WS 08-09 Demokratie

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vivadrina unabhängiges studierendenmagazin der viadrina Heft 4 / November 2008 – 1€ / 3,70 zł

NEUE

Der und seine Fadenführung

15 Jah r Im in e Colleg t iu polit erview: G m Polon ik u i Stud – heute nter Pleu cum un enten g geld d morg er e er fu tsch n


inhalt

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Vorwort Impressum

seite drei

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Was ist für dich die Viadrina? Wofür willst du deinen Aufenthalt in Frankfurt (Oder) nutzen?

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Von NYC nach FFO Ein Gespräch mit Gunter Pleuger

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Studentengelder futsch! Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Viadrina

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Kommentar AStAs Aktienabenteuer

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Fachschaftsrat Wiwi

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Fachschaftsrat Jura

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Fachschaftsrat Kuwi

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Einführung in die studentische akademische Selbstverwaltung an der Viadrina Das Uniorchester Die Viaphoniker

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welt/stadt

kultur

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Den Gründergeist aus der Flasche lassen

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Quo vadis Collegium Polonicum?

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Erlebnisbericht eines Erstis

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Übermüllte Werbefläche - Große Werbeschwäche Kein Kompliment für’s Werbe-Sortiment, Zeit für’n Experiment mit Advertisement.

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Ein Nachruf In memoriam Kittsteiner

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Vom Odersand an den Mittelmeerstrand Erasmuseindrücke aus Nizza

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Meine Reise auf dem Jakobsweg Auf den Spuren einer traditionsreichen Pilgerroute

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„Waltz with Bashir“ Film als Therapiemaßnahme oder die Neuerfindung eines Kinogenres

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„Burn After Reading – Wer verbrennt sich hier die Finger?“

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Schwarz-Sehen für Anfänger Heute: Radio Hören

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Fettes Brot – „Ich lass dich nicht los“ Eine Songinterpretation

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Deutschland 2020 Auslaufmodell Demokratie und die Rolle des Fernsehens bei Wahlen

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Talfahrt unserer Studentengelder – Wenn der AStA spekuliert Ein historisches Ereignis – alle drei Fachschaftsräte haben es zum ersten Mal geschafft, sich pünktlich für eine Ausgabe vorzustellen.


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Ich grüße euch, Mitglieder der Fakultäten, Fakultätsmitglieder, Studenten der Viadrina und Viadrina-Studenten (ich hoffe, ich habe keinen vergessen). Vor euch seht ihr die neuste Ausgabe der Vivadrina. „Neu“ ist geradezu ein Schlüsselwort. Wir haben neue Artikel von neuen Mitgliedern in einem neuen Semester mit neuen interessanten Themen, wie dem neuen Präsidenten. Staatssekretär, Diplomat, Unipräsident – welch ein Werdegang für einen Rewi... In einem umfangreichen Interview berichtet Herr Dr. Pleuger optimistisch von seinem neuen Amt. Des weiteren haben wir uns eure Wünsche zu Herzen genommen und wieder mehr Artikel für euch, die sich mit dem Leben an der Viadrina beschäftigen: Geburtstag des CP... ErstiEindrücke... werberesistente Studenten... Ein weiteres Thema ist Politik: In der Praxis der studentischen Gremien AStA + StuPa und im Jahr 2020. Apropos AStA und StuPa: Der Artikel über das Finden und Verlieren von Studentengeldern könnte einige Gemüter erregen, doch wir sehen es als unsere Pflicht an, den Studenten auch einen Einblick in trockene Hochschulpolitik zu gewähren. Darum wollen wir EURE Meinung wissen: Was haltet IHR vom riskanten Spekulieren mit EUREN Geldern? Viel Spaß beim Lesen wünscht Mario Mische Serdeczne pozdrowienia dla Was członków fakultetów, fakultetów członków, studentów Viadriny, Viadriny studentów (chyba o nikim nie zapomniałem), To dla Was najnowsze wydanie Vivadriny. „Nowy” to słowo kluczowe najnowszego wydania. W najnowszym numerze mamy dla was nowe artykuły przygotowane przez nowych członków naszej gazety na nowe interesujące tematy, takie jak nowy Prezydent Viadriny. W obszernym wywiadzie Pan Dr. Pleuger opowiada nam optymistycznie o swoim nowym urzędzie. Ponadto wzięliśmy sobie Wasze życzenia do serca i znowu zajęliśmy się tematami związanymi z życiem studenckim i Viadriną: urodziny CP..i ….pierwsze wrażenia nowych studentów… Następnym tematem jest polityka: studenckie gremia Asty i StuPy, także polityka w 2020 roku. Apropos Asty i Stupy: artykuły o znajdywaniu i utracaniu studenckich zasobów mogą niektórych ocknąć, w końcu uznajemy za nasz obowiązek, także przedstawić Wam pokrótce politykę uniwersytetu. Dlatego chcielibyśmy poznać i Wasze zdanie: co sądzicie o ryzykownych spekulacjach Waszymi pieniędzmi? Przyjemnej lektury życzy Wam Mario Mische

