19 minute read

Mario Julen: «Ich habe nie ein Leben im Überfluss geführt»

«Hotelier»-Gespräch mit Mario Julen, Hotelier, Investor, Bergführer und Visionär in Zermatt

«Ich habe nie ein Leben im Überfluss geführt»

Er hat am 18. Mai 2006 als erster Zermatter Bergführer den Mount Everest (8600 Meter)

nicht nur bestiegen, sondern überquert – und schrieb damit ein weiteres Kapitel

in der Bergsteigergeschichte von Zermatt. Jetzt will Mario Julen, der Hotelier, Immobilien-

entwickler und Visionär, neue Höhen erklimmen: 2026 eröffnet er in Zermatt das erste

Ritz-Carlton Hotel in den Alpen. Was treibt den 58-Jährigen an? Wie lauten seine Visionen?

INTERVIEW Hans R. Amrein

«Ich habe noch nie so viele glückliche Menschen gesehen wie im westafrikanischen Mali oder in den kleinen Dörfern in Indien. Strahlende, lachende Gesichter»

MARIO JULEN

02

Mario Julen, Sie sind Hotelier, Bergführer, Immobilienentwickler, Helikopterpilot, Abenteurer, Landwirt, Visionär, Lebensphilosoph – und trotzdem die Frage: Wer sind Sie?

Ich bin grundsätzlich ein einfacher Mensch und versuche, die Bedürfnisse der Menschen zu erkennen. Ich sehe mich als Humanisten, vielleicht bin ich auch ein Animist, was noch treffender wäre. Jedenfalls versuche ich, ganzheitlich zu denken.

Das tönt bescheiden, ja fast demütig …

… man sollte sich nicht zu wichtig nehmen.

Aber wo sehen Sie Ihre beruflichen Schwerpunkte? Sind sie vor allem Hotelier, Investor, Immobilienentwickler, Abenteurer …

Im Herzen bin ich Hotelier! In der Hotellerie habe ich die beste Plattform.

Sie haben eine Hotelfachschule besucht.

Ja, in Genf. Das war Anfang der achtziger Jahre. Anschliessend machte ich eine Kochlehre. Man sollte ja ein gewisses Grundwissen haben, wenn man seinen Mitarbeitenden Aufträge erteilt. Gerade die Küche ist ein eminent wichtiger Bereich. Denken Sie nur an die neuen Ernährungsgewohnheiten, FoodTrends, Lebensmittelabfall und solche Themen.

Wer war eigentlich Ihr Vater, was hat er gearbeitet?

Er war ein einfacher Kondukteur bei der Bahn. Dann erlebte er nach dem Krieg in den fünfziger Jahren den touristischen Aufschwung von Zermatt, als es mit dem Wintertourismus so richtig losging. Die Julens waren ursprünglich einfache Bauern aus Findeln bei Zermatt, sie waren einfach angezogen und hatten kein Geld. Doch sie waren sehr sportlich und hatten das Talent und Glück, am neuen Wintertourismus in Zermatt zu partizipieren. Die damals elitären Zermatter lehnten sie anfänglich ab. Diese Bauern haben ja keine Ahnung von Hotels und Gastgewerbe …

Mit was haben denn Ihre Vorfahren Geld verdient?

Sie waren Skilahrer und Bergführer. Später stiegen sie ins Gastgewerbe ein und eröffneten kleine Restaurants, Bars und einfache Hotels. Sie erlebten die «goldenen Zeiten» von Zermatt, als hier Prominente und Reiche aus aller Welt abstiegen. Alle waren in Zermatt, die Kennedys, die Rockefellers, Walt Disney oder Heinz, der Ketchup Milliardär. Doch die Grundlage meiner Vorfahren war der Ski und Bergsport. Alle waren Skilehrer – und im Sommer Bergführer.

Ihre Vorfahren waren leidenschaftliche Gastgeber. Sie hatten Erfolg und wurden vermögend.

Ja, aber am Anfang war alles sehr bescheiden. Mein Vater führte zuerst ein kleines GarniHotel, später kamen dann weitere Betriebe dazu. Etwas müssen Sie wissen: Der Gast war immer König. Das Wort «Nein» existierte im Wortschatz meines Vaters nicht. Er war ein unglaublich positiver Mensch und tat alles für seine Gäste. Kam ein Gast ins Restaurant und bestellte ein Himbeertörtchen, dann sagte mein Vater: selbstverständlich! Doch im Restaurant hatte es noch nie Himbeertörtchen. Was tat mein Vater? Er eilte in die nächste Konditorei und organisierte ein Himbeertörtchen.

