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Swiss Wine Unplugged by Victoria James
DIE NEW YORKER GEHEN IN DIE KRONENHALLE
Victoria James ist nicht nur eine der jüngsten Sommelières Amerikas, sie ist auch Buchautorin und Liebhaberin von Schweizer Wein, über den sie von New York aus berichtet. Dieses Mal steht eine Reise in die Schweiz im Zentrum.
Text ________ Victoria James
Da Amerika eine so junge Nation ist, in der alles so glänzend und zerbrechlich ist, besuchen wir New Yorker bei jeder Auslandsreise gerne Orte, die historischer sind als unser Land, mit einer über die Jahrhunderte gewachsenen Patina.
Vor meiner Hochzeit 2018 im Piemont (die Familie meiner Mutter ist Italienerin) haben mein Mann und ich im Internet nach Orten in der Schweiz gesucht, die wir vorher besuchen könnten. Die Idee war, vor der Hochzeit für eine Woche einzufliegen und die Schweizer Bergluft einzuatmen, Spas zu besuchen und sicherzustellen, dass wir für die opulente italienische Hochzeit richtig gestärkt sind. Wir waren mit einem Rudel New Yorker Sommeliers und Feinschmeckern unterwegs und nach dem langen Flug alle am Verhungern. Jede FeinschmeckerWebsite schien schicke neue Restaurants zu empfehlen, in denen Kräuter mit einer Pinzette auf dem Gericht arrangiert werden. Wir suchten weiter und stiessen auf die Kronenhalle – nur 100 Jahre alt, aber sie passte in unser Bild. An den Wänden hingen Chagalls. Yves Saint Laurent hatte dort mit seinem Geliebten diniert. James Joyce war «dem weissen Fendant-Wein aus dem Wallis verfallen», während er praktisch im Restaurant lebte. Federico Fellini und Friedrich Dürrenmatt assen Leberknödelsuppe in einer Nische am Fenster. Ich nehme an, New Yorker, die in die Kronenhalle gehen, sind das Äquivalent einer Zürcherin, die ins Plaza Hotel am Central Park South geht, aber es ist schwer, sich nicht von der fröhlichen Atmosphäre und den Schweizer Klassikern auf der Speisekarte verzaubern zu lassen. Wir assen mit einem kalifornischen Weingutsbesitzer, der gerne ausgefallene Weine trank, und nachdem wir die Weinkarte studierten, fanden wir einige ältere Rousseau Clos de la Roche aus dem Burgund. Der Kellner war nicht beeindruckt. Wir wollten keinen Schweizer Wein trinken? Wir waren in Zürich! (Egal, dass wir tatsächlich mit einer Flasche Walliser Fendant à la James Joyce begonnen hatten.) Oder würden wir gar denken, dass in der Schweiz kein guter Rotwein vinifiziert wird? In unserem Restaurant in New York haben wir Schweizer Pinot Noir von einigen meiner Lieblingsproduzenten – Cave Caloz, Cave des Tilleuls und Mythopia. Aber ich war neugierig, Pinot Noirs zu probieren, die nicht exportiert wurden, die vielleicht ein bisschen abseits der ausgetretenen Pfade lagen. Ich war auf der Suche nach dieser fröhlichen alpinen Säure und dem Garrigue-Aroma von Bergkräutern. Vielleicht für die nächste Flasche.

Die Zürcher Kronenhalle ist eines der bekanntesten Lokale der Stadt. Einerseits wegen den Originalgemälden, die das Lokal zieren, und andererseits, weil hier die Zeit etwas stehen geblieben ist.
Fotos Christian Flierl
Traditionelle Küche ist zentral – vom Zürcher Geschnätzelten über das Wiener Schnitzel bis zum Wild.

