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«Wird die Krise die Hotellerie fundamental
«Wird die Krise die Hotellerie fundamental verändern?»
anspringen als die Geschäftsreisen, sagt Thomas Edelkamp, CEO der Romantik Hotels & Restaurants. Und: «Die Privathotellerie zeigt
INTERVIEW Hans R. Amrein
Thomas Edelkamp, wenn Sie auf die letzten rund zwölf Monate Pandemie und Tourismuskrise zurückschauen, was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse – aus der Optik der Romantik Hotels & Restaurants?
Nun, aus heutiger Sicht ist mit dem CoronaVirus und seinen Folgen das «WorstCaseSzenario» für den Tourismus eingetroffen. So eine Krise meistern Unternehmen nur gemeinsam. Auch wenn die Pandemie alle Gastgeber in den sieben RomantikLändern betrifft, ist das Ausmass unterschiedlich gross. Erstaunlich auch: Europa wird durch Corona wieder zu einem kleinteiligen Gefüge von Nationalstaaten.
Wie schlägt sich die Privathotellerie durch die Krise?
Sie zeigt sich auch in dieser schwersten Krise als nachhaltig und stabil. Die Unternehmer blicken nach vorn, investieren in Produkt und Services für die Zukunft und sind, aufgrund ihrer Orientierung an langfristigen Werten für Generationen, finanziell solide aufgestellt.
Können Sie sagen, wie hoch der Verlust für die Romantik Hotels & Restaurants in dieser Zeit ausfällt?
Während die Schweiz im PandemieManagement einen anderen Weg geht als die anderen Länder, ist auch hier der Einbruch des Tourismus in den Städten und an einigen Standorten, die primär vom internationalen Tourismus abhängig sind, erheblich. Gleiches gilt für Restaurants, die vielerorts lange geschlossen bleiben mussten. Die ländlichen Betriebe – Hotels in den Bergen, an den Seen und in Kleinstädten – jedoch sehen eine gute Nachfrage aus dem Inland. Das ist auch das Bild, das sich im Sommer 2020 ergeben hatte. Die starke inländische Nachfrage hat für eine kurze, aber gute und damit hilfreiche Sommersaison gesorgt, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in allen anderen Ländern.
Wie haben Sie eigentlich am «Hauptsitz» der Romantik-Hotels in Frankfurt auf die Krise reagiert?
Wir haben sofort umgestellt auf intensive Information und gegenseitigen Austausch. Insbesondere zu Beginn der Pandemie im März 2020 war es wichtig, schnell und umfassend Informationen für die Hoteliers aufzubereiten. Das haben wir in täglichen Briefings getan. Gleichzeitig haben wir begonnen, mit den Hoteliers an Kommunikationsplänen in allen Ländern, jeweils national, zu arbeiten. Dies haben wir in der Schweiz und in allen anderen Ländern dann ab letztem Sommer konsequent umgesetzt und damit gute Reichweiten (TV, Radio, Web etc.) erzielt. Gleichzeitig haben wir in erheblichem Mass Gebühren erlassen und tun das auch derzeit noch. Aus unserer Sicht ist das konsequent, wenn wir über eine Gemeinschaft von Hoteliers sprechen. ➤



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Information, Kommunikation und Gebührenerlass sind das eine, aber Sie sind ja auch eine Marketingorganisation …
… Wir haben die Zeit in der Krise genutzt, um intensiv an unserem CRM zu arbeiten. Dass bedeutet, dass wir mit grossem Aufwand unsere Gästedaten europaweit digital so strukturieren, dass wir in der Lage sind, effektives Direktmarketing zu betreiben. Ferner bauen wir unsere ContentStrategie aus und überarbeiten unsere Webseiten. Das ist mit Blick auf unser neues Markenbild, das neue 5SterneLabel «Pearls by Romantik» und die Öffnung der Marke für Chalets, Lodges und Townhouses wichtig.
Ja, und noch etwas: Für unsere Hoteliers und die Teams haben wir unser Präsenzformat des Lerncampus digitalisiert und konnten so Hunderten von Mitarbeitern sinnvolle Weiterbildungen in diesen schwierigen Zeiten anbieten.
Haben Sie in den letzten Monaten aufgrund der Krise Mitglieder verloren – oder gar neue Mitglieder gewonnen?
Beides trifft zu, wenngleich wir nicht feststellen, dass wir mehr Bewegungen im Netzwerk hatten als unter normalen Umständen. Je länger die Pandemie jedoch andauert, um so grösser die Wahrscheinlichkeit, dass sich Hoteliers zu diesem Schritt gezwungen sehen.
