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KMU in der Kreditklemme Das Geld ist da. Warum es nicht bei den Betrieben ankommt
from medianet 08.05.2020
by medianet
Bei der Kreditvergabe hat es (...) mehr Probleme gegeben, als uns lieb gewesen wäre. Die Umsetzung in der Praxis hat nicht immer so funktioniert, wie das von der Regierung gefordert wurde.
Gernot Blümel
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Finanzminister
Koste es, was es wolle …
Österreichs EPU und KMU könnte die Schwerfälligkeit bei der Finanzhilfe Kopf und Kragen kosten.
Woche 8 der Ausnahmesituation „Coronakrise“ in Österreich: Ganz Europa hat die ökonomischen Schutzschirme aufgespannt. Auch die österreichische Bundesregierung hatte sich nach kurzer Nachdenkpause zu einem üppigen Hilfspaket entschlossen, bestehend aus den vier großen Brocken Kurzarbeit, Steuer- und Abgabenstundungen, direkten Finanzspritzen für Selbstständige und staatlich abgesicherten Krediten für notleidende Unternehmen. Devise: „Koste es, was es wolle“. ••• Von Sabine Bretschneider und Reinhard Krémer
Hürden zu hoch für KMU
Die Zwischenbilanz: Per 29. April gab es 102.953 Anträge von Unternehmen auf Corona-Kurzarbeit beim AMS; 87.107 Anträge wurden bereits genehmigt. Die Mittel für Kurzarbeit wurden von 7 auf 10 Mrd. € erhöht. Der Härtefallfonds – inzwischen längst in Phase zwei – wurde aufgestockt und funktioniert nach Auskunft Betroffener, sofern man ins Raster der Anspruchsberechtigten passt, halbwegs schnell. Auch Finanzamt und Sozialversicherungen üben sich in Nachsicht.
Der Härtefallfonds ist als Sicherheitsnetz für Kleinstunternehmen und neue Selbstständige konzipiert. Jene, die darüber hinaus höhere laufende Kosten haben, beispielsweise Mieten, Arbeitskosten, Leasingraten oder Lizenzgebühren, sollen Unterstützung aus dem Corona-Nothilfefonds bekommen. Sie können Zuschüsse zu ihren Kosten beantragen, erforderlichenfalls in Kombination mit einer Zwischenfinanzierung – Krediten, die zu 100% vom Staat besichert werden.
Löchriges Sicherheitsnetz
Dieses Instrument der zu 100% besicherten Kredite funktioniert aber in der Praxis noch nicht. Gedacht als unbürokratische, schnelle Unterstützung für Unternehmen, die durch Maßnahmen wie Betretungsverbote, Reisebeschränkungen oder Versammlungsbeschränkungen besonders betroffen sind und Liquiditätsprobleme haben, sind gerade den KMU die Hürden zu hoch. Viele Kleinbetriebe klagen über Schwierigkeiten, Kredite zu
© Joachim Bergauer

bekommen. Trotz Staatsgarantie werden derzeit private Sicherheiten sowie Businesspläne (!) verlangt. Es werden immer mehr Fälle bekannt, in denen die Banken finanziell angeschlagenen Firmen Corona-Kredite verweigern – unter Verweis auf nicht erfüllte Anspruchskriterien, wie eben mangelnde Liquidität … Laut KSV hat erst ein Zehntel der von Corona betroffenen Unternehmen Geld aus dem CoronaRettungsschirm erhalten, heißt es seitens des Handelsverbands.
