Weltkulturen News 09

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WELTKULTURE N NEWS — 09

OKT/OCT 23 – MRZ/MAR 24

KLANG VOLL FULL OF SOUND


W E LT K U LT U R E N M U S E U M

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Unter den Objekten aus dem Königreich Benin, die sich aktuell in der Sammlung des Weltkulturen Museums befinden, sind auch einige Glocken aus Gelbguss. Sie stellen eine überraschende Verbindung zwischen den Ausstellungen „Klangquellen. Everything is Music!“ (Schaumainkai 29, 11. November 2023 bis 1. September 2024) und „Benin. Die Sammlung im Weltkulturen Museum. Retrospektive/Perspektiven.“ (Schaumainkai 37, 20. Juli bis 30. Dezember 2023) dar. Größere Glocken fungierten vermutlich als Altarobjekte und mit ihrem Klang wurden Zeremonien eingeleitet, um die Geister der Ahnen herbeizurufen. Die kleineren Glocken dagegen wurden wohl an einem Band um die Brust gebunden und als Teil einer Rüstung getragen. In der Sammlung befindet sich eine Reliefplatte, die einen hochrangigen Militär mit einer solchen Glocke zeigt. Ihr Läuten sollte im Kampf Feinde einschüchtern und dem Krieger spirituellen Schutz verleihen. Der Klang der Glocken wurde also wahrscheinlich in kriegerischen Auseinandersetzungen genutzt, um lauter und mächtiger zu wirken. Trugen mehrere Krieger in einer Gruppe Glocken an der Rüstung, so wirkte die Gruppe durch den Schall sicherlich viel größer und damit angsteinflößender. In seinem Buch „Die Ordnung der Klänge“ beschreibt der kanadische Komponist R. Murray Schafer, wie Klänge dazu genutzt werden können, um die eigene Dominanz zu unterstreichen. Nach Schafer kann durch den erzeugten Lärm – in diesem Fall die Glocken – ein größerer akustischer Raum beherrscht werden als durch andere anwesende Parteien. Auf unserer Webseite finden Sie Tonaufnahmen der Sammlungsobjekte, die im Juni 2023 eingespielt wurden. Die Aufnahmen können nur einen Eindruck des Klanges vermitteln, da sie in einer gestellten Situation eingespielt worden sind. 01.

Dominante Klänge. Glocken aus dem Königreich Benin / Dominant sounds: Bells from the Kingdom of Benin

südostasien-kustodin vanessa von gliszczynski über die unerwartete verbindung zwischen zwei ausstellungen/ southeast asia curator vanessa von gliszczynski on the unexpected link between two exhibitions

There are several bells made of cast brass among the objects from the Kingdom of Benin that are currently part of the Weltkulturen Museum collection. They provide a surprising link between the two exhibitions “Sound Sources. Everything is Music!” (at Schaumainkai 29 from 11 November 2023 to 1 September 2024) and “Benin. The Collection at the Weltkulturen Museum. Retrospective/Perspectives” (at Schaumainkai 37 from 20 July to 30 December 2023). Larger bells were presumably used as altar objects; their ringing would preface ceremonies to summon up the spirits of the ancestors. The smaller bells were probably bound to the wearer’s chest by a strap as part of their armour. The collection includes a relief plaque showing a high-ranking military man with this kind of bell. Its ringing sounds were supposed to intimidate enemies and endow the warrior with spiritual protection.

The sound of bells in armed conflicts was thus probably intended to make the wearer seem louder and more powerful. If multiple warriors in a group wore bells on their armour, the sound would undoubtedly make the group appear much larger and hence more fearsome. In his book “The Tuning of the World”, the Canadian composer R. Murray Schafer describes how sounds can be used to emphasise one’s own dominance. According to Schafer, generating noise – in this case with bells – can dominate a larger acoustic space than would otherwise be possible. On our website you can find audio recordings of objects in the collection being played in June 2023. However, the recordings can do no more than give an impression of the sound because they are being played in an artificial situation.


V O RW O RT / P R E FA C E

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liebe freund*innen des weltkulturen museums

dear friends of the weltkulturen museum

Mit dieser Ausgabe kündigen wir unsere nächste große Ausstellung an, die am 10. November eröffnet wird. Meist verbinden wir mit Museumsbesuchen das Sehen. Wir erwarten Bilder an den Wänden oder Objekte in Vitrinen sowie Fotografien und Videos, die diese Exponate begleiten. Wir gehen ins Museum, um eine Ausstellung anzusehen – das Hören spielt dabei eher eine beiläufige Rolle. In „Klangquellen. Everything is Music!“ verhält sich das ganz anders: Thema der Ausstellung sind die sogenannten Soundscapes, die von Ort zu Ort ganz unterschiedlichen Klanglandschaften. Es wird die Frage gestellt, welchen Einfluss die akustische Umwelt auf Menschen und ihre Musik hat. Das Hören steht also diesmal im Mittelpunkt. Das bedeutet für das Kuratorenteam auch ein entsprechendes Umdenken bei der Vermittlung – für die Begleitung der Exponate steht nicht mehr die Video-, sondern die Audiotechnik im Vordergrund. Im Interview mit dem nigerianischen Künstler Osaze Amadasun erfahren wir, wie wichtig die Beninobjekte als materielles Kulturerbe für das Selbstverständnis einer jungen nigerianischen Generation sind. Was für eine Bedeutung auch das immaterielle Kulturerbe für die Identität unterschiedlicher Kulturen hat, macht gerade die Beschäftigung mit Klängen und Musik deutlich. Anna Büttners Beitrag über den samischen Joik-Gesang oder das Interview mit dem indonesischen Sassando-Spieler Vinsensius Adi Gunawan zeigen, wie schmerzhaft der Verlust bzw. wie innovativ die Weiterentwicklung musikalischer Traditionen sein kann. Zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache: Ende des Jahres werde ich in den Ruhestand eintreten. Damit ist die kommende Ausstellung die letzte, die ich eröffnen werde. Ich hoffe, Sie dann alle zu sehen, und freue mich, dass es ein so klangvoller Abschied wird!

In this issue we herald our next major exhibition, which is set to open on 10 November. Most of the time we associate visiting museums with the act of seeing. We expect pictures on the walls or exhibits in display cases, accompanied by photos and videos. We go to a museum to look at the exhibition – and the hearing aspect plays a somewhat secondary role. It’s all very different with “Sound Sources. Everything is Music!”, an exhibition which addresses the soundscapes that are a unique feature of every location. It asks how people’s acoustic surroundings influence them and their music. So this time hearing is at the heart of the exhibition, which also means that the curatorial team has to rethink the way in which information is communicated – the exhibits are primarily accompanied by audio materials rather than video. In an interview with the Nigerian artist Osaze Amadasun, we discover the importance of objects from Benin as part of the region’s material cultural heritage, affecting how a young generation of Nigerians think of themselves. The significance of intangible cultural heritage for the identities of various cultures similarly becomes clear in our exploration of sounds and music. Anna Büttner’s article about Sami yoik singing and the interview with Indonesian sasando player Vinsensius Adi Gunawan reveal how painful it can be to lose musical traditions – as well as how innovatively they can be carried forward into the future. I’d like to end on a more personal note: I will be retiring at the end of this year. That means the coming exhibition is the last I will be opening. I hope to see you all there, and am looking forward to a melodious farewell! Eva Ch. Raabe, director, Weltkulturen Museum

Eva Ch. Raabe, Direktorin, Weltkulturen Museum 01. Vier Glocken aus dem Königreich Benin, die vermutlich an Rüstungen von Militärs getragen wurden. Ankauf ca. zwischen 1904 und 1906 von der Firma J.F.K. Umlauff und von Hans Schaumburg. Foto: Wolfgang Günzel 01. Four bells from the Kingdom of Benin which probably adorned the armour of members of the military. Purchased sometime between 1904 and 1906 from the company J.F.K. Umlauff and from Hans Schaumburg. Weltkulturen Museum Collection. Photo: Wolfgang Günzel


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Menschliche Gemeinsamkeiten erkennen und kulturelle Unterschiede überwinden / Recognising commonalities between people and overcoming cultural differences

von 1985 bis 2019 war eva ch. raabe ozeanien-kustodin des weltkulturen museums, dessen leitung sie 2015 übernahm. vor ihrem eintritt in den ruhestand ende 2023 sprach sie mit uns über freuden und herausforderungen ihrer karriere. / eva ch. raabe was curator for oceania at the weltkulturen museum from 1985 to 2019. in 2015 she became the museum’s director. ahead of her retirement at the end of 2023, she talked to us about the pleasures and challenges of her career.


I M G E S P R Ä C H / I N C O N V E R S AT I O N

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Die scheidende Direktorin Dr. Eva Raabe über ihren beruflichen Lebensweg 02.

02. Dr. Eva Ch. Raabe im Getäfelten Raum des Weltkulturen Museums. Foto: Stefanie Kösling 02. Dr. Eva Ch. Raabe in the panelled room at the Weltkulturen Museum. Photo: Stefanie Kösling

weltkulturen news: Wie bist du zur Ethnologie gekommen? eva raabe: Das Buch, mit dem ich Lesen gelernt habe, war eine für Kinder zusammengestellte Sammlung von Geschichten und Märchen aus Afrika. Meine Jugendlektüre war geprägt von Romanen, in denen Menschen anderer Kulturen im Mittelpunkt standen. Zum Beispiel hat mich Anna Jürgens Buch „Blauvogel“ über einen weißen Siedlerjungen, der von Irokesen adoptiert wird, absolut gefesselt. Kulturell andere Lebensentwürfe haben mich fasziniert. Kurz vor dem Abitur 1976 habe ich die deutschen Rowohlt-Ausgaben von Büchern der bekannten Ethnologinnen Ruth Benedict und Margaret Mead im Bücherregal meiner Eltern gefunden. Dann habe ich überlegt, Ethnologie - damals hieß es noch Völkerkunde – zu studieren. Zusammen mit Schulfreundinnen bin ich nach Berlin gefahren, um die dort gerade neu gestaltete „Südsee“-Abteilung im Ethnologischen Museum in Dahlem zu sehen. Danach war ich absolut überzeugt, dass Ethnologie das richtige Fach ist. wkn: Was hat dich zur Museumsarbeit und zu deinen Spezialgebieten Ozeanien und der zeitgenössischen Kunst gebracht? er: Ich habe mich 1977 an der Georg-August-Universität in Göttingen in das Hauptfach Völkerkunde eingeschrieben. Das ethnologische Institut besitzt eine umfangreiche alte Studiensammlung, die zum großen Teil von Georg Forsters Reise mit James Cook im Pazifik stammt. Es gab einige Lehrveranstaltungen, die in die ethnologische Museumsarbeit einführten. Man machte wissenschaftliche Objektbestimmungen und erarbeitete Führungen durch die Sammlung. Später habe ich auch als studentische Hilfskraft einen Katalog der Göttinger Ozeanien-Sammlung erarbeitet. Ich habe es als besonders stimulierend empfunden, die Kopfarbeit mit der praktischen Arbeit zu verbinden. Das Museum wurde darum mein Berufsziel. Der Ordinarius des Instituts, der auch mein Doktorvater wurde, war Ozeanist. Als ich mein Studium anfing, kam er gerade von einer Feldforschung aus Papua-Neuguinea zurück. Kulturwandel in diesem gerade erst unabhängig gewordenen Staat war ein wichtiges Thema in seinen Seminaren. So bin ich zur Beschäftigung mit zeitgenössischer Kunst gekommen. Es war interessant zu sehen, wie eine junge Künstlergeneration in Papua-Neuguinea mit europäischen Kunsttechniken Bezüge zu eigenen kulturellen Traditionen herstellte und sie neu interpretierte. Bereits nach dem Grundstudium habe ich dann Papua-Neuguinea bereist und mich besonders mit der zeitgenössischen Kunstszene dort beschäftigt. Dieses Thema hat mich dann auch im Museum, das ja nicht-europäische zeitgenössische Kunst sammelt, immer begleitet. wkn: Wie hat sich dein Arbeiten im Laufe der Jahrzehnte verändert? er: Die ersten zwei Jahrzehnte meiner Arbeit, die 1980- und 1990er Jahre, waren geprägt von Veränderungen der Infrastruktur. Es wurde ein neues Magazin gebaut. Das war mit sehr viel praktischer Arbeit wie z. B. den Umzügen mit den Sammlungen verbunden. Das war noch im analogen Zeitalter – es gab keine Datenbank,

in der man mit einem Klick den Standort eines Objekts aufrufen konnte, jede Karteikarte musste mit der Hand bzw. der Schreibmaschine geschrieben werden. Bis in die 1990er wurde das Layout der Publikationen noch manuell erstellt, für Abbildungen mussten von den analogen Fotos und Dias noch Repros bzw. Internegative hergestellt werden. Gleichzeitig begann der Weg von der Schreibmaschine über Word für Dos bis Windows. Auf Basis von dbase gab es zunächst selbstgebastelte Objektverzeichnisse. Ca. 2004 begann der Aufbau einer professionellen Datenbank! Das hat vieles erleichtert, war aber auch mit sehr viel Entwicklungsarbeit verbunden. Die Pflege einer gut funktionierenden Sammlungsdatenbank ist bis heute intensive Arbeit! Besonders einschneidend machte sich der digitale Wandel in der internationalen Kommunikation bemerkbar. Um Länder wie Papua-Neuguinea oder Brasilien zu erreichen, gab es nur den langwierigen Briefwechsel, das Fax oder wegen der Zeitverschiebung unter Umständen auch nachts zu führende Telefonate. Email war für uns eine Revolution! Auch inhaltlich befand sich unsere Arbeit ja in einer Entwicklung hin zu einem immer intensiveren Austausch mit zeitgenössischen Künstler*innen, Indigenen Herkunftskulturen und internationalen Kulturinstitutionen. Ohne die Digitalisierung wären kollaborative Ausstellungen, so wie wir sie heute machen, gar nicht möglich. wkn: Wie hast du Deinen Wechsel von der Kustodin zur Direktorin erlebt? er: Zunächst mal als ziemlich plötzliches, von vielen Konflikten begleitetes Ereignis. Es war niemals mein Ziel, Direktorin zu werden. Ich war gerne Ozeanienkustodin. Gleichzeitig war ich aber auch stellvertretende Direktorin, deshalb war es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, bei Bedarf auch die kommissarische Leitung zu übernehmen. Als ich dann zur offiziellen Direktorin ernannt wurde, wusste ich längst, wie arbeitsintensiv die damit verbundenen Verwaltungsaufgaben sind. Der Abschied von der Arbeit mit der Ozeanien-Sammlung hat aber doch etwas weh getan. Bei der Personalführung hatte ich ganz klar einen Heimvorteil, ich hatte ja die Einsatzbereitschaft der Kolleg*innen schon über Jahre erlebt und hatte Vertrauen in das Team. Auf jeden Fall bin ich an der Personalverantwortung gewachsen. Man muss sehr stark an sich selbst arbeiten – sich bemühen, die eigene Persönlichkeit zurückzunehmen, nichts persönlich zu nehmen und Konflikte zu versachlichen. wkn: Welchen Herausforderungen als Direktorin eines ethnologischen Museums begegnest du heute? er: In den Museen waren die Haushaltsführung und der Kampf um finanzielle Mittel sicher immer schon eine Herausforderung. Das hat sich aber noch verstärkt, da nach der Pandemie, gleich mit dem Ukrainekrieg die Energieknappheit kam. Als größte Herausforderung empfinde ich aber die Stigmatisierung der Ethnologie, die heute mit der Diskussion um die Aufarbeitung der Kolonialzeit einhergeht. Da in der Öffentlichkeit alles mit dem Label „Raubkunst“ versehen wird, muss man immer wieder erklären, wie unterschiedlich die Her-

