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Die Impfstoff-Falle Streit um Impfstoffe belastet die Pharma-Industrie

Kritik

Die EU wirft der Pharmaindustrie vor, schuld an Engpässen zu sein. Die Industrie kritisiert zu späte Bestellungen.

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Impfstoffe werden Last für Industrie

Wegen des EU-Streits über Liefermengen bei Impfstoffen drohen nun Exportbeschränkungen und Patentlockerungen.

••• Von Katrin Pfanner

WIEN. Der Streit zwischen der EU und Herstellern von Impfstoffen könnte aufgrund von geringeren Liefermengen nun zum Problem für die Pharmabranche werden. EU-Ratspräsident Charles Michel hat die Aktivierung von EU-Notfallmaßnahmen in den Raum gestellt, um eine Produktion und Versorgung von Impfstoffen in der EU angesichts der zahlreichen Schwierigkeiten mit den Pharmaunternehmen sicherzustellen; Michel brachte den Artikel 122 im Vertrag über die Arbeitsweise der EU ins Spiel.

Exportkontrollen

Dieser Artikel erlaubt der EU Sondermaßnahmen und „angemessene Maßnahmen“, insbesondere „falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten“. Der deutsche GrünEuropaabgeordnete Sven Giegold erklärte das via Twitter so: „Wenn ein Impftstoff-Hersteller selbst die Ausweitung der Produktion nicht leisten kann, sollten wir das Patent freigeben und die Kräfte des Marktes voll auszunutzen. Das geht über Artikel 122 des EU-Vertrags“, schreibt Giegold. Auch Michel sehe dies so, fügte der EU-Abgeordnete hinzu. Aus dem Bundeskanzleramt in Wien hieß es dazu: „Wir unterstützen alle Bemühungen, die zu mehr Verfügbarkeit von Impfstoffen in Europa führen, und daher ist auch dieser Vorschlag zu prüfen.“

Fix sind nun Einschränkungen bei Exporten. Der Verkauf von in der EU produzierten CoronaImpfstoffen in Nicht-EU-Länder wird seit Samstag streng überwacht. Pharmakonzerne, die auch mit der EU Lieferverträge geschlossen haben, müssen nach einer am Freitag der Vorwoche vorgestellten Verordnung künftig Ausfuhrgenehmigungen beantragen. Wenn Hersteller die EU bei Liefermengen unrechtmäßig benachteiligen, könnten die Genehmigungen dann verweigert werden. „Damit entsteht Transparenz, weil die Hersteller informieren müssen, welche Impfstoffe für den Export bestimmt sind. Gegebenenfalls könnten diese auch unterbunden werden. In den USA gibt es bereits vergleichbare Exportregelungen“, kommentiert das Gesundheitsministerium.

Industrie ist besorgt

Auf wenig Freude stoßen die Maßnahmen beim Verband der pharmazeutischen Industrie, Pharmig. „Der Arzneimittelbereich ist stark globalisiert. Ein Verbot für Exporte von Impfstoffen aus der EU bedroht globale Lieferketten und gefährdet so die Versorgung mit diesen dringend benötigten Impfstoffen, und zwar überall“, betonte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Andere Länder könnten ihrerseits Handelswege blockieren. Das kann dazu führen, dass Zulieferungen für die Impfstoffherstellung in die EU eingeschränkt werden.

© PantherMedia/jorisvo

Weil die Impfstoffproduktion stockt, wollen nun Hersteller zusammenarbeiten. Auch Österreich spielt dabei eine Rolle.

Firmen kooperieren

Um Engpässe bei der Produktion von Corona-Impfstoffen zu beheben, arbeiten Pharmariesen nun zusammen.

