Beraterbrief Pflege Ausgabe Januar 2021/02

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Ausgabe Januar 2021/02 6. Jahrgang

Herausgeberin

Liebe Leserin, lieber Leser, langsam kommt das Jahr 2021 in Gang, wenn man vom Lockdown absieht. Die meisten Arztpraxen haben wieder geöffnet, Metzgereien und Bäcker ihre Betriebsruhe beendet. Obwohl unter uns gesagt nicht immer eine geplante Betriebsruhe der Grund für ein länger geschlossenes Lebensmittelgeschäft sein muss, manchmal war es auch eine vom Gesundheitsamt angeordnete Quarantäne – oder, wie mir der Metzger meines Vertrauens zuraunte: Wir sind positiv in das neue Jahr gestartet 😉 Das Statistische Bundesamt veröffentlicht alle zwei Jahre eine umfangreiche Pflegestatistik. Die für das Jahr 2019 wurde im Dezember letzten Jahres veröffentlicht. >>> Hier können Sie die Deutschlandergebnisse der Pflegestatistik 2019 downloaden Ich habe mir in den Pflegestatistiken ab dem Jahr 2009 die Entwicklung der Pflegebedürftigen angesehen, die Pflegesachleistungen und Kombinationsleistungen beziehen, und die Entwicklung der Mitarbeiter in ambulanten Pflegeeinrichtungen – ausgewiesen in sogenannten Vollzeitäquivalenten. Es wird Sie nicht überraschen: Seit 2009 sind beide Werte gestiegen. Die Zahl der Pflegebedürftigen, die die genannten Leistungen beziehen, erhöhte sich um 43,5 % von 464.465 im Jahr 2009 auf 666.597 im Jahr 2019. Die Zahl der Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste (in Vollzeitäquivalenten) erhöhte sich im selben Zeitraum um 63 % von 176.856 im Jahr 2009 auf 288.268 im Jahr 2019. Aber: In Hessen würde man sagen „Uffbasse!“ Obwohl es beim Blick auf die prozentuale Steigerung so aussieht, als müsste es für ambulante Pflegedienste ein Leichtes sein, die Erhöhung der Zahl der Pflegebedürftigen aufzufangen – so ist es keineswegs. Sehen wir uns nämlich die absoluten Zahlen an, nahmen im Jahr 2019 202.132 Pflegebedürftige mehr die Leistungen ambulanter Pflegedienste in Anspruch als im Jahr 2009. Demgegenüber standen im Jahr 2019 aber nur 111.412 mehr Mitarbeiter (in Vollzeitäquivalenten) in ambulanten Pflegediensten als im Jahr 2009 zur Verfügung. Positiv entwickelt hat sich gleichwohl das Verhältnis Anzahl Pflegebedürftige/Anzahl Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste (in Vollzeitäquivalenten), wie dieses Diagramm zeigt: So hat sich die Zahl Pflegebedürftige pro Mitarbeiter amb. Pflegedienst (VzÄ) von 2009 bis 2019 entwickelt 2009 2,63

2011

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Carmen P. Baake Diplom-Ökonomin (Volkswirtschaft), Sozialversicherungsexpertin, Fachautorin zu Themen rund um Pflege- und Krankenversicherung

Inhalt dieser Ausgabe Recht einfach Hessisches Landessozialgericht: Wann die Krankenkasse die Kosten für Blutzuckermessung abweichend vom Verzeichnis der verordnungsfähigen Maßnahmen übernehmen muss!..............2 Achtung: Korrektur der Covid-19-Sonderregelung zur Verwendung des im Jahr 2019 nicht verbrauchten Entlastungsbetrages!..........4 Was Sie diese Woche erledigen sollten Bieten Sie jetzt Beratungsgespräche per Telefon an!..............................................4

2,47 2,35

2,31

so viele Pflegebedürftige kommen auf ein Vollzeitäquivalent

Ob die Pläne des Gesetzgebers, ab dem 01.01.2021 bis zu 20.000 zusätzliche Pflegeassistenzstellen in der vollstationären Pflege zu fördern, diese positive Entwicklung in der ambulanten Pflege bremsen oder sogar umkehren, werden wir abwarten müssen. Ich befürchte es, lasse mich aber wie immer gern positiv überraschen 😉.

