Opernring 2 | Mai 2024

Page 1

KATE LINDSEY

Das
№ 35 MAI 2024
MONATSMAGAZIN

S. 2

EMOTIONSREISE THOMAS ADÈS IM GESPRÄCH

S. 8

DIE MUSIK SPÜREN

KATE LINDSEY SINGT DIE MIRANDA IN THE TEMPEST

S. 14

BRILLANTER HÖHENFLUG

CAROLINE WETTERGREEN DEBÜTIERT IM HAUS AM RING

S. 18

AUF DEM SURFBRETT DURCHS PARADIES VON GÜNTHER GROISSBÖCK

S. 24 MIT VERDI AUFGEWACHSEN IM GESPRÄCH MIT GIAMPAOLO BISANTI

S. 30

WILL THERE BE SUGAR AFTER REVOLUTION?

MUSIKTHEATER-PERFORMANCE DES CITYLAB-ENSEMBLES

S. 32 IM SIEBTEN HIMMEL DAS WIENER STAATSBALLETT TANZT SCHLÄPFER, GOECKE & BALANCHINE

S. 36 SCHLAGLICHTER IM MAI

S. 38 POGROM UND PRÜGEL VON STEFAN BENEDIK

S. 42 EREIGNISHAFT SOLISTINNENKONZERT MIT ASMIK GRIGORIAN

S. 44 SAMMLUNG HISTORISCHER STREICHINSTRUMENTE KOSTBARE INSTRUMENTE DER OENB

S. 46 FASHION MEETS OPERA JUNGE MODE IN DER OPER

S. 48 DEBÜTS

S. 50 PINNWAND

INHALTSVERZEICHNIS

THOMAS ADÈS

Fotos MARCO BORGGREVE

EMOTIONSREISE

KOMPONIST, DIRIGENT & PIANIST THOMAS ADÈS IM GESPRÄCH MIT OLIVER LÁNG

Wie wenige andere ist er international umworben und gefragt: der britische Komponist Thomas Adès, Jahrgang 1971. Mit 18 Jahren brachte er seine erste Komposition heraus – und gleich drei Verlage rissen sich um die Veröffentlichung. Seither zählt er zu den Fixsternen am Komponistenhimmel, egal, ob es sich um Musiktheaterwerke, Orchesterstücke, Kammermusik oder Lieder handelt. Seine 2004 in London uraufgeführte zweite Oper The Tempest wurde vor knapp einem Jahrzehnt erstmals an der Wiener Staatsoper gespielt. Nun ist die fein inszenierte Produktion wieder am Spielplan: und erneut dirigiert der Komponist, der auch ein weltweit anerkannter Pianist ist, selbst. Im Interview gibt er Einblicke in seine Schaffenswerkstätte und erläutert, was er mit seinem Werk beim Publikum auslösen will.

ol Es gibt die Geschichte, dass Sie den Einfall zur Oper in der Nacht nach einem plötzlichen Erwachen gehabt hätten.

ta Ja, das ist richtig. Ich hatte vom Londoner Royal Opera House, Covent Garden ein Angebot, eine Oper zu schreiben. Über eine längere Zeit dachte ich über unterschiedliche Stoffe nach, die aber aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande kamen beziehungsweise mir dann doch nicht zusagten.

ol Etwa?

ta Es gab zum Beispiel den Gedanken, ein wunderbares Libretto von Jean Cocteau zu

vertonen, das allerdings nicht ganz vollendet ist. Aber eines Tages erkannte ich: Jetzt muss ich bald einen Stoff finden, der vertont werden soll. Und der Sturm war so offensichtlich, dass ich mich für ihn entscheiden konnte, ohne mich im Vorfeld sehr ausführlich mit ihm zu beschäftigen. Das war einer der Fälle, bei denen man in der Nacht aufwacht: und die Idee ist da. Und nachdem der Einfall erst einmal geboren war, war es zu spät, um wieder umzukehren.

ol Ihr Libretto ist nicht Shakespeare pur, sondern eine Überarbeitung des Sturm-Schauspiels durch Meredith Oakes. Warum nicht das Original?

3

ta Das hat mehrere Gründe. Zunächst: Für mich ergäbe es keinen Sinn, den originalen Shakespeare ­Text in Musik zu setzen. Wozu? Es ist ja ein großer Text, und das ist genug. Zweitens: Für meine Musik, für meine Art Oper zu schreiben, brauche

zum Komponieren benötigt habe. Sie hat den Text ja nicht nur »übersetzt«, sondern eine gänzlich andere Struktur geschaffen. So ist das, was herausgekommen ist, teilweise ganz anders als Shakespeare, aber dann doch immer ganz nahe an Shakespeare dran. Es

»The Tempest ist ein Stück voller Magie, vom Anfang bis zum Ende, und es gibt eine große Anzahl an Farben im Text.«

ich emotionale Klarheit und eine Geometrie der Motive, das ist etwas, was man bei Shakespeare nicht so einfach bekommt. Es ist zum Beispiel nicht so ganz klar, warum Prospero macht, was er macht. Ich wollte eine Textgrundlage, die für die Musik klar genug und auch ausreichend »geometrisch« ist. Damit das Publikum erreicht, berührt werden kann. Damit das Ganze bewegend wird. Meine Geheimwaffe dazu war Meredith Oakes.

ol Inwieweit ist das Libretto von Meredith Oakes eine Übersetzung, eine Neudichtung?

ta Sie hat eine Art Übersetzung geschaffen und einen ganz eigenen Stil entworfen. Wir reden ja über unterschiedliche Zeitebenen. Im Stück befinden wir uns in einer Vor­ Shakespeare ­Zeit, es geht um die Herzöge von Mailand und Neapel im 14. Jahrhundert, eine Art mythische Zeit. Das Englisch, das Shakespeare verwendet, entstammt wiederum aus dem 16. Jahrhundert, das dieses 14. Jahrhundert darstellt. Und Meredith Oakes’ Englisch evoziert beide Zeiten. Aber sie geht nicht in die Falle einer historischen Sprache.

ol Wie war die Zusammenarbeit zwischen Ihnen? Muss man sich das vorstellen wie zwischen Strauss und Hofmannsthal, also auch ein Ringen um ein Ergebnis?

ta … und viele, viele Briefe? (lacht) ol … und ein: Schreib’ mir bitte noch fünf Verse.

ta Es war eine absolut fantastische Zusammenarbeit. Meredith war sehr hilfreich, sie ist eine brillante Librettistin und Stückeschreiberin. Wann immer ich einen musikalischen Ausdruck nicht gefunden habe und der Weg der Musik für mich nicht klar war, meinte sie: »Gib mir eine Minute, ich muss etwas falsch gemacht haben.« Und dann war die Lösung da. Meredith hat einfach verstanden, was ich

evoziert Shakespeare. Wir schrieben übrigens nicht viele Briefe, sondern Faxe. Interessanterweise. Denn 2003 gab es ja eigentlich schon e­Mail.

ol Inwieweit kamen durch die neue Struktur auch neue Szenen dazu?

ta Ich habe beschlossen, einen Chor – den gesamten Hof – zu haben. Also auch mit Frauen, obwohl es in Shakespeares Stück ja eigentlich nur eine einzige Frau, Miranda, gibt. Und ich wollte, dass Caliban mit dem gesamten Hof zusammentrifft. Diese komische Ecke, in die ihn Shakespeare stellt, kann im Schauspiel funktionieren, in der Oper wollte ich aber mehr, ich wollte ihn aus dieser Ecke retten; wenn er sagt: »Freunde, fürchtet euch nicht«, dann braucht es nach meiner Ansicht einfach mehr. Es braucht einen Chor als Gegenüber. Wir mussten also zusätzliche Szenen erfinden.

ol Inwieweit waren andere musikalische Sturm -Bearbeitungen für Sie relevant?

ta Ich bin natürlich bei Weitem nicht der erste Komponist, der sich diesem Stoff zugewandt und an einer entsprechenden Oper versucht hat. Ich weiß aber wenig von den anderen Opern, ich kenne ein paar Arien, die Henry Purcell geschrieben hat, und die wunderschöne Musik von Michael Tippett – wobei es sich dabei um keine eigentliche Sturm- Oper, sondern um seinen Knot Garden handelt. Na ja, und natürlich ist da noch Ludwig van Beethoven, der Shakespeares Sturm geliebt und sich intensiv mit ihm auseinandergesetzt hat. Diese komplexe Hintergrundgeschichte rund um Prospero: Da zerbrach er sich den Kopf, wie man das umsetzen könnte. Aber er hatte keine Meredith … (lacht).

ol Caliban ist in Ihrer Opernfassung kein Klischeebild.

ta Nein, ich fand das problematisch, wenn er mitunter so gezeigt wird. Ich frage mich,

4 EMOTIONSREISE

ob man dann sehr weit kommt. Ich finde ihn als Spiegel von Prospero viel interessanter. Fakt ist: Er ist der König seiner Welt. Er ist vielleicht dekadent, vielleicht seltsam. Aber er ist immer noch ein Aristokrat und königlich. Und so ist er bei mir stimmlich auch kein großer Bass, sondern eher ein französischer Tenor. Das finde ich vom Bühnencharakter her interessanter.

ol Im Tempest greifen Sie unter anderem auf barocke Formen zurück.

ta Ich war fasziniert von der Hofmusik und wollte etwas entwerfen, das mit den Traditionen des Barock verwandt ist. The Tempest ist ein Stück voller Magie, vom Anfang bis zum Ende, und es gibt eine große Anzahl an Farben im Text. Das wollte ich aber nicht instrumental verstärken, sondern auf eine barocke Art und Weise: Der Sturm ist ja auch kein echter, sondern ein von Wissenschaftlern geplanter, mit geometrischer Qualität. Ich finde Magie wirkungsvoller,

wenn sie musikalisch nicht immer auftaucht, sobald die Rede von ihr ist. Ich möchte mich nicht hinter den Effekten verstecken.

ol Sie sind nicht nur Komponist, sondern auch Pianist und Dirigent. Macht dieses Wissen um die praktische Seite das Komponieren schwieriger? Weil sie die Grenzen kennen?

ta Ich habe oft folgende Erfahrung gemacht: Der Dirigent sagt in mir zum Komponisten: »Weißt du, dass das richtig schwer ist, was du da komponiert hast?« Und er wünscht sich, der Komponist hätte es etwas einfacher gemacht. Aber der hat nun einmal Vorrang bei mir. Abgesehen von mir als Dirigent: Fragen Sie einen Instrumentalisten oder eine Sängerin: Ich habe die Oper tatsächlich nicht zu leicht gemacht …

ol Haben Sie während des Schreibens Sänger gefragt, ob das Komponierte sangbar ist?

5 EMOTIONSREISE

ta Ich habe einfach geschrieben. Viele Rollen loten Extreme der Stimmen aus. Aber wenn man zu viel fragt, dann wird das Ganze ein wenig langweilig und konstruiert. Anfangs sagten manche Sänger: »Das ist zu schwer.« Aber bereits bei der Wiederaufnahme waren sie deutlich entspannter. Sie hatten sich an das Extreme gewöhnt. Im Fall von Ariel wusste ich nicht, ob es überhaupt jemanden gibt, der die Partie singen kann. Es schien mir möglich. Aber ganz sicher war ich mir nicht. Also schrieb ich und überließ es dem Opernhaus, jemanden zu finden. Und es hat geklappt.

ol Und entwickelten Sie vor Ihrer ersten Oper eine Operntheorie, auf die Sie dann in der Praxis aufbauten? ta (lacht) Nein, wir arbeiten in England nicht so. Die Oper soll menschliche Gefühle berühren und in die Tiefe des Menschen reichen; sie kommt meiner Meinung nach näher an das Innerste heran als jede andere Kunstform. Theorien als solche sind für mich nicht wichtig. Wichtig ist eben: Wie komme ich an die Gefühle der Menschen heran? Wie erreiche ich Menschen? Politik und alles andere ist nur insofern interessant, als sie uns die emotionale Realität des Stückes näherbringt. Natürlich braucht man die richtigen Werkzeuge, um das auch handwerklich umsetzen zu können.

ol Sind diese Werkzeuge bei einer Oper andere als bei einer Symphonie? Auf der Opernbühne sieht man ja vieles, das muss dann ja musikalisch nicht mehr ausgesprochen werden. ta Im Grunde sind es genau dieselben Werkzeuge. Man verwendet sie in der Oper nur ein wenig anders. Oper ist wie eine öffentliche Skulptur. Es ist eine Skulptur unter besonderen Umständen: Sie ist gewissermaßen Wind und Wetter ausgesetzt und für jedermann erfahrbar. Man muss also anders kommunizieren. Nicht einfacher, nicht bevormundend, aber anders.

ol Wenn Sie heute auf das Werk zurückblicken, dann … ta … dann ist es für mich einfacher geworden. Ich verstehe die Stimmung der Szenen besser, etwa, was das Tempo betrifft. Nach dem Abschluss der Kompositionsarbeit wusste ich zum Beispiel: Diese oder jene Stelle basiert auf einem barocken Tanz. Und bei den ersten Proben fragten mich manche: Sollte das nicht langsamer sein? Und ich antwortete: Nein, weil es auf einer Bourée basiert. Später erkannte ich: Sie haben recht. Das gesamte Finale war in meinem Kopf viel schneller. Das hat sich nach und nach verändert. Anderes ist nach wie vor herausfordernd.

ol War das Werk nach Kompositionsabschluss für Sie endgültig beendet?