Sie sind auch Bergführer und Skilehrer. War das eher ein Nebenjob?

Ja, aber ein sehr wichtiger Nebenjob, obwohl mein Vater vorerst keine Freude hatte, dass ich Bergführer wurde.

Der Grund?

Zwei seiner Brüder sind in sehr jungen Jahren in den Bergen ums Leben gekommen.

Ich war familiär belastet, denn auch die Vorfahren meiner Mutter, die Schallers, waren grosse Bergführer.

Sie sind ebenfalls ein grosser Bergsteiger und haben die höchsten Berge auf sieben Kontinenten erobert. Im Mai 2006 haben Sie den höchsten Berg der Welt, den 8848 Meter hohen Mount Everest nicht nur bestiegen, sondern überquert.

Ja, ich war der erste westliche Bergsteiger, dem das gelungen ist. Aber das war Zufall, keine Leistung. Bei den höchsten Bergen auf sieben Kontinenten fehlen mir jetzt noch zwei Kontinente: Afrika und Ozeanien.

Was bringt Ihnen das Bergsteigen?

Der Skilehrer und Bergführerberuf war für mich die wichtigste Lebenserfahrung. Nicht der Beruf des Hoteliers. Als Bergführer ist man tagelang mit einem anderen Menschen zusammen. Eine einzigartige Erfahrung.

Die Berge sind gefährlich, immer wieder stürzen sehr gute und bekannte Bergsteiger ab. Beispiel Ueli Steck. Warum tun Sie das?

Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Also, ich gebe Ihnen eine ehrliche Antwort, denn alle anderen Behauptungen sind Blödsinn: Es geht ums Ego. Ich will wissen, wo meine Grenzen sind, es geht um die Schönheit der Natur und um Grenzerfahrungen. Rückblickend muss ich sagen: Wir hatten Hunger – nach Erfolg und Anerkennung. Man wollte jemand sein im Dorf.

Wie oft waren Sie eigentlich auf dem Matterhorn?

Vielleicht siebzig oder achtzig Mal. Übrigens: Meine stärkste Geschichte ist mein Geburtsdatum.

Was ist daran so speziell?

Es beinhaltet mein noch unvollendetes Lebensziel. 7.2.1963.

Und was steckt hinter diesem Geburtsdatum?

Die 7 steht für die höchsten Berge auf 7 Kontinenten, die 2 steht für Nord und Südpol, wo ich auch schon war. 19 und 63 ergibt 82. In den Alpen gibt es 82 eigenständige, über 4000 Meter hohe Berggipfel. Natürlich ist das alles ein Zufall. Aber ich bin ein Zahlenmensch, ein Kombinierer, ein Geschichtenerzähler.

2008 haben Sie eine etwas spezielle Weltreise gemacht. Darüber sollten wir vielleicht auch noch sprechen.

Das war vielleicht der wichtigste Moment in meinem bisherigen Leben. Mit einer einmotorigen PC12 (Pilatus) habe ich die Welt in 108 Tagen umrundet. Wir waren vier Freunde, zwei haben die ganze Reise gemacht. Mein Freund Richard von Tscharner, Banker aus einer bernischen Patrizierfamilie, hat das Abenteuer inszeniert und finanziert.

Wie und wo haben Sie solche Leute aus der «besseren Gesellschaft» kennengelernt?

Als Skilehrer und Bergführer in den Bergen.

Heute sind auch Sie, aufgrund Ihres Vermögens, in der Lage, viele Millionen in Hotel- und Immobilienprojekte zu investieren. Dabei geht es vor allem um Luxusobjekte wie die Luxus-Chalet-Siedlung «7 heavens» oder das geplante The Ritz-Carlton, Zermatt über das wir gleich noch sprechen werden …

… ich frage Sie: Was ist Luxus? Mir geht es darum, die Bedürfnisse der Kunden zu entdecken, Erlebnisse und einzigartige Geschichten zu schaffen.

Das ist schön, aber wie finanzieren Sie Ihre Hotel- und Immobilienprojekte? Tun Sie das alleine oder mit Partnern?

Mein Grundsatz: Wenn möglich finanziere ich meine Geschäfte selbst, somit trage ich auch das Risiko. Partnerschaften gehe ich nur ein, wenn ein Geschäft rund läuft. Alles andere wäre nicht ehrlich.

