
2 minute read
Feder und Bogen II: Ingeborg Bachmann
KLÄNGE EINER FREUNDSCHAFT
Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze waren in enger Freundschaft und intensiver gemeinsamer Produktivität verbunden. In dieser Ausgabe der Reihe «Feder und Bogen» spiegelt sich der intensive Diskurs zwischen Lyrikerin und Komponist hörbar im Werk beider Künstler wider.
TEXT MIRIAM HEFTI
«Du sollst ja nicht weinen, / sagt eine Musik», schreibt die Lyrikerin Ingeborg Bachmann in ihrem Gedicht Enigma, das sie dem Komponisten Hans Werner Henze – ihrem langjährigen Lebensfreund – gewidmet hat. Bereits aus diesem kurzen Diktum lässt sich ablesen, welch enorme Bedeutung die Musik im Leben und Werk Ingeborg Bachmanns einnimmt. Bachmanns Œuvre, das Gedichte, einen (unvollendeten) Romanzyklus, Hörspiele, Essays und andere kürzere Schriften umfasst, ist durchwebt von musikalischen Zitaten und Begriffen – ja, man kann sagen, Bachmanns Werk ist Musik.
Bei einer Tagung der Gruppe 47 im Jahr 1952 lernen sich die Dichterin Ingeborg Bachmann und der Komponist Hans Werner Henze kennen. Es sollte für beide eine Begegnung fürs Leben werden. Im Laufe ihrer gemeinsamen Jahre verfasst Bachmann u.a. Libretti für Henzes Opern, er wiederum vertont einige Gedichte Bachmanns oder komponierte Musik zu ihren Hörspielen. Ihre Freundschaft ist geprägt von grosser Intensität, sie verreisen gemeinsam, wohnen zeitweise zusammen und versuchen immer wieder, einen Weg zwischen Nähe und Distanz ihrer unmöglichen Liebe zu finden. Henze, der ein produktiver Komponist ist, ermunterte Bachmann in Dutzenden Briefen, die Schattenseiten des Lebens und das Leiden an zerbrochenen Lieben nicht «über» die Arbeit zu stellen. Ein zum Teil heiter-verspielter, zum Teil erschütternder, dann wieder tiefsinniger Briefwechsel der beiden liegt seit 2004 vor und sei allen Musik- und Literaturfreunden ans Herz gelegt. Der «Liebe Musicus» und die «Liebe Nachtigall» haben sich zeitlebens über die literarische Darstellbarkeit von Musik und die musikalische Vertonung von Literatur ausgetauscht. Ingeborg Bachmann hat in einem Interview Musik an den biografischen Beginn ihres Schreibens gestellt. Als junge Frau habe sie zuerst mit dem Komponieren begonnen, bis sie – wie sie sagte – feststellen musste, kein Talent dafür zu haben. Dass, so Bachmann, «Musik der höchste Ausdruck, den die Menschheit überhaupt gefunden habe», sei, zeigt, mit welcher Hingabe ans Musikalische sie ihre Gedichte geschrieben hat, mal ernst und hymnisch, mal heiter und lakonisch. In ihrer Prosa-Miniatur Die wunderliche Musik schreibt Bachmann: «An der Garderobe bringt das Publikum die Ohren in Ordnung und gibt das Gehör ab.» Eine sanfte Kritik am Konzertgänger in ein listiges Sprachbild gewoben. Musik war aber mehr als Ingeborg Bachmanns Weg, dem Leben Sinn zu stiften. Anhand ihres Werkes lässt sich feststellen, wie Bachmann musikalisch gefühlt und gedacht haben muss. In ihrem Hörspiel Zikaden (Musik von Hans Werner Henze) ist zu lesen:
«Denn die Zikaden waren einmal Menschen. Sie hörten auf zu essen, zu trinken und zu lieben, um immerfort singen zu können. Auf der Flucht in den Gesang wurden sie dürrer und kleiner, und nun singen sie, an ihre Sehnsucht verloren – verzaubert, aber auch verdammt, weil ihre Stimmen unmenschlich geworden sind.»
FEDER UND BOGEN II: INGEBORG BACHMANN DO, 19. JAN. 2023, 19.30 UHR ZKO-HAUS
Thomas Douglas Konzept und Erzählung Anina La Roche Dramaturgie Anna Tchinaeva Violine Anna Tyka Nyffenegger Violoncello Suguru Ito Klavier Werke von Hans Werner Henze
CHF 50