Oder behielten Sie sich in der Hinterhand noch die Möglichkeit einer Überarbeitung?

ta Es gibt ein paar Details, bei denen ich mir gedacht habe: Das könnte man einfacher machen. Nicht nur in der Rhythmik, sondern auch in der Orchestrierung. Dann aber denke ich mir: Lass’ es! Diese Dinge sind fruchtbare Eigenschaften und Aspekte des Werkes, Charakteristika. Und ich möchte die Oper eigentlich nicht charakterlos machen. In diesem Sinne: Ich habe hart an diesem Werk gearbeitet und bin froh mit ihm. Und ich fühle, wenn ein Stück fertig ist. Es noch einmal zu überarbeiten wäre, denke ich, ein Fehler.

ol Gibt es etwas, was Sie dem Publikum mit Ihrem Tempest mitteilen wollen? Die berühmte Botschaft?

ta Ich sage es anders: Ich würde mir wünschen, dass die Menschen, die den Tempest erleben, nach einer Vorstellung bewegt sind. Das lässt sich nicht so einfach in Worte fassen. Also: auf eine bestimmte Art transformiert und doch zu sich selbst zurückgekehrt. Oder einfacher ausgedrückt: The Tempest soll im Idealfall eine Reise sein, ein emotionales Erlebnis. Wenn das gelingt, bin ich glücklich.

→ Das Interview entstand 2015

THOMAS ADÈS

THE TEMPEST

9. 12. 14. 17. MAI WIEDERAUFNAHME

Musikalische Leitung THOMAS ADÈS Inszenierung ROBERT LEPAGE

Bühne JASMINE CATUDAL Kostüme KYM BARRETT Licht MICHEL BEAULIEU

Video DAVID LECLERC Choreographie CRYSTAL PITE

Mit u.a. ADRIAN ERÖD / CAROLINE WETTERGREEN / FRÉDÉRIC ANTOUN / KATE LINDSEY / JAMES LAING / HIROSHI AMAKO

TOBY SPENCE / DANIEL JENZ / DAN PAUL DUMITRESCU / MICHAEL ARIVONY / WOLFGANG BANKL

6 EMOTIONSREISE
TURANDOT © Monika Rittershaus Die NEUE SPIELZEIT 2024/25 WIENER-STAATSOPER.AT LIEBE
SPATER Tickets ab 13. Mai

DIE MUSIK SPUREN

KATE LINDSEY Foto YOTA

Kate Lindsey. Das ist zunächst einmal eine international fulminant agierende Sängerin mit einem großen Repertoire: Barock bis Gegenwart, Englisches bis Deutsches, Lied und Oper. Doch Kate Lindsey ist nicht nur Stimme und Vielfalt, sie ist auch eine Darstellerin, die in ihren Rollen vollkommen aufzugehen scheint, voller Intensität ist, ganz mit den Figuren verschmilzt. Wer hat ihr nicht fasziniert zugesehen, als sie als Kaiser Nero in Monteverdis PoppeaOper auf der Bühne stand? Als sie die Titelfigur in der Uraufführung von Orlando stupend gestaltete? Wer folgt nicht atemlos all ihren Transformationen? Gerade noch der 17­jährige Octavian, und schon die mythologische Penelope, die den heimgekehrten Odysseus wieder lieben lernen muss. Vor ihrer Così fan tutte­Premiere im Juni singt sie im Mai die Partie der Miranda in der Wiederaufnahme der Shakespeare/Adès­ Oper The Tempest. Noch in der Probenzeit dazu sprach sie mit Oliver Láng über das emotionale Begreifen eines Werks, den Unterschied von Oper und Netflix und was uns heute mit Shakespeares Sturm verbindet.

ol Wann immer der Name Shakespeare fällt, hört man Dinge wie: Ein absoluter Kenner der menschlichen Seele! Zeitlos! Allgemeingültig! Ist das so? Hat Shakespeare wirklich eine so universelle Bedeutung? Und wenn ja: Warum? kl Das ist eine sehr weitgreifende Frage… Ich denke, dass sein Werk auf manche zunächst sogar einschüchternd wirken kann: die Handlungen, die Sprache, die Komplexität. Und doch erzeugen seine Stücke bei vielen Menschen einen Wider­ und Nachhall und doch kehren wir immer wieder zu ihnen zurück. Warum? Ich glaube, weil sie immer wieder Dinge aufzeigen, die für unsere Existenz zentral sind. Aspekte menschlicher Beziehungen, die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Und wie er das zeigt: das inspiriert uns seit Hunderten von Jahren! Im Falle von The Tempest ist

für mich das Erforschen der Beziehung zwischen Vater und Tochter ein wichtiges Element. Wir haben eine Konstellation, in der ein Vater seine Tochter schützen und beschützen will, ihr aber nie wirklich sagt, was zuvor passiert ist und warum sie in dieser Lebenssituation sind. Miranda, die Tochter, ist also immer auf der Suche nach Informationen und weiß nicht, warum sie mit ihrem Vater Prospero so isoliert auf der Insel lebt. Auch wenn The Tempest Fiktion ist, erinnert sie uns vielleicht an Momente unserer eigenen Biografie: Viele von uns haben mitunter womöglich nicht verstanden, warum Eltern etwas taten, und brachten sie nicht dazu, es zu erklären. Solche gedanklichen und emotionalen Verbindungen führen dazu, dass Künstlerinnen und Künstler sich immer wieder aufs Neue mit dem Werk Shakespeares auseinandersetzen. Oder sich viele moderne Stücke auf

9
OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT KATE LINDSEY

Ideen Shakespeares beziehen. Wobei es natürlich nicht nur um Shakespeare geht. Das betrifft alle Großen, von Mozart bis Verdi und all die anderen: Sie berühren und beschreiben etwas zutiefst Menschliches – und sind daher ewig.

ol Abgesehen von diesem Gefühl, persönlich angesprochen zu werden: Welche »Funktion« haben diese großen Werke, über die wir reden? Lernt man etwas über Politik? Geht es um ein ästhetisches Glück? Oder nur um die persönliche Bezugnahme?

kl Das hängt auch sehr stark von der jeweiligen Produktion ab. Wenn man eine Inszinierung hat, die ein starkes politisches Statement setzen will, die das Zeitgenössische und Aktuelle anspricht, dann kann das im Vordergrund stehen. Muss es aber nicht, man kann auch andere Schwerpunkte setzen. Bei der Tempest­Produktion der Wiener Staatsoper würde ich sagen, dass es weniger um eine politische Vision geht als um die Erforschung einer Geschichte und der beteiligten Figuren. ol Und worin liegt der Unterschied einer Theateraufführung zu einem (Shakespeare-)Film auf Netflix? Was kann vermittelt werden, was der Bildschirm nicht kann?

kl Mir geht es bei einer Aufführung nicht nur um das Live ­ Geschehen auf der Bühne, also die Handlung, die in Echtzeit vor einem stattfindet. Mir geht es auch um die Gemeinschaft, das Gefühl, mit anderen Menschen zusammenzusitzen und etwas gemeinsam zu erleben. Das empfinde ich heutzutage sogar noch wichtiger! Weil wir alle, selbst wenn man viel auf Reisen ist, manchmal in unserer eigenen, isolierten Welt gefangen sind. Natürlich, es ist einfacher, auf einen Knopf zu drücken und dann etwas auf einem Bildschirm zu sehen. Aber wenn ich ins Theater gehe und mit anderen zusammensitze, dann spüre ich, wie mächtig eine kollektive Erfahrung sein kann. ol The Tempest von Shakespeare wird gerne als besonders vielschichtig, ja, etwas rätselhaft angesehen. Daher die Frage: Worum geht es an diesem Abend?

10
KATE LINDSEY

kl Um ganz ehrlich zu sein: genau das versuche ich herauszufinden. Ich habe einen besonderen Zugang, weil ich eine Katie ­Mitchell­Produktion mit dem Titel Miranda gemacht habe, die eine Art modernere Interpretation der Tempest­ Geschichte ist

»Die Themen von Tempest umfassen natürlich auch Prosperos Versuch, Dinge zu kontrollieren, sein Bedürfnis nach Isolation und seinen Einsatz von Magie, um Rache zu üben. Ebenso gibt es eine Ebene der Vergebung, die am Ende erreicht wird.« KATE LINDSEY als NERONE in L

– mit Miranda im Zentrum. Sie stellt die Geschichte ihres Vaters infrage und überdenkt alles neu… Das ergibt eine eigene Sichtweise auf das Ganze. Ich habe mich mit diesem Zugang sehr intensiv auseinandergesetzt und habe viel mit Mirandas Wut zu tun gehabt, es ging dabei mehr um die dunkle Seite dieser Vater­Tochter­Beziehung. Die Themen von Tempest umfassen natürlich auch Prosperos Versuch, Dinge zu kontrollieren, sein Bedürfnis nach Isolation und

seinen Einsatz von Magie, um Rache zu üben. Ebenso gibt es eine Ebene der Vergebung, die am Ende erreicht wird. Ich docke aber auch an Dingen wie die Machtstrukturen in einer Familie an. Denn wir alle, von Tochter zu Vater, von Vater zu Bruder, von Vater zu Sohn werden durch diese herausgefordert. Oder auch vom Wettbewerb zwischen Geschwistern um die Gunst der Eltern. Das alles fühlt sich sehr menschlich und echt an. Und so versuche ich, eine Verbindung des Stücks zu jenen Geschichten zu schaffen, die wir in unserem eigenen Leben wiederfinden.

ol Miranda lebt seit zwölf Jahren auf der Insel, fernab von all dem, das sie kannte. Man muss sie als traumatisierte Figur sehen, oder?

kl Sie ist zweifellos traumatisiert. Und sie ist in einem Alter, in dem man Fragen stellt. Als Kind, da akzeptiert man manches, man nimmt es hin, dass Dinge sind, wie sie sind. Aber später, da will man mehr wissen, man drängt auf Antwort: Warum? Warum leben wir so? Warum sind wir isoliert? Wo sind all die anderen? Bedürfnisse entstehen,

INCORONAZIONE DI POPPEA

Foto MICHAEL PÖHN

DIE MUSIK SPÜREN

Bedürfnisse nach mehr, mehr als nur nach einer Familienperson. Und all das zusammen führt zu Konflikten. Denn der Vater kann sich nicht mehr abwenden von all den Fragen, die beantwortet werden müssen. Dazu kommt, dass Prosperos Einsatz von Macht, seine Fähigkeit, Magie einzusetzen eine Bedrohung darstellt. Aber er ist ihre einzige Bezugsperson… sie liebt ihn und sie fürchtet ihn.

ol Die Musik ist von Thomas Adès. Wie würden Sie diese jemandem beschreiben, der sie gar nicht kennt?

kl In diesem Stück ist es »ozeanische« Musik. Man ist inmitten des Sturms und das hört man im laufenden Wechsel des Metrums der Musik. Man zählt 1­2 ­3, 1­2 ­3 ­ 4 ­ 5, 1­2 ­3 und so weiter.

Dadurch entsteht ein ständiges Rollen, man bekommt den Eindruck einer Instabilität. Es fühlt sich wie ein Wellengang an, wenn man auf einem Boot ist.

ol Wie läuft die gesanglich-handwerkliche Annäherung an dieses Werk ab? Studieren Sie die Rolle von Miranda in The Tempest von Adès anders ein als die Despina in Così fan tutte von Mozart?

kl Ich gehe definitiv anders an Mozart heran als an Adès. Bei Mozart gibt es Muster, Muster von Rhythmus und Melodie. Bei Adès – und an sich bei vielen Werken der zeitgenössischen Musik – ändern sich die Rhythmen laufend. Das verändert die Art, wie wir phrasieren. Bei der Musik der Klassik suchen wir nach einer gewissen Geschmeidigkeit, Adès hingegen ist kantiger. Und natürlich spielt auch die Sprache – bei Adès englisch – eine Rolle und verändert die gesangliche Herangehensweise. Ich würde fast sagen: Adès ist in dieser Hinsicht dem deutschen Repertoire näher. Und: Bei Adès braucht man viel länger, um eine Partie zu lernen.

ol Allein ihr Repertoire an der Wiener Staatsoper umfasst die gesamte Operngeschichte. Von Monteverdi bis Olga Neuwirth, dazwischen Mozart, Strauss, Rossini, Gounod. Ist das ein bewusst breit gewählter Ansatz?

kl Das hat mehrere Aspekte. Zunächst einmal entspringt diese Breite einem Gefühl von Ich möchte nicht bereuen, etwas nicht gewagt zu haben . Denn ich genieße es, mich selbst herauszufordern. Und es gibt so etwas wie eine amerikanische Mentalität, die ein Denken der Vielfalt mit sich bringt. Wenn man etwa an eine Universität geht, wird einem vermittelt, dass es gut ist, vielseitig zu sein, viele Dinge zu können, Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen zu haben. Und ich habe mir das angeeignet. Deshalb widerstrebt es mir zu denken: Ich mache nur dieses oder jenes. Denn wenn ich mich einschränke, schränke ich vor allem meinen Geist ein. Wenn ich ihn

aber ermutigen kann, sich zu öffnen, kann ich Grenzen überschreiten! Und dann kommt dazu, dass es für einen lyrischen Mezzo, wie ich es bin, wichtig ist, eine Flexibilität in puncto Repertoire zu haben. Am Anfang meiner Karriere eröffnete mir jemand, dass ich mich ständig neu erfinden werden müsse, und das auf unterschiedlichste Weise. Man muss sich stets selbst herausfordern und neue Türen öffnen. In meinem Fall hat das mein Interesse auf jeden Fall wachgehalten. Es war ohne Zweifel künstlerisch gut für mich! ol Der Denker und Benediktinermönch David Steindl-Rast meinte einst, dass man die Welt nicht nur aus dem Intellekt heraus verstehen kann. Es braucht auch das Herz. Trifft das auch auf die Kunst zu? kl Das ist so richtig und wahr! Manchmal treffe ich Menschen, die vor einem Theater­ oder Opernbesuch eingeschüchtert sind, weil sie denken, nicht genug zu wissen und zu verstehen. Das Spannende ist aber, dass genau diese Menschen nach einem solchen Besuch tiefgründigere Dinge über einen Abend und ihr Erlebnis sagen können als eine Expertin. Denn manchmal sind wir alle so von einem intellektuellen Zugang eingenommen, dass es schwierig ist, sich einfach zurückzulehnen und Dinge aus einer kindlicheren Perspektive zu betrachten. Sie mit Staunen zu empfangen. Ja, es ist großartig, viel zu wissen. Und es ist großartig, dass es Menschen gibt, die sich einer Sache mit solcher Hingabe widmen können. Gleichzeitig aber darf man auch Erfahrungen machen, ohne sie zu zerdenken. Einfach fühlen und die Musik spüren! Ich finde es so aufregend, in einem Raum zu sein und die Schwingungen des Orchesters zu spüren, das Zusammenspiel zu erleben. Dieses gemeinsame Fühlen – es ist so mächtig! Und jede und jeder darf kommen und genießen!

