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Pilzgarten: «Überall heds Pilzli draa»

Handwerk «Überall heds Pilzli draa»

Im Gegensatz zum Peach-WeberSong sind die Pilze im Bahnhofsgebäude von Trubschachen mehr als willkommen: Hier wird Myzel von einem Dutzend verschiedener Speise- und Heilpilze gezüchtet.

Pilze bilden neben den Tieren und Pflanzen das dritte grosse Reich der Lebewesen auf unserem Planeten. Sie sind zwar sesshaft wie Pflanzen, können jedoch keine Photosynthese betreiben. Nach heutiger Kenntnis sind Fungi sogar näher mit Tieren als mit Pflanzen verwandt. Als sogenannte Destruenten ernähren sich Pilze von totem, organischem Material. Die Mikorhyzza hingegen sind Pilze, die in Symbiose mit den Pflanzen leben. Sie machen Nährstoffe für Pflanzen verfügbar und beziehen im Gegenzug Nährstoffe von der Pflanze. In Urzeiten waren die Pilze die Wurzeln der Pflanzen, bis die Pflanzen dann anfingen dem Pilzgeflecht folgend Wurzeln zu bilden. «Ohne Pilze wäre ein Leben auf unserem Planeten nicht möglich, sie sind überall und in jeder Form wichtig», betont Philipp Schneider. Seit jeher ist Philipp Schneider von allen lebenden Organismen begeistert und versucht laufend, Zusam-

menhänge in der Natur zu erkennen. So verwundert es kaum, dass er sich zusammen mit seinem Bruder voll und ganz der Pilzzucht verschrieben hat. Angefangen hat damals alles mit einer Begegnung zwischen Philipp Schneider und Daniel Ambühl. Letzterer gründete die Firma Pilzgarten und baute sie während zwölf Jahren immer weiter aus. Da sich Daniel Ambühl aber eher auf die Forschung fokussieren wollte, suchte er nach jemandem, der seine Firma übernehmen könnte. Auf dem Balmeggberg in Trub, wo Philipp Schneider damals noch wohnte, kam es dann zu der Entscheidung, dass er zusammen mit seinem Bruder Fabian den Pilzgarten übernehmen wird.

Im ehemaligen Schalterraum des Bahnhofs Trubschachen fanden die beiden Brüder dann eine Räumlichkeit, in der sie Myzel – das sind die fadenförmigen Zellen des Pilzes – verschiedener Arten vermehren und in ihrem Onlineshop verkaufen können. Doch wie funktioniert das mit der Vermehrung von Pilzen? Die meisten Fungi vermehren sich überwiegend und ausschliesslich asexuell, also ungeschlechtlich. Pilzsporen sind plus- und minuspolig und wachsen als Faden, bis sie einen anderen Pol finden und mit diesem ein neues Mycel machen können, das dann in einem Geflecht wächst. Ausserdem können die meisten Pilze sich auch durch Fragmentierung der einzelnen Myzelien vermehren: Jeder Teil des Myzels ist in der Lage, sich als eigenständiger Organismus weiterzuentwickeln. Wem das alles etwas zu wissenschaftlich oder kompliziert war, im Pilzgarten werden verschiedenste Kurse angeboten, in denen Fabian Schneider Anfänger:innen in die Grundlagen zum Beimpfen, Durchwachsen, Pflanzen und Ernten sowie in einige wesentliche Punkte zum Verhalten der Pilze einführt. Wem dies alles nicht wissenschaftlich genug war, der fühlt sich wohl eher in den Laborkursen von Daniel Ambühl willkommen. Von ihm lernte

«Ohne Pilze wäre ein Leben auf unserem Planeten nicht möglich, sie sind überall und in jeder Form wichtig.»

damals auch Philipp Schneider die Grundlagen der Pilzzucht – und auch heute noch können die Brüder bei Fragen, die eher wissenschaftlich beantwortet werden müssen, auf die Hilfe und das Wissen von Daniel Ambühl zählen.

Pilzbeet oder Pilzrugel?

Im Gegensatz zum Gemüsebau ist die Pilzzucht auf Holzrugel oder in einem Pilzbeet einfach und arbeitsarm, aber trotzdem mit viel Ertrag verbunden. «Je nach Menge, die man anbaut, kommt man auf einen Kostenaufwand von 2.– bis 5.– Franken pro Kilo. Im Laden bezahlt man um die 25.– Franken pro Kilo und einige Sorten gibt es gar nicht zu kaufen», erklärt Philipp Schneider. Ist in Ihrem Garten noch ein schattiges Plätzchen frei, an dem sonst nichts wächst? Dann wäre ein Pilzbeet die perfekte Möglichkeit, diesen Schattenplatz zu einem fruchtbaren Stück Boden zu machen. Ausgerüstet mit einem Substratsack durchwachsen mit der gewünschten Pilzart, Holzschnitzeln aus Laubholz, Sägespänen und Abdeckmaterial kann das Projekt Pilzbeet angegangen werden. Je nach Witterungsbedingungen spriessen die ersten Pilze schon nach 6–8 Wochen. Damit das Vorhaben auch zu Hause gelingt, haben Philipp und Fabian Schneider einfache Stepby-Step-Anleitungen auf ihrer Webseite zum Download bereitgelegt.