kunft der Sammlungen ist. Die Existenzberechtigung ethnologischer Museen wird vielfach in Frage gestellt. Völlig zu Unrecht, denn es war die Ethnologie, die spätestens mit den politischen Bewegungen der 1960er Jahre die Gleichberechtigung der Kulturen eingefordert hat und für die Interessen Indigener Gruppen eingetreten ist. In der aktuellen, aufgeheizten Debatte muss man immer wieder intervenieren, sehr geduldig erklären, worum es in der Ethnologie geht, immer wieder auf die Arbeit der letzten 50 Jahre hinweisen, gerade im Fall Frankfurts auf die gemeinsame Arbeit mit zeitgenössischen Künstler*innen. wkn: Gibt es ein Objekt oder eine Begegnung, die dich und deine Arbeit besonders geprägt hat? er: In der Sammlung gibt es ein Bild des Malers Joseph Nalo aus Papua-Neuguinea, mit dem er eine Mythe von seiner Heimatinsel in der Manusprovinz erzählt. Es geht um eine Insel, die zur Strafe für den sündigen Lebenswandel ihrer Bewohner von einem mächtigen Hai verschlungen wird. Bei Nalos Besuch in Frankfurt 1992 tauschten wir Geschichten – auch die Mythe von der versunkenen Insel Leip gegen die Legende vom Untergang der nordfriesischen Stadt Rungholt! Danach diskutierten wir die Existenz von Meerjungfrauen. Auf meine Frage, wie die denn in Neuguinea aussehen, sagte er, ganz bestimmt genauso wie die in Deutschland – auf jeden Fall mit langen blonden, vom Tang grünlichen Haaren. 1993 malte er dann das Bild und schickte es zum Ankauf. Als ich es aufrollte, fiel mir zu allererst die Darstellung einer Seejungfrau mit langen gelbgrünen Haaren auf. Es war für mich viel mehr als nur eine Erinnerung an unsere Gespräche. Ich spürte daraus auch das Bekenntnis zu den menschlichen Gemeinsamkeiten, die kulturelle Unterschiede überwinden können. Seitdem habe ich bei der Arbeit in der Sammlung immer versucht, über solche Gemeinsamkeiten eine Verbindung mit Objekten und Bildern herzustellen. wkn: Worauf freust du dich in deinem Ruhestand besonders? er: Ich verabschiede mich ja nicht von der Ethnologie, sondern nur von der institutionellen Arbeit. Ich kann mir die ethnologischen Themen aussuchen und mich wieder intensiv mit Ozeanien beschäftigen. Allerdings habe ich mir vorgenommen, keine festen Vorsätze zu fassen und nicht sofort feste Pläne aufzustellen. Ich freue mich ganz besonders auf eines – einfach mal in den Tag leben und sich frei fühlen. Das kann sehr kreativ sein und zu erstaunlichen Ergebnissen führen! wkn: Aus aktuellem Anlass: Was würdest du als deine aktuellen Soundscapes bezeichnen? er: Spontan fällt mir da der Schaumainkai ein, der unter meinem Bürofenster verläuft. Besonders wenn am anderen Mainufer der Untermainkai gesperrt ist, herrscht Verkehrsstau in Sachsenhausen. Motorenlärm und Alarmsirenen werden zu einer permanenten Geräuschuntermalung meiner Arbeit. Im Sommer verändert sich die Soundscape auf ganz besondere Weise. Über den Geräuschen der Straße ertönen dann die schrillen Schreie der Mauersegler, die über meinem Bürofenster nisten.


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“… during the political upheavals in the 1960s, if not before then, it was ethnology that demanded all cultures should be treated equally”

Bio: Dr. Eva Ch. Raabe (*1957) studierte an der Universität Göttingen Ethnologie. 1985 wurde sie als Ozeanien Kustodin des Weltkulturen Museums Frankfurt am Main eingestellt. Seit 2015 leitet sie das Museum. Ihre thematischen Spezialgebiete sind Kunstethnologie und Material Culture Studies. 1998/99 war sie International Research Fellow am Centre of Cross-Cultural Research an der Australian National University in Canberra. Sie arbeitete mit zeitgenössischen Künstlern in Papua-Neuguinea und beschäftigte sich mit deren Rezeption durch ein europäisches Publikum. Bio: Dr. Eva Ch. Raabe (b. 1957) studied ethnology at Georg-August Universität Göttingen. In 1985 she was employed as curator for Oceania at the Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main. Her specialisations are the ethnology of art and material culture studies. In 1998/99, Eva Raabe was the recipient of an international research fellowship at the Australian National University’s Centre of Cross-Cultural Research in Canberra. She worked with contemporary artists in Papua New Guinea and explored their reception by a European audience.

the outgoing director dr. eva raabe looks back on her professional life weltkulturen news: What brought you to ethnology? eva raabe: When I was learning to read, my first book was a children’s compendium of stories and fairy tales from Africa. As a teenager I focused on books in which people from other cultures were the central characters. To take one example, I found Anna Jürgen’s book “Blauvogel” (Blue Bird) about a white settler boy adopted by the Iroquois absolutely enthralling. The way people lived in other cultures fascinated me. Shortly before finishing my secondary school diploma in 1976 I found books by the famous ethnologists Ruth Benedict und Margaret Mead in my parents’ bookshelves, published in German by Rowohlt. That’s when I considered studying ethnology, which at the time was still called “Völkerkunde”, or the study of peoples. I travelled to Berlin with some schoolfriends to see the new South Seas section of the Ethnologisches Museum in Dahlem. After that I was absolutely convinced that ethnology was the right discipline for me. wkn: How did you come to work in a museum, with Oceania and contemporary art as your special interests? er: In 1977 I registered to major in ethnology at Georg-August-Universität in Göttingen. The ethnological institute there has an extensive old study collection that largely stems from Georg Forster’s journey to the Pacific with James Cook. There were a few introductory courses on ethnological work in museums. The students would undertake a scholarly identification of objects and devise tours through the collection. Later on, as a student assistant I also produced a catalogue of Göttingen’s Oceania collection. I found it particularly stimulating to combine mental activity with practical tasks. That’s why working in a museum became my goal as a career. The professor at the institute, who also supervised my doctorate, specialised in Oceania. When I first took up my studies he had just returned from a field trip to Papua New Guinea, which had just achieved independence, and cultural change in the country was an important theme of his seminars. That’s how I developed my enthusiasm for contemporary art. It was interesting to see how a generation of young artists in Papua New Guinea established links to their own cultural traditions and reinterpreted them using European artistic techniques. Once I’d completed my foundation course at university I travelled to Papua New Guinea and got involved with the contemporary art there in particular. This theme has always remained part of my life in the museum because it collects contemporary non-European art. wkn: How have your activities changed throughout the decades? er: The first two decades of my career, in the 1980s and 1990s, were marked by infrastructural change. A new storage facility was built. That involved a huge amount of practical work such as moving the collections. And it was still in the analogue era – there was no database

where you could retrieve the location of an object with a click; each and every index card had to be written out by hand or typed. As late as the 1990s, the layout of the publications was done manually, and reprographics or internegatives had to be produced of photos and slides for the illustrations. At the same time there was a gradual move away from typewriters via Word for DOS to Windows. Initially there were self-made object directories that used dbase. It was around 2004 that work started on a professional database! That made so many things easier, but it involved a huge amount of development. Maintaining a well-functioning collection database is still hard work today! The radical digital transformation has been particularly noticeable in international communication. Previously, contact with countries like Papua New Guinea or Brazil was only possible by laboriously exchanging letters or faxes, with the occasional telephone call at night because of the time differences. E-mail was a real revolution for us! In terms of content too, our work was involving more and more close interaction with contemporary artists, Indigenous cultures of origin and international cultural institutions. Without digitisation, the kind of collaborative exhibitions we do today wouldn’t even be possible. wkn: How did you experience the shift from curator to director? er: It initially felt like a fairly sudden event accompanied by considerable conflict. Becoming the director was never my goal. I was happy being the Oceania curator. But at the same time I was also the deputy director, and that’s why it was obvious that I would take over as acting director if necessary. When I was then named as official director I already knew full well how much work the associated administrative tasks involved. But moving away from working with the Oceania collection was certainly a little painful. In terms of human resources I had a very clear home advantage, because I’d experienced my colleagues’ commitment and dedication at first-hand for many years and I trusted the team. I certainly grew as a person from having that responsibility for managing others. You have to work pretty hard on yourself: making an effort to hold back your own personality, not taking anything personally, and having an objective attitude to conflicts. wkn: What kind of challenges do you face today as the director of an ethnological museum? er: Managing the budget and battling for financial resources were always challenges for museums. That’s become more acute over time because after the pandemic came the war in Ukraine and the associated energy crisis. But I find the greatest challenge is the stigmatisation of ethnology that accompanies the current discussion on how to approach the colonial era. Because in public everything has to be labelled as “looted art”, you always have to explain just how much the origins of the collections vary. The raison d’être for ethnological museums is often questioned. And that’s com-

pletely unfair, because during the political upheavals in the 1960s, if not before then, it was ethnology that demanded all cultures should be treated equally and advocated for the interests of Indigenous groups. In the current heated debate you have to keep on intervening, patiently explain what ethnology is all about, keep on referring to the work done in the past fifty years, and particular in the case of Frankfurt referencing its cooperation with contemporary artists. wkn: Is there a specific object or encounter that has made a particular impression on you? er: There’s a picture in the collection by the painter Joseph Nalo from Papua New Guinea, in which he recounts a myth about the island he comes from in Manus Province. It tells of an island which is swallowed by a mighty shark as punishment for the sinful lives led by its inhabitants. When Nalo visited Frankfurt in 1992 we swapped stories – such as the myth of the sunken island Leip on the one hand and the legend of the submerged North Frisian town Rungholt on the other! After that we discussed the existence of mermaids. When I asked what they looked like in New Guinea, he answered that they were undoubtedly identical to those in Germany – they definitely had long blonde hair tinged with seaweed green. In 1993 he painted that picture and sent it over to us for purchase. When I unrolled it, the first thing I noticed was the image of a mermaid with long yellowish-green hair. I viewed it as so much more than a reminder of our conversations. I sensed that it contained an avowal of the human commonalities that can overcome cultural differences. Since then, whenever I’m working on the collection I always try to establish a link to objects and pictures through commonalities like that. wkn: What are you particularly looking forward to in your retirement? er: I’m not saying goodbye to ethnology, just to working in an institution. Now I can choose my own ethnological topics and concentrate on Oceania once more. But I’ve resolved not to make any firm resolutions, nor to make any fixed plans immediately. I’m looking forward to one thing in particular – living for the moment and feeling free. That can be a very creative process that leads to astonishing results! wkn: On current occasion: What would you describe as your current soundscapes? er: What occurs to me spontaneously is Schaumainkai, the street which runs past my office window. In the Sachsenhausen district there tend to be traffic jams in particular when Untermainkai is closed along the other bank of the River Main. Engine noise and alarm sirens are the permanent background noise accompanying my work. In summer the soundscape changes in a very special way: the shrill calls of the swifts nesting above my office window are heard over the commotion of the street.

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03. Dr. Eva Ch. Raabe. Foto: Stefanie Kösling 03. Dr. Eva Ch. Raabe. Photo: Stefanie Kösling


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„ … es war die Ethnologie, die spätestens mit den politischen Bewegungen der 1960er Jahre die Gleichberechtigung der Kulturen eingefordert hat“

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Die kulturelle Bedeutung von Klängen / The cultural meaning of sounds südostasien-kuratorin vanessa von gliszczynski über die entstehung der neuen ausstellung „klangquellen. everything is music!“ / southeast asia curator vanessa von gliszczynski talks about developing the new exhibition “sound sources. everything is music!”

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I N T E RV I E W / I N T E RV I E W

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„Jedes Objekt – egal ob es sich um ein Musikinstrument handelt oder nicht – hat seinen eigenen Klang.“

Bio: Vanessa Julia von Gliszczynski studierte an der Universität zu Köln Musikwissenschaften mit Schwerpunkt Musikethnologie, Ethnologie und Neue/Mittlere Geschichte. Schon im Studium spezialisierte sie sich auf die Kulturen Indonesiens. Nach ihrem Magisterabschluss lebte Vanessa von Gliszczynski rund dreieinhalb Jahre in Jakarta, Indonesien, und arbeitet von 20082010 bei der Deutschen Botschaft. Seit Juni 2011 arbeitet Vanessa von Gliszczynski am Weltkulturen Museum als Kustodin für Südostasien. Ein Forschungsschwerpunkt ist die dynamische Beziehung zwischen Umwelt, Klang, Mensch und Kultur. Bio: Vanessa Julia von Gliszczynski studied musicology at the Universität zu Köln, with an emphasis on ethnomusicology, ethnology and modern/medieval history. While still a student she chose to specialise in Indonesian culture. After graduating with a master’s degree, Vanessa von Gliszczynski lived in Jakarta, Indonesia, for around three and a half years and worked at the German embassy there from 2008 to 2010. Vanessa von Gliszczynski has been the curator for Southeast Asia at the Weltkulturen Museum since 2011. A research focus is the dynamic relationship between the environment, sound, people and culture.

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weltkulturen news: Du hast die Ausstellung „Klangquellen. Everything is Music!“ vorbereitet. Wie bist du auf dieses Thema gekommen? vanessa von gliszczynski: Tatsächlich habe ich schon sehr lange darüber nachgedacht, eine Ausstellung über Klang und Musik zu machen. Ich habe eigentlich Musikethnologie studiert und habe in vergangenen Projekten immer wieder musikalische Themen einfließen lassen. Allerdings war es nicht so einfach, die Objekte aus unseren Sammlungen zu einer innovativen und vielseitigen Klang- und Musikausstellung zusammenzustellen. Als ich vor ein paar Jahren im Magazin war und mit der Sammlung gearbeitet habe, kam mir dann sozusagen die Erkenntnis. Jedes Objekt – egal ob es sich um ein Musikinstrument handelt oder nicht – hat bzw. hatte seinen eigenen Klang. Mancher Schmuck raschelt oder klimpert, Werkzeuge hämmern oder machen andere Geräusche. Hier habe ich angefangen, über die kulturelle Bedeutung von Klängen nachzudenken – und darüber, wie Klänge unsere Hörwahrnehmung möglicherweise beeinflussen. Eine Kernaussage der Ausstellung ist deshalb, dass jeder Ort (und jede Zeit) seinen eigenen Klang hat. Hier knüpfe ich an die Idee der Soundscape des kanadischen Komponisten R. Murray Schafer an, nur hat Schafer sich weniger mit der materiellen Kultur auseinandergesetzt. wkn: Was ist für dich als Ethnologin am Thema Soundscapes so interessant? vvg: Unter dem Begriff Soundscape oder Klanglandschaft werden ja alle Klänge, Geräusche und Musiken zusammengefasst, die an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit zu hören sind – seien es Tiergeräusche, Wind und Wetter, industrielle Klänge oder einfach ein Stimmengewirr. Schafer löst sich hier ein Stück vom „klassischen“ Musikbegriff. Damit meine ich Musik im westlich-europäischen Sinne, mit einem festgelegten Tonsystem und Instrumenten. Aber in vielen Kulturen der Welt gibt es diesen Musikbegriff nicht oder Klänge, die aus europäisch-westlicher Perspektive keine Musik wären, haben trotzdem eine große Bedeutung. Ich nehme hier mal ein persönliches Beispiel: Als ich in Indonesien gelebt habe, erklang fünfmal am Tag der azan, der Gebetsruf der Moschee. Innerhalb kürzester Zeit konnte ich mich anhand des Gebetsrufes