KATE LINDSEYS BISHERIGE AUFTRITTE AN DER WIENER STAATSOPER

ARIADNE AUF NAXOS / Komponist (10-mal) – Debütrolle

DER ROSENKAVALIER / Octavian (3-mal)

DON GIOVANNI / Donna Elvira (15-mal)

FAUST / Siébel (-1mal)

IL BARBIERE DI SIVIGLIA / Rosina (4-mal)

IL RITORNO DʼULISSE IN PATRIA / Penelope (5-mal)

LʼINCORONAZIONE DI POPPEA / Nerone (9-mal)

LʼORFEO / Die Musik, Die Hoffnung, Echo (4-mal)

LA CLEMENZA DI TITO / Sesto (3-mal)

LE NOZZE DI FIGARO / Cherubino (3-mal)

ORLANDO / Orlando (5-mal)

12 DIE MUSIK SPÜREN
KATE LINDSEY als DIE MUSIK in L ’ ORFEO Foto MICHAEL PÖHN

BRILLANTER HOHENFLUG

ARIEL in THE TEMPEST Foto MICHAEL PÖHN

Die junge Sopranistin Caroline Wettergreen studierte in Norwegen und Dänemark und erobert seit einigen Jahren die Opernwelt. Sie singt an zentralen Häusern wie dem Royal Opera House, Covent Garden in London oder der Bayerischen Staatsoper in München, in Paris, Berlin und Glyndebourne, zu ihren Rollen zählen unter anderem die Königin der Nacht, Blonde, Zerbinetta und Gilda. In der Partie des Luftgeists Ariel gibt sie ihr Debüt an der Wiener Staatsoper.

OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT CAROLINE WETTERGREEN
CAROLINE WETTERGREEN Foto GERARD COLLETT

ol In Ihrer Biografie liest man, dass Sie mit zehn Jahren den Gedanken fassten, Sängerin zu werden. Wie kam das? War es eine plötzliche Eingebung?

cw Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau daran, aber ich weiß, dass die Musik von Anfang an ein wichtiger Teil meines Lebens war. So spielte ich seit meinem fünften Lebensjahr Klavier, sang seit meinem achten Lebensjahr in einem Chor. Dazu kommt, dass meine Mutter ein absoluter Opernfan ist. Daher war es fast naheliegend, dass ich Sängerin werden wollte. Und seither habe ich nie an einen anderen Beruf gedacht. Es war immer das Singen.

ol Also auch kein Plan B wie etwa Pilotin. cw Lustig, dass Sie das sagen! Wenn es nicht die Gesangskarriere geworden wäre, hätte mich tatsächlich der Beruf der Pilotin interessiert. Ich liebe alles, was mit dem Fliegen zu tun hat!

ol Aber es gab keine Krise, keine Zweifel, etwa als Teenager?

cw Die Krisen kommen eher im Studium oder wenn man sich entschließt, als freie Sängerin zu

wirken (lacht). Aber nein. Eigentlich war es immer ein sehr gerader Weg.

ol Eine Ihrer Paraderollen ist die Königin der Nacht. Bekommen Sie noch Herzklopfen, wenn es an die Koloraturen geht? Oder gehört das schon fast zum Alltag?

cw Nein, leider nicht. Ich wünschte, es wäre so! (lacht) Die Rolle der Königin der Nacht ist in vielerlei Hinsicht komplex, vor allem aber hat die Partie etwas, was sie schwierig zu singen macht –das haben mir auch viele meiner Kolleginnen bestätigt. Und: Es ist eine so bekannte Rolle! Das bedeutet, dass das Publikum ganz besondere Erwartungen mitbringt. Ich würde nicht sagen, dass ich extra­nervös bin, aber die Königin bringt schon einen gewissen Druck mit sich. Ich glaube nicht, dass ich jemals zu 100 Prozent entspannt sein werde, wenn ich die Partie singe.

ol Auch Ariel, der Luftgeist, den Sie in The Tempest singen, fördert keine 100prozentige Entspannung, oder? Es ist ja nicht nur der stratosphärische Gesang, sondern

16 BRILLANTER HÖHENFLUG
ARIEL in THE TEMPEST Foto MICHAEL PÖHN

auch die fast zirkushafte Artistik, die von der Inszenierung gefordert wird.

cw Ja, die Rolle ist eine doppelte Herausforderung! Ich bin gerade im Probenprozess und versuche, die Körperlichkeit dieser Rolle mithilfe der Musik zu entwickeln. Der Regisseur und die Choreographin hatten für die Produktion etwas ganz Spezielles im Kopf – das kann ich erfüllen, aber es ist sehr herausfordernd. Aber reden wir nächste Woche, wenn die Orchesterproben beginnen. Ich bin mir sicher, dass mein Gehirn kochen wird. Also, eigentlich kocht es jetzt schon…

ol Und wie sieht das in der gelebten Praxis aus? Nehmen Sie sich in jeder Saison eine fest definierte Auszeit? Einen Urlaub? cw Ich wünsche es mir zumindest! Ich plane regelmäßig Urlaub zu machen, aber es kommt dann oft nicht dazu. Derzeit bin ich in einer Phase meiner Karriere, in der ich wichtige, sich mir bietende Gelegenheiten ergreife und sie nicht aufgrund eines Urlaubs verfallen lasse. Doch davon abgesehen versuche ich, pro Jahr zumindest einmal richtig Urlaub zu machen. Damit meine ich nicht jene Form von Urlaub, in der man Noten und Auf­

»Wenn man eine Woche lang nicht joggen geht, spürt man es einfach in und an seinem Körper. Geht man hingegen jeden Tag oder jeden zweiten, dann fällt einem das Laufen leichter. Und so ist es auch mit der Stimme.«

ol Sie gestalten den Luftgeist Ariel. Wie klingt ein solcher in der Musik von Thomas Adès?

cw Eine gute Frage. Ariels Musik ist hoch. Nicht nur hoch, sondern extrem hoch. Das erzeugt den Eindruck von etwas Übernatürlichem, es ist nicht mehr menschlich. Das ist es, was Thomas Adès zeigen wollte: Ariel ist kein Mensch, sondern ein Geist.

ol Es gibt von Jascha Heifetz eine bekannte Aussage zum Thema Üben. Nach eigener Angabe merkte er es, wenn er einen Tag nicht übte. Bei zwei Tagen merkten es die Fachleute und nach drei das Publikum. Können Sie mit diesem Diagramm etwas anfangen?

cw Ich glaube, man merkt es eher selbst. Das ist einfach nachzuvollziehen, wenn man zum Beispiel an den Sport denkt. Wenn man eine Woche lang nicht joggen geht, spürt man es einfach in und an seinem Körper. Geht man hingegen jeden Tag oder jeden zweiten, dann fällt einem das Laufen leichter. Und so ist es auch mit der Stimme. Denn bei der Stimme handelt es sich ja auch um Muskeln, die wir benutzen und die trainiert werden müssen. Andererseits es ist auch wichtig zu verstehen, wo die Grenzen liegen. Denn die Stimme ist etwas Lebendiges, kein Instrument, das sich außerhalb des Körpers befindet. Wenn sie eine Pause braucht, dann muss man sie ihr auch geben. Es ist kontraproduktiv zu denken, dass eine Pause nichts bringt und man immer weiterüben muss –manchmal ist es besser sich auszuruhen als zu arbeiten.

nahmen mithat und dann doch arbeitet. Sondern so richtigen Urlaub, in dem ich nichts für meinen Beruf mache.

ol Wenn Sie sich einer Rolle wie Ariel nähern –woher nehmen Sie die Inspiration? Aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen? Aus der Literatur? Oder auch aus ganz anderen Dingen?

cw Natürlich brauche ich zunächst einmal die Noten, nur die Noten, um einen Überblick zu bekommen, was zu singen ist. Wenn ich die Partie musikalisch gelernt habe, binde ich weitere Dinge ein: Mit etwas Glück gibt es eine Aufnahme, die ich anhören kann. Da ich aber sehr viel zeitgenössische Musik mache, existiert eine solche nicht immer. Wenn ein Werk eine literarische Vorlage hat, lese ich diese. Und danach versuche ich, Inspiration aus anderen Elementen zu gewinnen: Ein Spaziergang in der Natur etwa ist wunderbar. Oder ein Besuch in einem Museum, denn das erweitert die Kreativität, die ja nicht nur aus der Musik entspringen kann.

ol Und hören Sie viel Musik? Nicht nur in der Vorbereitung, sondern ganz allgemein? cw Eigentlich gar nicht so viel. Aber natürlich, die Aufnahme vom Tempest habe ich in letzter Zeit sehr oft angehört… Dazu kann ich Ihnen eine schöne Geschichte erzählen. Ich habe eine Bekannte, eine Fotografin. Sie war nie in der Oper, sie hat absolut nichts mit Oper zu tun. Eines Tages bat sie mich um Beispiele von Musik, die ich singe. Ich gab ihr unter anderem den Tempest – und sie war so fasziniert! Nun hört sie laufend diese Oper, ist ganz von ihr gefangen. Ist das nicht großartig?

17 BRILLANTER HÖHENFLUG

AUF DEM SURFBRETT DURCHS PARADIES

Was macht ein Sänger in den Abendstunden, wenn er einmal keine Vorstellung, keine Probe hat und ihn dennoch eine unstillbare Sehnsucht nach Musik ergreift? Ich persönlich liebe in solchen Situationen das musenhaft inspirierende Eintauchen in den Kosmos einzelner Komponisten, allen voran eines Verdi, Bach, Bruckner, Beethoven oder Wagner. Am besten am Klavier. Hier packt mich dann die unbändige Lust, von Passage zu Passage zu springen, mir diese oder jene Stelle aus dem Klavierauszug »herauszuklopfen«, Details und Zusammenhängen nachzugehen und durchaus auch – mich selbst begleitend –einzelne Abschnitte meiner Partien zu singen. Mitunter hat Letzteres den praktischen Vorteil, dass ich auf diese Weise eine Art musikalische Hygiene betreibe und fallweise eingeschlichene Ungenauigkeiten bereinige, den Blick auf den Notentext schärfe und manches Vergessene wieder ins Bewusstsein zurückhole. Oder neue Erkenntnisse gewinne. Jedenfalls besitzen diese – im besten Sinne des Wortes einsamen –Abende einen gewissen paradiesischen Anstrich. Zugleich stelle ich mir in solchen Stunden gelegentlich selbst die berühmte Inselfrage, insbesondere in Bezug auf das WagnerŒuvre: Könnte ich mich, vor die Wahl gestellt, für den einen Klavierauszug entscheiden, den ich mit mir nehmen dürfte? Vermutlich wäre es Tristan und Isolde. Erstens aufgrund des hier zu findenden unerschöpflichen Reichtums an Harmonien, die eine Welt widerspiegeln, die doch so fern von unserer Realität ist. Und zweitens, weil der Tristan­Klavierauszug nicht ganz so dick ist wie beispielsweise jener der Meistersinger und sich besser im Rucksack verstauen lässt. Oder würde ich doch

18
GÜNTHER GROISSBÖCK

GÜNTHER GROISSBÖCK als KÖNIG MARKE in TRISTAN UND ISOLDE

eher den Parsifal einpacken, mit dessen Gurnemanz ich mich derzeit von allen Wagner­ Opern am eindeutigsten identifizieren kann? Zumindest besäße ich sehr gerne die Spiritualität und Weisheit dieser Figur. Andererseits möchte ich auch auf den Pogner in den Meistersingern nicht verzichten. Insbesondere nicht auf eine meiner Lieblingsszenen in dieser Oper – jene im zweiten Aufzug, in der Pogner mit seiner Tochter Eva dieses kleine, sehr persönliche Duett anstimmt, das in der wundervollen Phrase »Will einer Seltnes wagen« gipfelt. Da lässt eine Bühnenfigur tief in eine von ehrlichen Zweifeln verunsicherte Vaterseele blicken, die jede zuvor in der Öffentlichkeit zur Schau gestellte Gönnerhaftigkeit und jeden großspurigen Idealismus abgelegt hat. Aber auch das Bedrohliche, Dunkel­drängende in Hundings »Wunder und wilde Märe« aus der Walküre , diesen eigenartig energetischen Moment, möchte ich nicht missen. Es muss aber gar kein Ausschnitt aus einer meiner Rollen sein. Manchmal ertappe ich mich beim Wunschgedanken, nur einen Tag lang

19
AUF DEM SURFBRETT DURCHS PARADIES
als GURNEMANZ in PARSIFAL Foto MICHAEL PÖHN

einer anderen Stimmlage anzugehören, um eine dieser wunderbar ekstatischen Höhepunkte singen zu dürfen, mit der uns Wagner beschenkt hat: Den Liebestod im Tristan, die Waltrautenerzählung oder Brünnhildes Schlussgesang in der Götterdämmerung, Walthers Preislied in den Meistersingern. Ganz zu schweigen von den rein orchestralen Stellen wie dem Schluss der Götterdämmerung, die mich fast neidvoll an die Dirigenten und Orchestermusiker denken lässt, die sich hier schwelgerisch verausgaben dürfen. Einen Hauch dieser Ekstase finde ich dann doch wieder bei Gurnemanz im dritten Aufzug, wenn er Parsifals Segnung vollzieht, oder beim gemeinsamen Wach­auf­ Chor auf der Meistersinger ­Festwiese, wo Chor, Orchester

»Wagner war bekanntlich doch recht angetan vom Bellini’schen Belcanto und somit haben alle recht, die betonen, dass auch der Wagnergesang von der italienischen Gesangstechnik her kommen müsste.«

und Solisten eine Art Hymnus anstimmen, die mir jedes Mal Gänsehaut beschert.