Der Rousseau wurde mit wenig Tamtam für den Kalifornier entkorkt. Im Versuch, überhöflich zu sein, bot der Kalifornier dem Kellner eine Kostprobe an. Der Kellner lehnte nicht so höflich ab. Als die Flasche fast leer war, brachte der Kellner erneut die Weinkarte. Was ist diesmal mit dem Schweizer Pinot Noir? Ja, der Kalifornier kannte grosse Schweizer Weisse, aber Pinot Noir? Er machte es uns schwerer, Nein zu sagen. Wir waren fast fertig mit unserem Essen und es war wirklich keine Zeit für eine weitere Flasche. Ziemlich enttäuscht brachte der Kellner die Rechnung. Nach unserer Hochzeit und unseren Flitterwochen kehrten mein Mann und ich einige Wochen später nach Zürich zurück. Wir hatten einen Abend frei vor unserem Flug am nächsten Morgen. Es schien passend, also schickte ich ihn eilig zur Kronenhalle, bevor sie schlossen, um uns einen Tisch zu reservieren und mit der Bestellung zu beginnen. Diesmal wartete eine Flasche Wein auf mich und als ich näher kam, sah ich einen schwachen Schriftzug – er hatte endlich den Pinot Noir bestellt! Dann wurde er uns an den Tisch gebracht und es war ein Rosé vom Pinot Noir, ein Œil-de-Perdrix. Vielleicht nicht der Pinot Noir, den ich erwartet hatte, aber nach einer langen Reise schien es ein passendes, erfrischendes Finale zu sein. Er war köstlich, und man könnte sich vorstellen, dass Yves Saint Laurent, Fellini oder sogar der Kellner zustimmen würden.
Für Victoria James war klar, dass der Besuch der Kronenhalle ein Muss ist.
Foto Donata Etlin



SWITZERLAND. NATURALLY
Victoria James
Victoria James arbeitet seit ihrem dreizehnten Lebensjahr in Restaurants. Mit 21 wurde sie als Sommelière zertifiziert, was sie zur jüngsten Sommelière des Landes machte. Sie erschien bereits auf den «30 Under 30»Listen von Forbes als auch von Zagat und arbeitete in einigen der renommiertesten Restaurants von New York City, darunter Marea und Aureole. Derzeit ist sie Beverage Director und Partnerin bei Cote, einem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Hotspot im FlatironViertel von New York (www.cotenyc.com), und Cote Miami. James ist auch Autorin der Bücher «Drink Pink» und «Wine Girl».
VICTORIAJAMES.INFO
«THE SOUTH AMERICA WINE GUIDE»
Welches Weinbuch gehört in die Weinbibliothek? «Möglichst viele», möchte ich am liebsten sagen. Die junge Weinautorin Amanda Barnes hat ein neues Standardwerk für die Weine aus Südamerika verfasst. «The South America Wine Guide» ist eine wissenschaftliche Recherche mit zahlreichen neuen Karten und gleichzeitig genau das richtige Buch, wenn man eine önologisch motivierte Reise in den Süden Amerikas plant.

Die Weinkultur Südamerikas ist über 500 Jahre alt und spielt sich vor allem in den Terroirs von Argentinien, Chile, Uruguay, Brasilien, Bolivien oder Peru ab. Wer glaubt, dass Bordeaux das Vorbild punkto Stilistik ist, kann jetzt viele neue Weine entdecken, zumal der Kontinent gerade dabei ist, ein neues önologisches Zeitalter zu beginnen.
Fotos ________ Amanda Barnes




«The South America Wine Guide»
Amanda Barnes & Amigos 530 Seiten £ 35.–
SOUTHAMERICAWINEGUIDE.COM
Das neue Buch von Amanda Barnes ist das Ergebnis eines Jahrzehnts von Recherchen und Interviews, die die Autorin während ihrer Reisen und ihres Lebens auf dem Kontinent geführt hat. In Zusammenarbeit mit über 60 regionalen Spezialisten beschreibt «The South America Wine Guide» umfassend über 70 Weinregionen und kartiert 40 Weinregionen mit atemberaubenden Details, von denen viele noch nie zuvor dokumentiert worden sind.
