und das darauffolgende kühlere Wetter freuen – wenn auch nur für ein paar Stunden. Also: Möglichst früh aufstehen und den Temperatursturz in eine möglichst hohe Anzahl an Kletterstunden umwandeln. Doch als wir auf die mittelalterliche Kleinstadt Valldemossa und das malerisch schöne Tramuntana-Gebirge zufahren, regnet es schon wieder. Wir fahren weiter und warten einmal ab. Und siehe da, die Wettergötter entscheiden, uns einen Klettertag bei blauem Himmel an einer schattigen Wand zu schenken.

S’estret Die Temperaturen bleiben annehmbar, und wir treffen im Klettergebiet S’estret im Sektor Cuarentón ein einheimisches Klettertrio und lernen schnell den spanischen Ruf für „Seil!“

Heiße Tipps

» Himmelsausrichtungen – Einige Wände liegen nur vormittags im kostbaren

Schatten, nur ein paar wenige den ganzen

Tag. Der Großteil bekommt so viel Sonne ab, dass klettern im Sommer leider unmöglich ist. » Sonnenschutz – Sonnencreme mit

LVS 50+ und ein atmungsaktives T-Shirt sind Pflicht. » Wasser – Immer genügend Trinkwasser mitnehmen. » Mietwagen – Zu den Wänden kommt man am besten mit einem (möglichst kleinen und flexiblen) Mietwagen. Wir empfehlen eine Selbstbehaltsreduktion: Viele der

Zufahrtswege sind nicht asphaltiert und hinterlassen unschöne (und teure) Spuren auf dem Lack – haben wir gehört ;–).

links: Abhängen im berg:rausch-Outfit nahe Santanyí rechts: Timon beim DWS in der Cala Sa Nau

Mallorca: Ein Eldorado für Sportklettern und DWS – zur richtigen Jahreszeit. (la cuerda!). Mit Helm (el casco) klettern aber nur wir. Bei den teilweise noch feuchten Wänden kam uns das Magnesium (el magnesio), das wir so wie all unser anderes Kletterzeug in einem riesigen 23KiloKoffer transportieren, gerade recht. Die Routen dort sind gut, nur etwas abgeschmiert und kurz. Wir fragen also unsere neuen Amigos nach ihren besten Tipps für unseren Kletterurlaub. Die sind sich einig: Die Kombination aus dem Besten, was Mallorca zu bieten hat, findet man im Südosten der Insel!

Port d‘Andratx Bevor wir, nach einem Zwischenstopp am nördlichsten Punkt der Insel, am Cap Formentor, wieder gen Südosten fahren, versuchen wir uns an einer Wand an der Westküste, gegenüber der Villenreihen von Port d’Andratx, in der Cala Llamp. Doch schon während der ersten Route, mit wilden Ziegen im Rücken und nach einem kurzen, aber abenteuerlichen Zustieg durch Sand und Palmengestrüpp, ist uns klar, dass es die einzige für heute bleibt. Es ist heiß, sehr heiß. T-Shirt und schwitzen oder Sonnenbrand? Wir entscheiden uns, abzubrechen und stattdessen am Strand zu faulenzen.

Santanyí Bekannt ist diese Gegend unter Sportler*innen vor allem für ihre Idealvoraussetzungen für Deep Water Soloing (DWS), bei dem man ungesichert über dem Meer klettert. Wir haben auch hier nach ein paar Tagen des Entspannens bei über 30 Grad im Schatten wieder Glück und erwischen gegen Ende unseres Urlaubs einen windigen und bewölkten Morgen und können anschließend sogar den ganzen Vormittag im Klettergebiet Torre d’en Beu sportklettern. Direkt am Meer und über den rauen Wellen klettern wir im Sektor „Germany“ einige traumhafte Routen, allein mit ein paar einheimischen Fischern, die uns interessiert beobachten. Danach gönnen wir uns im Ort ein veganes Mittagessen im „Retroway“. Am nächsten Tag finden wir sogar noch eine anfängerfreundliche DWS-Route namens „Frogger“ für Timon in der Cala Sa Nau. Mulmig ist mir schon zumute: Wird er es unbeschadet aus dem Wasser schaffen, sollte er fallen? Zum Glück turnt er gekonnt die Route hinunter und wieder hinauf, bis wir uns endlich wieder unter ein paar Pinien vor der prallen Sonne verstecken können.

Also: Mallorca im Sommer? Am Ende der Reise angekommen, lässt sich festhalten: Mallorca ist eine wunderschöne Insel, es gibt viel zu sehen, zu genießen und zu erleben. Der Fels ist toll, die Aussichten grenzgenial, das Meer unglaublich warm und blau. Aber zum Klettern sollte man lieber das Frühjahr oder den Herbst ansteuern. Die Hitze macht richtig träge, und ohne etwas Glück sind die Wände einfach nicht kletterbar. Wir sind trotzdem um einige Erfahrungen reicher und freuen uns aufs nächste Mal, hasta luego!

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