In einer Zeit, in der neben vielem anderen auch die Zusammensetzung des Publikums im Wandel begriffen ist und zahllose Opern­Neulinge ihre Schwellenangst überwinden, um sich vorsichtig der Welt des Musiktheaters zu nähern, werden einem Sänger regelmäßig ganz elementare Fragen

gestellt. So zum Beispiel: »Wie würdest du Wagners Musik und seine Bedeutung in ein, zwei Sätzen zusammenfassen?« Ich fand ganz spontan zu einer Beschreibung, die ich auch nach späterem, wiederholten Nachdenken nach wie vor unterschreiben würde. Und diese lautet: »Wagner ist die beste und packendste Filmmusik aller Zeiten, die allein durch akustische Mittel den besten Film im Kopf des Zuhörenden zu produzieren vermag.« Schließlich hat Wagner ja nicht nur die Musik und die Oper, sondern sogar die weit nach seinem Tod sich etablierende Medienlandschaft nachhaltig mitgeprägt.

Eine weitere, wiederholt gestellte Frage junger Operninteressierter an mich betrifft den Wagner­ Gesang an sich und dessen grundsätzlichen Erfordernisse und Besonderheiten. Und hier überrasche ich vielleicht den einen oder anderen – zumindest im ersten Moment –, wenn ich mit einem geradezu kalenderspruchartigen Motto antworte, den ich tatsächlich gerne in jeden Wagner’schen Klavierauszug auf die erste Seite schreiben würde: »Liebe den Text!« Es bedarf nämlich einer richtiggehend leidenschaftlichen Hingabe an die Sprache als Klangkosmos, aus dem die Konsonanten wie Skulpturen

21 AUF DEM SURFBRETT DURCHS PARADIES

herausgeformt werden sollten. Wagner war bekanntlich doch recht angetan vom Bellini’schen Belcanto und somit haben alle recht, die betonen, dass auch der Wagnergesang von der italienischen Gesangstechnik her kommen müsste. Man denke beispielsweise in meinem Fach nur an die überaus schönen, kantablen Linien des Landgrafen Hermann im zweiten Akt des Tannhäuser im Verein mit seiner Nichte Elisabeth knapp vor dem Sängerwettstreit. Das, was aber die deutsche Sprache von der italienischen klar unterscheidet, ist eben die größere Bedeutung der Konsonanten. Es wäre allerdings grundfalsch, diese als Hindernisse der großen Linie, des Atemflusses, des Stimmlegatos zu verstehen. Mir fällt in diesem Zusammenhang ein schöner Vergleich ein: Man stelle sich eine große, schöne Meeresbucht mit vielen Felsen vor, in der man surfen möchte. Nun verstehe ich besagte Felsen nicht als gefährliche Stolpersteine, an denen man zerschellen kann, sondern als Möglichkeit, sich geschmeidig mit neuer Energie aufzuladen und abzustoßen, um auf der nächsten Welle weiterzusurfen. Die Konsonantengestaltung passiert also im Fluss des Atems und bekommt nicht zuletzt durch die bei Wagner oft zu findenden Stabreime eine ganz eigene Qualität. Vorausgesetzt, man beherrscht den Text auch wirklich. Oder hat ihn während der Vorstellung zumindest in greifbarer Nähe, wie ich 2013 bei meinem ersten, ungeplanten König Marke in einer Tristan und Isolde-Produktion an der Deutschen Oper Berlin. Es ging um ein doppeltes Einspringen an einem Wochenende. Ein erkrankter Kollege war ursprünglich am Samstag für den König Heinrich im Lohengrin und zusätzlich am Sonntag für den König Marke gebucht. Zunächst bekam ich die Anfrage, den König Heinrich zu übernehmen, was mit keinerlei Problemen verbunden zu sein schien. Kaum hatte ich aber bestätigt, kam sofort die Bitte, auch gleich den Marke dazu zu nehmen. Immerhin hatte ich den zweiten Aufzug in einer konzertanten Aufführung schon einmal gesungen. Den dritten jedoch bis dahin noch nie. Da dieser für den Marke aber nicht allzu umfangreich ist (wenn auch mit einigen unangenehmen Synkopen gespickt), sagte ich nach kurzem Zögern und voller Abenteuerlust zu, obwohl mir nur knapp zwei Tage fürs Einstudieren blieben. Mein Glück war der in dieser Inszenierung vorgesehene Gehstock des schon betagten Marke, dessen Rückseite ich mit dem Text und rhythmischen Gedankenstützen regelrecht vollpflasterte.

Ich habe den Auftritt geschafft, bin aber die ganze Zeit, in der ich auf der Bühne war, an meinem Gehstock gehangen, wie ein stark Sehbehinderter. Gerade dieser Aspekt schien aber eine besondere Wirkung gehabt zu haben, denn zwei Tage später las man in einer Kritik: »Noch nie hat man hier einen so innigen und ergreifenden König Marke erlebt, speziell im dritten Aufzug.«

Horizonterweiternd für meine Interpretationen sind aber nicht nur solche intensiven Überraschungen, meine eigene Regietätigkeit, die mir eine zusätzliche Perspektive auf die Werke ermöglicht oder die oben beschriebenen, fast meditativen Stunden am Klavier, sondern auch das gezielte Erkunden jener geographischen Landschaften, die in irgendeinem Zusammenhang mit den aufzuführenden Werken stehen. Sei es, weil sich die Eindrücke einer konkreten Umgebung auf irgendeine Weise in den Werken widerspiegeln, die ebendort komponiert wurden, sei es, weil gewisse Gegenden eine Stimmung, ein Aussehen vermitteln, die bestimmten Opernhandlungen zu entsprechen scheinen. Das von mir heißgeliebte und oft erwanderte Katharerland in Südfrankreich beispielsweise, insbesondere der Montségur, atmet in seiner karg­mystischen Anmutung exakt die Atmosphäre des ersten und dritten Parsifal­Aufzugs, also die der Gralsburg­Umgebung. Und wer mit dem Rad in den Dolomiten zu den Drei Zinnen, am Lago di Misurina vorbei, hinauffährt, dem könnte beim Anblick der dort zu sehenden atemberaubenden Gesteinstürme durchaus der zweite Walküren­Akt oder das zweite und vierte Bild im Rheingold einfallen – diese von Wagner als »Wildes Felsengebirge« bzw. »Freie Gegend auf Bergeshöhen« titulierte Szenerie. Ganz zu schweigen von der Weißgerbergasse in Nürnberg, deren Fachwerkhäuser den Besucher unmittelbar in die Zeit der Meistersinger zurückversetzen.

Aus all dem hier Geschilderten, diesen mannigfaltigen Gedanken, Eindrücken, Fragen, Erfahrungen auf Basis der aufzuführenden Meisterwerke, darf ich schlussendlich schöpfen, wenn ich die Bühne betrete und dem Publikum gegenüberstehe. Immer in der Hoffnung, etwas von diesem Reichtum, der mich selbst beglückt, weitergeben zu können.

22 AUF DEM SURFBRETT DURCHS PARADIES

Szenenbild

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

Foto MICHAEL PÖHN

RICHARD WAGNER

DIE MEISTERSINGER VON NURNBERG

19. 23. 26. 30. MAI

Musikalische Leitung PHILIPPE JORDAN Inszenierung KEITH WARNER Bühne BORIS KUDLIČKA Kostüme KASPAR GLARNER Licht JOHN BISHOP

Video AKHILA KRISHNAN Choreographie KARL ALFRED SCHREINER

Mit u.a. GEORG ZEPPENFELD / GÜNTHER GROISSBÖCK / WOLFGANG KOCH

MARTIN HÄSSLER / DAVID BUTT PHILIP / MICHAEL LAURENZ / HANNA-ELISABETH MÜLLER

CHRISTINA BOCK

23 AUF DEM SURFBRETT DURCHS PARADIES

MIT VERDI AUFGEWACHSEN

Giampaolo Bisanti zählt zu den bedeutendsten italienischen Dirigenten der Gegenwart. Neben seiner Tätigkeit als Chefdirigent der königlichen Oper WallonieLiège in Belgien ist er praktisch rund um den Globus auf den wichtigsten Bühnen zu Hause. Seit seinem fulminanten Debüt mit Macbeth im Jahr 2018 ist er auch an der Wiener Staatsoper regelmäßig zu erleben und wird nun gegen Saisonende noch zwei Werke seines Leibkomponisten Giuseppe Verdi dirigieren: Otello im Mai und Nabucco im Juni. Schon im Vorfeld gab der Vielbeschäftigte das nachfolgende Interview.

25
GIAMPAOLO BISANTI Foto CLARISSA LAPOLLAPH
MIT GIAMPAOLO BISANTI
ANDREAS LÁNG IM GESPRÄCH

al Verdis Spätwerk Otello und sein Frühwerk Nabucco könnten unterschiedlicher nicht sein. Wo sehen Sie dennoch Gemeinsamkeiten? Was hat sich bei Verdi in seinem schöpferischen Selbstverständnis sein Leben lang nie geändert?

gb Zwischen Nabucco, Verdis dritter Oper und Otello, seiner vorletzten Oper gibt es, wie Sie richtig sagen, enorme Unterschiede. Unterschiede in der musikalischen Sprache, im Stil, in der Orchestrierung, in

»Ich bin buchstäblich mit Verdi aufgewachsen, seit meiner frühesten Kindheit habe ich seine Musik gehört... egal, ob es sich beispielsweise um Traviata oder Aida oder Don Carlo handelt... die Melodien der unterschiedlichen Opern waren immer in meinem Herzen und meinem Geist präsent.«

der Verwendung bestimmter Harmonien... Wir sprechen hier genau genommen von »Universen«, die verschiedener nicht sein könnten. Die verbindende Gemeinsamkeit dieser beiden Meisterwerke ist jedoch Verdis unfassbares Theatertalent. Dieses zeigt sich in der Bedeutung, die die Dramaturgie der jeweiligen Oper für ihn hatte und nicht zuletzt in der Bedeutung des gesungenen Wortes, das für ihn in beiden Werken (und grundsätzlich in all seinen Opern) an erster Stelle in seinem kompositorischen Denken stand.

al Wenn Sie unerwartet auf einer unbewohnten Insel landen würden, welche der Verdi-Partituren könnten Sie aus dem Kopf rekonstruieren? gb Alle Opern, die ich bereits dirigiert habe, vor allem aber Macbeth. (lacht)

al Wie oft haben Sie als Dirigent noch ein Aha-Erlebnis in Bezug auf eines der Werke von Verdi?

gb Jedes Mal, wenn ich mir eines seiner Werke anhöre. Ich bin buchstäblich mit Verdi aufgewachsen, seit meiner frühesten Kindheit habe ich seine Musik gehört... egal, ob es sich beispielsweise um Traviata oder Aida oder Don Carlo handelt... die Melodien der unterschiedlichen Opern waren immer in meinem Herzen und meinem Geist präsent.

al Wenn Sie Ihre fünf Verdi-Highlights aus seinem Gesamtœuvre nennen müssten, was wäre Ihre Antwort?

gb Sein großartiges Requiem steht sicherlich für mich an erster Stelle... dann folgen La traviata, Don Carlo, Otello und Falstaff. al Das Staatsopernorchester wie das Publikum sind gleichermaßen von Ihren Dirigaten begeistert. Was macht einen guten Verdi-Dirigenten aus? Wie würden Ihrer Meinung nach die wichtigsten Grundregeln für einen Verdi-Dirigenten lauten?

gb Dieses Lob ist eine Ehre für mich und ich möchte es gerne zurückgeben: Ich liebe dieses Orchester, den Chor, überhaupt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses wunderbaren Theaters! Ob man allerdings die Frage, was einen guten VerdiDirigenten ausmacht, so einfach beantworten kann, weiß ich nicht. Ich glaube