WIEN/FRANKFURT. Der Pharmakonzern Sanofi wird in einem deutschen Werk nun helfen, den Impfstoff von Biontech/Pfizer zu produzieren. Auch Novartis hat angekündigt, bei der Beseitigung von Produktionsengpässen aushelfen zu wollen. Die für ihre Antibiotikaproduktion und Biotechprodukte bekannte Novartis-Tochter Sandoz in Kundl in Tirol kann zudem die für CoV-Impfstoffe notwendige mRNA bereitstellen. Es gebe bereits sehr konkrete Gespräche mit einer Firma, die einen neuen Impfstoff zur Zulassung bringen will, heißt es aus dem Unternehmen laut Medienberichten.

Weitere Allianz

Nach Biontech und Pfizer schmieden zudem mit Bayer und Curevac zwei weitere deutsche Firmen eine Corona-ImpfstoffAllianz. Der Pharmariese und der Impfstoffentwickler schlossen einen Kooperations- und Servicevertrag mit dem Ziel, mehrere Hundert Mio. Impfdosen weltweit zu vermarkten, teilte Bayer mit. Der Vertrag sieht vor, dass Bayer bei der weiteren Entwicklung und Bereitstellung des Covid-19-Impfstoffs sowie bei lokalen Aktivitäten Curevac in ausgewählten Ländern unterstützt. Hintergrund ist der wachsende Druck auf Pharmahersteller, die Produktion hoch- zufahren. „Die Produktion von Impfstoffen ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Wir befinden uns in einer für uns alle einmaligen, neuen Situation. Noch nie mussten in so kurzer Zeit so viele Mengen produziert werden wie jetzt“, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär des Pharmaverbands Pharmig, in einer Aussendung. Derzeit würden viele Partner in der Produktion und im Vertrieb rund um die Uhr zusammenarbeiten Das sei absolut neu in der Branche.

Neue Impfstoffe

Erst vor einer Woche hat der Pharmariese AstraZeneca die EU-Zulassung für seinen Impfstoff erhalten. Damit gibt es nun zumindest drei Impfstoffe in Europa. Alle drei gaben allerdings bekannt, vorerst weniger liefern zu können als ursprünglich angenommen. Entlastung könnten Impfstoffe von Valneva bringen, das positive Ergebnisse meldet, oder der russische Impfstoff Sputnik-V, für den nun auch ein Zulassungsantrag in der EU gestellt worden ist; auch Johnson& Johnson meldet gute Testergebnisse in einer Phase III-Studie.

Kritik an den Maßnahmen

Regierungspläne zunehmend kritisch gesehen.

WIEN. Die Angemessenheit der Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie wird zunehmend kritisch gesehen. In einer Umfrage (15.–22. Jänner) des „Austrian Corona Panel Projects“ der Universität Wien bewerteten 36,% der Befragten den Maßnahmenkatalog als „eher zu stark“ bzw. „zu extrem“ – der bisherige Höchstwert der negativen Bewertung seit Beginn der Pandemie. Zudem sind für fast 40% die Maßnahmen überhaupt nicht bzw. eher nicht effektiv. Die Wissenschafter führen regelmäßig seit März des Vorjahres Befragungen (jeweils rund 1.500 Teilnehmer) zu Angemessenheit und Effektivität der von der Regierung verhängten Regelungen durch; sie werten die Stimmung als „durchaus alarmierend“. (red)

PARTEISPENDEN Ermittlungen gegen Löger

WIEN. Der frühere Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Verdächtiger in einem Verfahren um Parteispenden geführt. Wie der Standard am Dienstag berichtete, soll Löger zu Zuwendungen des zur Uniqa gehörenden Privatklinikenbetreibers Premiqamed an die ÖVP „ermutigt“ haben. Das Unternehmen überwies in den Jahren 2017 und 2018 je 25.000 € an die ÖVP. Lögers Anwalt weist die Vorwürfe zurück. Löger war vor seiner Zeit als Minister Chef der Uniqa und Aufsichtsratsboss der Premiqamed.