Staffelübergabe an der Viadrina

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Was ist für dich die Viadrina? Wofür willst du deinen Aufenthalt in Frankfurt (Oder) nutzen? Die Viadrina bedeutet für mich die Möglichkeit andere Aspekte des Studiums und des Studierens; als in unserer Heimat; zu entdecken. Wir wollen unsere Deutschkenntnisse verbessern, ECTS und Materialien für unsere Diplomarbeit über Frankfurt (Oder) sammeln und Berlin und Dresden entdecken. Rita MülleR (20), Tímea Takacs (23); Renáta Annus (23); BWL, Ungarn

Die Viadrina und Frankfurt bedeuten für uns Coolness und Entspannung, aber auch Kälte. In Deutschland ist es immer so kalt! Aber die Viadrina besteht auch aus wirklich fantastischen Gebäuden!

Wir möchten viel reisen, besonders durch Deutschland, neue Kulturen kennen lernen und natürlich studieren.

Ali Tauer (23) IBA, Irgecan Ilik (20), IBA, Dila Okcu (19), IBA, Osman Sen (23), International Relations, Türkei

Die Viadrina bedeutet für uns die Möglichkeit erwachsen zu werden, neue Erfahrungen zu machen, Deutsch zu lernen und die Geschichte Berlins zu entdecken. Die Viadrina ist ein großer Teil unseres Lebens. Wir wollen durch Europa reisen, feiern gehen und natürlich studieren. Besonders wollen wir uns die Städte Hamburg und Berlin anschauen und nach Polen, England, Spanien und Italien reisen. Ach, eigentlich überall hin!

Cecilia Zumarraga (23), Victoria Pessah (21), Argentinien; Giuliana Baghini (23), IBA, Argentinien

Fotos: privat

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Von NYC nach FFO Ein Gespräch mit Gunter Pleuger

Die Viadrina hat einen neuen Präsidenten: Dr. Gunter Pleuger war Staatssekretär im Auswärtigen Amt und deutscher Vertreter bei den Vereinten Nationen. Er hat seit Oktober das Amt von Prof. Dr. Gesine Schwan übernommen. An einem Freitagvormittag empfing uns Herr Pleuger gut gelaunt im Präsidialbüro. Redselig berichtete er, was ihn nach Frankfurt gebracht hat, welche Ideen er in Zukunft an der Universität verwirklichen möchte und welche Konsequenzen eine verstärkte wirtschaftliche Ausrichtung der Uni haben wird.

Herr Dr. Pleuger, die vivadrina begrüßt Sie noch einmal an der EUV. Sie haben in Köln, Bonn und Paris studiert. Wie waren Sie als Student und welche Unterschiede sehen Sie zur heutigen Studentenschaft? Die Universitäten waren früher natürlich anders strukturiert als heute. Ich gehöre Zur Person Dr. Gunter Pleuger, Jahrgang 1941, geboren in Wismar; Botschafter a.D., verheiratet, zwei Kinder. Pleuger studiert Rechts- und Politikwissenschaft in Köln, Bonn und Paris. 1969 tritt er in den Auswärtigen Dienst ein und arbeitet in der Ständigen Vertretung bei der UN in New York. Weitere Stationen: Europapolitisches Referat des Auswärtigen Amts, Pressereferent der deutschen Botschaft in New Delhi, Vorsitzender des Personalrats und Leiter des Referats für Öffentlichkeitsarbeit, politischer Gesandter in Washington. Seine wichtigsten Positionen sind das Amt des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt und des Ständigen Vertreters Deutschlands bei den Vereinten Nationen. Nach seiner Laufbahn als Diplomat lehrt er an der Uni Potsdam, am Lehrstuhl für Internationale Organisation und Politikfeldforschung. Im Juli 2008 wählen Stiftungsrat und Senat der EUV den 67-Jährigen zum Nach-folger von Prof. Dr. Gesine Schwan. Seit dem ersten Oktober ist Dr. Gunter Pleuger neuer ViadrinaPräsident.