26 MIT VERDI AUFGEWACHSEN
Foto LAILA POZZO

GIAMPAOLO BISANTI

GIUSEPPE VERDI OTELLO

13. 16. 20. MAI

Musikalische Leitung GIAMPAOLO BISANTI Inszenierung ADRIAN NOBLE Bühne & Kostüme DICK BIRD Licht JEAN KALMAN

Mit u.a. ANDREAS SCHAGER / IGOR GOLOVATENKO / NICOLE CAR / ALESSANDRO LIBERATORE

28

nicht. Dirigenten und Dirigentinnen, die sich der Oper verschreiben, sollten einige grundsätzliche Eigenschaften mitbringen, unabhängig vom Repertoire: Erstens ist eine äußerst exakte Vorbereitung unerlässlich – man kann nicht auf die Partitur schauen, wenn man dem Geschehen auf der Bühne folgen muss. Zweitens ist eine klare, einfache und »trockene « Zeichengebung empfehlenswert, damit sich alle im Orchestergraben und auf der Bühne entspannt und ohne Missverständnisse »geführt« fühlen . Drittens muss den Sängerinnen und Sängern ein gewisser Freiraum gelassen werden, damit sie sich selbst bestmöglich ausdrücken. Der Dirigent, die Dirigentin hat also alle auf der Bühne zu unterstützen, ihre besten Qualitäten zur Geltung zu bringen und ohne dass dabei aber die Intentionen des Komponisten auf der Strecke bleiben. Das ist ein Balanceakt, den man mit zunehmender Erfahrung und jeder neuen Produktion immer weiter »verfeinert«.

al Was hat Verdi von Rossini, Bellini und Donizetti gelernt?

gb Verdi fußt sehr intensiv auf dem italienischen Belcanto, insbesondere auf Donizetti. Die Stilsprache aller Produktionen Verdis, bis hin zur Trilogia popolare, also Traviata, Rigoletto, Trovatore, basiert eindeutig auf den italienischen Werken der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Achtsamkeit gegenüber der Gesangslinie, die Vorliebe für Variationen und für eine »geläufige Gurgel«, die formale Unterteilung der Szenen in Rezitativ­Arie ­ Cabaletta usw. sind unmittelbar von Rossini, Bellini und Donizetti übernommen. Vor allem von Letzterem lernte er außerdem, durch die Verwendung besonderer Harmonien und spezieller musikalischer Finessen »Atmosphären« zu schaffen.

»Der Dirigent, die Dirigentin hat alle auf der Bühne zu unterstützen, ihre besten Qualitäten zur Geltung zu bringen, ohne dass dabei die Intentionen des Komponisten auf der Strecke bleiben.«

al Was hat Puccini, gewissermaßen sein natürlicher Nachfolger auf dem italienischen Komponistenthron, von Verdi gelernt?

gb Jenes besondere Gespür – zweifelsohne die eigentliche Essenz des Musiktheaters –, Musik als Ausdrucksmittel für Situationen, Gefühle, Handlungen, kurz: für alles einsetzen zu können, was gerade auf der Bühne geschieht. Aber niemals nur als akustische Bebilderung, sondern immer im Hinblick auf den dramatischen Gesamtzusammenhang. al Hätten Sie, wenn Sie ihn treffen könnten, noch eine Frage an Verdi –vor allem in Bezug auf die Interpretation seiner Werke?

gb Nein, keine Frage! Das würde ich mir nie erlauben! Ich würde einfach sagen: Danke, Maestro!

al Wie sieht Ihre musikalische Vorbereitung am Tag einer Vorstellung aus?

gb Die Vorbereitung findet Monate vor einem Auftritt statt. Das befriedigendste Gefühl bei meiner Arbeit ist die Gewissheit, jede einzelne Note, die man aufführen muss, ganz klar im Kopf zu haben. Ich sage jungen Dirigenten und Dirigentinnen immer: Das Geheimnis, um das Lampenfieber zu überwinden, besteht darin, die Musik, die man aufführen muss, perfekt studiert zu haben!

GIUSEPPE VERDI

NABUCCO

8. 12. 15. 18. JUNI

Musikalische Leitung GIAMPAOLO BISANTI Inszenierung GÜNTER KRÄMER

Bühne PETRA BUCHHOLZ & MANFRED VOSS Kostüme FALK BAUER Licht MANFRED VOSS

Mit u.a. AMARTUVSHIN ENKHBAT / IVAN MAGRÌ / MARKO MIMICA ANNA PIROZZI / SZILVIA VÖRÖS

29 MIT VERDI AUFGEWACHSEN

WILL THERE BE SUGAR AFTER REVOLUTION?

»Wenn die Sonne scheint, scheint die Sonne! Ab jetzt weht hier ein frischer Wind!«, verspricht eine neue Stimme dem trauernden und wütenden Volk und lädt es ein, Teil der »Sugar Revolution« zu werden. Rasch findet diese neue Bewegung zahlreiche Unterstützer*innen, die sich verstanden und ernst genommen fühlen. Gemeinsam schaffen sie einen lebendigen Ort des Wohlbefindens, geprägt von vielfältigen Ideen und dem Wunsch nach neuen Lösungen auf langjährige Probleme. Das Großprojekt – der Bau eines Riesenventilators –wird enthusiastisch angegangen und erste Pläne dafür geschmiedet. Doch nicht jede*r ist überzeugt. Insbesondere der Besitzer des kleinen, feinen Friseursalons ist skeptisch: Merkt ihr nicht, was hier passiert?

Sugar Revolution ist die neue MusiktheaterPerformance des generationsübergreifenden CityLab ­Ensembles und feiert am 25. Mai 2024 auf der Eberhard­Waechter­Probebühne in der Wiener Staatsoper Premiere. Begleitet wird das Ensemble vom Bühnenorchester der Wiener Staatsoper.

Seit Oktober 2023 hat das Citylab­Ensemble, bestehend aus 25 Personen im Alter von elf und 70 Jahren, inspiriert von Alexander Raskatovs Oper Animal Farm und ihren eigenen Erfahrungen und kreativen Ideen an einem neuen Stück gearbeitet. Während der monatlichen Proben beschäftigte sich die Gruppe mit verschiedenen Themen, darunter Revolution und alltäglicher Widerstand, die Beziehung zwischen Tier, Mensch und Maschine sowie Demokratie, Autokratie und Manipulation. Die Ensemblemitglieder diskutierten verschiedene Definitionen von Gemeinschaft und allgemeinen Bedürfnissen, verfassten Arien und Sprechchöre darüber und präsentieren in performativen Szenen ihre eigenen Interpretationen der bekannten Rollen aus Animal Farm . Aus den Auseinandersetzungen entsteht nun im letzten Monat des Probenprozesses eine humorvolle, teilweise düstere Geschichte, die von Verlust und Versprechen handelt und die Fragen aufwirft: Wofür erhebe ich meine Stimme? Wann mische ich mich ein? Ab wann geht es mich etwas an?

→ Tickets für Sugar Revolution sind ab Anfang Mai 2024 auf der Website der Wiener Staatsoper erhältlich.

KÜNSTLERISCHES TEAM

Komposition & Musikalische Leitung

CARLOS CHAMORRO

Inszenierung & Stückentwicklung

KATHARINA AUGENDOPLER & KRYSZTINA WINKEL

KOSTÜM Anna Asamer

»If I have a dog my dog has a human.«
DONNA HARAWAY
30 KATHARINA AUGENDOPLER

Einblicke in die Probenarbeit des CITYLABENSEMBLES

Foto KATHARINA SCHIFFL

31 WILL THERE BE SUGAR AFTER REVOLUTION?

»Tanz ist für mich nichts anderes, als das Leben zu bejahen, wenn wir uns im Theater treffen – das Leben in seinem Absurden, seinem Schönen, seinem Traurigen. Es gibt kaum eine Metapher, die mehr gefüllt ist mit Energie als der Tanz. Tanz ist das Gegenteil von Tod.«

DUCCIO TARIELLO & MARCOS MENHA in MARCO GOECKES

FLY PAPER BIRD

Fotos ASHLEY TAYLOR

IM SIEBTEN HIMMEL

Als das Wiener Staatsballett im November 2021 die Premiere Im siebten Himmel in der Wiener Staatsoper herausbrachte, war die Presse begeistert: »Das Premierenpublikum wurde Zeuge eines Abends, der wieder bewiesen hat: Diese Truppe ist vom Feinsten«, schrieb Helmut Ploebst in Der Standard , und Isabella Wallnöfer ergänzte in Die Presse: »Das ist klassisches Ballett auf höchstem Niveau. Und das Zeitgenössische können sie auch.« Über das Verhältnis von Tanz, Musik und Sprache in dieser Produktion bemerkte Silvia Kargl im Kurier : »Große Kunst: oft vertanzte Musik, aber so eigenständig und doch mit Musik und Poesie verwoben wie noch nie.« Am 21. Mai kehrt das Programm für vier Vorstellungen auf den Spielplan zurück.

Marsch, Walzer, Polka ist ein ebenso humorvolles wie poetisches, schwelgerisches wie skurriles Wien­Ballett zu einer Auswahl der schönsten Walzer, Polkas und Märsche der Strauß­Dynastie – mit feiner Hand gezeichnet von Ballettdirektor Martin Schläpfer in den faszinierenden Kostümen der Wiener Modeschöpferin Susanne Bisovsky.

»Dass Schläpfer Marco Goecke zum ersten Mal nach Wien eingeladen hat, erweist sich als Glücksfall«, schrieb Helmut Ploebst über die Uraufführung, »denn so kann das Publikum wieder einmal erfahren, was passiert, wenn ein brillanter Choreograph auf eine Gruppe exzellenter Tänzer trifft. (...) Das ist Gegenwartsballett vom Feinsten.« Vom berühmten Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Symphonie sowie einem Gedicht Ingeborg Bachmanns ließ sich Goecke zu seiner Wiener Kreation Fly Paper Bird inspirieren und schuf einen Entwurf einer dystopischen Welt, deren Bilder unter die Haut gehen.

Ein choreographischer »Kristallpalast« ist dagegen George Balanchines Symphony in C zu der gleichnamigen Jugendsymphonie Georges Bizets: ein Ballett, das ein großes Ensemble mit bezaubernder Brillanz und höchster Virtuosität auf die Bühne bringt. Tanz pur, ganz geboren aus der Musik.

»Es kann aufregend sein, auf der Musik zu reiten, ihre Komplexität im Körper und im Menschen visuell darzustellen. Doch es geht nicht darum, sich mit der Musik zu verbrüdern. Es ist dann Kunst, wenn man sich in der Kontrolle verliert.«
MARTIN SCHLÄPFER
33

ESZTER LEDÁN & IGOR MILOS in MARTIN SCHLÄPFERS MARSCH, WALZER, POLKA

SCHLÄPFER / GOECKE / BALANCHINE

IM SIEBTEN HIMMEL

21. 24. 31. MAI 3. JUNI

Musikalische Leitung FAYÇAL KAROUI

Choreographie MARTIN SCHLÄPFER, MARCO GOECKE, GEORGE BALANCHINE © THE SCHOOL OF AMERICAN BALLET

Musik JOHANN STRAUSS (VATER & SOHN) & JOSEF STRAUSS, GUSTAV MAHLER, GEORGES BIZET Bühne & Kostüme SUSANNE BISOVSKY, THOMAS MIKA, STEPHANIE BÄUERLE Licht ROBERT EISENSTEIN, UDO HABERLAND WIENER STAATSBALLETT / JUGENDKOMPANIE DER BALLETTAKADEMIE ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER

34

»Ballett ist immer eine Sache der Zeit und des Raumes –der Raummaße der Bühne und der Zeitmaße der Musik, zu der sich die Tänzer bewegen.

Gute Ballette bewegen sich in den strengen Maßen von Zeit und Raum wie die Planeten.«

& ENSEMBLE in GEORGE

SYMPHONY IN C

35
IM SIEBTEN HIMMEL
LIUDMILA KONOVALOVA, ALEXEY POPOV BALANCHINES NICOLE
CAR als MARGUERITE in FAUST mit KATE LINDSEY & MONIKA BOHINEC Foto MICHAEL PÖHN

IM MAI

VIELSCHICHTIG

Mit seiner Faust ­ Inszenierung hat Frank Castorf ein Meisterwerk an Vielschichtigkeit, Verweisen und szenischer Eindringlichkeit geschaffen: Fernab romantischer Klischees zeigt er eine – mit Live­Video durchsetzte – Gedankenwelt, die reich an Assoziationen und Querverbindungen ist, ohne die eigentliche Geschichte zu vernachlässigen. Auf der Bühne erlebt man ein raffiniertes Mini­Paris, das eng geschichtet unterschiedliche Spielorte wie Café oder U­Bahn­ Station bietet. Die Mischung aus räumlicher Kompaktheit mit gedanklicher Weitläufigkeit eröffnet ein Theateruniversum, das so eindrücklich ist wie es zum Sinnieren einlädt. Und so gelingt mit dieser Arbeit ein Opernabend, der auf verblüffende Weise Charles Gounods geniale Musik mit einem reichhaltigen Schau­ und Nachdenkvergnügen mischt. Besonders auch, wenn eine Sängerin wie Nicole Car die Marguerite gibt und dabei in Herzens­ und Seelentiefen blicken lässt und ein weltweit führender Tenor wie Piotr Beczała die Titelfigur singt. Am Dirigentenpult: Bertrand de Billy.