Wie sind Sie denn zu Ihrem Vermögen gekommen?

Das ist eine lange Geschichte – es ist jedenfalls nicht von heute auf morgen passiert.

Sie besitzen eine Holding, die Immobilienprojekte entwickelt, Häuser kauft und verkauft. Wie sind Sie als Bergführer und Hotelier zu diesem Business gekommen?

Ich wollte das nie. Ich bin da reingerutscht, es hat sich einfach so ergeben. Heute habe ich das Privileg, dass ich für meine wohlhabenden Kunden kreative Immobilienprojekte umsetzen darf. Das ist nicht selbstverständlich! ➤

«Das Projekt ECO System Zermatt habe ich ins Leben gerufen. Mit Hilfe von Ivo Haldner und Andreas Bärtsch von Quant versuchen wir, die Hotellerie und das Leben im Alpenraum der Zukunft darzustellen. Dies habe ich nicht neu erfunden. Ich habe ganz einfach die bewegende und spannende Geschichte der «Walser» neu interpretiert. Ich mache mir fundamentale Gedanken über Betriebsformen, Besitz und Nachhaltigkeit der Zukunft. Und es ist eigentlich erstaunlich einfach! Grundsätzlich sollten wir der Globalisierung den Rücken zuwenden. Zurück zu einfachen lokalen Strukturen. Ganzheitliche Ansätze und die Entwicklung von möglichst autarken Zellen. Nichts Neues unter der Sonne – und doch so wichtig. Langfristig ist es mein Ziel, über Blockchain und ITO (initial token offering) auch über Beteiligungen und Geldmittel neue Massstäbe zu setzen. Wahrscheinlich ist nun endlich die Zeit reif dafür. Diese neuen Wege sind auch gewaltige und nachhaltige Marketing-Systeme.»

Mario Julen, Hotelier und Visionär

05

06

07

The Ritz-Carlton, Zermatt

Hintergründe zum Projekt

Mario Julen hat mit Marriott International einen Management Vertrag für das The Ritz-Carlton, Zermatt unterzeichnet. Dabei handelt es sich um das erste Hotel eines globalen Brands im Ort und das erste The Ritz-Carlton in einem europäischen Skigebiet. Die Eröffnung für das Resort mit 69 Zimmern und Suiten ist für 2026 geplant. Mit dem The RitzCarlton, Zermatt bekommt der Ort das erste Hotel einer internationalen Hotelmarke. Dementsprechend gross ist die Freude beim Eigentümer des Hotels, Mario Julen: «Das ist ein sehr emotionales Projekt, das mich doch dreizehn Jahre beschäftigt hat. Es ist eine Liebeserklärung an meine Heimat Zermatt, aber auch eine an die Top-Hotellerie allgemein.»

The Ritz-Carlton, Zermatt ist nach The Ritz-Carlton Hotel de la Paix, Geneva erst das zweite Hotel des Brands in der Schweiz und das erste Ski-Resort von The Ritz-Carlton in Europa.

Gelegen am Westhang und südlich ausgerichtet, wird ein Highlight des Resorts der direkte Blick von allen Zimmern und Suiten sowie den zwei Restaurants und Bars auf das Matterhorn sein. Geplant sind ferner eine grosse Aussenterrasse sowie ein Raum für «Private Dining». Eine weitere Attraktion ist der direkte Zugang zur Piste via «Ski-in/Ski-out»-Chalet sowie ein luxuriöses Spa mit Innen-/ Aussenpools und Fitnessraum. «Wir freuen uns sehr, diesen Meilenstein mit Mario Julen zu unterzeichnen, der eine fantastische Vision für das Projekt hat, welche sich ideal mit unseren Vorstellungen deckt», betont Satya Anand, President Marriott International Europe, Middle East & Africa.

Die Investitionssumme für The Ritz-Carlton, Zermatt liegt bei über 200 Mio. Franken.

[01] Mario Julen, der Bergler, Hotelier und Visionär.

[02] Mario Julen mit seinen Partnern bei der Vertragsunterzeichnung in Zermatt.

[03] Massageraum im Spa-Bereich des The Ritz-Carlton, Zermatt.

[04] Innenpool im geplanten The Ritz-Carlton, Zermatt.

[05–07] Das geplante The Ritz-Carlton Resort in Zermatt aus der Vogelperspektive.

