zek Hydro - Ausgabe 1 - 2021

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Breite/1,61 bzw Drittelregel

FEBRUAR 2021

Verlagspostamt: 5450 Werfen · P.b.b. „03Z035382 M“ – 19. Jahrgang

Fachmagazin für Wasserkraft

HYDRO Schwerpunkt Ökologische Durchgängigkeit Kelag bringt Kraftwerk in Montenegro ans Netz Zwei neue Restwasser-Kraftwerke für Graubünden ASFINAG setzt auf grünen Strom aus Wasserkraftwerk

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HYDRO

Zur Sache

WASSERKRAFT ALS TEIL DER LÖSUNG SEHEN

W

aren wir knapp dran am gefürchteten Blackout an diesem 8. Januar? Durchaus möglich. Fest steht, dass Europas Stromnetz sich in einem sehr heiklen Moment als erwartet stabil erwiesen hat. Die Notfallmechanismen griffen innerhalb weniger Sekunden, und eine Stunde später war der ganze Spuk schon wieder vorüber – die Netzfrequenz hatte wieder ihre „Flughöhe“ von 50 Hz erreicht. Ungeachtet der Ursachen dieses bedrohlichen Frequenzabfalls (siehe S28) wurde eines dabei wieder offensichtlich: Ohne Wasserkraft geht es nicht. Österreichs Wasserkraftwerke lieferten gemeinsam mit einigen Gaskraftwerken innerhalb weniger Sekunden die erforderliche zusätzliche Energie, um das Netz zu stützen und vor dem drohenden Ausfall zu bewahren. Das kann keine andere Form der Erneuerbaren. Und sollte es tatsächlich einmal zu einem Blackout kommen, werden es ebenfalls Wasserkraftwerke sein, die unser Stromnetz wieder aufbauen. Auch in dieser Hinsicht steht die Wasserkraft singulär. Wäre dies nicht alleine ein Grund für Europas Politiker, in aller Öffentlichkeit einmal eine Lanze für die Wasserkraft zu brechen? Ich finde ja. Speziell in Zeiten, da Umwelt-NGOs sich gegenseitig mit medialen Anwürfen gegen kleine und große Wasserkraft überbieten. In diesem Zusammenhang wäre auch die vom Deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte MicBin-Studie (siehe S46) erwähnenswert. Ein aktuelles Forschungsprojekt, in dem die Entsorgung von Plastikabfällen im bayerischen Donaugebiet unter die Lupe genommen wurde. Das Resümee der Forscher: Der Beitrag der Wasserkraftwerke für die Entsorgung des anfallenden Makroplastik im bayerischen Donaueinzugsgebiet – immerhin Mengen bis zu 350 Tonnen pro Jahr– ist signifikant, liegt bei etwa 84 Prozent. Ein mehr als erwähnenswerter Zusatznutzen, den Europas Wasserkraftwerke neben ihren anderen Funktionen, wie der CO2-freien Energieerzeugung, der Grundwasserstabilisierung, oder dem Hochwasserschutz für die Allgemeinheit liefern. Eine europaweite Studie zu diesem Thema wäre wohl mehr als wünschenswert. Besonders ausgeprägt ist mittlerweile die Skepsis und der lokalpolitische Gegenwind für die Kleinwasserkraft am Balkan. Geschuldet ist dies in erster Linie dem Umstand, dass immer wieder von unseriösen Investoren zu lesen war, die weniger an einer nachhaltigen Lösung als an einem schnellen Gewinn interessiert waren. Bedauerlicherweise ist damit eine ganze Branche in Verruf geraten. Dass es eben auch ganz anders geht, bewies die Kelag-Tochter Interenergo, die kürzlich in Montenegro ein nachhaltig konzipiertes Kleinkraftwerk realisierte. (siehe S24) Ein ganzes Jahr hatten die Verantwortlichen im Vorfeld investiert, um die lokale Bevölkerung, die Anrainer, die Gemeinden von dem Projekt zu überzeugen und gemeinsame Synergien zu erarbeiten. Letztlich wurde eine Muster-Anlage geschaffen, die hoffentlich wieder zu einem Meinungsumschwung beiträgt. Im Vordergrund der aktuellen zek HYDRO steht diesmal das große Thema Ökologie, wir haben für die erste Ausgabe dieses Jahres das Schwerpunktthema „ökologische Durchgängigkeit“ gewählt. Wir bringen einen Überblick über das europaweite Projekt „FIThydro“ unter der Leitung der Technischen Universität München (siehe S50). In diesem Rahmen wird ein Gefährdungsindex für Fischarten, Simulationen der Fischwanderung und ein frei verfügbares Onlinetool für die Kraftwerksplanung entwickelt. Besonders spannend erscheint auch der neuartige Fischschutz an Wehranlagen – der FishProtector, der nun erstmalig im Rahmen eines Pilotprojekts an einem Wertach-Kraftwerk in Bayern installiert wurde (siehe S55). Abschließend möchte ich mich wieder bei allen bedanken, die am Entstehen der vorliegenden Ausgabe mitgeholfen haben. Ich darf Ihnen, liebe(r) Leser(in) eine gute Zeit mit der neuen zek HYDRO wünschen. Ihr Mag. Roland Gruber (Herausgeber) rg@zekmagazin.at

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HYDRO

Inhalt

16

KW FLIRSCH

20 KW ERSTFELDERTAL

24 KW VRBNICA

33 KW ELISENHÜTTE

Aktuell

Interview

Netztechnik

06 Interessantes & Wissenswertes SHORT CUTS

13 Herausforderung 100 % Erneuer bare nur mit Technologie lösbar INTERVIEW STALLINGER

28 Frequenzabfall blieb ohne schwerwiegende Folgen BLACKOUT-GEFAHR

Projekte

Projekte

16 Tunnel geht dank ASFINAG Kraftwerk ein Licht auf KW FLIRSCH

30 Bündner Kleinkraftwerke nutzen Restwasser zur Stromgewinnung KW MARMORERA & LÖBBIA

20 EWA-energieUri hat den Wett lauf gegen die Zeit gewonnen KW ERSTFELDERTAL

33 Lahn-Kraftwerk zum 90. Geburts tag von Grund auf erneuert KW ELISENHÜTTE

03 Editorial 04 Inhalt 06 Impressum

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24 Kelag bringt neues Muster-Kraft werk in Montenegro ans Netz KW VRBNICA

36 LEW macht vier Kraftwerke am Unteren Lech zukunftsfit LECHKRAFTWERKE

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HYDRO

Inhalt

LECHKRAFTWERKE

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PLASTIKMÜLL

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FISHPROTECTOR

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FISCHVERTRÄGLICH

60

Projekte

Schwerpunkt

40 Kraftwerk in Radenthein in Rekordzeit am Netz KW LAUFENBERGERBACH

50 Auf dem Weg zur fisch freundlichen Wasserkraft SP DURCHGÄNGIGKEIT

Geotrade U2 Troyer U3 Rittmeyer U4

44 Neue Perspektiven für Traditions kraftwerk in Baden-Württemberg KW ELPERSHOFEN

55 FishProtector als hybride Barriere an Wasserkraftwerken SP DURCHGÄNGIGKEIT

Ökologie

58 Erfolgreiche Weiterentwicklung einer fast vergessenen Technologie SP DURCHGÄNGIGKEIT

Berger+Brunner 17 Braun Maschinenfabrik 11 Dive 10 eco2 Fish Solutions 59 Electro Clara 19 EWA-energieUri 23 F.EE Wasserkraft 34 Fürstauer Bau 40 Gufler Metall 7 HyFish 57 Kima Automatisierung 39 Kochendörfer 35 Maschinenbau Unterlercher 42 Ossberger 32 Stellba Hydro 37 TRM 43 Tschurtschenthaler 18 Vega 54 Voith 9 Wild Metal 25

46 Wasserkraftanlagen leisten Bei trag zur Plastikmüllentsorgung GEWÄSSERBELASTUNG

Anzeigen

60 Aufwertung durch wirtschaftliches und ökologisches Gesamtkonzept SP DURCHGÄNGIGKEIT

Technik 48 Radar ist das bessere Ultraschall DURCHFLUSSMESSUNG

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HERAUSGEBER

Mag. Roland Gruber VERLAG

Mag. Roland Gruber e.U. zek Verlag Brunnenstraße 1, 5450 Werfen Tel. +43 (0)664-115 05 70 office@zekmagazin.at www.zek.at

Foto: Perwein

­­CHEFREDAKTION

Mag. Roland Gruber, rg@zekmagazin.at Mobil +43 (0)664-115 05 70 REDAKTION

Mag. Andreas Pointinger, ap@zekmagazin.at Mobil +43 (0)664-22 82 323 MARKETING

Mario Kogler, BA, mk@zekmagazin.at Mobil+43 (0)664- 240 67 74 GESTALTUNG

Mag. Roland Gruber e.U. zek Verlag Brunnenstraße 1, 5450 Werfen Tel. +43 (0)664-115 05 70 office@zekmagazin.at www.zek.at

Seit Jahresbeginn ist Österreich Mitglied von IRENA. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler freut sich, dass Österreich sich nun im Verbund mit 162 anderen Ländern für den globalen Klimaschutz einsetzen kann. IRENA hat ihren Hauptsitz in Masdar City, Abu Dhabi.

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Foto: Statdtwerke Amstetten

AMSTETTENS KRAFTWERK FEIERT 120-JÄHRIGES JUBILÄUM Es war eine mutige Entscheidung des Amstettner Gemeindeausschusses am Ende des 19. Jahrhunderts: Ein Elektrizitätswerk sollte für die Stadt gebaut werden. Am 30. August 1899 fiel der Beschluss zum Bau des damals größten Wasserkraftwerks in Niederösterreich. Kostenpunkt: 350.000 Gulden – ein Vermögen, welches einer heutigen Summe von rund 5 Millionen Euro entspräche. Im Beschluss des Gemeindeausschusses 1899 wurde der Grundsatz beschlossen, dass das Kraftwerk „der Förderung des Gemeinwohls, des materiellen Fortschrittes und der Erhöhung des Ansehens der Stadt“ dienen solle. Bewusst wollte man den BürgerInnen Amstettens einen sehr niedrigen Strompreis bieten. Die Bauarbeiten begannen am 02. Jänner 1900 und nur ein Jahr später, am 26. Jänner 1901, wurde erstmalig per Bogenlampen der Hauptplatz mit elektrischem Strom erleuchtet. Das 120-jährige Jubiläum des Kraftwerks Amstetten und die damit verbundene Rückschau der Stadtwerke Amstetten lassen den Auftrag des Unternehmens gut erkennen: Für Amstetten und das Umland vorausschauend handeln, wirtschaften und produzieren. Heutige Entscheidungen werden für aussichtsreiche Perspektiven in der Zukunft getroffen, wie Stadtwerke-Direktor Jürgen Hürner abschließend feststellt.

Impressum

Das Wasserkraftwerk Amstetten produziert gegenwärtig rund 15 Millionen kWh Strom im Regeljahr. In den 120 Jahren seines Betriebs wurden insgesamt 1.200 Millionen kWh Strom ans Netz geliefert.

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A-5450 Werfen GRUNDLEGENDE RICHTLINIEN

zek HYDRO ist eine parteiunabhängige Fachzeitschrift für kleine bis mittlere Wasserkraft im alpinen Bereich. ABOPREIS

Österreich: Euro 73,00, Ausland: Euro 84,00 inklusive Mehrwertsteuer zek HYDRO erscheint 6x im Jahr. Auflage: 10.800 Stück

Foto: Statdtwerke Amstetten

ÖSTERREICH TRITT INTERNATIONALER ORGANISATION FÜR ERNEUERBARE ENERGIE BEI Mit Jahresbeginn 2021 ist Österreich der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) beigetreten. Damit wird Österreich – wie im Regierungsprogramm festgehalten – seine Rolle bei der Transformation zu einem Energiesystem, das zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien besteht, auch auf internationaler Ebene wahrnehmen und gemeinsam mit seinen Partnerinnen und Partnern diesen Wandel vorantreiben. Im Rahmen der Generalversammlung der IRENA hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler in einer Videobotschaft ihre Freude über den Beitritt betont: „Wir alle wissen, dass wir im Kampf gegen die Klimakrise unser Energiesystem umbauen müssen, hin zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien. Dafür braucht es Mut zur Veränderung und ich freue mich, dass Österreich in Zukunft auch als Mitglied der IRENA seinen Beitrag leisten wird. Denn ich bin überzeugt: Der beste Weg die Zukunft unseres Energiesystems vorauszusagen, ist sie zu gestalten.“ Österreich ist nun neben weiteren 162 Ländern auch Teil von IRENA – dem weltweit führenden Sprachrohr für erneuerbare Energie.

Aktuell

Stadtwerke-Direktor Jürgen Hürner, Kraftwerksleiter Hermann Innerhuber, Stadtrat Heinz Ettlinger und Bgm. Christian Haberhauer (vl) bei einem alten Laufrad des Kraftwerks, welches im Zeitraum von 1932 bis 1987 270 Millionen kWh erzeugt hat.

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Dem Ehrenkodex des Österreichischen Presserates verpflichtet

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Foto: zek Repower hat die Genehmigung für Taschinas II in Händen. Das KW Taschinas I (Bild) ist seit 2011 in Betrieb.

Foto: LEW

GRÜNES LICHT FÜR NEUES WASSERKRAFTWERK IM PRÄTTIGAU Die Schweizer Regierung erteilte der Repower AG für den Bau und Betrieb des Kraftwerks Taschinas II auf dem Gemeindegebiet von Grüsch und Seewis (Kanton Graubünden) die erforderlichen Bewilligungen. Repower will mit der Wasserkraft des Taschinas- beziehungsweise des Schmittnerbachs Strom erzeugen. Seit 2011 betreibt Repower bereits das neue Kavernenkraftwerk Taschinas I mit 11,5 Megawatt installierter Leistung, das jährlich rund 41 GWh sauberen Strom aus dem Prättigau liefert. Für das Kraftwerk Taschinas II ist eine installierte Leistung von rund 1,5 Megawatt sowie eine jährliche Produktion von 5 Gigawattstunden geplant. Mit diesem Strom können etwa 1.400 Bündner Haushalte versorgt werden.

Red Rock Falls Wasserkraftwerk in Kanada Foto: zek

ANDRITZ RÜSTET KANADISCHES KRAFTWERK RED ROCK FALLS AUS Der internationale Technologiekonzern ANDRITZ erhielt von Mississagi Power Trust den Auftrag zur umfassenden Rehabilitierung der Turbine und des Generators von Maschinensatz G1 sowie der elektrischen Zusatzausrüstung für die Maschinensätze G1 und G2 im Kraftwerk Red Rock Falls, das am Mississagi River im Algoma District in Ontario, Kanada, liegt. Die Rehabilitation des ersten Maschinensatzes wird im Juni 2022 beginnen, die endgültige Inbetriebnahme wird für April 2023 erwartet. Der Lieferumfang umfasst Konstruktion, Fertigung, Transport, Montage, Test und Inbetriebnahme mehrerer neuer sowie auch überholter Turbinen- und Generatorkomponenten, darunter ein modernisiertes 28-MW-Kaplanlaufrad, neue Steuerungs- und Schutzsysteme sowie weitere neue elektrische Zusatzausrüstungen.

Die Wasserfassung des neuen Kraftwerks Wiler-Kippel ist im Wesentlichen fertiggestellt.

Foto: Andritz

BAUARBEITEN FÜR WASSERKRAFTWERK WILER-KIPPEL AUF KURS Das Wasserkraftwerk Wiler-Kippel im Oberwalliser Lötschental nimmt immer mehr Form an: Nach zwei Jahren Bauzeit sind alle Rohbauten weitgehend fertiggestellt. So steht der Betonbau der Wasserfassung in Wiler und die Lonza fließt bereits durch das neu erstellte Wehrbauwerk. Auch das Einlaufbauwerk mit dem anschließenden Entsander ist fertiggestellt. Die rund 1,5 km lange Druckleitung bis nach Kippel ist verlegt, und die rechtsufrigen Hochwasserschutzmaßnahmen sind beendet. Auch der Betonbau des Zentralengebäudes in Kippel steht. Das Kraftwerk, das im Herbst 2021 den Betrieb aufnehmen wird, wird mit einer installierten Leistung von 2 x 2,6 Megawatt jährlich rund 14,4 Gigawattstunden sauberen Strom produzieren. Die Investitionskosten belaufen sich auf knapp 22 Mio. CH Franken.

Foto: BKW

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Aktuell

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Foto: Wikipedia / Walchkraft

Foto: zek

Sanierungsarbeiten am Traditionskraftwerk Walchensee am Kochelsee in Oberbayern.

Ein neues Murkraftwerk könnte zu einer weiteren Aufwertung der Stadt Leoben beitragen. Im Bild das bestehende „Stadtkraftwerk“.

Unterhalb von Scuol bei Pradella betreibt die Engadiner Kraftwerke AG (EKW) eine der größten Wasserkraftanlagen der Schweiz. Sie soll nun saniert und optimiert werden.

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Foto: Ennskraft

Foto: zek

Foto: Archiv

TRISANNA-KRAFTWERK IN LANDECK IN DEN STARTLÖCHERN Wie die Tiroler Tageszeitung unlängst berichtete, sind die Gemeinden See, Kappl, Ischgl und Galtür aktuell dabei, die Fläche für das geplante Kraftwerk an der Trisanna zu sichern. Aus dem Widerstreitverfahren ging, so heißt es, das eingereichte Vorhaben der Talgemeinden als erstgereihtes hervor. Ein Einspruch beim Verwaltungsgerichtshof wurde abgewiesen. Derzeit bereitet die Gemeinschaftskraftwerk Paznaun GmbH, an der neben den Gemeinden auch das Landecker Unternehmen Gebrüder Kofler beteiligt ist, ihr Projekt zur Einreichung zu den Behördenverfahren vor. Bis wann das Kraftwerksprojekt eingereicht wird, ist bislang offiziell noch offen. Laut Tiroler Tageszeitung wurde bereits abgeklärt, dass für die Genehmigung keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden müsse. Mit dem Kraftwerk sollen pro Jahr rund 32 GWh Strom erzeugt werden – das entspricht dem Stromverbrauch von knapp 7.500 Vierpersonenhaushalten.

Das Krafthaus soll gemäß den kolportierten Plänen oberhalb der bestehenden Wasserfassung des KW Wiesberg entstehen.

Die Generalsanierung des KW-St. Pantaleon kann voraussichtlich im Frühjahr 2023 abgeschlossen werden. Im Bild: das Ausheben des großen Generator-Stators.

GROSSE CHANCE FÜR EIN NEUES WASSERKRAFTWERK IN LEOBEN Eine Machbarkeitsstudie hat die Mur im Osten der Stadt Leoben als „hervorragend geeigneten Standort für ein ökologisch und wirtschaftlich sinnvolles Wasserkraftwerk ergeben, das pro Jahr rund 38 Mio. kWh CO2-freien Grün-Strom für die Region erzeugen könnte“, so das Vorstandsduo Christian Purrer und Martin Graf von der Energie Steiermark. Das Laufkraftwerk wird bei einer Gesamtinvestition von rund 40 Mio. Euro von der Energie Steiermark in Kooperation mit dem VERBUND entwickelt. Mit einer Leistung von 8 MW könnte es rund 11.000 Haushalte mit Grün-Strom versorgen und würde während der Bauphase weit über 20 Millionen Euro an Aufträgen für die regionale Wirtschaft bedeuten. Mehrere Millionen Euro sind für ökologische Begleitmaßnahmen vorgesehen. Ein Baustart könnte bei einem raschen Genehmigungsverfahren bereits 2024 möglich sein. 26 MILLIONEN-PROJEKT FÜR DAS KRAFTWERK PRADELLA Nach umfangreichen Studien hat EKW beschlossen, in den kommenden Jahren zahlreiche elektromechanische Erneuerungsarbeiten am Bündner KW Pradella vorzunehmen. Insbesondere werden die vier Maschinengruppen erneuert. Dabei werden Generator und Turbine saniert und das Turbinenrad ersetzt. Gleichzeitig werden die alten Maschinentransformatoren demontiert und gegen moderne Transformatoren ausgetauscht. Dank diesen Sanierungsmassnahmen kann EKW die Zuverlässigkeit des Kraftwerks auch in den nächsten Jahren sicherstellen. Besonders erfreulich ist die mit der Erneuerung erwartete Verbesserung des Gesamtwirkungsgrads im Umfang von 1 bis 2 Prozent. Dies ermöglicht künftig die Versorgung von zusätzlichen 3.000 Haushalten mit erneuerbarem Strom aus Engadiner Wasserkraft. EKW investiert für dieses Projekt 26 Millionen Schweizer Franken.

Foto: EKW

Foto: zek

Aktuell

KRAFTWERK ST. PANTALEON WIRD GENERALSANIERT Seit 1965 erzeugt das Ennskraftwerk St. Pantaleon 239 Mio. kWh saubere Energie pro Regeljahr. Damit gehört es zu den leistungsstärksten Anlagen der Ennskraft. Die beiden installierten Wasserkraftmaschinen werden über einen 6 km langen Oberwasserkanal versorgt. Eine der beiden Maschinen ist mit einem Einphasen-Generator ausgestattet, der ausschließlich Strom für die ÖBB erzeugt. Nach über 55 Jahren ist es nun an der Zeit, die beiden Maschinen zu erneuern. Die Generalsanierung umfasst die Erneuerung der Generatoren, sowie die Erneuerung der gesamten Leittechnik und der Energieausleitung. Weiters werden die Laufräder getauscht. Erfreulich für die österreichische Wirtschaft: Die Laufräder werden von der Firma Voith Hydro entwickelt und von der Firma Voestalpine Traisen gegossen. Durch diese Maßnahmen kann eine Steigerung der jährlichen Stromerzeugung erreicht werden, die der zusätzlichen Versorgung von rund 1.200 Haushalten entspricht.

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Aktuell

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Aktuell

Foto: Thomas Kirschner

Animation: Energie Steiermark

2024 soll das neue Murkraftwerk in Gratkorn seinen Betrieb aufnehmen.

Foto: KWO

DI Dr. Hildegard Aichberger übernimmt als neues Vorstandsmitglied ab Mai 2021 die Agenden Vertrieb und Marketing bei der oekostrom AG.

Den Nettoerlös des Green Bonds verwendet die KWO zur Refinanzierung der 2019 abgeschlossenen Aufwertung der Kraftwerke Handeck 2 und Innertkirchen 1.

BAUBESCHLUSS FÜR NEUES MURKRAFTWERK IN GRATKORN Im Dezember 2020 besiegelten VERBUND und Energie Steiermark den Baubeschluss zur Errichtung eines neuen Wasserkraftwerks in Gratkorn nördlich von Graz. Noch im heurigen Jahr wird der Baustart erfolgen, die Inbetriebnahme des Murkraftwerks ist für das Jahr 2024 geplant. Das Projekt mit einem Investitionsvolumen von 62 Millionen Euro ist bereits in allen Instanzen der Umweltverträglichkeitsprüfung von den Naturschutzexperten des Landes und des Bundes genehmigt und wird in einer 50/50-Partnerschaft der beiden Energieunternehmen umgesetzt. Im Betrieb wird das Kraftwerk den Strombedarf von etwa 15.000 Haushalten mit erneuerbarer Energie aus Wasserkraft decken und damit einen CO2-Ausstoß im Ausmaß von 30.000 Tonnen pro Jahr vermeiden. NEUES VORSTANDSMITGLIED FÜR OEKOSTROM AG Die oekostrom AG wird ab dem 1. Mai 2021 DI Dr. Hildegard Aichberger als neues Vorstandsmitglied begrüßen. Hildegard Aichberger ist seit 20 Jahren in verschiedenen leitenden Funktionen im Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit tätig und verfügt über ein umfangreiches Netzwerk in der österreichischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die promovierte BOKU-Absolventin war zuvor unter anderem Geschäftsführerin des WWF Österreich, Mitinitiatorin und Geschäftsführerin der ORF-Umweltinitiative MUTTER ERDE und ist aktuell als Mitglied der Geschäftsleitung der Caritas Österreich für Kommunikation, Marketing und Fundraising österreichweit verantwortlich. KWO PLATZIERT GREEN BOND FÜR SPEICHER- UND GROSSWASSERKRAFT Die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) hat am 12. Jänner erfolgreich ihren ersten Green Bond lanciert. Den Nettoerlös dieser festverzinslichen Anleihe in Höhe von 100 Millionen CHF verwendet sie zur Refinanzierung des Projekts „Tandem“, bei dem die KWO die Kraftwerke Handeck 2 und Innertkirchen 1 wirtschaftlich und ökologisch aufwertete. Die KWO ist das erste Unternehmen, welches einen Green Bond für Schweizer Speicher- und Großwasserkraft herausgibt. Sie übernimmt damit eine Pionierrolle und erweitert ihre Investorenbasis. Im Rahmen des Projektes „Tandem“ hat die KWO die Produktionskapazität um 240 MW erweitert und durch den Ausbau des Triebwassersystems die Stromproduktion noch effizienter gemacht. Ein neues Beruhigungsbecken führt zu einer deutlichen ökologischen Aufwertung durch die Reduktion des Schwall-/Sunkverhältnisses bei der Wasserrückgabe in die Aare.

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Aktuell

110-JÄHRIGES JUBILÄUM FÜR DREI TRAISENKRAFTWERKE 110 Jahre – so lange erzeugen die niederösterreichischen Kleinwasserkraftwerke Theresienhof, Wilhelmsburg und Luggau schon sauberen Ökostrom für die Region aus der Kraft der Traisen. Alle drei Anlagen des Betreibers EVN wurden 1910 in Betrieb genommen und zählen damit zu den ältesten Wasserkraftwerken entlang der Traisen. Mit einem Arbeitsvermögen von 4.925 MWh pro Jahr versorgen die Anlagen rund 1.500 Haushalte in der Region mit umweltfreundlichem Strom. „Trotz des stolzen Alters vieler unserer Kraftwerksstandorte ist die Erzeugung von elektrischer Energie aus Wasserkraft nach wie vor ein wichtiger Baustein in unserem Energiemix und eine Stütze der nachhaltigen Stromversorgung. Die EVN Kleinwasserkraftwerke werden seit Jahren Schritt für Schritt auf den neuesten Stand der Technik gebracht“, so EVN Sprecher Stefan Zach.

Animation: ÖBB Foto: Alpiq

SYMBOLISCHER BAUSTART FÜR NEUES ÖBB KRAFTWERK OBERVELLACH II Mit der Eröffnung der Infobox am Bahnhof Mallnitz starteten am 22. Dezember die symbolischen Bauarbeiten zum Neubau des ÖBB-Wasserkraftwerks Obervellach II. Insgesamt werden rund 180 Millionen Euro in den Standort investiert. Die Ausbauleistung der neuen Kraftwerksanlage beträgt 38 MW bzw. ergibt eine Energieproduktion von ca. 125 GWh pro Jahr. Damit kann die nachhaltige Energieerzeugung der Eisenbahn in Österreich – am Standort Obervellach – gegenüber heute um mehr als 35 Prozent gesteigert werden. Gebaut wird bis Mitte des Jahres 2023. Danach folgt der Probebetrieb, welcher mit Jahreswechsel 2023/2024 in den Regelbetrieb übergehen soll.

Das Kraftwerk Ruppoldingen darf die Auszeichnung „naturemade star“ weiterhin führen.

Die ÖBB investiert rund 180 Millionen Euro in den Neubau des Kärntner Kraftwerks Obervellach II.

Foto: EVN / Matejschek

KW RUPPOLDINGEN ERNEUT MIT ÖKOSTROMLABEL AUSGEZEICHNET Das Alpiq Wasserkraftwerk Ruppoldingen im Kanton Solothurn wurde Anfang des Jahres erneut mit dem Label „naturemade star“ zertifiziert. Dabei handelt es sich um die höchste Auszeichnung für Ökostromproduktion in der Schweiz, die vom Verein für umweltgerechte Energie (VUE) vergeben wird. Beim Bau des Kraftwerks vor mehr als 20 Jahren legte Alpiq sehr viel Wert auf umfangreiche ökologische Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen, weswegen die Anlage bereits 2010 mit dem Label „naturmade star“ ausgezeichnet wurde. In den letzten Monaten hat das Kraftwerk der Alpiq Tochtergesellschaft Alpiq Hydro Aare die aufwändige Rezertifizierung erfolgreich durchlaufen und darf dank der Erfüllung der besonders strengen Umweltauflagen das Label auch in den Jahren 2021 bis 2025 führen.

Das denkmalgeschützte Kleinwasserkraftwerk Theresienhof an der Traisen ging 1910 in Betrieb.

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Foto: ALPE Kommunal- u. Umwelttechnik

Das bestehende Maschinengebäude des Kraftwerks Schwarzach. 2022 soll die erweiterte Anlage ihren Betrieb aufnehmen.

Aktuell

Foto: dualpixel.photography

Als erster größerer Stromversorger Österreichs hat Wels Strom zur Gänze auf digitale Stromzähler umgestellt und damit die gesetzliche Rollout-Quote erfüllt.

Foto: Salzburg AG

Die Datalake-Technologie ist die Grundvoraussetzung für eine tiefgreifende, strukturierte und umfassende Datenanalytik von Kraftwerken.