noch zu der Generation von vor ’68. Damals gab es die Universität der Professoren mit großen Instituten. Es gab zwar schon den AStA, aber der hatte noch nicht viel zu sagen. Ich habe angefangen in Köln zu studieren, einer sehr großen Universität. Man hatte nur wenige Kontakte zu seinen Professoren und kannte auch innerhalb der Studentenschaft nur wenige Leute. Eine große Universität hat den Nachteil einer gewissen Anonymität, was hier aber ganz anders ist. Was mich weiterhin an der Viadrina angezogen hat, war die Fröhlichkeit, die Initiative und die Kreativität der Studentenschaft hier.

Sie sind in Ihrer beruflichen Laufbahn bereits viel herumgekommen. Was war ihre Motivation an die Viadrina zu kommen und hier in Frankfurt zu arbeiten? Ich hatte die letzten zwei Jahre einen Lehrauftrag an der Universität Potsdam. Das fand ich sehr interessant, vor allen Dingen weil der Umgang mit Studenten im Seminar immer eine intellektuelle Herausforderung ist, so dass ich von der Tätigkeit an einer Universität eigentlich sehr begeistert war. Als dann der Ruf an mich erging, hier nach Frankfurt zu kommen, hat mich besonders die politische Brückenfunktion dieser Universität gereizt. Nicht nur zwischen Deutschland und Polen, sondern nach Osteuropa und auch darüber hinaus. Ich glaube, die Viadrina hat als europäische Universität einen besonderen Auftrag: junge Leute vorzubereiten für die Europäische Union, d.h. für den Dienst an und in Europa.

Haben Sie die Zeit seit Ihrer Wahl im Juli bereits nutzen können, um sich in das neue Amt einzufinden?

Es war sicherlich ein gutes Omen, dass ich mein Amt nicht hier in Frankfurt, sondern an unserer Partneruniversität, der Adam-Mieszkiewicz-Universität in Posen angetreten habe, die am ersten Oktober die feierliche Eröffnung des neuen Akademischen Jahres hatte. Von Posen bin ich dann nach Warschau gefahren und habe dort Gespräche mit der Rektorin unserer Partneruniversität geführt, was sehr positiv und freundschaftlich war. Ich bin dann erst nach Frankfurt gefahren, um hier auf Einladung des Bürgermeisters den Dritten Oktober zu feiern. Ich habe mich natürlich seit meiner Wahl intensiv vorbereitet auf dieses neue Amt, denn es ist schon anders, als eine große Behörde zu führen oder eine Botschaft. Ich habe viele Gespräche geführt mit Frau Schwan, ich habe mit dem Kanzler gesprochen, mit Professoren, sodass ich bei meinem Dienstantritt sicherlich noch nicht alle Managementprobleme im Griff habe, doch einigermaßen gut beraten bin und mich auf diese neue Aufgabe freuen kann.