[08] Mario Julen als Bergführer (Archivbild).

[09+10] Mario Julens Hotel «Zer Mama» in Zermatt. Das Lifestyle-Hotel wird von seiner Tochter Sandrine geführt.

Mario Julen holt die reichsten Leute aus aller Welt nach Zermatt, verkauft ihnen Luxusimmobilien und wird dabei selbst reich …

Diese Leute haben den Weg nach Zermatt selbst gefunden. Ich habe nie aktiv in Tel Aviv oder New York für meine Immobiliengeschäfte geworben. Diese reichen Leute waren in Zermatt und hatten das Bedürfnis, exklusive Immobilien zu erwerben. Zermatt hatte vor einigen Jahren eine Lücke im Luxussegment. Es mangelte an qualitativ hochstehenden Wohnimmobilien, vor allem im ChaletBereich.

In der Hotellerie ist und war das ganz anders.

Richtig. Wir haben in Zermatt eine vielfältige und qualitativ hochstehende Hotellerie. Es gibt hier über 120 Hotels, die meisten sind Familienbetriebe. Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt man.

So ist es. Deshalb glaube ich auch nicht, dass unser geplantes RitzCarlton Hotel den anderen Hoteliers in Zermatt weh tun wird.

Das geplante Ritz-Carlton wird auf Boden von Mario Julen gebaut.

Nichts ist beständiger als Boden, hat schon Kaspar Stockalper im 17. Jahrhundert gesagt. Ich habe in den letzten über dreissig Jahren jeden Franken in Boden investiert.

Wie sind Sie denn vor dreissig oder mehr Jahren zu diesem Geld gekommen?

Ich durfte als 22Jähriger ein kleines Restaurant der Familie pachten. Vier Jahre später habe ich meinen ersten Betrieb selber gezeichnet und gebaut. Die Hexenbar. Als 30Jähriger habe ich dann eine alte Bäckerei an der Bahnhofstrasse gekauft und das heutige Grampi’s und Mamacita umgesetzt. Ich habe nie luxuriös gelebt, sondern hart gearbeitet.

Sie sind also kein Spekulant oder Financier, der an den Finanzmärkten Millionen verdient …

… interessiert mich nicht. Was mich interessiert, sind digitale Zahlungsmittel wie Krypto. Das ist Zukunft! Da will ich mich engagieren.

Sie gelten als ehrgeiziger Mensch, der stets neue Herausforderungen sucht und ab und zu auch mal ans Limit geht.

Ich mag Herausforderungen! Wenn alle sagen, das geht gar nicht, interessiert es mich erst recht. Ich suche die Nische, nicht das Normale oder Kopierbare. «7 heavens» ist ein gutes Beispiel – oder eben das geplante RitzCarlton, Zermatt.

Heute sind Sie vor allem Unternehmer. Ihre Familienholding umfasst Hotels, Restaurants, Häuser und Wohnungen. Was tut diese Holding sonst noch?

Wir investieren in die Landwirtschaft, in Schulen, in soziale Werke – vor allem alternative Schulmodelle interessieren mich sehr.

Beispiele?

Nach dem Erdbeben im Jahr 2015 haben wir in Nepal mitgeholfen, Schulen aufzubauen. Daneben investiere ich in digitale Projekte, zum Beispiel in «Hazu», das ist eine intuitive CloudPlattform, welche die besten Funktionen von unzähligen Programmen vereint und verschmelzen lässt. Genial!

Sie investieren gleichzeitig in digitale Projekte und in die Landwirtschaft. Wie kommt das?

Wir brauchen beides! Wir sprechen von der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und gleichzeitig von der Digitalisierung. Man könnte denken, das seien zwei komplett verschiedene Welten. Doch das eine schliesst das andere nicht aus. Ich will beides unterstützen, Landwirtschaft und digitale Welt.

Woher kommt Ihre starke Beziehung zur Landwirtschaft, abgesehen von der Tatsache, dass Ihre Vorfahren einfache Bergbauern waren?

Die Landwirtschaft hat mich schon als Kind geprägt. Im Alter von 8, 9 und 10 Jahren musste ich in den Sommermonaten auf einem Bauernhof im Goms hart arbeiten. Da gab es nur kaltes Wasser, keine Dusche. Plumpsklo neben dem Hühnerstall. Melken, misten, Butter und Käse machen, Konfitüren in Gläser abfüllen. Für mich war das die Höchststrafe. Rückblickend muss ich sagen: Es war das grösste Geschenk. Den ganzen Tag hart arbeiten, am Abend todmüde und zufrieden auf der Ofenbank sitzen, über das Leben sinnieren

– und man ist glücklich. Dass ich das als Bub noch erleben durfte, war ein riesiger Glücksfall. Heute weiss ich: Es braucht ganz wenig, um glücklich zu sein. Je weniger, desto besser.