GRÜNES LICHT FÜR ERWEITERUNG DES KRAFTWERKS SCHWARZACH Für die Erweiterung des TIWAG-Kraftwerks Schwarzach in Osttirol liegen nunmehr alle Genehmigungen vor. Mit dem geplanten Zubau beim Krafthaus in Huben soll die Jahresstromerzeugung ausgebaut und die Eigenversorgung des Bezirks gesteigert werden. Das Projekt folgt auch der nationalen Strategie zum Ausbau der Wasserkraft durch Verbesserungen und Optimierungen an bestehenden Anlagen. Die Investitionskosten betragen rund 17 Millionen Euro. Mitte Jänner starteten die vorbereitenden Bauarbeiten. Die Jahresstromerzeugung wird dabei von 61 auf 83 Gigawattstunden gesteigert. Damit können über 5.200 Haushalte zusätzlich mit sauberer Energie aus Osttiroler Wasserkraft versorgt werden.TIWAG-Vorstandsdirektor Johann Herdina betonte: „Es ist uns wichtig, dass im Zuge der Errichtung die Wertschöpfung in der Region bleibt und auch zahlreiche Osttiroler Firmen federführend dabei sind.“ WELS STROM SETZT KOMPLETT AUF DIGITALE STROMZÄHLER Als einer der ersten größeren Stromversorger Österreichs hat Wels Strom gemeinsam mit Siemens Österreich zur Gänze auf digitale Stromzähler umgestellt. Insgesamt 54.480 Smart Meter wurden in den beiden vergangenen Jahren montiert. Zusätzlich wurden 350 Gateways in die Trafostationen integriert und das Siemens UDIS Head-End-System für die automatisierten Ablesungen und Schalthandlungen in Betrieb genommen. Die Übersicht über das Stromnetz kann nun in der Kundenzentrale von Wels Strom beobachtet werden – mögliche Störungen werden in Echtzeit aufgezeigt und können rasch behoben und ausgewertet werden. Wels Strom hat hierfür die IM150 und IM350 Smart Meter von Siemens verbaut. Im Gegensatz zum alten, analogen Ferraris-Stromzähler funktionieren die intelligenten Zähler elektronisch und verfügen über eine Reihe neuer Funktionen. SALZBURG AG SETZT BEIM MONITORING AUF CLOUD-TECHNOLOGIE Um die Revisionen ihrer Kraftwerke noch zuverlässiger zu gestalten setzt die Salzburg AG zunehmen auf digitale Unterstützung. Für das „predictive maintainance“ kommt ein sogenannter Datalake zum Einsatz, der die verfügbaren Daten von Sensoren und Leitsystem in einer „Azure Cloud“ online zusammenführt. Im Pinzgauer Kraftwerk Dießbach ist das System bereits seit Oktober 2020 in Betrieb und hat sich in den letzten Monaten gut bewährt. Bisher speisen 3.270 Sensoren des Kraftwerks Daten in die Cloud ein. So konnte das System seither mehrere hundert Millionen Aufzeichnungen registrieren und auswerten. Um diese Fülle an Daten zur Verfügung zu stellen, mussten einzelne Leitsysteme des Kraftwerks in den Datalake übertragen werden. Was mit dem Kraftwerk Dießbach begonnen hat, wird bald auch im Salzburger Kraftwerk Wald Realität. Im 2. Quartal 2021 wird die Azure Cloud auch dort zum Einsatz kommen.

Das Rodundwerk I der illwerke vkw in Vandans wird 2021 umfassend modernisiert.

Foto: Wikimedia / Böhringer Friedrich

ILLWERKE VKW INVESTIERT 194 MILLIONEN EURO IN WASSERKRAFT Der Aufsichtsrat der illwerke vkw hat mit dem Baubudget 2021 neue Projekte im Ausmaß von 282 Mio. Euro genehmigt. Im Geschäftsfeld Wasserkraft werden bestehende Anlagen auf den neuesten Stand der Technik gebracht und deren Wirkungsgrad erhöht. Dafür wurde ein Volumen von 194 Mio. Euro beschlossen. Gesteigert wird damit auch die Eigenerzeugung aus sauberer Wasserkraft. Die größten Einzelprojekte sind dabei die Generalüberholungen des Vermuntwerks mit 71 Mio. und des Rodundwerks I mit 41 Mio. Mit neuen Generatoren für das Kraftwerk Langenegg und der Generalüberholung des Kraftwerks Klösterle stehen weitere Projekte an, welche zusätzliche erneuerbare Energie aus heimischer Wasserkraft nutzbar machen. Rund 57 Mio. Euro der Neugenehmigungen entfallen auf das Geschäftsfeld Energienetze und tragen zur Erhaltung der hohen Versorgungssicherheit bei.

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Dipl.-Ing. Stefan Stallinger MBA, Technik-Vorstand der Energie AG, ist ausgewiesener Fachmann im Bereich Wasserkraft. Im Gespräch mit zek HYDRO nimmt er Stellung zu den aktuellen und künftigen Herausforderungen für die Wasserkraft. Hier aufgenommen vor dem Energie AG-Kraftwerk Gmunden.

„NUR MIT TECHNOLOGIE WERDEN WIR DIE HERAUSFORDERUNG 100 PROZENT ERNEUERBARE LÖSEN“ Als Technik-Vorstand der Energie AG Oberösterreich, die in Österreich nicht weniger als 43 Wasserkraftwerke betreibt, gilt Dipl.-Ing. Stefan Stallinger MBA als profunder Kenner der heimischen Wasserkraft. Im Rahmen eines Covid-sicheren OnlineInterviews befragten wir ihn nach seinen Einschätzungen in Bezug auf aktuelle Herausforderungen, aber auch zukünftige Perspektiven für die älteste Form der erneuerbaren Energie. zek: Herr Stallinger, vor kurzem ist Europa nur knapp an einem großflächigen Blackout vorbeigeschrammt. In der Rekonstruktion der Ereigniskette wurde klar, dass unter anderem Wasserkraftwerke die Katastrophe verhindern halfen. Inwiefern spielen Wasserkraftwerke denn eine Rolle im Schutz gegen die Blackout-Gefahr? Stallinger: Das kann man auf zwei wesentliche Komponenten zurückführen: Zum einen die systemische Komponente, die sich auf die hohe Planbarkeit unserer Anlagen bezieht. Man kann auf diese Weise größere Abweichungen vermeiden, da wir über diesen Grundsockel hoher Planbarkeit verfügen. Und zum anderen die regeltechnische Komponente: Wenn etwa nach einer Schönwetterlage eine Sturmfront über Österreich zieht, gehen damit häufig große Lastwechsel im Netz einher: Die müssen ausgeglichen werden. Und das kann die Wasserkraft – sie stabilisiert so das gesamte System. Das heißt, Was-

serkraftwerke mit großen bewegten Massen können im Rahmen der Primärregelung einen Beitrag leisten. Haben die Wasserkraftwerke der Energie AG in diesem Fall auch ihren Beitrag geleistet? Stallinger: Ja, als der kurzfristige Frequenzabfall auf 49,7 Hz auftrat, haben unsere großen Laufkraftwerke Marchtrenk und TraunPucking innerhalb von Sekunden ihre Leistung hochgefahren. Kurz danach folgten noch die Kraftwerke Gmunden und Lambach, außerdem noch ein Gas-Kraftwerk, das sich zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise im Teillastbereich befunden hatte. So konnte die Industrie-Gasturbine mithelfen, das Netz zu stützen. Aber in erster Linie sind es vermutlich doch die großen Pumpspeicherwerke, die einen derartigen Frequenzabfall abfangen, oder? Stallinger: Was die Primärregelung angeht, sind die großen Laufkraftwerke natürlich sehr bedeutsam. Aber für die Sekundärregelung

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brauche ich die Pumpspeicherkraftwerke. Die wesentliche Last wird eben vorrangig über Pumpspeicher abgefangen und in zweiter Linie natürlich über Abschaltungen bzw. große Lastabwürfe – in diesem Fall in Frankreich. Wir sind in Österreich somit in der glücklichen Lage, dass wir mit unseren Kraftwerken einen System-Beitrag für ganz Mitteleuropa leisten können. Angenommen, es wäre das Worst-Case-Scenario eingetreten und ein europaweites Blackout passiert: Inwieweit ist die Energie AG am Wiederaufbau des Netzes involviert? Stallinger: Wir verfügen natürlich über Pumpspeicherkraftwerke und Laufkraftwerke, die schwarzstartfähig sind. In einem solchen Fall folgen diese Anlagen den Aufbauplänen, die mit der APG (Anm. Austrian Power Grid) akkordiert sind. Das heißt, dass das ganze System über so genannte „Inseln“ wieder hochgefahren wird. Februar 2021

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Interview

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Das KW Traun-Pucking ist das größte Laufkraftwerk der Energie AG. Seit seiner Inbetriebnahme 1983 versorgt es ca. 60.000 Haushalte mit elektrischer Energie. Die Anlage leistet zudem einen wichtigen Beitrag in der Primärregelung.

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schutz und Ressourcenschutz lösen. Je mehr wir uns in Richtung Klimaschutz bewegen, desto stärker werden wir eigene Ressourcen dabei nutzen, und desto mehr kommt man natürlich mit deren Schutz in Konflikt. Egal ob ich etwa eine Pegelerhöhung im Oberwasser oder eine Unterwassereintiefung vornehme: in jedem Fall werden die Oberflächen, die Landschaft danach anders aussehen. Somit stehen Klimaschutz auf der einen, das Landschaftsbild und/oder die Biodiversität auf der anderen Seite. Damit geraten der Klimaschutz mittels erneuerbarer Energien und der Schutz der Ressourcen in einen Zielkonflikt, den es zu lösen gilt. Sehen Sie auch noch technische Herausforderungen? Stallinger: Die Herausforderungen sind heute weniger technischer als ökonomischer Natur. Die zentrale Frage, die wir uns regelmäßig stellen: Wie passen wir mit einer 100-jähri-

Wenige Sekunden nachdem der Abfall der Netzfrequenz auftrat, sind die großen Laufkraftwerke der Energie AG Marchtrenk und Traun-Pucking angesprungen.

Foto: Energie AG

Themawechsel: Was sehen Sie aktuell als die zentralen Herausforderungen für die Wasserkraft? Stallinger: Wir müssen vor allem danach trachten, dass wir die Verluste durch die Folgen der Wasserrahmenrichtlinie und der nationalen Gewässerbewirtschaftungspläne kompensieren. Das ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch eine große Herausforderung. Dabei ist für uns Leitprinzip, dass wir versuchen Fragen der Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Nur so ist es auch möglich, neue Kraftwerksprojekte umzusetzen. Aber: Unterm Strich ist es wichtig, dass der Wasserkraftbereich in ein Wachstum kommt und nicht stagniert. Wo sehen Sie aus Ihrer Position noch wirtschaftliche Herausforderungen? Stallinger: Generell zeigt der Markt heute eine Tendenz, wonach die Revolution der Erneuerbaren zum Teil ihre Kinder frisst – überspitzt formuliert. Wir sehen uns heute mit Überschusszeiten durch Wind- und Photovoltaikstrom in einem regulierten Ökostrommarkt konfrontiert, in dem es Einspeisetarife gibt. Zudem schlagen die Wechselwirkungen auf den traditionellen Energiemarkt durch, wo sich auch die Wasserkraft befindet. Dadurch sind auch die Bestpreise für die Pumpspeicherwerke betroffen. Was bedeutet das in weiterer Folge? Stallinger: Durch Ökostromförderungen und die Eingriffe und Lenkungsmaßnahmen im Engpassleistungs-Management wird das Ganze immer stärker reguliert, sodass der Markt nicht mehr die Signale zugunsten von neuen physikalischen Anlagen gibt. Was könnte aus Ihrer Sicht die Politik für die Wasserkraft besser machen? Stallinger: Die Politik müsste nichts anderes tun, als den Zielkonflikt zwischen Klima-

gen, Generationen übergreifenden Technologie bestmöglich in das ökonomische Muster einer Zeit, die permanent kurzfristigen Änderungen unterworfen ist? Technisch ist unser vorrangiges Ziel, die langfristige Verfügbarkeit unserer Anlagen garantieren zu können. Zu diesem Zweck verfügen wir über ein eigenes Team für Engineering und Instandhaltung. Wichtig dabei ist, dass man ein derartiges Know-how auch im Unternehmen hält. Wie groß ist die Bedeutung der Wasserkraft für die Energie AG? Stallinger: Einfach gesagt: Sie ist der technische, systemische und wirtschaftliche Kern des Unternehmens. Oder in Zahlen ausgedrückt: Wir betreiben heute 43 Wasserkraftwerke mit einem Arbeitsvermögen von 2,5 TWh pro Jahr inklusive der Bezugsrechte. In den Medien wird die Wasserkraft nicht selten angeprangert. Hat sie ein Imageproblem? Stallinger: Ich glaube, dass in der Breite der Bevölkerung kein derartiges Imageproblem vorliegt, auch wenn in Medien manchmal negativ über die Wasserkraft berichtet wird. Die Menschen in Österreich wissen schon, was sie an der Wasserkraft haben. Allerdings wird sich die öffentliche Diskussion zum Thema wandeln. Und zwar werden wir uns von einer ideologischen Diskussion, in der man auch den obigen Zielkonflikt mitträgt, zu einer pragmatischen technologischen Lösung bewegen müssen. Denn: Nur mit Technologie werden wir die Herausforderung 100% Erneuerbare lösen können - nicht mit Ideologie. Die Energie AG hat historisch wertvolle Kraftwerksanlagen in ihrem Kraftwerkspark. Was zeichnet diese Anlagen aus? Was macht sie schützenswert? Stallinger: Besonders bekannt ist natürlich das Kraftwerk Steyrdurchbruch mit seiner Jugendstilarchitektur, es steht auch unter Denkmalschutz. Kraftwerke wie Steyrdurchbruch

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Stallinger: Aktuell steht unser neues Kleinwasserkraftwerk Dürnau in Vöcklabruck mit 6 GWh RAV kurz vor der Fertigstellung. Was den Erstatzneubau für die drei betagten Kraftwerke an der Traunkette, Gschröff, Siebenbrunn und Traunfall, angeht, so ist das UVP-Vorverfahren abgeschlossen, wir befinden uns kurz vor der Einreichung zum UVP-Verfahren. Es handelt sich um ein recht komplexes Projekt, bei dem auch die Geschichte dieser Kraftwerkskette im Neuprojekt entsprechend gewürdigt wird. Danke für das Gespräch! Foto: Energie AG

Raum sein. Schließlich darf man nicht vergessen, dass Energiesysteme vor Grenzen nicht halt machen. Sehen Sie eine ausreichende Unterstützung für die Wasserkraft in der Europäischen Union? Stallinger: Die Stärke der Wasserkraft ist kein weit verbreitetes Phänomen in der EU, wenn man von Österreich, Norditalien, Frankreich und Schweden absieht. Dementsprechend ist die Lobby auch nicht besonders stark. Aber: Wenn wir vor allem mit unseren Speichern den systemischen Nutzen bringen können, hilft das vielleicht die Akzeptanz auf europäischer Ebene zu steigern. So, dass auf breiter Ebene der systemerhaltende Beitrag der Wasserkraft wahrgenommen wird. Bei welchen Wassserkraftrojekten ist die Energie AG aktuell engagiert? Foto: Energie AG

Das denkmalgeschützte Kraftwerk Steyrdurchbruch gehört zu den „Schmuckkästchen“ der österreichischen Kraftwerkskultur.

An einem der leistungsstärksten Kraftwerke der Energie AG, dem KW Marchtrenk, wurde eine neue Fischaufstiegshilfe angelegt.

Foto: Energie AG

oder auch das KW Partenstein sind schon etwas Besonderes. Auch das KW Partenstein wurde, wie KW Steyrdurchbruch, von dem berühmten Jugendstil-Architekten Mauriz Balzarek entworfen. Die typische IndustrieArchitektur der Jahrhundertwende ist selbstredend erhaltenswert. Wir haben die Generalsanierung von KW Partenstein erst vergangenes Jahr durchgeführt. Dabei muss man schon anmerken, welche Qualität so ein Kraftwerk auch technisch mitbringt, wenn es nach knapp 100 Jahren das erste Mal in größerem Maße umgebaut und saniert werden muss. In all den Jahren hat es per anno rund 48 GWh Strom geliefert. Das ist beachtlich. Persönliche Frage: Wie sind Sie zu dem Thema Wasserkraft gekommen? Stallinger: Mich hat die Wasserkraft schon sehr früh interessiert. 1997 habe ich als Privatperson, lange bevor ich bei der Energie AG eingetreten bin, Unterschriften für das damals umstrittene Kraftwerk Lambach gesammelt. Ich war damals schon von den Vorteilen und Qualitäten der Wasserkraft überzeugt. Perspektiven für die Wasserkraft? Stallinger: Die Wasserkraft ist zweifellos eine Stärke von Österreich. Eine Stärke, die andere Länder nicht haben – und die man auch weiter ausbauen sollte. Die neue Denkrichtung geht eher weg von einem ‚thermo-hydraulischen Verbund‘ hin zu einem ‚hydraulischen-erneuerbaren Verbund‘. Unter diesen Voraussetzungen wollen wir die Potenziale nutzen – einerseits auf der Erzeugungsseite und anderseits mit dem systemischen Beitrag, der dringend für das Netz zum Ausgleich der volatilen Erneuerbaren nötig ist. Das kann unser Beitrag für die Sicherung im zentraleuropäischen

Dipl.-Ing. Stefan Stallinger MBA ist seit 2017 Technik-Vorstand der Energie AG Oberösterreich. Stefan Stallinger, dessen Leidenschaft den technologischen Lösungen gilt, ist 46 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern.

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Das erste Wasserkraftwerk der ASFINAG wurde am Flirscher Tunnel im Zuge der Erneuerung der Löschwasserleitung errichtet. Im Oktober des Vorjahres konnte die Ausleitungsanlage nach rund sechs Monaten Bauzeit erstmals in Betrieb genommen werden.

FLIRSCHER TUNNEL GEHT MIT ERSTEM ASFINAG-WASSERKRAFTWERK EIN LICHT AUF Rund zehn Kilometer vom Ostportal des Arlbergtunnels entfernt ging im Herbst 2020 das erste Wasserkraftwerk des österreichischen Autobahn- und Schnellstraßenbetreibers ASFINAG in Betrieb. Das Ausleitungskraftwerk wurde im Zuge der Erneuerung der Tunnel-Löschwasserleitung errichtet und deckt mit seiner Erzeugung von rund 500.000 kWh/a den Jahresstrombedarf des Flirscher Tunnels. Umgesetzt wurde das schlüsselfertige Projekt vom Tiroler Tiefbauspezialisten Ing. Berger & Brunner Bauges.m.b.H., der den Auftrag als Generalunternehmer zwischen April und Oktober 2020 realisierte. Für die Ausführung des elektromechanischen und leittechnischen Equipments beauftragte Berger + Brunner zwei bewährte Südtiroler Unternehmen. Tschurtschenthaler Turbinenbau lieferte die 2-düsige Pelton-Turbine mit einer Engpassleistung von knapp 140 kW, Electro Clara sorgte für die elektro- und leittechnische Ausstattung der neuen Ökostromanlage an der Arlberg Schnellstraße.

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Der Tiroler Tiefbauspezialist Berger + Brunner realisierte das schlüsselfertige Projekt als Generalunternehmer.

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ür ihre Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit wurde die 100 Prozent im Staatsbesitz stehende ASFINAG im Vorjahr zum bereits vierten Mal in Folge mit „Prime“ bewertet. Vergeben wurde die Auszeichnung von der renommierten Rating-Agentur ISS ESG, die alljährlich führende Unternehmen im Hinblick auf deren Nachhaltigkeits-Performance unter die Lupe nimmt, vermeldete die ASFINAG im November 2020 in einer Presseaussendung. Ausschlaggebend sei die positive Auszeichnung auf eine ganze Reihe von ASFINAG Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien. 16 Projekte dieser Art wurden bereits umgesetzt oder sind im Bau, zwölf weitere Vorhaben befinden sich in konkreter Planung. Zur sauberen Stromgewinnung nutzt die ASFINAG vorwiegend auf Tunnelportalen oder deren Dachflächen erFebruar 2021

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Der Beton- und Materialtransport zur Wasserfassung erfolgte wegen des steilen Geländes auf dem Luftweg.

richtete Photovoltaik-Anlagen und versorgt damit als größte Energieverbraucher im Netz ihre Tunnelanlagen sowie Autobahnmeistereien. Zukünftig sollen auch Lärmschutzwände im Rahmen von Pilotprojekten mit PV-Anlagen ausgestattet werden.

wählt, weil dessen in die Jahre gekommene Löschwasserleitung ohnehin erneuert werden musste. Die anstehenden Baumaßnahmen dienten als Ausganspunkt, um Teile der vorhandenen Löschwasser-Infrastruktur für den Bau eines neuen Wasserkraftwerks nutzbar zu machen“, erklärt ASFINAG-Projektleiter Stefan Sperling. Dieser ergänzt, dass die mehrjährige Planungsphase inklusive Behördenverfahren und Verhandlungen mit den Grundeigentümern im Projektgebiet durchaus als aufwändig bezeichnet werden kann. Die finale Baugenehmigung wurde der ASFINAG 2019 erteilt, 2020 konnte das Projekt schließlich in die Realität umgesetzt werden.

für sich entschieden. „Als Teil der Bodner Gruppe ist B+B in der Branche vor allem für seine Kompetenz bei Tiefbau- und Spezialtiefbauprojekten bekannt, wozu auch der Wasserkraftbereich zählt. Wir haben bereits zwischen 2018 und 2019 als Generalunternehmer das Kleinwasserkraftwerk Finsingbach für einen privaten Bauherrn schlüsselfertig errichtet. Bei der Ausschreibung für das Kraftwerk Flirsch sind wir erneut als General­ unternehmer für Hoch- und Tiefbau sowie die gesamte Elektromechanik, Stahlwasserbau und Leittechnik aufgetreten und konnten uns letztendlich den Zuschlag gegenüber den Mitbewerbern sichern“, sagt B+B-Bauleiter Michael Jank. Trotz des Ausbruchs der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 konnte das Projekt wie geplant am 20. April in die Um-

BERGER & BRUNNER ALS GENERALUNTERNEHMER Die öffentliche Ausschreibung des schlüsselfertig abzuwickelnden Projekts startete im November 2019 und wurde von der Tiroler Ing. Berger & Brunner Bauges.m.b.H (B+B)

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BAUMASSNAHMEN KOMBINIERT Seit vergangenem Herbst ist die ASFINAG im Tiroler Oberland an der S 16 Arlberg-­ Schnellstraße auch als Wasserkraftbetreiber aktiv. Realisiert wurde die nach dem klassischen Ausleitungsprinzip konzipierte Anlage am Tunnel Flirsch, rund 10 Kilometer vom Ostportal des Arlberg-Straßentunnels entfernt. „Das Thema Nachhaltigkeit nimmt bei der ASFINAG eine immer stärkere Rolle ein, wie eine ganze Reihe von Projekten und Initiativen in der jüngeren Vergangenheit zeigen. Für die Errichtung unseres ersten Wasserkraftwerks wurde der Flirscher Tunnel ausge-

Foto: B+B

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Die bestehende Wasserfassung am Gondebach musste für den Bau des Kraftwerks umfassend adaptiert werden.

Der Kraftabstieg DN350 und die Löschwasserleitung DN200 bestehen zur Gänze aus duktilen Gussrohren von der Tiroler Rohre GmbH.

WIR VERSETZEN BERGE bb-bau.at

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Tschurtschenthaler Turbinenbau lieferte eine 2-düsig Pelton-Turbine, die unter Volllast eine Engpassleistung von 138,9 kW erreicht. Darüber hinaus überzeugt die mit einem Synchron-Generator von Hitzinger gekoppelte Maschine in einem breiten Teillastbereich.

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VORRANG FÜR LÖSCHWASSERVERSORGUNG Für den Bau des Kleinwasserkraftwerks musste die bestehende Wasserfassung am Gondebach umfassend erweitert und adaptiert werden, lediglich das Tiroler Wehr blieb vom Altbestand erhalten. Der 100 m³ fassende Löschwasserbehälter, ehemaliger Hauptabnehmer der rund 60 m entfernten Wasserfassung, wurde im Zuge des Umbaus komplett mit neuen Armaturen, Sensoren und Schiebergruppen ausgestattet. Jank merkt an, dass auf Vorschlag von B+B eine zusätzliche Bypassleitung für den Löschwasserbehälter erstellt wurde. Mit dieser Umleitung kann die Löschwasserversorgung des Tunnels bei Wartungsarbeiten am Behälter oder dem Einlaufbauwerk direkt vom Tiroler Wehr aus gespeist werden und bleibt somit ununterbrochen aufrecht. Vom Tiroler Wehr fließt das Wasser zunächst über einen Entkieser und gleich im Anschluss in das Entsanderbecken. Dem Sandfang nachgeschaltet ist die Löschwasser-

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setzungsphase starten, knapp ein halbes Jahr später ging die Anlage Mitte Oktober zum ersten Mal in Betrieb.

Das Triebwasser schießt mit knapp 12 bar Druck auf die Pelton-Becher des Laufrads.

und Triebwasserentnahmekammer sowie die Restwasserabgabeeinrichtung. Gemäß behördlicher Vorschreibung muss die Restwasserstrecke mit jeweils 20 Prozent des Zuflusses dotiert werden, die Mindestdotation beträgt 20 l/s während des Winters bzw. 50 l/s während der Sommermonate. Die Löschwasserversorgung des Tunnels hat permanent Vorrang gegenüber dem Kraftwerksbetrieb, weswegen beide Systeme getrennt voneinander ausgeführt wurden.

Einsatz eines Helikopters als sinnvollste technisch/wirtschaftliche Option herauskristallisiert. Das hat in der Praxis sehr gut und schnell funktioniert, innerhalb von nur 2 bis 2,5 Minuten Flugzeit konnten jeweils 1/3 m³ Beton auf dem Luftweg zugestellt werden.“ Beim Material der 524 m langen Kraftwerksleitung DN350, der 466 m langen Löschwasserleitung DN200 und der 60 m langen Zuleitung DN250 zum Löschwasserbehälter setzte B+B auf die robusten duktilen Gussrohre der Tiroler Rohre GmbH. Die Lösch­ wasser- und die Kraftwerksleitung wurden komplett mit schub- und zuggesicherten Muffenverbindungen verlegt und im selben Rohrgraben Richtung Tal geführt. Der Trassenverlauf erforderte dabei den Einbau einer ganzen Reihe von Rohrkrümmern. Am Ende der Rohrtrasse wurde die Löschwasserleitung an den bestehenden Übergabeschacht für die beiden Tunnel Flirsch und Strengen angeschlossen. Die Kraftwerksleitung wurde mittels Kernbohrung durch die Tragkonstruktion der Galerie des Flirscher Tunnels geführt und geht danach direkt ins Maschinengebäude über.

BETONIEREN MIT LUFTUNTERSTÜTZUNG Zu Beginn der Umsetzungsphase fokussierte sich B+B auf die Erneuerung des Einlaufbauwerks, zwei Wochen danach starteten die Errichtung des Maschinengebäudes und die Verlegung der neuen Druckrohrleitungen. Wegen der anspruchsvollen Geländebedingungen im Bereich der Wasserfassung musste in logistischer Hinsicht kurzfristig umdisponiert werden, erklärt Jank: „Auf den letzten 100 m vor der Wasserfassung weist das Gelände eine Steigung von rund 40 Prozent auf. Für den Beton- und Materialtransport hat sich wegen des steilen Geländes schließlich der

Technische Daten • KW-Typ: Ausleitungkraftwerk • Ausbauwassermenge: 140 l/s • Bruttofallhöhe: 117,34 m • Druckrohrleitung: 524 m DN350 • Löschwasserleitung: 466 m DN200 • Zuleitung Hochbehälter: 60 m DN250 • Material: duktiler Guss • Hersteller: Tiroler Rohre GmbH • E- & Leittechnik: Electro Clara

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• Turbine: 2-düsige Pelton • Welle: horizontal • Drehzahl: 1.000 U/min • Engpassleistung: 138,9 kW • Hersteller: Tschurtschenthaler • Generator: Synchron • Nennscheinleistung: 160 kVA • Hersteller: Hitzinger • Jahresarbeit: ca. 500.000 kWh

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TUNNEL NUN ENERGIEAUTARK Die Elektrotechnik und Steuerung des Kraftwerks stammt vom Automatisierungsspezialisten Electro Clara. Geschäftsführer Janpaul Clara weist darauf hin, dass die Integration des Wasserkraftwerks in das Anlagenkonzept der ASFINAG eine wesentliche Herausforderung des Auftrags darstellte: „Dies umfasste die kundenspezifische Planung und Ausfüh-

Electro Clara aus Südtirol sorgte für das elektro- und leittechnische Equipment des Kraftwerks.

