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Ruben Sprich: Bis zu 35 Eier für ein Kilogramm Tajarin

Bärn-Persönlichkeiten

Bis zu 35 Eier für ein Kilogramm Tajarin

Thoams Bornhauser Ruben Sprich, Stefan Wermuth

Man ist verblüfft: Da stellt sich einer der besten Pressefotografen der Schweiz plötzlich als Meister in einer ganz anderen Kategorie heraus, nämlich als Maestro der Tajarin, einer Teigwarenspezialität, wie sie vor allem im Piemont zelebriert wird, zusammen mit den klitzekleinen Agnolotti al Pin, auch als Raviolini bekannt. Wir haben Ruben Sprich in seiner Küche besucht.

Rückblick: Über viele Jahre hinweg hat der Schreibende jährlich mit Freunden ein verlängertes Wochenende im Piemont verbracht. Erste Station der gastronomischen und önologischen Ausflüge war zwingend das Ristorante Antica Torre in Barbaresco. Pflicht als Vorspeise: Tajarin al Ragu, dann und wann sogar zweimal nacheinander, weil derart fein. Nach dem Zmittag ging die Reise nach Neive weiter, zu GrappaPapst Romano Levi (aber das wiederum ist eine ganz andere Geschichte).

«Ich stelle Tajarin her…»

Szenenwechsel: Während meiner Berufszeit hatte ich mit unzähligen Journis (der Ausdruck schliesst alle Gender ein) zu tun, bei Beat Hurni von der Berner Zeitung angefangen über Peter Keller von der NZZ bis hin zu den Herren Gasche oder Schmezer vom Kassensturz. Das war auch bei Fotografen der Fall: Edi Rieben, Hansueli Trachsel, Marcus Gyger oder Ruben Sprich hiessen oder heissen sie. Und just diesen Ruben Sprich habe ich kürzlich und zufällig getroffen, zum ersten Mal seit wohl 10 Jahren. Der übliche Smalltalk zu Beginn: «Was machsch so?» Als Rentner ist man mit der Aufzählung seiner Aktivitäten vergleichsweise rasch durch, bei Berufstätigen sieht das etwas anders aus.

Nun müssen Sie wissen: Ich kannte Ruben Sprich bisher nur als grossartigen Fotografen (siehe auch Kästchen), sodass mich sein «Ich stelle seit Kurzem auch Tajarin her» fast ein bisschen überforderte. Um Ihnen, liebe Lesende, die beiden Welten des Ruben Sprich anschaulich zu dokumentieren, zeigt Ihnen der Fotograf Ruben Sprich einige seiner Aufnahmen schwarzweiss, der Teigwaren-Spezialist, sein zweites Standbein, in Farbe.

Der Hammerschlag

Die Gretchenfrage gleich zu Beginn unseres Gesprächs in der Prairie, einem ganz speziellen Haus unmittelbar neben der Dreifaltigkeitskirche in Bern gelegen: «Wie kommen Sie auf die Idee, Tajarin zu produzieren?» Die Sache hat mit der Familie zu tun. Die Schwiegereltern von Ruben Sprich kennen in Monforte d’Alba im Piemont die Osteria dei Càtari, die hervorragende Tajarin auftischt. Als Ruben Sprich einmal dort tafelt, fragt er den Chef, wie man denn diese Spezialität herstellt. Er bekommt es gezeigt. Und stellt sich insgeheim die Frage, ob er das nicht auch könne – sozusagen als Ausgleich zum stres-

sigen Job als Fotograf. Kommt hinzu, dass Rubens Frau mit ihrem Bruder die Weinhandlung Tredicipercento mit italienischen Spezialitäten an der Berner Rathausgasse führt, also ein idealer Ort, um Tajarin anzubieten.

Mit 50 dann der Hammerschlag: Aus Kostengründen stellt Reuters seinen Schweiz-Chef frei. Es folgen Monate des Zweifels. «Machen Sie doch das, was Ihnen Spass macht», bekommt Ruben Sprich von einer Fachperson beim RAV zu hören. Er befolgt ihren Rat und baut sich nach und nach sein zweites Standbein auf, nebst seinem Beruf als jetzt freier Fotograf.

VW Golf und Ferrari

Über einige Zwischenstationen und Umwege bekommt er während der Pandemie den Tipp, dass es die Möglichkeit gibt, in der Prairie eine von mehreren Küchen mitzubenutzen.

Er stellt den Kontakt mit Pfarrer Christian Schaller her, der von der Idee begeistert ist und Ruben Sprich ermuntert, seine Spezialitäten in der Liegenschaft herzustellen. Gesagt, getan. Heute macht sich Ruben Sprich mehrmals in der Woche daran, Teigwaren zu produzieren.

Ich erkundige mich nach dem Unterschied von Spaghetti und Tajarin. Die Frage lässt sich in ungefähr mit dem Unterschied zwischen einem VW Golf und einem Ferrari vergleichen. Spaghetti entstehen aus Weizen-, allenfalls aus Dinkelmehl und Wasser. Bei den Tajarin sind es Hartweizendunst und Eigelb, praktisch im Verhältnis 1:1. Heisst: Für ein Kilogramm Tajarin aus dem Hause Sprich benötigt man je ein halbes Kilo Hartweizendunst und… bis zu 35 Eigelb. Allein schon dieser Umstand erklärt, weshalb seine Tajarin bei keinem Discounter zu finden sind. Übrigens: Die Berner Freilandeier kommen von Hansruedi Lauper – «einem Kranzschwinger» – aus Gasel bei Bern, der Hartweizendunst von der Bio-Mühle Steiner in Zollbrück.

