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Wie ist die Ausgangslage in der Stadt- und in der Ferienhotellerie?

Neue Studie zum europäischen Hotelmarkt von MRP Wien

Wie ist die Ausgangslage in der Stadt- und in der Ferienhotellerie?

Die Auslastung der Hotels liegt in den meisten europäischen Grossstädten

derzeit (Mai 2021) bei 5 bis 10 Prozent, Buchungen erfolgen fast nur aus dem

Corporate-Segment. Die Hotelexperten von MRP Wien wollten wissen: Wie entwickelt sich der Hotelmarkt in Städten wie Zürich, Genf oder Berlin in den

nächsten Monaten und Jahren? Was geschieht in der Ferienhotellerie?

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[01] Grand Hotel Beau-Rivage, Genf (ganz links).

[02] Renaissance Hotel Zürich (SV Hotels).

[03] Grand Hyatt Hotel, Düsseldorf (BRD).

[04] Hotel Storchen Zürich.

Das RecoverySzenario in den Stadthotels ist stark abhängig von der Zusammensetzung des Geschäfts der jeweiligen Stadt, aber mehr noch vom jeweiligen Hotelprodukt und der Mikrolage an sich. Leisuregeprägte Städte wie zum Beispiel Hamburg oder Salzburg werden sich schneller von den Folgen der Krise erholen.

Budget-Hotels erholen sich schneller

Viele deutsche Grossstädte profitieren vom starken innerdeutschen Tourismus. Wien oder Zürich hingegen werden, ohne die komplette Öffnung der Grenzen (aus heutiger Sicht nicht vor Mitte Juni zu erwarten), ein deutlich versetztes Recovery erleben. BudgetHotelprodukte wie Motel One oder Ibis werden eine schnellere Erholung erleben, während MegaHotels mit Fokus auf das MICESegment mittelfristig Nachfrageprobleme haben werden.

Vom Lockdown in die Ferien

Die Ferienhotellerie wird als «krisensicherer» eingeschätzt. Der Glaube an die Ferienhotellerie ist unerschütterlich. Das Erste, was viele Menschen nach dem Lockdown machen wollen, ist raus in die Ferien zu «fliehen». Bleiben Reiserestriktionen innerhalb von Europa oder auf der Langstrecke aufrecht, steht der DACHRegion (Deutschland, Österreich, Schweiz) ein starker Reisesommer mit Reisenden aus dem eigenen Land bevor.

Fehlende Mitarbeitende

Zu einem immer grösseren Problem wird es, qualifizierte Mitarbeiter in Hotel und Gastgewerbe zu halten. Betriebe in Deutschland und Österreich sind mittlerweile seit mehr als sieben Monaten geschlossen, eine Öffnungsperspektive gibt es für die Mitarbeitenden nicht. Kurzarbeitsentschädigung und fehlendes Trinkgeld sorgt für erhebliche Einkommenseinbussen. Transparenz und guter Kommunikationsfluss zwischen Hotel und Mitarbeiter sind unerlässlich. Viele Resort Hotels in der Nähe von MetropolRegionen profitieren vom JobAbbau in Stadthotels und finden so neue, qualifizierte Mitarbeiter.

Welche Beobachtungen sind in Zusammenhang mit der drohenden Insolvenzwelle und Förderlandschaft zu machen?

Die grossen Insolvenzen bleiben nach wie vor aus. Das liegt insbesondere daran, dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wurde, einige Betreibergesellschaften frühzeitig übernommen wurden und es rechtzeitig zu Vereinbarungen zwischen Betreibern, Banken und Eigentümern gekommen ist. Darüber hinaus sind die monatlichen Fixkosten (oder Kredittilgungen) bei allen Betrieben soweit zurückgefahren, dass derzeit keine Insolvenz droht. Die Liquidität wird erst dann auf die Probe gestellt werden, wenn Förderungsmassnahmen reduziert werden, aber das Gästevolumen weiterhin gering ist (was insbesondere in der Stadthotellerie zu erwarten ist). ➤

«Das Erste, was viele Menschen nach dem Lockdown machen wollen, ist raus in die Ferien zu ‹fliehen›.»

Gefahr für hochpreisige Pachtverträge

Mit Blick auf die Vertrags und Eigentumsverhältnisse lassen sich derzeit zwei Gruppen identifizieren – reine Betreibergesellschaft sowie der klassische eigentümergeführte Betrieb. Tendenziell werden Betreiber, die in den vergangenen Jahren aggressiv und hochpreisige Pachtverträge gezeichnet haben, in Bedrängnis kommen, sofern Pachtverträge nicht neu verhandelt werden. Bei der eigentümergeführten Hotellerie sehen wir, dass gut aufgestellte Leitbetriebe ihr Produkt weiter ausbauen, wohingegen Betriebe am Ende des ImmobilienlebensZyklus und hohem Verschuldungsgrad aus der Krise nicht mehr aufstehen werden können. Mittelfristig ist eine mögliche Insolvenzwelle insbesondere von Rückführungsmodalitäten der gewährten Kredite mit Staatshaftung abhängig. Dass in den nächsten vier Jahren (Rückzahlung der meisten Kredite in 2025) ausreichend Überschuss für eine vollständige Tilgung erwirtschaftet werden kann, ist unwahrscheinlich.