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Bei der Eröffnung des Akademischen Jahres haben Sie davon gesprochen, dass die Viadrina im Wettstreit um die Studenten ein Alleinstellungsmerkmal benötigt. Wie sehen Ihre Vorstellungen zur Zukunft der Universität aus? Ich glaube, dass die Qualität einer Universität von der Qualität der Professoren und der Studenten abhängt. Beides wiederum bedingt die Attraktivität einer Universität. Denn nur wenn eine Universität gut ist, kommen auch gute Studenten und Professoren. Wie kommt man dahin? Erstens einmal glaube ich, dass wir ein Lehrangebot vorlegen müssen, dass nicht nur für Studenten aus der Region, also aus Brandenburg oder aus der polnischen Nachbarschaft, attraktiv ist, sondern insgesamt. Dazu braucht man gewisse Alleinstellungsmerkmale, insbesondere wenn man eine kleine Universität ist wie die Viadrina und Berlin mit seinen großen Universitäten in der Nachbarschaft hat. Und ich glaube, dass hier einmal die Vorstellung wichtig ist, dass wir eine europäische Universität sind mit Schwerpunkt auf europäischen Fragen, in allen drei Fakultäten. Denn die europäische Integration ist ja nicht nur eine wirtschaftliche und politische Entwicklung, sondern auch ein kultureller Prozess der weiteren Integration der Mitgliedsstaaten. Wenn wir die Studenten darauf vorbereiten können, dass sie bessere Chancen haben in europäische Institutionen beruflich einzusteigen, dann wird sich das herumsprechen und dazu führen, dass aus vielen anderen Regionen gute und interessierte Studenten zu uns stoßen. Das zweite ist, dass wir insbesondere auch im wirtschaftlichen Bereich in enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen der Region treten und fragen: Was erwartet eigentlich die Wirtschaft von den Wirtschaftsstudenten, die von dieser Universität kommen? Welche Lehrinhalte sind gefragt? Damit die Studenten, wenn sie ihr Studium hier beendet haben, eine gute Chance haben in der regionalen Wirtschaft, unterzukommen; insbesondere aber auch in der Wirtschaft, die nach Osteuropa ausgerichtet ist.

Könnten diejenigen Studenten, die keine Karriere in dieser Richtung, etwa in einer europäischen Institution, anstreben, aus dem Blickfeld geraten? Der Lehrstuhl für Politik beispielsweise ist nur ein kleiner Bestandteil der Uni. Nein, das glaube ich nicht. Sehen Sie, es

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gehen ja nicht nur Studenten in europäische Institutionen, sondern auch in die Politik. Ich glaube, dass die Studenten aller Fakultäten in ihrem späteren Leben einmal Führungspositionen einnehmen werden, sei es in der Politik, sei es in der Wirtschaft, sei es in den internationalen Organisationen. Was wir hier in unsere Studenten investieren, das bekommt die nächste Generation der politischen Klasse, der Wirtschaftsführung und der Zivilgesellschaft zurück. In all diesen Bereichen spielt die weitere Integration Europas eine zentrale Rolle. Die Europäische Union ist für Deutschland und alle Mitgliedsstaaten das Beste, was uns in den letzten 800 Jahren passiert ist. Wir haben ein großes Interesse die Integration der Europäischen

„Ich glaube, dass die Studenten aller Fakultäten in ihrem späteren Leben einmal Führungspositionen einnehmen werden“ Union in allen ihren Bereichen - wirtschaftlich, sozial, zivilgesellschaftlich -voranzutreiben. Alle, die sich an diesem Werk beteiligt haben, haben davon profitiert. Es gibt auf der ganzen Welt keine Region, die stabiler ist, sowohl in ihrer politischen Struktur als auch in ihrer wirtschaftlichen Prosperität, wie die EU.

Planen Sie zur Umsetzung dieser Vorhaben eventuell einen neuen Studiengang, der speziell auf den diplomatischen Dienst vorbereiten soll? Auf den diplomatischen Dienst kann man

sich an dieser Universität sehr gut vorbereiten. Wenn Sie in den Auswärtigen Dienst wollen, dann müssen Sie einen Auswahlwettbewerb machen - keine Prüfung, in der Sie bestehen, sondern wo Sie sich unter den 45 besten platzieren müssen, um dann in die Attachélaufbahn aufgenommen zu werden. Das Auswärtige Amt hat eine zusätzliche Ausbildung. Diese verlangt in der Aufnahmeprüfung im Wesentlichen ein sehr gutes Querschnittwissen. Sie müssen in Ihrem Fach einigermaßen gut sein, aber es kommt nicht darauf an, ob Sie Volkswirt oder Jurist sind, sondern dass Sie in Ihrem Curriculum Vitae nachweisen, dass Sie sich für alles andere, was in der Politik wichtig ist, auch interessieren. Man wird, wenn sie Jurist sind, nicht von Ihnen verlangen, dass Sie volkswirtschaftliche wissenschaftliche Aufsätze schreiben können. Aber man will wissen: Lesen Sie auch den Wirtschaftsteil der Zeitung? Haben Sie sich in Ihrer Ausbildung mit den Fragen befasst, die im Auswärtigen Dienst wichtig sind? Das ist internationale Politik, das ist aber auch die internationale Wirtschaft und das internationale Konsularrecht.