Ich habe Amanda Barnes kennengelernt, als sie für ihr Projekt «In 80 Ernten um die Welt» auch durch die Schweiz reiste und mich in Zürich besuchte. Wir sind beide Mitglieder der Organisation «Circle of Wine Writers» und sie erzählte mir damals von ihrem Südamerika-Buch-Projekt, das jetzt erschienen ist. Es ist eine Wucht von Werk, das so detailliert und aktuell wie nie zuvor über die Weinszene dieses Kontinents der Neuen Welt berichtet (inklusive zahlreicher neuer Karten). Wenn wir in unseren Breitengraden von Südamerika sprechen, dann betrifft das meist die Weine aus Argentinien und Chile. Wir vergessen dabei gerne Peru, Bolivien, Uruguay und Brasilien – wie auch Paraguay, Kolumbien, Venezuela und Ecuador. Dank Barnes‘ Werk sollte sich das jetzt ändern – nicht zuletzt auch, weil Südamerika der älteste Neue-Welt-Wein-Kontinent ist. Wir haben es Christoph Kolumbus und den späteren spanischen Eroberern zu verdanken, die ab dem 15. Jahrhundert und über die nächsten 500 Jahre europäische Kultur und mit ihr Reben nach Südamerika exportierten. In Peru begann der Weinbau, als 1539 die ersten Weinberge angelegt wurden. Südamerika war auch der grösste Weinproduzent ausserhalb Europas und des mediterranen Beckens und macht heute zehn Prozent der globalen Produktion aus. «The South America Wine Guide» ist perfekt gegliedert, wobei die Länder die jeweiligen Kapitel defi nieren. Jedes Kapitel beginnt dann mit einem historischen Überblick

über die Region, gefolgt von einer Auflistung der typischen Traubensorten und Weinregionen. Auch hat es zahlreiche Weintipps und Adressen, die man bei einem Besuch entdecken sollte. Da Amanda jeweils lokale Experten (die sie Amigos nennt) besucht hat, ist es ein wahres Kompendium von tollen Insidertipps. Hervorheben möchte ich auch ihre fantastische Arbeit bei der Kreation von neuen Karten, die Bodentypen und Rebspiegel aufzeigen. Eine solche Dokumentation hat es bis jetzt noch nicht so gegeben. Auch wenn bei uns im Moment primär die Malbec-Weine aus Argentinien in aller Munde sind, war die Zeit nie besser, die Fühler etwas auszustrecken und das moderne Weinschaffen dieses fernen Kontinents zu entdecken oder gar eine Reise in die eine oder andere Region zu planen.


Bei ihrer langen Reise durch Südamerika hat Amanda Barnes zahlreiche Fotos geschossen, die in ihrem Werk zu entdecken sind.
Die südamerikanischen Weine sind sehr zugänglich, was ihre Entdeckung vereinfacht.
INTERVIEW MIT
AMANDA BARNES
WAS WAREN DIE ERSTEN SCHRITTE, DIE SIE NORMALERWEISE UNTERNOMMEN HABEN, WENN SIE SICH AUF DIE ENTDECKUNG EINES DER SÜDAMERIKANISCHEN WEINLÄNDER BEGEBEN HABEN?
Der erste Schritt war, 2009 in ein Flugzeug zu steigen! Ich bin nach Argentinien gezogen und habe mich durch Besuche und Gespräche mit Weinproduzenten allmählich in den Weinregionen zurechtgefunden. Jeder hatte eine neue Empfehlung oder einen Ratschlag. Ich sammelte alle und setzte dann Schritt für Schritt jede Region zusammen. In den anderen Weinländern war es ähnlich – man entdeckte Besuch für Besuch neue Orte, deckte jedes Mal mehr Boden ab und traf mehr Menschen. Ich habe auch ein Jahr in Chile gelebt, um dort mehr Zeit zu haben, da Chile zusammen mit Argentinien definitiv das grösste Weingebiet ist, über das es zu berichten gilt.
WAS VERMISSEN SIE AM MEISTEN, WENN SIE IN EUROPA UND NICHT IN SÜDAMERIKA SIND?
