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Was sollten Gastronomen nach Corona beachten?

Gastronomie-Experte Moritz Kuhnel über die Krise als Chance

Was sollten Gastronomen nach Corona beachten?

Im Frühjahr 2020 ging eine Schockstarre durch die gesamte GastronomieBranche. Quasi von heute auf morgen mussten Restaurants, Bars, Cafés und Discos wegen eines grassierenden Virus schliessen; eine einmalige, noch nie dagewesene Situation, die wir alle nicht so schnell vergessen werden. Seit über einem Jahr versuchen wir das Bestmögliche aus einer unmöglichen Situation zu machen. Auch wenn sich die Lage langsam beruhigt: Die Krise wird uns noch lange beschäftigen.

Zunächst wird es unausweichlich zu Betriebsschliessungen und Konkursen kommen. Zu den Betroffenen zählen vor allem GastroBetriebe, die sich noch knapp mit CovidKrediten über ein paar Monate schleppen konnten. Andere werden aus rein wirtschaftlichen Gründen ihre Bilanz deponieren und (noch) Schlimmeres verhindern. Egal aus welchem Grund, hinter solchen Entscheiden stehen immer Schicksale, ganze Familien.

All jene, die nicht aufgeben (müssen) und die Türen wieder öffneten, dürfen sich anfänglich über eine grössere Resonanz freuen. Die Menschen haben nur darauf gewartet, sich wieder auf einen Kaffee mit Freunden, zum gemeinsamen Lunch mit Arbeitskollegen, auf einen gemütlichen Apéro oder ein Nachtessen mit der Familie ausserhalb von Wohnungen zu treffen. Dieser erste, und hoffentlich länger anhaltende Ansturm, muss natürlich auch gemeistert werden.

Das Home Office wird auch in den nächsten Monaten unausweichlich seine Spuren hinterlassen. Einer Studie zufolge haben in der Schweiz rund 40 Prozent der Erwerbstätigen die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Home Office verbracht. Langfristig gehen 25 Prozent davon aus, dass sie mindestens einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus erledigen können. Natürlich wird sich das Zurückziehen ins Private nicht eins zu eins in den Umsätzen der Gastronomie niederschlagen. Allerdings werden diese Beschäftigten sicher nicht mehr jeden Mittag ein Restaurant aufsuchen und für eine volle Auslastung sorgen.

Weitere Einbussen sind bei Events und dem Tourismus einzukalkulieren, welche je nach Standort nicht sofort wieder im gleichen Mass für eine gewohnte Nachfrage sorgen.

Kommunikation ist jetzt entscheidend.

Bereits im letzten Jahr war schnell spürbar, wer in diesem Bereich Engagement gezeigt und sich immer wieder in Erinnerung gerufen hat. Die Betriebe müssen auch nach der Öffnung für Aufmerksamkeit sorgen und am Ball bleiben. Ab und zu auf Facebook oder Instagram ein paar Bildchen zu posten, reicht nicht aus. Eine Auseinandersetzung mit den sozialen Medien ist unausweichlich: Welcher Kanal kann wie und für welche Zielgruppe genutzt werden? Die Follower müssen informiert, emotional erreicht und begeistert werden!

Eine weitere Herausforderung für die Gastronomen stellen auch Take-

away und Liefer-

services dar. Gerade als logische Folge zum Home Office und den Erfahrungen der letzten Monate weiss oder ahnt zumindest heute jeder, dass es mit dem Ausliefern einer Pizza, einem ThaiCurry oder dem Sushi bis zur Wohnungstür nicht getan ist. Eine gute Integration dieser Prozesse in das operative Geschäft ist wichtig, auch weil die Kommissionen für Lieferdienste sehr hoch ausfallen.

«Ein gut durchdachtes Kassensystem, Monatsabschlüsse, Inventuren und eine aktuelle Buchhaltung sind elementar, um ein Restaurant erfolgreich führen zu können»

MORITZ KUHNEL

Wer ist Moritz Kuhnel?

Der 39-Jährige ist seit sechs Jahren Inhaber und Geschäftsführer der foodcult gmbh. Der ehemalige Absolvent der Hotelfachschule Luzern (SHL) ist, nach Stationen in grossen und kleineren Unternehmen, als Berater und Sparringpartner für Gastronomen in der ganzen Schweiz unterwegs.