zeitlich und räumlich orientieren. Es gab auch andere Elemente der indonesischen Soundscape, die ich im Alltag zur Orientierung benötigte. Z. B. hatte jede fahrende Straßenküche ein eigenes Klangsignal. Klänge unserer täglichen Lebenswelt sind also unglaublich wichtig zur Orientierung, sind aber gleichzeitig auch kulturell bestimmt. Das alles nimmt seinen Anfang in der Soundscape, die wiederum durch die natürlichen Bedingungen und verfügbaren Ressourcen vor Ort definiert wird. Als Ethnologin bzw. Musikethnologin interessiert mich dann, wie Menschen Klänge kulturell deuten und wie sie mit der Soundscape interagieren. Ein ganz wichtiger Punkt ist dabei: Klänge und Musik sind beide Teil der Soundscape, Musik ist eine von vielen möglichen Klangordnungen. wkn: Wie gehst Du in der Ausstellung mit Begriffen wie Musik und Instrument um? vvg: Das ist wirklich knifflig. Einerseits möchten wir in der Ausstellung den westlichen Musikbegriff hinterfragen und uns auf Klänge konzentrieren. Wie gesagt: Musik ist eine Form von Klang, Klang und Musik sind als gleichwertig anzusehen. Man kann aber aus Indigener Perspektive nicht für alle Kulturen von Musik oder von (Musik)Instrumenten reden. Um die Inhalte der Ausstellung besser vermitteln zu können, müssen wir aber immer wieder auf Begriffe wie Musik oder Instrument zurückgreifen. wkn: Verschiedene Kooperationsparner*innen gestalten das Projekt mit. Wie wichtig ist dir Zusammenarbeit? Gab es Überraschungen? vvg: Für das Projekt Klangquellen arbeiten wir mit vielen sehr unterschiedlichen Partner*innen zusammen, sei es institutionell oder auf persönlicher Ebene. Ich könnte hier unglaublich viel über die verschiedenen Kooperationen erzählen, aber da empfehle ich lieber den Besuch in der Ausstellung. Ich habe alle Kooperationen im Rahmen von Klangquellen als große Bereicherung erlebt und habe persönlich auch viel dazu gelernt. Hervorheben möchte ich allerdings die Zusammenarbeit mit der indonesischen Community hier in Frankfurt, die über das indonesische Generalkonsulat (KJRI) vermittelt und koordiniert wird. Mir war es nämlich besonders wichtig, dass die Besucher*innen im Rahmen der Ausstellung auch selbst klanglich und musikalisch aktiv werden können. Der Musikethnologe Mantle Hood

prägte den Begriff der bimusicality und drückte damit aus, dass man eine Klang- und Musikkultur nur dann verstehen kann, wenn man mitmacht! Wir hatten bereits ein indonesisches Gamelan-Orchester in der Sammlung, das auch bespielt werden kann, und außerdem haben wir vor Kurzem ein Angklung-Orchester erworben, das ebenfalls benutzt werden darf. In der Ausstellung werden nun Workshops in Gamelan und Angklung angeboten. Für diese Möglichkeit bin ich sehr dankbar. wkn: Du hast ja gerade erzählt, wie wichtig es ist, Klänge und Musik selber aktiv erleben zu können. Wie gehst Du damit um, dass viele Objekte in der Sammlung nicht mehr bespielt werden können? vvg: Das ist vielleicht eine der größten Herausforderungen an einem Museum, wenn man zu Klang und Musik arbeiten möchte. Musikinstrumente und andere Objekte, bei denen der Klang von zentraler Bedeutung ist, muss man entweder in Aktion sehen oder sie am besten spielen oder benutzen, um sie richtig verstehen zu können. Allerdings gibt es einige Instrumente und Objekte in unserer Sammlung, zu denen es kaum schriftliche Aufzeichnungen gibt – geschweige denn Ton- oder sogar Videoaufnahmen. Das liegt einerseits daran, dass die Objekte zum Teil relativ alt sind und es vor allem zu Alltagsgegenständen oft keine Berichte gibt. Und Tonaufnahmen wurden lange Zeit nur von Gesängen, Tänzen etc. gemacht, also Klangphänomenen, die aus westlicher Sicht als Musik wahrgenommen wurden. Alltagsgegenstände oder Soundscapes werden und wurden nur selten aufgenommen. Eine weitere Herausforderung ist, dass die Objekte in unserer Sammlung aus konservatorischen Gründen eigentlich nicht gespielt werden können. Aber dadurch kriegen wir auch nicht raus, wie die Objekte geklungen haben können. In Absprache mit unserer Restaurierung haben wir allerdings einige Sammlungsobjekte bespielen dürfen und sogar ein paar Tonaufnahmen für unseren Audioguide gemacht. Aber hier konnten wir auch nur den Klang festhalten, weil die ‚Spielweisen‘ nicht klar waren und so sind die Aufnahmen auch nur eine grobe Annährung. In der Ausstellung bieten wir für ausgewählte Objekte Klang- oder Videobeispiele, um dieses Problem zu überbrücken.

wkn:Welches Objekt aus der Ausstellung beeindruckt dich besonders? vvg: Jedes Objekt in der Ausstellung hat für mich einen einzigartigen Charakter. Aber ich möchte zwei Objekte hervorheben, die für mich aus verschiedenen Gründen besonders faszinierend sind. Ganz unscheinbar ist ein kleiner Goldring aus Java: Hier sind Steinchen oder Ähnliches in einen Hohlkörper eingefasst und so rasselt der Ring ganz leise, wenn man ihn bewegt. Bis heute habe ich keine Erklärung gefunden, warum dieser Ring auch eine Rassel ist. Welche Funktion kann das gehabt haben? Das zweite Objekt oder besser die Objekte sind Schlitztrommeln. In der Ausstellung stehen insgesamt fünf Schlitztrommeln und wenn man reinkommt, sieht man direkt eine senkrecht stehende Schlitztrommel aus Vanuatu. Für mich verbinden Schlitztrommeln viele Fragen und Elemente der Ausstellung: Weil sie aus dem vor Ort verfügbaren Material gemacht werden, gibt es eine enge Verbindung zwischen Ressourcen und Klang. Einerseits werden Schlitztrommeln als Signalinstrumente verwendet - sowohl als „Klingel“ als auch für komplexe Nachrichten – und andererseits dienen sie als Instrument zur Begleitung von Musik und Tanz. Es gibt Schlitztrommeln in sehr vielen Kulturen dieser Welt, aber Klang, Verwendung und Bedeutung variieren immer leicht. Das finde ich unglaublich spannend. wkn:Welche Soundscapes haben dich geprägt? vvg: Ich bin im Rheinland aufgewachsen und bis heute sind Flussgeräusche, vor allem das Fließen des Rheins, die Geräusche der Schifffahrt, aber auch die Wasservögel in den Rheinauen, eine prägende Soundscape für mich. Obwohl ich wirklich keine Karnevalistin bin, sind mir Karnevalsfanfaren, der Lärm der Rosenmontagszüge und natürlich die ganzen Karnevalslieder doch sehr präsent. Außerdem ist der Klang des javanischen Gamelans für mich bis heute sehr wichtig. Ich habe in der Universität ein bisschen Gamelan-Spielen gelernt und mit dem Klang verbinde ich viele positive Erinnerungen. Das gilt auch für die Klänge des Großraums Jakarta, einerseits mit seinem lauten Verkehrslärm, andererseits mit vielen kleinen Klangsignalen, die ich über die Zeit hin gelernt habe, zu deuten.


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“… every object – whether a musical instrument or not – has its own sound.”

weltkulturen news: You’ve curated the exhibition “Sound Sources. Everything is Music!”. How did you decide on this theme? vanessa von gliszczynski: As a matter of fact, I’ve been thinking for a long time about doing an exhibition on sound and music. I actually studied ethnomusicology and have often incorporated musical themes into past projects. Admittedly, it wasn’t all that easy to bring together objects from our collection to create an innovative and wide-ranging exhibition about sound and music. It was while I was working with the collection in the storage facility a few years ago that I realised each and every object – whether a musical instrument or not – has, or had, its own sound. Some jewellery rattles or jingles, while tools can make hammering noises and so on. That’s when I started thinking about the cultural significance of sounds – and about how they might influence our acoustic perception. And so a key message of our exhibition is that every place (and every era) has its own sound. In this respect I’m building on the notion of the soundscape proposed by Canadian composer R. Murray Schafer, although Schafer was less preoccupied with material culture. wkn: As an ethnologist, what do you find so interesting about soundscapes? vvg: The term “soundscape” embraces all the sounds, noises and music that can be heard in a particular place and at a particular time – whether that’s animal noises, the wind and weather, industrial sounds, or just babbling voices. Schafer distances himself here somewhat from the “classical” concept of music, by which I mean music in the European/Western sense, with its established tuning system and instruments. But many cultures around the world just don`t use the term music, or they have sounds that would not count as music from a European/Western perspective but are nonetheless hugely important. I’ll take a personal example here: when I lived in Indonesia, the azan, or call to prayer, sounded from the mosque five times a day. Within a very brief time I was able to use the call to prayer to work out the time of day and my exact location. But I needed other elements of the Indonesian soundscape in order to get my bearings in everyday life. For instance, every mobile street kitchen would signal its presence with a unique sound. So the sounds in our everyday life world are incredibly important for being able to orient ourselves, but they’re also culturally determined. It all starts off with a soundscape, which in turn is defined by natural conditions and the resources that are available locally. As an ethnologist and an ethnomusicologist, I am interested in how people culturally interpret sounds and how they interact with the soundscape. One very important point here is that sounds and music are both parts of the soundscape, and music is only one of several possible ways of organising sound.

wkn: How do you deal with terms such as “music” and “instrument” in the exhibition? vvg: That’s really tricky. On the one hand we want to scrutinise the Western concept of music in the exhibition and concentrate on sounds. As I said, music is one form of sound, and sound and music should be regarded as of equal value. From an Indigenous perspective we can’t talk about music or (musical) instruments with respect to all cultures. But in order to communicate the contents of the exhibition more effectively, we have to keep on resorting to terms like music or instrument. wkn: You cooperated with various partners who helped to shape the exhibition. How important is cooperation for you? Were there any surprises? vvg: We’re working with many different partners on the Sound Sources project, some of them institutions and others individuals. There’s so much I could say about all the different instances of cooperation, but I’d recommend that you visit the exhibition instead. I found all the cooperation in the Sound Sources project to be extremely beneficial, and I’ve also personally learned so much from it. But I’d like to highlight the cooperation with the Indonesian community here in Frankfurt, which was arranged and coordinated by the Indonesian general consulate (KJRI). I found it particularly important that visitors should be able to play an active role in the exhibition in terms of both sound and music. It was the ethnomusicologist Mantle Hood who coined the term “bimusicality”, according to which someone can only understand a particular culture of sound and music if they join in! An Indonesian gamelan orchestra which can be played was already part of the collection, and we’ve also recently acquired an angklung orchestra which is similarly available for use. Workshops on playing gamelan and angklung are being offered as part of the exhibition – an opportunity for which I am truly grateful. wkn: You’ve just said how important it is to experience sounds and music actively at first hand. How do you deal with the fact that many objects in the collection can no longer be played? vvg: That’s possibly one of the biggest challenges for a museum if you want to work with sound and music. With musical instruments and other objects where the sound is critically important, you have to see them in action or ideally play or use them yourself in order to understand them properly. But there are several instruments and objects in our collection that come with virtually no written documentation, let alone sound recordings or even video. One reason for this is that some of the objects are relatively old, and often nothing gets reported about everyday items. For a long time, sound recordings were only made of songs, dances etc. – in other words, sound phenomena which were perceived as music from a Western perspective. Everyday objects

or soundscapes were – and still are – seldom recorded. A further challenge is that the objects in our collection can’t actually be played because their condition has to be preserved. But that means we can’t find out how the objects might have sounded. In consultation with our team of conservators, however, we have been permitted to play some of the objects and even made a few audio recordings for our audio guide. But even in these cases we were only able to determine their sound because it wasn’t clear how they were played, and so the recordings were no more than a rough approximation. In the exhibition we are bridging this problem by providing audio or video recordings of the objects in action. wkn: Which object in the exhibition do you find particularly impressive? vvg: I think that each and every exhibit has a unique character. But I’d like to highlight two objects which have really fascinated me for very different reasons. There’s a gold ring from Java which looks fairly unassuming: small stones or the like are enclosed in a hollow container so that the ring rattles quietly when moved. I’ve never been able to find an explanation for why this ring has a rattle. What function could it have fulfilled? The second object, or rather objects, are slit drums. There are a total of five slit drums in the exhibition, and upon coming in you immediately see an upright slit drum from Vanuatu. I find that slit drums are linked to multiple questions and elements in the exhibition: because they are made from locally available materials there’s a close connection between these resources and the sound. On the one hand, slit drums are used as signalling instruments – both as “doorbells” and for complex messages – and on the other they serve as instruments accompanying music and dance. There are slit drums in many cultures around the world, but the sound, the use and the meaning differ slightly in each case. I find that incredibly exciting. wkn: Which soundscapes have made their mark on you? vvg: I grew up in the Rhineland and so river noises, especially the flowing Rhine, shipping sounds and the waterfowl in the Rhine floodplains have always been a formative soundscape for me. And although I’m not really into Carnival that much, the Carnival fanfare, the noisy Shrove Monday parades, and of course all the Carnival songs have a real presence. The sound of the Javanese gamelan is also still extremely important to me. I learned how to play the gamelan a bit at university and I associate lots of positive memories with the sound. The same is true of the sounds of the Jakarta metropolitan area: there’s the loud traffic noise and then there are the numerous small sound signals, which I learned to interpret over time. wkn: Thank you, Vanessa.

04. Installation eines GamelanOrchesters in der Ausstellung Klangquellen. Ankauf bei August Flick, 1989. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 04. Installing a gamelan orchestra for the “Sound Sources” exhibition. Purchased from August Flick, 1989. Weltkulturen Museum Collection. Photo: Wolfgang Günzel 05. Schlitztrommel der Iatmul, Mittlerer Sepik, Neuguinea. Gesammelt von Eike Haberland und Meinhard Schuster, 1961. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 05. Iatmul slit drum, Middle Sepik, New Guinea. Collected by Eike Haberland and Meinhard Schuster, 1961. Weltkulturen Museum Collection. Photo: Wolfgang Günzel 06. Kuratorin und Südostasien Kustodin Vanessa von Gliszczynski. Foto: Wolfgang Günzel 06. The curator of the exhibition, Vanessa von Gliszczynski, who is also in charge of the Southeast Asia section. Photo: Wolfgang Günzel 07. Zwei Ansichten einer Schlitztrommel aus Vanuatu. Angekauft von Arthur Speyer, 1979. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 07. Two views of a slit drum from Vanuatu. Purchased from Arthur Speyer, 1979. Weltkulturen Museum Collection. Photo: Wolfgang Günzel


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Ein vielseitiges Instrument / A versatile instrument 08.

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Bio: Vinsensius Adi Gunawan ist Musikethnologe und katholischer Priester, der seit 2013 bei den Steyler Missionaren in St. Augustin bei Bonn arbeitet. Er ist auf Flores in Ostindonesien aufgewachsen, wo er das Sasando kennen und spielen lernte. Am 14. April 2024 wird Vinsensius Adi Gunawan im Rahmen einer Konzertführung in der Ausstellung „Klangquellen“ das Sasando und sein Repertoire vorstellen. Bio: Vinsensius Adi Gunawan is an ethnomusicologist and Catholic priest who has worked at the Steyler Mission in St. Augustin, near Bonn, since 2013. He grew up on Flores in East Indonesia, where he became familiar with the sasando and then learned to play the instrument. On 14 April 2024, Vinsensius Adi Gunawan will present the sasando and his repertoire at a concert lecture in the “Sound Sources” exhibition.