„Viele wackeln bedenklich“
„Da die meisten Selbstständigen seit März keine Leistungen aus den Fonds erhalten haben, waren und sind sie gezwungen, private Reserven – dazu gehört zum Beispiel auch die persönliche Altersvorsorge – anzugreifen“, warnt Sonja Lauterbach. Sie ist selbstständige Unternehmensberaterin und Initiatorin der Facebook-Gruppe „EPU Österreich – Gemeinsam durch die Coronakrise“, die mittlerweile über 6.000 Mitglieder hat. „Unter solchen Bedingungen wird nicht viel in den Genuss- und Spaßkonsum fließen, sondern überwiegend in Güter des täglichen Bedarfs“, verweist Lauterbach auf die drohenden Spätfolgen. Dazu kämen 1,3 Mio. Menschen in Kurzarbeit, deutlich über 600.000 Arbeitslose „und sehr viele KMU, die bedenklich wackeln, da auch für sie die vollmundig angekündigte ‚Hilfe‘ nicht greift. Jetzt muss man nur die rund 500.000 Selbstständigen dazuzählen, von de
„Jeder Tag ohne Umsatz frisst Eigenkapital“
Sonja Lauterbach
Lauterbach Neuroleader, „EPU Österreich“
Wenn Unternehmen – egal welcher Größe – auf ihren Kosten sitzenbleiben, helfen Stundungen und Kredite nichts. Die vergrößern nur das Loch, das gerissen wurde, denn auch die müssen zurückgezahlt werden. Dazu kommt, dass das Geld für die Rückzahlungen der gestundeten Forderungen und der nicht-betriebsbedingten Kredite nicht investiert werden kann. Es fließt auch nicht in die Wirtschaft, sondern an z.B. Banken, die SVS oder die WKO. Das bedeutet nichts anderes, als dass Selbstständige und Unternehmer in die Insolvenz getrieben werden. Ist das erst einmal geschehen, sind sie samt den Arbeitsplätzen vom Markt verschwunden. Als Anbieter und als Nachfrager. Österreich wird wirtschaftlich gerade gegen die Wand gefahren.
nen es aus heutiger Sicht etwa 40 Prozent nur noch wenige Wochen finanziell schaffen.“
„Gut gemeint, aber …
„Firmen, die in schweren Ertrags- oder Liquiditätskrisen stecken, benötigen schnelle Unterstützung, um eine drohende Insolvenz abzuwehren“, bestätigt Daniel Bezan, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Bezan & Ortner Management Consulting. „Das Sicherheitsnetz für Kleinstunternehmer und EPU ist gut gemeint, aber leider zu kompliziert gestaltet“, so das Fazit von Roland Beranek, Akademie-Leiter beim Steyrer Business-Softwarehersteller BMD.
Ein Blick nach Deutschland: Bis 27. April waren bei der staatlichen deutschen Förderbank KfW Hilfskredite im Gesamtvolumen von 30,3 Mrd. € beantragt worden, wie die KfW mitteilte. Rund 98% (!) aller mehr als 13.000 Anträge seien bewilligt worden. Aktuelle Zahlen zu Anträgen, Finanzierungssummen und den Quoten der bewilligten bzw. nicht bewilligten Kreditanträge sind in Österreich Mangelware.
Eh alles paletti?
WKO-Präsident Harald Mahrer lässt auf Nachfrage von media
net den Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung, Franz Rudorfer, zur leidigen Causa vorpreschen. Die Mitarbeiter in den Banken hätten, so Rudorfer, „alles daran gesetzt, mit der unentwegten Weiterentwicklung der diversen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen in der Beratung der Kunden à jour zu sein und die bestmögliche Maßnahme für den jeweiligen Betrieb zu finden“.
„Einzelne Beschwerden“
Rudorfer: „Zusätzlich gibt es über 130.000 freiwillige Stundungen von Forderungen von Betrieben verschiedener Branchen und Größe durch die Banken und bis Ende vorvergangener Woche über 6.000 garantierte Finanzierungen. In den bisherigen sechs Wochen wurden Kredite im Ausmaß von 17 Milliarden Euro vergeben.“ Im Gegenzug wurden Kredite mit einem Volumen von 15 Mrd. € gestundet (Stand 25.
In manchen Fällen konnte die gewünschte Finanzierung nicht so rasch vergeben werden wie erwartet.
April). Wie viele Kreditanträge im Sande verlaufen, also abgelehnt worden sind – dazu gibt es keine Auskunft.
Nur so viel: Vor allem das neue Garantieprodukt mit 100%-Garantie des Staats sei stark nachgefragt worden. Rudorfer: „Allein in diesen ersten wenigen Tagen gab es dazu über 1500 Anträge.“ Österreich zähle bei der Vergabe von 100%-Garantien damit „zur europäischen Spitze“. Aber: „Es ist richtig, dass die Voraussetzungen für diese Garantie bei Krediten von bis zu 500.000 Euro teilweise komplex waren und deren verpflichtende Prüfung durch die Banken herausfordernd und vor allem zeitlich aufwendig war.“
Die Banken hätten dabei auch aufsichtliche Vorgaben einzuhalten, auch wenn es hier seitens der Aufsicht „erfreuliche Flexibilität“ gebe. Insgesamt habe das in manchen Fällen jedoch „tatsächlich dazu geführt, dass die gewünschte Finanzierung nicht so rasch vergeben werden konnte, wie erwartet“. Rudorfer: „Uns erreichen auch einzelne Beschwerden, die wir sehr ernst nehmen.“
Wo sind die Zahlen?