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Das Wichtigste ist zunächst mal, diese Auswahlwettbewerbe zu bestehen. Da gibt es im Auswärtigen Amt einen sehr guten Kurs und den möchte ich hierher bringen. Junge Leute, die sich dafür interessieren in europäische Institutionen zu gehen, wie den Europarat oder die Kommission, sollen als das i-Tüpfelchen auf ihrer Ausbildung noch eine Vorbereitung bekommen: Was muss man wissen, wie muss man sich verhalten, um bessere Chancen zu haben, diesen Auswahlwettbewerb zu bestehen. Wir haben mit diesem Kurs, den ich vor vielen Jahren, als ich noch Staatsekretär war, selber eingerichtet habe, am Anfang erstaunliche Erfolge erzielt und Jungakademikern, die durch diesen Kurs gelaufen waren, eine 85 % höhere Chance gegeben, auch genommen zu werden. Das war für uns ein Erfolgserlebnis und ich hoffe, dass man das hier nach Frankfurt transplantieren kann. Dann glaube ich, hätten wir ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, denn dann würden wir unseren Absolventen eine Chance bieten, die sie woanders nicht bekommen könnten.

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praktische Diskussionen ergänzen.

Sie sprachen vorhin davon, dass die Europäische Union in mehr und mehr Führungsbereichen eine Rolle spielt und es somit für Studenten unumgänglich ist sich mit der EU zu beschäftigen. Aber spiegeln die Schwerpunkte Internationalität und Europa mit Ausrichtung auf den diplomatischen Dienst, die Sie setzen wollen, nicht nur einen geringen Interessenanteil der Studentenschaft wieder? Selbstverständlich will ich die Universität

Ostgrenze der Europäischen Union keine neuen Barrieren entstehen. Dass Europa offen bleibt für die Zusammenarbeit mit Weißrussland, mit der Ukraine, mit Georgien, mit Moldau und wir letztlich auf langer Sicht auch eine strategische Beziehung mit Russland haben. Russland wird immer da sein, egal wer da regiert. Russland wird immer eine große Macht bleiben und dem müssen wir auch in Lehre und Forschung Rechung tragen. Beispielsweise, und das hat jetzt einen doppelten Bezug auf Osteuropa und hinsichtlich der Europäischen Union, was machen wir eigentlich langfristig

Müsste man sich für den Lehrgang bewerben? Ja, denn es wäre ein zusätzlicher Kurs. Der ist gar nicht so lang und findet am Ende des Studiums statt. Wenn Sie ihr Examen schon bestanden haben können Sie natürlich auch noch dazukommen. Wenn Interesse besteht ließe sich auch etwas Ähnliches für den internationalen Bereich der Vereinten Nationen einrichten, in dem ich während meines beruflichen Lebens hauptsächlich zu Hause war. Man muss dann aber sehen wie groß das Interesse ist.

Planen Sie zusätzlich zu praxisorientierten Lehrgängen von Ihren Netzwerken und Bekanntschaften im Auswärtigen Amt zu profitieren? Zum Beispiel in dem Sie Gastdozenten aus den verschiedenen Bereichen der Politik an die Uni holen? Ja, einmal werde ich mich sicherlich bemühen hier Gastdozenten an die Viadrina zu holen. Vor allem möchte ich aber auch den Studenten der Viadrina die Möglichkeit bieten ein Forum zwischen Politik und Zivilgesellschaft zu haben oder daran teilzunehmen. Ich möchte, das Vorträge, Workshops und Diskussionsveranstaltungen stattfinden mit Politikern, mit Mitgliedern der Kommission aus Brüssel, also mit Leuten, die aus der Praxis kommen und das Studium durch praktische Vorträge und