Der Rat eines Sterne-Kochs

Ruben Sprich stellt jedoch nicht bloss Tajarin her, sondern auch Tagliatelle, Raviollini und Plin. Details dazu – auch was ihre Zubereitung anbelangt – sind auf seiner Homepage zu finden. Das Erstaunlichste bei den Tajarin: Alle Teigwaren von Ruben Sprich werden schockgefroren, bei 40 Grad minus. Weshalb das? «Ich habe sie zu Beginn als Frischware angeboten. Das Risiko, dass sie dann aber bei zu geringer Nachfrage zu Food-Waste mutierten,

war mir zu gross, deshalb das schockfrieren. Sie büssen nichts an Qualität ein, wenn richtig zubereitet, heisst: direkt ins heisse Wasser.» Tauen sie auf, werden sie matschig, nicht im Sinne des Erfinders, resp. des Produzenten. Und auch nicht der Kundschaft. Apropos Kundschaft: Wem verkauft Ruben Sprich seine Spezialitäten? Die Weinhandlung Tredicipercento wurde bereits erwähnt, hinzu kommen Private und Küchenchefs. Mit Traiteurs ist er im Gespräch. Corona hat in den letzten zwei Jahren viele Gespräche verunmöglicht, nicht zuletzt mit Gastronomen.

Lustig auch ein Intermezzo, wie er die Qualtität seiner Tajarin halten oder sogar noch steigern kann. «Ein Sternekoch hat mir einmal geraten, das Salz nicht einfach zur Masse beizugeben, sondern dieses ins Eigelb zu mischen. Die gelbe Farbe wird dann noch intensiver.»

Und wie geht es mit seiner kleinen, aber feinen Manufaktur weiter? «Wenn sich alles um die Gastronomie normalisiert, werde ich vermutlich vergrössern müssen, das liegt in der Prärie aber nicht drin. Also suche ich in Bern nach einer anderen Produktionsfläche, einer… bezahlbaren.»

Zum Schluss komme ich wieder mit dem Fotografen Ruben Sprich ins Gespräch, der Kreis schliesst sich. Welche Momente kommen ihm bei seinen Reportagen kreuz und quer durch die Welt in den Sinn. Spontan sagt er, «Die Wahl von Elisabeth Kopp in den Bundesrat – und ihr Rücktritt.» Weiter erzählt er von Fotoaufnahmen bei Olympischen Spielen oder Fussballweltmeisterschaften. Von 9/11, als er zur Berichterstattung mit der ersten Swissair-Maschine nach New York geflogen ist. Und als er einmal mit verbundenen Augen von Katar aus auf einen US-Flugzeugträger geflogen wurde, von wo aus Marschflugkörper nach Afghanistan abgefeuert wurden. Prägende Momente. Man merkt es ihm an: In der Prairie fühlt er sich definitiv wohler.

Tajarin al Ragu

Zutaten

• Olivenöl zum anbraten • 2 Knoblauchzehen • 2–3 Karotten fein geschnitten • 2–3 Stängel Stangensellerie fein geschnitten • 1–2 Zwiebeln oder 3–4 Schalotten • 1 kg Kalbsbraten in feine Würfel geschnitten • 1 kg Schweinebraten in feine Würfel geschnitten • Rosmarin • Salbei • Thymian • 1 Flasche trockenen Weisswein • 4 frische Tomaten geschält, entkernt und in Würfel geschnitten oder 1 Flasche Flaschentomaten • Salz und Pfeffer • 500 g frische Tajarin/Tagliatelle/Gnocchi

Ein paar Karotten und 2–3 Stängel Stangensellerie fein schneiden. 1 Zwiebel oder Schalotte fein schneiden und zusammen mit zwei Knoblauchzehen in Olivenöl 20–30 Minuten dünsten. Rausnehmen und beiseitestellen. Die Fleischwürfel in Olivenöl und Knoblauch anbraten. Das Gemüse, die Tomaten und Salbei, Thymian und Rosmarin beigeben, mit trockenem Weisswein ablöschen und auf kleiner Flamme einkochen lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Schmeckt am besten am nächsten Tag.

Reichlich gesalzenes Wasser zum Kochen bringen und Tajarin ca. 1,5–2 Minuten al dente ziehen lassen. Die Tajarin auf vorgewärmte Teller geben, Ragu dazugeben und sofort servieren. Die Resten können sehr gut ein paar Tage im Kühlschrank bleiben oder in Portionen vakumiert und tiefgefroren werden.

Zur Person

Ruben Sprich

1967 in Bern geboren, vierjährige Fotografenlehre, danach Fotograf bei der Associated Press AP Zürich/Bern. 1990 wird er Contract Fotograf bei Reuters in Bern, von 1998 bis 2017 Chief Photographer Reuters Schweiz und Liechtenstein. Seit 2017 freier Fotograf/Fotojournalist für verschiedene Auftraggeber aus Behörden und Privatwirtschaft.

Ruben Sprich wohnt in Bern, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Nebst seinen beiden Tätigkeiten ist er auch sozial engagiert, unter anderem als Fahrer für Betagte, behinderte Kinder und Erwachsene bei der Betradi AG.

Kontakt: Hardeggerstrasse 9, 3008 Bern, info@tajarin.ch, Tel. 079 651 68 26

www.tajarin.ch

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