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Kabarett Sauvignon

Schnapsideen haben der Welt häufig grosse Literatur beschert, auch in Übersee. Für viele Schriftsteller war die Einwegflasche nicht selten eine Auswegflasche. Hennessy Williams und Ernest Hemingway sind Beispiele für eine mehr oder weniger gelungene Symbiose.

Die önologische Schmunzelgeschichte No 11

SPRIT UND ESPRIT

Text ________ Thomas C. Breuer

Die Ägypter waren die ersten: Auf dem Porträt der Kartoffelgöttin Pommfritete im 14. Jahrhundert vor Christus sind neben einem Sack Kartoffeln mehrere Amphoren zu sehen, die vermutlich Alexandriner enthalten, einen vorzüglichen Kamelhaarwein. Die Griechen nutzten die Kunst der Stunde: Dem Gott des Weines und der holden Dolden – Dionysos – wurden Statuen gewidmet, oft umrankt von Weinlaub, den Trinkbecher fest in der Hand. Nach den Römern wurde gar ein Trinkgefäss benannt. Ihr Weingott, Namenspatron der sogenannten Bacchanale, hörte auf den Namen Backus, Vorname womöglich Gus. Denken Sie an das Selbstbildnis als Backus von Carpaggio. Man betrachte sich das Abendmahl («L‘Ultima Cena») von da Vinci mit seinen halb geleerten Gläsern, man erinnere sich an Maler wie Tizian (den Herrn des Dschungels), di Caprio, Rubens, Pacino – sie alle haben den Einfaltspinsel in die Hand genommen und dem Thema Wein stets neue Facetten abgewinnen können. Stillleben mit gefüllten Weingläsern gibt es nur wenige, weil sie selten die Saufattacken der Porträtierenden überstanden. Nicht zu vergessen Meisterwerke wie Alfred Dürers «Bebende Hände», eine Huldigung des Hl. Tremor. Oder Maler wie Amaretto Modigliani, der bekannt war für sein natürliches Vibrato. Mancher Muskateller kam derart dickflüssig daher, dass er selbst als Farbe verwendet werden konnte. Nüchtern betrachtet muss man feststellen: Nicht alle Werke sind gelungen. Besoffenen Kopfes aber sind sie toll. Man studiere die Bottich-Obsession Botticellis oder Jan Vermeer van Delfts «Das Mädchen mit dem Weinglas» – wegen dieses Bildes ist viel Porzellan zerschlagen worden im Hause Delft. Vergessen wir nicht die bildhauende Kunst: erstaunlich, was Arthur Schnitzler aus Rebholz fertigen konnte, oder Anselm Kiefer aus Weinstein. Den berühmten Ingelheimer Altar gibt es vollständig aus Kork – kaum vorstellbar bei den heutigen Preisen – und von seiner Bedeutung her steht er der Panacotta-Armee in nichts nach. Schnapsideen haben der Welt häufig grosse Literatur beschert, auch in Übersee. Für viele Schriftsteller war die Einwegflasche nicht selten eine Auswegflasche. Hennessy Williams und Ernest Hemingway sind Beispiele für eine mehr oder weniger gelungene Symbiose. Jack London zollte dem «König Alkohol» Tribut, obwohl die Vereinigten Staaten nie eine Monarchie waren. Es soll eidgenössische Zeitgenossen geben, die Dürrenmatt und Frisch nicht auseinanderhalten können. «Der Dichter und sein Denker» – wer hat das noch gleich geschrieben? «Hobo Faber» – ist Faber nicht ein Sekt aus dem Grossen Kanton? Dabei ist es ganz einfach: Beide liebten Rotweine. Friedrich «Fritz» Dürrenmatt war dem Bordeaux verfallen, Max «Max» Frisch hielt sich eher an Burgunder, bevorzugt aus Beaune. Natürlich gibt es wiederum andere, nicht nur eidgenössische, Zeitgenossen, die Bordeaux- nicht von Burgunderweinen unterscheiden können. Dabei ist das ganz einfach: Beide kommen aus Frankreich. Bordeauxweine werden in Schlössern ausgebaut, die Burgunder in zum Teil winzigen Weingütern.