Die zweite Option, zu Hause Pilze anzupflanzen, sind die Pilzhölzer – von Philipp auch Pilzrugel genannt. Dazu wird das Myzel der Pilze in einem Holzstamm angesiedelt, am besten eignen sich Harthölzer wie die Buche. Als Faustregel kann man sich am Brennwert orientieren: Je grösser der Brennwert, desto länger kann sich ein Pilz von diesem Holz ernähren und man hat mehr zu ernten. Bei Pilzgarten kann man entweder mit Myzel bewachsene Holzdübel zum selber einschlagen bestellen, oder man kauft sich gleich einen bereits durchwachsenen Stamm. Diese müssen dann nur noch an einem halbschattigen und windstillen Standort eingepflanzt werden. Nach 2–18 Monaten können die ersten eigenen Pilze geerntet werden, der Stamm fruchtet dann während bis zu vier Jahren immer wieder. Aber auch ohne Garten ist die eigene Zucht von Pilzen nicht unmöglich. Die Holzrugel können auch in einem grossen Blumentopf gepflanzt werden, den Untersatz benutzt man dann ganz einfach als Deckel.

Egal wie und wo die Pilze angepflanzt werden, man sollte diesen Standort gut im Blick haben und möglichst regelmässig dort vorbeigehen. Denn zum einen wachsen die Pilze sehr schnell und müssen dann rasch geerntet werden. Zum anderen gibt es auch andere Lebewesen wie Schnecken, die sich für die Pilze interessieren. «Schneckenkörner sind nicht zu empfehlen, da die Fruchtkörper das Gift auch aufnehmen. Abhilfe schafft ein Schneckenzaun oder Enten, denn diese putzigen Tiere haben Schnecken zum Fressen gern», weiss Philipp Schneider. In Innenräumen muss man schon etwas besser ausgerüstet sein, beispielsweise mit einem Zimmergewächshaus. Damit kann man die Feuchtigkeit, das Licht und den CO2-Gehalt steuern, um einer professionellen Speisepilzzucht am nächsten zu kommen.

Egal wie und wo die Pilze angepflanzt werden, man sollte diesen Standort gut im Blick haben und möglichst regelmässig dort vorbeigehen.

Shiitake, Rosenseitling & Co

Bei Pilzgarten werden insgesamt 12 verschiedene Sorten angeboten, die im Webshop bestellt und nach Wunsch auch vor Ort abgeholt werden können, sobald diese bereit sind. «Wir haben auch noch ein paar mehr, mit denen wir momentan Experimente durchführen, damit wir sie eventuell später auch produzieren und anbieten können», verrät uns Philipp Schneider. Momentan bieten sie als einzigen Heilpilz den sogenannten Reishi an. Während das Wissen über die gesundheitlichen Wirkungen dieses Pilzes bei uns in Vergessenheit geraten ist, blieb dieses in der traditionellen chinesischen Medizin erhalten und so kann noch heute von der immunstärkenden Wirkung des Reishi profitiert werden. Die restlichen Sorten wie Taubenblauer Seitling, Stockschwämmchen oder Nameko gehören alle zu den Speisepilzen. Produziert wird nur auf Bestellung, damit eine Überproduktion und damit eine Verschwendung von Ressourcen vermieden werden kann. Auch die Zucht von Pilzen auf Holz ist ökologisch gesehen sehr sinnvoll: «Es werden Lebensmittel auf natürlichen Rohstoffen produziert, die wir selber nicht verzehren beziehungsweise verdauen können. Das weissfaule Holz, welches am Schluss übrigbleibt, ist zudem Nährstoff für viele Käferarten, die dann ebenfalls als Proteinlieferanten genutzt werden können.»

Von Januar bis Ende Mai ist in Trubschachen Pilzsaison, denn der Frühling eignet sich als beste Zeit zum Beimpfen der Holzrugel. In der wärmeren Saison produzieren vor allem die Limonenseitlinge die Fruchtkörper. Diese Sorte gehört übrigens zu den Lieblingen von Philipp Schneider: «Ich mag die Frische des Limonenseitlings und den erdig, waldigen Geschmack der Stockschwämmchen.» Wer das ganze Jahr über Pilze ernten möchten, kann verschiedene Sorten miteinander kombinieren. Der Austernseitling kann ganzjährig geerntet werden, während der Limonenseitling von April bis Juli und der Samtfussrübling von Oktober bis November Saison hat. Für Anfänger:innen ist es aber ratsam, mit einer Pilzsorte zu beginnen und erst anschliessend weitere Arten hinzuzunehmen.

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