Das Leben dort – die Menschen, die Atmosphäre, die Landschaften. Einfach alles! Die Pandemie war wirklich hart, weil ich ausserhalb Südamerikas feststeckte und in Europa wartete, während die internationalen Grenzen 19 Monate lang geschlossen waren! Das ist eine sehr lange Zeit, um die eigene Katze nicht zu sehen … aber sobald die Grenzen wieder geöffnet wurden, kehrte ich nach Argentinien zurück und meine Katze und ich waren wieder glücklich vereint. Auch meine Freunde und ich waren glücklich wiedervereint – es gab eine Menge Asados nachzuholen.
HAT DIE ARBEIT AN DIESEM BUCH IHRE ANSICHT ÜBER WEIN VERÄNDERT?
Nicht wirklich. Meine Herangehensweise an Wein war schon immer von Faszination geprägt – Faszination für die Menschen und Orte, die ihn herstellen. Ich bin immer noch fasziniert und gespannt darauf, die Geschichte hinter jedem Wein zu erfahren, was auch immer ich probiere. Meine Absicht hinter den im Buch vorgestellten Weinen war jedoch anders als meine Verkostungsselektion. Ich wollte nicht nur köstliche Weine auswählen, sondern Weine finden, die wirklich das Terroir repräsentieren – woher es kommt, wo es heute ist und wohin es geht. Insofern war für mich nicht nur der Geschmack entscheidend, sondern auch der Gedanke dahinter.
WIE SOLLTE SICH EIN NEWCOMER AM BESTEN AN DIE WEINE SÜDAMERIKAS HERANTASTEN?
Das Wunderbare an Südamerika ist, dass die Weine alle relativ zugänglich sind. Es ist viel einfacher für das Portemonnaie, Südamerika zu entdecken als Burgund! Das ist für einen Neuankömmling ein grosser befreiender Faktor. Sie können tief eintauchen, ohne grosse finanzielle Sprünge zu machen. Ich würde empfehlen, mit einer Traubensorte zu beginnen und über diese Sorte die Terroirs zu erkunden. Zum Beispiel Malbec in Argentinien. Er wird überall angebaut und kann daher eine grossartige Möglichkeit sein zu sehen, wie sich jedes Terroir anders zeigt. In meinem Buch habe ich zum Beispiel einen Terroir-Führer für Malbec, das ist ein guter Anfang. Und dann fangen Sie an, Syrah und País aus Chile, Tannat und Albariño aus
Uruguay, Quebranta aus Peru hinzuzufügen … Ich denke, die Verwendung von Rebsorten als Vehikel, um die Weinregionen eines Landes zu entdecken, ist eine sehr unterhaltsame Reise!
WAS WAREN IHRE BESTEN ENTDECKUNGEN ODER MOMENTE MIT HIGH-ALTITUDE-WEINGÜTERN?
In Argentinien und Bolivien liegt fast alles in der Höhe. In Mendoza fällt das weniger auf, weil die Höhenänderung allmählich erfolgt, aber wenn Sie in Nordargentinien und Bolivien sind, sind die Landschaften wild und schroff und die Höhenänderungen intensiv. Die Calchaqui-Täler im Norden Argentiniens sind atemberaubend und unvergesslich. Und die Weine haben eine solche Persönlichkeit und Charakteristik. Das hoch gelegene Elqui in Chile ist ebenfalls atemberaubend und unvergesslich, und es gibt keinen Ort auf der Welt wie Viñedos de Alcohuaz (der Sternenhimmel ist auch unglaublich!). Bolivien ist jedoch eine meiner liebsten Weinregionen, die es zu entdecken gilt, gerade weil es noch so unentdeckt ist. Das Tal von Cinti ist pures Abenteuer, und die handwerklich hergestellten Weine sind Rohdiamanten.
WENN WIR ÜBER SÜDAMERIKA SPRECHEN, KONZENTRIEREN WIR UNS EHER AUF TYPISCHE TRAUBEN UND WENIGER AUF TERROIRS – WIRD SICH DAS IN ZUKUNFT ÄNDERN?
