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Freibad Marzili: An Spitzentagen bis zu 15000 Leute auf 51000m2 Rasen
Outdoor
An Spitzentagen bis zu 15000 Leute auf 51000 m2 Rasen
Thomas Bornhauser Thomas Bornhauser, zvg



10.42 Uhr. Es ist kalt an diesem Vormittag des 4. April, als es darum geht, über die Vorbereitungsarbeiten für die Sommersaison 2022 im Marzili zu berichten. Luft: 3 Grad, Aare 5,6 Grad, Bise inklusive. Wir haben uns an diesem Frühlingsmorgen (Frühlingsmorgen?) mit Beat Wüthrich unterhalten, Chef Freibad Marzili und Lorraine-Bad.

Das Marzili: In den 60ern legendäres Freibad weit über die Grenzen der Stadt Bern hinaus. Grund war nicht die einzigartige Lage unterhalb und mit Blick auf das federale Palais, sondern der Umstand, dass sich viele vornehmliche junge Frauen die Freiheit ausnahmen, sich oben ohne zu zeigen. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Wirklich? Dann und wann muss man(n) nämlich die Polizei informieren, auf der Monbijoubrücke stünden gewisse «Glüschteler» mit Feldstechern bewaffnet, die hinunter ins Frauenbad – ins Paradiesli – schauen, wo «blutt gsünnelet» wird…
Echt oder Fälschung?

An einem Tor beim Haupteingang zum Marzili, das Tor mit einem grossen Farbfoto der Anlage verschönert, hängt ein ungewöhnlicher Zettel (siehe Bild links). Da wird also jemand gesucht, der/die eine Dior-Tasche liegen gelassen hat. So öppis… Ganz abgesehen davon, dass sich damit ein ungewöhnliches Foto schiessen lässt, weil es das Marzili bei sommerlichen 24 Grad Lufttemperatur zeigt: Was ist jetzt mit dieser Tasche?
Die angegebene Nummer wird angerufen, sie gehört Michael von Gunten vom Unterhaltsdienst Marzili. Er, der im Marzili wohnt, erklärt sich: Die Dior-Tasche habe er
Grosses Bild:
Cool!
Kleines Bild oben:
Begehrte Schattenplätze.
Kleines Bild unten:
Eingangstor mit der Meldung zur Dior-Tasche.


«vor einigen Wochen schon» auf einem Bänkli gefunden, und deshalb den Zettel in der Nähe des Fundorts angeklebt. «Nein», es habe sich «bis jetzt» niemand gemeldet, das sei schon erstaunlich, schliesslich koste die «nigelnagelneue» Tasche – so seine Recherchen im Internet – «eine rechte Summe», immer unter der Voraussetzung, es handle sich um ein Original, was er selber aber bezweifle. Meldet sich nach wie vor niemand, geht die Tasche ins Fundbüro. Und wenn sie dann nach einem Jahr noch immer niemand vermisst, wird sich Michael von Guntens Tochter sicher daran erfreuen… Zurück aber zu den Vorbereitungen auf die Sommersaison. Diese begannen – kein Witz – am 1. April 2022, mit dem Stammteam von vier Festangestellten. Erste Arbeiten: Putzen, Reparieren – zum Beispiel Beckenumrandungen, Leitungen – Kabinen und Schränke instand stellen. Und von denen gibt es total ungefähr 850 Stück. Rechne…
7 Fussballfelder
«Die Anlage ist in die Jahre gekommen», sagt Beat Wüthrich, «es gibt aber Pläne für einen grösseren Umbau, das Projekt Ökoton, das voraussichtlich ab 2025 realisiert werden soll, so die Bevölkerung denn zustimmt.» Man sehe vor, die Arbeiten zu etappieren, damit die Besucher möglichst wenig Einschränkungen in Kauf nehmen müssen (siehe dazu auch Kästchen). 51000 m2 Rasenfläche umfasst das Marzili, vergleichbar mit 7 Fussballfeldern. Da gibt es allerhand zu tun, und das in Zusammenarbeit mit anderen Direktionen. «Das klappt bestens», sagt Wüthrich.
Apropos Gelassenheit: Das erfordert sein Job. Und Nachsicht. Und Humor. Aber auch Durchsetzungsvermögen. Bis zu 15000 Marziligänger an schönen Tagen, da gibt es verschiedene