Ihre Frage kurz beantwortet Welchen zeitlichen Pflegeaufwand soll die Pflegeperson bei der Rund-um-dieUhr-Pflege angeben?..........5 Arbeitshilfe Fragebogen für Beratungsgespräche am Telefon..........8

Ihre Carmen P. Baake 1

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Hessisches Landessozialgericht: Wann die Krankenkasse die Kosten für Blutzuckermessung abweichend vom Verzeichnis der verordnungsfähigen Maßnahmen übernehmen muss! Beantragen Klienten bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme von Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V, prüft die Krankenkasse, ob die verordnete Behandlungspflege in der Anlage der Häusliche Krankenpflege-Richtlinien steht, in der die verordnungsfähigen Maßnahmen aufgelistet sind. Steht die verordnete Behandlungspflege dort nicht drin oder sind die dort benannten Indikationen nicht erfüllt, lehnen Krankenkassen die Kostenübernahme ab. Doch ist das immer rechtens? Nein, entschieden die Richter des Hessischen Landessozialgerichtes (LSG).

Urteil vom 28.02.2019, Az.: L 8 KR 443/17

Krankenkasse lehnt Kostenübernahme für Blutzuckermessung ab Im zugrunde liegenden Fall war der Kläger zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits verstorben. Seine Klage wurde von seinen Erben fortgeführt.

Der Ausgangsfall

Der behandelnde Arzt verordnete für den Zeitraum 01.07.2013 bis 31.12.2013 sowie 01.01.2014 bis 31.12.2014 für den Kläger als häusliche Krankenpflege 2 x täglich 7 x wöchentlich Insulininjektionen s.c., 2 x täglich 7 x wöchentlich Blutzuckermessung sowie 1 x wöchentlich das Richten von Medikamenten. Begründet wurde diese Verordnung u. a. mit dem Diabetes mellitus Typ 2 und der Neuropathie des Klägers und der fehlenden Ressourcen des Klägers und seiner im selben Haushalt lebenden Ehefrau, die verordneten Behandlungspflegen selbst zu übernehmen und diese zudem therapiekonform durchzuführen. Die Krankenkasse prüfte, ob die verordneten Behandlungspflegen den Vorgaben des o. g. Verzeichnisses entsprechen. Sie genehmigte für die genannten Zeiträume 2 x täglich 7 x wöchentlich Insulininjektion s.c. sowie 1 x wöchentlich das Richten der Medikamente. Eine Kostenübernahme für die Blutzuckermessung lehnte sie jedoch ab. Sie begründete ihre Ablehnung damit, dass Blutzuckermessung nur dann zu ihren Lasten verordnungsfähig sei, wenn es sich um eine Erst- oder Neueinstellung des Diabetes mellitus handle oder die Blutzuckermessung im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie erfolge. Beides sei beim Kläger nicht gegeben. Doch der Kläger wollte sich mit der Ablehnung nicht abfinden. Er legte gegen die ablehnenden Bescheide (erfolglos) Widerspruch ein und klagte schließlich vor dem Sozialgericht. Hier gewann er die Klage. Das Sozialgericht verurteilte die Krankenkasse in seinem speziellen Ausnahmefall die Blutzuckermessung zu bezahlen. Das wiederum wollte die Krankenkasse nicht akzeptieren und legte beim LSG Berufung ein.

Das LSG bestätigt die Sozialgerichtsentscheidung zugunsten des Klägers Das LSG verurteilt die Krankenkasse dazu, die Kosten der im Zeitraum 01.07.2013 bis 07.12.2014 durchgeführten Blutzuckermessungen in Höhe von 3.409,06 € zu übernehmen. Es schloss sich in der Urteilsbegründung im Wesentlichen der Begründung des Sozialgerichtes an. Dieses hatte zwar bestätigt, dass die beim Kläger verordnete Blutzuckermessung weder der Erst- oder Neueinstellung des Diabetes mellitus diene noch im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie erforderlich gewesen sei. (Anm.: Das war übrigens auch vom Kläger und seinen Erben nie behauptet worden.) Es wies aber auf einen wichtigen Punkt hin. Und zwar darauf, dass das Verzeichnis der verord-

