Prolog September 2013 | Wiener Staatsoper

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INTERVIEW

Haben Sie Ihre Karriere systematisch geplant? Kurzak: Nein, so bin ich eigentlich nicht. Mein erstes Gastieren war in New York an der Met, dann London im Covent Garden, das heute so etwas wie mein Stammhaus ist. Es hat sich alles ergeben, ganz natürlich und unkompliziert. Ich finde das schön. Ein planender „Erst das, dann das und dann das“-Typ bin ich nicht. Aber Sie setzen sich dennoch Ziele? Kurzak: Ja, aber eher im Sinne von Träumen. Zum Beispiel: In meiner Jugend konnte man bei uns einzelne Aufführungen aus der Met im Fernsehen anschauen. Ich träumte immer davon, dass ich eines Tages auch an diesem Haus sein möchte, vielleicht nicht als Sängerin, aber wenigstens meinen Fuß auf die Bühne stellen! Das schien aber ein eher unwahrscheinlicher Traum zu sein, weil ja damals im Polen der Kommunismus herrschte und die Grenzen geschlossen waren. Aber es hat geklappt, und ich habe im Grunde alles bekommen, was ich mir gewünscht habe: beruflich und privat. Manchmal habe ich aus Aberglauben fast Angst, es so auszusprechen, weil ich einfach so sehr glücklich bin. Auch stolz? Kurzak: Natürlich! Aber in einem positiven Sinne. Stolz-sein ist ja nichts schlechtes, an sich. Man muss nur richtig damit umgehen und immer am Boden bleiben. Aber ich sehe, dass meine Familie stolz auf mich ist: das gibt mir Kraft, weiterzumachen. Ihre Karriere planen Sie also nicht. Aber lässt sich zumindest eine stimmliche Entwicklung planen? Kurzak: Nein. Anfangs war ich ein echter Koloratursopran. Mit den Arien der Königin der Nacht bin ich zu Wettbewerben gefahren, habe meine Vorsingen gemacht. Dann aber ist die Stimme runder, voller geworden und ich musste viele bereits unterschriebene Verträge auflösen. Solche Entwicklungen lassen sich nicht voraussagen. Im Moment denke ich, dass ich in den nächsten Jahren die Belcanto-Partien, die auch eine Höhe erfordern, singen werde. Es heißt, dass eine Sängerin für die Violetta drei unterschiedliche Stimmtypen braucht. In welcher fühlen Sie sich am wohlsten?

Kurzak: Eigentlich während der gesamten Oper! Ich weiß ja nicht genau, ob es wirklich drei unterschiedliche Stimmen sind, die man braucht. Im Grunde wird eine schöne runde, lyrische Stimme benötigt, die Koloraturen bieten kann; das Dramatische, eine Spinto-Stimme hingegen ist hier falsch. Man braucht im Vergleich als Gilda mehr Kraft in der Stimme: Im dritten Akt, während des Sturmes, da ist das Orchester schon sehr dick und die Sängerin muss Power geben. Violetta ist in diesem Punkt weniger anstrengend. Sehen Sie Violetta von Beginn an als tragische Figur oder sind wirklich unbeschwerte Momente auch gegeben? Kurzak: Ich finde, dass sie im ersten Akt einfach nur verliebt ist und nicht wahrnehmen möchte, wie ihr Leben eigentlich aussieht. Dieser Aspekt ist für mich wichtig, damit die Figur eine Charakter-Vielfältigkeit erhalten kann. Die Tragik folgt dann später … Liegt Ihnen ein solcher tragischer Charakter? Kurzak: Unbedingt! Ich leide sehr gerne auf der Bühne. Leiden und sterben im Theater ist einfach schön! Und in eine Violetta kann man so viele Emotionen packen. Ganz allgemein finde ich es wunderschön, Menschen im Publikum so berühren zu können, dass sie Tränen in den Augen haben. Warum opfert sich Violetta eigentlich? Steht das nicht im Widerspruch zu ihrer Liebe zu Alfred? Sie macht ihn ja auch unglücklich! Kurzak: Das ist eine Frage, die aus heutiger Sicht nur sehr schwer zu beantworten ist. Heute würde niemand mehr so handeln. Aber damals, im 19. Jahrhundert, herrschten andere gesellschaftliche Gegebenheiten. Aus diesem historischen Blickwinkel ist ihr Verzicht zu verstehen. Und ist Alfredo ernst zu nehmen? Sie ist doch die erwachsenere, oder? Kurzak: Ja, unbedingt. Sie kennt das Leben, hat ihr Dasein mit reichen, älteren Männern verbracht. Daher nimmt Violetta Alfredo anfangs ja auch nicht ganz ernst. Allerdings dann … kommt die Liebe. Unerwartet. Sie kann es sich nicht erklären, aber das ist eben so im Leben. Man kann die Liebe nicht verstehen … Das Gespräch führte Oliver Láng

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Termine: La traviata 3., 6., 9., 12. September Diese Produktion wird unterstützt von


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