Arten von Kostgängern vor dem Herrn. «Die allermeisten verhalten sich hochanständig, befolgen die Anordnungen.» Und was ist mit den anderen? Da gebe es Kommunikationsbedarf, sagt Beat Wüthrich, notfalls wird die Polizei hinzugerufen, «vor allem, wenn üble Drohungen gegen uns ausgestossen werden. Da ist fertig lustig.»
Neben den eigentlichen Marzili-Besuchenden gilt die Aufmerksamkeit auch den Aare-Schwimmenden und den Böötli, die in den letzten Jahren enorm zugenommen haben. Klar, das Marzili-Team ist nicht für jene Leute verantwortlich, «aber wenn jemand Hilfe benötigt und wir das merken, sind wir zur Stelle.» Mit wir meint Wüthrich die ungefähr 25 Leute, die in der Hochsaison das Team bilden. «Wir erfüllen die Vorgaben der Stadt bestens, Frauen und Männer, Menschen aus den verschiedensten Kulturen, die Teilzeit bei uns arbeiten.»
Zurück zu den Aare-Schwimmern: Je nach Jahreszeit schliesst das Marzili um 19, um 20 oder um 21 Uhr. Da gilt das Augenmerk auf zurückgelassene Gegenstände. Zeugen sie von Nachlässigkeit oder bedeuten
Grosses Bild:
Wo gibt es sonst eine solche Aussicht?
Kleines Bild oben:
Die Kabinen harren ihrer Reinigung…
Kleines Bild unten:
Ohne Worte.



sie, dass jemand in Gefahr, nicht zurückgekehrt ist? Immerhin gibt es jede Saison mehrere Todesfälle durch Ertrinken.
Staunen erlaubt
Man merkt während unseres Rundgangs, dass im Marzili ein echtes Team an der Arbeit ist, selbst wenn es sich um Mitarbeitende von auswärtigen Spezialfirmen handelt: Man grüsst sich, bespricht im Vorbeigehen das eine oder andere.
Ich will von Beat Wüthrich wissen, ob das Marzili ein Freibad bleiben soll – oder mit Eintrittspreisen die Stadtberner Finanzen entlasten soll? Seine Meinung ist abschliessend: Der «Marzer» soll ein Freibad bleiben, sonst verliert das Marzili seine Funktion als Treffpunkt aller Generationen, aller Kulturen. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
PS: Die Dior-Tasche wurde abgeholt.
Beat Wüthrich
Der Berner ist seit 10 Jahren Anlagechef Freibad Marzili/Lorraine. Gelernt hat er indes den Beruf des Metzgers, hat aber nicht lange auf dem Beruf gearbeitet. Während seines militärischen Werdegangs, auch bei der Luftwaffe – die schliesslich als Fachoffizier im Rang eines Hauptmanns endet – arbeitet er unter anderem bei der US-Botschaft in Bern im Securitydienst, auch 9/11. «Wölls mir eifach eso passt het», bewirbt er sich 2007 als Bademeister im Wyler, wo er fünf Jahre bleibt. Als die Stadt im «Marzer» 2012 wegen der Pensionierung des Anlagechefs einen Nachfolger sucht, bewirbt sich Beat Wüthrich erneut um den Posten. Und was macht er im Winter? «Da bin ich für die Kunsteisbahn Weyermannshaus verantwortlich.»
Zur Person



Geplante Sanierung
Das Siegerprojekt der Trachsel Zeltner Architekten AG aus Thun sieht vor, den Charakter des Marzilibads zu erhalten und die Anlage mit gezielten Eingriffen aufzuwerten. Die Grundidee des Projekts ist es, die baulichen Veränderungen entlang der Randbereiche des Areals anzuordnen und den Innenbereich als grosszügigen Park mit Liegewiese und Wasserbecken freizuhalten. Die Wasserbecken werden in ihrer Form belassen und an ihrer heutigen Lage umfassend saniert. Ein Nichtschwimmerbecken wird barrierefrei erschlossen, der Kinderplanschbereich wird an gleicher Stelle neu erstellt. Die Garderoben und Kabinenbauten erfahren eine behutsame Sanierung und werden nur punktuell angepasst. Ebenfalls bleiben der Frauenbereich «Paradiesli» und der Ruhebereich im Wesentlichen unverändert. Um die Beschattung der Liegeflächen zu verbessern, werden die bestehenden Baumgruppen der Liegewiese mehrheitlich erhalten und ergänzt.
Die sichtbarste Veränderung wird beim Hauptzugang umgesetzt. Das bestehende Eingangsgebäude wird zurückgebaut und durch ein neues, zweigeschossiges Gebäude in Holz ersetzt. Darin werden der Kassenbereich und das Restaurant mit Aussenterrasse untergebracht. Ganz im Sinne des kostenlosen Zugangs markiert jedoch kein Gebäude, sondern ein grosszügiger Freiraum mit Bäumen und Sitzgelegenheiten den Hauptzugang der Anlage. Dieser wird zwischen das neue Eingangsgebäude und die bestehende Bäckerei Fürst verschoben. Das Marzili erhält damit einen angemessenen Eingangsbereich mit Ausstrahlung ins Quartier. Zwei Nebeneingänge werden mit Buvetten aufgewertet.