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Die Entscheidung

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nungsfähigen Maßnahmen mit Vorbemerkungen beginnt, die folgende Passage enthalten: „Im folgenden Verzeichnis werden bei den verordnungsfähigen Maßnahmen soweit möglich Aussagen zur Dauer der Verordnung und zur Häufigkeit der Verrichtungen angegeben. Dies sind Empfehlungen für den Regelfall, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann. Abweichungen können insbesondere in Betracht kommen auf Grund von Art und Schwere des Krankheitsbildes, der individuellen Fähigkeiten und Aufnahmemöglichkeiten des Umfeldes. Insbesondere bei der Pflege von Kindern kann es erforderlich sein, die Maßnahmen schrittweise zu vermitteln und häufiger zu wiederholen.“ >>> Hier können Sie die aktuellen Häusliche Krankenpflege-Richtlinien inkl. o. g. Verzeichnis downloaden. Die Richter des LSG und zuvor die des Sozialgerichtes stellten übereinstimmend fest, dass im Fall des Klägers ein Ausnahmefall vorliege, der ein Abweichen von den im Verzeichnis für den Regelfall vorgesehen Empfehlungen rechtfertigt. Es habe sich – nach Stellungnahme des behandelnden Arztes – bei ihm nicht um eine routinemäßige Dauermessung gehandelt. Die Messung sei erforderlich gewesen, um die Einheiten des morgens und abends injizierten Mischinsulins therapiegerecht anzupassen. Ohne die Blutzuckermessungen habe im Fall des Klägers ein hohes Risiko der Fehldosierung des Insulins bestanden. In diesem Zusammenhang verwiesen die Richter darauf, dass das Bundessozialgericht bereits vor mehr als einem Jahrzehnt festgestellt hatte, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der für den Inhalt der Häusliche Krankenpflege-Richtlinien verantwortlich ist, überhaupt nicht dazu berechtigt ist, den im § 37 SGB V verbrieften Leistungsanspruch von Versicherten auf medizinisch notwendige Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege auf Maßnahmen zu begrenzen, die per GBA-Verzeichnis festgelegt werden. (Anm.: Das hatte dazu geführt, dass es nun die o. g. und die untenstehende Öffnungsklausel gibt.) Tipp: Nicht nur Abweichungen von den im Verzeichnis enthaltenen Empfehlungen zu Dauer und Häufigkeit sind möglich. Es können auch Maßnahmen als häusliche Krankenpflege verordnet werden, die überhaupt nicht im Verzeichnis stehen. Hierzu heißt es in § 1 Abs. 4 der HKPRichtlinie: „Die in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege sind grundsätzlich dem dieser Richtlinie als Anlage beigefügten Leistungsverzeichnis zu entnehmen. Dort nicht aufgeführte Maßnahmen sind grundsätzlich nicht als häusliche Krankenpflege verordnungs- und genehmigungsfähig. Nicht im Leistungsverzeichnis aufgeführte Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 SGB V sind in medizinisch zu begründenden Ausnahmefällen verordnungs- und genehmigungsfähig, wenn sie Bestandteil des von der Verordnerin oder dem Verordner erstellten Behandlungsplans sind, im Einzelfall erforderlich und wirtschaftlich sind und von geeigneten Pflegekräften erbracht werden sollen. Maßnahmen der ärztlichen Diagnostik und Therapie sind nicht als häusliche Krankenpflege verordnungsfähig und dürfen nicht von der Krankenkasse genehmigt werden.“

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Fazit: Wenn mit der ärztlichen Verordnung die im Verzeichnis benannten Maßnahmen in einer anderen Häufigkeit und Dauer als dort empfohlen verordnet werden oder Maßnahmen, die nicht in diesem Verzeichnis aufgeführt sind, verordnet werden, muss das immer extra medizinisch begründet werden. Lehnt die Krankenkasse die Kostenübernahme trotz Vorliegen der besonderen medizinischen Begründung pauschal mit Hinweis auf die für den Regelfall vorgesehen Empfehlungen zu Verordnungsdauer und Häufigkeit ganz oder teilweise ab, sollten Sie Ihren Klienten bei einem Widerspruch unterstützen. Verwenden Sie im Widerspruchsschreiben in diesem Fall einfach eines der obenstehenden Zitate und verweisen Sie darauf, dass der Arzt die Maßnahmen explizit begründet hat.

