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Gaskrise trifft Industrie
from medianet 08.04.2022
by medianet
Möglicher Importstopp von Erdgas gefährdet systemrelevante Prozesse und Produktion von chemischer Industrie und Wäschereien.
••• Von Katrin Grabner
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WIEN/KIEW/BRÜSSEL. Sowohl die chemische Industrie als auch die österreichischen Wäschereibetriebe warnen vor Versorgungsproblemen durch die Gaskrise. Sollte es aufgrund des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine zu einem Importstopp von Erdgas aus Russland kommen, wäre die Bereitstellung lebenswichtiger Waren wie Medikamenten oder Düngemittel laut chemischer Industrie nicht garantiert. Auch für die heimischen Krankenhäuser kann eine Gaskrise massive Auswirkungen haben – von der Pflege bis hin zu Operationen. Denn die österreichischen Wäschereiunternehmen warnen: Derzeit fehlt es an einer technologischen Alternative für die durch Erdgas betriebene Dampferzeugung, die für die Textilreinigung für systemrelevante Sektoren wie Gesundheitswesen, Rettung sowie Pharma- und Lebensmittelindustrie und Bundesheer benötigt wird.
Sorge vor Produktionsstopps
Ein kompletter Stopp der Gasversorgung hätte laut Hubert Culik, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), „katastrophale Auswirkungen“. Wo Gas als Rohstoff verwendet wird, könnte es zu Produktionsstillständen kommen. Das würde nicht nur die chemische Industrie, sondern ebenso die teils von ihr abhängigen Branchen wie Automobil-, Bau- und Pharmaindustrie sowie die Landwirtschaft betreffen. In weiterer Folge werden durch die geopolitische Lage und die damit verbundenen wirtschaftlichen Entwicklungen Zigtausende Arbeitsplätze gefährdet.
Die erhöhten Gaspreise der vergangenen Monate sorgten bereits für Lieferkettenproble-
© APA/Harald Schneider
Ukrainekrieg
Die Industrie warnt vor „katastrophalen Auswirkungen“ eines kompletten Stopps von Gaslieferungen.
Wäschereien
Stark abhängig von Gas sind auch Wäschereien, die etwa Krankenhäuser, Pharmabranche und Pflegeeinrichtungen beliefern.
me, Engpässe sowie hohe Preise in der Logistik – sowohl bei der chemischen Industrie als auch bei den österreichischen Wäschereibetrieben. Betroffen waren unter anderem die Lieferung wichtiger Grundstoffe und Vorprodukte für die Herstellung von Medikamenten, aber auch die Reinigung von Kleidung und Bettwäsche.
Problem bei OP-Textilien
„Österreichische Wäschereibetriebe haben derzeit keine technologische Alternative für die Dampferzeugung, für den Betrieb ihrer Dampfkessel sind sie von Erdgas abhängig“, sagt Thomas Krautschneider, Vorsitzender der industriellen Wäschereien und Geschäftsführender Gesellschafter von Salesianer Miettex. Die Belieferung der systemerhaltenden Wäschereien mit Erdgas müsse sichergestellt sein, damit die Versorgung der kritischen Infrastruktur aufrechterhalten werden kann. Wäschereien liefern etwa laufend OP-Textilien für Krankenhäuser. „Kurzfristig müssen wir die Gasspeicher in Österreich und Europa so schnell wie möglich füllen. Die notwendigen Schritte für die Diversifizierung und Sicherstellung der Transportlogistik müssen so rasch wie möglich gesetzt werden“, fordert Culik.
Umsatzrückgänge
Laut einer Umfrage des FCIO rechnet ein Großteil seiner Mitglieder ab dem zweiten Halbjahr mit einem Rückgang bei Aufträgen und Umsätzen. „In einigen Unternehmen der chemischen Industrie stellt sich bereits die Frage, ob überhaupt noch kostendeckend produziert werden kann“, warnt Culik. Das läge vor allem an den erhöhten Beschaffungs- und Herstellungskosten, die nur zu einem Teil an die Kunden weitergegeben werden könnten. Als mögliche Lösung sieht Culik die bereits von ihm geforderte Strompreiskompensation oder Einführung des Dekarbonisierungsfonds und eine Verschiebung der CO2-Bepreisung. Mittel- und langfristig geht es um die Entwicklung von neuen Technologien zur Reduktion von Energieimportabhängigkeiten. Von Materialien für erneuerbare Energien und dem Einsatz erneuerbaren Wasserstoffs bis hin zu Kreislaufwirtschaft arbeite die Branche an Lösungen.