Sie haben aber auch neue Mitglieder gewonnen …
… ja, und das freut mich besonders! Deshalb sehen wir die derzeitige Situation definitiv auch als Chance. Das Reiseverhalten wird sich verändern – und damit stellen sich Hoteliers auch Fragen zur zukünftigen Strategie. Eine Zusammenarbeit mit einer Marke spielt dort oft eine Rolle und wir denken, wir sind als eine der bekanntesten Marken in Europa besonders gut aufgestellt, um hier in den Dialog zu treten.
Ändern Sie aufgrund der Krise nun Ihre Strategie?
Ich bin überzeugt, dass die Auswirkungen der Krise genau die Kerngedanken stützen, auf die sich Romantik seit nunmehr fast fünfzig Jahren konzentriert: anspruchsvolles, bewusstes Reisen in Nahgebieten. Dort sind wir seit jeher zuhause und haben uns bewusst auch immer auf Freizeitreisen konzentriert. Zudem haben wir die Digitalisierung bei Romantik stark vorangetrieben. Über das gesamte Netzwerk können wir Gäste heute gezielt ansprechen und die gewünschten Angebote mit eigens für Romantik aufgesetztem System unterbreiten. Damit bietet die Marke einen wirklichen Mehrwert für alle Hoteliers und Restaurateure. Romantik und die Hoteliers haben die Hoheit über die Daten zurückerstritten. Davon profitieren alle Mitglieder auch in Zukunft.
Wie präsentiert sich aktuell die Situation der Romantik Hotels & Restaurants in der Schweiz?
Wir freuen uns darüber, dass die RomantikHoteliers der Berghotels und der Seehotels in der Schweiz zum allergrössten Teil eine gute Nachfrage aus dem Inland hatten. Die Situation in grossen Städten wie in Zürich oder Luzern, die vom internationalen Geschäftstourismus leben, stellt sich da umgekehrt dar. Die Hoteliers hier haben entweder ihr Hotel geschlossen oder zumindest auf ein Minimum heruntergefahren. Wir versuchen auch hier finanziell entgegenzukommen.
In Deutschland ist die Situation im Gastgewerbe komplett anders als in der Schweiz und besonders prekär. Das Land befindet sich seit über sieben Monaten im Dauer-Lockdown, touristisches Reisen ist verboten, viele Hotels sind geschlossen. Haben Sie eine Perspektive für das Land?
Wir werden die Pandemie kontrollieren können und im Sommer (ich gehe von Juni aus) sicher wieder Reisen ermöglichen. Im Englischen wird das, was Sie gerade beobachten, gerne als «German Angst» beschrieben. Wir mögen es halt mit wenig Risiko, gründlich, sicher und deshalb auch wahrscheinlich mit sehr umfangreichen Diskussionen. Richtig ist, dass die Politik in Deutschland für keinerlei Perspektive gesorgt hat und sicher viele Fehler und Versäumnisse nach der Pandemie aufarbeiten muss. Viel Vertrauen ist verloren gegangen. Während Hotellerie und Gastronomie sehr schnell in Hygienekonzepte, Digitalisierung und andere Dinge investiert haben, kennt die Politik bis heute nur das wenig kreative Konzept des «Lockdowns». ➤
THOMAS EDELKAMP
[01] Romantik-CEO Thomas Edelkamp: «Die Freiheit, die wir kannten, wird erst dann zurück sein, wenn die Welt geimpft ist.»
[02] Romantik Hotel Stadthaus, Burgdorf
[03] Romantik Hotel Bären, Dürrenroth
[04] Romantik Hotel Castello Seeschloss, Ascona
[05] Romantik Hotel Hornberg, Saanenmöser
[06] Thomas Edelkamp mit den Schweizer Hoteliers und Romantik-VR-Mitgliedern Daniel Heiserer und Christian Höfliger.
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Hintergrund
200 Hotels in Europa
Die Hotelmarketing-Kooperation
«Romantik Hotels & Restaurants»
wurde 1972 in Deutschland (aktuell 100 Mitglieder) gegründet. Sie umfasst derzeit 176 Hotelbetriebe in neun europäischen Ländern und 240 «Romantik Restaurants». In der Schweiz führen 28 Hotels im Vier- und Dreisternesegment das Label «Romantik Hotels & Restaurants». Hauptamtlicher Vorstand der Organisation ist seit Januar 2015 Thomas Edelkamp. Präsident der RomantikHotels in der Schweiz und Mitglied des Vorstandes ist Daniel Heiserer, Hotelier im Romantik Hotel Castello Seeschloss, Ascona.
Romantik Hotel kann werden, wer bestimmte Kriterien erfüllt und das entsprechende Auswahl- und Aufnahmeverfahren durchlaufen hat. Der Jahresmitgliedsbeitrag ist abhängig von der Zimmeranzahl. Romantik kennt für seine Häuser die Kategorien Berghotel, Landhotel, Schlosshotel, See- und Küstenhotel, Stadthotel und Wellnesshotel.
romantikhotels.com Was läuft in Deutschland bei der Bekämpfung dieser Pandemie schief?