Achtung: Korrektur der Covid-19-Sonderregelung zur Verwendung des im Jahr 2019 nicht verbrauchten Entlastungsbetrages! In der letzten Ausgabe haben Sie eine Tabelle mit den Covid-19-Sonderregelungen erhalten, die auch nach dem 31.12.2020 weiter gelten. Dabei wurde u. a. darauf hingewiesen, dass ein im Jahr 2019 nicht verbrauchter Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI nur bis zum 31.12.2020 genutzt werden konnte. Das ist nicht korrekt! Ich bitte Sie, mir diesen Fehler zu verzeihen. Unverbrauchte Ansprüche auf den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI aus dem Jahr 2019 können bis 31.03.2021 verwendet werden. Die entsprechende Covid-19-Sonderregelung wurde ebenfalls verlängert.

Was Sie diese Woche erledigen sollten

Bieten Sie jetzt Beratungsgespräche per Telefon an! Die Covid-19-Sonderregelungen machen es möglich: (Vorerst) bis zum 31.03.2021 können Pflegeberaterinnen und Pflegeberater Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI per Videokonferenz, elektronisch oder per Telefon erbringen und abrechnen. Das ist besonders für die Klienten wichtig, die gegenüber der Pflegekasse im ersten Quartal einen Beratungseinsatz nachweisen müssen. Aber auch Ihre anderen Klienten, die in häuslicher Umgebung versorgt werden, können von diesen Beratungsgesprächen profitieren. Denn auch sie haben in der aktuellen Situation viele Fragen.

Rechtsgrundlage § 148 SGB XI

Wenige Senioren nutzen elektronische Lösungen Nach meiner Erfahrung fällt es der Mehrzahl pflegebedürftiger Senioren leichter, das Telefon zu nutzen als elektronische Lösungen wie z. B. Videokonferenz oder die Beratung per E-Mail. Wenn ich ehrlich bin, selbst ich habe mit Videokonferenzen so meine Probleme und die resultieren nicht nur aus der schwankenden Übertragungsrate via Internet 😉

Beratungsgespräch per Telefon besonders für Senioren geeignet

Nicht ohne Grund hatte Nobelpreisträger Bertrand Russell bereits im letzten Jahrhundert festgestellt: „Fortschritt bedeutet, dass wir unsere alten Sorgen gegen neue eintauschen.“ Bertrand Russell (1872 – 1970)

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Was Sie diese Woche erledigen sollten

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Im Vergleich dazu sind Beratungen per Telefon „Old-School“. Genau das macht diese Beratungsform aber zum idealen Kandidaten für die Beratung pflegebedürftiger Senioren. Sie müssen sich nicht erst mit der neuen Technik und deren Problemen befassen, sondern können für die Beratung ein Gerät nutzen, das sie in- und auswendig kennen. Das senkt die Zugangsschwelle für Sie als Pflegeberaterin oder Pflegeberater erheblich.

So erleichtern Sie sich das Telefonat Ebenso wie der Beratungsbesuch nach § 37 Abs. 3 SGB XI vor Ort dient auch das Beratungsgespräch am Telefon dazu, die Qualität der häuslichen Pflege zu prüfen und zu sichern. Dazu sind in den Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes zu Inhalt und Durchführung der Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI konkrete Inhalte vorgegeben. Damit Sie hier auf der sicheren Seite sind und im Telefonat an alles denken, können Sie für das Telefonat den Fragebogen nutzen, den Sie als Arbeitshilfe am Ende dieser Ausgabe finden.

Mit einem Fragebogen nichts vergessen

Nehmen Sie sich in dieser Woche eine Stunde Zeit und rufen Sie die Klienten an, die im ersten Quartal einen Beratungseinsatz gegenüber der Pflegekasse nachweisen müssen. Informieren Sie diese Klienten, dass Sie die Beratung auch telefonisch durchführen können und vereinbaren Sie einen Termin für die Beratung. Planen Sie pro Beratungstermin ca. 30 Minuten ein. Rufen Sie Ihren Klienten pünktlich zum vereinbarten Termin an. Fassen Sie die Ergebnisse des Beratungsgespräches nach dem Telefonat im Beratungsprotokoll zusammen. Senden Sie Ihrem Klienten dieses Protokoll und das Formular, in dem Sie die Durchführung des Beratungsgespräches bestätigen.