© PantherMedia/Monkeybusiness Images


Boehringer Ingelheim präsentierte am Dienstag das Jahresergebnis für 2021 und einen Ausblick für 2022.
Forschung im Fokus
Pharmakonzern Boehringer Ingelheim erwartet leichten Gewinnrückgang aufgrund hoher Forschungsausgaben.
••• Von Katrin Grabner
WIEN/INGELHEIM. Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim will seine Forschungsausgaben auf ein neues Rekordniveau steigern und auch Investitionen erhöhen. Insgesamt sollen in den nächsten fünf Jahren weit über 7 Mrd. € in die Produktion investiert werden, in die Forschungspipeline sollen im gleichen Zeitraum mehr als 25 Mrd. € fließen. Für die geplante neue Anlage in Bruck an der Leitha werden 1,2 Mrd. € investiert (siehe unten).
Sorge wegen Corona und Krieg
Aufgrund der verstärkten Investitionen in Forschung und Entwicklung rechnet Boehringer für 2022 mit einem leicht geringeren Betriebsergebnis. Die Erlöse des Konzerns dürften, bereinigt um Währungs- und Sondereffekte, leicht zulegen. Für Unsicherheit sorgen die anhaltende Coronapandemie, die Unterbrechungen der weltweiten Lieferketten, die geopolitischen Spannungen in Europa und ein schwieriger werdendes Industrieumfeld.
Im vergangenen Jahr kletterte der Umsatz des Familienunternehmens um mehr als fünf Prozent auf 20,4 Mrd. €. 2021 gab Boehringer mit 4,1 Mrd. € – im Vorjahr waren es 3,7 Mrd. € – so viel Geld wie noch nie für Forschung und Entwicklung in seiner 137-jährigen Firmengeschichte aus. Dabei kamen Boehringer Ingelheim deutliche Zuwächse bei seinem Diabetesmittel Jardiance und dem Lungenmedikament Ofev zugute. Aber auch die Umsätze mit Tierarzneien zogen deutlich an – vor allem im Haustierbereich –, während das Nutztiergeschäft wegen der Afrikanischen Schweinepest nur mäßig wuchs. Dank starker Nachfrage baute Boehringer Ingelheim auch den Umsatz im biopharmazeutischen Auftragskundengeschäft kräftig aus. Unter dem Strich verdiente der Konzern im vergangenen Jahr 3,4 Mrd. €, ein Plus von gut elf Prozent.
Starkes Plus in Wien
In der von Wien aus gesteuerten RCV-Region (Regional Center Vienna) hat der Konzern ein deutliches Wachstum sowohl im Bereich Humanpharma als auch in der Tiergesundheit erzielt. Die Gesamterlöse stiegen um 6,0% auf 1,15 Mrd. €. Ende Dezember hatte das Unternehmen in der Region insgesamt 5.019 Beschäftigte, 3.088 davon in Österreich.
„Green Factory“ in Bruck an der Leitha
Boehringer Ingelheim konkretisiert Pläne für Mega-Investition in Niederösterreich.
WIEN/INGELHEIM/BRUCK. Die vom deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim geplante Produktionsanlage in Bruck an der Leitha soll klimaneutral werden. Für den Bau der biopharmazeutischen Anlage im Wirtschaftspark „ecoplus“ an der Ostautobahn A4 investiert der Konzern wie berichtet 1,2 Mrd. €. Dank nahegelegener Windräder, Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern und Energie aus einer Hackschnitzelanlage am Gelände soll der CO2-Ausstoß so gering wie möglich gehalten werden.
Ziel ist CO2-Neutralität
Laut Torsten Mau, Manager der Biotech-Anlagen, sei das langfristige Ziel, gänzlich CO2neutral zu produzieren. Details soll eine Machbarkeitsstudie zeigen. Der Baubeginn ist für 2023 geplant, die Arbeitsstätte mit 800 Arbeitsplätzen soll 2026 in Betrieb gehen. Am „BioNex“ genannten Standort sollen Medikamente gegen Krebs, Herzinfarkte und Schlaganfälle hergestellt werden. Erst im Vorjahr hatte Boehringer Ingelheim einen 500 Mio. € teuren Ausbau des Standorts in Wien in Betrieb genommen. (kagr)
© Boehringer Ingelheim