08. Bambusröhrenzither Sasando aus Roti, Ostindonesien. Schenkung des Generalkonsulates der Republik Indonesien, 2022. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 08. Sasando (bamboo tube zither) from Roti, East Indonesia. Gift of the

ein gespräch zwischen kuratorin vanessa von gliszczynski und sasando-spieler vinsensius adi gunawan / curator vanessa von gliszczynski in conversation with sasando player vinsensius adi gunawan

General Consulate of the Republic of Indonesia, 2022. Weltkulturen Museum Collection. Photo: Wolfgang Günzel 09. Vinsensius Adi Gunawan spielt das 10. Sasando anlässlich der feierlichen Übergabe durch das Generalkonsulat der Republik Indonesien im Frühjahr 2022. Foto: Wolfgang Günzel 09. Vinsensius Adi Gunawan plays the 10. sasando at a ceremony to mark the General Consulate of the Republic of Indonesia presenting the instrument to the museum in spring 2022. Photo: Wolfgang Günzel


I M G E S P R Ä C H / I N C O N V E R S AT I O N

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Das Sasando ist eine Bambusröhrenzither aus Roti, einer kleinen Insel in Ostindonesien. Früher gab es auf vielen Inseln Südostasiens ähnliche Bambuszithern, bei welchen die Saiten aus der äußeren Haut des Bambus geschnitten wurden – diese Zithern werden aber kaum noch gespielt. Das Sasando hingegen ist auf Roti, den benachbarten Inseln Flores und Timor, aber mittlerweile auch in ganz Indonesien sehr populär. / The sasando is a bamboo tube zither from Roti, a small island in East Indonesia. Similar bamboo zithers used to exist on many islands in South East Asia, with the strings cut from the external skin of the bamboo – but these zithers are now rarely played. In contrast, the sasando is extremely popular on Roti, the neighbouring islands of Flores und Timor, and more recently throughout Indonesia.

vanessa von gliszczynski: Das Sasando, über das wir hier sprechen, kommt ja von der kleinen ostindonesischen Insel Roti, wird aber auch auf Flores und Timor gespielt. Wie und wann bist du zum ersten Mal mit dem Sasando in Berührung gekommen und wie hast du gelernt, es zu spielen? vinsensius adi gunawan: Als ich ein Kind war, war das Sasando nicht sehr populär; es wurde nur gelegentlich im Schulunterricht erwähnt. Das erste Mal kam ich mit dem Instrument während meiner philosophischen und theologischen Studien auf der Insel Flores in Berührung. Allerdings war es nur eine kurze Begegnung mit einem Sasando-Meister, um das Instrument besser kennenzulernen. Danach ging ich nach Polen, um mein Theologiestudium fortzusetzen. Nach dem Abschluss meines Theologiestudiums wollte ich mich mehr mit Musikethnologie beschäftigen. Im Jahr 2010 war ich in meinem Heimatland für einen längeren Forschungsaufenthalt, um Material für meine bevorstehende Doktorarbeit zu sammeln. Zu dieser Zeit kam ich schon mehr in Berührung mit dem Sasando, aber es fehlte mir die Zeit, es zu lernen. Es handelt sich nicht gerade um ein billiges Instrument und meine Prioritäten waren ganz andere. Im Jahr 2013 zog ich nach Deutschland und während meines ersten Urlaubs in der Heimat begann ich mich wieder für das Sasando zu interessieren. Ich versuchte, ein paar Techniken zu lernen, aber wieder kam mir mein Zeitmangel in die Quere. Ich kaufte mir ein Instrument und beschloss, mir das SasandoSpielen selbst beizubringen – als Autodidakt. Ich änderte die Reihenfolge der Saiten etwas ab, um sie leichter spielen zu können und um gleichzeitig den typischen Klang des Sasandos zu erhalten. vvg: In welcher Stimmung wird das Sasando gespielt und welche Art von Musik macht man darauf? Spielt man es alleine oder zusammen mit anderen Instrumenten – und zu welchen Anlässen? vag: Der sogenannte Sasando-Gong ist die traditionelle Version des Instruments und hat nur acht oder zwölf Saiten. Der Sasando-Gong wird als Begleitung zum Tanz, bei traditionellen

Ritualen oder Zeremonien, zu Hause oder in einer Hütte auf dem Feld gespielt. Traditionell wird das Sasando nur von einer Trommel begleitet. Aber das diese Bambusröhrenzither kann auch mit Gesang oder Solo gespielt werden. vvg:Würdest du sagen, dass sich die Bedeutung des Sasandos in den letzten 30 Jahren in Indonesien und speziell auf Roti bzw. Flores oder Timor verändert hat? Was hat dazu beigetragen? Wie kommt es, dass das Instrument heute in ganz Indonesien so beliebt ist? vag: Mit der wirtschaftlichen Entwicklung geht ein kultureller Wandel einher, der sich auch auf die Musik auswirkt. Auf den SasandoGong folgte das Sasando-Biola, also das GeigenSasando, mit mehr als 30 Saiten und einem diatonischen Saitenaufbau – das heißt diese Version des Instrumentes orientiert sich an der europäischen Stimmung. Das traditionelle Sasando blieb auf der Insel Roti erhalten, während die neuere Form des Sasandos vor allem auf der Nachbarinsel Timor gespielt wurde und auch sehr populär wurde. Heute ist das Sasando in ganz Indonesien sehr bekannt und beliebt, dank einheimischer Musiker wie Natalino Mella, Djitron Pah, der Gruppe Nusa Tuak, Ivan Nestorman und Gaspar Araja. vvg: Wird das Sasando auch in der Popkultur verwendet, z. B. in Popsongs? vag: Tatsächlich spielen Natalino Mella, Djitron Pah, Ivan Nestorman und Gaspar Arja auf dem Sasando vor allem Popmusik. Djitron Pah schaffte es 2010 bei der Fernsehsendung „Indonesia’s got Talent“ bis ins Finale und spielte in der Sendung fast nur Variationen von Popsongs, gemischt mit traditionellen Elementen. vvg: Kannst du uns beschreiben, was dich persönlich mit dem Klang des Sasando verbinden? Und was findest du am Sasando besonders faszinierend? vag:Der Sasando-Gong hat mich bewegt und inspiriert. Der Klang, der aus nur acht oder zwölf Saiten kommt, versetzt mich trotz seiner gewissen Monotonie in einen unbekannten sakralen Raum. Meine Art zu spielen, ist in Indonesien nicht populär, weil ich mehr Wert auf den ursprünglichen und traditionellen Klang lege.

weltkulturen news: The instrument we’re talking about here, the sasando, is from the small East Indonesian island of Roti, but it’s also played on Flores and Timor. How and when did you first come across the sasando, and how did you learn to play it? 10.

vinsensius adi gunawan: The sasando wasn’t very popular when I was a child; it was only mentioned occasionally in lessons at school. I first came across the instrument as a student of philosophy and theology on the island of Flores. But that was just a short meeting with a sasando virtuoso in order to become more familiar with the instrument. I then went to Poland to continue my theology studies, but after graduating I wanted to focus more on ethnomusicology. In 2010 I spent an extended period of time doing research in my homeland, collecting material for my impending doctorate. Around this time I did have more exposure to the sasando, but I just didn’t have the time to learn how to play it. It’s not exactly a cheap instrument and I had very different priorities back then. In 2013 I moved to Germany and during my first holiday back home I rekindled my interest in the sasando. I tried to learn a few techniques but was thwarted once more by my lack of time. So I bought my own instrument and decided to teach myself to play sasando – as an autodidact. I changed the order of the strings somewhat in order to make it easier to play while also retaining the typical sound of the sasando. vvg: What kind of tuning does the sasando use and what kind of music is played on it? Is it played alone or in conjunction with other instruments – and on what occasions? vag:The traditional version of the instrument, known as the sasando gong, has only eight to twelve strings. The sasando gong is played

as an accompaniment to dancing, at traditional rituals or ceremonies, at home, or in a hut out in the fields. Traditionally the sasando is played with just a drum. But this bamboo tube zither can also accompany singing or be played as a solo instrument. vvg: Would you say that the significance of the sasando has changed in the last thirty years in Indonesia, and especially on Roti, Flores and Timor? What contributed to that? How has the instrument become so popular throughout Indonesia today? vag: Economic development goes hand in hand with cultural change, and that has an effect on music too. The sasando gong was followed by the sasando biola, or sasando violin, which has more than thirty strings and a diatonic string structure – which means that this version of the instrument is aligned with European tuning. The sasando remained in its traditional form on the island of Roti, while the newer version was played above all on the neighbouring island of Timor and became extremely popular. Today, the sasando is well known and much loved throughout the country, thanks to Indonesian musicians such as Natalino Mella, Djitron Pah, the group Nusa Tuak, Ivan Nestorman and Gaspar Araja. vvg: Is the sasando used in pop culture, for instance in pop songs? vag: Natalino Mella, Djitron Pah, Ivan Nestorman and Gaspar Araja do tend to play pop music on the sasando. In 2010, Djitron Pah made it through to the final of the TV show “Indonesia’s got Talent”, almost exclusively playing variations on pop songs mixed in with traditional elements. vvg: Can you describe what you personally associate with the sound of the sasando? And what do you find so fascinating about the instrument? vag: The sasando gong has moved and inspired me. The sound that comes from only eight or twelve strings takes me to an unknown sacred space, despite its monotonous element. The way I play isn’t all that popular in Indonesia because I place more value on the original, traditional sound.


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Hörbar machen: Eine kleine Geschichte der Tonaufnahme / Making audible: A short history of the audio recording

Bio: Jan Philipp Kluck M.A. studierte Medienwissenschaft, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Musikethnologie an der Philipps-Universität Marburg und der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2022 ist er wissenschaftlicher Volontär am Weltkulturen Museum und ist als Projektassistent an der Ausstellung „Klangquellen. Everything is Music!“ beteiligt. Bio: Jan Philipp Kluck M.A. studied media studies, art history and musicology with a focus on ethnomusicology at the PhilippsUniversität Marburg and the Goethe University Frankfurt am Main. He has been a research intern at the Weltkulturen Museum since 2022 and is a project assistant on the exhibition “Sound Sources. Everything is Music!”

11. Tonaufnahmen mit dem Edison-Phono12. graphen während der FrobeniusExpedition nach Seram und Westpapua 1937–38. Fotos: Frobenius-Institut, Frankfurt 11. Sound recordings made on the Edison 12. phonograph during the Frobenius expedition to Seram and West Papua, 1937–38. Photos: Frobenius-Institut, Frankfurt

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“sound sources. everything is music!” makes objects audible. jan philipp kluck on the challenges of audio recording research The exhibition “Sound Sources. Everything is Music!” at the Weltkulturen Museum not only offers visitors the opportunity to view objects from the collection – it also aims to make the artefacts audible. However, an exhibition on sound and music based on objects from an ethnographic collection is confronted with a fundamental problem: How can the sound of objects be made perceptible when the objects themselves can no longer produce a tone or cannot be played for conservational reasons? Resorting to audio recordings would seem to offer a solution here, especially as access to sound cultures from around the world appears to be just a few clicks away today. However, as this short history of ethnographic audio recordings attempts to show, this is not to be taken for granted. In 1877 Thomas Edison submitted a patent application for his phonograph, and is therefore considered the inventor of the audio recording. The interest in phonographs was enormous. For comparative musicology, which around 1900 was primarily interested in non-European music, the phonograph provided the opportunity to document sound cultures which could not be adequately represented in Western notation systems. This resulted in phonogram archives, e.g. in Berlin or Vienna, which to this day are important sources for historical audio recor-

dings. In the spirit of the “salvage ethnography” of the early twentieth century, the musicology of the time set itself the goal of preserving and researching the sound cultures threatened by colonialism. In this context, it was above all Indigenous, pre-colonial sound cultures which were considered “ethnic” and “original” that were deemed worthy of preservation. At the same time they were implicitly denied any form of historical development, and in contrast to European art music, were classified as “exotic” or “primitive”. On the one side, audio recordings were made “on the doorstep” during ethnological expositions and guest performances, in zoos or prisoner of war camps. However, above all, research expeditions were frequently used to collect recordings from around the world. Thus a few expeditions associated with the then Frankfurt Städtisches Völkermuseum were provided with equipment and knowhow by the Berliner Phonogramm-Archiv to produce recording which are housed in the archive to this day. On the one side, the phonograph provided the opportunity to record anywhere in the world, on the other side it was very limited compared to today’s technology with respect to the length of the recording and the choice of sound source. Initially the recording was limited to two minutes and the sound had to have a cer-

tain volume and frequency composition. Consequently, for a long time there were no recordings of differentiated soundscapes or sound practices of a longer duration. Instead, the focus of the recordings, alongside speech, was on short songs and small instrumental ensembles. The development of portable recording technology, with the invention and dissemination of the magnetic tape in the 1950s, was the next big step. Longer recordings were possible which, overall, provided a better representation of the sound events. Thanks to improved microphone technology the recording situations were less contrived, and thus better met the demands now placed on ethnographic field research that music should be researched in context. In the digital world of the twenty-first century recording sound and music and playing it back at any desired time or place appears completely normal. To this day recording devices are becoming ever smaller – and therefore more mobile –, cheaper – and thus more affordable for many people – and produce recordings of increasing fidelity with respect to the recorded sound event. However, these possibilities are far from a matter of course. And even if many things are technically possible – what is recorded is still dependent on which sounds people consider meaningful.


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„klangquellen. everything is music!“ macht objekte hörbar. jan philipp kluck über herausforderungen bei der tonaufnahmenrecherche Die Ausstellung „Klangquellen. Everything is Music!“ im Weltkulturen Museum bietet Besuchenden nicht nur die Möglichkeit, die Objekte der Sammlung anzuschauen – die Exponate sollen auch hörbar werden. Eine Ausstellung über Klang und Musik, die auf Objekten aus einer ethnographischen Sammlung basiert, hat allerdings ein grundlegendes Problem: Wie kann der Klang der Objekte wahrnehmbar gemacht werden, wenn die Objekte selbst nicht mehr klingen können oder aus konservatorischen Gründen nicht bespielt werden sollen? Es liegt nahe, hier auf Tonaufnahmen zurückzugreifen, scheint doch heute die Verfügbarkeit von Klangkulturen aller Welt nur wenige Klicks entfernt zu sein. Wie diese kleine Geschichte der ethnographischen Tonaufnahme zeigen soll, ist das jedoch keine Selbstverständlichkeit. Thomas Edison meldete 1877 seinen Phonographen zum Patent an und gilt damit als Erfinder der Tonaufnahme. Das Interesse am Phonographen war groß. Für die vergleichende Musikwissenschaft, die sich um 1900 vor allem mit außereuropäischer Musik beschäftigte, bot der Phonograph die Möglichkeit, Klangkulturen zu dokumentieren, die sich im westlichen Notensystem nicht adäquat darstellen ließen. So entstanden Phonogrammarchive, z. B. in Berlin oder Wien, die bis heute wichtige Quellen für historische Klangaufnahmen sind. Die damalige Musikforschung setzte sich im Sinne der „Rettungsethnologie“ des frühen 20. Jahrhunderts zum Ziel, die vom Kolonialismus bedrohten Klangkulturen zu bewahren und zu erforschen. Als erhaltenswert galten in diesem Zusammenhang vor allem Indigene, prä-koloniale, als „urtümlich“ und „originell“ empfundene Klangkulturen. Diesen sprach man zugleich implizit jede historische Entwicklung ab und klassifizierte sie gegenüber europäischer Kunstmusik als „exotisch“ oder „primitiv“. Tonaufnahmen entstanden einerseits „vor der Haustür“ während Völkerschauen und Gastspielen, in zoologischen Gärten oder in Kriegsgefangenenlagern. Aber vor allem auch Forschungsreisen wurden vielfach dafür genutzt,

Aufnahmen aus aller Welt zu sammeln. So wurden auch mehrere Expeditionen aus dem Umfeld des damaligen Frankfurter Völkermuseums vom Berliner Phonogrammarchiv mit Equipment und Knowhow ausgestattet, um Aufnahmen zu machen, die bis heute in diesem Archiv liegen. Der Phonograph bot einerseits die Möglichkeit mobil an jedem Ort der Welt aufzunehmen, andererseits war er gegenüber heutigen Techniken sehr limitiert, was die Dauer der Aufnahmen und die Wahl der Klangquellen betraf. Zunächst konnten nur zwei Minuten aufgenommen werden und der Klang musste eine gewisse Lautstärke und Frequenzzusammensetzung haben. So gab es lange keine Aufnahmen differenzierter Soundscapes oder längerer Klangpraktiken. Vielmehr liegt der Fokus der Aufnahmen neben Sprachaufnahmen auf kurzen Gesängen und kleineren InstrumentalEnsembles. Die Entwicklung der tragbaren Aufnahmetechnik machte mit der Erfindung und Verbreitung des Magnettonbandes in den 1950er Jahren den nächsten großen Schritt. Es wurden längere Aufnahmen möglich, welche die Klangereignisse insgesamt besser repräsentieren konnten. Dank einer verbesserten Mikrofontechnik waren die Aufnahmesituationen weniger gestellt und entsprachen damit auch den inzwischen geltenden Ansprüchen an ethnographische Feldforschung, Musik nicht losgelöst vom Kontext zu erforschen. Klang und Musik aufzunehmen und an beliebigem Ort, zu beliebiger Zeit abzuspielen, erscheint in der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts völlig normal. Die Aufnahmegeräte werden bis heute immer kleiner, damit mobiler, kostengünstiger, damit für viele Menschen erschwinglicher, und ermöglichen eine immer höhere Wiedergabetreue gegenüber dem aufgenommenen Klangereignis. Diese Möglichkeiten sind aber alles andere als selbstverständlich. Und auch wenn vieles technisch möglich ist, was aufgenommen wird, ist nach wie vor abhängig davon, welchen Klängen Menschen Bedeutung beimessen.