Ihre Frage kurz beantwortet

Welchen zeitlichen Pflegeaufwand soll die Pflegeperson bei der Rund-um-die-Uhr-Pflege angeben? Frage: Immer wieder gibt es Unklarheiten zur Angabe des Pflegeaufwands der Pflegepersonen im Rahmen der Begutachtung. Dazu habe ich folgende Fragen zur folgenden Pflegesituation: Eine Tochter pflegt ihre pflegebedürftigen Eltern „Rund-um-die-Uhr“. Die Mutter hat den Pflegegrad 3 und der Vater den Pflegegrad 4. Die Eltern beziehen das Pflegegeld. Der an Demenz erkrankte Vater benötigt auch nachts eine Betreuung, sodass die Tochter dort übernachtet. Beim Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbstätige Pflegepersonen und auch bei der Begutachtung beim MDK werden nach der Anzahl der Pflegetage und der Pflegestunden pro Woche gefragt. Die Begutachterin vom MDK hat der Tochter erklärt, dass es ausreicht, wenn 30 Stunden pro Woche Pflegezeit angegeben werden, da mehr Stunden sowieso nicht berücksichtigt werden. Dann würden ja schon 10 Stunden pro Woche ausreichen, oder? Wenn jetzt aber die Tochter sich die Pflege mit einer weiteren Pflegekraft teilt (Mehrfachpflege), werden doch die Pflegezeiten für die Berechnung berücksichtigt? Da diese Rund-um-Betreuung bei Demenz keinen Einzelfall darstellt, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir mitteilen könnten, wie sich eine Rund-um-Betreuung auf die Rentenbeiträge auswirkt und welche Stundenangabe sinnvoll wäre. 5

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Ihre Frage kurz beantwortet

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Antwort: Vielen Dank für Ihre Frage. Sie zeigt mir wieder einmal, wie unterschiedlich die Gutachter der Medizinischen Dienste die Erfassung der von Pflegepersonen geleisteten Zeiten handhaben 😉 Die Aussage mit den 30 Stunden lässt mich vermuten, dass die Gutachterin hier etwas durcheinanderbringt. Ihr „spukten“ bei dieser Aussage vermutlich die 30 Stunden pro Woche herum, die die Pflegeperson neben der Pflegetätigkeit arbeiten darf. Geht es um die Versicherungspflicht der Pflegeperson in der gesetzlichen Rentenversicherung, wäre es grundsätzlich ausreichend, wenn die Pflegeperson einen oder mehrere Pflegebedürftige mit jeweils mindestens Pflegegrad 2 in häuslicher Umgebung versorgt und dafür pro Woche insgesamt mindestens 10 Stunden aufwendet, die auf wenigstens zwei Tage pro Woche verteilt sind. Da haben Sie Recht. Wie hoch der Beitrag ist, den die Pflegekasse für die Pflegeperson an die Rentenversicherung zahlt, hängt ab n

vom Pflegegrad (2, 3, 4 oder 5), von der Leistung, die von der Pflegeversicherung bezogen wird (Pflegegeld, Kombinationsleistung, Pflegesachleistung) und n der Bezugsgröße (wird als sozialversicherungsrechtliche Rechengröße per Verordnung jährlich neu festgelegt). n

Ist also die für die Versicherungspflicht erforderliche Grenze erreicht, haben die darüber hinaus geleisteten Stunden keinen Einfluss auf die Beitragshöhe. Aber: Das zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Pflegeversicherung und der Bundesagentur für Arbeit abgestimmte Verfahren sieht vor, dass der tatsächliche Pflegeumfang zu ermitteln ist. Aufgabe des Gutachters ist es dabei, den tatsächlichen Pflegeaufwand zu erfragen, auf Plausibilität zu prüfen und im Gutachten zu erfassen. In den Begutachtungs-Richtlinien steht dazu: „Angaben zum Pflegeaufwand durch die antragstellende Person oder Pflegepersonen In der Tabelle sind die beteiligten Pflegepersonen namentlich zu erfassen, soweit möglich mit den Stammdaten. Es ist zu erfragen, an wie vielen Tagen pro Woche und in welchem zeitlichen Umfang (Stunden pro Woche) die jeweilige Pflegeperson pflegt. Bei Pflegepersonen, die an weniger als zwei Tagen oder weniger als zehn Stunden pro Woche pflegen, ist anzugeben, ob sie weitere Pflegebedürftige versorgen.“ Das scheint die Gutachterin in Ihrem Fall versäumt zu haben. Umso wichtiger ist es, auf dem Fragebogen zur sozialen Sicherung die tatsächliche Dauer der pro Woche geleisteten Pflege und der Verteilung anzugeben. Sollte es hier zu Problemen kommen, weil im Pflegegutachten andere oder keine tatsächlichen Zeiten aufgeführt werden, würde ich die Pflegekasse schriftlich über die von der Gutachterin gegebene Auskunft informieren und eine erneute Feststellung des Pflegeaufwandes durch den MDK einfordern. Hintergrund dafür ist u. a., dass die Pflegekasse nur noch anteilig Beiträge zur Rentenversicherung zahlt, sobald eine weitere nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson hinzukommt (Mehrfachpflege). Beispiel: Pflegeperson A versorgt an 3 Tagen pro Woche ihre Mutter (Pflegegrad 3) in einem Umfang von 6 Stunden täglich, insgesamt von 18 Stunden pro Woche. Zusätzlich versorgt sie ihren Vater (Pflegegrad 4) an denselben 3 Wochentagen in einem Umfang von 10 Stunden täglich, insgesamt 30 Stunden pro Woche. Ihre Schwester, Pflegeperson B, übernimmt die Versorgung der Eltern an den übrigen 4 Wochentagen im selben Umfang. Der Pflegeaufwand von Pflegeperson B für die Mutter beträgt so6

