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Weltmeister beim Problemexport

Außenhandel

Deutschland ist nicht nur im Handel mit Fahrzeugen oder Maschinen eine führende Exportnation, sondern auch bei Abfällen. Im öffentlichen Fokus stehen vor allem die Kunststoffabfälle. Kritiker behaupten, dass hier keine Wertstoffe, sondern Probleme exportiert werden.

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Jahrelang waren Kunststoffabfälle ein unauffälliger, gern gesehener Gast auf den großen Frachtschiffen, die diese zwischen den Nordseehä fen und Asien transportierten. Schließlich trugen sie dazu bei, eine Reihe von Problemen zu lösen. Die deutschen Exporteure wurden legal und kostengünstig ein ungeliebtes Gut los. Die Empfänger in Fernost machten unter nicht ganz so trans parenten Bedingungen ebenfalls ein Geschäft. Und die Reedereien gene rierten ein paar Euro Frachterlös auf den traditionell schlecht ausge lasteten Fahrten in Richtung Osten. Doch mittlerweile hat das Bild von einer Win-Win-Win-Situation tiefe Risse bekommen. Medienberichten zufolge geht das Geschäft mit den Kunststoffabfall-Exporten mitunter zu Lasten der Umwelt. Sie belegen, dass Kunststoffe in den Empfänger ländern teilweise keineswegs recycelt oder zumindest fachgerecht thermisch verwertet, sondern ille gal deponiert werden. Im Raum steht etwa der Vorwurf, dass die Kunststoffabfälle die Meere weiter verschmutzen. Wird unser Müll aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne in Ländern der Drit ten Welt oder Schwellenländern nicht umweltgerecht recycelt oder entsorgt?

15 bis 20 % der Kunststoffabfälle werden exportiert

Der Website des deutschen Umweltbundesamtes (UBA) zufolge dürfte es solche Probleme gar nicht geben. „Die Abfallwirtschaft verwertet die gesammelten Kunststoffabfälle nahezu vollständig. Im Jahr 2017 hat sie 46 % aller gesammelten Kunststoffabfälle werkstofflich und knapp 1 % rohstofflich verwertet. 53 % der Abfälle wurden energe tisch verwertet“, schreibt die Behörde. Wobei die Verwertung nicht unbe dingt in Deutschland oder der EU stattfindet, wie eine Sonderausgabe des Exportseismographen Deutsch land (ESD) belegt, den AEB gemeinsam mit dem Institut für angewandte Logistik der Hoch schule Würzburg-Schweinfurt herausgibt. Demnach wurden allein im Jahr 2018 etwa 1,05 Mio. t Kunst stoffabfälle aus Deutschland expor-

tiert. Das entspricht ungefähr 15 bis weise durch andere Exporte in 20 % der gesammelten Menge. andere Länder kompensiert wird. „Es ist zunächst einmal völlig legal, Malaysia stieg mit einer Import Kunststoffabfälle zu exportieren. menge von 131.426 t im Jahr 2018 Sie sind weltweit als ungefährlicher zum wichtigsten Empfängerland Müll eingestuft, der nach EU-Recht auf, gefolgt von den Niederlanden und internationalen Beschlüssen (123.010 t) und Polen (79.388 t). frei gehandelt werden darf“, sagt Dr. Ulrich Lison, Außenwirtschaftsexperte von AEB. Bußgelder bei Verstößen: Sortenreiner Kunststoffabfall bringt Durchschnittlich 118 Euro je nach Marktpreis 650 bis 900 Euro 2018 waren es gerade noch 13.386 t. Ein Blick in den ESD zeigt, dass der weitgehende Wegfall Chinas teil pro Tonne. Aus einge schmolzenen „Bemerkenswert ist die Entwicklung Abfällen können beispielsweise in mehreren Schwellenstaaten. Hier Pellets produziert werden, die in der sind große Sprünge zu beobachten“, Produktion von neuen Plastikpro sagt Prof. Christian Kille vom IAL. dukten einfließen können. Exporte von Kunststoffabfällen Das Problem: Viele Kunststoffexnach Indien nahmen zwischen 2013 porte sind nicht vorsortiert oder und 2018 um 180 % zu, in die Türkei auch nur gereinigt. Abnehmende um 603 %, nach Vietnam um Unternehmen aus der Dritten Welt 1.256 % und nach Indonesien um suchen sich allenfalls bestimmte 11.733 %. Doch auch dort regt sich Teile heraus, deren Verwertung Widerstand. Sowohl die Philippinen lukrativ ist. Der Rest wird unter als auch Malaysia schickten unsor fragwürdigen Bedingungen tierten (und somit falsch deklarierverbrannt – oder landet auf einer ten) Müll in die Empfängerländer Deponie. zurück. Wer in Deutschland Plastikmüll für den Export falsch deklariert, hat Müllströme ändern sich bislang hingegen hierzulande abfall Das Problem kochte erst im Jahr Mal musste laut einer Statistik des 2017 hoch als die Volksrepublik Umweltbundesamtes für das Jahr China ankündigte, ab 2018 ein 2017 illegaler Abfall (alle Abfallsor Importverbot für unsortierten Plas ten) rückgeführt werden. In 247 tikmüll zu erlassen. Bis dahin waren Fällen wurden Bußgelder von durch die Chinesen mit großem Abstand schnittlich 118 Euro verhängt. Dazu das größte Empfängerland für deut gab es 23 Geldstrafen und eine sche Kunststoffabfall-Exporte. Im einzige Haftstrafe von drei Monaten. Jahr 2013 betrug die Abnahme Außenwirtschaftsrechtlich liegen menge laut ESD 641.000 t. Im Jahr keine Zahlen vor. rechtlich wenig zu befürchten. 108 Kommen Exportverbote für Kunststoffabfälle?

In einigen dieser Staaten werden mittlerweile Einfuhrverbote ange strebt. Auch in Europa gibt es Bestrebungen, die bestehenden Regelungen zu verschärfen. Norwe gen hat den Vorschlag gemacht, gemischten und verunreinigten Plastikmüll der Gruppe von Abfäl len zuzuordnen, die besonderer Prüfung bedürfen. Aufgrund der in der EU geltenden Abfallverbrin gungsverordnung würde das ein Exportverbot in Staaten außerhalb der OECD (Organisation für Sicher heit und Zusammenarbeit in Europa) bedeuten. Die deutsche Bundesregierung unterstützt den Vorschlag. Aber auch ohne solche Regelungen ist der Export von Kunststoffabfällen ein schrumpfender Markt. Wurden im Jahr 2016 rund 1,5 Mio. t aus Deutschland exportiert, waren es im Jahr 2018 nur noch etwa 1,05 Mio. t. Wird der norwegische Vorschlag angenommen, wird sich die Zahl noch einmal drastisch reduzieren.

Der Autor: Björn Helmke ist normalerweise ökologisch eher etwas sorglos unterwegs. Die Recherchen zu diesem Beitrag veranlassten ihn jedoch zu einer Überprüfung seiner eigenen Konsumgewohnheiten rund um Plastikverpackungen. Er schloss sich mittlerweile einer Initiative seiner Kollegen aus der AEB-Geschäftsstelle Hamburg an, die ihr Mittagessen nicht mehr in Einwegverpackungen abholen, sondern in mehrfach verwendbaren Plastikbehältern.

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