ÜBER-

WÄLTIGEND

Andreas Schager: Ein Tenor, dessen stimmliche Ausdruckskraft und Energie an Einzigartigkeit grenzen. Für viele ist er eine Idealbesetzung der schwierigsten Tenorpartien, Wagners Siegfried und Tristan singt er mit ebenso großer Publikumszustimmung wie den Kaiser in Richard Straussʼ Die Frau ohne Schatten. Kein Wunder, dass er international in seinem Fach zu den gefragtesten Künstlern zählt und zwischen Bayreuth, München, London, Berlin, New York, Mailand, Dresden und Paris pendelt. Dass Andreas Schager neben den Wagner­ und StraussPartien auch als Fledermaus­Eisenstein, als Liedsänger und in zahlreichen anderen Rollen auf der Staatsopernbühne stand und steht, darf nicht vergessen werden. Nun ist er im Haus am Ring erstmals in einer italienischen Partie zu erleben: als Otello in der gleichnamigen Oper von Giuseppe Verdi.

NEUE SPIELZEIT

Am 28. April präsentierte StaatsopernDirektor Bogdan Roščić auf der Bühne des Hauses – und vor Live­Fernsehkameras – den Spielplan der kommenden Saison. Mit dabei: Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Dirigent Asher Fisch, Sängerinnen und Sänger, das Wiener Staatsballett, Musikdirektor Philippe Jordan, Ballettdirektor Martin Schläpfer und Regisseurinnen und Regisseure. 2024/25 bringt sechs Opernpremieren ( Don Carlo, Fin de partie, Iolanta, Norma, Die Zauberflöte und Tannhäuser, zwei Ballettpremieren (The Winter’s Tale und Pathétique), zahlreiche Wiederaufnahmen und ein weites Repertoire. Und es wird eine neue Spielstätte im Künstlerhaus eröffnet, die Theaterraum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bieten wird. → Alle Informationen auf wiener­staatsoper.at

37 SCHLAGLICHTER
ANDREAS SCHAGER KS PIOTR BECZAŁA SAISONBUCH 2024 / 2025 Fotos JULIA WESELY (Beczała) DAVID JERUSALEM ( Schager )

POGROM UND PRUGEL

Wie Wagners Meistersinger als Legitimierung antisemitischer Gewalt in die Gründungserzählung der Zweiten Republik eingebaut wurden

Als Österreich 1955 das Ende der alliierten Aufsicht als eigentliche Neugründung des Staates inszenierte, war die Eröffnung der Staatsoper (neben jener des Burgtheaters) der prominenteste Anlass zur Selbstdarstellung und Selbsterfindung. Dass mit Karl Böhm ein prominenter ehemaliger Nationalsozialist im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, war ein klares Signal der Anknüpfung an die NS ­Kulturpolitik, wie zeithistorische Forschungen in den letzten Jahrzehnten offengelegt haben. Böhm war schon einmal Direktor der Staatsoper gewesen, aber 1945 abgesetzt worden, was er jedoch in seiner Eröffnungsrede zehn Jahre später weder verschwieg noch herunterspielte. Vielmehr verdrehte er den Neuanfang zur Fortsetzung. Vor den Mikrofonen für das Publikum im Haus und an den Radiogeräten erklärte Böhm offen: »Mich [beflügelte] wohl auch der Gedanke, dass ich schon damals, als dieses Haus den Kriegsbomben zum Opfer fiel, als Direktor an der Spitze des Institutes stand. Dass also durch meine Person gewissermaßen eine

Kontinuität hergestellt erscheint, die vom Gestern zum Heute hinüber führt.« Neben solchen personellen Verbindungen prägen die Produktion des Gründungsmythos nach der Staatsvertragsunterzeichnung auch musikalische Rückbezüge. Am Programm des Abends zur Eröffnung stand Beethovens Fidelio, der schon als Festvorstellung zum »Anschluss« an NS ­Deutschland im März 1938 erklungen war.

Die ersten Takte, die öffentlich im neuen Haus am Ring erklangen, stammten aber nicht aus Fidelio : Am Vormittag des Eröffnungstages setzte Böhm zum offiziellen Festakt vielmehr (nach kurzen Stücken von Franz Schmidt und J. S. Bach) Wagners Meistersinger zentral und schloss mit Johann Strauß’ An der schönen blauen Donau ab. In dieser Dreifaltigkeit von Wagner­ Strauß ­Beethoven spiegeln sich die drei zentralen Prämissen der Selbstdarstellung Österreichs am Beginn der Zweiten Republik. Die Referenz auf Strauß und (den austrifizierten) Beethoven betonte die Unterschiede zu Deutschland in den beiden

38 STEFAN BENEDIK

Aufnahme der Installation THE MISSING IMAGE von RUTH BECKERMANN Foto ROBERT NEWALD, PICTUREDESK.COM

Stereotypen österreichischer Gemütlichkeit bzw. kulturelle Überlegenheit. Als Gegenbild zum preußisch Exakten war Strauss und das Klischee der Wiener Walzerseligkeit nach 1945 unverzichtbar. Bis heute firmiert diese Selbstbeschreibung unter unterschiedlichsten Überschriften (»Ein Land, das zu leben versteht«, heißt es im aktuellen Markenkonzept der Österreich Werbung) als ein Kern von Österreichvorstellungen. Beethoven wiederum versinn­

bildlicht ideal als »großer Österreicher«, als einer der vielbesungenen »großen Söhne«, die »Kulturgroßmacht«.

Aus heutiger Perspektive bedarf nur einer Erklärung, dass Böhm in einem so volatilen Moment der nationalen Selbstdarstellung (noch dazu für den feierlichen Höhepunkt nach der offiziellen Schlüsselübergabe) Richard Wagner wählte und aus dessen Werk noch ausgerechnet die Ouvertüre der antisemitischen konnotierten

39
POGROM UND PRÜGEL

Aufnahme der »FESTWIESE « im dritten Akt der MEISTERSINGER ­ Inszenierung an der WIENER STAATSOPER vom Herbst 1955 Foto UNBEKANNT, Bildarchiv & Grafiksammlung der ÖSTERREICHISCHEN NATIONALBIBLIOTHEK

Meistersinger von Nürnberg. Dieses »deutscheste aller Werke« widerspricht dem Prinzip der österreichischen Abgrenzung zu Deutschland. 1955 schien das jedoch nur Theorie der Österreichideologie, deren Kanon noch nicht gefestigt war: Wagner symbolisierte die für das zeitgenössische Publikum weitgehend unwidersprochene Zugehörigkeit zu einer »deutschen Nation«. Entsprechend sah sich Böhm auch veranlasst, in seiner Eröffnungsrede die Entscheidung für Strauß zu rechtfertigen, nicht jene für Wagner (sein Argument war ganz im Gegenteil,

dass Wagner selbst den Walzerkönig schon neben sich geduldet hätte).

Es ist aber nicht einfach irgendein 1955 noch verbindliches, selbstverständliches Bekenntnis der Zugehörigkeit zur »deutschen Nation«, das die Meistersinger als ideale Wahl erscheinen ließ. Die Wiener Wagnervereine hatten zum Zeitpunkt der Staatsoperneröffnung 1955 schon 80 Jahre lang die Auseinandersetzungen um diese Oper in Wien zum großen Schauplatz zwischen »echter« – das heißt immer »deutscher« –Kunst und ihren angeblichen Feindinnen

40

wie Feinden stilisiert – mit stark antisemitischen Untertönen. Unmittelbar nach der Schoa im Speziellen und der NS ­Massengewalt im Allgemeinen hatte das Werk aber noch eine neue Dimension. Vielsagend klingt schon aus älteren Kritiken an Meistersinger ­Aufführungen heraus, dass die »gesetzte deutsche Festheiterkeit« untrennbar mit Gewalt verknüpft ist – die Neue Freie Presse bemängelte schon in ihrer berühmten Kritik der Wiener Erstaufführung 1870 etwa, dass die »Prügelszene« im zweiten Akt dem Charakter einer unterhaltsamen Oper widersprechen würde. Humor entsteht aus der Brutalität dann, wenn in Beckmesser eine sprichwörtliche Witzfigur gesehen wird, gegen die Gewalt legitim ja, notwendig sei. Beckmesser personifiziert die Angriffsfläche des Wagnerschen Antisemitismus in Reinform als das Gegenbeispiel von »Echtheit«, stellen doch seine Imitationsversuche auf niedrigem Niveau angesichts der dahinterstehenden Zerstörungsabsicht eine Bedrohung dar, so die klassische Täter­ Opfer­Umkehr. (Die Intention des antisemitisch imaginierten Jüdischen, formuliert Wagner ausdrücklich, sei, sich der deutschen Geistesleistung »zu bemächtigen, aber nur, um [sie] zu zersetzen«.) In den Meistersingern legitimiert Wagner antisemitische Gewalt aber nicht allein mit den vorgestellten Angriffen auf die »deutsche Kultur« oder das »deutsche Wesen« (durch Zerstörung ihrer »Echtheit«). Ebenso erzählt Wagner vom Angriff auf die (sexuelle) Integrität der »deutschen Frau«, also die Bedrohung der rassistisch gedachten »nationalen« Reproduktionsfähigkeit. Zum Zeitpunkt der Aufführung der Meistersinger 1955 waren dem Publikum diese beiden Grunderzählungen des Rassenantisemitismus des 19. Jahrhunderts unmittelbar gegenwärtig: In der obszönen NS ­Propaganda hatten sie eine Schlüsselrolle gespielt, um Massengewalt zu legitimieren. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft aber verkannte oder verneinte die Kulturpolitik die Vorgeschichte und Legitimierung der Schoa in der antisemitischen Kulturproduktion des 19. Jahrhunderts grundsätzlich. Wagner blieb grosso modo in den Spielplänen präsent – auch in Wien. Dieser lange Atem verknüpft die Eröffnung der Staatsoper 1955 erneut mit dem vermeintlich »triumphalen« Moment der NS ­Machtübernahme 1938: Das Nürnberger Vorbild lässt sich in der Kulisse des Heldenplatzes ebenso erkennen wie die lokale Färbung als »riesiger Heuriger« (Merz/Qualtinger). Unbestritten hatte der Festtaumel wie in den Meistersingern öffentliche Gewalt zur Voraussetzung: Im Schatten des Heldenplatzes wurde Wien zur ersten Stadt im nationalsozialistischen Deutschen Reich, in der massenhaft Menschen als Jüdinnen und Juden attackiert und durch Straßenwaschen gedemütigt

wurden – mit Heidemarie Uhl gesprochen der »Auftakt zur Schoa«. Für den Zusammenhang zu den Meistersingern ist ein oft übersehendes Detail dieser Pogrome aufschlussreich: Die Gewalt zielte vor allem auf den Effekt der öffentlichen Erniedrigung ab, sie suchte die Satire in der Brutalität –entsprechend werden die Anschlusspogrome noch heute im Wiener Kontext euphemistischbelustigend meist als »Reibpartien« bezeichnet. Im einzigen bekannten Laufbildmaterial dieser Gewaltaktionen nimmt die Kamera die Heiterkeit der Umstehenden, des Publikums der Szene, auf. Die Künstlerin Ruth Beckermann (siehe Seite 39) hat diese Bilder von beinahe hysterisch lachenden Personen hellsichtig als Leerstelle im kulturellen Gedächtnis identifiziert und gefordert, dass das Bild der straßenwaschenden, erniedrigten Judenfigur eben um die unmittelbar und mittelbar Verantwortlichen ergänzt werden muss, um das Framing von Gewalt als Unterhaltung, des Pogroms als »Hetz« (Merz/Qualtinger) erklären zu können. Dieses einzigartige filmische Dokument ist daher auch als zentrales Objekt zum März 1938 in der Hauptausstellung im Haus der Geschichte Österreich zu sehen.

So, wie die Nürnberger Festwiese das öffentliche Verdreschen der Beckmesser­Figur und ihre öffentliche Erniedrigung voraussetzt, ist der »Triumph« in der Neueröffnung der Wiener Staatsoper vor 79 Jahren nicht zu trennen von Nationalsozialismus und Antisemitismus, deren Vertreter und Vertreterinnen zu diesem Zeitpunkt wieder in die Büros und die Direktion dieses Hauses und in die Schaltzentralen der Kulturpolitik der jungen Zweiten Republik insgesamt zurückgekehrt waren. Dass das wichtigste Opernhaus des Landes mit jener Musik eingeweiht wurde, die auf ein regelrechtes Reenactment der Anschlussprogrome als erheiternde »Prügelszene« hinausläuft, zeigt, wie sicher sie sich ihrer Sache waren. Die Heiterkeit der Nürnberger Stadtbevölkerung spiegelte dem Publikum 1955, 17 Jahre danach, die Heiterkeit der Wiener Schaulustigen der »Reibpartien« 1938. Die legitimierende Inszenierung antisemitischer Gewalt wurde zu einem zentralen Moment im inoffiziellen Gründungsakt der Zweiten Republik als »Kulturnation«.

Die vollständige Rede von Karl Böhm zum Festakt anlässlich der Eröffnung der Staatsoper 1955 können Sie hier nachlesen und nachhören → hdgoe.at/oper1955

Der Autor dankt seinen Kolleg*innen aus dem Forschungsprojekt ACONTRA, die die erhaltenen Aufnahmen der österreichischen Radiosender 1945–1955 derzeit wissenschaftlich erschließen und bearbeiten, für Hinweise und Diskussion.