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Ihre Frage kurz beantwortet

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mit pro Woche 24 Stunden und für den Vater 40 Stunden. Beide Eltern bekommen Pflegegeld. Der Gesamtpflegeaufwand beträgt bei der Mutter 42 Stunden pro Woche und beim Vater 70 Stunden pro Woche Gesamtpflege. Wie wird der anteilige Beitrag ermittelt, den die Pflegekasse für Pflegeperson A und für Pflegeperson B an die gesetzliche Rentenversicherung zahlt (dabei wird hier davon ausgegangen, dass beide Pflegepersonen nicht berufstätig sind bzw. pro Woche maximal 30 Stunden arbeiten)? Für die bei der Mutter geleistete Pflege:

Pflegeperson A

Pflegeperson B

43 % der Bezugsgröße x 18/42 x Beitragssatz RV

43 % der Bezugsgröße x 24/42 x Beitragssatz RV

Für die beim Vater geleistete Pflege:

Pflegeperson A

Pflegeperson B

70 % der Bezugsgröße x 30/70 x Beitragssatz RV

70 % der Bezugsgröße x 40/70 x Beitragssatz RV

Erfolgt die Pflege durch eine Pflegeperson „Rund-um-die-Uhr“, würde ich im Fragebogen zur sozialen Sicherung trotzdem nur maximal 16 Stunden angeben, weil naturgemäß niemand auf Dauer 24 Stunden pro Tag wach sein kann, um zu pflegen oder um gepflegt zu werden. Dadurch wird auch verhindert, dass die Pflegekasse Beiträge zur Rentenversicherung kürzt, wenn die Pflegeperson zeitweise außer Haus ist und z. B. einem Minijob nachgeht.

Impressum Verlag | Redaktion | Kundenbetreuung: Walhalla Fachverlag Haus an der Eisernen Brücke, 93042 Regensburg Tel.: 0941/56 84-0, Fax: 0941/56 84 111 E-Mail: WALHALLA@WALHALLA.de Redaktionsleitung: Barbara Bayer (v.i.S.d.P.) Autorin: Carmen P. Baake Fragen, Hinweise an: beraterbrief-pflege@WALHALLA.de

Erscheinungsweise: Der Beraterbrief Pflege erscheint zweimal im Monat in elektronischer Form (PDF-Datei)

Die Weitergabe oder Vervielfältigung der Daten ist untersagt. Ausgenommen sind die Archivierung, die Erstellung einer Sicherheitskopie und das Ausdrucken für den eigenen Gebrauch. Eine schriftliche oder elektronische Verbreitung oder Veröffentlichung Bezugsbedingungen: Bestellungen über jede Buchhandlung und beim Verlag. Der Jahres- der Informationen aus diesem Beraterbrief darf nur unter vorhebezugspreis im Abonnement beträgt 149,00 Euro. Das Jahresabon- riger schriftlicher Zustimmung durch den Walhalla Fachverlag erfolgen. In einem solchen Fall ist der Walhalla Fachverlag als nement verlängert sich automatisch um ein Jahr, sofern es nicht Quelle zu nennen. Ausgenommen davon sind die Arbeitshilfen sechs Wochen vor Ablauf des Bezugsjahres gekündigt wird. und Muster, die für die eigene Tätigkeit verwendet werden dürfen. Es ist nicht gestattet, den Beraterbrief im Rahmen Copyright, Hinweise zum Urheberrecht: einer gewerblichen Tätigkeit Dritten in elektronischer oder © Walhalla u. Praetoria Verlag GmbH & Co. KG, Regensburg ausgedruckter Form zur Verfügung zu stellen, zu verbreiten oder Die Inhalte dieses Beraterbriefes wurden mit erheblichem Aufwand zu veröffentlichen. recherchiert und bearbeitet. Sie sind für den Käufer/Abonnenten ISSN 2367-4210 zur ausschließlichen Verwendung für interne Zwecke bestimmt.