Auch beim aws, dem Austria Wirtschaftsservice, wo man für die Vergabe von Kreditgarantien zuständig ist, sind konkrete Daten zu abgelehnten Krediten Mangelware. Man verweist darauf, dass man die Anträge quasi vorgefiltert von den Banken bekomme, wo die Entscheidungen schon getroffen worden seien. Ein paar Zahlen gibt’s dann doch: „Von der aws wurden bisher bereits rund 5.500 Anträge im Rahmen der aws-Überbrückungsgarantie zugesagt. Damit konnte ein Kreditvolumen von 1,05 Mrd. Euro besichert werden. Besonders hoch ist die Nachfrage dabei nach Überbrückungsgarantien mit 100 Prozent-Garantiequote.“ Knapp 2.400 Anträge, so der aws, konnten hier verzeichnet werden.
Vorbild Schweizer Modell
Unser Nachbar Schweiz hatte prompt auf die Liquiditätskrise der Unternehmen reagiert und ein Kredit-Modell aufgelegt, das zurzeit als „Vorzeigemodell“ in den Medien präsent ist. Kleinbetriebe und Mittelständler bekommen vom Schweizerischen Staat als Soforthilfe bis zu 500.000 Franken – „zinslos, gebührenfrei, unbürokratisch“, wie es heißt. Die Ablehnungsquote beträgt dem Vernehmen nach etwa 25%, wobei in den meisten Fällen Formalfehler in den Anträgen dahinterstecken.
Das Prozedere: Der Antrag wird elektronisch eingebracht, die Bank zahlt das Geld direkt aus – oft innert Stunden, der Bund bürgt zu 100 Prozent. EPU und KMU können dabei einen Kredit von bis zu 10% ihres letztjährigen Umsatzes bei ihrer Bank aufnehmen.
Ein Kritikpunkt: Der NullZinssatz gilt nur für das erste Jahr; dann kann der Zins jährlich „angepasst“ werden. Diese Anpassung ist laut Eidgenössischem Finanzdepartment erstmals für den Termin 31. März 2021 vorgesehen.
Siechtum prolongieren
Auch Michaela Reitterer verweist auf das Vorbild Schweiz: „Wenn der Bund wie angekündigt für 100 Prozent der Summen haftet, müssten auch bei uns ein IBAN und eine UIDNummer reichen“, kritisiert sie zig Seiten umfassende Kredit
Michaela Reitterer
Österreichische Hoteliervereinigung
anträge. Dabei bräuchte es zum Erhalt der Arbeitsplätze rasche, nicht zurückzuzahlende Mittel: „Sonst zögern wir das Siechtum der Betriebe nur hinaus.“
Die Banken, so deren Stellungnahmen, seien derzeit gar nicht in der Lage, die notwendige Liquidität zuzuschießen: Die regulatorischen Auflagen zur Verhinderung einer neuerlichen Finanzkrise blockieren den notwendigen Liquiditätstransfer in die Realwirtschaft.
Das müsse „besser heute als morgen“ nachgebessert werden, hielt Andreas Gnesda, Präsident des Gewerbevereins, dazu fest. „Entweder man erlaubt den
© Florian Lechner © Caro Strasnik
Banken, die Arbeitsplätze ihrer Kunden zu retten und ändert sofort das Regelwerk. Oder man versteht, dass es nur direkt über die Finanzämter abgewickelt werden kann, wie andere Länder das erfolgreich auch tun.“
Auf die Finanzler setzen
Die Finanzbehörde wisse alles: die Betriebsergebnisse der letzten Jahre, die monatlichen Umsätze, die Kontodaten, die Abläufe: „Worauf wird da gewartet? Die gesündesten Betriebe können nicht so lange im Unklaren gelassen werden, wenn sie Strukturen aufrechterhalten und Mitarbeiter nicht kündigen sollen.“
Dass die ganze Sache alles andere als rund läuft, ist auch Finanzminister Gernot Blümel bewusst. Beim Pressebriefing Ende April meinte er: „Bei der Kreditvergabe hat es in den letzten Wochen mehr Probleme gegeben als uns das lieb gewesen wäre.“ Daher habe man mit den Banken und der FMA eine beschleunigte Vergabe ausgearbeitet.
