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Musiker:innen und ihre Instrumente
IM DIENST DER HARMONIE
Bei einer Diskussion im Fernsehen wurde der berühmte Dirigent Leonard Bernstein gefragt, welches denn der schwierigste Part in einem Orchester sei. Seine Antwort: «Die zweite Geige!» Auf Nachfrage konkretisierte er dann: «Ich kann viele erste Geiger bekommen; aber einen zu finden, der mit gleicher Begeisterung die zweite Geige spielt, das ist wirklich ein Problem. Doch wenn niemand die zweite Geige spielt, dann haben wir im Orchester keine Harmonie.»
INTERVIEW PETRA MEYER
Silviya, du spielst im ZKO seit genau zehn Jahren die zweite Geige als stellvertretende Stimmführerin. Bist du demnach ein Mensch, für den Harmonie eine grosse Rolle spielt?
Ja, natürlich. Harmonie ist für mich sehr wichtig. Gerade in so einem kleinen Orchester wie dem unseren geht es nicht ohne ein harmonisches Miteinander. Zum Glück sind wir alle wie eine grosse Familie. Wir kennen uns auch persönlich sehr gut. Das Orchester besteht aus grossartigen Persönlichkeiten, nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich. Wir können alles besprechen und miteinander offen diskutieren. Das ist der grösste Gewinn für mich.
Würdest du dem Eingangszitat von Leonard Bernstein zustimmen oder siehst du die Rolle der zweiten Geige im Orchester doch etwas anders?
Als zweite Geige spielt man oft auf den mittleren Saiten. Auf diesen ist es nicht so einfach, einen strahlenden Ton zu bekommen. Da hat es die erste Geige auf der E-Saite leichter. Die erste Geige spielt oft die oberen Oktaven und wir die unteren. Dort muss man kräftig spielen, mit viel körperlichem Einsatz – aber gleichzeitig auch warm. Im Prinzip vermittelt die zweite Geige zwischen der ersten und der Bratsche. Dazu muss sie auf beide Seiten einfühlsam reagieren können. Die zweite Geige muss also vor allem sehr flexibel sein.
Silviya Savova-Hartkamp wurde in Bulgarien geboren. Mit sieben Jahren erhielt sie ihren ersten Violin-Unterricht. An der Zürcher Hochschule der Künste erhielt sie im Jahr 2009 das Konzertdiplom mit Auszeichnung und im Jahr 2012 den Master in Specialized Music. Von 2011 bis Ende 2012 hat sie in der ersten Violine im Musikkollegium Winterthur gespielt. Seit Januar 2013 ist Silviya Savova-Hartkamp Mitglied des Zürcher Kammerorchesters.
Zu Beginn der Saison 2022/23 konnten dich unsere Konzertbesucher in Quintett- und Quartettformation beim Nuggikonzert «Träumerei» erleben. Es ist bestimmt nicht ganz einfach für eine Musikerin, sich auf das Werk zu fokussieren, während Babys zwischen den Instrumenten krabbeln. Wo hast du dir diese innere Ruhe angeeignet?
Ich liebe Kinder und beobachte unglaublich gerne, wie sie reagieren. Jedes Kind ist anders. Manche sitzen nur mit offenen Augen da, andere springen und tanzen. Schon während des Studiums wurden wir gründlich darauf vorbereitet, fokussiert und konzentriert zu spielen. Ausserdem bin ich selbst Mutter zweier Kinder. Von daher machen mir solche Situationen nichts aus. Im Gegenteil – es macht wirklich Spass. Es ist so schön, Kindern eine wertvolle Erfahrung zu schenken. Gerade habe ich die Rückmeldung bekommen, dass Kinder oft noch tagelang von unseren Kinderkonzerten reden. Manche wollen danach sogar ein Instrument lernen. Es ist schon unglaublich, welche Wirkung die Musik hat.
Welche Verbindung hast du zu deinem Instrument? Hast du es schon lange? Wie bzw. wo hast du es gefunden? Und was gefällt dir ganz besonders an seinem Klang?
Das Instrument ist für uns Musiker schon sehr wichtig. Es ist nicht leicht, das richtige zu finden. Als Studentin hatte ich die Möglichkeit, auf wunderbaren Geigen zu spielen. Es waren kostbare Leihgaben, die ich von Stiftungen erhalten habe. Mit meinem Eintritt beim ZKO wollte ich aber eine eigene Geige besitzen. Leider kann ein altes Instrument richtig teuer sein. Moderne Instrumente sind bezahlbarer, aber es fehlt oft die Seele.
Von einem Kollegen hatte ich erfahren, dass es in Paris einen berühmten Geigenbauer gibt, Stephan von Baehr. Ich war etwas skeptisch, ob ein neues Instrument auch einen wirklich schönen Klang haben kann. Aber wegen des guten Rufes bin ich vor 9½ Jahren zu ihm gegangen. Als Erstes musste ich ihm vorspielen, damit er sich ein Bild von meinem persönlichen Klang machen konnte. Danach folgte eine lange Wartezeit. Zwei Jahre später habe ich dann meine Geige bekommen. Sie ist für mich wie massgeschneidert. Sie hat einen warmen Klang, klingt aber trotzdem sehr kräftig. Sie passt perfekt zu mir. Ich bin sehr zufrieden.
ALLEIN
5 —19 AUGUST 2023