Foto: zek

SÜDTIROLER RÜSTEN KRAFTHAUS AUS Bei der Ausführung des elektromechanischen und leittechnischen Equipments setzte B+B auf das Know-how zweier Branchenexperten aus Südtirol. Als Herzstück der Anlage lieferte Tschurtschenthaler Turbinenbau aus Sexten eine 2-düsige Pelton-Turbine mit horizontaler Welle. Die maßgeschneiderte Maschine wurde auf eine Ausbauwassermenge von 140 l/s und eine Bruttofallhöhe von 117,34 m ausgelegt, womit das Kraftpaket unter Volllast eine Engpassleistung von knapp 140 kW erreicht. Für die exakte Regelung der Pelton-Düsen kommen zwei elektrische Stellantriebe zum Einsatz. Komplettiert wird der Maschinensatz durch einen direkt mit der Turbinenwelle gekoppelten Synchron-Generator. Der luftgekühlte Energiewandler rotiert wie die Turbine mit 1.000 U/ min und wurde auf eine Nennscheinleistung von 160 kVA ausgelegt. Beim zek HYDRO Lokalaugenschein im Jänner bei tiefwinterlichen Verhältnissen zeigte die Turbine ihre Stärken im untersten Teillastbereich. Dies bestätigte ASFINAG-Projektleiter Sperling: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Anlage auch im Winter durchläuft – erfreulicherweise haben wir uns in diesem Punkt getäuscht. Der Maschinensatz erreicht bei ­ verringertem Zufluss zwar keine Maximalleistung, die Produktion bleibt aber dennoch konstant aufrecht. Es sieht so aus, als ob wir das ganze Jahr hindurch Strom erzeugen können, womit unsere Erwartungen sogar übertroffen wurden.“

ASFINAG-Projektleiter Stefan Sperling (li.) und Berger + Brunner-Bauleiter Michael Jank.

rung nach genau vorgegebenen Planungshandbüchern, eine bestimmte IT-Infrastruktur sowie die Einbindung in das zentrale Überwachungskonzept der ASFINAG. Darüber hinaus erfasst bzw. übernimmt die Steuerung auch Teile der Tunnel-Löschwasseranlage, welche natürlich absolute Priorität gegenüber der Energieproduktion hat. Außerdem gewährleistet die Anlage einen gewissen Grad an Autarkie für den Flirscher Tunnel. Nicht nur für die Energiebilanz, sondern auch in jener Hinsicht, dass das Kraftwerk

beim einem Netzausfall die Stromversorgung verschiedener elektrischer Komponenten des Tunnels aufrechterhält.“ In Summe investierte die ASFINAG rund 1,2 Millionen Euro in die Realisierung ihres ersten Wasserkraftwerks und stellte gleichzeitig die Löschwasserversorgung der Tunnel Flirsch und Strengen sicher. Die ASFINAG rechnet damit, den Jahresstrombedarf des Tunnels Flirsch im Ausmaß von rund 500.000 kWh nun zur Gänze mit Ökostrom aus eigener Produktion abdecken zu können.

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Der Kraftabstieg musste vor dem Übergang ins Maschinengebäude mittels Kernbohrung durch die Tragkonstruktion der Galerie des Flirscher Tunnel geführt werden.

Foto: B+B

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KRAFTWERK ERSTFELDERTAL – ENERGIEURI HAT WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT GEWONNEN Ein Kraftwerksbau hat in der Regel mehr von einem Marathon als einem Sprint. Und dennoch musste der Urner Energiedienstleister EWA-energieUri enorm aufs Tempo drücken, um das jüngste Kraftwerk zeit- und fristgerecht ans Netz zu bringen. Mit Erfolg: Bereits 20 Monate nach Baustart lieferte das neue Kraftwerk Erstfeldertal am 19. November letzten Jahres erstmalig Strom und schaffte damit die Inbetriebnahme um mehr als einen Monat vor der ultimativen Umsetzungsfrist. Der nachhaltig erzeugte Strom aus dem neuen Kraftwerk reicht künftig für die CO2-freie Versorgung von 7.200 Urner Haushalten.

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ie Vision ist Wirklichkeit geworden: Das Kraftwerksprojekt am Alpbach im Erstfeldertal galt als eines der schwierigsten und ambitioniertesten Kraftwerksprojekte im Kanton Uri seit langem. Seine Umsetzung war in der Vergangenheit gleich mehrfach gescheitert. Bereits 1918, also vor über 100 Jahren, wurden erste Stauversuche am Fulensee unternommen. In den 1950er-, 1960er- und 1990er-Jahren wurden Initiativen für den Bau eines Kraftwerks gestartet. Es wurden mehrere Projektstudien zur Nutzung des Baches, eines der größten noch nutzbaren Gewässers Uris, erstellt, die allesamt in der Schublade verschwanden. Zuletzt waren es vor allen Dingen Bedenken hinsichtlich Trinkwasserschutz, die ein Kraftwerksprojekt in weite Ferne rücken ließen. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz gelang der EWA-energie­

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Uri, ein neues Projekt auf Schiene zu bringen, das sämtlichen strengen Vorgaben und Richtlinien entsprechen sollte. Im April 2019 war es schließlich soweit: Die ersten Baumaschinen waren am Eingang des Erstfeldertals aufgefahren und begannen mit den Bauarbeiten. In rekordverdächtigen 20 Monaten wurde ein Hochdruckkraftwerk auf dem neusten Stand der Technik realisiert, das am 19. November 2020 erstmalig Strom erzeugte. EINE EINMALIGE LEISTUNG Circa eine Woche zuvor wurde die rund einen Kilometer lange Druckleitung zum ersten Mal befüllt. Nach erfolgreich absolvierter Druckprobe konnte Werner Jauch, Verwaltungsratspräsident der KW Erstfeldertal AG, Maschine 3, die sogenannte „Wintermaschine“ des Kraftwerks, erstmals in Betrieb set-

zen. „In zweieinhalb Jahren vom ersten Bewilligungsschritt bis zur Inbetriebnahme ist bei einem Kraftwerk dieser Größenordnung absolut einmalig“, freut sich Werner Jauch über das Erreichen eines der letzten Meilensteine. „Wenn man diese zweieinhalb Jahre Revue passieren lässt, wird erst deutlich, was alle Beteiligten bei diesem Projekt geleistet haben. In 10 Monaten haben wir alle erforderlichen Bewilligungen erreicht: das Konzessionsgesuch, UVB 1. Stufe, Schutz- und Nutzungsplanung nach Gewässerschutzgesetz (SNP), das Baugesuch, UVB 2. Stufe, Gründung KW Erstfeldertal AG sowie die Genehmigung der Schutz- und Nutzungsplanung SNP durch den Bundesrat. In 20 Monaten haben wir die Kraftwerkszentrale und die Wasserfassung gebaut und rund einen Kilometer Fels für den Rohr- sowie den

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Foto: Glanzer

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Im November letzten Jahres gelang der finale Meilenstein in der Umsetzung des neuen Kraftwerks Erstfeldertal: Verwaltungsratspräsident Werner Jauch (hintere Reihe links) gratuliert dem Team – Projektleitung EWA-energieUri, IBN Ingenieure, Troyer AG – zur erfolgreichen Inbetriebnahme.


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Foto: Glanzer

Während die kleinere „Wintermaschine“ – im Bildhintergrund – bereits seit letzten November Strom produziert, wird aktuell noch an der Inbetriebsetzung der beiden großen Maschinensätze gearbeitet. Das elektromaschinelle Equipment wurde vom Südtiroler Branchenspezialisten Troyer AG geliefert und installiert.

Foto: PI Mitterfellner

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Projekt gleich mehrfach auf Messers Schneide. „Bis spätestens Ende Dezember 2020 musste das KW Erstfeldertal zum ersten Mal Strom produzieren“, führt Werner Jauch aus. „Sonst wären die Beiträge der nationalen Förderung an das Kraftwerk endgültig verfallen und das Projekt gescheitert. Wir haben an die Machbarkeit geglaubt und es ist uns gelungen, das Kraftwerk bereits mehr als einen Monat vor Ablauf der Frist in Betrieb zu nehmen.“ Für Werner Jauch fast eine Ironie der

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Entsanderstollen ausgebrochen. Wir haben die technischen Anlagen installiert und in Betrieb genommen und das Kraftwerk ans Netz angeschlossen. Als zusätzliche Herausforderung haben während rund der Hälfte der Bauzeit aufgrund der Corona-Pandemie erschwerte Baubedingungen geherrscht.“ Die einmalige Leistung am Eingang zum Erstfeldertal war nötig, um das KW Erstfeldertal doch noch zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Schließlich stand das jüngste

VISION DROHTE ZU PLATZEN Bereits 2017 stand das Kraftwerksprojekt kurz vor dem Aus. Die nationale Förderung drohte Ende 2017 endgültig auszulaufen. Damit hätte das Projekt eine zentrale wirtschaftliche Basis verloren. Trotz der schwierigen Ausgangslage versuchte die EWAGEMEINSCHAFTSKRAFTWERK: Das Kraftwerk Erstfeldertal ist ein Gemein­ schaftswerk. Am 21. November 2018 grün­ deten die beteiligten Partner EWA-energieUri (38 Prozent), Gemeindewerke Erstfeld (38 Prozent), Kanton Uri (16 Prozent) und Korporation Uri (8 Prozent) offiziell die Kraftwerk Erstfeldertal AG. Anschließend an die Grün­ dungsversammlung fand die erste Sitzung des Verwaltungsrats der KW Erstfeldertal AG statt, der Werner Jauch (Vorsitzender der Geschäftsleitung EWA-energieUri) als Verwaltungsratspräsident vorsteht. Vizepräsident ist Peter Dittli (Geschäftsführer Gemeindewerke Erstfeld). Rolf Müller (Generalsekretär Amt für Finanzen Kanton Uri), Kurt Schuler (Verwalter Korporation Uri) sowie Ruedi Cathry (Leiter Installation EWA) sind Mitglieder.

Der Verwaltungsrat der Kraftwerk Erstfeldertal AG nach der Gründungsversammlung im November 2018: Rolf Müller, Peter Dittli (Vizepräsident), Werner Jauch (Verwaltungsratspräsident), Ruedi Cathry und Kurt Schuler (v.l.)

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Geschichte, dass es nach 100 Jahren, in denen kein Kraftwerk realisiert werden konnte, plötzlich alles ganz schnell gehen musste.

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teilt taxiert“, erklärt Werner Jauch. „Und es war tatsächlich ein sehr großer Effort von allen Beteiligten nötig, damit das Projekt nicht an diesem extrem engen Zeitplan scheiterte. Die Projektmitarbeitenden leisteten unzählige Über­stunden und verzichteten auf Ferien und Freizeit im Jahr 2018. Sonst hätte es nicht gereicht.“ Ein weiterer Erfolgsfaktor für das Projekt war die langjährige Erfahrung und das umfassende Know-how in allen Bereichen des Kraftwerkbaus. „Aus unseren zahlreichen Kraftwerksprojekten kennen wir die einzelnen Schritte der Projektierung und des Bewilligungsverfahrens ganz genau“, führt Werner Jauch aus. „Wir wissen, wie die Schritte aufeinander folgen, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen oder wer die wichtigen Anspruchsgruppen sind. Beim Kraftwerk Erstfeldertal kam uns weiter zugute, dass wir mit unserem Projekt aus dem Jahr 2008 schon Vorarbeit geleistet hatten, auf die wir zurückgreifen konnten.“

Von der Wasserfassung bis zum Krafthaus wurde eine rund 1.000 m lange Druckrohrleitung, bestehend aus geschweißten Stahlrohren DN1400, verlegt.

das überarbeitete Konzessionsgesuch ein. Am 3. Oktober 2018 erteilte der Urner Landrat dem Projekt die Konzession ohne Gegenstimme. Ohne Einsprachen erhielt es dann am 19. November 2018 die Baubewilligung. KNOW-HOW MACHT SICH BEZAHLT Dieser Prozess im Zeitraffer, der einen Projektfortschritt bis hin zur Baubewilligung in weniger als der Hälfte der sonst üblichen Zeit möglich machte, ist eine einmalige und außergewöhnliche Leistung. „Wir wurden am Anfang fast belächelt und unser Vorhaben als nahezu unmöglich und zum Scheitern verurFoto: EWA-energieUri

energie­ Uri, die Zusage für die nationale Förderung für das Kraftwerk verlängern zu lassen und erarbeitete gleichzeitig eine Vorstudie für ein kleineres Werk, sozusagen eine „abgespeckte Version“. Auf dieser Basis gelang die Verlängerung der Zusage und somit die Wiederbelebung des Projekts. Und damit fiel auch der Startschuss für den ersten Abschnitt eines herausfordernden Wettlaufs gegen die Zeit: Schließlich galt es nun, bis Ende 2018 die Konzession und die Baubewilligung für das Projekt zu erlangen. Dieser Prozess nimmt in der Regel mehr als zwei Jahre in Anspruch. Im Frühling 2018 reichten die Projektpartner

ÜBERZEUGENDES ANLAGENKONZEPT Beim nun konzessionierten Kraftwerksprojekt handelt es sich im Vergleich zu den ursprünglichen um eine kleinere Nutzungsvariante. Das Triebwasser wird im Gebiet Schopfen auf 730 m Seehöhe gefasst, wobei maximal 5,5 m3/s genutzt werden. Die Fassung besteht im Wesentlichen aus einer 9 m breiten Stauklappe, einem Grobrechen, zwei Einlaufschütze, einem Spülschütz, dem Feinrechen, einer horizontalen Rechenreinigungsmaschine und einem HSR-Entsandersystem. Daran anschließend gelangt das Triebwasser in eine Druckrohrleitung aus Stahl der Dimension DN1400. Auf seinem Weg zur Maschinen-

Zahlen und Fakten • Kraftwerkstyp: Laufwasserkraftwerk • Gewässer: Alpbach • Kote Wasserfassung: 730 m.ü.M. • Kote Zentrale: 482 m.ü.M. • Bruttofallhöhe: 248 m • Ausbauwassermenge: 5,5 m3/s • Turbinenzahl: 3 Stück • Turbinentyp: Pelton • Fabrikat: Troyer AG • M1 + M2 Leistung: je 5,75 MW • M3: 0,65 MW • Engpassleistung: 11,5 MW • Druckleitung: L = 1.000 m • Material: Stahl / Ø DN1400 • Investition: ca. 37 Mio. CHF • Jahresarbeit: 32 GWh

Trotz strenger Schutzmaßnahmen hinsichtlich CoronaPandemie verliefen die Inbetriebsetzungsarbeiten zügig.

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• Wasserzinsen: ca. 500.000 CHF/Jahr • Inbetriebnahme: November 2020

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Foto: EWA-energieUri

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Im Gebiet Schopfen auf 730 m Seehöhe wurde der Alpbach gefasst.

Ein Großteil des Kraftwerks ist unterirdisch angelegt, wie etwa der HSR-Entsander im Anschluss an die Wasserfassung.

EFFORT RENTIERT SICH LANGFRISTIG Der besondere Effort beim Bau des KW Erstfeldertal zahlt sich aus. „Rund 45 Firmen aus Uri waren am Bau beteiligt“, erklärt Peter Dittli, Vizepräsident des Verwaltungsrats der KW Erstfeldertal AG. 75 Prozent der Investitions-

Montage der Druckleitung im Schrägschacht

Foto: EWA-energieUri

summe von insgesamt 37 Millionen Franken, also rund 28 Millionen Franken, bleiben als Wertschöpfung in Uri. „Darüber hinaus generiert das Kraftwerk eine halbe Million Franken Wasserzinsen pro Jahr“, erklärt Verwaltungsrat Rolf Müller. „Das ist eine wichtige Einnahmequelle für den Kanton Uri.“ Und das Kraftwerk schafft noch weiteren volkswirtschaftlichen Nutzen: „Es sorgt für Steuereinnahmen für den Kanton Uri und die Gemeinde Erstfeld“, ergänzt Verwaltungsratskollege Kurt Schuler. „Und schließlich sichern Betrieb und Unterhalt auch Arbeitsplätze.“ „All diese Faktoren sind in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten besonders wertvoll“, ist Werner Jauch überzeugt. „Die Corona-Pandemie führt uns vor Augen, wie wichtig die lokale Produktion ist, wenn die internationalen Lieferketten sehr schnell zusammenbrechen. Das gilt auch für die Energieproduktion. Wir leisten mit dem neuen Kraftwerk einen weiteren wichtigen Beitrag an die nachhaltige, CO2-freie Energieversorgung des Kantons Uri. Das KW Erstfeldertal produziert erneuerbaren Strom für 7.200 Haushalte und reduziert den Kohlendioxid-Ausstoß gegenüber einem Kohlekraftwerk um 40.000 Tonnen jährlich.“

Foto: EWA-energieUri

zentrale strömt es durch die 1.000 m lange Rohrleitung, die zum größten Teil auch durch einen neu zu errichtenden Stollen führt, bevor es auf 484 m Seehöhe auf die Turbinen in der Maschinenzentrale trifft. Hier sind drei Maschineneinheiten des Südtiroler Wasserkraftspezialisten Troyer AG mit einer Engpassleistung von insgesamt 11,5 MW untergebracht. Konkret handelt es sich um zwei baugleiche, größere Peltonturbinen mit einer Nennleistung von je 5,75 MW und eine kleinere Winterturbine – ebenfalls eine Peltonturbine mit 0,65 MW. Alle drei Turbinen treiben dabei jeweils einen direkt gekoppelten Synchrongenerator an. Der erzeugte Strom wird auf eine gemeinsame 5,5-kV-Sammelschiene geführt und über einen Reguliertransformator 50/5,5-kV und via 50-kV GIS Schaltanlage ins Netz der EWA-energieUri eingespeist.

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Mithilfe von Bruchsteinen und Schüttungen wurde die Wasserfassung für das neue Kraftwerk Alvierbach im Vorarlberger Brandnertal naturnah gestaltet. Die Anlage, die seit Februar letzten Jahres in Betrieb ist, erzeugt grünen Strom für rund 1.700 Haushalte.

Foto: zek

KELAG BRINGT NEUES VORZEIGEKRAFTWERK IN MONTENEGRO ANS NETZ

Foto: zek

Seit November letzten Jahres ist das neue Kraftwerk Vrbnica im äußersten Nordwesten Montenegros in Betrieb. Das neue Kleinkraftwerk mit einer installierten Leistung von 6 Megawatt wurde von der Kelag-Tochter Interenergo d.o.o. realisiert.

Im Herbst 2020 hat die KELAG-Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft ein neues Kleinwasserkraftwerk im Nordwesten Montenegros in Betrieb genommen. Ein Projekt, das der Energiedienstleister über einen Zeitraum von drei Jahren mit seiner Unternehmenstochter Interenergo d.o.o. mit Sitz in Slowenien realisierte. Besonderes Augenmerk legte die Kelag dabei nicht nur auf die technische Ausführung des 6 MW-Kraftwerks, sondern schwerpunktmäßig auch auf eine hohe Akzeptanz in der montenegrinischen Bevölkerung. Zu diesem Zweck wurden im Vorfeld zahlreiche Gespräche geführt, sämtliche Anrainer in die Pläne eingebunden und der Nutzen des Projekts sowie die erforderlichen Eingriffe in die Natur klar und transparent kommuniziert. Mittlerweile trägt das neue KW Vrbnica auch zur Stabilisierung des Verteilernetzes in der Region bei.

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NEUES EINSTUFIGES KRAFTWERKSKONZEPT Im Zuge der Umsetzung des Projektes wurden zugleich Pläne gewälzt, wie auch Gewässer im Oberlauf bestmöglich genutzt werden könnten. Etwa der Fluss Vrbnica, für den Titos Ingenieure ein dreistufiges Projekt mit einer kleinen Staumauer vorgesehen hatten. Doch daraus sollte nichts werden, wie Sebastjan Rozman, Ingenieur bei Interenergo und ausgewiesener Fachmann für Fragen der Was-

Foto: Interenergo

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ontenegro gilt mit Recht als Wasserkraft-Land. Der Kleinstaat am Balkan produziert mit seinen Wasserkraftwerken im Jahr rund 5,4 Mrd. kWh (Quelle: Laenderdaten.info). Damit liefert die Wasserkraft den Löwenanteil von rund 69 Prozent an der Gesamtstromerzeugung des Landes. Eine der Wasserkraftanlagen ragt dabei heraus und ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt: Das Kraftwerk Piva mit einer installierten Gesamtkapazität von 360 MW. Es handelt sich dabei um ein Mega-Projekt aus den Zeiten des alten Jugoslawiens, das in der ersten Hälfte der 1970er Jahre realisiert wurde. Die 220 m hohe Betonbogenstaumauer des dafür errichteten Mratinje Damms galt lange Zeit als eine der höchsten ganz Europas. Der Aufstau führte schließlich zur Ausbildung des Piva-Sees, der mit 12,5 km2 heute der zweitgrößte See Montenegros ist. Die dabei verlorene Kleinstadt Plužine wurde am Rande des Stausees wiederaufgebaut. Bewahrt wurde nur das berühmte Piva-Kloster, das zuvor Stück für Stück abgetragen und später am neuen Standort wieder aus den Originalteilen rekonstruiert wurde.

serkraft am Balkan bestätigt: „Ein derartiges Projekt wäre heute nicht mehr annähernd genehmigungsfähig. Und daher war für uns auch klar, dass wir an diesem Standort ein völlig neues Konzept benötigten. Die Frage, die wir uns aber lange stellten, lautete: Sollen wir zwei Stufen bauen, oder funktioniert es auch mit einer?“ In weiterer Folge stellte die Interenergo Voruntersuchungen am Standort an und entwickelte 2015 gemeinsam mit dem

Die Energieableitung durch die bewaldeten Hügel musste dafür extra errichtet werden.

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ZÄHES RINGEN UM RÜCKHALT Doch die technische Umsetzung mit all ihren Herausforderungen bereitete den Verantwortlichen weniger Kopfzerbrechen als der soziale Aspekt des Projekts. „In Montenegro kann man zwar die Genehmigung für den Bau vom Staat in Händen haben, aber wenn man den Rückhalt in der Bevölkerung und jenen der betroffenen Kommunen und Anrainer nicht hat, baut man nicht. Daran scheitert so manches Projekt“, erklärt Projektleiter Sebastjan Rozman und ergänzt: „Daher war es Teil unserer Strategie, die Bevölkerung und alle Betroffenen vor Ort so gut es geht in das Projekt einzubinden. Das war sehr aufwändig und nahm ungefähr ein Jahr in Anspruch, war aber letztlich die Grundlage für den Projekterfolg.“ Man bemühte sich unter anderem darum, Synergieeffekte herzustellen, sodass auch die Gemeinde, die Anrainer und die Bevölkerung profitierten. Ein Beleg dafür war etwa der Rohrleitungsbau, dessen Trassenverlauf einer Landstraße folgte, in der über weite Strecken bereits eine Trinkwasserleitung verbaut war. Da die alte Trinkwasserleitung bereits das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht hat, wurde sie im Zuge der Rohrverlegung erneuert. Ein anderes Beispiel war ein kleiner Stollen, durch den die Bergstraße führt: „Die

Für die Wasserfassung wurde ein Coanda-System vom Typ Grizzly Protec Vibro Bars 2500 von Wild Metal installiert. Die 10 Coanda-Module sind auf ein Schluckvermögen von insgesamt 3,0 m3/s ausgelegt.

Aufgrund des äußerst starken Grundwasserdrangs wurde die Baustelle komplett umspundet.

Foto: Interenergo

Planungsteam der Kelag erste Projektentwürfe. Dabei kristallisierte sich heraus, dass die optimale Lösung ein einstufiges Hochdruck-Kraftwerk mit einer 6-düsigen Peltonturbine ist. Damit sollte man letztlich auch die internationale Konzessionsausschreibung 2017 für sich entscheiden. Die Region im Grenzgebiet zu Bosnien-Herzegowina ist geprägt durch Gebirge, die bis auf 2.000 m Seehöhe ansteigen und durch Wälder. Ein Gebiet, in dem auch die Fragen der Zugänglichkeit und des Energieabtransports eine nicht unwesentliche Rolle spielten.

Foto: illwerke vkw

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Steinschlaggalerie musste dringend saniert werden. Also einigten wir uns mit der Gemeinde auf den Kompromiss, wonach wir den kleinen Stollen von Grund auf sanieren. Im Gegenzug dürfen wir die Druckrohrleitung hier verlegen“, erzählt Rozman. Eine Win-Win-Situation also für beide Parteien. WARTUNGSFREIE LÖSUNG AN DER FASSUNG Bei dem Kleinkraftwerk handelt es sich um eine Hochdruck-Anlage, die das Wasser der Vrbnica nutzt. Zu diesem Zweck wurde auf 980 m Seehöhe ein Tirolerwehr mit Coanda-System errichtet, dem ein kleines Entsanderbauwerk nachgeschaltet ist. Die Betreiber entschieden sich dabei für das System Grizzly Protec Vibro Bars 2500 des bekannten Südtiroler Branchenspezialisten Wild Metal. Bei diesem Rechentyp handelt es sich um eine Weiterentwicklung des bekannten Grizzly Protec. Er besteht wie sein klassischer Vorgänger

auch aus einem Grobrechen und dem darunterliegenden Feinrechen. Die Besonderheit dieses System liegt allerdings darin, dass die Schutzstäbe des Grobrechens gummigelagert und einzeln herausnehmbar sind. Bei Bedarf kann der Grobrechen komplett entfernt oder lediglich die lichte Stabweite erhöht werden – etwa durch das Entfernen jedes zweiten Stabes. Durch die spezielle Lagerung der Stäbe wird weitgehend verhindert, dass sich Material, sprich Geschiebe oder Geschwemmsel festsetzt bzw. verklemmt. Somit wird der ohnehin schon geringe Wartungsaufwand weiter reduziert. Hinzu kommt, dass der Kraftwerksbetrieb auch im Winter bei Eis und Schnee gewährleistet ist. PLATZNOT BEI DER ROHRVERLEGUNG Das Triebwasser wird im Anschluss an das Entsanderbauwerk in eine Druckrohrleitung geführt, die aus GFK-Rohren vom Fabrikat Su-

Wild Metal GmbH • Stahlwasserbau • Patentiertes Coanda-System GRIZZLY • Rechenreinigungsmaschinen • Schütze • Rohrbrucheinrichtungen • Einlaufrechen • Komplette Wasserfassungssysteme aus Stahl Wild Metal GmbH Handwerkerzone Mareit Nr. 6 • I-39040 Ratschings (BZ)

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Auf einer Gesamtlänge von rund 3 Kilometer wurden GFK-Rohre vom Typ Superlit DN1400 (Bild links) verlegt. Die Rohrtrasse folgte größtenteils einer bestehenden Landstraße.

AUFWÄNDIG: BAU DER HOCHSPANNUNGSLEITUNG Auf rund 718 m Seehöhe wurde das Krafthaus errichtet, in dem das maschinelle Herz der Anlage sitzt: eine 6-düsige, vertikalachsige Peltonturbine, ausgelegt auf erwartete 30 bis 40 Tage Volllast. Mit einem Schluckvermögen von 3,0 m3/s kommt die Turbine aus der Fertigung des Tiroler Wasserkraftspezialisten Geppert auf eine Nennleistung von 6,4 MW. Sie treibt mit 600 Upm einen bürstenlosen, direkt gekoppelten Synchrongenerator an. Ein leistungsfähiges, robustes Maschinengespann, das eine zuverlässige Stromversorgung über Jahrzehnte garantiert. Das neue Kraftwerk Vrbnica wird im Regeljahr rund 18,5 GWh sauberen Strom erzeugen, das entspricht dem Bedarf von rund 8.000 Haushalten. Die Ableitung der Energie erfolgt über eine 8 km lange 35 kV-Leitung, die zu diesem Zweck eigens errichtet werden musste. „Die Energieableitung war ganz klar eine der zentFoto: Interenergo

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perlit erstellt wurde. Über rund 3.000 m erstreckt sich die Trasse von der Wasserfassung bis hin zum Krafthaus und überwindet dabei ein natürliches Gefälle von rund 263 m. Verlegt wurde die Leitung zum größten Teil in der bestehenden Landstraße in einer Tiefe von 2 bis 2,5 m. Die glasfaserverstärkten Kunststoffrohre bewiesen sich nicht nur als die wirtschaftlichste Lösung für die Druckrohrleitung, sondern auch als eine sehr praktische. Schließlich erleichtert das geringe Gewicht das Handling und den Einbau. Konkret kamen Rohre der Druckklassen PN16 bis PN32 mit einem Durchmesser von DN1400 zum Einsatz. Als wesentliche bauliche Herausforderung nennt Rozman dabei vor allem die beengten Platzverhältnisse: „Da in der Straße über weite Strecken eben auch die Trinkwasserleitung verlegt war, war an vielen Stellen der schmalen Bergstraße der Platz durchaus eng für die Druckrohre, die mit Bettung auch rund 2,5 m Platz benötigen“.

ralen Herausforderungen des Projektes. Das Terrain, durch das sie führt, ist zerklüftet, teilweise steil, waldreich und schwer zugänglich. Daher nahm die Errichtung der Hochspannungsleitung inklusive einer Umspannstation rund ein Jahr in Anspruch“, erinnert sich Roz­man. Die ganze Hochspannungsausrüstung, die Schaltanlagen sowie die Transformatoren wurden von Siemens realisiert – ebenso wie die gesamte steuerungs- und leittechnische Ausrüstung des Kraftwerks. HOCHWASSER UND CORONA ALS BREMSER Der Ablauf der Bauarbeiten in der abgeschiedenen Gebirgsregion Nordwest-Montenegros sollte sich letztlich als sehr herausfordernd erweisen, wie Bauingenieur Rozman bestätigt: „Wir waren mit einigen kleineren und größeren Herausforderungen konfrontiert. Das betraf etwa die Sicherung eines instabilen Hanges, oder auch die Verstärkung der einen oder anderen Brücke auf den Zufahrtswegen. Da-

Technische Daten • Ausbauwassermenge: 3,0 m3/s • Brutto-Fallhöhe: 263 m • Turbine: 6-düsige Pelton

Fabrikat: Geppert

• Leistung: 6,4 MW • Generator: Synchrongenerator • Drehzahl: 600 Upm • Wasserfassung: Coanda-System Wild Metal • Typ: Grizzly Protec Vibro Bars 2500 • Rechenfeld-Breite: 11,5 m Module: 10 Stk. • Spaltweite Feinsieb: 1,0 mm • Grobrechen: Lichte Stabweite 30 mm • Druckrohrleitung: DN1400 Länge: 3.050 m • Material: GFK Fabrikat: Superlit • PN16 - PN32 SN10.000

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• Inbetriebnahme: November 2020 • Regelarbeitsvermögen: 18,5 GWh

photo: zek

• Elektrische Ausrüstung & Steuerung: Siemens Bild links: Turbinenmontage: Spiralgehäuse und Verteilrohrleitung wurden im Mai letzten Jahres geliefert und eingehoben. Es handelt sich um eine 6-düsige vertikalachsige Peltonturbine mit 6 MW Leistung. Bild rechts: Rund ein Jahr nahmen die Arbeiten für den Bau der 8 Kilometer langen 35 kV-Hochspannungsleitung in Anspruch.