Ermittlungen am Beginn

Die WKStA verdächtigt Premiqamed-Chef Julian Hadschieff und zwei weitere Premiqamed-Manager nun, den Tatbestand der Untreue begangen zu haben, Löger wird die Beihilfe zur Untreue vorgeworfen. Die Ermittlungen befinden sich noch in einem frühen Stadium, in dem ein Anfangsverdacht geprüft wird. Konkret geht es unter anderem darum, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung und Finanzminister Löger die Zahlen an den Privatkrankenanstaltenfonds erhöht haben. Premiqamed soll davon am meisten profitiert haben. (red/APA)

© APA/Roland Schlager © APA/Herbert Neubauer

Der Druck von Unternehmen auf SVS-Obmann Peter Lehner wächst; jetzt kritisieren auch Hoteliers die Mahnungen.

Wirte-Kritik an der SVS

Die Hoteliervereinigung kritisiert hohe Zinsen bei SVS-Stundungen; die Sozialversicherung verweist auf individuelle Lösungen.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Die Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) mahnt seit einigen Tagen im Rahmen der Coronakrise gestundete Sozialversicherungsbeiträge ein. Das hat wie berichtet zu Kritik von Unternehmen geführt. Jetzt macht auch die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) mobil. Sie stört sich auch an den hohen Zinsen. Die SVS drohe dabei mit 3,38% Verzugszinsen, sollte nicht bis Ende März gezahlt werden, kritisierte ÖHV-Chefin Michaela Reitterer. „In einem Umfeld von Null- und Negativzinsen wirkt das wie Wucher“, wird Reitterer im Kurier zitiert.

Weitere Stundungen gefordert

„Wenn ich meinen Kunden für nicht geleistete Zahlungen 3,38 Prozent draufschlagen würde, hätte ich die Arbeiterkammer am Hals“, sagt Reitterer. Sie fordert eine Verlängerung der Stundungsfrist. Die SVS verweist auf Ratenzahlungen und individuelle Lösungen. SVS-Obmann Peter Lehner hat zuletzt allerdings erklärt, man wolle niemanden in die Insolvenz treiben, aber es sei Zeit, „die Wirtschaft ein Stück weit ins normale Leben zurückzuführen“. Man wolle zwar keine Pleitewelle auslösen, aber doch für jene Firmen, die nicht mehr wirtschaftlich weitergeführt werden können, Klarheit schaffen.

Uniqa startet Impfkampagne

Privatversicherung unterstützt Corona-Impfungen.

WIEN. Als einer der größten Arbeitgeber des Landes und mit 3,6 Mio. Versicherten will sich die Uniqa „als größter Gesundheitsversicherer des Landes“ in der Frage der Covid-19-Schutzimpfung eindeutig positionieren. „Wir sind überzeugt, dass die flächendeckende Covid19-Impfung der einzige Ausweg aus dieser Krise ist. Mit der Impfung kann sich jeder von uns selbst, seine Familie und damit unsere gesamte Gesellschaft gegen die Krankheit absichern und zu einem besseren Leben für uns alle beitragen“, erklärt Uniqa-CEO Andreas Brandstetter. Mit einer bundesweiten Informationskampagne will Uniqa nun die überparteiliche, österreichweite Initiative „Österreich impft“ des Roten Kreuzes unterstützen. (red)

© Uniqa/Keinrath

VERSORGUNG

AstraZeneca und MSD kooperieren

WIEN. Unabhängig voneinander haben die Pharmaunternehmen AstraZeneca und MSD in Österreich zwei Initiativen ins Leben gerufen, die das gleiche Ziel verfolgen: Die Krebsversorgung auch in Zeiten einer Pandemie ausreichend zu sichern. Dazu ist es notwendig, die Menschen dazu zu motivieren, Vor- und Nachsorgeuntersuchungen wahr- zunehmen, Maßnahmen zur Früherkennung zu treffen und bereits begonnene und aufgrund der Pandemie unterbrochene Krebsbehandlungen wieder aufzunehmen und fortzuführen. Der firmenübergreifende Schulterschluss bei diesem Thema bestärkt die Bedeutung.