Und das sagt einer, der in Zermatt ein Luxusresort über 200 Millionen Franken finanzieren will. Nochmals: Was ist Luxus für Mario Julen?

Zeit haben, lesen, spannende Menschen kennenlernen. Nein zu sagen, wenn mir etwas nicht passt.

Und Luxus in der Hotellerie?

Der Gast soll stressfrei leben können. Es geht um Natur, Nachhaltigkeit, Erlebnisse, es geht um den Einklang von Geist und Körper. Materielle Dinge sind zweitrangig und werden in der Luxushotellerie vorausgesetzt.

Welche Bedeutung haben denn materielle Dinge wie Design, Mobiliar, Lampen, Textilien?

Solche Dinge setze ich voraus. Klar, das Hotel muss gewissen Standards genügen. Das Zimmer muss sauber und komfortabel sein, irgendwo steht ein Fernseher, es gibt vielleicht eine Regendusche – alles wunderbar. Vielleicht braucht man solche Dinge, vielleicht auch nicht. Die Frage ist vielmehr: Was ist in Zukunft matchentscheidend?

Und wie lautet die Antwort?

Der Gast ist Partner des Hotels, nicht nur zahlender Kunde. Wir bieten ihm ein natürliches, authentisches Umfeld, wo er seine ganz persönliche Geschichte erleben darf. Alles im Hotel sollte nachhaltig und nachvollziehbar sein. Wir führen den Gast hinaus in die Natur, vermitteln ihm einzigartige Erlebnisse in der Landwirtschaft, bei den Tieren auf dem Hof, wir begleiten ihn beim Sport in den Bergen … Kurz und gut: Alles, was wir tun, sollte im Einklang mit der Natur sein.

Sie sprechen wie ein Vertreter des WWF.

Warum fliegen wir Bananen um die halbe Welt? Woher kommt unsere Nahrung? Warum konsumieren wir im Januar Erdbeeren, die nicht schmecken? Es soll nicht immer alles erhältlich sein! Wir sollten uns wieder auf gewisse Dinge freuen können. Das nenne ich Luxus.

08

Sie haben nun die Absicht, in Zermatt das erste Ritz-Carlton Hotel in den Alpen zu realisieren. The Ritz-Carlton ist eine Marke von Marriott International. Marriott International verfügt über ein Portfolio von über 7600 Hotels. Sie setzen auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Individualität, kooperieren jetzt aber mit einer «globalen» Hotelmarke. Existiert da nicht ein gewisser Widerspruch?

Gute Frage, denn genau darin sehe ich die grosse Herausforderung. Ich hatte dreizehn renommierte Hotelmarken zur Auswahl, darunter Four Seasons Hotels & Resorts, Mandarin Oriental, Aman Resorts, Rosewood und viele andere. Sie alle haben sich bei mir präsentiert – nicht ich bei ihnen. Ich durfte also auswählen.

Am Anfang wollten Sie Ihr Projekt mit Aman Resorts realisieren. Aman verkörpert eine ähnlich nachhaltige Philosophie und Strategie wie Sie. Warum haben Sie sich nicht für diese weltweit erfolgreiche Marke entschieden?

Ich bin ein totaler Fan von Aman. Ich halte noch heute enorm viel von AmanGründer Adrian Zecha. Der Mann ist ein Visionär, er hat die Luxushotellerie völlig neu definiert, ich habe viel von ihm gelernt. ➤

Über Mario Julen

Mario Julen ist Alpinist, zertifizierter IVBV-Bergführer, Helikopterpilot und erfolgreicher Hotelier. Der gebürtige Zermatter steht kurz vor der Vollendung der legendären «seven summits» und war Teil von Expeditionen an den Süd- und Nordpol. Sein persönliches Engagement und seine Energie sind in allem, was er tut, spürbar. Mit seiner eigenen Immobilienentwicklungsgesellschaft Matterhorn Peak AG hat er einige der aussergewöhnlichsten regionalen Immobilienprojekte im Luxussegment entwickelt wie z.B. «7 heavens» und «Hotel Zer Mama» (geführt von seiner Tochter Sandrine) oder sein neuestes Projekt, das The Ritz-Carlton, Zermatt. Seine Leidenschaft und sein Herz gehören ganz dem Dorf. Entsprechend hat er bei allen Entscheidungen dessen langfristige und nachhaltige Entwicklung im Auge.