41 POGROM UND PRÜGEL
»Ich bin alle meine Rollen. Ich spiele niemals etwas…«

ASMIK GRIGORIAN

ASMIK GRIGORIAN

Foto TIMOFEI KOLESNIKOV

EREIGNISHAFT

»Oper ist an sich pure, unkontrollierte
Emotion. Die brauchen Sie, wenn Sie in einer Rolle glaubwürdig sein wollen.«

Das behauptete Asmik Grigorian in einem Interview der Frankfurter Rundschau nicht nur – sie lebt es auch. Mit jedem Auftritt, mit jeder Rolle. Und gerade darum sind ihre Figurenschöpfungen stets auch von großer plastischer Kraft getragen, von einer emotionalen Ausdeutung, von einer atemberaubenden Intensität. Alles, nur kein Alltag!

Eine kleine Geste von Manon Lescaut. Ein Blick von Cio­ Cio­San. Turandots Angst und Liebe: allesamt bannende Augenblicke, die einen nicht mehr loslassen. Die Sängerin spricht den Kopf an, mehr aber noch Herz und Gefühl: Was sich mit ihr auf der Bühne ereignet, ist pures Emotionstheater.

Wer einmal erlebt hat, mit welcher Hingabe sie sich einem Probenprozess hingibt, wie sie in der Musik und den Figuren aufgeht und sich an deren Gestaltung emotional geradezu verausgabt, kann nur zutiefst beeindruckt sein. Grigorian versteht es, ihren Auftritten eine bannende Unbedingtheit zu geben, die das eigentliche Geheimnis des Theaters ist: Denn da steht tatsächlich keine Sängerin auf der Bühne, sondern ein Mensch mit all den Abgründen und Höhenflügen.

Nun gestaltet Grigorian erstmals ein Konzert an der Staatsoper, Titel: A Diva is born Zu hören sind Werke von Puccini, Lady Gaga, Ravel, Gershwin, Bernstein, Reynaldo Hahn, Hyung­ki Joo – und viele weitere vokale Überraschungen.

A DIVA IS BORN

28. Mai 2024

ASMIK GRIGORIAN / HYUNG-KI JOO

TURANDOT

1. / 4. / 7. / 10. Juni 2024

43 KONZERT

DIE SAMMLUNG HISTORISCHER STREICHINSTRUMENTE

EIN KLINGENDER BELEG

FÜR DAS ENGAGEMENT DER OENB

Die OeNB engagiert sich neben ihren Kernaufgaben als Notenbank der Republik Österreich auch für die heimische Kunst und Kultur. Mit ihrer Sammlung historischer Streichinstrumente leistet die OeNB einen wichtigen Beitrag dazu, die Klangfülle in der österreichischen Musiklandschaft zu bewahren und zu bereichern.

Der Grundstein für diese Sammlung wurde 1989 gelegt. Anlässlich der Herausgabe der ersten österreichischen Goldanlagemünze Wiener Philharmoniker im selben Jahr wurde die Bankleitung durch den intensiven Kontakt mit Musiker:innen auf den zunehmenden Ausverkauf hochkarätiger Streichinstrumente an Privatsammlungen aufmerksam – diese Instrumente verschwanden in Tresoren und verstummten. Kurzerhand entschloss sich die OeNB in einem visionären Schritt zum Ankauf von drei Instrumenten, um einen Beitrag zur langfristigen Sicherung des musikalischen Kulturerbes zu leisten.

Den Schwerpunkt der Sammlung bilden Instrumente des klassischen italienischen, französischen sowie österreichischen Geigenbaus. Der Zugang zu diesen Meisterstücken bleibt künftigen Generationen von Musikliebhaber:innen und Wissenschaftler:innen dank der Sammlungstätigkeit der OeNB erhalten. Mittlerweile besteht die Sammlung aus 45 hochwertigen Instrumenten, darunter neun Violinen von Antonio Stradivari, zwei Violinen von Giuseppe Guarneri del Gesù sowie eine Violine des großen Tiroler Geigenbauers Jacob Stainer.

Voraussetzung für einen Ankauf war immer die herausragende Qualität der Instrumente, doch der Fokus wurde nicht auf bestimmte Geigenbaumeister gelegt. Im Gegenteil: Um der Vielfalt im Geigenbau Rechnung zu tragen, wurden Instrumente der verschiedenen Schulen erworben. Neben den berühmtesten Meistern der Cremoneser Schule – Antonio Stradivari oder Giuseppe Guarneri del Gesù – finden sich in der Sammlung auch Violinen von Santo Serafin aus Venedig, Instrumente von Ferdinando und Alessandro Gagliano aus der neapolitanischen Schule und Instrumente von Jean­Baptiste Vuillaume aus Paris.

44 CHIARA GALBUSERA

SEBASTIAN BRU

Solocellist der WIENER

PHILHARMONIKER

mit einem der kostbaren Instrumente

Foto LUKAS BECK

Daher umfasst die Sammlung Instrumente mit einer großen Bandbreite an Formen und Klangfarben. Für Wissenschaftler:innen erschließt sich dadurch die Möglichkeit, unterschiedliche Instrumente mit subtilen Variationen bei den f­Löchern, Wirbeln oder Randeinlagen zu vergleichen. Musiker:innen hingegen schätzen die Vielfalt des Klangs und der tonalen Merkmale.

Dieses breite klangliche Spektrum spiegelt sich auch in der Vielfalt der Leihnehmer:innen wider. Denn der OeNB ist es ein großes Anliegen, die Instrumente nicht im Tresor ruhen zu lassen, sondern sie ständig Musiker:innen zu Verfügung zu stellen. Mitglieder bedeutender österreichischer Orchester wie die Wiener Philharmoniker und Kammermusikensembles, aber auch viele Solist:innen konzertieren auf Instrumenten aus dieser Sammlung. Seit dem Jahr 2019 gibt es zudem ein spezielles Förderprogramm

für hervorragende Studierende der österreichischen Musikuniversitäten, um sie gezielt bei der Teilnahme an Wettbewerben und beim Aufbau ihrer Karriere zu unterstützen.

Der Klang der Instrumente aus der Sammlung der OeNB ist in verschiedenen Formaten, nicht nur bei Opernaufführungen in der Staatsoper, zu hören: Die Konzertreihe Ö1 Musiksalon, eine Kooperation mit dem ORF, bringt die Instrumente und ihre Leihnehmer:innen in die Bundesländer, während eine eigene CD ­Produktion den Klang der Sammlung dank Streaming­ Option in alle Welt trägt. Eine genaue Beschreibung der Instrumente ist zudem auf der Homepage der OeNB zu finden.

→ Chiara Galbusera ist Kuratorin der historischen Streichinstrumentensammlung der Oesterreichischen Nationalbank

45

FASHION MEETS OPERA

Kooperation mit der KUNSTMODEDESIGN HERBSTSTRASSE

46
27. MAI Konzept MAHSHAD SAFAEI & KRYSZTINA WINKEL Saxophone, Live ­Electronics & DJ AARON HADER Musik BÜHNENORCHESTER DER WIENER STAATSOPER In

FASHION MEETS OPERA

IN DIESER NACHT GEHÖRT DIE WIENER

STAATSOPER JUNGEN NACHWUCHSDESIGNERINNEN & MODESCHÖPFERN & FEIERWÜTIGEM JUNGEN PUBLIKUM!

Es gibt viele bunte Wege, Menschen für Oper zu begeistern. Das Vermittlungs­ und Outreach­Programm der Wiener Staatsoper bietet in verschiedenen Formaten Menschen jeden Alters Gestaltungsmöglichkeiten. Bisher bezogen sich jene primär auf das Theatermachen und Tanzen selbst. Fashion meets Opera ändert das und stellt »Kleidung« und den Raum »Opernhaus« selbst in den Vordergrund eines neuen Projektes:

In Kooperation mit der KunstModeDesign Herbststraße wurden rund 35 Designer*innen eingeladen, sich kreativ mit Mozarts Oper Così fan tutte, die im Juni Premiere im Haus am Ring feiert, auseinanderzusetzen. Inspiriert durch die Themen, Musik und Figuren dieses Opernklassikers, aber vor allem auch durch die Spannungsfelder, denen die Künstler*innen in Bezug auf das Werk in eigener kritischer Auseinandersetzung mit jenem begegneten, haben sie eigene Kreationen entwickelt, in denen mal Street Style, mal Haute Couture nun auf »Opera« trifft.

Nach einem Workshop mit dem Outreach­Team und der Dramaturgie besuchten die Künstler*innen den Kostümfundus der ArtforArt und verwendeten Versatzstücke vergangener Opern­ und Tanzproduktionen für die Weiterentwicklung ihrer eigenen Kleidungsstücke. Die Ergebnisse werden nun am 27. Mai 2024 auf der Feststiege der Wiener Staatsoper und im Schwindfoyer vor Publikum präsentiert. Aber wie?

Fashion meets Opera verbindet Modenshow und Clubbing. Das junge Publikum erwartet ein elektrisierender Zweiteiler: Die Models erobern den besonderen Laufsteg rund um die berühmte Feststiege zu Live­Electronics des Saxophonisten und DJ Aaron Hader und musikalischen Interventionen des Bühnenorchesters der Wiener Staatsoper.

Nach dem Event ist vor der Party: Unter dem Motto »Drinks & Strings« öffnet die Wiener Staatsoper im Anschluss an die Fashion­ Show ihre Prunkräume erstmals für ein Clubbing Event für junges Publikum. Drinks & Strings hält, was es verspricht: Neben musikalischen Highlights wird man kulinarisch nicht nur mit (Long­)Drinks und Snacks verwöhnt. Junge Erwachsene sind in dieser Nacht eingeladen, beim Socializen mehr über die Arbeiten der Designer*innen zu erfahren, zu tanzen, sich mit der 360°Cam ablichten zu lassen und die Räume der Wiener Staatsoper für sich (neu) zu entdecken.

→ Tickets Fahsion meets Opera & Fashion meets Opera Aftershow / Drinks & Strings wiener­ staatsoper.at/kalender

47 KRYSZTINA WINKEL

DEBUTS

HAUSDEBÜTS

THE TEMPEST 9. MAI 2024

CAROLINE WETTERGREEN Ariel

Als eine der bedeutendsten Koloratursopranistinnen ihrer Generation, wird Caroline Wettergreen weltweit von Publikum und Presse gefeiert. 2023/24 umfasst u.a. La Fée (Cendrillon) und Leticia Meynar (The Exterminating Angel ) an der Pariser Oper sowie Königin der Nacht ( Die Zauberflöte) an der Bayerischen Staatsoper. Zuletzt sang sie wiederholt in München und Paris, an der Berliner Staatsoper, am Londoner Royal Opera House, Covent Garden, beim Glyndebourne Festival, an der Königlichen Dänischen Oper, an der Norwegischen Nationaloper und an der Canadian Opera Company.

JAMES LAING Trinculo

Der Countertenor James Laing hat an der Royal Opera in London, Early Opera Company, English National Opera, Garsington Opera, Scottish Opera, Welsh National Opera, beim Glyndebourne Festival Oper und The Grange Festival gesungen. Zu seinen internationalen Engagements gehörten Produktionen an der Den Jyske Opera, Opéra de Nice, Opera North, Korea National Opera, Semperoper, Zürcher Oper, Isländischen Oper, bei den Göttinger Festspielen, am Theater Aachen und beim Copenhagen Opera Festival.

13. MAI 2024

ALESSANDRO LIBERATORE Cassio

Der mehrfach preisgekrönte Tenor Alessandro Liberatore – Schüler von Luciano Pavarotti – ist weltweit vorwiegend im italienischen Fach zu hören. So unter anderem als Ismaele ( Nabucco), Rodolfo (La bohème), Alfredo (La traviata), Riccardo (Un ballo in maschera), Pinkerton ( Madama Butterfly), Cassio (Otello), Macduff ( Macbeth), Tito (La clemenza di Tito) und Lucio Silla. Dazu kommen Erfolge als Werther, Sänger (Der Rosenkavalier) oder Nicias (Thaïs). Zuletzt war er am Teatro di San Carlo als Cassio in Otello zu sehen.

ROLLENDEBÜTS

LE NOZZE DI FIGARO 7. MAI 2024

DAVIDE LUCIANO Figaro

SLÁVKA ZÁMEČNÍKOVÁ Susanna

DARIA KOLISAN* Barbarina

THE TEMPEST 9. MAI 2024

FRÉDÉRIC ANTOUN Caliban

KATE LINDSEY Miranda

HIROSHI AMAKO Ferdinand

TOBY SPENCE King of Naples

DANIEL JENZ Antonio

MICHAEL ARIVONY Sebastian

KS WOLFGANG BANKL Gonzalo

OTELLO 13. MAI 2024

GIAMPAOLO BISANTI Musikalische Leitung

ANDREAS SCHAGER Otello

IGOR GOLOVATENKO Jago

STEPHANO PARK* Lodovico

NICOLE CAR Desdemona

MARGARET PLUMMER Emilia

DIE MEISTERSINGER 19. MAI 2024 VON NÜRNBERG

GEORG ZEPPENFELD Hans Sachs

GÜNTHER GROISSBÖCK Veit Pogner

JACK LEE* Konrad Nachtigall

NORBERT ERNST Augustin Moser

SIMONAS STRAZDAS* Hans Schwarz

STEPHANO PARK* Hans Foltz

IM SIEBTEN HIMMEL 21. MAI 2024

FAYÇAL KAROUI Musikalische Leitung

FLY PAPER BIRD

SONIA DVOŘÁK Tänzerin

SYMPHONY IN C

TIMOOR AFSHAR Solist, IV. Satz

DAS VERFLUCHTE 22. MAI 2024 GEISTERSCHIFF

KS CLEMENS UNTERREINER Holländer

FAUST 22. MAI 2024

STEFAN ASTAKHOV Valentin

JUSUNG GABRIEL PARK* Wagner

PATRICIA NOLZ Siébel

DAS VERFLUCHTE 28. MAI 2024 GEISTERSCHIFF

THOMAS EBENSTEIN Erik

/ Laing)

(Liberatore)

* Mitglied des Opernstudios

48
Fotos GERARD COLLETT (Wettergreen PAUL BUCIUTA OTELLO
OPER IM
Live aus der Metropolitan Opera in New York 11. MAI MADAMA BUTTERFLY Giacomo Puccini EINZEL TICKET € 35* cineplexx.at/opera CINEPLEXX
CINEPLEXX
CINEPLEXX
CINEPLEXX
CINEPLEXX
Airport VILLAGE
CINEPLEXX
CINEPLEXX
CINEPLEXX
TEILNEHMENDE
KINO 2023/24
Graz
Villach
Linz
Hohenems
Salzburg
CINEMAS Wien Mitte
Wienerberg
Wiener Neustadt
Donau Zentrum
KINOS:
*
SICHERN SIE SICH IHRE LOGE FÜR DIE MET! Ab Juni 2024: Abo-Vorverkaufsstart für die Saison 2024/2025 mit Start im Oktober!
© Brescia Amisano
/
Met Opera
zzgl. etwaiger Sitzplatzaufschläge.