Als eines der wichtigsten Herkunftslän der für Tourismus in Europa sind wir in Deutschland aus meiner Sicht der Verpflichtung einer gemeinsamen, europäisch abgestimmten Strategie zur Bekämpfung der Pandemie nicht gerecht geworden. Das ist schade und eine verpasste Gelegenheit. Wichtig für die deutschen Hoteliers bleibt, dass die Politik Versprechen einlöst und versprochene Gelder zum Ausgleich auch fliessen.
Wie lauten denn Ihre Prognosen für die Hotellerie in Deutschland, in der Schweiz, in Europa und weltweit?
Das Jahr 2021 wird wohl nur ein Rumpfjahr werden können. Ich rechne mit ähnlichen Effekten diesen Sommer wie im vergangenen Jahr. Der europäische Tourismus wird dann gegen Ende 2021 wieder anziehen. Geschäftsreisen und Meetings jedoch werden nicht in gleichem Ausmass zurückkommen wie früher. Auch hier wird Qualität vor Quantität stehen, und wir müssen sicher dauerhaft mit einem Rückgang in diesem Segment rechnen.
Der InboundMarkt wird länger für eine Erholung benötigen. Abhängig vom Kontinent kann diese Erholung auch erst im 2023 einsetzen. Ich denke aber, dass wir in der Reihenfolge Nordamerika, Südostasien und China bereits im Jahr 2022 wieder relevantes Volumen sehen werden. Ob das in bekanntem Format – mit dem Ergebnis von Overtourism in einigen Destinationen – geschieht, bestimmen wir: die Regionen, Städte, Veranstalter und Hotels.
Wird die Covid-Krise den Tourismus und die Hotellerie markant und nachhaltig verändern – oder bleibt alles beim Alten?
Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir eine derart heftige Krise erlebt. Keine hat so lange gedauert. Keine Krise hat so viele Menschen, ja alle Menschen, so direkt betroffen. Und damit zu Ihrer Frage: Nein, es wird nicht alles beim Alten bleiben. Menschen werden bewusster, vielleicht ängstlicher reisen. Unsere Aufgabe wird sein, darauf Antworten zu finden. Die Privathotellerie ist hier aufgrund ihrer Lage und der vermittelten Werte bestens positioniert. Aber auch in der strukturierten Hotellerie wird es Veränderungen geben (müssen). Ich denke, wir werden eine Renaissance der Gastgeber sehen. Also gilt es Konzepte zu überdenken, Menschen in den Vordergrund zu stellen und die Digitalisierung dazu zu nutzen, wozu sie gedacht ist: zur Effizienzsteigerung. Das heisst auch für uns Hoteliers: Gib mir mehr Zeit für den Gast zurück!
Wann werden wir betreffend Nachfrage das Niveau von 2019 wieder erreichen? Die WTO geht von 2024 aus …
Dem würde ich mich anschliessen. Wir dürfen nicht vergessen: Die Freiheit, die wir kannten, wird erst dann zurück sein, wenn die Welt geimpft ist. Da ist die Schweiz, Deutschland, Europa nur ein kleiner Teil davon.
Gewisse Tourismusforscher sagen: Massentourismus und BilligFliegerei gehören nach Corona der Vergangenheit an. Teilen Sie diese Meinung?
Wenn wir Massentourismus so definieren, dass sehr viele Menschen an einem Ort zur gleichen Zeit sind, dann ja. Menschen werden versuchen, diesen Situationen zunächst aus dem Weg zu gehen. Billiges Fliegen ist genauso relativ wie der Preis für ein «BudgetHotel». Die «Billig»Airlines werden die Krise überleben und aufgrund ihrer Ausrichtung auf Ferienreisen auch sehr schnell wieder eine gute Nachfrage erleben. Ob das Ticket dann noch billig ist? Wahrscheinlich nicht.
Wann kommt der Business- und MICE-Tourismus wieder in Fahrt?
Der Markt für Tourismus und Ferienreisen wird deutlich schneller wieder anspringen als die Geschäftsreisen. Prognosen gehen davon aus, dass eine vollständige Erholung erst in vier oder fünf Jahren eintritt. Aber auch das ist fraglich. In vielen Unternehmen wird das Thema «Geschäftsreise» heute anders bewertet, als vor der Pandemie – und Budgets werden bereits zusammengestrichen. Der Verband Deutsches Reisemanagement rechnet mit einem Rückgang der Reisetätigkeit von Geschäftsleuten von 10 bis maximal 30 Prozent in der Zeit nach Corona. Mehr Geschäftsbesprechungen, Meetings oder Präsentationen werden auch zukünftig online oder hybrid stattfinden.