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um das Projekt in der schwierigen Phase voranzubringen. In Summe haben wir durch Corona wohl ein halbes Jahr verloren“, so der Projektleiter. INVESTOR MIT VERANTWORTUNG Im November letzten Jahres wurde schließlich der letzte Meilenstein erreicht: Das Kraftwerk Vrbnica speiste erstmalig Strom ins öffentliche Netz. Seitdem befindet sich die Anlage in den ersten Betriebsmonaten und bewährt sich bereits im täglichen Einsatz. Es liefert heute nicht nur einen wichtigen Beitrag für die Versorgung in der Region, sondern dient zudem auch der Stabilisierung eines nicht immer ganz sicheren Verteilernetzes, wie Rozman bestätigt: „Im Winter gab es in dieser Gegend immer wieder einmal netzbedingte Stromausfälle. Das neue Kraftwerk trägt nun dazu bei, diese Ausfälle auf ein Minimum zu reduzieren.“

Mit seinen knapp 19 GWh an Regelarbeitsvermögen ist es zwar immer noch ein Kleinwasserkraftwerk, aber eines der größeren im Land. „Genau genommen handelt es sich damit sogar um das drittgrößte Wasserkraftwerk Montenegros“, so Rozman. Für einen weiteren Ausbau sieht er zwar beachtliches Potenzial, momentan aber einen rauen Gegenwind für neue Projekte. „NGOs haben Stimmung gegen neue Kraftwerke gemacht. Das liegt vor allem daran, dass nicht nur seriöse Investoren auf den Plan treten. Davon können wir uns allerdings nur distanzieren. Schließlich sehen wir uns als Langzeit-Eigentümer mit Verantwortung und Respekt gegenüber Natur, Umwelt und lokaler Bevölkerung, wir sind keine kurzfristigen Spekulanten. Wir stellen ein Kraftwerk ab, wenn etwa zu wenig Wasser fließt. Leider trifft dies nicht auf alle Investoren am Balkan zu.“ Rozman: Es muss wieder positive Beispiele wie das KW Vrbnica geben, damit es nicht zu einer kategorischen Ablehnung von neuen Kraftwerken am Balkan kommt. Speziell im Fall von Montenegro wäre dies doppelt bedauerlich, immerhin verfügt das kleine Land über das größte Wasserkraftpotenzial pro Einwohner in ganz Europa. Das Kraftwerk produziert im Regeljahr rund 18,5 GWh sauberen Strom.

Foto: Interenergo

Die Steinschlaggalerie wurde im Zuge der Rohrverlegung saniert.

Foto: Interenergo

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Projektleiter Sebastjan Rozman von Interenergo auf der Baustelle.

Eine effiziente und zugleich höchst wartungsarme Lösung an der Wasserfassung: das Coanda-System von Wild Metal.

bei stellten sich auch logistische Fragen: So durften etwa die eingesetzten Lkws eine gewisse Größe und ein gewisses Gewicht nicht überschreiten.“ Doch am meisten Kopfzerbrechen bereitete der Wildbachcharakter der Vrbnica, die während der Bauphase für einige kleinere und zwei große Hochwasser sorgte. „Zum Glück gab es dabei keinerlei Personenschäden, allerdings wurden einige Befestigungen und Spundwände weggerissen, was zu kleineren Verzögerungen führte.“ Weit größeren Zeitverlust hatte eine andere Erschwernis zur Folge: Corona. Pandemiebedingt gerieten die Arbeiten nach und nach ein wenig ins Stocken. „Leider lassen sich nicht alle Arbeiten per ‚Remote-Control‘ abwickeln. Häufig braucht es auch die Fachkraft vor Ort. Da vor allem die Reisetätigkeit, aber auch Möglichkeiten für Sublieferanten eingeschränkt waren, stießen wir einfach an gewisse Grenzen. Es brauchte große Flexibilität,

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Für die Experten steht heute fest: Das sporadische Ausbaggern und Spülen der Sedimente ist kein nachhaltiges Konzept eines modernen Sedimentmanagements.

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er 8. Jänner dieses Jahres wird den europäischen Netzbetreibern wohl noch länger in Erinnerung bleiben. Am frühen Nachmittag geriet das europäische Stromnetz für kurze Zeit an seine Grenzen. Das auslösende Ereignis war gemäß der Analyse von ENTSO-E ein Ausfall einer 400 kV Sammelschienenkupplung im kroatischen Umspannwerk Ernestinovo durch Überstromschutzauslösung. Dies führte zu einer Entkopplung der beiden Sammelschienen, wodurch die Stromflüsse im Nordwesten und Südosten des Umspannwerks getrennt wurden. Die Trennung der Ströme im USW Ernestinovo führte zur

Der massive Frequenzabfall vom 8. Jänner stellte Europas Netzbetreiber vor große Herausforderungen.

Verlagerung der Stromflüsse auf benachbarte Leitungen, die dadurch überlastet wurden. Es folgte der Ausfall der Leitung Subotica - Novi Sad in Serbien wegen Überstromschutzauslösung sowie in weiterer Folge 14 weitere Leitungen aufgrund des Überstrom- und Distanzschutzauslösung. Das Gesamtsystem wurde in zwei Teile getrennt. Das Gebiet südlich der Trennlinie hatte zu diesem Zeitpunkt Erzeugungsüberschüsse, welche aufgrund der ausgefallenen Leitungsverbindungen nicht mehr in den Zentralraum Europas transportiert werden konnten. Ein Frequenzanstieg in Südosteuropa auf bis zu 50,6 Hertz (Abwei-

Grafik: APG

Das kontinentale Stromnetz wurde für kurze Zeit in zwei „Synchroninseln“ geteilt.

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Gemäß dem Bericht der ENTSO-E – dem Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber – vom 26. Jänner 2021 war der Auslöser für den unerwarteten Frequenzabfall im europäischen Stromnetz eine Kettenreaktion, eine Kaskade von Ausfällen eines bzw. mehrerer Systemkomponenten in Südosteuropa. Am 8. Januar, um ca. 14:05 Uhr zogen diese Ausfälle eine Trennlinie im Raum südöstlich von Österreich, und das kontinentale Stromnetz wurde in zwei Teile, so genannte „Synchroninseln“ geteilt. Die Trennlinie führte durch die Länder Kroatien, Serbien und Rumänien. Rund eine Stunde später konnte die Resynchronisation wiederhergestellt werden. Österreichs Wasserkraftwerke trugen einen wesentlichen Teil dazu bei, dass der Vorfall letzlich glimpflich endete.

Foto: Pixabay

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FREQUENZABFALL IM NETZ BLIEB ZUM GLÜCK OHNE SCHWERWIEGENDE FOLGEN

chung um 600 mHz) mit anschließender Reduktion der lokalen Erzeugungsleitung war die Folge. In der westlichen Insel, zu der auch Österreich gehörte, fehlten nach dem Netzsplit die Erzeugungsmengen aus Südosteuropa. Dieses Leistungsdefizit ließ die Frequenz auf 49,74 Hertz (Abweichung um 260 mHz) absinken, ehe mit zusätzlicher lokaler Erzeugung bzw. Verbrauchsreduktion sowie Importen aus Großbritannien und Skandinavien die Frequenz wieder stabilisiert werden konnte. ENTSO-E betont in diesem Zusammenhang die Klarstellung: Die Energiewende bzw. die erneuerbaren Energieträger stehen aus aktueller Sicht in keinem Zusammenhang mit den Geschehnissen. INTERNATIONALE UND NATIONALE BEHEBUNG DER STÖRUNG Im Fall einer derartigen Störung setzen automatisierte und europaweit abgestimmte Systemschutzmaßnahmen ein. Durch automatische Schutzeinrichtungen und das unverzügliche Eingreifen aller Übertragungsnetzbetreiber durch deren Wartenpersonal konnte die Frequenz zuerst stabilisiert und danach wieder auf das normale Betriebsniveau zurückgeführt werden. Die Instrumente, die dafür eingesetzt wurden, sind erstens die Ab-

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Tertiärregelreserve: • 85,96 % Wasserkraft – 232 MW • 11,24 % unkonventionelle Anlagen – 30 MW • 6,38 % thermische Anlagen – 18 MW Sekundärregelreserve: • Regelzone war ausbilanziert – kein Abruf Durch diese Maßnahmen und die damit einhergehende Wiederherstellung des normalen Betriebsniveaus von 50 Hz (Sollfrequenz) konnten die beiden Netzinseln um 15:08 Uhr wieder synchronisiert und anschließend zusammengeschalten werden.

Grafik: APG

GENERELLER AUSBLICK IN DIE STROMZUKUNFT Dekarbonisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung sind die wesentlichen Treiber der Veränderung des Energiesystems. Um diese Herausforderungen zu meistern, und gleichzeitig die sichere Stromversorgung nachhaltig gewährleisten zu können, ist es notwendig, das Stromsystem ganzheitlich zu entwickeln und Kapazitätsreserven in verschiedenen Bereichen des Stromsystems zu halten bzw. neu zu schaffen. Dafür braucht es folgende Maßnahmen: • zusätzliche Netzkapazitäten (umgehender Ausbau der Netzinfrastruktur in Österreich und Europa) und zusätzliche Speicherkapazitäten • ausreichende Kraftwerksreserven • zusätzliche Flexibilitätsoptionen, um die Volatilitäten der Erneuerbaren auszugleichen (insbesondere mittels digitaler Technologien) Mit derartig geschaffenen Kapazitätsreserven können Risiken reduziert und Vorfällen, wie der am 8. Jänner 2021 präventiv begegnet ­werden. Andererseits kann damit auch die Integration der erneuerbaren Energien nachhaltig gewährleistet werden. Somit ist die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems insbesondere der Strominfrastruktur, die Grundlage eines sicheren und nachhaltigen Stromsystems und somit Grundlage für den Wirtschafts- und Lebensstandort Österreich und Europa. [Quelle: APG]

Ein Blick in die Steuerzentrale der APG

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situation kompensiert. Die Stromversorgung in Österreich wird erneuerbar und sie ist sicher. Deswegen entwickeln wir die Energiewende als Teil des Klimaschutzes mit Blick auf das Gesamtsystem“, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler im Rahmen eines Gesprächs mit APG und E-Control. Es wird in den nächsten Wochen bzw. Monaten einen Endbericht (ENTSOE, ACER, EU Kommission) geben, der gemäß Europäischen Regeln publiziert wird.

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Primärregelreserve: • 85,96 % Wasserkraft – 49 MW • 14,04 % Batterien – 8 MW • Insgesamt 57 MW

SICHERHEITSMASSNAHMEN HABEN GEGRIFFEN Die europäische Zusammenarbeit zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und die Koordinierung hat ausgezeichnet funktioniert. Innerhalb einer Stunde konnte der Normalbetrieb wiederhergestellt werden. Das zeigt, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit im Sinne eines europäischen Schutzmechanismus ist. Auch die „lessons learned“ aus dem ähnlich gelagerten Störfall am 4.11.2006 haben sich bestens bewährt, darunter insbesondere ein europäisches „Awareness System“, in dem sich durch vordefinierte Meldungen und graphische Darstellung / Warnungen alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber in Echtzeit stets am letzten Informationsstand halten. „Alle geplanten und regelmäßig geübten Sicherheitsmaßnahmen haben dem Frequenzabfall im Stromnetz am 8.1. rasch entgegengewirkt. Innerhalb nur einer Stunde hat das europäische Netz wieder wie vorgesehen funktioniert. In Österreich haben dafür wie standardmäßig vorgesehen Kraftwerksreserven, wie zum Beispiel Wasserkraftwerke, die Ausnahme-

Foto: APG

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schaltung kontrahierter Stromverbraucher (rund 1.700 MW in Frankreich und Italien). Hier handelt es sich um Verbraucher, welche gegen Abgeltung einer systemdienlichen Abschaltung in solchen Fällen zustimmen. Im konkreten Fall handelte es sich demnach nicht um einen klassischen automatischen Lastabwurf von Endkunden, welcher erst bei größeren Frequenzabweichungen (ab 1.000 mHz) zum Tragen käme. Zweitens das Anfahren kurzfristig verfügbarer Kraftwerksreserven in verschiedensten Ländern. Neben der auf Frequenzabweichungen automatisch reagierenden Primärregelleistung aller Länder wurden in Österreich auch weitere Kraftwerksreserven aktiviert: Abgesehen von der Tatsache, dass die Regelzone der APG zum Zeitpunkt des Störungseintritts ausbilanziert war, griffen Marktbasierte Regelreserveprodukte stabilisierend ein (Primärregelreserve, Tertiärregelreserve; in der Regelzone APG grundsätzlich genügend Primärregelreserve vorhanden):

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Gleich zwei neue Restwasserkraftwerke hat der Schweizer Energieversorger ewz 2020 in Betrieb genommen. Im Bild der Maschinensatz der Anlage Marmorera, der in einer Kaverne am Fuß der Staumauer untergebracht wurde.

GRAUBÜNDNER KRAFTWERKE MARMORERA UND LÖBBIA NUTZEN RESTWASSER FÜR ÖKOSTROMGEWINNUNG Mit der Fertigstellung der Dotierkraftwerke Marmorera und Löbbia Ende 2020 erfüllt das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) nun an allen Wasserkraftanlagen in Graubünden und Zürich die gesetzlich vorgeschriebenen Restwasserbestimmungen. Das Kraftwerk Marmorera in Surses wurde am Grundablass der gleichnamigen Staumauer errichtet, wofür eine rund 20 m lange Kaverne aus dem Fels gesprengt wurde. Etwas weniger aufwändig gestalteten sich die Arbeiten für die Errichtung des Dotierkraftwerks Löbbia in der Region Bergell. Beim Stauwehr Löbbia erfüllt ewz seit 2015 die Restwasservorschriften und hatte bereits die technische Infrastruktur für den Bau eines Kleinwasserkraftwerks geschaffen. Das komplette elektromechanische und leittechnische Equipment für die beiden Projekte lieferte der deutsche Wasserkraftexperte Ossberger. Im Regeljahr können die beiden Dotierkraftwerke gemeinsam rund 1,8 GWh Ökostrom erzeugen.

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Der Marmorerasee fasst mehr als 60 Mio. m³ Wasser und dient ewz als Kopfspeicher der Kraftwerksgruppe Mittelbünden.

Foto: Wikimedia/Parpan05

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as 1892 gegründete Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) setzt zur Deckung des stetig steigenden Strombedarfs auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Im Fokus des rund 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigenden Unternehmens steht eindeutig die Wasserkraft, die bis 2034 laufenden Beteiligungen an Kernkraftwerken werden nicht verlängert. Der Löwenanteil des selbst erzeugten Stroms stammt neben Photovoltaik, Windkraft und Biomasse traditionell aus insgesamt 15 Wasserkraftwerken in Graubünden und an der Limmat sowie Beteiligungen über die gesamte Schweiz.­ Die jüngsten ewz-Kleinwasserkraftwerke, die noch vor dem Jahreswechsel in Betrieb genommen wurden, nutzen das hydroenergetische Potential der Restwasserabgabe an den Stauanlagen Marmorera und Löbbia. Februar 2021

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HEIKLER SPRENGEINSATZ Errichtet wurde das neue Dotierkraftwerk beim Grundablassstollen am Fuß der Staumauer, wozu bereits 2018 eine rund 20 m lange, 5 m hohe sowie 5 m breite Kaverne in den Fels gesprengt wurde. Vor Beginn der Bauarbeiten wurde festgestellt, dass der Fels im Projektgebiet eine hohe Konzentration von Asbest aufweist. Dies erforderte erweiterte Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich Materialausbruch und Deponierung und brachte in weiterer Folge auch erhöhte Baukosten mit sich. „Die Sprengarbeiten waren sicherlich ein heikler Punkt des Projekts, immerhin wurden diese unmittelbar neben dem wassergefüllten Grundablassstollen durchgeführt. Nach Abschluss der Sprengarbeiten wurde der See abgesenkt, Dammbalken gesetzt und die letzten Meter Stollen durchgeschlagen“, so Oertli. Die Abzweigung der Dotiereinrichtung wurde mittels Hosenrohr vor den Grundablassschützen installiert. Das Restwasser weicht somit durch einen Bypass den Schützen aus und strömt nach der Turbinierung wieder in den Auslaufstollen des Grundablasses. Oertli ergänzt, dass wegen der beträchtlichen Stauhöhe von über 90 m ein Energievernichter als zusätzliches Sicherheitsorgan eingebaut werden musste. Die Restwasserabgabe bleibt somit auch bei Wartungsarbeiten an der Turbi-

Einbringen des Generators in die Kraftwerkskaverne Marmorera.

ne konstant aufrecht. Eingebaut wurde der in einer Bypassleitung situierte Energievernichter bereits 2018. KOMPLETTPAKET VON OSSBERGER Die Montage der hydroelektrischen und leittechnischen Ausstattung, die vom deutschen Wasserkraftexperten Ossberger im Rahmen eines Komplettpakets geliefert wurde, erfolgte schließlich 2020. Das Herzstück des Kraftwerks bildet eine Durchström-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator. Die Steuerung der Anlage lieferte ebenfalls Ossberger, die übergeordnete Leit- und Schutztechnik wurde von ewz in Eigenregie ausgeführt. „Wir wollten eine möglichst einfache Turbine, die auch bei variierendem Durchfluss effizient produziert. Mit den gegebenen Parametern zwischen 50 und 90 m Fallhöhe und einem Durchfluss zwischen 200 – 1.200 l/s hat sich das System Ossberger angeboten.

ZWEI ANLAGEN IN EINEM JAHR REALISIERT Ein weiteres Dotierkraftwerk realisierte ewz im Vorjahr an der Staumauer des Ausgleichsbecken Löbbia in der Gemeinde Bergaglia.

Der deutsche Kleinwasserkraftspezialist Ossberger lieferte für beide Anlagen das komplette elektromechanische und leittechnische Equipment.

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Unsere ersten Erfahrungen mit dem Maschinensatz seit der Inbetriebnahme sind sehr positiv“, sagt Oertli der noch ergänzend hinzufügt, dass die Turbine auf einen maximalen Durchfluss von 1.200 l/s ausgelegt wurde. Begründet ist dies durch die im Jahr 2035 anstehende Neukonzessionierung der Stauanlage. Die Betreiber gehen davon aus, dass damit einhergehend auch die Restwasserverpflichtung deutlich erhöht wird, weswegen die Maschine auf einen entsprechend größeren Durchfluss ausgelegt wurde. Aktuell erreicht die Turbine eine maximale Leistung von rund 400 kW, bei vollem Durchfluss kommt die Maschine auf eine Engpassleistung von 850 kW.

Foto: ewz

GEWÄSSERÖKOLOGIE VERBESSERT Der Marmorerasee befindet sich auf dem Gebiet der Graubündner Gemeinde Surses und dient der ewz-Kraftwerksgruppe Mittelbünden als saisonaler Kopfspeicher. Entstanden ist das über 60 Mio. m³ fassende Reservoir durch einen zwischen 1950 und 1954 errichteten Erdschüttdamm mit einer Höhe von 91 m und einer Kronenlänge von rund 400 m. „ewz hat 2017 die Auflage erhalten, an der Stauanlage Marmorera Restwasser abzugeben. Diese Vorschreibung wurde schnellstmöglich umgesetzt, bereits im Folgejahr wurde eine entsprechende Dotiereinrichtung in Betrieb genommen. Mit dieser Maßnahme konnte eine erhebliche gewässerökologische Verbesserung erzielt werden. Der Fluss Julia im Unterlauf der Staumauer neigte zuvor vor allem während der Sommer- und Herbstmonate zum Austrocknen und wird nun ganzjährig konstant bewässert“, erklärt Christof Oertli, seines Zeichens Leiter Hydro bei ewz. Oertli ergänzt, dass bereits 2018 die technischen Vor­aussetzungen zum Bau eines Dotierkraftwerks geschaffen wurden. Die Wirtschaftlichkeit dieses Vorhabens war allerdings an die Gewährung des Schweizer Ökostromtarifs „Kostendeckende Einspeisevergütung“ (KEV) gekoppelt, dessen Zusage erst 2019 erteilt wurde.

Foto: ewz

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Das Maschinengebäude der Anlage Löbbia wurde rund 70 m talabwärts der Staumauer errichtet.

Das zum Kraftwerk Löbbia gehörende Reservoir wurde 1959 fertiggestellt und fasst mit seiner 18,5 m hohen und 90 m breiten Schwergewichtsmauer rund 180.000 m³ Wasser. Bereits 2015 installierte ewz am Fuß der Stauanlage eine freiwillige Dotiereinrichtung, weswegen die Anlage vom „Verein für umweltgerechte Energie“ mit dem Gütesiegel „naturemade star“ ausgezeichnet wurde. Im Vergleich zu der rund zwei Autostunden entfernten Anlage Marmorera war die Errichtung des Restwasserkraftwerks Löbbia mit weniger Bauaufwand verbunden, erklärt Oertli: „Beim Einbau der Dotiereinrichtung hatte man schon eine Abzweigung für das zukünftige Restwasserkraftwerk vorgesehen, ­ zudem konnten die Arbeiten oberirdisch durchgeführt werden. Die wesentlichen Her­ ausforderungen in Löbbia waren topographischer Natur. So ist die Anlage zu beiden ­Seiten von steilen Abhängen flankiert, weswegen in Abklärung mit Geologen die Stein-

schlag- und Baugrubensicherung während der Projektdurchführung oberste Priorität hatte.“ 1,8 GWH ÖKOSTROM AUS RESTWASSER Für das in einem Zug gebaute Kraftwerk wurde an den vorhandenen Abzweiger der Dotier­ einrichtung eine Druckrohrleitung angeschlossen. Diese führt das Restwasser zu dem rund 70 m talabwärts gelegenen Kraftwerksgebäude. Das elektromechanische Equipment der Anlage inklusive Elektro- und Leittechnik lieferte erneut Ossberger. Die Durchström-Turbine wurde auf eine Ausbauwassermenge von 1.000 l/s und eine Bruttofallhöhe von 15 m ausgelegt, womit die Maschine eine Engpassleistung von 115 kW schafft. Als Energiewandler kommt ein direkt mit der Turbinenwelle gekoppelter Asynchron-Generator mit Luftkühlung zum Einsatz, der mit 400 V Spannung in die Eigenbedarfsversorgung des Kraftwerks Löbbia einspeist.

Foto: ewz

Foto: ewz

Beim Dotierkraftwerk Löbbia kommt für die Stromgewinnung ebenfalls eine Durchström-Turbine zum Einsatz.

Nach der Inbetriebnahme der beiden Anlagen Ende 2020 zeigt sich Christof Oertli rundum zufrieden mit dem Endergebnis: „Die Einbindung der Kleinkraftwerke in unseren Kraftwerkspark stellte eine Challenge dar. So kommen beispielsweise bei der Schutztechnik die gleichen Komponenten wie bei unseren Großkraftwerken mit 50 MW und mehr Leistung zum Einsatz. Diesen Standard auf die viel kleineren Anlagen umzulegen war keine leichte Aufgabe. In ökologischer Hinsicht freut es mich sehr, dass das Energiepotential des Restwassers nicht länger ungenutzt verloren geht. Darüber hinaus sind beide Kraftwerke deutlich wirtschaftliche Anlagen, die sich definitiv bezahlt machen.“ Im Regeljahr wird das Kraftwerk Marmorera rund 1,3 GWh Ökostrom produzieren, bei der Anlage Löbbia rechnet ewz mit einer Jahreserzeugung von rund 0,5 GWh.

Technische Daten KW Marmorera • Ausbauwassermenge: 1,2 m³/s • Bruttofallhöhe: 81,68 m • Turbine: Durchström • Drehzahl: 500 U/min • Engpassleistung: 850 kW • Hersteller: Ossberger • Generator: Synchron • Spannung: 400 V • Jahresarbeit: ca. 1,3 GWh/a

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KW Löbbia • Ausbauwassermenge: 1.000 l/s • Bruttofallhöhe: 18,65 m • Turbine: Durchström • Drehzahl: 360 U/min • Engpassleistung: 115 kW • Hersteller: Ossberger • Generator: Asynchron • Spannung: 400 V • Jahresarbeit: ca. 0,5 GWh/a

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Foto: Süwag

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Das 1931 fertiggestellte Kraftwerk Elisenhütte an der Lahn wurde vom Betreiber Süwag im Rahmen einer umfassenden Modernisierung auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

KRAFTWERK ELISENHÜTTE AN DER LAHN ZUM 90. JUBILÄUM VON GRUND AUF ERNEUERT Im Oktober vergangenen Jahres ging das 1931 fertiggestellte Wasserkraftwerk Elisenhütte in Rheinland-Pfalz nach einer umfassenden Modernisierung wieder ans Netz. Neben den beiden doppeltregulierten Kaplan-Turbinen wurden die Generatoren sowie das elektro- und leittechnische Equipment komplett revitalisiert bzw. erneuert. Rund 5,2 Mio. Euro investierte die Betreibergesellschaft Süwag Grüne Energien und Wasser (SGEW) in das Sanierungsprojekt, bei dem das Leistungsvermögen der Anlage bei unveränderter Ausbauwassermenge und Fallhöhe um 12 Prozent erhöht wurde. Zu verdanken ist dies vor allem dem strömungstechnisch optimierten Design der neuen Laufräder, die vom deutschen Wasserkraft-Allrounder Kochendörfer bei der Turbinenerneuerung durchgeführt wurden. Die Summe der umgesetzten Maßnahmen erzielte eine ganze Reihe von betrieblichen und ökologischen Verbesserungen und machte das Traditionskraftwerk zu seinem 90-jährigen Jubiläum fit für die Zukunft. REFURBISHMENT FÜR KRAFTWERKSKETTE Vor sieben Jahren habe die Süwag die Modernisierung der zwischen 1899 und 1985 errichteten Lahnkraftwerke begonnen, erklärt der für Rheinland-Pfalz zuständige Leiter Wasserkraft Dominik Kauss im Gespräch mit zek HYDRO: „Die Erneuerung und Instandsetzung der teilweise über 100 Jahre alten

Nach dem Abstellen der Anlage im Frühjahr 2019 wurden die beiden Maschinensätze komplett demontiert und von Grund auf erneuert.

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Anlagen sind bei der Süwag immer ein Thema. 2014 starteten wir beim Kraftwerk Kalk­ ofen die technische Generalerneuerung unserer Kraftwerkskette an der Lahn. Mit dem Kraftwerk Elisenhütte konnte im Oktober 2020 die bereits fünfte Anlage am Gewässer auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Bis zur Modernisierung wurden an Foto: Süwag

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achhaltige Stromerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen steht beim deutschen Energieversorger Süwag Energie AG seit jeher hoch im Kurs. Mit der hundertprozentigen Tochtergesellschaft Süwag Grüne Energien und Wasser AG & Co. KG (SGEW) bündelt der Konzern seine Kompetenzen bei der Stromgewinnung aus den Quellen Photovoltaik, Biomasse, Wind und Wasser. Die mit Abstand größte Stromausbeute erzielt die Süwag mit ihren zwei Windparks und den insgesamt 16 Laufwasserkraftanlagen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Acht Wasserkraftwerke befinden sich am Unterlauf der Lahn zwischen Cramberg und Lahnstein, die restlichen Anlagen verteilen sich auf die Gewässer Neckar, Rench, Elsenz, Kinzig und Maisach. Gemeinsam produzieren die Wasserkraftwerke alljährlich rund 95 GWh Ökoenergie, womit der Strombedarf von umgerechnet rund 27.000 Haushalten abgedeckt wird.