Foodcult mit Sitz in Basel unterstützt Gastronomen bei der Schärfung ihrer Positionierung, Konzepte und Prozesse. Der Fokus wird dabei, so Moritz Kuhnel, «immer auf die Machbarkeit und Rentabilität gelegt, wobei auch Hilfsmittel wie das MenuEngineering zum Einsatz kommen.»

Neben Schulungen werden auch Service-Module angeboten, bei denen der Betrieb langfristig begleitet wird.

foodcult.ch

Es stellt sich auch die Frage: Wie präsentiert sich das Gericht dem Kunden, nachdem es 30 Minuten bis zur Auslieferung unterwegs war? Dabei spielen Angebot, Konsistenz, Temperatur und das Aussehen eine zentrale Rolle.

Das Thema Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht bloss auf die Verpackung. Lokales und Regionales haben durch die Pandemie einen weiteren Aufschwung erhalten und werden zunehmend an Relevanz gewinnen. Dieser Trend bedeutet nicht automatisch Nachhaltigkeit. Die Herkunft der Produkte, der Ursprung der Zutaten kann und sollte als Mehrwert genutzt und ausgespielt werden. Lokale Anbieter sind mehr als Lieferanten, sie sind StoryMacher oder Geschichtenerzähler und eignen sich hervorragend, um die eigene Positionierung zu stärken.

Beim neuen Angebot sollte sich daher auch jeder Betrieb überlegen, was wirklich zu ihm passt, wie gross die Auswahl sein muss, wie oft diese gewechselt wird. Zudem muss unbedingt eine saubere und vollständige Kalkulation erstellt werden, denn das Ziel lautet: die Gäste begeistern und eine maximale Rendite zu erwirtschaften. Dabei darf der Preis nicht einfach blind erhöht werden, sondern will aufgrund der Kalkulation und der Positionierung gut überlegt sein.

Ganz generell muss die Affinität zu den Zahlen und der Wirtschaftlichkeit einen viel höheren Stellenwert bekommen. Ein gut durchdachtes Kassensystem, Monatsabschlüsse, Inventuren und eine aktuelle Buchhaltung sind elementar, um ein Restaurant erfolgreich führen zu können.

Neben dem klassischen Angebot dürfen auch über das Erlebnis vor Ort hinaus Produkte angeboten werden. Seien es Saucen, Dressings, Eingemachtes, DinnerBoxen, PicknickKörbe oder VideoKochanleitungen einzelner Komponenten – sie alle dienen der Markenbindung und generieren ganz nebenbei Umsatz.

Von den Zahlen kommen wir auch sogleich auf die Zahlungsmittel zu sprechen. Wenn ich meinen Einkauf heute bar zahlen will, werde ich oft mit grossen Augen angeschaut. Auch auf diese neuen Bedürfnisse und Zahlungsgewohnheiten muss man sich ausrichten und gleichzeitig bewusst sein, dass ein mobiles Terminal wohl nicht ausreicht. Was mit möglichen Anschaffungen verbunden ist, zieht allerdings auch weitere Kommissionszahlungen je Transaktion nach sich und darf bei der Kalkulation nicht ausser Acht gelassen werden. Ein paar Prozente hier, ein paar Prozente dort und der Profit wird kleiner und kleiner.

Stichwort Digitalisierung: Was früher die OnlineReservation war, ist heute die digitale Anzeige in der Küche. Diese Transformationen werden auf allen Ebenen Einzug halten. Sofern einfache und zielführende Lösungen möglich sind, die sich auf den Betrieb adaptieren und mit allen anderen Systemen ergänzen lassen, zahlt sich die Investition samt laufenden Kosten langfristig durch optimierte Prozesse und eine höhere Effizienz aus.

Eine Herkulesaufgabe, die heute schon viele und durch die Pandemie noch zusätzlich belastet, ist der Fachkräftemangel. Nicht nur der einzelne Betrieb, sondern die ganze Branche und die Verbände sind enorm gefordert; die Berufe müssen wie der an Attraktivität und Wertschätzung gewinnen und für den Nachwuchs langfristig interessant werden.

Ich gebe es zu: Die genannten Auswirkungen sind auf Papier einfach festzuhalten. Die Umsetzung und der tägliche Kampf gegen die Auswirkungen der Krise werden noch viel Energie benötigen, obwohl bereits jetzt viele erschöpft sind. Trotzdem: Es kommen schon bald wieder bessere Zeiten! 

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