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Mit den Ohren sehen / Seeing with your ears 13.

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Fotos: Lasse-Marc Riek

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Photos: Lasse-Marc Riek

für die ausstellung „klangquellen. everything is music!“ hat lasse-marc riek einen hörraum eingerichtet, der den besucher*innen den begriff der soundscapes und gleichzeitig das aufmerksame zuhören näherbringen soll. was ist ein soundscape eigentlich und wie kann man damit künstlerisch arbeiten? wir haben lasse-marc riek zum interview getroffen. / lasse-marc riek has designed a listening room for the exhibition “sound sources. everything is music!” which aims to familiarise visitors with the concept of soundscapes while at the same time introducing them to attentive listening. but what actually is a soundscape, and what kind of art can be produced with it? we met up with lasse-marc riek for an interview.


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Bio: Der Hanauer Klangkünstler Lasse-Marc Riek setzt sich mit Soundscapes bzw. Klanglandschaften auseinander. Neben Feldaufnahmen arbeitet Riek auch im Bereich der Bioakustik und der Soundscape-Komposition. Seit 1997 beteiligt er sich auf internationaler Ebene an Ausstellungen, Konzerten und Kunstprojekten. Hinzu kommen zahlreiche internationale Veröffentlichungen z. B. für den Hessischen Rundfunk, Arte und die BBC. Bio: The sound artist Lasse-Marc Riek from Hanau specialises in exploring soundscapes. In addition to his field work, Riek is also active in bioacoustics and soundscape composition. Since 1997 he has participated internationally in exhibitions, concerts and art projects and has produced numerous international audio production, for instance for Hessische Rundfunk, Arte and the BBC.

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KLANGKÜNSTLER LASSE-MARC RIEK ÜBER SEINE ARBEIT MIT SOUNDSCAPES UND SEINE LEIDENSCHAFT, DER WELT ZUZUHÖREN weltkulturen news: Als Klangkünstler setzt du dich immer wieder mit dem Konzept der Klanglandschaft bzw. der Soundscape auseinander. Kannst du uns in drei Sätzen erklären, was der Begriff Soundscape meint? lasse-marc riek: Ein Soundscape oder übersetzt Klanglandschaft ist das Zusammenspiel aus allen Geräuschen, die an einem Ort, in einem Raum oder in einer Landschaft zu hören sind. Je nach Situation und Lage finden wir im Moment der Wahrnehmung Geräusche aus Wetterphänomenen sowie Sozial- und Funktionslaute der Tierwelt und der Menschen. wkn: Du beschäftigst dich auch mit Bioakustik – was ist das genau? Kannst du uns ein Beispiel nennen? lmr: Die Bioakustik ist ein Fachbereich aus der Biologie zur Erforschung von Tierstimmen. Erste Aufnahmen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts erstellt und werden seitdem in Archiven organisiert. Durch diverse umfangreiche Tonarchive kann das Verhalten der Lebewesen studiert und kommuniziert werden. Die Weiterentwicklung der Aufnahmetechniken macht es möglich, die Geräusche der kleinsten Insekten, Säugetiere, Amphibien und Vögel aufzuzeichnen. Somit können wir zum Beispiel Signale aus dem nichthörbaren Bereich wie Warnlaute von Elefanten im Infraschallbereich oder Jagdlaute von Fledermäusen im Ultraschallbereich hörbar machen. Durch Sensoren und Unterwassermikrophone können wir das Balzverhalten von Insekten unter dem Wasser oder in der Erde aufnehmen, durch Parabolspiegel-Mikrofone Tiere aus weiter Ferne belauschen oder Langzeitaufnahmen durch sogenannte winzige Standalone-Rekorder in der Umwelt festhalten. wkn: Wie bist du dazu gekommen, dich so intensiv mit den Klängen der Umgebung aus-

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einanderzusetzen? Was fasziniert dich so besonders an Soundscapes, Bioakustik und Alltagsklängen? lmr: Als Kind kam ich durch einen Zufall zum bewussten Hören. Im Alter von 14 Jahren war ich mit einem guten Freund am Ende des Tages zu tief in den nahegelegenen Wald gelangt und wir vergaßen die Zeit. Es wurde schnell dunkel, sodass wir es erst realisierten, als es schon zu spät für eine sichere Heimkehr war. Nach den ersten Schockmomenten wurde mir klar, dass es nur über das Hören einen Ausweg geben konnte. Also versuchten wir, die Umgebung mit Hilfe unserer Ohren zu analysieren. Nach einer Weile hörten wir ein einzelnes Auto und dann Weitere in der Ferne. Stück für Stück näherten wir uns im Hören der Straße, die uns dann nach einer längeren Wanderung nach Hause führte. Seit diesem Ereignis wuchs meine Leidenschaft, der Welt zuzuhören und in mich selbst hineinzuhören. wkn: Wie kommst du an deine Klangaufnahmen? Hast du immer ein Aufnahmegerät dabei oder gehst du gezielt raus und suchst nach geeigneten Orten oder Situationen? lmr: Den Zugang zu den Klangorten und Situationen erarbeite ich mir auf unterschiedliche Art und Weise. Die Aufnahmen entstehen sowohl geplant als auch zufällig. Es gibt Landschaften und Gegenden, in denen wir ein hohes Aufkommen an Lebewesen aller Art feststellen können. Im Meer, am See oder im Gebirge finden sich zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten unterschiedliche Klangsituationen, auf die ich mich durch Recherche und Planung vorbereiten kann. Je nach Situation, Auftrag oder Konzept wird das Aufnahme-Setup vorbereitet. Für spontane Aktionen funktionieren kleine mobile Rekorder gut, die sofort einsatzfähig sind. Für groß angelegte und geplante Aufnahmesets können schon mal ein paar Kisten mit unterschiedlichster Aufnahmetechnik zum Einsatz kommen, wie z.B. Stereo-, Richt- und Parabolspiegel-Mikrophone oder Kontaktmikrophone, Sensoren, Ultraschalldetektoren und Hydrophone für Unterwasseraufnahmen. wkn: Was ist die schönste Soundscape, die du persönlich je gehört hast? lmr: Eine gute und schwere Frage zugleich. Nach so vielen Jahren des Hörens und Lauschens geht es mir weniger um das beste oder schönste Geräusch, sondern eher um die Wahrnehmung selbst und die daraus resultierende Erfahrung. Auch wenn es bei mir beruflich oft um die Frage der Verwertbarkeit geht, versuche ich weiterhin, jeden dieser kostbaren Momente ganzheitlich zu erleben, ob im Feld oder im Studio.

SOUND ARTIST LASSE-MARC RIEK ABOUT HIS WORK WITH SOUNDSCAPES AND HIS PASSION FOR LISTENING TO THE WORLD weltkulturen news: As a sound artist you frequently deal with the concept of a soundscape. Can you tell us in a few sentences what a soundscape is really about? lasse-marc riek: A soundscape is the interplay between all the noises that can be heard in a particular place, room or landscape. Depending on the situation and the location, at a specific moment we can perceive noises from weather phenomena as well as social and functional sounds from the animal and human worlds. wkn: You also work in bioacoustics – what is that exactly? Can you give us an example? lmr: Bioacoustics is a sub-discipline of biology that investigates animal vocalisations. Recordings were first made in the early twenties century, and since then they have been catalogued in archives. There are a number of extensive sound archives which make it possible to study the behaviour of living creatures and communicate the findings. The ongoing development of recording technology allows us to record noises made by the tiniest insects, mammals, amphibians and birds. This lets us render signals audible that we otherwise could not hear, such as infrasound warning noises made by elephants or the ultrasonic hunting sounds of bats. Thanks to sensors and underwater microphones we can record the courtship displays of insects under the water or in the earth, while parabolic reflector microphones permit us to listen in on animals from a great distance and tiny handheld recorders allow us to capture long exposures of a natural setting. wkn: What made you want to explore environmental sound so intensively? What do you find so particularly fascinating about soundscapes, bioacoustics and everyday noises? lmr: When I was a child I discovered conscious listening by accident. One day, at the age of fourteen, I went too far into the nearby forest with a good friend at the end of the day, and we forgot the time. It quickly got dark and we only realised once it was already too late to get home safely. After those first few moments of utter shock I realised that using our sense of hearing was our only chance of escape. So we tried to analyse our surroundings with the help of our ears. After a while we heard a single car, then some more in the distance. Bit by bit we got closer to a road by listening out for it,

then followed it on the long march back home. Since that experience my passion has only grown for listening out to the world and listening in to myself. wkn: How do you approach your sound recordings? Do you always have a recording device on hand, or do you consciously go out and look for suitable places or situations? lmr: I work out how to access sound locations and situations in various ways. The recordings are both planned and accidental. There are landscapes and places where we determine a high incidence of all kinds of living creatures. Whether in the sea, at a lake, or in the mountains the sound situations differ according to the time of day or the season, and I can prepare for these by doing advance research and planning. The recording set-up is prepared to suit the situation, the commission or the concept. Small portable recorders work well for spontaneous ventures because they are ready for use immediately. For larger, planned recordings it’s absolutely possible that several boxes full of all sorts of equipment will be needed, such as stereo microphones, directional microphones, parabolic reflector microphones, contact microphones, sensors, ultrasound detectors and hydrophones for underwater recordings. wkn: What’s the most beautiful soundscape you’ve ever personally heard? lmr: That’s a good question, but difficult to answer. After so many years of listening and eavesdropping I’m less concerned with the best or most beautiful noise, it’s more about perception itself and what you experience as a consequence. Even though the issue of usability is often at the fore for me professionally, I do try nonetheless to experience each of these precious moments holistically, whether in the field or in the studio.

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Sich von der Kunst des Königreichs Benin ein neues Bild machen / Reimagining art from the Kingdom of Benin 17.

17. Osaze Amadasun. Ayere, 2021. Giclée-Druck in limitierter Auflage 17. Osaze Amadasun. Ayere, 2021. Limited edition giclée print 18. Osaze Amadasun, 2023. Foto: Wolfgang Günzel 18. Osaze Amadasun, 2023. Photo: Wolfgang Günzel 19. Osaze Amadasun. Bini Playing Cards, 2019. Digitaler Kunstdruck 19. Osaze Amadasun. Bini Playing Cards, 2019. Digital art print

Der Illustrator und Designer Osaze Amadasun im Gespräch mit den Kuratorinnen Julia Friedel und Audrey Peraldi / Illustrator and designer Osaze Amadasun in conversation with the curators Julia Friedel and Audrey Peraldi


G E S P R Ä C H / C O N V E R S AT I O N

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Bio: Osaze Amadasun (geb. 1994) ist Illustrator und Designer, der derzeit in Lagos, Nigeria, lebt und arbeitet. Seine Werke umfassen Zeichnung, Malerei, Illustration, Grafikdesign und digitale Medien, die er nutzt, um die vielfältige Kultur seiner Umgebung zu reflektieren. Amadasun beschäftigt sich in seinen Arbeiten häufig mit Themen rund um das historische Königreich Benin. Er nutzt dabei Medien wie Malerei, Spielkarten und T-Shirts, um seine Ideen auszudrücken. Seine Serie „Once Upon A Kingdom” interpretiert bedeutende Ereignisse im Benin des 16. Jahrhunderts neu. Bio: Osaze Amadasun (b. 1994) is an illustrator and designer currently living and working in Lagos, Nigeria. His works cut across drawing, painting, illustration, graphic design and digital media which he uses to reflect the diverse culture of his environment. Amadasun often explores themes around the ancient Benin kingdom in his works using media such as painting, playing cards, and t-shirts to express his ideas. His series “Once Upon A Kingdom“ reinterpreted significant events in 16th-century Benin.

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julia friedel: Wie hat das Königreich Benin deine Arbeit inspiriert? Warum hast du dich dazu entschlossen, dich mit dem Thema Königreich Benin auseinanderzusetzen? osaze amadasun: Alles begann 2016 mit einem Universitätsprojekt, bei dem ich die Aufgabe erhielt, einen Gedenkpark zu Ehren von Oba Esigie zu entwerfen. Als ich online nach Referenzmaterialien für meinen Entwurf gesucht habe, ist mir aufgefallen, dass es nicht viele Gemälde gibt, die historische Ereignisse und Personen des vorkolonialen Benins darstellen. Da die meisten Kunstwerke in Benin in einer sehr stilistischen Form gestaltet sind, war es für mich sehr viel schwieriger, mir eine realistische Vorstellung davon zu machen, wie die Menschen und die Landschaft des Königreichs damals ausgesehen haben. Der Versuch, diese Vorstellungslücke zu schließen, hat mich dazu inspiriert, meine eigene Interpretation der Geschichte Benins zu malen und andere zeitgenössische Ausdrucksformen zu schaffen, die von dieser Kultur beeinflusst sind. audrey peraldi: Erinnerst du dich an das erste Mal, als du Kunst aus Benin gesehen hast? oa: Soweit ich mich zurückerinnern kann, bin ich der Kunst aus Benin zum ersten Mal in den späten 1990er Jahren begegnet. Es gab einen Fernsehsender mit dem Namen ITV (Independent Television, Benin), den ich damals täglich sah. Das Logo des Senders zeigt bis heute den Elfenbeinanhänger der Königin Idia. Das war meine erste virtuelle Begegnung mit der Kunst Benins. Meine erste physische Begegnung fand jedoch 1999 statt, als ich an einem Kunstwettbewerb im Nationalmuseum von Benin teilnahm. Dort hatte ich die Gelegenheit, einige der

ausgestellten Benin-Objekte persönlich zu sehen. jf: Möchtest du deine Sichtweise zur aktuellen Debatte über die Kunst aus Benin und ihre Rückgabe mit uns teilen? oa: Zu diesem Thema ist bereits viel gesagt worden. Es gibt immer wieder Debatten über das Eigentum an den „BeninBronzen“ und darüber, ob alle geplünderten Objekte zurückgegeben werden oder ob sie auf Institutionen und Privatsammlungen im Ausland verteilt bleiben sollten. Was das Eigentum anbelangt, so bin ich der Meinung, dass die Benin-Artefakte moralisch dem Oba von Benin gehören, da er der oberste Bewahrer und Repräsentant der Benin-Kultur und seines Volkes ist. Was die Rückgabe der Objekte angeht, sollte der Oba meiner Meinung nach das letzte Wort darüber haben, ob alle Artefakte zurückgehen sollen oder ob er möchte, dass einige als Botschafter der Kultur im Ausland bleiben. ap:Wie stellst du dir die Zukunft der Benin-Objekte vor? oa: Ich stelle mir vor, dass die Zukunft der Benin-Objekte sehr viel erlebnisorientierter sein wird. Künstler*innen und Kurator*innen streben generell danach, die Grenzen des Machbaren zu testen, während sich auch die technologische Landschaft kontinuierlich verändert. Ich kann mir also vorstellen, dass es in Zukunft viel mehr Möglichkeiten geben wird, diese Objekte und somit auch die Geschichte Benins erfahrbarer zu machen. Medien wie Augmented und Virtual Reality (AR/VR), Animationen oder Videospiele könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen, neue und einzigartige Ausdrucksformen dieser klassischen Objekte zu erschaffen, sei es zu Bildungszwecken oder einfach zum Vergnügen des Publikums.