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Rund 5,2 Mio. Euro investierte die Süwag in die Sanierung ihres Traditionskraftwerks. Die durchgeführten Maßnahmen an der kompletten technischen Infrastruktur der Anlage führten zu einer Steigerung des Regelarbeitsvermögens um 12 Prozent.

den Turbinen und Generatoren der Anlage lediglich kleinere Revisionsarbeiten durchgeführt.“ An dem 1931 an einer Flussschleife fertiggestellten Kraftwerk mit zwei doppeltregulierten Kaplan-Turbinen waren bereits Mitte der 2000er Jahre die Einlaufschützen vor den Maschinen erneuert worden. 2012 erfolgte der Austausch der Mittelspannungsschaltanlage und der beiden Blocktransformatoren. Knapp neun Jahrzehnte nach der Erstinbetriebnahme startete im Frühjahr 2019 schließlich die Komplett-Erneuerung des Traditionskraftwerks. SCHNITTSTELLEN REDUZIERT Kauss weist darauf hin, dass das Kraftwerk Elisenhütte das bislang älteste Sanierungspro-

Foto: Kochendörfer

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jekt an der Lahn darstellte, was in weiterer Folge entsprechend höheren Aufwand mit sich brachte. Ein Ersatzneubau stand dank der soliden Gebäudestruktur nicht zur Debatte. „Ich bin ein Verfechter von ganzheitlichen Lösungen. Dies bringt in erster Linie eine Verringerung der Schnittstellen von Alt auf Neu mit sich und vereinfacht viele Dinge.­ Bei der Anlage Elisenhütte war auf die Dokumentation der Bestandstechnik, speziell die Elektrotechnik, kein Verlass, weswegen eine um­ fassende Erneuerung der Primär- und Sekundärtechnik beschlossen wurde“, sagt ­ Kauss. Aus Gründen der Arbeitssicherheit wurde die Anlage während der Umbauphase komplett außer Betrieb genommen. „Bedingt durch das beschränkte Platzangebot in der

Ein wesentlicher Anteil der beträchtlichen Leistungssteigerung der Anlage ist den von Kochendörfer strömungstechnisch optimierten Kaplan-Laufrädern zu verdanken.

Maschinenhalle hätten die Techniker in direkter Nähe zu den drehenden Maschinen arbeiten müssen. Das Überfahren eines 10 kV-Netzspannung erzeugenden Generators mit dem Hallenkran wäre zu riskant gewesen“, so Kauss. HOCHWASSER VERZÖGERT PROJEKT Nach dem Abstellen der Anlage konnte das Projekt im Frühjahr 2019 mit der Demontage der Maschinensätze in die Umsetzungsphase übergehen, gleich im Anschluss folgte der Abbau des elektrotechnischen Altbestands. Im ersten Abschnitt des Projekts wurden Renovierungen am Gebäude durchgeführt, parallel dazu erfolgte die Sanierung bzw. Erneuerung der Verschlussorgane am Einlauf. Die bereits vor 15 Jahren getauschten Einlaufschützen an den Turbinen wurden einer Revision unterzogen, neu ausgeführt wurde hingegen die Schützentafel am Beginn des Freispiegelstollens. „Wie bei allen Sanierungsprojekten war auch beim Kraftwerk Elisenhütte die Organisation der Logistik eine wichtige Thematik. Neben dem begrenzten Platzangebot vor Ort durfte auch die An- und Ablieferung der tonnenschweren Bauteile im Hinblick auf die Tragfähigkeit von Brücken nicht außer Acht gelassen werden. Die größte Projektherausforderung stellten allerdings die Wasserhaltungsmaßnahmen während des Umbaus dar, da im Auslaufbereich der Turbinen keine Verschlussorgane vorhanden sind. Um Kontrollen an den Saugrohren im Unterwasserbereich durchführen zu können, haben

Technische Daten

Foto: Kochendörfer

• Typ: Laufwasserkraftwerk • Ausbauwassermenge: 46 m³/s • Bruttofallhöhe: 5 m • Turbinen: 2 x Kaplan-Schacht • Drehzahl: 2 x 150 U/min • Ø Laufrad: 2 x 2.410 mm • Engpassleistung: 2 x 1.284 kW • Generatoren: 2 x Synchron • Kühlung: Luft • Nennscheinleistung: 1.310 kVA • Regelarbeitsvermögen: ca. 8,2 GWh/a

flexibel – innovativ – nachhaltig

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wir uns bei der Abdämmung für eine Lösung mit ‚Big Bags‘ entschieden. Die Hochwasserführung der Lahn im Februar und März 2020 brachte die Abdichtung allerdings an ihre Grenzen, weswegen die Baustelle geräumt und nach der Überschwemmung wieder gereinigt werden musste. Dies führte zwar zu zeitlichen Verzögerungen, stellte sicherheits­ technisch aber keine Probleme dar. KOCHENDÖRFER BRINGT TURBINEN IN SCHUSS Für die Erneuerung der beiden Kaplan-Turbinen in Schachtbauweise wurde der renommierte deutsche Wasserkraft-Allrounder Kochendörfer beauftragt. „Im Prinzip wurden die auf jeweils 23 m³/s Ausbauwassermenge und 5 m Bruttofallhöhe ausgelegten Maschinen komplett demontiert und bis auf die Saug­rohre durch für den Standort optimierte doppeltregulierte Kaplan-Turbinen erneuert“, erklärt Kauss und weist darauf hin, dass das Refurbishment der Maschinen auch umweltgerechte Verbesserungen mit sich brachte. Die vormals mit Öl gefüllten Laufräder beinhalten nach der Erneuerung nur mehr reines Wasser. Die alten ölgeschmierten Turbinenführungslager wurden bei den neuen Maschinensätzen als wassergeschmierte Gleitlager ausgeführt. Etwaige Lagerschäden der Turbine bewirken somit keine negativen gewässerökologischen Auswirkungen mehr. Die zuvor im Turbinenschacht unter Wasser befindlichen Verstelleinrichtungen der Leitapparate wurden nun so angeordnet, dass die Regulierung vom Krafthaus aus im Trockenen erfolgt. Ebenfalls neu ausgeführt wurden die beiden hydraulischen Turbinenregler zur Regelung von Leitapparat und Laufrad. Kauss lässt nicht unerwähnt, dass das beträchtliche Leis­ tungsplus der Anlage vor allem dem Design der strömungstechnisch optimieren ­ Kap­lan-Laufräder zu verdanken sei. „Es ist wirklich erstaunlich, welche Er­­­­­zeugungs­ steigerungen durch die Anwendung moderner Laufrad-Geometrien machbar sind. Wir konnten bei allen unseren Erneuerungsprojekten bisher Leistungszuwächse zwischen 10 und 13 Prozent erreichen.“ NEUES INNENLEBEN FÜR ENERGIEWANDLER Das Innenleben der in vertikaler Richtung direkt mit den Turbinenwellen gekoppelten Synchron-Generatoren wurde vom Unternehmen Partzsch ebenfalls völlig erneuert. Auch die Spannungsregelung der Generatoren mit einer Nennscheinleistung von jeweils 1.310 kVA wurden durch moderne Lösungen von Andritz ersetzt. Mit dem Austausch der Ständer-Blechpakete einschließlich der Wicklungen und Rotor-Pole wurden die gesamten aktiven Teile der mit 150 U/min rotierenden

Generatoren erneuert. Bedingt durch die Maschinengröße wurden die Ständer-Blechpakete zweigeteilt ausgeführt. Dies vereinfachte zwar den Transport der Bauteile, allerdings konnte die Endwicklung der Maschinen somit erst auf der Baustelle erfolgen. Die gesamte elektro- und steuerungstechnische Planung und Umsetzung lag in der Hand von F.EE, einem Spezialisten für­industrielle Automatisierungstechnik aus Neunburg v. W. mit über 30 Jahren Erfahrung in der Wasserkraft. Der Auftrag umfasste den Rückbau der alten Steuertechnik, welche durch SIMATIC-basierte Technologie mit TIA-Portal er­setzt wurde, sowie die Installation und software- und hardwaretechnische Inbetriebnahme aller Komponenten. Beide Maschinensätze wurden mit dem hauseigenen digitalen Tur­binenregler und der Erregerlösung von F.EE­­ausgerüstet und an die bestehende Mittelspannungsanlage angeschlossen. Ebenso wurde der hauseigene OW/Q-Regler von F.EE implementiert, der zusammen mit der übergeordneten Steuerung für einen reibungslosen Betrieb der gesamten Anlage sorgt. Die kommunikationstechnische Anbindung des Kraftwerks an die zentrale Leitwarte der Süwag rundete den Leistungsumfang ab. Im Anschluss an die finalen Installationsarbeiten ging das Kraftwerk Elisenhütte am 27. Oktober des Vorjahres nach rund 1,5-jähriger Revitalisierungsphase rundum erneuert wieder ans Netz. FIT FÜR DIE NÄCHSTEN JAHRZEHNTE „Das Ziel des Projekts, die Anlage für einen sicheren, umweltgerechten, vollautomatischen und wirtschaftlichen Betrieb fit zu ma-

Im Herbst 2020 ging das Kraftwerk Elisenhütte nach rund 1,5 Jahren Generalsanierung wieder ans Netz.

chen, wurde in vielerlei Hinsicht erfüllt. Alles in allem bin ich mit dem Projektverlauf sehr zufrieden“, resümiert Kauss nach der Wiederinbetriebnahme im Herbst des Vorjahres. So entspricht das elektromechanische und leittechnische Equipment der Anlage nun dem neusten Stand der Technik. Die durchgeführten Maßnahmen führten zu einer beträchtlichen Steigerung der Stromproduktion um 12 Prozent, womit das Kraftwerk im Regeljahr nun durchschnittlich rund 8,2 GWh Ökostrom erzeugen kann. Darüber hinaus konnten neben der Verlängerung der Wartungszyklen die Sicherheit und die Verfügbarkeit der Anlage erheblich verbessert werden. Die Erneuerung der Süwag-Kraftwerkskette an der Lahn soll weiter zügig voranschreiten. Kauss zeigt sich zuversichtlich, dass die Modernisierung des Kraftwerks Crambergs noch 2021 genehmigt wird.

GERMAN hydropower TECHNOLOGY Kochendörfer Wasserkraftanlagen

Turbinen

Revisionen

Regler

Stahlwasserbau

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Foto: Kochendörfer

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Foto: LEW / Zehntausendgrad Videowerbung GmbH

LEW Wasserkraft investierte rund 16 Mio. Euro in die umfassende Modernisierung der Kraftwerkskette am Unteren Lech. Mit der Wiederinbetriebnahme der zweiten Turbine an der Staustufe Ellgau im Herbst 2020 wurde das rund zehn Jahre dauernde Projekt erfolgreich abgeschlossen.

LEW WASSERKRAFT MACHT VIER KRAFTWERKE AM UNTEREN LECH FIT FÜR DIE ZUKUNFT Mit der Wiederinbetriebnahme der zweiten Turbine an der Staustufe Ellgau im Herbst 2020 hat die LEW Wasserkraft GmbH ihr umfangreiches Modernisierungsprojekt an den vier Laufwasserkraftwerken der Rhein-Main-Donau GmbH (RMD) am Unteren Lech abgeschlossen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wurden die zwischen 1952 und 1960 errichteten Anlagen Ellgau, Oberpeiching, Rain und Feldheim auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Dabei wurde neben der Revision der Turbinen und Generatoren die gesamte Kraftwerkstechnik instandgesetzt und modernisiert sowie die Steuerung der Kraftwerke durchgängig digitalisiert und vernetzt. Die Turbinenrevitalisierung bei den Anlagen Rain, Oberpeiching und Feldheim wurde von der Stellba Hydro GmbH & Co KG durchgeführt, beim Kraftwerk Ellgau erfolgte die Maschinensanierung durch Voith Hydro. Für die elektro- und leittechnische Modernisierung sorgte an allen vier Kraftwerken die Firma KIMA Automatisierung. In Summe wurden rund 16 Million Euro in die umfassende Erneuerung der Anlagen investiert.

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Foto: LEW

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ie Laufwasserkraftwerke Ellgau, Oberpeiching, Rain und Feldheim wurden zwischen 1952 und 1960 am Unteren Lech errichtet und stehen im Besitz der Rhein-Main-Donau GmbH (RMD). Für die Betriebsführung der Anlagen ist die LEW Wasserkraft GmbH zuständig, die an den Flüssen Lech, Donau, Iller, Wertach und Günz insgesamt 36 Anlagen betreibt. Die vier erneuerten Lechkraftwerke sind vom Funktionsprinzip und der elektromaschinellen Ausstattung identisch aufgebaut. Zum Aufstauen des Gewässers wurde jede Wehranlage mit drei Wehrfeldern ausgeführt. Jedes Kraftwerk nutzt zur Stromgewinnung zwei doppeltregulierte Kaplan-Turbinen mit vertikalen Wellen

Maschinenhalle des Kraftwerks Oberpeiching nach dem Umbau mit neuen E-Technik Schaltschränken.

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BEWÄHRTE UNTERNEHMEN AM ZUG Mit der Stilllegung des ersten Maschinensatzes im Kraftwerk Rain im Herbst 2012 startete LEW Wasserkraft die Modernisierung der Lechkraftwerke, danach folgten die Anlagen Oberpeiching, Feldheim und Ellgau. Die Turbinen der Kraftwerke Rain, Oberpeiching

Foto: LEW

ERNEUERUNG IM LAUFENDEN BETRIEB „Trotz ihres Alters war die Grundsubstanz der Maschinensätze an allen vier Kraftwerksstandorten in hervorragendem Zustand, weswegen ein kompletter Ersatz nicht zur Debatte stand. Dennoch entsprachen verschiedene Komponenten nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik, auch gewisse Ersatzteile waren nicht mehr erhältlich. LEW Wasserkraft hat somit beschlossen, die Primärtechnik der vier Kraftwerke zu revitalisieren und im gleichen Zug eine umfassende elektround leittechnische Erneuerung in Angriff zu nehmen“, erklärt Christian Moser, Leiter Kraftwerkstechnik bei der LEW Wasserkraft. Bernd Steiner, stellvertretender Abteilungsleiter und zuständig für den Maschinenbau bei der LEW Wasserkraft ergänzt, dass eine wesentliche Herausforderung der enge Terminplan des Modernisierungsprojekts darstellte: „Um die Erzeugungsverluste möglichst gering zu halten, erfolgten die Umbauarbeiten während des laufenden Anlagenbetriebs, sprich eine Turbine musste während der Revision ihres Gegenstücks permanent weiter produzieren. Pro Kraftwerk hatten wir jeweils nur eine Woche Komplettstillstand, in welchem die Installation der neuen Elektrotechnik im fliegenden Wechsel durchgeführt wurde.“

Vogelperspektive auf das Kraftwerk Rain, das als erstes der vier Laufwasserkraftanlagen erneuert wurde.

KIMA modernisierte bei allen Anlagen die Elektro- und Leittechnik. Im Bild die neue Schaltanlage im Kraftwerk Rain.

Foto: KIMA

und direkt aufgesetzten Synchron-Generatoren. Die jährliche Energieproduktion jeder Anlage beträgt durchschnittlich 55 GWh Ökostrom, wodurch mit allen vier Kraftwerken umgerechnet der Jahresbedarf von mehr als 80.000 Haushalten abgedeckt wird.

und Feldheim wurden vom Wasserkraftexperten Stellba Hydro GmbH & Co KG wieder in Schuss gebracht, beim Kraftwerk Ellgau kam Voith Hydro für die Maschinenrevitalisierung zum Zug. Darüber hinaus wurden sämtliche Ge­neratoren einer Grundreinigung unterzogen und im Anschluss Messprotokolle zur fortlaufenden Zustandsbewertung erstellt. Für die Erneuerung der Elektro- und Leittechnik

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inklusive Stauziel- und Turbinenregler an allen vier Anlagen sorgte der ISO 27001 zer­ tifizierte Automatisierungsspezialist KIMA. MODERNE TECHNIK FÜR TRADITIONSKRAFTWERKE Stellba Hydro-Konstruktionsleiter Thomas Nagel fasst die durchgeführten Maßnahmen bei den Kraftwerken Rain, Oberpeiching und Feldheim zusammen: „Im Wesentlichen han-

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Foto: LEW

delte es sich bei dem Projekt um eine klassische Teilrevision der Turbinen inklusive Erneuerung der hydraulischen Turbinenregler. Durch diese Modernisierungen in Verbindung mit digitalen Turbinenreglern wurden jene Voraussetzungen für die Inselbetriebsfähigkeit der Anlagen geschaffen, die den heutigen Anforderungen von Inselnetzen entsprechen. Im Rahmen des Forschungsprojektes „LINDA“ (Lokale Inselversorgung und beschleunigter Netzwiederaufbau mit dezentralen Erzeugungsanlagen bei großflächigen Stromausfällen) wurde die Inselbetriebsfähigkeit in den Kraftwerken Feldheim und Rain in verschiedenen Lastbereichen erfolgreich getestet.“ Der Leistungsumfang von Stellba Hydro umfasste unter anderem die Erneue-

Foto: LEW

Stellba Hydro revitalisierte die Turbinen der Anlagen Rain, Oberpeiching und Feldheim, Voith Hydro die Maschinen des Kraftwerks Ellgau (am Bild).

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Steuerschrank Wasserhaushaltsregelung mit Verteil-SPS

Foto: KIMA

Das Batteriespeichersystem am Kraftwerk Rain dient zum Ausgleich von Frequenzschwankungen im Stromnetz. Beim „Beinahe-Blackout“ Anfang des Jahres stellte das System seine Praxistauglichkeit bei Realbedingungen unter Beweis.

rung der hydraulischen Turbinenregler und Lagerölversorgung sowie den Umbau der mechanischen Regelung zur Ansteuerung der Leitapparate auf Standardkomponenten. Außerdem wurde die Sensorik modernisiert, die Laufradschaufeldichtungen erneuert und die Gleitringdichtungen überarbeitet. An den Laufradmänteln und den Laufradschaufeln wurden Beschädigungen mittels Schweißreparatur behoben. Die Regler- und Lagerölkühlungen wurden auf ein 2-kreisiges Öl-Wasser-Kühlsystem umgebaut. Bei den Leitapparaten erfolgte eine Teilrevision, zudem wurden die oberen und unteren Turbinen­ führungslager sowie die Spurlager revidiert, Spurlageranhebeeinrichtungen ein­ gebaut und eine Überholung der Generatorbremsen durchgeführt. BATTERIESPEICHERSYSTEM GLEICHT FREQUENZSCHWANKUNGEN AUS Für die elektro- und leittechnische Modernisierung der Lechkraftwerke setzte KIMA die

Vorgaben von LEW Wasserkraft um und lieferte ein umfassendes Komplettpaket, das im Wesentlichen auf Siemens SIMATIC S7 Steuerungen und dem Prozessvisualisierungssystem WinCC basiert. Der Auftrag umfasste die elektrotechnische Projektierung auf Basis der LEW-Ausschreibungsunterlagen, die Fertigung der Niederspannungsschaltanlagen und Steuerschränke für die Maschinensteuerungen sowie die Ausführung der Turbinenregler und der Wasserhaushaltsregler. Weiters sorgte KIMA für die Einbindung der bestehenden Mittelspannungsschaltanlagen, die Softwareerstellung für die komplette Steuerungs-, Regelungs- und Leittechnik, die elektrotechnische Montagen, die Inbetriebnahmen und die Personaleinschulungen. Darüber hinaus wurde 2019 mit der Integration einer Batteriespeicheranlage beim Kraftwerk Rain eines der ersten Hybridsysteme aus einem Batteriespeicher und mehreren Laufwasserkraftwerken in Deutschland geschaffen. Die Idee von LEW bestand darin, zum

WinCC-Visualisierung einer Maschinensteuerung von KIMA

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Vogelperspektive auf das Kraftwerk Feldheim

Luftaufnahme des Kraftwerks Oberpeiching.

Ausgleich von kleineren häufigen Netzschwankungen den Batteriespeicher zu nutzen. Erst bei größeren Abweichungen soll die Regelleistung der Wasserkraftwerke abgerufen werden, um eine maximale Schonung der Turbinen zu erreichen. Dafür entwickelte KIMA gemeinsam mit der LEW eine Regelungsstrategie und implementierte diese in eine übergeordnete Steuerung. Die Erneuerung der Wasserhaushaltsregelung enthält deshalb in Ergän­zung zu den kraftwerkslokalen Re­ gel­ systemen eine Verteil-SPS, die KIMA in enger Zusammenarbeit mit der LEW, der Universität Kassel und der Firma Smart Power entwickelte.

Dabei fließen in die umfangreichen Berechnungsalgorithmen die multikriteriellen Anforderungen von Wasserkraftanlagen ein, um mit dem verfügbaren Wasserdargebot ein Maximum an Energie zu erzeugen. Seine Praxistauglicheit stellte das System Anfang des Jahres bei dem europaweiten „Beinahe-Blackout“ mit extremen Frequenzschwankungen unter Beweis, indem die vermarktete Regelleistung erstmals schlagartig voll abgerufen wurde. Eine nachträgliche Auswertung durch LEW Wasserkraft zeigte, dass der Algorithmus in der Praxis funktioniert und die abgerufene Regelleistung korrekt vom Batteriespeicher und den Wasserkraftwerken erbracht wurde.

FEUERPROBE BESTANDEN Ebenfalls zum KIMA-Auftragsumfang gehörte die Erneuerung der Wasserhaushaltsregelung der Kraftwerkskette. Mit der Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks Ellgau können nun in Kombination mit dem Batteriespeicher Primär-, Sekundär- und Tertiärregelleistung für die Netzstabilisierung vermarktet werden. Entsprechend der Frequenzabweichung und den vermarkteten Leistungen werden diese vollautomatisch auf die vier Kraftwerke und den Batteriespeicher aufgeteilt.

DIGITALISIERUNG UND VERNETZUNG Dank der umfassenden Digitalisierung der Kraftwerke lassen sich von der LEW Wasserkraft Zentralwarte in Gersthofen aus alle Kraftwerksfunktionen kontrollieren und bedienen. Zudem können dank digitaler Technik mögliche Störungen präzise analysiert und wo möglich über die Fernwartung beseitigt werden. Die Bandbreite der dafür genutzten Datenanbindung hat LEW auf 25 Mbit/s erhöht. Dies ermöglicht auch eine kontinuierliche visuelle Überwachung mit

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Hilfe neu installierter Kameras. Zudem lassen sich die Funktionen des Leitsystems nun auch von außerhalb der Zentralwarte aufrufen. Beispielsweise vom Laptop eines Servicetechnikers aus, der vor Ort im Kraftwerk eine Wartung durchführt. „Die durchgeführten Maßnahmen gewährleisten für die kommenden Jahre nicht nur hohe Wirkungsgrade und hohe Zuverlässigkeit bei der Erzeugung erneuerbarer Energie aus Wasserkraft. Insbesondere in puncto Digitalisierung und Vernetzung sind die vier Lechkraftwerke bereits heute optimal auf eine Einbindung in ein intelligentes Stromnetz von morgen vorbereitet“, so Prof. Dr. Frank Pöhler, Geschäftsführer von LEW Wasserkraft. Mit der Modernisierung der Kraftwerke hat LEW außerdem die Voraussetzungen geschaffen, dass die Lechkraftwerke im Fall eines Blackouts kritische Infrastrukturen weiter mit Strom versorgen können. Aktuell wird die Notversorgung eines nahegelegenen Wasserwerks aus dem Kraftwerk Feldheim vorbereitet. Nach Abschluss der Arbeiten kann das Kraftwerk den Betrieb der Anlagen für die Trinkwasserversorgung auch dann sicherstellen, wenn das allgemeine Stromnetz für längere Zeit ausfallen sollte.

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Der Gussrohrspezialist Tiroler Rohre GmbH (TRM) lieferte für den Neubau am Radentheiner Laufenbergerbach das komplette Rohrmaterial. Verlegt wurde der rund 500 m lange Kraftabstieg DN400 von der Fürstauer Bau GmbH aus Kärnten.

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KÄRNTNER KRAFTWERK LAUFENBERGERBACH IN RADENTHEIN IN REKORDZEIT AM NETZ Innerhalb von nur vier Monaten Bauzeit wurde in der Kärntner Gemeinde Radenthein ein neues Kleinwasserkraftwerk am Laufenbergerbach errichtet. Kurz vor dem Jahreswechsel lieferte die von der WKA-Entwicklungs GmbH realisierte Ausleitungsanlage erstmals Strom ans Netz. Bei der Vergabe der Baulose setzten die Betreiber ausschließlich auf bewährte Unternehmen aus Österreich. So lieferte das österreichische Familienunternehmen Tiroler Rohre GmbH (TRM) mit Sitz in Hall in Tirol für den rund 500 m langen Kraftabstieg DN400 das gesamte Rohrmaterial in Form bekannt hochwertiger duktiler Gussrohre. Die Rohrverlegung sowie die gesamten Hoch- und Tiefbauarbeiten erledigte die Kärntner Fürstauer Bau GmbH. Im Regeljahr kann der Neubau mit seiner auf 79 kW Engpassleistung ausgelegten 4-düsigen Pelton-Turbine rund 400.000 kWh Ökostrom erzeugen.

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n der nordöstlich des Millstätter Sees am Fuß der Nockberge gelegenen Stadtgemeinde Radenthein hat die Nutzung von Wasserkraft eine viele Jahrhunderte überdauernde Tradition. Begründet ist dies vor allem durch die bis zurück in das ausgehende Mittelalter nachgewiesene Bergbautätigkeit. Die Verarbeitung des geschürften Erzes ­erfolgte in den in unmittelbarer Nähe zum Abbauort entstandenen Hammerwerken, deren mechanische Transmissionen mit hölzernen Wasserrädern in Bewegung versetzt wurden. Heute nutzen eine Vielzahl von Wasserkraftbetreibern die günstige Topographie und den Wasserreichtum der Region zur sauberen Stromgewinnung. Das jüngste Wasserkraftwerk in Radenthein am Laufenbergerbach ging erst kurz vor dem vergangenen Jahreswechsel ans Netz.

chen Rahmen die WKA-Entwicklungs GmbH gründeten. Pliessnig erklärt im Gespräch mit zek HYDRO, dass er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Projektleiter beim Straßenbauamt Spittal auf den günstigen Standort neben der Millstätter Straße B 98 aufmerksam wurde. „Bei der Errichtung einer Lärmschutzwand ist mir der Laufenbergerbach zum ersten Mal aufgefallen. Ursprünglich hätte die Anlage an

PARTNERSCHAFTLICHES PROJEKT Ins Leben gerufen wurde das Projekt von den Betreibern und Geschäftspartnern Günther Christler und Dieter Pliessnig, die als rechtli-

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Dieter Pliessning (am Bild) und Günter Christler sind überzeugt, mit ihrem Gemeinschaftsprojekt eine gute Investition für die Zukunft getroffen zu haben.

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Ende November startete im Krafthaus die Montage der auf 208 l/s Ausbauwassermenge und 49 m Bruttofallhöhe ausgelegten Pelton-Turbine.

Foto: Pliessnig

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einer anderen Stelle entstehen sollen, dies war aufgrund der ökologischen Situation dort allerdings nicht durchführbar“, so Pliessnig. Schließlich wurde ein alternativer Standort für den Neubau ausgewählt, der aufgrund bestehender Verbauungen für Fische ohnehin unpassierbar ist. Dieser Variante wurde auch von behördlicher Seite grünes Licht erteilt, wodurch das Projekt in der zweiten Jahreshälfte 2020 in die Realität umgesetzt werden konnte, der offizielle Baustart erfolgte am 31. August. ERGIEBIGES GEWÄSSER „Die Eignung des Gewässerabschnitts für die Errichtung eines Wasserkraftwerks wurde im

einen hydraulisch bewegten Spülschütz in die Restwasserstrecke abgegeben werden. Der Entsander dient gleichzeitig als Beruhigungsbecken vor dem Beginn der Druckrohrleitung und beherbergt die Messsonde für die pegelgeregelte Turbine im Krafthaus. KRAFTABSTIEG AUS DUKTILEM GUSSEISEN Pliessnig weist darauf hin, dass es den Betreibern sehr wichtig war, bei der Ausschreibung auf das Know-how und die Qualität österreichischer Unternehmen zu setzen. Für die Ausführung der gesamten Hoch- und Tiefbauarbeiten und die Verlegung der Druckrohrleitung wurde die Kärntner Fürstauer Bau GmbH engagiert. Mit der ebenfalls zum

Für die Überquerung des Laufenbergerbachs wurde eine Rohrbrücke errichtet.

Foto: Pliessnig

Foto: Pliessnig

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Die Druckleitung wurde zur Gänze in schub- und zuggesicherter Ausführung mit dem patentierten Muffen-Verbindungssystem VRS-T von TRM hergestellt.

Rahmen einer über drei Jahre hinweg durchgeführten Durchflussmessung bestätigt“, ergänzt Pliessnig. Bei einem Einzugsgebiet von 7,9 km² können bis zu 208 l/s Ausbauwassermenge aus dem Laufenbergerbach entnommen werden, an Bruttofallhöhe stehen 49 m zur Verfügung. Die Dotation der Restwasserstrecke wurde ganzjährig auf 24 l/s festgelegt. Zur Ausleitung des Triebwassers dient ein klassisches Tiroler Wehr. Dieses wurde nach den Entwürfen von Günther Christler von einem lokalen Schlosser gefertigt und von der Fa. Fürstauer als Betonbau errichtet. Die feinen Sedimente des Gewässers sammeln sich in einem direkt an das Tiroler Wehr anschließenden Entsanderbecken und können durch

Betonarbeiten an der Wasserfassung im Dezember.