09

«Eigentlich geht es mir immer um drei Dinge: Philosophie, Geschichte und Erlebnis»

MARIO JULEN

10

Was also spricht gegen Aman Resorts?

Der heutige Inhaber, ein russischer Investor. Wir hatten völlig unterschiedliche Ansichten.

Sie haben sich dann für «The RitzCarlton» entschieden und einen Managementvertrag unterzeichnet. Warum?

Das Hauptrisiko trage ich, nicht Marriott International. Ich bin der Investor und Eigentümer, die Leute von RitzCarlton sind die Betreiber oder Manager des Hotels. Sie sind meine Partner.

Worin liegen die Vorteile dieser Partnerschaft mit der Marke The Ritz-Carlton?

Als ich mich für RitzCarlton entschieden hatte, wurde gerade der 100. Todestag von Cäsar Ritz gefeiert. Noch heute verkörpert RitzCarlton eine Servicephilosophie, die auf Cäsar Ritz zurückzuführen ist. Warum nicht «The RitzCarlton 4.0», Motto «New Generation»?

Was aber bietet Ihnen die Marke The Ritz-Carlton konkret, warum diese Marke?

Alle Hotelgruppen, die sich bei mir präsentiert haben, sind top. Sie können fast alles. Sie bieten ihren Gästen edlen Champagner, Kaviar und vergoldete Armaturen im Badezimmer. Aber darum geht es mir nicht.

Worum geht es Ihnen dann?

Es geht mir, wie bereits vorhin erwähnt, um eine neue Philosophie der Luxushotellerie. Ich muss sagen: Die Leute von RitzCarlton, mit denen ich intensive Gespräche führte, haben mich voll verstanden. Sie haben sofort erkannt, dass wir als Partner eine einmalige Chance haben, in Zermatt etwas völlig Neues zu entwickeln. Ein in der Schweiz und sogar in Europa einzigartiges Hotelprojekt. Eine Geschichte, die nachhaltig und erst noch im Trend ist. Am Ende der Gespräche entstand eine tolle Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen RitzCarlton und mir. Es macht allen Spass!

Gestatten Sie die Bemerkung, dass Marriott International ein globaler Hotelkonzern ist, der trotz Covid-Krise auf starkes Wachstum und Ertragsoptimierung setzt.

Das Hotel in Zermatt wird erst das zweite Haus von RitzCarlton in der Schweiz sein. Obwohl Marriott International ein globales Unternehmen ist, habe ich für dieses Projekt sehr eng mit lokalen Teams zusammengearbeitet.

Apropos Luxushotellerie: Auf Ihren Reisen in Bhutan haben Sie auch alle Aman Resorts besucht.

Das Resort ist mit einfachen Materialien aus dem eigenen Land gebaut. Da gibt es keinen Marmor aus Italien und solche Dinge. Und genau das hat mich fasziniert. Auch mir geht es darum, mit Materialien

aus der Region ein authentisches Resort zu bauen. Eigentlich geht es mir immer um drei Dinge: Philosophie, Geschichte und Erlebnis. Ein Hotel kann ja nicht über ein paar Zimmer und vergoldete Armaturen im Bad definiert werden!

Sprechen wir von den Investitionskosten für The Ritz-Carlton, Zermatt.

Diese liegen bei über 200 Millionen Franken.

Wie finanzieren Sie diese Viertelmilliarde?

Ich möchte nicht zu sehr in die Details gehen, aber ich werde nächstens eine Partnerschaft eingehen. Mein grösster Wunsch wäre es, über Blockchain eine «Crowd»Lösung zu schaffen, so dass das Hotel am Ende vielen Menschen gehört. Natürlich steckt das alles noch in den Kinderschuhen, aber eines Tages wird das Wirklichkeit sein, auch wenn sich das meine Generation kaum vorstellen kann.

Wir sprechen jetzt über Zukunft und Visionen …

… schauen Sie, ich möchte Fans haben im Hotel, die sich auch beteiligen können. Auch die Mitarbeitenden sollen sich am Hotel beteiligen können. Wenn wir schon von Visionen sprechen: Warum soll nicht das Volk grösster Eigentümer des Hotels sein? Reiche Menschen, die ihren Besitz und ihre Hotels als StatusSymbole sehen, gibt es genug.