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der in lagos, nigeria lebende künstler hat einen beitrag zur ausstellung „benin. die sammlung im weltkulturen museum. perspektiven“ geleistet. er ist mit zwei werken in der ausstellung vertreten, die noch bis zum 30. dezember 2023 zu sehen ist. / the artist, who lives in lagos, nigeria, has contributed two works to the exhibition “benin. the collection at the weltkulturen museum. perspectives”. visitors will be able to see the exhibition until 30 december 2023.

julia friedel: In what way has the kingdom of Benin inspired your work? Why did you decide to work on this topic of Benin kingdom? osaze amadasun: It all began in 2016 with a university project where I was tasked with designing a memorial park in honour of Oba Esigie. While searching online for reference materials for my design, I realized that there weren’t a lot of paintings depicting historical events and individuals in precolonial Benin. As a large majority of Benin art is stylised, it became a lot more difficult for me to realistically imagine how the locals and scenery of the kingdom looked back then. In an attempt to bridge this imagination gap, I became inspired to paint my own interpretation of Benin’s history, as well as create other modern visual expressions inspired by the culture. audrey peraldi: Do you remember the first time you saw Benin art? oa: As far back as I can remember, the first time I came across Benin art was in the late 90s. There was a television station known as ITV (Independent Television, Benin) which I watched daily back then. The station's logo featured (and still does) the ivory head of Queen Idia. This was my first virtual sighting of Benin art. My first physical encounter, however, came in 1999 when I took part in a fine art competition at the Benin National Museum. There, I got the chance to see some of the Benin objects on display in person. jf: Would you like to share your perspective on the current debate on Benin art and its restitution? oa: Much has already been said about this topic. There have been constant debates over the ownership of the “Benin bronzes”, as well as whether all the looted objects should be returned back, or remain dispersed in institutions and private collections abroad. In terms of ownership, I am of the opinion that the Benin artefacts morally belong to the Oba of Benin as he is the chief custodian and representative of the Benin culture and its people. With regard to the restitution of the objects, I believe the Oba should have the final say on whether all the artefacts be returned back, or if he wishes for some of them to remain overseas as ambassadors of the culture. ap: How would you envision the future of Benin objects? oa: I imagine the future of Benin objects will be a lot more experiential. As artists and curators constantly look to push the envelope, coupled with the ever-changing technological landscape, I envision there may be a lot more immersive iterations of these objects and indeed Benin's history in the future. Media such as augmented and virtual reality (AR/VR), animation, video gaming, amongst others may play a pivotal role in facilitating new and unique expressions of these classical objects for the sake of education, or simply for the viewer's pleasure.


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Schallarchive dokumentieren das Gehörte / Sound archives documenting all that can be heard in wien und berlin gibt es schallarchive von internationaler bedeutung für die ethnologische forschung. das wiener phonogrammarchiv wurde 1899 gegründet, zu seinem bestand zählen sprachaufnahmen, musikethnologische tondokumente und stimmporträts. das berliner phonogrammarchiv besteht seit 1900, sammelt überwiegend aussereuropäische musik und ist heute als fachreferat im ethnologischen museum ansässig. daneben existiert in berlin das 1920 gegründete lautarchiv, das gegenwärtig in das musikwissenschaftliche seminar der humboldt-universität integriert ist und europäische volksmusik und sprachaufnahmen archiviert./ vienna and berlin have sound archives that are of international importance for ethnological research. the viennese phonogramm-archiv was founded in 1899, with holdings that include speech recordings, ethnomusicological audio documents and vocal portraits. berlin’s phonogramm-archiv, which has existed since 1900 primarily as a collection of non-european music,is today part of the city’s ethnologisches museum. berlin is also home to the lautarchiv, which was set up in 1920 and is now integrated into the music department at the humboldt-universität as an archive for european folk music as well as speech recordings.


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von renate lindner, bibliothekarin am weltkulturen museum /by renate lindner, librarian at the weltkulturen museum Seit den 1980er Jahren bauen Richard Ortmann, Ralf R. Wassermann und Uta C. Schmidt das Schallarchiv zur Klanglandschaft Ruhrgebiet auf, um den Klang der ehemaligen Bergbauregion zu dokumentieren. Das Deutsche Rundfunkarchiv in Frankfurt am Main sammelt Musikethnologische Tonaufnahmen: ■ Abels, Birgit. 2021: Postcolonial Sound Archives. Challenges and Potentials. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung. (The world of music, new series; volume 10,1). 192 Seiten. ■ Berlin, Gabriele und Artur Simon (Hrsg.). 2002: Music Archiving in the World. Papers Presented at the Conference on the Occasion of the 100th Anniversary of the Berlin Phonogramm-Archiv. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung. 520 Seiten. ■ Ebeling, Martin (Hrsg.). 2016: Carl Stumpfs Berliner Phonogrammarchiv.Ethnologische, musikpsychologische und erkenntnistheoretische Perspektiven. Frankfurt am Main: Lang. (Schriftenreihe der Carl Stumpf Gesellschaft; Band 6). XI, 232 Seiten. ■ Gütl, Clemens; Gerda Lechleitner und Christian Liebl (Hrsg.). 2010: 110 Jahre Phonogrammarchiv: Reflexionen über Arbeitsfelder, Kooperationen und Perspektiven.

Originalaufnahmen des Rundfunks zur Zeitund Kulturgeschichte Deutschlands. Die wechselvolle Geschichte dieser Archive, die Sammelschwerpunkte und der Reichtum ihrer Bestände kann mit den ausgewählten Buchtiteln vertieft werden.

Beiträge des internationalen Symposiums. Göttingen: Cuvillier. ( Jahrbuch des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Band 1). 218 S. ■ Kopal, Ricarda; Ulrich Wegner und Albrecht Wiedmann. 2013: Music! The Berlin PhonogrammArchiv 1900-2011 in 111 Recordings. 2nd extended edition. Berlin: Ethnologisches Museum. (Museum Collection Berlin; CD 27). Booklet mit 312 Seiten, 5 CDs. ■ Lechleitner, Gerda. 2000: Papua New Guinea (1904–1909). The Collections of Rudolf Pöch, Wilhelm Schmidt, and Josef Winthuis. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. (Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; series 3). Booklet mit 223 Seiten, 6 CDs. ■ Rietzsch, Franz. 2017: Walzenaufnahmen aus Ostafrika 1931–1936. Berlin: Ethnologisches Museum.

(Berliner PhonogrammArchiv: Historische Klangdokumente; 14). Booklet mit 84 Seiten, 1 CD. ■ Simon, Artur (Hrsg.). 2000: Das Berliner PhonogrammArchiv 1900–2000. Sammlungen der traditionellen Musik der Welt. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung. 264 Seiten. ■ Stangl, Burkhard. 2000: Ethnologie im Ohr. Die Wirkungsgeschichte des Phonographen. Wien: WUV, Universitätsverlag. 267 Seiten. ■ Ziegler, Susanne. 2006: Die Wachszylinder des Berliner Phonogramm-Archivs. Berlin: Ethnologisches Museum. (Veröffentlichungen des Ethnologischen Museums Berlin; Neue Folge; 73). 512 Seiten. ■ Ziegler, Susanne; Ingrid Akesson; Gerda Lechleitner (u.a.) (Hrsg.). 2017: Historical Sources of Ethnomusicology in Contemporary Debate Cambridge: Cambridge Scholars Publishing. IX, 271 Seiten. sprachaufnahmen: ■ Berner, Margit; Anette

Since the 1980s, Richard Ortmann, Ralf R. Wassermann and Uta C. Schmidt have been working on the soundscape Ruhrgebiet sound archive, which aims to document the sounds of this former mining region in Germany. The Deutsches Rundfunkarchiv in Frankfurt am Hoffmann und Britta Lange. 2011: Sensible Sammlungen. Aus dem anthropologischen Depot. Hamburg: Philo Fine Arts. (Fundus-Bücher; 210). 278 Seiten. ■ Hilden, Irene. 2022: Absent Presences in the Colonial Archive. Dealing with the Berlin Sound Archive’s Acoustic Legacies. Leuven: Leuven University Press. 299 Seiten. ■ Hoffmann, Anette. 2020: Kolonialgeschichte hören. Das Echo gewaltsamer Wissensproduktion in historischen Tondokumenten aus dem südlichen Afrika. Wien: Mandelbaum Verlag. 172 Seiten. ■ Hoffmann, Anette. 2023: Listening to Colonial History. Echoes of Coercive Knowledge Production in Historical Sound Recordings from Southern Africa. English language editing by Rosemary Lombard. Basel: Basler Afrika Bibliographien. 171 Seiten. ■ Hoffmann, Anette; Britta Lange und Regina Sarreiter. 2012: Was Wir Sehen. Bilder, Stimmen, Rauschen. Zur

Main collects original radio recordings that are pertinent to German history and culture. You can find out more about the eventful history of these archives, the focal points of the collections and their extensive holdings from the selection of books below:

Kritik anthropometrischen Sammelns. Basel: Basler Afrika Bibliographien. 87 Seiten. ■ Hoffman, Anette. 2009: What We See. Reconsidering an Anthropometrical Collection from Southern Africa: Images, voices, and versioning. Basel: Basler Afrika Bibliographien. 233 Seiten ■ Lange, Britta. 2019: Gefangene Stimmen. Tonaufnahmen von Kriegsgefangenen aus dem Lautarchiv 1915–1918. Berlin: Kadmos. (Kaleidogramme; Band 176). 397 Seiten, 1 CD. ■ Lange, Britta. 2013: Die Wiener Forschungen an Kriegsgefangenen 1915–1918. Anthropologische und ethnografische Verfahren im Lager. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse: Sitzungsberichte; Band 838). (Veröffentlichungen zur Sozialanthropologie; Band 17). 490 Seiten.

klangdokumentation: ■ Großmann-Vendrey, Susanna; Klaus Stoessel; Elisabeth Vogt (u.a.) (Hrsg.). 1985: Edison-Zylinder. Übertragungen von Phonographenzylindern im Deutschen Rundfunkarchiv. Frankfurt am Main: Deutsches Rundfunkarchiv. XLV, 308 Seiten. (Bild- und Tonträger-Verzeichnisse; Nr. 16) ■ Ortmann, Richard; Raimund Fleiter und Ralf R. Wassermann. 1995: Einmal Herne und zurück. Klanglandschaft Ruhrgebiet. Dortmund: Ortmann. 1 CD. ■ Paul, Gerhard und Ralph Schock (Hrsg.). 2017: Sound des Jahrhunderts. Geräusche, Töne, Stimmen 1889 bis heute. In Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv Frankfurt am Main. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung. 629 Seiten, 1 DVD. ■ Schmidt, Uta C. 2011: Industriegeschichte hören. Ein Schallarchiv zur Klanglandschaft Ruhrgebiet. In: Zeithistorische Forschungen. 8,2011,2, S. 305–314.

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20. Weltkulturen Bibliothek. Foto: Peter Oliver Wolff 20. Weltkulturen Library. Photo: Peter Oliver Wolff

ethnomusicological sound recordings ■ Abels, Birgit. 2021: Postcolonial Sound Archives: Challenges and Potentials. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung (The world of music, new series, vol. 10 no. 1). 192 pages. ■ Berlin, Gabriele and Artur Simon (eds). 2002: Music Archiving in the World:

Papers Presented at the Conference on the Occasion of the 100th Anniversary of the Berlin Phonogramm-Archiv. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung. 520 pages. ■ Kopal, Ricarda, Ulrich Wegner and Albrecht Wiedmann. 2013: Music! The Berlin Phonogramm-Archiv 1900–2011 in 111 Recordings. 2nd extended edition. Berlin:

Ethnologisches Museum (Museum Collection Berlin, CD 27). Booklet with 312 pages, 5 CDs. ■ Lechleitner, Gerda. 2000: Papua New Guinea (1904–1909): The Collections of Rudolf Pöch, Wilhelm Schmidt, and Josef Winthuis. Vienna: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Tondoku-

Diese und weitere Bücher zum Ausstellungsthema Klang und Musik können Sie während der Öffnungszeiten der Bibliothek einsehen. Das Literaturangebot ist vielfältig: Hören als Sinneswahrnehmung, Musikinstrumente rund um den Globus, Geräusche der Umwelt (Soundscape), Musikethnologie, Musikgeschichte und vieles mehr. • Öffnungszeiten der Bibliothek: Mo–Do 9–15 Uhr • Eine Anmeldung ist erforderlich: Telefon: 069/212-34349 Email: weltkulturen.bibliothek@stadt-frankfurt.de

mente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, series 3). Booklet with 223 pages, 6 CDs. ■ Ziegler, Susanne, Ingrid Akesson, Gerda Lechleitner et al. (eds). 2017: Historical Sources of Ethnomusicology in Contemporary Debate. Cambridge: Cambridge Scholars Publishing. IX, 271 pages.

speech recordings ■ Hilden, Irene. 2022: Absent Presences in the Colonial Archive: Dealing with the Berlin Sound Archive’s Acoustic Legacies. Leuven: Leuven University Press. 299 pages. ■ Hoffmann, Anette. 2023: Listening to Colonial History: Echoes of Coercive Knowledge Production in Historical

Sound Recordings from Southern Africa. Ed. Rosemary Lombard. Basel: Basler Afrika Bibliographien. 171 pages. ■ Hoffman, Anette. 2009: What We See: Reconsidering an Anthropometrical Collection from Southern Africa: Images, Voices, and Versioning. Basel: Basler Afrika Bibliographien. 233 pages.

You can take a look at these books and others on the exhibition theme of sound and music during the library opening hours. There is a wide range of literature to choose from, covering hearing as sensory perception, musical instruments around the globe, environmental noises (soundscapes), ethnomusicology, the history of music and so much more. • Library opening times: Mon.–Thur. 9 am – 3 pm • Please register in advance: Tel.: 069/212-34349 E-mail: weltkulturen.bibliothek@stadt-frankfurt.de


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Vielfältige Kooperationen mit Frankfurter Vereinen im Weltkulturen Museum / Collaborations with community organisations in the Weltkulturen Museum 21.

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K O O P E R AT I O N / C O O P E R AT I O N

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21./22./23. Teilnehmer*innen des Workshops

Kreatives Schreiben und Malen. Foto: Julia Albrecht

21./22./23. Participants in the creative writing

and painting workshop. Photo: Julia Albrecht

julia albrecht (weltkulturen bildung und vermittlung) – mit einem beitrag von gabriela mayungu, kone-netzwerk e.v. / julia albrecht (weltkulturen education) – with a contribution from gabriela mayungu, kone-netzwerk e.v.