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Der Trassenverlauf durch eine Wohnsiedlung erforderte den mehrfachen Einsatz von Rohrkrümmern.

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Die 4-düsige Pelton-Turbine von der Maschinenbau Unterlercher GmbH bleibt auch bei wenig Wasserdargebot zuverlässig am Netz. Im Regeljahr kann das neue Kraftwerk rund 400.000 kWh Ökostrom erzeugen.

Familienunternehmen gehörenden Fürstauer Energie GmbH verfügt man über generationenübergreifendes Branchenwissen für den Betrieb und den Bau von Wasserkraftwerken. Bei der Materialauswahl des rund 500 m langen Kraftabstiegs in der Dimension ­ DN400 entschlossen sich die Betreiber für den Einsatz duktiler Gussrohre von der Tiroler Rohre GmbH (TRM). Die zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial gefertigten Rohre beweisen ihre Praxistauglichkeit im gesamten Alpenraum unter geologisch höchst anspruchsvollen Bedingungen und stehen für sicheren Wassertransport. Zusätzlichen Korrosionsschutz erhalten die Rohre mittels „PUR-Longlife“-Beschichtung, die bei der Produktion mit lösungsmittelfreiem Polyu-

rethan auf die verzinkten Rohre aufgetragen wird. Im Inneren der Rohre sorgt eine Zementmörtelauskleidung für optimale Fließbedingungen. Die gesamten Rohrverbin­ dungen wurden mit dem schub- und zuggesicherten TRM Muffen-Verbindungssystem VRS-T hergestellt. Die von der Wasserfassung rund 300 m durch ein Siedlungsgebiet verlaufende Rohrtrasse machte den Einbau einer ganzen Reihe von Rohrbögen notwendig. Zudem verlangte die Leitungsführung die Querung mehrerer Hindernisse entlang des Trassenverlaufs. So musste direkt bei der Wasserfassung eine Durchführung durch eine rund 2 m starke Schutzmauer aus Beton in rund 3,5 m Tiefe mittels logistisch aufwändiger Kernbohrung hergestellt wer-

den. Die Querung des Laufenbergerbachs nach dem Siedlungsgebiet hingegen erfolgt oberirdisch, wofür eine Rohrbrücke DN800 seitlich neben dem bestehenden Brückenbauwerk errichtet wurde. Ein letzter Richtungsschwenk führt die Rohrleitung nach Westen, wo diese noch einmal die Straße unterquert und schließlich ins Krafthaus übergeht. OSTTIROLER RÜSTEN KRAFTHAUS AUS Das in zweckmäßiger Betonbauweise errichtete Krafthaus wurde von zwei bewährten Osttiroler Unternehmen mit moderner Technik ausgestattet. Als Herzstück der Anlage lieferte die Maschinenbau Unterlercher GmbH eine 4-düsige Pelton-Turbine mit

Technische Daten • Einzugsgebiet: 7,9 km² • Ausbauwassermenge: 208 l/s • Bruttofallhöhe: 49 m • Druckleitung: duktiler Guss • Ø: DN400 • Länge: ca. 500 m • Hersteller: Tiroler Rohre GmbH • Turbine: 4-düsige Pelton • Welle: vertikal • Drehzahl: 600 U/min • Enpassleistungs: 79 kW • Generator: Asynchron • Spannung: 400 V • Jahresarbeit: ca. 400.000 kWh

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Die Fürstauer Bau GmbH verlegte die Druckrohrleitung und führte die kompletten Hoch- und Tiefbauarbeiten durch.

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Betreiber Günter Christler

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vertikaler Welle, die unter Volllast eine Engpassleistung von 79 kW erreicht. Die elektrisch geregelten Düsen ermöglichen der Turbine auch bei stark verringertem Wasserdargebot ein optimales Teillastverhalten. Das Pelton-Laufrad setzt einen direkt gekoppelten luftgekühlten Asynchron-Generator in Bewegung, der wie die Turbine mit exakt 600 U/ min dreht. Das elektro- und leittechnische Equipment stammt von der SOWA-Control GmbH. Die Überwachung und Regelung der Anlage erfolgt dem Stand der Technik natürlich vollautomatisch, via Online-Anbindung haben die Betreiber rund um die Uhr Zugriff i

auf die Steuerung. Der erzeugte Strom gelangt auf direktem Weg ins öffentliche Netz, wozu eine rund 150 m lange Erdableitung zu einer Trafostation vom Netzbetreiber Kelag gegraben wurde. INVESTITION IN DIE ZUKUNFT „Nach weniger als vier Monaten Bauzeit konnten wir die Anlage schließlich am 30. Dezember in Betrieb nehmen. Zwar hat ein werksseitig falsch zusammengebautes Hydraulikaggregat das Prozedere um einige Tage ­verzögert, im Großen und Ganzen hat die Inbetriebsetzung aber sehr gut und rasch funkti-

oniert, die ersten Betriebserfahrungen sind sehr positiv – ich kann allen beteiligten Firmen ein gutes Zeugnis ausstellen“, so Pliessnig, der noch ergänzend anmerkt, dass die Anlage von der österreichischen Abwicklungsstelle für Ökostrom OeMAG einen geförderten Tarif für einen Zeitraum von 13 Jahren erhält. Im Regeljahr wird das neue Wasserkraftwerk am Laufenbergerbach rund 400.000 kWh Ökostrom produzieren. „Ich bin guter Dinge, dass wir mit dem Kraftwerksbau eine nachhaltige Investition für die nächste Generation getätigt haben“, ist Pliessnig überzeugt.

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NEUE TECHNIK SCHAFFT NEUE PERSPEKTIVEN FÜR TRADITIONSKRAFTWERK IN BADEN-WÜRTTEMBERG

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er Wasserkraft-Standort an der Jagst in Elpershofen im Nordosten von BadenWürttemberg blickt auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Bereits im 14. Jahrhundert wurde eine Mühlenanlage, damals eine „Korn- und Sägemühle“, mit ihren ursprünglich vier Wasserrädern urkundlich erwähnt. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Anlage elektrifiziert, zu diesem Zweck wurden 1907 zwei Voith Francis Turbinen mit Kammrad und Synchrongenerator installiert. Diese sollten über die folgenden Jahrzehnte zuverlässig Strom erzeugen, wie etwa in den 1930er Jahren für die „Nudelfabrik Schüle Hohenlohe“ oder später für das Elektrizitätswerk Braunsbach eG. Zu größeren Modifizierungen und Umbauten sollte es erst nach der Jahrtausendwende kommen, nachdem der erfahrene Wasserkraftbetreiber Fritz Eberlein das Kraftwerk erworben hatte. „Der erste Schritt betraf den Umbau von den bestehenden Kammrädern auf Stirnradgetriebe und Asynchrongeneratoren 2001, in diesem Zuge wurde die Rechenreinigung automatisiert und eine neue Steuerung integriert“, erklärt der Bauherr. SUCHE NACH IDEALER MASCHINE Um das Potenzial am Standort bestmöglich zu nutzen, stellte er zuerst eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung an. „Meine ursprüngli-

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Seit 1907 wird im Kraftwerk Elpershofen Strom erzeugt. Nun wurde die Anlage umgebaut und modernisiert. Mit dem neuen Maschinensatz können im Regeljahr rund 750.000 Kilowattstunden sauberer Strom produziert werden.

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Dass Wasserkraft seine große Passion ist, bewies Fritz Eberlein, umtriebiger Wasserkraftbetreiber aus Bayern, mit seinem jüngsten Projekt an der Jagst: Mit viel Know-how und großem Engagement gelang es dem Diplom-Ingenieur, einen Altbestand mit langer Historie auf den Letztstand heutiger Wasserkrafttechnik zu bringen. Nicht nur, dass die Leistung des KW Elpershofen seit dem Erwerb im Jahr 2000 mittlerweile verdreifacht wurde. Zudem wurde die Anlage in ein echtes „Schmuckkästchen“ verwandelt, in dem neue und alte Technik harmonisch nebeneinander integriert sind. Aktuell laufen die Abstimmungen mit den Behörden, um die Anlage in absehbarer Zeit zum geplanten Vollausbau zu führen. Dann könnte das Kraftwerk in einem guten Jahr fast 1 Gigawattstunde Strom erzeugen.

che Idee für eine erweiterte Nutzung der Anlage sah den Einbau einer neuen, vier Jahre alten, jedoch nie eingebauten Turbine mit den idealen Daten für Gefälle und Schluckvermögen vor. Doch davon sind wir aus mehreren Gründen wieder abgekommen: Zum einen war der Einsatz eines Riemenantriebs unmöglich, da die entstehende Geräuschentwicklung die direkt angrenzende Wohnbebauung nebenan vermutlich gestört hätte. Außerdem stieß ich mich an der fehlenden Garantie, den Kosten für die Lagererneuerung und weiteren Punkten, in welchen wir mit dieser Maschine nicht die Ideallösung erreicht hätten. Eine Kostenkalkulation unter Einbeziehung der gesamten Kosten und der Kapitalisierung von Garantie und geänderter Technik ergab, dass eine neue Maschine im Vergleich preislich nicht viel schlechter abschneidet.“ Für die ideale Maschine musste er in der Folge nicht lange suchen. Er wurde bei der Firma WATEC Hydro fündig, die bekannt ist für leistungsstarke, solide Kaplan-Maschinen. Eberlein entschied sich für die bewährte Kombination mit einem Permanentmagnetgenerator – ein Maschinengespann, ausgelegt auf ein maximales Schluckvermögen von 7,50 m3/s. Um die Maschine im Rahmen der bisherigen Konzession von 4,80 m3/s zu betreiben, wurde die Maschine entsprechend konzipiert und mechanisch und steuerungstechnisch gedrosselt.

„In diesem ersten Ausbauschritt ist die technische Deckelung vorgesehen, um gemäß bestehendem Altrecht mit dem Umbau im Rahmen einer wasserrechtlichen Anzeige fortfahren zu können. Ebenso ist der bestehende Vertikalrechen für Mengen größer 4,80 m3/s nicht geeignet.“ Nach Vorliegen der behördlichen Genehmigungen und der offiziellen Förderzusage durch das Landratsamt Baden-Württemberg konnte Fritz Eberlein mit seinem Team zur praktischen Umsetzung schreiten. SOLIDES WIRTSCHAFTLICHES FUNDAMENT Die Umbauarbeiten, die im Wesentlichen von einem hiesigen Bauunternehmen sowie dem eigenen Team der AUF Eberlein und Co. GmbH, im Zeitraum 2017 bis 2018 abgewickelt wurden, verliefen durchwegs weitgehend problemlos. Somit konnte auch der avisierte Kostenrahmen am Ende nahezu eingehalten werden. Mehrarbeiten, welche nicht direkt mit dem Turbinenaustausch zu tun hatten, wie die Vertiefung des Unterwasserkanals wurden mit ausgeführt, da es in diesem baulichen Abwicklungsschritt sinnvoll ist und eine spätere erneute Herangehensweise Mehrkosten verursacht hätte. „In Summe beliefen sich die Gesamtkosten auf rund 700.000 Euro. Darin sind sowohl die Kosten für Turbine, Nebenaggregate und Elektrotechnik als auch die ge-

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.... und der Unterwasserkanal neu betoniert.

PROJEKT MIT PERSPEKTIVE Das Projekt Elpershofen ist für den findigen Diplom-Ingenieur aber noch nicht abgeschlossen. Aktuell befindet sich Fritz Eberlein mit den weiterführenden Ausbauplänen in enger Abstimmung der Behörde. Hinsichtlich einer mittleren Wasserführung der Jagst am Standort von 9,07 m3/s soll in einem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren nun die Konzessionswassermenge auf 7,50 m3/s erhöht werden. Zudem ist eine moderate Stauerhöhung mit Anpassung an die aktuellen ökologischen Belange vorgesehen. Obschon es bereits eine funktionsfähige Fischaufstiegshilfe und definierte Restwassermengen gibt, sind in diesem Zuge ein Horizontalrechen mit 15

Technische Daten • Typ: Niederdruck-Kraftwerk • Ausbauwassermenge: 4,80 m3/s • Fallhöhe: 3,40 m • Turbine: doppeltregulierte Kaplan-Turbine • Leistung: 200 kW • Fabrikat: WATEC Hydro • Generator: PMG • Q im Endausbau: 7,50 m3/s • Regelarbeitsvermögen RAV: 750.000 kWh • RAV im Endausbau: ca. 900.000 kWh • Erstmalige Stromproduktion: 1907 • Inbetriebnahme: 2018

So sah es im Maschinenraum vor der jüngst erfolgten Modernisierung aus. 2001 hatte Eberlein den Umbau auf ein Stirnradgebriebe und Asynchrongeneratoren vorgenommen.

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mm und Korridore für den Fischabstieg vorgesehen. Auf diese Weise wird das Regelarbeitsvermögen nahe an die 1-Gigawattstunden-Grenze herangeführt. „Wir erwarten dann im Regeljahr um die 900.000 kWh“, konkretisiert Eberlein. Mit dieser finalen Integration eines modernen Horizontalrechens inkl. Reinigung sollte das Projekt in absehbarer Zeit seinen Abschluss finden. Spätestens dann ist das Traditionskraftwerk im schönen Jagsttal zur Gänze in der Wasserkraft-Neuzeit angekommen.

Foto: AUF Eberlein

LEISTUNG VERDREIFACHT Bis jetzt konnte die installierte Leistung des KW Elpershofen von 125 kW auf nunmehr gut 150 kW gesteigert werden – und dies unter gleichgebliebenen hydrologischen Rahmenbedingungen. Das Regelarbeitsvermögen wurde in diesem Zuge um 127.000 kWh auf 700.000 kWh im Durchschnittsjahr hinaufgeschraubt. Diese Steigerung ist zum einen einer modernen, leistungsfähigen Turbinentechnik mit hohen Wirkungsgraden der Turbine und des Generators geschuldet, aber auch auf moderne Steuerungsreinrichtungen zurückzuführen, die eine deutlich höhere Verfügbarkeit der Anlage sicherstellen. „Seit der Übernahme im Jahr 2000 haben wir die Leistung in dem kleinen Wasserkraftwerk fast verdreifacht und zugleich ein auch historisches ‚Schmuckkästchen‘ geschaffen, das auf lange Sicht wartungs- und kostenarm betrieben werden kann“, sagt Fritz Eberlein, der sichtlich stolz ist auf die gelungene Verbindung von Alt und Neu am traditionsreichen Kraftwerksstandort. Direkt neben der ultraleise arbeitenden Kaplan-Turbine aus dem Hause WATEC Hydro, Baujahr 2018, kann heute nach wie vor der historische Maschinensatz aus dem Jahr 1907 bestaunt werden. Die Frage der Ästhetik in der Wasserkraft scheint für den 50-Jährigen weit mehr zu sein als das

„Tüpfelchen auf dem i“: „Ich kann nur jedem Betreiber raten: Machen Sie Ihre Anlage schön. Denn dann gehen alle Beteiligten in Zukunft stets sorgfältig damit um, und sie bleibt wertstabil.“ Ebenso ist es eine Anerkennung an die lange Lebensdauer der Maschinen und die Historie der Wasserkraft an diesem Standort. Gerade die Integration neuer Technik in alte Gebäude sieht der Betreiber hier auch als eine Würdigung der früheren Leistungen der Planer, Betreiber und Bauherren.

Foto: Glanzer

samten Baukosten und die Eigenleistungen enthalten. Für die wirtschaftliche Grundlage des Projekts sorgt nicht nur die für 20 Jahre gesicherte EEG-Vergütung, sondern auch die zusätzlichen Fördermittel vom Land Baden-Württemberg, die bei dieser Maßnahme in Summe den nach EU Richtlinien definierten Höchstsatz mit 200.000 Euro ausmachten. Das Förderprogramm Baden-Württemberg ist in der Tat hier eine große Hilfe“, erklärt Fritz Eberlein und hat einen wichtigen Tipp für andere Betreiber parat: „Ganz wichtig ist: Auf keinen Fall mit dem Bau beginnen oder Bauaufträge vergeben, bevor die Förderzusage offiziell vorliegt, da dies zu einem Versagen der Förderung führt!“

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Das Unterwassergewölbe wird vertieft ...

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Mithilfe von Bruchsteinen und Schüttungen wurde die Wasserfassung für das neue Kraftwerk Alvierbach im Vorarlberger Brandnertal naturnah gestaltet. Die Anlage, die seit Februar letzten Jahres in Betrieb ist, erzeugt grünen Strom für rund 1.700 Haushalte.

Foto: zek

Eine neue Studie belegt einen weitgehend unbekannten Vorteil von Wasserkraftwerken: Sie tragen dazu bei, dass der Plastikmüll aus unseren Flüssen entsorgt wird.

Foto: pixabay

Ökologie

WASSERKRAFTANLAGEN LEISTEN SIGNIFIKANTEN BEITRAG ZUR ENTSORGUNG VON PLASTIKMÜLL AUS GEWÄSSERN In Bayern entfernen Wasserkraftwerksbetreiber jedes Jahr zehntausende Tonnen Treibgut, Zivilisationsabfall und Plastik aus Bächen, Kanälen und Flüssen, so das Resümee der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten MicBin-Studie. In einem Teilprojekt untersuchten die Projektpartner speziell die Entsorgung von Plastikabfällen im bayerischen Donaugebiet. Dabei konnte festgestellt werden, dass jedes Jahr bis zu etwa 290 Tonnen Makroplastik von den Betreibern von Wasserkraftanlagen von den Einlaufrechen entfernt und entsorgt werden.

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asserkraftanlagen leisten einen bedeutenden Beitrag zur Entsorgung von Plastikmüll aus Gewässern. Dies ist das Ergebnis einer Studie im Rahmen des Verbundprojektes „MicBin - Mikroplastik in Binnengewässern“. Sieben Partner aus der Wirtschaft und Forschung sowie von Behörden untersuchten den Eintrag und Verbleib von Plastik in Gewässern im Donaugebiet. Basierend auf unterschiedlichen Szenarien, kommen sie zu dem Schluss, dass jedes Jahr bis zu rund 290 Tonnen Makroplastik von Betreibern von Wasserkraftanlagen aus Fließgewässern im bayerischen Donaugebiet entsorgt werden. Der Großteil davon sind Verpackungsabfälle wie Kunststoffflaschen, aber auch Abfälle aus dem Agrarsektor wie Folien und Pflanzentöpfe sowie Bau-Müll wie Styropor werden entnommen und entsorgt.

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AUSTRAGUNG VON PLASTIKMÜLL IM BAYERISCHEN DONAUEINZUGSGEBIET Das MicBin-Verbundprojekt ist im Forschungsschwerpunkt „Plastik in der Umwelt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) angesiedelt. Im Zeitraum 2017 bis 2021 fördert das BMBF 18 Verbundprojekte und ein wissenschaftliches Begleitvorhaben, in denen die Wirkung von Kunststoffen auf die Umwelt erforscht wird. Im Arbeitspaket 4.1 von MicBin (Untersuchung von Wasserkraftanlagen) wurde erstmals der Eintrag von Kunststoffpartikeln (Makro-, Meso- und Mikroplastik) für ein größeres Einzugsgebiet eines Binnengewässers bilanziert. Exemplarisches Untersuchungsobjekt ist das bayerische Donaueinzugsgebiet. Der Bericht zu diesem Arbeitspaket, der in diesem Jahr veröffentlicht wurde, fasst die Ergebnisse der Analyse

von Kunststoffmengen zusammen, die an Staustufen und Wasserkraftwerken ausgetragen werden. Das Untersuchungsgebiet des Bayerischen Donaugebietes erstreckt sich über ein Gewässernetz von rund 19.000 Flusskilometern und Kanälen sowie 39 Seen. Die Donau ist das Hauptgewässer. Das Berechnungsmodell zur Kunststoffaustragung bezieht sich auf rund 3.300 von 4.200 Wasserkraftanlagen in Bayern. UMFANGREICHE DATENSAMMLUNG Für die Untersuchung wurden die Mengen erfasst, die in den Jahren 2014 bis 2017 in den Rechen von 66 großen Wasserkraftanlagen abgefangen wurden. Eigentliche Funktion der Gitterstäbe (Rechen) ist der Schutz der Turbinen. Weiterhin wurden mit Unterstützung der Vereinigung Wasserkraftwerke

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Ökologie

in Bayern (VWB) e.V. zehn Betreiber von kleinen Wasserkraftanlagen befragt. Die VWB lieferte auch die Ergebnisse einer Umfrage zum entnommenen Zivilisationsmüll mit rund 180 Mitgliedern zu. Für die Studie fanden Vor-Ort-Besuche, Online-Befragungen, persönliche und telefonische Expertengespräche statt. AUSTRAGUNG UND ENTSORGUNG AUF EIGENE KOSTEN Die befragten Kraftwerksbetreiber tragen zunächst das in den Rechen angesammelte Gut aus. Anschließend sortieren sie den Abfall manuell und separieren nicht-biogene Stoffe wie Kunststoffe, Glas, Metall, Autoreifen und Sperrmüll. Danach entsorgen sie den Abfall

getrennt nach Müllfraktionen: gelber Sack, Papier, Glas, Metall, Altholz und Restmüll. Die Kosten hierfür übernehmen die Anlagenbetreiber. Die Projektpartner entwickelten drei Szenarien (Minimalmenge, Mittlere Menge, Maximalmenge) für die Menge des ausgetragenen Plastikmülls pro Jahr. Die Austragungsmengen von Makroplastik im bayerischen Donaueinzugsgebiet liegen zwischen ca. 80 und 290 Tonnen (= 290.000 Kilogramm) pro Jahr. Darin enthalten sind Abfälle aus Gewässern in Baden-Württemberg, die in die Donau eingeleitet und nach Bayern weitergeleitet werden. In Szenario C mit der höchsten Austragsmenge werden jedes Jahr rund 348 Tonnen Makroplastik in die Gewässer im Donaugebiet

Foto: Archiv

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An den Rechen der Wasserkraftwerke landen beachtliche Mengen an Makroplastik. Forscher gehen heute davon aus, dass die Betreiber alleine aus den Fließgewässern im bayerischen Donaugebiet jedes Jahr bis zu rund 290 Tonnen entsorgen.

eingetragen. Von diesen entfernen und entsorgen Wasserkraftwerksbetreiber rund 293 Tonnen (84 Prozent). „55 Tonnen (16 Prozent) verbleiben laut Studie leider trotzdem noch in den Gewässern, zum Beispiel am Ufer“, sagt Otto Mitterfelner, Mitglied des Vorstands des Landesverbandes Bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW) eG. Michael Müller, Vorstandsmitglied der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) e.V., fasst zusammen: „Neben der CO2-freien Energieerzeugung, der Grundwasserstabilisierung und dem Hochwasserschutz ist die Austragung von Wohlstandsmüll eine weitere wichtige Funktion der Wasserkraft. Der Allgemeinheit werden so hohe Kosten erspart und der Zustand der Gewässer wird verbessert.“

An dem Projekt MicBin beteiligte Partner: • Bayerisches Landesamt für Umwelt • Universität Augsburg, Institut für Geografie • Universität Osnabrück • Technology Arts Sciences, TH Köln • Technologiezentrum Wasser (TZW) • Bundesanstalt für Gewässerkunde (bfg) • BKV Kunststoff Konzepte Verwertung • Die Koordination des Projektes liegt beim DVGW-Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe. Link zur Studie „Mikroplastik in Binnengewässern - Untersuchung und Modellierung des Eintrags und Verbleibs im Donaugebiet als Grundlage für Maßnahmenplanungen (MicBin)“:

https://www.bkv-gmbh.de/fileadmin/documents/ Studien/MicBin_Report_BKV_Analyse_Wasserkraftwerke__AP_4.1__Juni_2020.pdf

Der Plastikmüll ist zu einer ernsten Bedrohung unserer Flüsse geworden.

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RADAR IST DAS BESSERE ULTRASCHALL: VEGA ERGÄNZT SEIN PORTFOLIO AN FÜLLSTANDSENSOREN Seit fünf Jahren erobern Radarsensoren mit 80 GHz-Technologie jeden Tag neue Anwendungen in der Füllstandmessung. Nun steht erneut eine Innovation bevor: Vega entwickelte eine neue Geräteserie auf 80 GHz-Basis gezielt für einfache Anwendungen, die eine echte Alternative zur Ultraschalltechnik darstellt.

Die Radarsensoren Vegapuls C 21 sorgen dafür, dass das Wasserkraftwerk Kirchbichl seine Effizienz steigern, aber das Gleichgewicht mit der Natur halten kann.

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Fotos: Vega

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ie Radartechnik hat in den vergangenen Jahrzehnten eine gewaltige Entwicklung hinter sich gebracht. Wurden Radarsensoren früher hauptsächlich für militärische Aufgaben eingesetzt, sind sie heute längst in alltäglichen Anwendungen zuhause. Typische Beispiele sind Bewegungsmelder für Türöffner oder auch komplexe Abstandssensoren in Fahrzeugen. Gleichzeitig hat die Radartechnik in der industriellen Füllstandmessung – obwohl sie hier eine wesentlich höhere Signalempfindlichkeit benötigt – einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Eine wesentliche Rolle dabei spielt das Schiltacher Unternehmen Vega, das seit 30 Jahren Sensoren für die Füllstandmessung mit Radar entwickelt. Mit der Einführung der Vegapuls-Sensoren auf der Basis von 80 GHz begann vor einigen Jahren noch einmal ein neues Zeitalter. Dank präziserer Fokussierung des Sendesignals lassen sich Mess- und Störsignale besser trennen – die Messung wird um ein Vielfaches zuverlässiger und einfacher. Viele Messaufgaben, die bis dahin als unlösbar galten, wurden dank dieser Technologie gelöst. Mittlerweile sind Radarsensoren von Vega in mehr als 750.000 Anwendungen weltweit im Einsatz. Mit dem Vegapuls 69 startete die Serie an 80 GHz-Radarsensoren. Diese eignet sich für die kontinuierliche Messung von Schüttgütern unter verschiedensten Prozessbedingungen. Er ist ideal zur Füllstandmessung in sehr hohen Silos, großen Bunkern und segmentierten Behältern. Dagegen misst der Vegapuls 64 mit seinem Dynamikbereich von 120 dB praktisch jede Flüssigkeit. Sein Spektrum reicht von wasserhaltigen Medien über Kohlenwasserstoffe bis hin zu Flüssiggasen – unabhängig von der Dielektrizitätszahl. Dank präziser Signalfokussierung erzielt der Füllstandsensor selbst in komplexen Anlagen mit Einbauten oder Rührwerken sehr gute Ergebnisse. Aufgrund der sehr kleinen Prozessanschlüsse ist er zudem für kompakte Behälter geeignet sowie für nachträgliche Installationen. Die Vega-

puls-Serie auf 80 GHz-Basis bringt eine Reihe von weiteren Vorteilen mit sich. Zu den wichtigsten gehört sicherlich die Unabhängigkeit von den äußeren Bedingungen – von Temperaturschwankungen, Vakuum oder hohen Drücken zeigt sich der Radarsensor ebenso unbeeindruckt wie von starken Verschmutzungen. Dadurch sind die Füllstand­ sensoren nahezu verschleiß- und wartungsfrei und sind über Jahre im Einsatz. HERZSTÜCK DER NEUEN GERÄTESERIE – EIN NEUER MIKROCHIP Nun schlägt Vega wieder mal einen neuen Weg ein, indem es das Portfolio an Radarsensoren um eine neue kompakte Geräteserie erweitert wird. Diese eignet sich vor allem für preissensiblere Anwendungen, wie sie z.B. in der Wasser- und Abwasserindustrie oder in Hilfskreisläufen in der Prozessautomatisierung vorkommen. Hierfür entwickelte Vega extra einen neuen Radar-Mikrochip, der sich durch eine sehr kleine Bauform und einen geringen Energiebedarf auszeichnet. Dies ist die Grundlage, um einen sehr kompakten Radarsensor anbieten zu können. Diese Mikrochips sind zudem deutlich kos-

tengünstiger, so dass die Sensoren preislich mit der Ultraschall-Messtechnik mithalten können. ROBUST, UNEMPFINDLICH UND WITTERUNGSBESTÄNDIG Die neue Vegapuls-Geräteserie eignet sich für die Füllstandmessung von Flüssigkeiten und Schüttgütern. Es gibt sie sowohl als Kompaktausführung mit Kabelanschlussraum als auch mit festem Kabelanschluss (IP68). Wie die bisherigen Sensoren der Vegapuls-Serie liefern sie zuverlässige Messwerte unabhängig von den äußeren Bedingungen, wie Temperaturschwankungen oder Verschmutzungen. Zudem liefern sie standardisierte Ausgangssignale direkt aus dem Sensor. Ergänzt wird die Vegapuls-Geräteserie durch die optionalen Vegamet-Steuergeräte. Diese besitzen ein großes Grafikdisplay, über das sich alle Messwerte visualisieren lassen. Da die Geräteserie zunächst speziell auf die besonderen Anforderungen der Wasser- und Abwasserindustrie ausgerichtet wurde, eignen sie sich optimal zur einfachen Umsetzung von Pumpensteuerungen, Durchflussmessungen in offenen Gerinnen oder Überfüllsicherungen nach