Mögliche Überschuldung?

Mittel bis langfristig müssen staatliche Hilfen so ausgestaltet werden, dass RatingKennzahlen und die in der Hotellerie schwach ausgeprägte Eigenkapitalstruktur verbessert werden. Bilanzpolitische Massnahmen sowie auch die Fragestellung einer möglichen Überschuldung rücken zudem nach einem gebeutelten Jahr 2020 immer mehr in den Fokus. Bereits für den Jahresabschluss 2020 wird oftmals eine

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Erstellung einer Fortführungsprognose (und damit eine Überprüfung des Insolvenztatbestands einer möglichen Überschuldung) verlangt. Die nötige Be und Abwertung von Hotelportfolios zwingt zudem Banken aufgrund deren Regularien vermehrt ihre Gebühren und Zinsstruktur auf Kundenseite anzupassen (Ausfallsrisiko steigt, Unterlegung mit Eigenkapital auf Bankenseite nötig).

Welche Stolpersteine stehen der Hotellerie auf dem Weg in den Sommer/Herbst 2021 bevor?

Weiterhin ist von einer schlechten Planbarkeit für Hoteliers auszugehen. Die gesundheitspolitische Situation ist fragil und Grenzhindernisse oder temporäre Veränderungen der Einreisesituationen sind denkbar – aber nicht im Detail prognostizierbar. Der Hotelier muss flexibel und kurzfristig reagieren – es ist ein Fahren auf Sicht. Dies wird sich in der Personalpolitik, im Revenue Management, in den Stornobedingungen oder auch in der Angebotsgestaltung des Hotels widerspiegeln müssen. Reisende in Zeiten von Corona erwarten eine höchstmögliche Flexibilität.

Wichtig: Sicherung der Liquidität

Diese Anpassungsfähigkeit ist auch für die Ausrichtung des Hotelkonzeptes erforderlich. Es gilt anzunehmen, dass bei der Erstöffnung der Hotels diverse Auflagen auf die Hoteliers zukommen werden – möglicherweise strengere Auflagen als im letzten Sommer. Outlets wie Spas, Bars oder Restaurants können noch weiterführend von den Restriktionen betroffen sein.

Fundamental für den Fortbestand des Hotels ist die Sicherung der Liquidität. Diverse Zuschüsse und Finanzhilfen werden trotz Genehmigung zeitverzögert ausbezahlt. Eine ständige Neuausrichtung und Feinjustierung der Zahlungsflüsse ist wesentlich, um die Liquidität nachhaltig sichern zu können. Bürokratischen Auflagen in der Antragsstellung der Förderung sowie die langwierige und späte Auszahlung von Zuschüssen wird auch fortan ein grosser Stolperstein für die Hoteliers sein.

Im vergangenen Jahr konnte in der gesamten Tourismusbranche eine Abwanderung der Mitarbeiter in andere Branchen beobachtet werden. Erschwerend kommt der bestehende Fachkräftemangel im Tourismus hinzu, welcher es auch vor der Pandemie den Unternehmen erschwerte, qualifizierte Mitarbeiter am Arbeitsmarkt zu gewinnen. Mehr als zuvor ist ein ausgezeichnetes Employer Branding sowie HumanResourceManagement relevant. Bereich Beherbergungsleistungen einen Höchstwert von 54%. Die Sparquoten in beiden Ländern sind seit März 2020 enorm angestiegen und werden bis Sommer 2021 weiter ansteigen. Dieses Geld will ausgegeben werden.

Die Reiselust ist ungebrochen hoch. Die Sehnsucht nach Urlaubsreisen im In und Ausland steigt weiter an. Mit dem Fall der ersten Restriktionen wird neben der Gastronomie vor allem die Hotellerie boomen. Besonders Ferienregionen werden, ähnlich wie im vergangenen Sommer, Rekordsaisonen erleben.

Neben der Reiselust fördern auch die aufgestauten, nicht in Anspruch genommen Urlaubstage die Reiseintensität. Auch die in den vergangenen beiden Jahren ausgestellten Gutscheine wollen in diesem Sommer eingelöst werden. Gäste werden nicht ausgegebenes Geld in teureren Urlaub – länger oder höherwertiger – stecken.

«Mut zur Rate»

Ferienhoteliers können mit diesen Annahmen auf eine starke Ratenstrategie setzen. Die Nachfrage wird steigen, daher ist das Motto: «Mut zur Rate», um dem vorhergegangenen Ratenverfall in allen Hotelkategorien entgegenzuwirken. Eine höhere Preisdurchsetzung wird in Grossstädten nicht so problemlos umzusetzen sein wie in den LeisureDestinationen.

Die weiteren Entwicklungen sind zunehmend von der Anerkennung der Impfung und dem Anteil der geimpften Bevölkerung abhängig. Der «Grüne Pass» soll noch vor dem Juli umgesetzt werden und kann Erleichterungen für Reisende bringen. 

Wie entwickelt sich das Reiseverhalten und wie geht die Tourismusbranche damit um?

Die Konsumausgaben der Bevölkerung sind 2020 stark gesunken. In Österreich beträgt der Rückgang des Gesamtkonsums 10%. Im Quartal 4 (Q4/20) erreichten die Ausgabenrückgänge der Deutschen im

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