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Ein wichtiger Schwerpunkt der Bildungs- und Vermittlungsarbeit des Weltkulturen Museums ist es durch sogenannte Outreach – also das Einbeziehen neuer Gesellschaftsgruppen – Räume für Begegnungen zu schaffen. Aus diesem Impuls heraus werden in enger Zusammenarbeit mit gemeinnützig arbeitenden Organisationen „Places to see“- Labor-Projekte realisiert. Die Kooperation bietet Teilnehmenden die Möglichkeit, sich durch eigene Mitwirkung am Bildungs- und Vermittlungsprogramm einzubringen und aktiv mitzugestalten. Sie lernen auf achtsame Weise das Weltkulturen Museum von innen kennen. Im Rahmen der Ausstellung „healing. Leben im Gleichgewicht“ hat das Weltkulturen Museum und der Abá e.V. Arbeitskreis für Menschenrechte in einem „Places to see“- Labor-Projekt kooperiert. Am 8. und 9. Juli 2023 nahmen insgesamt 37 Personen aus der Abá e.V. Community an zwei Workshops für kreatives Schreiben und Malen im Weltkulturen Museum teil. Die Workshops wurden zusammen mit Abá e.V. in Bezug auf die Ausstellung „healing“ konzipiert. Die Künstlerin Patricia Scheld und die Dichterin Hellen Frenzel konnten für die Leitung der mehrsprachigen Workshops – in Deutsch, Spanisch und Englisch – gewonnen werden. Unter ihrer Begleitung und Anleitung verbrachten die Workshopteilnehmer*innen mehrere Stunden im Austausch über das Thema „Heilung“ und darüber, was dieser Begriff für die persönliche Biografie bedeutet. Durch diesen Prozess der Reflexion inspiriert, haben die Teilnehmer*innen eigene Geschichten, Gedichte oder Bilder in Worte und Farben ausgedrückt. Es war eine besonders intensive und fruchtbare Zusammenarbeit. Am 13. Juli folgte eine Abschlusspräsentation für Teilnehmer*innen und ihre eingeladenen Gäste. Auch mit dem Kone-Netzwerk e.V. fand ein mehrmonatiges „Places to see“- Kooperationsprojekt im Weltkulturen Museum statt. Ausgangspunkt dieser Zusammenarbeit war eine Auseinandersetzung mit dem Thema Restitution aus Sicht der Afrikanischen Diaspora Community im Rahmen der Ausstellung „Invisible Inventories. Zur Kritik kenianischer Sammlungen in westlichen Museen“ (6. Oktober 2021 bis 9. Januar 2022). In Führungen und Workshops haben Partizipierende des Netzwerks sich mit Themen um Restitution auseinandergesetzt. Sie stellten auch Bezüge zwischen Restitution und Möglichkeiten der (Selbst-) Heilung her. Angeregt von einer Führung durch die Ausstellung „healing. Leben im Gleichgewicht“ wurde der Frage nachgegangen, inwieweit Restitution zur Heilung der in der Kolonialzeit geschlagenen Wunden beitragen kann. Die Teilnehmerinnen spannten den Bogen zu heutigen Erfahrungen mit Rassismus in Frankfurt und Umgebung, die sie als ein Kontinuum verstehen. Sie besannen sich jedoch auf ihre eigene machtvolle Spiritualität, ihre Resilienz und Fähigkeit, kreative oder informelle Lösungen für Probleme finden zu können. In einem abschließenden Treffen haben die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen im Projekt reflektiert und in einer anregenden Diskussion Wünsche für eine längerfristige Kooperation mit dem Weltkulturen Museum formuliert. Die anwesenden Frauen, darunter einige Mütter, würden mehr empowernde/stärkende Workshops für Kinder der Afrodiaspora, die sie in ihren Identitätssuchen unterstützen, begrüßen. Außerdem wünschen sie sich weitere selbstreflexive, kulturelle Angebote in diskriminierungsfreien Räumen, die eine vielschichtige und multiperspektivische Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur ermöglichen.

A key aspect of the educational work undertaken by the Weltkulturen Museum is about creating spaces for productive exchange and sharing via its outreach programme, which aims to integrate and involve new social groups. This provides the impetus for cooperating closely with non-profit organisations in special projects as part of the “Places to see” programme. The collaboration gives participants an opportunity to play an active role in the museum’s educational activities and help shape it for the future. They get to know about the Weltkulturen Museum by seeing it from the inside. The Weltkulturen Museum and Abá e.V., a working group for human rights, have been cooperating on a “Places to see” laboratory project as part of the exhibition “healing. Life in Balance”. On 8 and 9 July 2023, a total of thirty-seven people from the Abá e.V. community took part in two workshops for creative writing and painting at the Weltkulturen Museum. The workshops were designed in conjunction with Abá e.V. with reference to the “healing” exhibition. The organisers were delighted to secure the talents of artist Patricia Scheld and poet Hellen Frenzel to lead the multilingual workshops in German, Spanish and English. Under their guidance and leadership, the participants spent several hours exchanging views on the issue of “healing” and about what the concept meant with regard to their own life stories. Inspired by this process of reflection, the participants then expressed their own stories, poems or pictures in words and colours. It was a particularly intensive and productive collaboration. The final results were presented to the participants and their invited guests on 13 July. Another collaborative “Places to see” project took place at the Weltkulturen Museum over several months with Kone-Netzwerk e.V. Based on an exploration of restitution from the perspective of the African diaspora community, the cooperation was an accompaniment to the exhibition “Invisible Inventories. Questioning Kenyan Collections in Western Museums” (6 October 2021 to 9 January 2022). Participants from Kone-Netzwerk e.V. addressed the theme of restitution via tours and workshops. They also discussed the links between restitution and options for (self-)healing. Inspired by a tour through the exhibition “healing. Life in Balance”, they sought to explore the extent to which restitution can help heal the wounds inflicted during the colonial era. The participants established an unbroken arc through to contemporary experiences of racism in Frankfurt and the surrounding region, which they understood as a continuum. However, they placed the focus on their own powerful spirituality, their resilience, and their ability to find creative or informal solutions to problems. The KoneNetzwerk participants came together for a final time to reflect on their experiences and hold a stimulating discussion, in which they formulated their wish to collaborate with the Weltkulturen Museum in the long term. The women, several of whom were mothers, would welcome more empowering workshops for children from the African diaspora which would help them find their own identity. In addition, they would like further self-reflective cultural events in non-discriminatory spaces that would enable a complex exploration of art and culture from multiple perspectives.

„Places to see“ ist ein Kooperationsprojekt von 22 Frankfurter Museen, Palmengarten und Zoo. In „Labor-Projekten“ erhalten interessierte Organisationen sowie Kulturinstitutionen die Möglichkeit, intensiver und längerfristiger zusammenzuarbeiten. Ideen sowie experimentelle Formate können entwickelt und erprobt werden. https://frankfurt.de/placestosee/ueber/was-istplaces-to-see.

“Places to see” is a joint project between 22 Frankfurt museums, the Palmengarten botanic gardens and the city’s zoo. Community organisations and cultural institutions get the opportunity to work closely together on long-term “laboratory projects”, where ideas and experimental formats can be developed and tried out. https://frankfurt.de/placestosee/ueber/was-istplaces-to-see.

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joiken – verboten und vergessen? emanzipation eines unterdrückten gesanges Anna Büttner wirft ein Blick auf die musikalische Geschichte der Samen Joiken, was ist das überhaupt für ein Gesang und warum wird so etwas harmlos Wirkendes wie Musik verboten? Um dies zu verstehen, hilft es, einen Blick in die Geschichte der Samen zu werfen. Die Samen sind das Indigene Volk Lapplands und leben in den nördlichen Gebieten Schwedens, Norwegens und Finnlands sowie auf der russischen Kola-Halbinsel, einem Gebiet, das in der samischen Sprache auch als Sápmi bezeichnet wird. Besonders in der Vergangenheit war das Leben der Samen durch die Rentierzucht geprägt. Die jährliche Wanderschaft dieser Tiere begründete den langen Nomadismus der Samen, um diese zu jagen oder später ihre Herden begleiten, markieren und züchten zu können. Heute ist nur noch ein kleiner Teil der Samen in der Rentierzucht tätig. Andere Lebensweisen und neue Formen der Mobilität wie das Schneemobil erleichtern die Reise zu den Rentieren, wodurch sich die Samen zu einem sesshaften Volk entwickelt haben. In ihrer abgeschiedenen Lebensweise am nördlichsten Rand Europas entwickelten die Samen neben ihrer Mythologie auch ihre eigene Sprache und Musik, zu dem auch der Joik-Gesang gehört. Trotz ihrer Abgeschiedenheit wurden die Samen bereits im 17. Jahrhundert durch die christlichen Missionare zum ersten Mal mit Unterdrückung und Verboten ihrer Kultur gegenüber konfrontiert. Unter diesem Druck verschwanden zum einen die Trommelzeremonien und Bärenrituale, zum anderen wurde der Joik, der in vorchristlicher Zeit noch mit Schamanen in Verbindung gebracht wurde, von den Missionaren als „nicht christlich“ und „minderwertig“ bezeichnet und damit verdrängt. Der Joik wurde im Laufe der Zeit immer weniger in Verbindung mit dem Schamanismus vorgetragen, sondern wurde Teil der gesamten Gesellschaft der Samen. Dabei verlagerte sich seine Bedeutung vom schamanistischen Ritual hin zum intimen Gesangsvortrag im Kreise der Familie oder unter guten Bekannten. So wurde der Gesang bis heute vom

Joiker – dem Sänger – an eine bestimmte Person, ein Tier oder auch einen Gegenstand gerichtet. Dieser stellt in einer improvisierten Mischung aus Gedicht und Gesang seine oft sehr persönliche Verbundenheit mit der besungenen Person bzw. dem besungenen Objekt dar. Mit Gesten verdeutlicht und unterstreicht der Joiker bestimmte Worte. Zudem werden auch Natur- und Tiergeräusche in den Gesang mit eingebunden, um so auch eine starke Naturverbundenheit auszudrücken. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts setzte eine neue Welle der Ausgrenzung gegenüber der samischen Kultur ein und zog sich bis in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaften Norwegens, Schwedens und Finnlands. Die samische Sprache, als ein öffentlicher Part der samischen Kultur, wurde in Einrichtungen wie Schulen als etwas „Minderwertiges“ verboten. Und auch die Kirche prägte erneut stark ein Moralbild, in dem der Joik als etwas „Sündhaftes“ und „Schlechtes“ verboten wurde. So trauten sich viele Samen nicht mehr, sich zu ihrer Herkunft und Kultur zu bekennen und diese auszuleben. Auf nationaler Ebene kam es zu Problemen, da den Samen die Nutzung von Boden und Wasser für die freilaufenden Rentierherden untersagt wurde. Dies machte die Rentierzucht zum Teil unmöglich und beschnitt die Samen dadurch auch auf wirtschaftlicher Ebene. Erst durch eine Grundgesetzänderung im Jahr 1988 erlaubte beispielsweise der Staat Norwegen den Samen ihre Sprache und Kultur frei auszuleben. Einen wichtigen Beitrag zur Forschungs- und Aufnahmearbeit des Joiks leistete Karl Tirén. Als ein Sammler schwedischer Folkmusik, verbrachte er zwischen 1913 und 1915 Zeit im schwedischen Teil Lapplands und machte mit dem Phonographen die ersten Tonaufnahmen des Joiks überhaupt. Wimme Saari, ein bekannter Joik-Künstler, berichtet, dass er zu Hause nie Joik gehört habe, da seine Mutter dem LaestadianGlauben angehörte, wo der Joik als Sünde verbannt war. In

seiner späteren Auseinandersetzung mit dem Joik prägten ihn die Aufnahmen Karl Tiréns, die für ihn eine frühe Quelle der samischen Musik waren. So beschrieb Cugu Jones-Bamman 2007: „Wimme benutzt eine sehr raue Stimmklangfarbe, die sehr viel mehr an die alten Feldaufnahmen erinnert als die weicheren Klänge der meisten zeitgenössischen Performance-Künstler dieses Genres.“ Saari bleibt so dem alten Gesangsstil treu, den er durch die Phonogrammaufnahmen kennengelernt hatte. Tieroder auch Naturgeräusche, die andere Joiker früher noch mit der Stimme nachahmten, arbeitet Saari wiederum anders in seine Joiks mit ein. Hierzu nimmt er Soundscapes der unberührten Natur Lapplands auf, um diese zu seinen Studioaufnahmen hinzuzufügen. So hat der Joik eine breite Entwicklung hinter sich gebracht, trotz Verboten und versuchten Unterdrückungen. Im schamanischen so wie heute im privaten Raum, ist und bleibt der Joik ein spontaner und sehr intimer Gesang. Hinzukommen immer wieder neue und junge Joik-Künstler, die mit Stolz auf ihre kulturelle Herkunft, den Joik nach außen tragen. Sie joiken auf Konzerten oder Festivals, auch wenn sie, wie andere Außenstehende, den Joik neu erlernen müssen und diese Tradition nicht von Kindheit an gelernt haben. Auf die Frage der Musikethnologin Beverley Diamond hin, wie der norwegische Joik-Künstler Frode Fjellheim mit der kulturellen Tradition umgehe, dass die Person, die joike, der Besitzer des Joiks sei, antwortete Fjellheim: „Ich weiß, manche Leute hatten sehr Angst davor [den persönlichen Joik auf CD aufzunehmen]; es ist, als würde man Familiengeheimnisse preisgeben. Aber andere sind sehr offen und positiv, besonders wenn es sich um etwas älteres Material handelt, von Leuten, die nicht mehr leben und die Familie sehr positiv zu der Person oder dem Joik steht, der noch lebt. Der Joik war eine Möglichkeit, sich an seine Familie zu erinnern.“

Bio: Anna Büttner studiert an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Musikwissenschaft und Kunstgeschichte. Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Klanquellen. Everything is Music!“. Bio: Anna Büttner is studying musicology and art history at the Goethe University, Frankfurt am Main. This article was written for the seminar “Sound Sources. Everything is music!”.

yoik – forbidden and forgotten? Emancipating a suppressed form of song Anna Büttner takes a look at Sami musical history What kind of song is yoik and why was something as seemingly harmless as music ever banned? If we want to understand what it’s all about, it helps to take a look at the history of the Sami. The Sami are the Indigenous people of Lapland who live in the northern regions of Sweden, Norway and Finland as well as on the Russian Kola peninsula, an area also known in the Sami language as Sápmi. Particularly in the past, Sami life was defined by reindeer breeding. The long tradition of Sami nomadism had its roots in the animals’ annual migration; at first the reindeer were hunted, but this was replaced by a system of people accompanying their animals in order to mark or identify them and to breed them. Today, only a few Sami still actively breed reindeer. Other ways of life and new means of mobility such as the snowmobile make it easier to travel to the herd, which means that the Sami have now adopted a settled lifestyle. With their isolated lives in the far north of Europe, the Sami developed not only their own mythology but also their unique language and music, including yoik singing. Despite being so remote, the Sami were first confronted with repression and Christian missionaries prohibiting their culture as early as the seventeenth century. Under this pressure, the drum ceremonies and bear rituals disappeared altogether and the yoik, which in pre-Christian times had still been linked to shamans, was labelled “unchristian” and “inferior” and as such was suppressed. As time passed, the yoik was performed less and less in association with shamanism and instead became part of general Sami society. Its meaning has shifted from a shamanistic ritual to an intimate song sung to family or close friends. Today, the yoiker, as the singer is known, still dedicates this improvised

blend of poem and song to a specific person, animal or even an object, describing what is often their very personal relationship to whoever or whatever is being sung about. The yoiker uses gestures to elucidate and emphasise certain words. Sounds made by animals and those that occur in nature are similarly integrated into the song in order to express a strong affinity to the natural world. The dawn of the nineteenth century also heralded a new wave of marginalisation against Sami culture which extended to the heart of Norwegian, Swedish and Finnish bourgeois society. The Sami language, as a public element of the culture, was banned in institutions such as schools because it was viewed as “deficient”. The church, too, reinforced its moral image of the yoik as “sinful” and “bad”. It meant that many Sami didn’t dare acknowledge their background and culture and make it part of their lives. Problems developed at a national level because the Sami were banned from using land and water for their free-roaming reindeer herds. This made reindeer breeding impossible to some extent and damaged the Sami economically. The Norwegian state, for example, only granted the Sami linguistic and cultural freedom following a change to the constitution in 1988. The contribution made by Karl Tirén has been vitally important in researching and recording yoik singing. As a collector of Swedish folk music, he visited the Swedish part of Lapland from 1913 to 1915 and made the first ever sound recordings of yoik on a phonograph. Wimme Saari, a well-known yoik artist, reports that he never heard the genre at home because his mother belonged to the Laestadian faith, which banned the yoik as sinful. In his later exploration of yoik he was stirred by Karl Tiréns’ recordings, which he viewed as an early source

of Sami music. As Cugu Jones-Bamman described in 2007: “Wimme uses a very rough vocal timbre, far more reminiscent of the sound of older field recordings than the smoother sound of most contemporary performers of this genre.”. In this respect, Saari remains true to the old style of singing which he had come across from the gramophone recordings. While other yoikers used to imitate animal noises and/or the sounds of nature with their voice, Saari uses different means of integrating them into his yoiks. He creates soundscapes of Lapland’s pristine natural landscape and then works them into his studio recordings. And so yoik has undergone extensive development over time, despite all the prohibitions and attempts at suppression. Both in the shamanistic context and nowadays in the private domain, yoik has always been a spontaneous and highly intimate form of song. A succession of new young yoik artists is emerging who are full of cultural pride as they present this music to the wider world at concerts and festivals, even though they have had to learn the tradition from scratch like other outsiders because they weren’t taught it as children. When ethnomusicologist Beverley Diamond asked Norwegian yoik artist Frode Fjellheim how he dealt with the cultural tradition that the person who yoiks is the owner of that yoik, Fjellheim answered: “I know some people have been very afraid of this [putting personal yoiks on CD]; it is like giving away family secrets. But others are very open and positive especially if it is a bit older [material], by people who don’t live any more and the family feels very positive about the person or the yoik still living. Yoik was a way of remembering your family.”