Sie sehen sich also nicht als Hotelmäzen, so wie Schmidheiny oder Schwarzenbach?

In keiner Weise. Mäzenatentum interessiert mich nicht. Verstehen Sie mich aber richtig: Ich habe nichts gegen die erwähnten Herren. Ich zeige ihnen gerne mal den Bauernhof und die wunderbare Natur hier oben.

Den meisten Milliardären, die nebenbei Hotels besitzen, geht es nur um Profit, Gewinnoptimierung und Prestige. Dann gibt es noch einige, die ihre Hotels als Hobby sehen. Sie können es sich leisten, dass ihr Hotel hohe Verluste schreibt. Solche Hotels verfälschen das Bild der Branche.

Aber es gibt auch Luxushotelbesitzer wie Andrea Scherz in Gstaad oder die Familie DietrichKienberger in Sils-Maria.

Richtig. Sie müssen jeden Rappen selbst erwirtschaften. Sie arbeiten hart und tragen das volle Risiko.

Sie haben vorhin von einem Partner gesprochen, der sich am The RitzCarlton, Zermatt beteiligen will. Ich gehe davon aus, dass es sich nicht um einen reichen Mäzen handelt.

Von Mäzenatentum kann keine Rede sein! Ich führe derzeit Gespräche mit einem möglichen Partner, der weltweit viele gute Hotels besitzt. Ich kann nur sagen: Die Chemie stimmt.

Zurück zur Person Mario Julen. Sie sind ein empathischer, visionärer und philosophischer Mensch. Sie sind leidenschaftlich, engagiert, innovativ, ab und zu sogar etwas verrückt (ich meine das positiv!). Sind Sie glücklich und zufrieden mit Ihrem Leben?

Wie kann ich mich glücklich fühlen? Diese Frage beschäftigt mich schon lange. Ja, was ist Glück? Was ist Zufriedenheit?

Das tönt bescheiden, ja fast demütig.

Natürlich habe ich auch exzessiv gelebt und teure Reisen in aller Welt gemacht. Das hat eine Menge Geld gekostet.

Was war denn der Sinn dieser Reisen um den Globus?

Ich wollte die Menschen verstehen, fremde Kulturen und Länder kennenlernen. Die Schweiz ist eine Insel, und in Zermatt leben wir etwas isoliert und abseits der grossen Entwicklungen, welche die Menschheit beschäftigen. Wir haben zwar das Gefühl, dass sich alles um unser Land oder Dorf dreht. Das ist eine Illusion.

Auf Ihren Reisen durch die Welt wurden Sie auch mit der Armut oder dem Elend vieler Menschen konfrontiert.

Ich habe das aber nie gesucht. Ich war stets auf der Suche nach dem Guten. Und ich sage Ihnen: Ich habe noch nie so viele glückliche Menschen gesehen wie im westafrikanischen Mali oder in den kleinen Dörfern in Indien. Strahlende, lachende Gesichter. Diese Menschen sind arm, aber glücklich.

Ihre Antwort?

Ich kann Ihnen sagen: Glück und Zufriedenheit haben nur am Rande mit Geld und monetären Dingen zu tun.

Was bedeutet Ihnen Geld?

Es ist Mittel zum Zweck. Doch ich hatte Lebensphasen, wo Geld für mich eminent wichtig war. Würde ich das Gegenteil behaupten, wäre das überheblich. Heute ist es anders: Ich brauche zwar grosse Mengen Geld, aber im Grunde genommen ist es ja nur bedrucktes Papier. Mehr nicht.

Ihnen geht es also nie um die Vermehrung des Geldes.

Das ist und war nie mein Ziel.

Trotzdem verfügen Sie jetzt über finanzielle Mittel, die es Ihnen ermöglichen, Projekte wie The Ritz-Carlton, Zermatt zu verwirklichen.

Ich habe aber nie ein Leben im Überfluss geführt. Bitte glauben Sie mir das! Es war bisher ein permanenter Kampf und der Glaube an eine Philosophie.

Schönes Schlusswort. Mario Julen,

vielen Dank für das Gespräch. 

«Glück und Zufriedenheit haben nur am Rande mit Geld und monetären Dingen zu tun»

MARIO JULEN