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Technik

UNABHÄNGIG VON UMGEBUNGSEINFLÜSSEN Dass sich die neue Geräteserie unbeeindruckt von den äußeren Umständen zeigt, ist eine Eigenschaft, die sich vor allem in der Wasserund Abwasserbranche bezahlt macht. Dort sind derzeit noch viele Ultraschallsensoren eingesetzt. Diese haben jedoch schon aufgrund ihres physikalischen Messprinzips immer mal wieder mit den Widrigkeiten der Natur zu kämpfen. Hintergrund ist, dass sich die Schalllaufzeit mit der Temperatur, z. B. durch Sonneneinstrahlung ändert. Auch bei starker Nebelbildung, Wind oder Regen werden die Schallwellen zusätzlich gedämpft und der Messbereich weiter eingeschränkt. Ganz anders verhält sich dagegen die neue Vegapuls-Geräteserie. Typische Anwendung für die Radarsensoren sind zum Beispiel die Sammelkanäle, die Abwasser zur Kläranlage transportieren. Hier wird der Durchfluss an verschiedenen Stellen gemessen, sei es nun bei Sonne oder Regen. Zuverlässige Daten sind wichtig, da die Messung der Wassermenge am Eingang der Kläranlage die Grundlage für die Berechnung der Umlagekosten ist. Die hohe Genauigkeit der Radarsensoren, unabhängig von Sonneneinstrahlung und Temperaturschwankungen, ermöglicht exakte Messwerte. STABILE MESSWERTE TROTZ VERSCHMUTZUNGEN In anderen Anwendungen kämpfen Füllstandsensoren häufig mit Anhaftungen und Verschmutzungen. Gerade bei Ultraschallsensoren wird dadurch die Zuverlässigkeit des Messsignals beeinflusst und die Totzone vergrößert. Durch eine optimierte Signalverarbeitung blenden dagegen Radarsensoren Störungen, die durch Anhaftungen am Antennensystem entstehen, einfach aus. Außerdem zeigen sich Radarsensoren unbeeindruckt von Verschmutzungen und müssen nicht gereinigt werden. Dieser Vorteil zeigt sich in der Abwasserindustrie beispielsweise in Silos, in denen Kalk gelagert wird, der zur Stabilisierung des pH-Wertes eingesetzt wird. Radarsensoren liefern unabhängig von der Staubentwicklung zuverlässige Messwerte. Gleichzeitig messen sie durch die hohe Signalfokussierung selbst bei Anhaftungen an der Behälterwand sicher und sind unempfindlich gegenüber Ablagerungen am Sensor. LAND UNTER? KEIN PROBLEM FÜR RADARSENSOREN Prozessbedingt kommt es in einigen Anwendungen zu Überflutungen der Sensoren. Ul-

traschallsensoren werden daher oft durch mechanische Überflutungshülsen geschützt. Solche Komponenten können jedoch leicht verschmutzen oder beschädigt werden. Radarsensoren benötigen erst gar keine Schutzhülsen, die reparaturanfällig sind. GESICHERTER NACHSCHUB Zudem erlauben Radarsensoren eine sichere Messung bis zur Sensorantenne. Dies kommt besonders bei Lager- und Pufferbehälter zum Tragen, die den Materialnachschub für die laufenden Prozesse sicherstellen. Die kompakten Radarsensoren können hier ihre Stärken ausspielen, da sie selbst bei beengten ­Einbauverhältnissen und kleinen Prozessanschlüssen ihren Platz finden. Ohne Totzone messen die Sensoren zuverlässig bis zum Behälterrand. Selbst bei Ausgasungen des Mediums liefern die Sensoren sichere Messergebnisse – und dies unabhängig vom Medium und den Prozesseigenschaften. Da ein Großteil der neuen Sensoren über eine Ex-Zulassung verfügt, ist zudem der Einsatz bei brennbaren Medien möglich. PUNKTGENAUE MESSUNG Durch die hohe Fokussierung der 80 GHz-Technologie lässt sich der Radarstrahl fast punktgenau auf das zu messende Medium ausrichten. Somit entstehen bei Einbauten, wie Rohren oder Pumpen, in engen Schächten oder bei Ablagerungen an Wänden, keine Störsignale. Ein typischer Einsatz­ ort sind Pumpstationen, mit denen in der Wasserwirtschaft Höhenunterschiede ausgeglichen werden. Hier dient die Niveaumessung im Pumpenschacht zur wirtschaftlichen Steuerung der Pumpen. Die Messwerte der Radarsensoren liefern hierfür die Basis und zwar unabhängig von Verschmutzungen,

Foto: Glanzer

WHG. Zum Schutz gegen Witterungseinflüssen haben die Steuergeräte ein witterungsbeständiges Feldgehäuse.

EINFACHSTE INBETRIEBNAHME DANK DRAHTLOSER BEDIENUNG Gleichzeitig lässt sich die neue Geräteserie schnell und einfach montieren. Diese Vorgaben gelten selbstverständlich auch für die Bedienung und Einstellung der Parameter. Jeder Anwender kann dank bewährter Vega Tools-App die Geräte schnell und drahtlos über Bluetooth einrichten und bedienen – und dies aus sicherer Entfernung. In wenigen Schritten werden zuverlässige und genaue Füllstandmesswerte bereit gestellt. Gerade in rauen Umgebungen oder im Ex-Bereich werden die Parametrierung, Anzeige und Diagnose erheblich erleichtert. Neben der höheren Genauigkeit und Zuverlässigkeit sind dies wichtige Argumente, sich bei Standardmessaufgaben für die Radarmesstechnik zu entscheiden.

Die Sensoren der Radarkompaktserie Vegapuls C 21 überwachen kontinuierlich den Pegelstand entlang der Wasserwege.

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Schaum oder Kondensat. Selbst von Spinnennetzen lässt sich der Radarsensor nicht stören und liefert zuverlässige Werte. Darüber hinaus gibt es aber auch ganz praktische Gründe, weshalb die Radarmesstechnik immer häufiger die Messung mit Ultraschall ablöst. Die Radarmesstechnik ist sehr unkompliziert in der Montage und Handhabung sowie einfach in der Bedienung. Dazu beigetragen haben zum einen die vielfältigen Erfahrungen mit der Vegapuls-Geräteserie auf 80 GHz-Basis in ganz unterschiedlichen Branchen und Anwendungen, die in die Entwicklung der neuen Kompaktserie mit eingeflossen sind. Dadurch ist ein extrem hoher Erfahrungsschatz vorhanden, der sich auch in zukünftigen Einsätzen bezahlt machen wird. Zudem sind die Geräte universell einsetzbar, so dass eine optimierte Lagerhaltung möglich ist. Gut für den Anwender, der sich über kurze Lieferzeiten freuen kann.

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Um die ökologische Durchgängigkeit für Fische und andere aquatische Lebewesen zu ermöglichen, stehen Planern und Betreibern von Wasserkraftwerken vielfältige technische Mittel zur Verfügung.

AUF DEM WEG ZUR FISCHFREUNDLICHEN WASSERKRAFT: INNOVATIVE METHODEN UND EIN PRAKTISCHES ONLINE-TOOL In dem europaweiten Projekt „FIThydro“ unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) haben Forscherinnen und Forscher in Zusammenarbeit mit Industriepartnern bestehende Wasserkraftwerke untersucht. Diese Ergebnisse nutzten sie, um neue Methoden und Technologien zu entwickeln. Dazu gehören ein Gefährdungsindex für Fischarten, Simulationen der ­Fischwanderung und ein frei verfügbares Onlinetool für die Kraftwerksplanung. Ebenfalls an der TUM wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz ein Pilotprojekt initiiert, das verschiedene Wasserkrafttechnologien in punkto ökologische Durchgängigkeit miteinander vergleicht.

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asserkraft ist eine der wichtigsten und meistgenutzten regenerativen Energiequellen weltweit. Der große Vorteil: Anders als Windkraft und Sonnenenergie unterliegt sie nur geringen wetterbedingten Schwankungen. Allerdings ist der Einsatz von Wasserkraftwerken auch mit großen Eingriffen in die Umwelt verbunden. Flüsse werden aufgestaut, die aquatischen Lebensräume verändert, und Fische können durch die Turbinen, das Überfallwehr oder Gitter tödlich verletzt werden. Dafür dass diese negativen ökologischen Effekte so gering wie möglich ausfallen, soll unter anderem die Europäische Wasserrahmenrichtlinie sorgen. Allerdings erfüllen vor allem ältere Wasserkraftwerke die neuen Anforderungen oft nicht und müssen für eine erneute Zertifizierung nachgerüstet werden. Mit welchen Maßnahmen dies auch ökonomisch zu bewältigen ist, muss für jedes Kraftwerk indivi-

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duell entschieden werden. „Es ist wichtig, existierende Lösungen an die standortspezifischen Gegebenheiten jedes Kraftwerks anzupassen“, erklärt Prof. Peter Rutschmann vom Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Technischen Universität München (TUM). EUROPAWEITE UNTERSUCHUNGEN AN KRAFTWERKEN Eine Arbeitsgruppe aus 26 europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen hat in dem vierjährigen EU-Projekt „FIThydro, Fishfriendly Innovative Technologies for Hydropower“, kurz „FIThydro“, die Auswirkung der Wasserkraftwerke auf die Ökosysteme und besonders auf Fische an 17 Standorten in acht Ländern untersucht. „Uns war wichtig, dass diese Standorte die Vielfalt der geografischen, hydromorphologischen und klimatischen Bedingungen widerspie-

geln, damit unsere Ergebnisse auf unterschiedliche Wasserkraftwerke in Europa anwendbar sind“, erklärt Rutschmann. Die Projektpartner untersuchten an den Teststandorten und in Laboren zunächst existierende Methoden, Technologien und Ansätze zur Bewertung von Auswirkungen der Kraftwerke sowie mögliche Schutzmaßnahmen. „Wir wollten feststellen, wo es noch Wissenslücken gibt und wie wir diese Werkzeuge weiterentwickeln können“, sagt Rutschmann. GEFÄHRDUNGSINDEX FÜR FISCHPOPULATIONEN Ein Beispiel ist der Gefährdungsindex für europäische Fischarten durch die Wasserkraftnutzung, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des TUM-Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei entwickelten. Sie sammelten zunächst Daten wie Lebensdauer, Re-

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Mehr über FIThydro Am Forschungsprojekt „Fishfriendly Innovative Technologies for hydropower (FIThydro)“ sind 13 Forschungseinrichtungen und 13 Unternehmen in Deutschland, Belgien, Estland, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Österreich, Portugal, der Schweiz und Spanien beteiligt. Koordiniert wird es am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität München (TUM). An der TUM sind außerdem der Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie und der Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie beteiligt. Das Projekt wird mit 7,2 Millionen Euro vom EU-Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizon 2020“ und vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) gefördert.

Querschnitt eines Schachtkraftwerks (oben) und eines typischen Buchtenkraftwerks

produktionszahl und Wanderverhalten der Fische sowie deren Anforderungen an den Lebensraum, wie zum Beispiel die Temperatur und Fließgeschwindigkeit des Gewässers. Mit Hilfe dieser Daten wurden Toleranzschwellen für die Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf einzelne Fischarten ermittelt. Diese können von Wasserkraftwerksbetreibern dazu genutzt werden, Schutzmaßnahmen zu evaluieren und zu planen. Auch was den Fischaufstieg und -abstieg betrifft, existieren noch Wissenslücken. Etwa welche Fischtreppe für welche Arten geeignet ist oder welche Bedingungen dazu beitragen, dass die Fische den Einstieg finden. Schwimmen sie beim Fischabstieg durch die Turbinen, können sie nicht nur durch die Turbinenblätter verletzt werden, es wirkt auch ein enormer Druckabfall auf sie. High-Tech-Sensoren, die von der Tallinn University of Technology entwickelt wurden, und neue Simulationsmodelle ermöglichen nun die genaue Untersuchung dieser Faktoren. Mithilfe dieser Ergebnisse kann etwa der Betrieb von Wasserkraftwerken während der Fischwanderung angepasst werden.

VERGLEICH INNOVATIVER WASSERKRAFTTECHNIK Ein umfangreicher Vergleich fischfreundlicher Wasserkrafttechnik wurde in einem Pilotprojekt zur Untersuchung der Auswirkungen innovativer Wasserkraftanlagen auf Fließgewässer und ihre Lebensgemeinschaften vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der TU München im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) durchgeführt. Zu diesen innovativen Anlagetypen zählen Kraftwerke mit VLH-Turbinen, Wasserkraftschnecken, bewegliche Kraftwerke sowie Schachtkraftwerke. Als Untersuchungsstandorte wurden verschiedene Pilotanlagen in Bayern ausgewählt, die nachgerüstete Bestandsanlagen sind oder sich derzeit in der Planungs- bzw. Bauphase befinden. Dort wurden zwischen

Die „Very Low Head“ (VLH)-Turbine des französichen Herstelles MJ2 Technologies kommt beim Kraftwerk Sulzberg-Au in der Nähe der Stadt Kempten seit 2015 weltweit zum ersten Mal an einem alpinen Gewässer in Kombination mit einem Schlauchwehr zum Einsatz. Zwei Jahre später folgte der Standort Baierbrunn an der Isar bei München.

Foto: AÜW

Durch ein unabhängiges, staatlich finanziertes Monitoring werden die Fischverträglichkeit der VLH-Turbine sowie die ökologischen Auswirkungen der Wasserkraftanlage Sulzberg-Au auf die umliegenden Habitate überwacht und geprüft.

Foto: Glanzer

Foto: Martin Erd/AÜW

ENTSCHEIDUNGSHILFEN FÜR WASSERKRAFTWERKSBETREIBER Der zweite Teil des Projekts beschäftigte sich mit möglichen Maßnahmen, die Kraftwerke nachzurüsten – und mit Entscheidungshilfen für die Betreiberinnen und Betreiber alter sowie Planerinnen und Planer neuer Wasserkraftwerke. „Diese Entscheidungen sind sehr komplex“, sagt Rutschmann. „Das Kraftwerk

und die standortspezifischen Bedingungen spielen eine Rolle, aber es müssen auch die gesetzlichen Vorgaben auf nationaler und EU-Ebene eingehalten werden. Für die Betreiber ist es natürlich wichtig, dass die Maßnahmen effektiv und kosteneffizient sind.“ Die Lehrstühle für Produktions- und Ressourcenökonomie und für Aquatische Systembiologie der TUM haben in Zusammenarbeit mit der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF daher eine systematische Kostenanalyse erstellt. Die Kostenübersicht beinhaltet unter anderem Daten zur Fließgewässerrenaturierung, Fischwanderhilfen, Fischschutzeinrichtungen sowie dem Sedimentmanagement. Diese Übersicht hilft dabei, die bestmöglichen und kostengünstigsten Lösungen zur Minimierung der Auswirkungen eines Wasserkraftwerkes zu finden.

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Schwerpunkt Schädigungsrate von 1,5 Prozent ermittelt wurde. Darüber hinaus ist aus einer Studie an einer Aufstiegsschnecke in den USA für Königslachse eine Schädigungsrate von 1 bis 1,7 Prozent bekannt.

2014 und 2019 die Auswirkungen verschiedener neuartiger Anlagentypen und Techniken auf die Gewässerökologie untersucht. Zusätzlich sind drei mit Fischschutz- und Fischabstiegseinrichtungen nachgerüstete konventionelle Wasserkraftanlagen mit Kaplan-Turbinen Gegenstand des Forschungsprojekts. VERY-LOW-HEAD TURBINE Die technischen Konzepte unterscheiden sich beim Fischschutz erheblich. So ist bei der Very-Low-Head (VLH)-Turbine vorgesehen, dass die Fische möglichst unversehrt durch das Kraftwerk abwandern können. Die großen Abmessungen von bis zu fünf Metern Laufraddurchmesser und die sehr langsamen, variablen Drehzahlen von etwa 20 bis 60 Umdrehungen pro Minute bieten dafür sehr gute Voraussetzungen. Ein Grobrechen dient lediglich dem Maschinenschutz. Jedoch stößt diese Technik bei Fallhöhen über drei Metern an ihre Grenzen. Durch die einfache Konstruktion des Bauwerks ist auch das Umrüsten von Bestandsanlagen denkbar. WASSERKRAFTSCHNECKE Die Wasserkraftschnecke basiert auf der energetischen Umkehr der bereits seit der Antike bekannten „archimedischen Schraube“ und findet in Deutschland seit der Jahrtausendwende Anwendung in der Kleinwasserkraft. Der Durchmesser der Schnecke beträgt in der Regel 1,5 bis 3,5 m und der Neigungswinkel der Schnecke 20 bis 30 Grad. Die Wasserkraftschnecke wurde für Fallhöhen von maximal 10 Metern konstruiert. Aufgrund der geringen Drehzahlen, Druckunterschiede und Scherkräfte gilt die Wasserkraftschnecke als

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fischverträgliche Technologie. Verletzungen an Fischen können dennoch durch scharfkantige Strukturen am Schneckengewinde, im Spalt zwischen Schnecke und Trog, durch Kollisionen der Fische mit der Eintrittskante des Schneckengewindes und durch die starken hydraulischen Impulskräfte im Schneckenaustrittsprofil entstehen. Die aus mehreren Studien zum Thema Schädigung von Fischen an Wasserkraftschnecken zusammengefassten Ergebnisse zur Schädigungsrate liegen zwischen 0 und 33 Prozent und gehen damit sehr weit auseinander. In der internationalen wissenschaftlichen Literatur (mit Peer-Review System) konnte nur eine Studie zur Schädigung von Neunaugen an einer Wasserkraftschnecke in England gefunden werden, in der eine

SCHACHTKRAFTWERK Ein weiterer innovativer Anlagentyp ist das vom Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München entwickelte Schachtkraftwerk, bei dem die Maschineneinheit vollständig unter Wasser liegt. Eine Einheit aus Turbine und Generator wird in einem Schacht mit einer horizontalen Einlaufebene installiert, der vor dem Wehr in die Oberwassersohle integriert ist. Der Abfluss wird über einen den Schacht bedeckenden Horizontalrechen

Bewegliche Wasserkraftwerke sind im Betrieb komplett von Wasser umströmt.

Foto: Bayerische Landeskraftwerke GmbH

Foto: zek

Seit dem Frühjahr 2017 ist das Dumba-Wehr im niederösterreichischen Tattendorf mit einer Restwasserschnecke samt Fischaufstiegsschnecke des Systems Rehart/Strasser ausgestattet. Durch die ummantelte Rohrschnecke gelangen die Fische sicher und komfortabel ins Oberwasser.

BEWEGLICHES KRAFTWERK Beim beweglichen Kraftwerk handelt es sich um eine schwenkbare, über- und unterströmbare Wasserkraftanlage, durch die Fischabstieg, Geschiebetransport und Hochwasser­ entlastung gleichzeitig realisiert werden sollen. Fische können sowohl über- als auch unterhalb des Kraftwerks ins Unterwasser gelangen. Das bewegliche Kraftwerk ist mit einer axial durchströmten, durch bewegliche Leit- und Laufradschaufeln doppelt regulierten Kaplan-Rohrturbine ausgestattet und ist für Standorte mit bis zu 8 m Fallhöhe geeignet. In den ersten Untersuchungen zum beweglichen Kraftwerk an der Kinzig in Offenburg und Gengenbach konnte mit Netzfängen und Sonaruntersuchungen bestätigt werden, dass Fische erfolgreich über das Kraftwerk absteigen. 94 Prozent der Smolts und 65 Prozent der Aale mit einer geschätzten Mortalität von 3 bis 6 Prozent (Smolts) bzw. 0 Prozent (Aale) über das Kraftwerk ab.

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10,8 Höhenmeter überwinden die Fische mithilfe des Fischlifts beim Kraftwerk Gmunden und können so ohne Probleme ihre Reise flussaufwärts der Traun fortsetzen.

der Turbine zugeführt und über das Saugrohr durch den Wehrkörper in das Unterwasser geleitet. Es sollen beim Schachtkraftwerk auch geringe Rechenstababstände von 15 mm ohne gravierende hydraulische Verluste umgesetzt werden können. Ein schadloser Fischabstieg soll dadurch erreicht werden, dass die Anströmgeschwindigkeiten in der Rechenebene 0,5 m/s nicht überschreiten, wodurch die Fische sich aus eigener Kraft vom Rechenbereich entfernen und über einen Kronenausschnitt im Wehr beziehungsweise einen temporär geöffneten sohlenbündigen Grund­ ablass ins Unterwasser absteigen können. FISCHSCHUTZEINRICHTUNGEN AN KONVENTIONELLEN KRAFTWERKSANLAGEN Um die flussabwärtsgerichtete Durchgängigkeit wiederherzustellen und den Fischschutz an konventionellen Wasserkraftanlagen zu verbessern, wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl baulicher Lösungen entwickelt, die dazu dienen, alte Anlagentypen nachzurüsten und die Fischverträglichkeit zu steigern. Dazu zählen unter anderem zur Sohle und seitlich geneigte Feinrechen mit Vertikal- beziehungsweise Horizontalrechen und verschiedene Bypasssysteme, wie zum Beispiel Spülklappen, Bypassrohre, technische Fischpässe und naturnahe Umgehungsgewässer. Die horizontale Stabausrichtung hat im Vergleich zur vertika-

Foto: Energie AG/Wakolbinger

Foto: Energie AG

Mittels Fischmonitoring kann detailliert nachvollzogen werden, welche und wie viele Fische den Lift nutzen. Hier zu sehen: eine 45 cm große Regenbogenforelle.

len möglicherweise eine bessere Schutzwirkung, da die meisten Fischarten einen seitlich abgeflachten Körper haben (Körperhöhe > Körperbreite). Spülklappen bzw. Spülrinnen können als Korridor ebenfalls von abstiegswilligen Fischen genutzt werden. Neben dem oberflächlichen Ablass verfügen Spülklappen oft zusätzlich über einen Grundablass. Bei diesem besteht die Möglichkeit ihn speziell für grundnah wandernde Fische während ihrer Hauptwanderungszeiten zu öffnen. Dass Fische Spülklappen und Spülrinnen grundsätzlich als Abstiegskorridor nutzen, ist insbesondere für den Aal bekannt. Neben Spülklappen können Fische vom Rechen in verschiedene andere Bypasssysteme abgeleitet werden. Dazu zählen technische Fisch­pässe, spezielle Bypassrohre oder naturnahe Umgehungsgewässer. Letztere können sowohl als Wanderkorridor als auch als Habitat für rheophile Fische fungieren Diese Habitatfunktion wurde insbesondere auch für ­frühe Lebensstadien rheophiler Fische nach­ gewiesen. Der Nachteil naturnaher Umgehungsgewässer besteht in dem relativ großen

Der erste Abschnitt der Fischwanderhilfe in Bad Goisern wurde als „Vertical-Slot-Pass“ ausgeführt.

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ÖFFENTLICH ZUGÄNGLICHE ONLINETOOLS Eines der Hauptergebnisse des Projekts „FIThydro“ ist das „FIThydro Decision Support System“, das bei der Planung und Beurteilung von Wasserkraftwerken eingesetzt werden kann. In das Onlinetool können Angaben über den Typ des Kraftwerks, seinen Standort, die Fische, die in den Gewässern leben und andere Besonderheiten eingegeben werden. Unter Berücksichtigung der umweltpolitischen Vorgaben und internationalen Richtlinien errechnet die Software mit diesen Daten den Grad der Umwelt- und Fischgefährdung und empfiehlt Verbesserungsmaßnahmen. Auch ein Wiki zu dem Projekt ist entstanden. „Es gibt in jedem Land andere Vorgaben, aber die Vernetzung ist noch nicht optimal“, sagt Rutschmann. „So ist zum Beispiel oft nicht bekannt, dass es bereits Maßnahmen gibt, die woanders erprobt wurden und als effizient gelten. Wir hoffen, durch das Wiki die Wissensvernetzung zu unterstützen.“

Foto: Energie AG

Foto: zek

Wurzelstöcke entlang der naturnah gestalteten Bachstrecke beim Kraftwerk March­ trenk bieten den wanderwilligen Lebewesen der Traun ideale Rückzugsgelegenheiten.

Flächenbedarf, der an den meisten konventionellen Wasserkraftanlagen nicht mehr zur Verfügung steht.

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DER FISHPROTECTOR ALS HYBRIDE BARRIERE ZUM FISCHSCHUTZ AN WASSERKRAFTANLAGEN

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n den Fischschutz an Wasserkraftanla­ gen werden immer größere Anforde­ rungen gestellt. Dies stellt viele Betrei­ ber vor große Herausforderungen, da die meist erforderlichen Feinrechen mit großen In­ vestitionskosten und erheblichem betriebli­ chen Aufwand verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wurde an der Universität Inns­ bruck das Konzept des FishProtectors entwi­ ckelt. Das Konzept basiert auf zwei unter­ schiedlichen Wirkungen auf Fische. Der Fish­­Protector besteht aus einer mechanischen Bar­riere (z.B. einem Einlaufrechen) und aus einem elektrischen Feld im Wasser, welches als Verhaltensbarriere auf Fische wirkt. Die Kom­ bination der beiden Barrieretypen führt nicht nur zu einer sehr hohen Fischschutzwirkung, sondern auch zu geringem betrieblichem Auf­ wand.

Der FishProtector im trockenen Kraftwerkskanal des KW Leinau/Wertach; im Bild v.l.n.r.: Erfinder Prof. Markus Aufleger (Universität Innsbruck), Projektleiter Stefan Wiesinger (Albatros Engineering GmbH), Jochen Zehender (Geschäftsführer Bayerische Landeskraftwerke) und Barbara Brinkmeier (Geschäftsführerin HyFish GmbH)

Fotos/Grafik: HyFish GmbH

Der zur Verbesserung des Fischschutzes an Wasserkraftanlagen entwickelte Fish­Protector basiert auf einer hybriden Technologie, welche die Vorteile von mechanischen und verhaltensbiologischen Barrieren vereint. Die erste Pilotanlage eines FishProtectors wurde im Herbst 2020 an der WKA Leinau/ Wertach in Bayern realisiert. Erste Betriebserfahrungen hinsichtlich der Reinigung des FishProtectors mittels eines Ablegemechanismus der Seile konnten bereits gesammelt werden und bestätigen die gute Funktionalität.

mechanische Barriere wahrgenommen und der Fisch ist wachsam. Sobald der Fisch in das elek­ trische Feld gerät, kommt es bei Überschrei­ tung der reizauslösenden Feldstärke zu einer Fluchtreaktion in Richtung Ober­­wasser, bevor sich der Fisch neuerlich annähert. Bei einem günstigen horizontalen Anström­ winkel (Schrägstellung der Rechen­ ebene gegenüber der Hauptströmungsrichtung < 45°) wird eine gezielte Leitwirkung zum Bypass hin erreicht. Der FishProtector verhindert das Passieren der Rechenebene sehr effektiv.

MÖGLICHE BAUFORMEN DES FISHPROTECTORS Die Bauformen der FishProtector-Technolo­ gie sind vielseitig. Sie eint die Tatsache, dass jeweils eine mechanische Barriere mit einer Verhaltensbarriere kombiniert wird. Die me­ chanische Barriere besteht – je nach stand­ ortspezifischen Randbedingungen – aus einem Stabrechen mit horizontalen oder vertikalen Stäben (Bar Screen FishProtector), oder aus einem Seilrechen mit fixen Seilen (Fix­ed Fish­ Protector) bzw. mit beweglichen Sei­len, wel­ che zu Reinigungszwecken an der Sohle ableg­ Projektüberblick Dotationskraftwerk Leinau/Wertach mit dem FishProtector als Fischschutz- und Fischleiteinrichtung

WIRKWEISE DES FISHPROTECTORS Die mechanische Barriere des FishProtectors besteht aus einem klassischen vertikalen (oder auch horizontalen) Einlaufrechen, oder auch aus einem neuartigen Seilrechen, der durch ho­ rizontal gespannte Seile gebildet wird. Die me­ chanische Barriere wird von den Fischen im Zuge der Annäherung wahrgenommen und dient vor allem als Orientierungshilfe bei der (seitlichen) Ableitung der Fische, welche in ei­ ner sicheren Abstiegsmöglichkeit (z.B. By­pass) münden sollte. Die Verhaltensbarriere wird durch ein elektrisches Feld im Wasser aus­ gebildet und hält Fische effektiv davon ab, den FishProtector zu durchschwimmen. Dazu wird eine gepulste Gleichspannung an elektrisch lei­ tenden Bauteilen der mechanischen Bar­riere, die als Elektroden dienen, angelegt. Nä­ hert sich ein Fisch dem System, wird zunächst die

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Der FishProtector mit 60 mm lichtem Seilabstand im noch trockenen Kraftwerkskanal.

bar ausgeführt sind (Flexible FishProtector). Bei den flexiblen Barrieren (Flexible FishPro­ tector), bei welchen in der Regel Stahlseile mit einem Durchmesser von 8 mm (spannweiten­ abhängig) verwendet werden, wird die gepuls­ te Gleichspannung direkt auf die Seile auf­ gebracht. Auch bei lichten Seilabständen zwischen 60 mm und 120 mm kann eine Fischschutzrate von 95 bis 99 Prozent erreicht werden. Die Seile werden an einer Böschung fest verankert (Festlager) und an der anderen Böschung an Hydraulikzylindern befestigt (Loslager). Durch Bewegen der Zylinder kön­ nen die Stahlseile einzeln oder paarweise auf der Sohle abgelegt und die Rechenstruktur somit aufgelöst werden. Durch erneutes, ein­ zelnes Anspannen der Seile werden auch hart­ näckige Verlegungen gelöst und das System gereinigt. Bei Hochwasserabflüssen kann der Seilrechen ebenfalls an der Sohle abgelegt wer­ den. Das weiter transportierte Geschwemmsel kann am Turbinenschutzrechen mittels der dort erforderlichen Rechenreinigungsanlage entfernt werden. Die fixen Barrieren (Fixed FishProtector) be­ stehen aus fix montierten Stahlseilen oder

Stahlrundstäben mit ca. 8 mm Durchmesser, die als mechanische Barriere und auch als Elektroden zur Induktion des elektrischen Feldes dienen. Diese werden in Rahmenkons­ truktionen (Einzelrahmen oder Rahmenkör­ be) gespannt bzw. montiert. Die Verwendung der fixen Barrieren empfiehlt sich bei Wasser­ entnahmen, wo wenig Treibgut auftritt (z.B. in einem Hochgebirgsstausee) und daher auf eine permanente Reinigungsvorrichtung ver­ zichtet werden kann. Eine weitere Anwen­ dungsmöglichkeit bietet sich im Unterwasser­ kanal von Wasserkraftanlagen, bei denen das Einschwimmen der Fische in eine Sackgasse verhindert werden soll. Die dritte Variante (Bar Screen FishProtec­ tor), basiert auf der nachträglichen Ausrüs­ tung von bestehenden Einlaufrechen mit Elektroden, welche auf der Stabvorderseite (dem Oberwasser zugewandt) angebracht werden und die Verhaltensbarriere erzeugen. Eine vorhandene Rechenreinigungsanlage kann möglicherweise durch Ausnehmungen an den entsprechenden Stellen angepasst wer­ den. Weiters besteht die Möglichkeit, die Elektroden zwischen den Rechenstäben anzu­

Die Anlage ist im Betrieb kaum sichtbar.