Als ersten Punkt gibt es nun eine Selbstverpflichtung bei Garantieerfordernissen. Die vor allem aufgrund europäischer Regulierungen notwendigen Garantieerfordernisse werden neu gehandhabt. Statt einer verpflichtenden Prüfung durch die Banken muss der Unternehmer eidesstattlich die Erfüllung dieser Erfordernisse bestätigen – wobei die Steuerbehörden nachträglich prüfen. Dadurch, so Blümel, werde es zu einer „massiven Beschleunigung des Prozesses“ kommen.
Bonität vor der Krise zählt
Als zweite Maßnahme kommt es nach Verhandlungen mit der FMA zu Erleichterungen bei der Bonitätsprüfung bei bestehenden Kreditkunden: Ab sofort ist für die Kreditvergabe in der aktuellen Phase die Vorlage von Planrechnungen und Businessplänen für die Zukunft nicht ent
Entweder man erlaubt den Banken, die Arbeitsplätze ihrer Kunden zu retten, und ändert sofort das Regelwerk.
Andreas Gnesda
Gewerbeverein
1,05
Überbrückung
Von der aws wurden bisher bereits rund 5.500 Anträge im Rahmen der aws Überbrückungsgarantie zugesagt. Damit wurden Kredite in Höhe von von 1,05 Mrd. € besichert.
scheidend. Relevant ist die Bonität des Unternehmens vor der Krise. Dazu kommt: Österreichs Geldhäuser müssen für die in der Coronakrise ausgegebenen Kredite ihre Bearbeitungsgebühren drosseln – von bis zu 2,5% auf 0,5 bis 0,8%. In weiterer Folge legt die EZB zur Unterstützung der Kreditvergabe ein neues Programm mit besonders günstigen Langfristfinanzierungen auf. Das Programm soll noch im Mai gestartet werden und Banken ermöglichen, Unternehmen einfacher mit Liquidität zu versorgen.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Kreditvergabe runder läuft. Die Alternative wäre ein Genickbruch beim Rückgrat der heimischen Wirtschaft, den KMU.
Garantie bekommen
So läuft’s
Mit der Genehmigung der EU können künftig vom aws 100% der Sicherheiten bei Krediten bis zu 500.000 € übernommen werden und 90% bei Krediten bis zu 27,7 Mio. €. Abgewickelt werden die Anträge im Schnellverfahren. Die Garantiezusage erfolgt innerhalb von 24 Stunden, bei Krediten über 20 Mio. € innerhalb von durchschnittlich 48 Stunden. Zentrales Kriterium bei der Antragstellung ist, dass es sich um ein Kleines und Mittleres Unternehmen (KMU) handelt und dass das kreditnehmende Unternehmen gem. EU-Definition kein Unternehmen in Schwierigkeiten (UiS) ist. Das bedeutet auch, dass nicht die Vorlage von Planrechnungen und Businessplänen für die Zukunft den Ausschlag für eine aws-Garantie gibt: Relevant ist der Nachweis für die Bonität vor der Krise.
leiwand. Endlich wieder


Endlich wieder entspannt Heute lesen, wo, wann und wie du willst. Die leiwande Tageszeitung, immer für dich da. Auch als App und auf heute.at
marketing & media
Intern Mitarbeiter können in der Krise zu MarkenBotschaftern werden 14 Recruiting Bernhard Ehrlich hat sein „10.000 Chancen“- Konzept digitalisiert 16
© David Visnjic
Schlachtplan Digitaler Kongress „Sport & Marke“ über Sport nach Corona 22

„Unser Kerngeschäft hält der Krise stand“
Herwig Langanger und Rainer Nowak im Interview über ihren Zugang, Die Presse durch die Krise zu führen. 10
© Vincent Bennett
Divna Ivic
Pressesprecherin Samsung
Mit Anfang April hat Divna Ivic die Position als Pressesprecherin für Produkte bei der Samsung Electronics Austria GmbH übernommen. Die PR-Beraterin wechselt aus dem Agentur- in den Corporate-Bereich und verstärkt in ihrer neuen Rolle als Pressesprecherin das Kommunikationsteam rund um Réka Bálint, Head of Brand Communication.

© Ernst Kainerstorfer