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Arbeitshilfe: Fragebogen für Beratungsgespräche am Telefon Telefonische Beratung am:

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Beratung durchgeführt von:

Name des Versicherten:

Geb.-Datum:

Anschrift des Versicherten: Pflegekasse:

KV-Nummer:

Pflegegrad: Name/n der Pflegeperson/en: ggf. Name des gesetzlichen Betreuers: ggf. weitere während des Telefonats anwesende Personen:

Ort, Datum

Frage

Unterschrift der Beraterin/des Beraters

Sicht des Klienten und der Pflegeperson

Einschätzung der Pflegeberaterin/ des Pflegeberaters

Inhalt der Beratung

Welche Erwartungen haben Sie an das Beratungsgespräch? Gibt es etwas, über das wir unbedingt sprechen sollten? Wie schätzen Sie Ihre Pflegesituation im Moment ein? Wie sieht Ihr Tagesablauf aus? Schlafen Sie gut? Kommen Sie mit der Tagesstruktur und der Kommunikation gut klar? Haben Sie regelmäßige Kontakte nach außen, z. B. per Telefon mit Verwandten, Bekannten oder Freunden? Nutzen Sie Hilfsmittel, die Sie bei der Mobilität unterstützen? Brauchen Sie ggf. weitere? Klappt das Essen und Trinken? Haben Sie Schwierigkeiten bei der Körperpflege und/oder beim An- und Ausziehen?

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Arbeitshilfe: Fragebogen für Beratungsgespräche am Telefon Frage

Sicht des Klienten und der Pflegeperson

Einschätzung der Pflegeberaterin/ des Pflegeberaters

BERATERBRIEF Pflege Januar 2021/02

Inhalt der Beratung

Brauchen Sie mehr Unterstützung durch andere Personen als heute? Falls ja, wobei genau? Denken Sie, dass Ihr aktueller Pflegegrad ausreicht? Wünschen Sie und Ihre Pflegeperson Tipps für die Pflege, z. B. eine Schulung bei Ihnen zu Hause? Brauchen Ihre Angehörigen und Pflegepersonen Entlastung? Ist es in den letzten 6 Monaten zu besonders belastenden Pflegesituationen für Sie oder Ihre Pflegeperson gekommen? Falls ja, welche Situationen waren das? Ist Ihre Pflege zu Hause gewährleistet? Sind Sie einverstanden, dass ich der Pflegekasse das Beratungsformular zusende?

Einschätzung der Pflegeberaterin/des Pflegeberaters: Pflege gewährleistet

ja

nein, weil

Entlastung der Pflegeperson erforderlich

Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel empfohlen

nein

nein

Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen empfohlen

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ja, durch

ja, diese

nein

ja, diese

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Arbeitshilfe: Fragebogen für Beratungsgespräche am Telefon

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Weitergehende Beratung notwendig/gewünscht zu:

Pflegekursen

Individueller Pflegeschulung

Verhinderungspflege

Kurzzeitpflege

Pflegesachleistungen

Kombinationsleistung

Umwandlung von 40 % der Pflegesachleistung für Angebot zur Unterstützung im Alltag

Entlastungsbetrag

Hilfs- und Pflegehilfsmitteln

Wohnumfeldverbessernden Maßnahmen

Rehabilitationsmaßnahmen Freistellungsmöglichkeiten nach dem Pflege- oder Familienpflegezeitgesetz und/oder Pflegeunter stützungsgeld Pflegeberatung nach § 7a SGB XI Sonstiges (z. B. Kontaktaufnahme mit behandelndem Arzt)

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