Hoffentlich. Ich denke, wir müssen diese charakteristischen Sorten verwenden, um über Terroir zu sprechen – sie tun es für sich selbst im Glas, wir müssen das nur vokalisieren. Es gibt bestimmte Terroirs in Südamerika, die im Glas wirklich unbändig sind: die Kalkigkeit und der kühle Küstencharakter von Limarí; die nuancierten erdigen Noten und die Konzentration alter Reben von Itata; die Kraft, Frische und Spannung von Gualtallary. Es ist nur eine Frage der Weiterbildung, sie kennenzulernen. Die Terroirs und Weine sind schon da.
WELCHE WENIGER BEKANNTE TRAUBE SOLLTE MAN UNBEDINGT ENTDECKEN?
Wenn Sie País nicht kennen, holen Sie das bitte nach! Es gibt so viele unglaubliche alte Reben in Südamerika (Bastardo, Sémillon, sogar Chasselas!) und einige unglaubliche einheimische Reben (Vischoqueña, Criolla Grande, Torrontés), aber eine, die für mich beides vereint, ist País… Die erste Traubensorte, die vor über 500 Jahren gepflanzt wurde und vor allem in Chile immer noch anzutreffen ist. Sie können unglaubliche Weine probieren, die aus 200 Jahre alten Reben mit handwerklichen Techniken unter Verwendung alter Tinajas (Amphoren) aus Ton vinifiziert werden, was an sich schon ein einzigartiges Erlebnis ist. País ist ein saftiger, heller Roter, der schöne blumige, kräutrige und erdige Noten annehmen kann, aber immer die Art von Wein ist, die einem Lust macht, die ganze Flasche auszutrinken.
IN DEN 90ER-JAHREN WAR BORDEAUX DER AROMATISCHE STIL, DER VIELE WEINPRODUZENTEN BEEINFLUSSTE – IST DAS IMMER NOCH SO?
Der Bordeaux-Einfluss begann Mitte des 18. Jahrhunderts in Südamerika mit der Ankunft vieler Techniker und auch der Bordeaux-Rebsorten (Malbec, Cabernet Sauvignon, Carmenère, Sauvignon Blanc usw.). Diese Sorten sind ebenso wichtig für die Geschichte Südamerikas wie für jede andere Weinregion der Welt. Sie haben Cabernet-Sauvignon- und Malbec-Reben, die oft über 100 Jahre alt sind, und die lokalen Weingemeinschaften stellen diese Weine seit mehreren Generationen her. In den 1990er-Jahren gab es einen erheblichen Einfluss von flying winemakers (meist mit BordeauxAusbildung) und dem Markt, der die exportorientierten Weinproduzenten definitiv beeinflusste. Es gab einen Drang zu mehr Konzentration, Reife und Verwendung von neuer französischer Eiche. Derselbe Trend, der in den meisten Ländern ungefähr zur gleichen Zeit stattfand, und er war eher das Resultat der Nachfrage des Marktes als von Produzenten initiiert. Jetzt findet definitiv eine Abkehr davon statt. Man reflektiert mehr über die Signatur des Ortes und der Sorte als über die Rezeptur aus Bordeaux. Aber es gibt auch viele Produzenten, die sich in den 1990er-Jahren nie vom BordeauxEinfluss beeinflussen liessen – sie reifen ihre Weine in Beton oder grossen Foudres und änderten nie ihren Stil. Das sind Weine, die ich persönlich sehr schätze, obwohl sie sich auf dem internationalen Markt nicht durchgesetzt haben.
«Ich hoffe, die Welt wird weiterhin kooperativ sein, aber statt um Globalisierung als Mittel zur Unterbietung und Konvergenz sollte es darum gehen, den Zugang zu mehr Sorten und regionalen Charakteren zu öffnen.»