TODESFÄLLE

Der ungarische Komponist, Dirigent und Pädagoge PÉTER EÖTVÖS ist am 24. März im Alter von 80 Jahren in Budapest verstorben. Er gehörte zu den erfolgreichsten und meistgespielten Opernkomponisten der Gegenwart. 1968 ­1976 war er Mitglied des Stockhausen Ensembles, 1971­1979 arbeitete er im Elektronischen Studio des Westdeutschen Rundfunks in Köln. 1978, einer Einladung Pierre Boulez’ folgend, dirigierte er das Eröffnungskonzert des IRCAM in Paris und wurde zum Musikdirektor des Ensemble Intercontemporain ernannt, einen Posten, den er bis 1991 beibehielt. Drei Jahrzehnte hat Eötvös in Köln, Paris und Hilversum gelebt. Ab 2004, dem Jahr des ungarischen Beitritts zur EU, wohnte er wieder in Budapest. Er wurde von Orchestern wie dem Royal Concertgebouw Orchester, den Wiener, Münchner und Berliner Philharmonikern, dem Cleveland Orchestra, dem Orchestre Philharmonique de Radio France, BBC Symphony Orchestra, NHK Orchestra Tokyo und Ensembles wie Ensemble Modern, Klangforum Wien, Musikfabrik Köln, ASKO Amsterdam eingeladen. Zudem war er Chefdirigent bzw. 1. Gastdirigent vieler internationaler Klangkörper. Seine zahlreichen Musiktheaterwerke wurde an Häusern wie der Mailänder Scala, dem ROH Covent Garden London, dem Théâtre La Monnaie in Brüssel, in Glyndebourne, am Pariser Théâtre du Châtelet, an der Berliner Staatsoper, der Bayerischen Staatsoper, bei den Wiener Festwochen, in Aix­ en­Provence, Lyon, Frankfurt und an der Budapester Staatsoper mit großem Erfolg aufgeführt. 1991 gründete er das Internationale Eötvös Institut für junge Dirigenten und Komponisten in Budapest. Seit 2013 war die Eötvös­ Stiftung Teil des »Budapest Music

Center«, eines Gebäudes im Herzen der ungarischen Hauptstadt mit einem Konzertsaal mit 300 Plätzen, Versammlungsräumen und einer gut ausgestatteten Bibliothek. Als Professor war er an den Musikhochschulen in Karlsruhe und Köln tätig und leitete regelmäßig Meisterkurse auf der ganzen Welt. Er war Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Széchenyi Academy of Art in Budapest, der Sächsischen Akademie der Künste in Dresden und der Royal Swedish Academy of Music. Zu seinen zahlreichen Preisen und Auszeichnungen zählen der Kossuth Prize (2002), der Commandeur l’Ordre des Arts et des Lettres (2003), der Frankfurter Musikpreis (2007), der Leone d’Oro (2011) für sein Lebenswerk. Seine Oper Tri Sestri (nach Tschechow) wurde 2016 unter seiner Leitung an der Wiener Staatsoper aufgeführt. Eine weitere, für 2020 geplante Serie fiel Corona zum Opfer.

MICHAEL BODER ist am 7. April 2024 überraschend im Alter von 65 Jahren in Wien verstorben. Dem Haus am Ring war der Dirigent, der seit Jahrzehnten zu den führenden Vertretern seines Fachs zählte, seit langer Zeit ein enger künstlerischer Partner. Seine hohe Musikalität, die fachliche Kompetenz und sein kompromissloses Eintreten für höchste Qualität, gepaart mit großer Handwerkskunst, machten den Dirigenten zu einem Künstler, der der Wiener Staatsoper immer wieder entscheidende künstlerische Momente, ja, Sternstunden, bescherte. Die Ernsthaftigkeit, mit der sich Boder den großen Werken des Opernrepertoires näherte, sein analytischer Blick wie auch die künstlerische Durchdringung komplexer Partituren beeindruckte und begeisterte stets aufs Neue. Als Musiker wie als Gesprächspartner konnte er sein Gegenüber mitreißen und diesem neue Blickwinkel

erschließen. 1995 debütierte er im Haus am Ring mit Alban Bergs Wozzeck – ein Werk, das für sein Engagement für die klassische Moderne wie für die zeitgenössische Musik stehen kann. Besonders wichtige Projekte an der Wiener Staatsoper waren die Uraufführungen von Friedrich Cerhas Der Riese vom Steinfeld (2002) und Aribert Reimanns  Medea  (2010), die Premierenproduktion von  Die Jakobsleiter/ Gianni Schicchi (2000) und  Lulu  (2000), die Ballettpremiere von  Le Pavillon d’Armide / Le sacre (2017) sowie die Staatsopern­Erstaufführung von Manfred Trojahns  Orest (2019). Darüber hinaus stand er in zahlreichen Repertoireabenden bzw. in Wiederaufnahmen am Pult: so waren u.a. Strauss ­Abende, Hindemiths  Cardillac oder von Einems  Dantons Tod Glanzpunkte, die Michael Boder im weiten Staatsopernrepertoire setzte. Am 27. Jänner 2024 dirigierte er mit Ariadne auf Naxos seine letzte Vorstellung an der Wiener Staatsoper.

FREUNDESKREIS WIENER STAATSBALLETT

ZUR PREMIERE LES SYLPHIDES

BESUCHTE DER FREUNDESKREIS WIENER STAATSBALLETT ZUSAMMEN MIT CHOREOGRAPHIN ADI HANAN DAS KUNSTHISTORISCHE MUSEUM WIEN.

Alle Fördererinnen und Förderer des Freundeskreises Wiener Staatsballett haben vor der Premiere Les Sylphides am 8. Mai in der Volksoper Wien Gelegenheit, bei einer Bühnenorchesterprobe Einblicke in die Arbeit an der Produktion zu bekommen. Die Mitglieder der Förderstufe Platin sowie Mäzeninnen und Mäzene trifft Martin Schläpfer exklusiv zu einem Gespräch über die Spielzeit 2024/25, und alle ab der Förderstufe Silber sind zu einer Schwanensee-Probe in den großen Ballettsaal der Wiener Staatsoper eingeladen. Werden auch Sie Mitglied im Freundeskreis Wiener Staatsballett: Es erwartet Sie ein vielseitiges und interessantes exklusives Programm, und

50 PINNWAND
PÉTER EÖTVÖS MICHAEL BODER

Sie unterstützen mit Ihrem Förderbeitrag die Arbeit des Ensembles.

Weitere Informationen → WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN/FREUNDESKREISWIENER-STAATSBALLETT

GEBURTSTAG

KS FERRUCCIO FURLANETTO feiert am 16. Mai seinen 75. Geburtstag. Der italienische Bass gehört zu den bedeutendsten Interpreten seines Faches und war der Wiener Staatsoper seit seinem Debüt 1985 eng verbunden – so sang er hier 20 zentrale Rollen in weit über 300 Auftritten. 2007 wurde er zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt.

UNSER ENSEMBLE

Unsere Ensemblemitglieder sind als Gäste auch auf anderen Bühnen gefragt: Andrea Giovannini konnte etwa im März und April als 2. Hexe und Matrose in Purcells Dido and Aeneas sowie als Bruder in Weills Die sieben Todsünden am Teatro Comunale di Bologna und am Teatro Valli di Reggio Emilia einen persönlichen Erfolg feiern.

DANCE MOVIES

SEELENLANDSCHAFTEN

Die letzte Matinee der DANCE MOVI ES ­Reihe 2023/24 widmet sich am 5. Mai im Filmcasino dem bedeutenden deutschen Choreographen Uwe Scholz. Günter Atteln zeigt in seinem 2007 erschienenen Film ein bewegendes Porträt des hochmusikalischen Künstlers, dessen Leben wie Schaffen von tiefer Verzweiflung, Ängsten und Streben nach Perfektion geprägt war. Mit dem Wiener Staatsballett ist Scholz’ MozartBallett Jeunehomme in der Volksopern­Premiere Les Sylphides zu erleben. Mit anschließendem Nachgespräch.

5. Mai 2024, 13 Uhr, Filmcasino (Margaretenstr. 78, 1050 Wien)

Tickets → FILMCASINO.AT

RADIO- & FERNSEHTERMINE

5. 18.00 LOHENGRIN (Wagner) Ö1

Musikalische Leitung THIELEMANN

Mit BUTT PHILIP, BYSTRÖM, GANTNER, KAMPE, ZEPPENFELD, MOKUS

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Live aus der Wiener Staatsoper

Präsentation MICHAEL BLEES

5. 20.15

LOHENGRIN (Wagner) ORFIII

Musikalische Leitung THIELEMANN

Inszenierung WIELER, MORABITO

Bühne & Kostüme VIEBROCK

Licht ALPHONS

Mit BUTT PHILIP, BYSTRÖM, GANTNER, KAMPE, ZEPPENFELD, MOKUS

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Live zeitversetzt aus der Wiener Staatsoper

6. 11.00 RUBATO radioklassik

Mit KS CAMILLA NYLUND

11. 14.00 PER OPERA radioklassik AD ASTRA WAGNERS MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

26. 15.05 DAS WIENER Ö1 STAATSOPERNMAGAZIN

Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper Mit MICHAEL BLEES

LIVESTREAM

AUS DER WIENER STAATSOPER

5. 18.00 LOHENGRIN (Wagner)

Musikalische Leitung THIELEMANN

Inszenierung WIELER, MORABITO

Bühne & Kostüme VIEBROCK

Licht ALPHONS

Mit BUTT PHILIP, BYSTRÖM, GANTNER, KAMPE, ZEPPENFELD, MOKUS

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Live aus der Wiener Staatsoper

Fotos MICHAEL

(Eötvös / Boder )

PRODUKTIONSSPONSOREN

LE NOZZE DI FIGARO LOHENGRIN

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG OTELLO FAUST

SERVICE

ADRESSE

Wiener Staatsoper GmbH

A Opernring 2, 1010 Wien

T +43 1 51444 2250 +43 1 51444 7880

M information@wiener­staatsoper.at

IMPRESSUM

OPERNRING 2

MAI 2024 SAISON 2023 / 24

Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH / Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ / Kaufmännische Geschäftsführung DR. PETRA BOHUSLAV / Musikdirektor PHILIPPE JORDAN / Ballettdirektor MARTIN SCHLÄPFER / Redaktion SERGIO MORABITO / ANNE DO PAÇO / NASTASJA FISCHER / IRIS FREY / KATHARINA AUGENDOPLER / ANDREAS LÁNG / OLIVER LÁNG / KRYSZTINA WINKEL / Art Direction EXEX / Layout & Satz IRENE NEUBERT / Lektorat MARTINA PAUL / Am Cover CHRISTIAN THIELEMANN Foto YOTA / Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUK TIONS GMBH, BAD VÖSLAU

REDAKTIONSSCHLUSS für dieses Heft: 29. APRIL 2024 / Änderungen vorbehalten / Allgemein verstandene personenbezogene Ausdrücke in dieser Publikation umfassen jedes Geschlecht gleichermaßen. / Urheber/innen bzw. Leistungsschutzberechtigte, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. → wiener­ staatsoper.at

GENERALSPONSOREN

PINNWAND
DER WIENER STAATSOPER

FÜHRUNG BRAUEREI

Was dich erwartet: Eine Einführung in den Brauprozess und die Geschichte der Brauerei sowie eine Verkostung unserer vielfältigen Biersorten!

1160 Wien | Ottakringer Platz 1

VERKOSINKLUSIVE TUNG

JETZT BERATUNGSTERMIN VEREINBAREN!

WIR LÄSST UNS ALLES ERREICHEN.

WIR M ACHT ’ S MÖ G LICH.

Es gibt viele Möglichkeiten, Geld sicher und ertragreich anzulegen, ­Vermögen abzusichern oder Wünsche bestmöglich zu finanzieren. Unsere Raiffeisenberater:innen zeigen Ihnen, welche Produkte am besten zu Ihnen passen, und begleiten Sie persönlich bei Ihrer Finanzplanung.

Impressum: Medieninhaber: Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien, F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien. raiffeisenbank.at
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.