Neue Zusammenarbeit

„Unterschiedliche Kampagnen mit dem gleichen Ziel, besonders in Zeiten von Covid-19 – im Kampf gegen Krebs sind wir gemeinsam stärker“, sagt Maher Najjar, Business Unit Director Oncology bei AstraZeneca. „Wir wollen mit unseren Kampagnen gemeinsam darauf aufmerksam machen, dass Krebsvorsorgeuntersuchungen unbedingt weiterhin wahrgenommen werden“, bekräftigt Andrea Kurz, Business Unit Director Oncology bei MSD. (rüm)

Kampagnen

AstraZeneca und MSD werben gemeinsam für Vorsorgeuntersuchungen.

© AZ/MSD/www.newnormalsamecancer.at © AZ/MSD

Karin Storzer und Maher Najjar (beide AstraZeneca) sowie Andrea Kurz und Carina Schaupp (MSD) werben für Vorsorge.

Hilfe trotz Pandemie

Monatsschwerpunkt Krebs – Teil 1 Der Weltkrebstag am Donnerstag stand heuer im Zeichen der CoronaPandemie.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. In Österreich erkranken jährlich etwa 42.000 Menschen an Krebs. Covid-19 stellt sowohl von Krebs betroffene Menschen als auch die behandelnden Ärzte vor große Herausforderungen. Auch der Weltkrebstag am 4. Februar 2021 stand ganz im Zeichen der Pandemie. In Österreich gab die Statistik Austria einen Überblick.

Jeder vierte Todesfall

Zum Jahresanfang 2019 lebten laut Statistik Austria 366.843 Personen mit einer Krebsdiagnose in Österreich. Die Zahl der Neuerkrankungen lag im Jahr 2018 bei 42.219. Bei etwa der Hälfte aller diagnostizierten Fälle waren Brust, Prostata, Darm oder Lunge betroffen. „Vor Corona waren Krebserkrankungen für jeden vierten Todesfall in Österreich verantwortlich“, berichtete Statistik-AustriaGeneraldirektor Tobias Thomas. Die häufigsten Todesursachen aufgrund einer Krebserkrankung waren Lungenkrebs bei Männern und Brustkrebs bei Frauen“, hielt Thomas fest.

Die häufigsten Diagnosen waren bösartige Tumore der Brust bei Frauen (5.565 Fälle) und der Prostata bei Männern (6.018 Fälle), gefolgt von bösartigen Tumoren der Lunge (4.985 Fälle) und bösartigen Tumoren des Dickdarms bzw. Enddarms (4.563 Fälle). Auf Brustkrebs entfielen 2018 rund 29% der Neuerkrankungsfälle bei Frauen sowie 17% aller Krebssterbefälle. Damit war Brustkrebs bei Frauen auch die häufigste krebsbedingte Todesursache. Lungenkrebs stand 2018 mit 2.060 Fällen (11%) bei Frauen und 2.925 Fällen (13%) bei Männern jeweils an zweiter Stelle der Krebsneuerkrankungen. Mit etwa jedem fünften Krebssterbefall nahm Lungenkrebs bei Männern den ersten Rang unter den krebsbedingten Todesursachen ein. Sowohl das Erkrankungs- als auch das Sterberisiko an Lungenkrebs nahmen in den vergangenen Jahren bei Frauen stark zu.

Lebenserwartung steigt

Verstärktes Screening sowie verbesserte Diagnosemethoden tragen dazu bei, Krebserkrankungen vermehrt und frühzeitiger zu erkennen und erhöhen somit die Zahl der registrierten Neuerkrankungen. Nicht zuletzt verbessern sich aber auch die Überlebenswahrscheinlichkeiten. Das relative Fünf-Jahres-Überleben ist zuletzt auf 61% gestiegen.

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