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bringen, oder auch in die Stabvorderseite zu versenken, wodurch eine Anpassung der Re­ chenreinigungsanlage sowie ein erhöhter Ver­ bauungsgrad gänzlich vermieden werden kann. Anzahl und Abstand der Elektroden werden an die standortspezifischen Gegebenheiten, Rechendimensionen und Zielfischarten ange­ passt. Die Ausdehnung und Intensität des elektrischen Feldes hängen von den Elektro­ denabständen, deren Polarisation (Kathoden und Anoden) sowie von der verwendeten Spannung ab. Die verwendeten Spannungen liegen im Bereich von 30 bis 80 Volt. ERSTE PILOTANLAGE IN BAYERN Die erste Pilotanlage eines flexiblen FishPro­ tectors konnte an der Wasserkraftanlage Leinau an der Wertach in Kaufbeuren (Bay­ ern) realisiert werden. Die Vereinigten Wertach-Elektrizitätswerke GmbH (VWEW) wagten den Sprung ins kalte Wasser und folg­ ten dem Rat ihres Planers (Ingenieurbüro Dr. Koch, Kempten), den FishProtector als Fisch­ schutz- und Fischleiteinrichtung bei dem Neubau des Dotationskraftwerkes vorzuse­ hen. Der Arbeitsbereich Wasserbau der Uni­ versität Innsbruck als Entwickler des FishPro­ tectors konnte das Interesse der Bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung, vertreten durch die Bayerische Landeskraftwerke GmbH, ge­ winnen. Im Zuge einer Forschungskooperati­ on soll durch den Ausbau der Pilotanlage zu einer Demonstrationsanlage ein Beitrag zur Verbesserung des Fischschutzes in Bayern ge­ leistet werden. Im Zuge dieser Zusammenar­ beit werden begleitenden Betriebsversuche und biologischen Erfolgskontrollen durchge­ führt. Das Dotationskraftwerk befindet sich am Be­ ginn des bestehenden Triebwasserkanals der WKA Leinau und nutzt die erforderliche Restwasserabgabe mit einer Wasserkraftschne­

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Selbst starke Verlegungen des FishProtectors mit Laub, Ästen und sogar ein 10 m langer Baum konnten mit dem Reinigungsmechanismus entfernt werden.

Das Spannen und Ablegen der Seile erfolgt wahlweise auf Knopfdruck oder automatisch.

cke, welche auch dem Fischabstieg dient. Da­ mit Fische diese Abstiegsmöglichkeit finden und nicht in den Triebwasserkanal einschwim­ men, überspannt der FishProtector den Trieb­ wasserkanal auf einer Länge von etwa 20 m und leitet so Fische direkt zur Wasser­ kraftschnecke. Die verwendeten 8 mm star­ ken Stahlseile sind dabei mit einem lichten Abstand von 60 mm angeordnet. Die 40 Seile bilden eine ca. 2,5 m hohe mechanische Bar­ riere, die Fische sicher zum seitlich gelegenen Abstieg führt. Am rechten Ufer befindet sich in der Böschung das Festlager, während am linken Ufer die Seile im Betriebsgebäude des FishProtectors zuerst durch eine Böschungs­ platte geführt, dann umgelenkt und nach oben geführt werden, wo sie an Hydraulikzy­ lindern beweglich gelagert sind. Jeweils zwei Seile sind an einem Zylinder befestigt. Der max. Zylinderhub von 0,80 m erlaubt wegen der Einscherung der Seile eine maximale Ab­ legelänge pro Seil von 1,60 m. Aufgrund der flachen Ausführung der Uferböschungen können die abgelegten Seile trotz der kurzen Ablegelänge den Fließquerschnitt komplett freigeben. Die Verhaltensbarriere am Pilotstandort wird durch das Anlegen elektrischer Impulse direkt an den Seilen erreicht. Die Seile sind entweder als Anode oder Kathode geschalten und mit dem Impulsgeber verbunden, der sich im Be­ triebsgebäude befindet. Serien von Impulsen im Millisekundenbereich werden in die Seile geschickt und bewirken eine Scheuchreaktion bei den Fischen im Nahbereich der Barriere.

Technische Daten • Höhe Seilrechen: 2,55 m • Spannweite: 20 m • Seildurchmesser: 8 mm • Lichter Seilabstand: 60 mm • Anzahl der Seile: 40 Stk.

ERFAHRUNGEN AUS BETRIEB UND REINIGUNG Die Installation der FishProtector-Komponen­ ten wurden vom Technologiepartner der Uni­ versität Innsbruck, der Firma Albatros En­ gineering GmbH aus Oberösterreich, im Oktober 2020 im trockengelegten Triebwas­ serkanal vorgenommen. In nur dreitägiger Montage gelang es, die Seile inklusive der Be­ festigungen und das Hydrauliksystem passge­ nau zu platzieren. Ende Oktober konnten erste Erfahrungen hin­ sichtlich der Verlegung und notwendigen Rei­ nigung gesammelt werden. In weitreichenden Tests wurde nicht nur das natürlich vorkom­ mende Laub, sondern auch anderes Treibgut verwendet, um die Funktionalität des Ablege­ vorgangs hinsichtlich der Reinigungsleistung zu untersuchen. Die Theorie des Reinigungs­ vorganges konnte so in der Praxis eindrucks­ voll bewiesen werden. Durch das sukzessive Bewegen der Zylinder bzw. Entspannen der Seile konnten alle angefallenen Verlegungen in der Rechenebene mobilisiert werden. Die Be­ obachtungen zeigten, dass aufgrund des gro­ ßen lichten Seilabstandes Verlegungen erst bei einem massiven Treibguteintrag auftreten, v.a. wenn es sich um kleinförmiges Material wie Herbstlaub handelt. Bleiben kleine und große Äste im FishProtector hängen, können auch diese durch den Reinigungsmechanismus ge­ löst werden und schwimmen im Triebwasser­ kanal weiter, bis sie am Turbinenschutzrechen der WKA Leinau landen. Sogar ein 10 m lan­ ger Baum mit vielen Ästen, der zu Testzwecken in den Kanal eingebracht wurde und sich im FishProtector verhakte, bewegte sich nach Ab­ legen des FishProtectors friedlich weiter. Die endgültige Inbetriebnahme der Gesamtan­ lage (Wasserkraftschnecke und FishProtector) erfolgte Ende Januar 2021. Für die ersten Be­ triebsmonate sind weitere Betriebstests und die Optimierung der Ablegereihenfolge der Seil­ paare geplant. Im Sommer 2021 wird eine um­ fassende biologische Erfolgskontrolle stattfin­ den. Die Anlage steht im Sinne einer Demonstrationsanlage dem interessierten Pub­ likum in der nächsten Zeit zur Besichtigung zur Verfügung.

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WEITERE ANLAGEN Die FishProtector Technologie ist an vielen Standorten und Einsatzgebieten gefragt. Noch in diesem Jahr wird im Südtiroler Ultental ein FishProtector mit festen Seilen installiert werden, der die Fische in einem hochalpinen Speicher von dem Einschwim­ men in die Wasserfassung abhält. Weitere Projekte an Laufwasserkraftwerken und an Wasserentnahmen sind in Ausarbeitung, so­ dass die FishProtector Technologie in Zu­ kunft einen wichtigen Beitrag zum Fisch­ schutz in unseren Gewässern leisten wird. Zu Beginn des Jahres 2021 wurde in Inns­ bruck das universitäre Start-up-Unternehmen HyFish GmbH gegründet. Diese innovative Firma beschäftigt sich in enger Kooperation mit ihren Technologiepartnern mit der Pla­ nung, Lieferung und Installation von Fish­ Protector Anlagen.

Fischschutz an Wasserkraftanlagen robust | effektiv | kostengünstig Nachrüstung | Neubau

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Schwerpunkt

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n enger, mehrjähriger Kooperation mit der TU Graz wurde der modifizierte, sohloffene Denil-Fischpass entwickelt, welcher sich vom Standard-Denilpass durch das Einbringen einer Substratgabione, sowie der neuartigen Lamellengeometrie unterscheidet. Mehrere Versuchsanordnungen im Wasserbaulabor konnten die damit einhergehende Verbesserung der Strömungseigenschaften gut belegen. Mit diesem, in mehreren Ländern patentierten System, konnte erstmals der Aufstieg eines breiten Arten- und Altersspektrums in einem Denil-Fischpass belegt werden. Mit der Errichtung der Pilotanlage an der Raab (in der Oststeiermark), einem Standort in der Barbenregion, war es möglich das System bei einer Neigung von 20 Prozent zu testen und die biotische Funktionsfähigkeit des Fischpasses zu belegen. Als weitere

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eco²-Denilpass am Pischingbach mit 30 Prozent Neigung

Pilotanlage wurde in der oberen Forellenregion ein modifizierter Denil-Fischpass parallel zu einem Beckenpass errichtet und beide FAHs einem vergleichenden Monitoring unterzogen. Im Zuge des Monitorings konnten keinerlei Defizite des Denilpasses gegenüber dem konventionellen System abgeleitet werden. Auch gelang dabei erstmals der Nachweis der Passage von Koppen in einem Denil-Fischpass. An einem Standort in der Barbenregion, in Deutsch Schützen an der Pinka, im Grenzgebiet von Österreich und Ungarn wurde ein modifizierter Denilpass hydraulisch und biotisch untersucht. Besonders beeindruckend waren dabei die protokollieren Fischgrößen, welche zu rd. 2/3 von Individuen mit Köperlängen < 15 cm und immerhin zu rd. 1/3 mit Körperlängen < 10 cm repräsentiert wurden. Bei einem Gesamtaufstieg von 9.295 Fischen in 57 Beobachtungstagen belegt dieses Ergebnis eindeutig

die hohe Funktionalität des modifizierten Denil-Fischpasses auch für kleine und schwimmschwache Arten und Altersstadien. Die guten biologischen Ergebnisse und weiterführende Untersuchungen im Wasserbaulabor ermöglichten 2019 die Errichtung e­ iner Pilotanlage mit 30 Prozent Systemneigung. Diese an einem Wasserkraftwerk am Gebirgszubringer Pischingbach, im Einzugsgebiet der Liesing (Obersteiermark), errichtete Anlage wurde 2020 einem biotischen Monitoring unterzogen. Dabei konnte mittels eines, mit Markierungsversuch kombiniertem Reusenmonitorings, der Aufstieg von 79 Prozent der im Oberwasser gefangenen und im Unterwasser eingesetzten Bachforellen in nur 3 Tagen belegt werden. Beachtlich bei dieser Anlage ist neben der hohen Systemneigung auch die geringe Dotation von nur 30 l/s. Bislang wurde der eco²-Denilpass an 6 Standorten in 4 unterschiedlichen Systemgrößen,

eco²-Denilpass am Aschbach mit Elementlängen von 6 m und 10 m

Foto: Georg Seidl

Gegenstrom- oder Denil-Fischpässe waren aufgrund ihrer kompakten Bauweise und des hohen Gefälles (10 bis >25 Prozent), seit jeher die kostengünstigste Va­­riante von Fischaufstiegshilfen. Neben den deutlich reduzierten Er­ richtungs­ kosten und dem geringen Platz­bedarf, punkten Denil-Fischpässe auf­­­­grund der Fertigteilbauweise auch durch eine maßgeblich verringerte Bauzeit. So lässt sich der Einbau der Fertigteile schnell und problemlos auch bei bestehenden Anlagen bewerkstelligen. Wenngleich Denil-Fischpässe aufgrund ihrer Selektivität in Verruf gerieten, ist festzuhalten, dass die Funktionalität für adulte Individuen schwimmstarker Arten gut belegt ist. So werden diese Bautypen in Ländern wie z.B. den USA nach wie vor errichtet um die Laichwanderung von Wirtschaftsfischarten wie etwa Lachsen oder Heringen zu ermöglichen. Auch im deutschsprachigen Raum wurden Denil-Fischpässe bis in die 1990er umgesetzt, allerdings musste festgestellt werden, dass dieser Bautyp für Klein- und Jungfische nur sehr einge­schränkt funktionierte. Die Passage von Kleinfischarten mit Sohlbezug (z.B. Koppe, Gründling, Schmerle…) wurde bei Denil-Fischpässen nicht belegt und daher die Bautype in aktuellen Leitfäden und Regelblättern nicht mehr empfohlen.

Foto: IB Schmid

DER MODIFIZIERTE ECO²-DENILPASS: DIE ERFOLGREICHE WEITERENTWICKLUNG EINER FAST VERGESSENEN TECHNOLOGIE

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Schwerpunkt

Substratgabione und neuartige Lamellengeometrie des eco²-Denilpasses

Foto: Georg Seidl

mit Gerinnebreiten von 0,25 bis 0,78 m, und Elementlängen zwischen 2,6 und 10,4 m errichtet. Aktuelle Untersuchungen in Feld und Wasserbaulabor widmen sich Anlagen mit größeren Systemneigungen. So werden v.a. für die Forellenregion aktuell Projekte mit Systemneigungen von 30 Prozent umgesetzt und eingehend untersucht. Bei der Entwicklung des Fischpasses wurde gezielt darauf geachtet, neben der einfachen und schnellen Errichtung auch einen komfortablen und effizienten Betrieb der Anlage sicher zu stellen. Erfahrungsgemäß können bei herkömmlichen Bautypen Wartungsarbeiten, wie etwa nach Hochwässern, unter Umständen einen erheblichen Instandhaltungsaufwand mit sich bringen. Durch die starre Anordnung der breiten Beckenübergänge von konventionellen Fischpasstypen wie Schlitz- und Beckenpass ist es unmöglich diese Systeme nach dem Eintrag von Feinsediment effektiv zu spülen. Der eco²-Denilpass ist mit leicht ziehbaren Lamellen, welche sich in kürzester Zeit entfernen lassen, ausgestattet. Nach dem Ziehen der Lamellen wird die Dotationsblende entfernt und ein Vielfaches der Standard-Dotation zum Spülzweck in den Fischpass geleitet. Durch den Spülstoß lassen sich nicht nur der Denilpass an sich, sondern auch etwaige zwischengelagerte Ruhebecken, effektiv spülen. Dieser einfache Wartungsvorgang unterstützt nicht nur den Betreiber in seiner Wartungsverpflichtung, sondern ermöglicht v.a. für die Fischfauna eine problemlose Passage in einem stets funktionalen Fischpass. Die Fischpässe werden in Stahlbauweise (Edel- und Schwarzstahl) hergestellt und bereits mit Sohlsubstrat befüllt eingebaut. Mitgelieferte Dotationsblenden ermöglichen eine schnelle Drosselung der Wassermenge für Sichtungs- und Wartungszwecke. Durch die langjährige Entwicklung mit mehreren Modellversuchen und der Errichtung von Pilotanlagen im Feld ist es letztendlich gelungen, die wirtschaftlichen Anforderungen (geringe Kosten, schneller Einbau, äußerst geringer Platzbedarf ) mit einer hohen Funktionalität für ein breites Alters- und Artenspektrum zu kombinieren. Somit wird auch

an topographisch und/ oder wirtschaftlich schwierigen Standorten der Fischauf- und Fischabstieg bei geringen finanziellen Mitteleinsatz ermöglicht.* *Fachbeitrag von DDI Georg Seidl/flusslauf.at

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Fotos und Grafiken: DIVE

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Laufrad einer fischverträglichen DIVE-Turbine mit drei Schaufeln: Zwischen Nabe und Schaufeln ist kein Spalt, der Spalt zum Turbinenkessel ist minimal, so dass kein Einklemmrisiko für Fische besteht.

ÖKOLOGISCHE AUFWERTUNG BESTEHENDER ANLAGEN – EIN WIRTSCHAFTLICHES UND ÖKOLOGISCHES GESAMTKONZEPT Die Auflagen der Wasserrahmenrichtlinie erfordern in der Zukunft eine Nachrüstung von Bestandsanlagen, spätestens wenn diese aufgrund von veralteter Technik modernisiert werden müssen. Die DIVE Turbinen GmbH & Co. KG hat über 20 Jahre Erfahrung mit der Modernisierung von Wasserkraftanlagen. Dank ihrer kompakten, überspülten Turbine-Generator-Einheit ist sie für den Einbau in bestehende Bauwerksstrukturen besonders geeignet. Mit hohen Wirkungsgraden und einem nachweislich fischverträglichen Betrieb ist sie eine wirtschaftliche und nachhaltige Lösung für Modernisierungen ab 50 kW.

D

ie DIVE-Turbine ist eine vertikale Turbine mit festen Laufradschaufeln. Der Leitapparat ist verstellbar. Der Permanentmagnetgenerator der DIVE-Turbine befindet sich direkt über dem Laufrad und wird im Betrieb komplett überspült. Zur Wirkungsgradoptimierung wird die Drehzahl der DIVE-Turbine an den Durchfluss angepasst. Je höher der Durchfluss, desto höher die Drehzahl. Die Drehzahlvariation wird über Umrichter realisiert. Aus der Turbinenkammer ragt lediglich die Verbindungsleitung der Turbine zu den Umrichtern. Die Umrichter werden unabhängig vom Einbauort der Turbine hochwasserfest platziert. Zwei Vorzüge bringt das Design der DIVE-Turbine hier mit sich: Durch die auf ein Minimum redu-

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zierte mechanische Einheit aus Turbine und Generator treten nur minimaler Lärm und Schwingungen auf. Insbesondere in alten und denkmalgeschützten Gebäuden lässt sich mit der DIVE-Turbine eine gebäudeschonende Technologie installieren. Der zweite Vorzug ist die mechanisch entkoppelte Regelung, durch die die Turbine-Generator-Einheit und die Regelungstechnik unabhängig voneinander eingebaut werden können. Die Turbine-Generator-Einheit ist bereits ab Werk vormontiert und betriebsfertig, sodass die Bauwerkstoleranzen vor Ort im Zentimeter-Bereich liegen. Die Elektrotechnik wird hochwassersicher installiert. Durch den Ausbau der alten Turbinentechnik mit Generator und Getriebe steht erfahrungsgemäß bei ei-

Generator

Leitapparat (verstellbar)

Laufrad mit festen Schaufeln

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Schwerpunkt

Schaltschränke mit Umrichtern und Kraftwerkssteuerung

Das Funktionsprinzip der Drehzahlvariation: Bei einer Kaplanturbine bleibt die Drehzahl konstant, während sich die Schaufeln bei abnehmender Wassermenge schließen. Bei einer DIVE-Turbine mit festen Schaufeln nimmt die Drehzahl in Teillast ab. Die Schaufeln bleiben geöffnet. Dadurch lassen sich Jahreserträge vergleichbar oder sogar leicht höher als mit einer Kaplanturbine erzielen.

DIVE-Turbine mit Generator

Feinrechen mit Fischabstieg

ner Modernisierung ausreichend Raum zur Verfügung. Darüber hinaus eignet sich die kompakte Einheit für den Ersatz von Zwillingsturbinen (Camelback) bei beengten Platzverhältnissen. ÖKOLOGISCHE AUFWERTUNG Die ökologische Aufwertung einer Wasserkraftanlage bezieht sich auf drei Säulen: Die erste Säule ist die Flora und Fauna des Flusses, die es zu erhalten oder sogar zu verbessern gilt. Die zweite Säule ist der Mensch, dessen Umgebung durch die Umrüstung einer Wasserkraftanlage verbessert werden soll, zum Beispiel durch Lärmreduktion und geringe optische Veränderungen. Die dritte Säule ist die Wirtschaftlichkeit. Nur wenn sich eine Wasserkraftanlage wirtschaftlich betreiben lässt, ist gewährleistet, dass die dafür a­ ufgewendeten Ressourcen sachgerecht eingesetzt werden und der Bedarf für Neubauten so gering wie möglich ist. Für die erste Säule, und hier insbesondere die Fischverträglichkeit, bietet die DIVE Turbinen GmbH & Co. KG eine umfassende Beratung zur Gestaltung des Fischabstiegs an. Hier wird immer die Kombination aus Feinrechen und fischverträglicher Turbine in Betracht gezogen. Eigenschaft

Vorteile für den Fisch

1. Maximale Schaufelöffnung

Geringes Kollisionsrisiko

in allen Betriebspunkten 2. Kein Spalt zwischen Laufrad- schaufel und Nabe 3. Spalt zwischen Schaufel und Mantel < 2mm 4. Lange Flügelgeometrie

5. Anzahl der Laufradschaufeln auf 3 reduzierbar 6. Niedrige Drehzahlen v.a. in Teillast 7. Komplett ölfreie Turbine

Kein Einklemmrisiko

Durch eine optimale Auslegung und Anströmung des Rechens und der Abstiegsöffnungen soll gewährleistet werden, dass die Mehrzahl der Fische an der Turbinenkammer vorbei ins Unterwasser migrieren kann. Für die Fische, die aufgrund ihrer Körpergröße und ihres Schwimmverhaltens dennoch in die Turbinenkammer gelangen, ist die DIVE-Turbine eine äußerst fischverträgliche Turbine. Dies liegt zum einen an der spaltfreien Ausführung, die aus der Konstruktion mit festen Schaufeln resultiert. Dadurch gibt es kein Einklemmrisiko wie bei verstellbaren Schaufeln. Weiterhin bietet insbesondere der drehzahlvariable Betrieb den größten Vorteil im Vergleich zu Kaplanturbinen: während sich bei Kaplanturbinen im Teillastbereich die Schaufeln schließen und die Drehzahl maximal bleibt, bleiben die Schaufeln bei der DIVE-Turbine in allen Lastpunkten geöffnet. Dabei wird die Drehzahl verringert und das Kollisionsrisiko sinkt deutlich ab. Der fischverträgliche Betrieb kann aus allen Lastfällen heraus angefahren werden, während bei einer Kaplanturbine der Punkt der geringsten Mortalität der Volllastbetrieb ist. Die weiteren positiven Effekte, die sich aus der Kombination der festen Schaufeln mit der Drehzahlvariation ergeben, lassen sich aus der Tabelle (unten links) entnehmen. Die DIVE Turbinen GmbH & Co. KG steht bei der Gestaltung und Umsetzung fischverträglicher Kraftwerke mit einem Netzwerk aus Bio­ logen und Wissenschaftlern beratend zur Seite und unterstützt im Genehmigungsverfahren. Fischverträgliche Feinrechen mit Abstiegs­ öffnungen und Rechenreiniger werden ebenfalls im Werk der DIVE Turbinen GmbH & Co. KG entwickelt und gefertigt. So ergeben sich schlüsselfertige Lösungen aus einer Hand.

KRAFTWERKSTEUERUNG Die Kraftwerksteuerung der DIVE-Turbine wird remote oder direkt vor Ort bedient. Der drehzahlvariable Betrieb läuft vollautomatisch Langsamere Druckänderung insb. ab. Fischverträgliche Betriebsmodi, d.h. reduzierte Drehzahl bei Wanin Kombination mit Drehzahlregelung derereignissen etc. können mit eingebaut und bei Bedarf aktiviert Geringes Kollisionsrisiko werden. Die Steuerung ist im Lieferumfang der DIVE-Turbine enthalten und kann nach Kundenwunsch gestaltet und programmiert Geringe Kollisionsgeschwindigkeit werden. Darüber hinaus ist es neben dem drehzahl­variablen Betrieb Regelbarkeit in Zeiten erhöhten möglich, auch Turbinen mit fester Drehzahl ­direkt am Netz zu realiWanderaufkommens sieren. Bei Dotierturbinen und ökologischem Abfluss ist diese VarianSanftes Anfahren „SoftStart“ te der DIVE-­Turbine gefragt. Durch Verzicht auf die Umrichter reduKein Risiko von Schmierstoffverlust zieren sich die Investitionskosten. Mehrere drehzahlfeste DIVETurbinen sind weltweit bereits am Netz. Kein Einklemmrisiko

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Schwerpunkt

Fischverträglicher Betrieb nur in Volllast möglich

„Soft Start“: langsames / Anfahren

Jederzeit Teillast / fischverträglicher Betrieb möglich

WIRTSCHAFTLICHKEIT Die Wirtschaftlichkeit ist auch bei der ökologischen Aufwertung ein wichtiger Faktor. Sie entscheidet letztlich über die Anzahl der zu errichtenden Neubauten und damit über den Einsatz der vorhandenen materiellen Ressourcen. Nur Kraftwerke mit hohem Wirkungsgrad tragen einen sinnvollen Teil zur Energieversorgung der Zukunft bei. Durch die Drehzahlvariation und die festen Schaufeln erreicht die DIVE-Turbine Spitzenwirkungsgrade, die über allen anderen Turbinen liegen. In Teillast kann sie auch bei Betriebspunkten noch am Netz bleiben, die von Kaplanturbinen aufgrund der festen Drehzahl nicht mehr angefahren werden können. Dadurch erreicht sie vor allem im Niedergefälle die gleichen oder höhere Jahresarbeiten wie eine Kaplanturbine. Werden Kaplanturbinen mit drei Laufschaufeln ausgeführt, sind die Wirkungsgrade der DIVE-­Turbine deutlich höher, da hier eine volle Überdeckung der Schaufeln

gewährleistet ist. Bei drei Schaufeln können die verstellbaren Schaufeln der Kaplanturbine die Nabe nicht umschlingen und erreichen somit keine Überdeckung mehr. Die Steigerung der Fischverträglichkeit ist bei Kaplanturbinen daher immer ein Kompromiss zwischen Tierschutz und Leistung. Die drehzahlvariable DIVE-­Turbine hingegen bietet eine Lösung, die den Anforderungen an Wirkungsgrad und Ökologie gleichermaßen gerecht wird. Die ölfreien Laufschaufeln und das patentierte Dichtsystem der DIVE-­Turbine machen sich auch in den Betriebskosten bemerkbar: lediglich eine Inspektion pro Jahr ist notwendig. Hierfür ist mit einem Zeitaufwand von wenigen Stunden zu rechnen. ANWENDUNGEN Die DIVE Turbinen GmbH & Co. KG hat mit ihrer Mutterfirma Fella Maschinenbau über 20 Jahre Erfahrung in der Modernisierung von Wasserkraftwerken. Dank der eige-

Einbau einer DIVE-Turbine als vormontierte Einheit: Die Bauwerkstoleranzen können im Zentimeterbereich sein. Im Bild der Einbau einer DIVE-Turbine als Ersatz für Camelback-Turbinen in Frankreich.

nen Fertigung und dem gewonnenen Knowhow verfügt die DIVE-Turbine über sehr einfache Schnittstellen, die eine Integration in bestehende Strukturen ermöglichen. Die Saug­rohre können dabei erhalten oder ausgetauscht werden. Wenn das Saugrohr erhalten bleibt, wird lediglich ein Ring als Schnittstelle zur Turbine aufgesetzt. Durch Strömungssimulation kann die Leistung am Saugrohr bei einer Modernisierung noch verbessert werden. Auch für Neubauten ist die DIVE-Turbine geeignet. Die geringen Anforderungen an das Bauwerk, insbesondere den Hochwasserschutz, bieten hier in Bezug auf das Bauwerk eine günstige Alternative. Über 45 DIVE-Turbinen sind weltweit bereits am Netz.

Kraftwerk Mancioux vor und nach der Modernisierung mit drei DIVE-Turbinen á 580 kW. Die Turbinen­ kammern sind verschlossen, der Generatorraum ist frei. Auch die Geräuschkulisse innerhalb und außerhalb des Kraftwerks hat sich durch den Umbau stark verändert: Das Kraftwerk ist leise geworden.

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