Viele Schweizer Weine gelangen nicht über die eigenen Kantonsgrenzen hinaus. So liegen über den Kanton Solothurn zwar keine verlässlichen Zahlen vor, da die Bestände ständig von Peter Bichsel dezi… – aber das gehört gar nicht hierher. Dürrenmatt trank einheimische, also Schweizer Weine nur bei offiziellen Anlässen, also wenn es gar nicht anders ging. Schon aus gesundheitlichen Gründen musste er um Restsüsse einen grossen Bogen machen. Frisch konnte das etwas legerer angehen: Keineswegs verschmähte er den Blauburgunder aus dem Kanton Schaffhausen, mithin als «BeerliWein» bekannt. Vielleicht waren die Winzer nicht auf Zack: Hätten sie Dürrenmatt einen Karton Cornalin vor die Türe gestellt, hätte er diesen in seinem nächsten Stück erwähnt. Aber womöglich war der Mann den Schweizer*Innen ohnehin nicht geheuer, weil er ganz unhelvetisch seinen Luftschutzbunker zu einem Weinkeller hatte umbauen lassen. Das gehörte sich einfach nicht. Nach dem Besuch der alten Dame bestückte er ihn mit der Übernahme eines kompletten Kellers aus dem Bordeaux. Frisch hatte sich womöglich eine Direktleitung von Beaune nach Berzona legen lassen, mit einem jährlichen Kontingent an Gratisweinen, seine Protagonisten jedenfalls bestellten einen Beaune zum Fisch (Faber) oder süffelten ungeniert Pommard (Biedermann) – in aller Öffentlichkeit. Wenn wir schon gerade bei der schreibenden Zunft sind: Stadt und Kanton Zürich scheinen eine Neigung zu Wein zu begünstigen. So machte Gottfried Keller seinem Namen alle Ehre, als er den Klosterkeller Rheinau mit dem Spitalamtskeller Zürich zusammenlegte, aus dem später die Staatskellerei Zürich hervorging, die sämtliche Spitäler des Kantons mit Wein beliefert hat. Wofür die so viel Wein benötigten? Die Kunst der erfolgreichen Narkose steckte damals noch in den Kinderschuhen. Lese und Lesung liegen so weit auseinander nicht. Der grosse Günter Bruno F., der dem Alkohol gerne in erheblichem Masse zuzusprechen pfl egte, ein lebender Dichter also, liess einmal nach glaubwürdiger Auskunft eines Kollegen bei einer Lesung das Tempo immer mehr schleifen, er wurde langsamer und langsamer, um schliesslich ganz einzunicken. Mittendrin, während der eigenen Lesung. Vom Geheimrat Goethe erzählte man sich, dass er zum Frühstück schon mal ein Glas Madeira getrunken hat. Er war erblich vorbelastet, sein Vater besass einige Rebfl ächen, aus denen ein recht ordentlicher «Sossenheimer Schunkelstein» gewonnen werden konnte, der ihn schon in jungen Jahren zu diesen Zeilen befl ügelte: «Ein Mädchen und ein Gläschen Wein, die lindern alle Not. Und wer nicht küsst und wer nicht trinkt, der ist schon lange tot.» Sein Mitstreiter Schiller tat sich da schwerer, nicht einmal der Schillerwein ward nach ihm benannt, sondern wegen des – nun ja – Schillerns im Glase. Dabei war Schiller das Sujet nicht fremd, sein Vater hatte sogar ein Buch über Weinbau verfasst, und seine Mutter entstammte einer Gastwirtsfamilie. Angeblich soll Schiller in seiner Schreibtischschublade zur Inspiration stets faule Äpfel aufbewahrt haben, aber diese «fake old news» gehen auf einen Übersetzungsfehler aus dem Schwäbischen zurück: Tatsächlich handelte es sich um Apfelkorn. Ansonsten sprach er dem Weine zu, und seine Erlebnisse gipfelten in dem Vierzeiler: «Der Name Wirtemberg / Schreibt sich von Wirt am Berg / Ein Wirtemberger ohne Wein / Kann der ein Wirtemberger sein?»

Nein, kann er nicht. In der Welt der Bücher begegnet man eher einer dichtenden Leber als einem lebenden Dichter.

Thomas C. Breuer

Der deutsche Schriftsteller und Kabarettist Thomas C. Breuer tritt seit 1977 auf Bühnen in Deutschland, Nordamerika und der Schweiz auf und arbeitet auch für verschiedene TVProgramme, sowie WDR, SWR und SRF. Er hat über 30 Bücher publiziert, darunter «Kabarett Sauvignon» (Lindemanns Bibliothek) und wurde 2014 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet. Seine Wortspiele sind einzigartig und äusserst humorvoll und die Schweiz kommt darin nicht selten vor.

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