Brienz Info Mai 2022

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KOLUMNE

Für einmal ganz nüchtern betrachtet Wie die Herausforderung einen Monat auf Alkohol zu verzichten, die Sicht auf Suchtmittel verändert. nein zu einem kühlen Bier oder einem guten Glas Wein sage. Ich bin grosse Befürworterin von jeglichen Genüssen und habe mir bis vor kurzen wenig Gedanken über mein Trinkverhalten gemacht. Schliesslich ist Alkoholkonsum ein bisschen ­sowas wie ein Schweizer Volkssport. Tina Heiniger Thun

Es ist kurz nach Mitternacht, als ich diesen Text niederschreibe. Ich nippe an meinem alkoholfreien Bier und mache mir Gedanken über die nächsten drei Wochen und wie es mir in diesen ergehen wird. Seit genau sechs Tagen verzichte ich nämlich sehr bewusst auf Alkohol. Warum ich das tue und warum ich dies in Zukunft vielleicht öfters tun werde, möchte ich in diese Text erzählen.

Ein schmaler Grat zwischen Genuss- und Suchtmittel

Wie aufmerksame Leserinnen und Leser dieser Kolumne vielleicht bereits bemerkt haben, betone ich in meinen Texten stets, dass ich selten

Ein Glas Sekt zum Brunch? Nice! Ein Bier zum Lunch? Gerne! Ein Hugo zum Apéro? Logisch! Eine Flasche Wein zum Abendessen? Natürlich, sonst ist es ja keine komplette Mahlzeit. Überall und zu fast jeder Gelegenheit ist es legitim ein Glas oder zwei oder sieben zu trinken. Selten wird kritisch hinterfragt warum so viel getrunken wird oder wie oft getrunken wird. Im Gegenteil, falls eine Person es bewusst ablehnt Alkohol zu konsumieren, wird diese meist kritisch beäugt.

falsch und unangebracht. Stattdessen sollten wir, die gerne Mal tief ins Glas schauen, reflektieren warum wir dies tun und die Entscheidung von Mitmenschen nichts zu trinken kommentarlos akzeptieren. Alkohol ist nämlich, wie wir alle wissen sollten, keinesfalls harmlos, sondern Volksdroge Nummer eins. Gemäss Bundesamt für Gesundheit sterben jährlich rund 1 600 Menschen an den

Falls sich eine Frau dazu entscheidet, auf einen Cocktail zu verzichten, ist es ziemlich sicher, dass sie ein «bist du schwanger» zu hören kriegt. Ich bin in dieser Beziehung keine ­Heilige, auch ich habe schon Mitmenschen komisch angeschaut, wenn sie keinen Alkohol konsumieren wollten. Dieses Verhalten ist aber s­ chlichtweg

«Haben Sie auch so Angst vor dem Islam? Letztes Jahr sind 70 000 Deutsche an Alkohol krepiert – haben Sie Angst vor Riesling?» Hagen Rether

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Bödeli- / BrienzInfo | Mai 2022


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