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„Zudem werden auch Natur- und Tiergeräusche in den Gesang mit eingebunden, um so auch eine starke Naturverbundenheit auszudrücken.“ “Sounds made by animals and those that occur in nature are similarly integrated into the song in order to express a strong affinity to the natural world.“

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S E RV I C E / S E RV I C E

Weltkulturen Museum Schaumainkai 29 60594 Frankfurt am Main Tel. 0049 (0)69 212 31510 weltkulturen.museum@stadt-frankfurt.de Weltkulturen Labor Schaumainkai 37 60594 Frankfurt am Main Öffnungszeiten Mo und Di geschlossen Mi 11-20 Uhr Do – So 11 – 18 Uhr Eintrittspreise Eintritt Museum: 7€ / 3,50€ Eintritt Labor: kostenlos Jeden letzten Samstag im Monat ist der Eintritt in die Ausstellungen kostenfrei. Freier Eintritt Kinder bis zum 18. Geburtstag, Freundeskreismitglieder, ICOM-Mitglieder, Inhaber von MuseumsuferCard und –Ticket, Studierende der Frankfurter Hochschulen Folgende Personen haben ermäßigten Eintritt Studenten und Auszubildende, Arbeitslose, Schwerbehinderte ab 50%, Gruppen ab 20 Personen. Für Inhaber des Frankfurt-Passes und des Kulturpasses gilt ein reduzierter Eintritt von 1€. Entsprechende Dokumente müssen vorgelegt werden. Weltkulturen Bibliothek Schaumainkai 35 60594 Frankfurt am Main Tel. 069 212 34349 weltkulturen.bibliothek@stadt-frankfurt.de

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Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung Newsflash Monatlich informiert Sie unser Newsflash über unsere aktuellen Veranstaltungen. Anmeldung unter www.weltkulturenmuseum.de/de/ kontakt/newsletter

Weltkulturen Labor Schaumainkai 37 60594 Frankfurt am Main

Werden Sie Mitglied im Freundeskreis! 1991 gegründet, begleitet und fördert der Freundeskreis des Weltkulturen Museums die vielfältigen Aktivitäten des Hauses. Für Mitglieder findet am zweiten Donnerstag eines jeden Monats um 19 Uhr ein Treffen in der Villa 35 des Weltkulturen Museums statt. Der Jour fixe bietet den Rahmen für einen lebendigen Austausch von Meinungen und trägt zu einem tieferen Verständnis der Weltkulturen bei. Geschäftsführender Vorstand Vorsitzender: Timm Scheibach Stellvertretende Vorsitzende: Ursula Bummel und Dr. Uwe Tessmar Weitere Informationen unter www. weltkulturenmuseum.de/de/freundeskreis

Opening hours Closed on Monday and Tuesday Wed 11am – 8pm Thurs – Sun 11am – 6pm

SO FINDEN SIE ZU UNS

Concessions School and university students, apprentices, unemployed persons, persons with disabilities and groups of at least 20 persons. For owners of the Frankfurt-Pass (Frankfurt passport) or the Kulturpass (culture passport) applies a reduced admission fee of €1.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln U-Bahn U1, U2, U3, U8 (Schweizer Platz), U4, U5 (Willy-Brandt-Platz); Straßenbahn 15, 16 (Schweizer Platz/ Gartenstraße) Mit dem Auto Für Menschen mit eingeschränkter körperlicher Mobilität gibt es Parkmöglichkeiten. Bitte anmelden! (Außer bei Veranstaltungen) Bitte beachten Sie, dass der Zugang zu den Ausstellungen nicht barrierefrei ist.

Öffentliche Führungen Weitere Informationen finden Sie unter www.weltkulturenmuseum.de Workshops, Führungen und Kindergeburtstage In den Vermittlungsangeboten des Weltkulturen Museums tauchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tiefer in die Themen der aktuellen Ausstellungen ein, erforschen die Sammlungsobjekte, setzen diese mit sich selbst in Beziehung und entwickeln daraus neue Ideen, Fragen und kreative Objekte. Ziel ist es, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene das Weltkulturen Museum als ihren Ort verstehen und diesen nicht nur besuchen, sondern sich ihn aneignen. Für Besucher*innen jeder Altersgruppe bietet das Weltkulturen Museum verschiedene Überblicks- und Themenführungen sowie Workshops in der aktuellen Ausstellung an – auch in englischer Sprache.

Weltkulturen Museum Schaumainkai 29 60594 Frankfurt am Main Tel. 0049 (0)69 212 31510 weltkulturen.museum@stadt-frankfurt.de

Admission Fee Museum: €7 / €3.50 Labor: free Free admission every last Saturday of the month Free admission Children and young adults up to 18 years old, members of the Friends of the Museum, ICOM members and Museumsufer-Card and –Ticket holders, students of the universities of Frankfurt am Main

Weltkulturen Library Schaumainkai 35 60594 Frankfurt am Main Tel. 0049 (0)69 212 34349 weltkulturen.bibliothek@stadt-frankfurt.de

Opening hours: By appointment Newsflash Every month our Newsflash informs you about our current events. Registration at www.weltkulturenmuseum.de/ en/kontakt/newsletter Become a member of the Friends of the Museum! The Friends of the Weltkulturen Museum (Freundeskreis des Weltkulturen Museums) support the institution and its wide range of activities. Members meet at 7pm on every second Thursday of the month in the Museum’s Villa at Schaumainkai 35. This jour fixe enables a lively exchange of opinions and fosters a deeper understanding of the world cultures. Board of directors Chairman: Timm Scheibach Deputy chairmen: Ursula Bummel and Dr. Uwe Tessmar Further information www.weltkulturenmuseum.de/en/friends HOW TO FIND US Public transport U-Bahn U1, U2, U3, U8 (Schweizer Platz), U4, U5 (Willy-Brandt-Platz); Tram 15, 16 (Schweizer Platz/Gartenstraße) By car Parking is available for persons with restricted physical mobility. Please register ahead of your visit. (Except at events) We regret that our exhibition space is not handicapped accessible.

Public Guided Tours Further information at www.weltkulturenmuseum.de/en In zahlreichen Kooperationsprojekten werden die Teilnehmenden zu Akteur*innen im Museum und diskutieren aktuelle gesellschaftliche Themen. Für Schulen und Kitas gibt es von der Vorschule bis zur Oberstufe spezielle Führungs- und Workshopangebote. Für Lehrer*innen und Erzieher*innen bietet das Weltkulturen Museum Einführungen in aktuelle Ausstellungen und Fortbildungen an. Auch Kindergeburtstage können im Weltkulturen Museum gefeiert werden. Ausgehend von der Bildungssammlung zum Anfassen, gestalten die Kinder Masken, Batiken oder ergründen das Spiel der Schatten. weltkulturen.bildung@stadt-frankfurt.de 069 212 39898

IMPRESSUM: Herausgeber: Weltkulturen Museum, Stadt Frankfurt am Main, Schaumainkai 29–37, 60594 Frankfurt am Main • Texte: Julia Albrecht, Osaze Amadasun, Anna Büttner, Vanessa von Gliszczynski, Vinsensius Adi Gunawan, Julia Friedel, Jan Philipp Kluck, Renate Lindner, Gabriela Mayungu, Audrey Peraldi, Eva Raabe, Julia Rajkovic-Kamara, Lasse-Marc Riek, Christine Sturm • Redaktion: Christine Sturm, Julia Rajkovic-Kamara • Lektorat: Margit Zimmler • Gestaltung: Studio Michael Satter • Schriften: Rosart (Camelot) und Simon Mono (Dinamo) • Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei • Lithografie: Michael Schulz, ORT Studios Frankfurt • Übersetzungen: Nicola Morris • LGBTQ: Unser Ziel ist es lesbare und zugleich gendersensibel formulierte Texte zu verfassen. Übersetzungen sollen zudem dem Originaltext möglichst gerecht werden ohne diskriminierend formuliert zu sein. Mit der von uns gewählten Schreibweise adressieren wir alle Geschlechteridentitäten.

Tours, workshops and Children’s birthday parties The Weltkulturen Museum’s education programme offers visitors the chance to explore the subjects and themes in the current exhibition in greater depth, to research the objects, and to create their own connections with the collection, thus developing new ideas, questions or creative objects. We want children, young people and adults to see the Weltkulturen Museum as somewhere that belongs to them – not simply visiting the museum, but making it their own. The Weltkulturen Museum offers guided tours and workshops for all age groups in the current exhibition. Some are also held in English. In numerous cooperation projects, participants become actors in the museum and discuss current social issues and topics.

The Weltkulturen Museum offers a range of special tours and workshops for schools and day care centres from pre-school to senior grades. For educators and teachers, from pre-school to secondary level, the Weltkulturen Museum offers introductions to current exhibitions and further training courses. Children’s birthday parties can also be held in the Weltkulturen Museum. Working with the education department’s special hands-on collection, children can create masks and batiks or build their own pinhole camera. weltkulturen.bildung@stadt-frankfurt.de 069 212 39898

IMPRINT: Editor: Weltkulturen Museum, Stadt Frankfurt am Main, Schaumainkai 29–37, 60594 Frankfurt am Main • Texts: Julia Albrecht, Osaze Amadasun, Anna Büttner, Vanessa von Gliszczynski, Vinsensius Adi Gunawan, Julia Friedel, Jan Philipp Kluck, Renate Lindner, Gabriela Mayungu, Audrey Peraldi, Eva Raabe, Julia Rajkovic-Kamara, Lasse-Marc Riek, Christine Sturm • Editorial Staff: Christine Sturm, Julia Rajkovic-Kamara • Proof Reading: Margit Zimmler • Design: Studio Michael Satter • Typefaces: Rosart (Camelot) and Simon Mono (Dinamo) • Printed by: Frankfurter Societäts-Druckerei • Lithography: Michael Schulz, ORT Studios Frankfurt Translations: Nicola Morris • LGBTQ: Our goal is to write readable and yet gendersensitive texts. In addition, translations should be as fair as possible to the original text without being discriminatory. With the spelling we choose, we address all gender identities.


V E R A N S TA LT U N G S T I P P S / E V E N T R E C O M M E N D AT I O N S

„Mit den Ohren sehen“ Klanglandschaften von Lasse-Marc Riek Workshop für Erwachsene Samstag, 27. April 2024, 10–17 Uhr Die Welt ist voller Geräusche: vertraute, laute, seltene, kaum hörbare, bezaubernde, lustige, überraschende, traurige, verwirrende, spielerische … aber viel zu selten hören wir wirklich hin. Der Workshop „Mit den Ohren sehen“ versteht sich als Impuls für ein bewusstes Hören und den kreativen Umgang mit Geräuschen. Die Teilnehmenden entdecken Klangorte und erforschen ihre akustischen Umgebungen aus ihrer eigenen Hörperspektive. So erfahren und entdecken sie ihre persönliche Umwelt und ihren Lebensraum neu und anders. Praktische Übungen der auditiven Wahrnehmung und Hörspaziergänge, untersuchen auf verschiedene Art und Weise Klangorte. Mittels unterschiedlicher Mikrofonierungs- und Aufnahmetechniken sowie digitalem Editieren erfinden wir eigene Klangräume, entdecken und bespielen Klangerzeuger aus Alltagsgegenständen oder erstellen Klangportraits.

„Soundwalking“ durch Frankfurt mit Antonia A. V. Beeskow Samstag, 24. Februar 2024, 11–13 Uhr Wie klingt es am Main im Sommer oder Winter, wie eine Umgebung mit Kopfhörern oder ganz pur nur mit den Ohren gehört, was hören wir und was nicht? Mit dem Workshop „Soundwalking“ begeben sich die Teilnehmer*innen aus der Ausstellung hinaus nach draußen und werden durch Umweltklänge und vorproduzierte Tonspuren auf einem sonischen Spaziergang durch die Stadt geführt. Dieser ca. 90-minütige Audiowalk umreißt das Konzept der Klanglandschaft als Reise durch Raum und Zeit und verweist auf die Zusammensetzung des Alltags auf auditiver Ebene. Zuletzt kommt die Gruppe wieder zusammen und tauscht sich über die neu gemachten Erfahrungen aus.

00. Schneckenhörner aus Neuguinea und Seram, Indonesien. Foto: Wolfgang Günzel, 2022 00. Snail horns from New Guinea and Seram, Indonesia. Photo: Wolfgang Günzel, 2022

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“Seeing with your ears” Sound landscapes by Lasse-Marc Riek Workshop for adults Saturday, 27 April 2024, 10am–5pm The world is full of noises: familiar, loud, rare, barely audible, entrancing, funny, surprising, sad, confusing, playful … but all too seldom do we listen to them attentively. The workshop “Seeing with your ears” seeks to encourage people to hear things mindfully and adopt a creative approach to noises. The participants will track down sound spaces and explore their acoustic environment by looking at their own specific attitudes to sound. This will allow them to re-experience and re-discover their individual surroundings and habitat from a whole new perspective. Practical exercises about how people perceive what they hear as well as listening walks are two very different ways of investigating sound spaces. By utilising various techniques with microphones, recordings and digital editing we will create our own sound spaces, discover and play everyday items that produce sounds, or generate sound portraits.

“Soundwalking” through Frankfurt with Antonia A. V. Beeskow Saturday, 24 February 2024, 11am–1pm What does it sound like along the River Main in summer and in winter? How do we listen to our surroundings when wearing headphones, or when simply using our ears? What do we hear – and what don’t we hear? The participants of the “Soundwalking” workshop will make their way out of the exhibition and into the wider world, where they will be taken on a sonic walk through the city accompanied by the sounds of their surroundings and pre-produced soundtracks. This audio walk, lasting approximately 90 minutes, portrays the concept of a soundscape as a journey through space and time and alludes to the elements of everyday life at an auditory level. The group will come together once more at the end and discuss what they have just experienced.


W E LT K U LT U R E N M U S E U M

PLAY LIST PL AY L IST AU F DEM YOU T U BE K A NA L DE S W ELT K U LT U R EN M USEU MS PLAYLIST ON THE YOUTUBE CHANNEL OF THE WELTKULTUREN MUSEUM

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