Rebberg in Salta unweit von Bolivien. Hier gedeihen die Reben auf einer Höhe von zwischen 2000 und 3000 Meter über Meer.

Der Zertifizierungsgrad für den ökologischen Landbau ist nicht so hoch, wie er sein könnte. In Argentinien und Chile stammen weniger als 10 % der Weine aus kontrolliert biologischem Anbau. Diese Zahl könnte aufgrund der natürlichen Bedingungen hier viel höher sein. Aber es gibt noch viel mehr Nuancen als nur Statistiken. Zahlreiche Produzenten sind effektiv biologisch – es ist die billigere Art der Landwirtschaft! Aber die Kosten für die Zertifizierung und der zusätzliche Papierkram sind abschreckend. Und in einigen Fällen gibt es nicht genügend organische Lösungen für einige Nischenherausforderungen (z. B. Ameisen in Mendoza), was eine Zertifizierung verhindert. Es gibt jedoch definitiv ein wachsendes Interesse und Engagement für die biologische und biodynamische Produktion, und wir haben hier einige weltweit führende Unternehmen in den Bereichen Bio und Biodynamik (Emiliana, Domaine Bousquet, Matetic usw.). Es ist definitiv ein wichtiges Thema der Zeit, zusammen mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit, und die Produzenten sind sich bewusst, dass der Markt immer mehr eine Bio-Zertifizierung verlangt. Es gibt auch ein grösseres Bewusstsein für die Vorteile der Biodiversität für die Weinqualität, was meiner Meinung nach einen wichtigen Paradigmenwechsel darstellt.
WIE WÜRDEN SIE DIE DERZEITIGE DYNAMIK DES SÜDAMERIKANISCHEN WEINS BESCHREIBEN?
Unglaublich! Wie ich in meinem Buch beschreibe, denke ich, dass wir uns gerade in diesem perfekten Moment befinden, in dem Weinproduzenten sich wieder darauf konzentrieren, wie sie ihre Weinregionen mit ihrer eigenen Erfahrung und Intuition verbessern können. In den 90erJahren kamen Leute mit ihren Meinungen (als beratende Winzer oder als einflussreiche Kritiker) nach Südamerika, aber in den 2000er-Jahren reisten Winzer aus Südamerika in die Welt, um deren Weine zu erkunden und sich ihre eigene Meinung zu bilden. Sie sind jetzt mit mehr Marktkenntnissen, aber auch mit einem Verständnis für ihre einzigartigen Situationen und Bedingungen zurückgekehrt. Und ihre Weine sind dafür umso besser. Die besten Weine Südamerikas passen heute nicht mehr in kommerzielle Stereotypen, sie sind mutige Interpretationen des eigenen Terroirs.
UND – HABEN SIE SCHON EINMAL SCHWEIZER WEIN PROBIERT?
Ja! Ich liebte es, die Schweiz für mein eigenes Weinabenteuer «In 80 Ernten um die Welt» zu besuchen. 2017 erkundete ich einen Monat lang Weinberge und Winzer im ganzen Land. Auch im folgenden Jahr kam ich für den Event Mondial du Chasselas zurück. Wir bekommen Chasselas aus alten Reben im Süden Chiles (bekannt als Corinto) … aber es gibt nichts Schöneres als ein gekühltes Glas Dézaley mit einem wärmenden Fondue!
Amanda Barnes hat für ihr Werk zahlreiche neue Karten angelegt und darin die Rebpflanzungen aller Regionen aufgezeigt. Zahlreiche dieser Karten gab es zuvor noch nicht.
Amanda Barnes
Amanda Barnes ist eine preisgekrönte Weinautorin, die seit 2009 in Südamerika lebt und regelmäßige Korrespondentin für das Decanter-Magazin und Herausgeberin des Circle of Wine Writers Newletter ist. Sie hat während ihrer Recherche für «The South America Wine Guide» über 1‘500 Malbec-Weine verkostet und über 800 chilenische Austern gegessen und studiert derzeit, am The Insitute of Masters of Wine.
AMANDABARNES.CO.UK
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