nicht auf diese Bereiche allein konzentrieren. Ich baue ja als Präsident auf dem auf, was meine drei Vorgänger und insbesondere Frau Schwan geschaffen haben und daran wird auch nicht gerüttelt. Und selbstverständlich haben alle drei Fakultäten die Aufgabe in ihrem jeweiligen Fach auszubilden. Wir brauchen natürlich eine juristische Fakultät, ich bin ja selber Jurist, die hervorragende Juristen ausbildet. Und zwar nicht nur im Bezug auf das Europarecht, sondern auch in den anderen Fächern. Aber als Europa-Universität haben wir natürlich auch das Interesse einmal international ausgerichtet zu sein und zum anderen auch interdisziplinär. Das muss hinzukommen. Im Übrigen reizt mich nicht nur das Europäische, sondern auch darüber hinaus das, was in Polen oder Litauen die „Osteuropäische Dimension“ genannt wird. Die Mitteleuropäischen Staaten wie Polen und die baltischen Staaten haben ein nachvollziehbares Interesse, dass an der neuen

mit der Enklave Kaliningrader Gebiet? Die liegt mitten in der EU. Wenn wir uns damit nicht in Forschung und Lehre befassen und damit auch Einfluss auf die Politik nehmen, dann wird diese Enklave ein Fremdkörper bleiben, der vor allem genutzt wird für Schmuggel, organisierte Kriminalität und ähnliches. Das heißt irgendwie muss dieses Gebiet integriert werden, aber das geht nur mit der Zustimmung Moskaus, weil es ein Teil Russlands ist. Ein ganz kompliziertes Gebiet und außerdem ist es noch politisch extrem sensibel für die Polen und die baltischen Staaten, die immer noch unter dem Trauma der Besetzung leiden. Also, wer ist für die Frage besser geeignet als diese Universität?

Stellen die Europaorientierung und der besondere Blick nach Osten demnach das Dach der Universität dar, wobei aber jede Fakultät darunter ihre eigenen Aufgaben wahrnimmt?


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So ist es! Darin sehe ich sozusagen die Brückenfunktion. Die Brücke fängt an in der alten EU der 15, geht über die Oder in die Transitionsstaaten, also die neuen Mitglieder der EU und geht über sie hinaus. Und ich glaube, das ist ein weites Betätigungsfeld, wobei die Viadrina einen Standortvorteil hat. Auch durch ihre engen Beziehungen zu den polnischen Universitäten.

Sie sprechen die Beziehung zu Polen an. Die rückläufige Zahl der polnischen Studenten stellt seit einigen Jahren ein großes Problem dar; seit diesem Semester ist sie erstmals wieder um 18 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Glauben Sie, dass sich diese positive Trendwende fortsetzen lässt und wenn ja, wie? Davon bin ich überzeugt. Die Probleme, die wir hier haben und die alle anderen Unis auch haben, die müssen wir natürlich angehen. Das Problem ist einmal für die Viadrina die demografische Entwicklung. Wir haben weniger Abiturienten, die Jahrgänge mit den vielen Kindern hören jetzt auf und alle Unis müssen darum kämpfen ihre Studentenzahlen zu erhalten oder wenn möglich noch zu erhöhen. Das zweite ist die Ost-West-Wanderung, die in den neuen Bundesländern immer noch stattfindet. Übrigens sind vor allem die intelligenten Frauen schuld daran, die nach Westen abwandern und dann die intelligenten Männer nachziehen. Damit müssen wir uns befassen. Wir müssen attraktiv sein für Studenten auch aus den anderen Bundesländern, nicht nur aus Brandenburg. Wenn möglich auch darüber hinaus in der EU. Wir haben ja jetzt schon 72 Nationen hier in der Studen-

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tenschaft vertreten und wir müssen zum anderen versuchen auch in Polen mehr für unsere Uni zu werben. Denn man muss sehen, dass jeder Pole seit der Mitgliedschaft Polens zur EU an jeder Universität der Union studieren kann. Da deutsch nicht mehr die erste Fremdsprache in Polen ist sondern englisch, ist es nur natürlich, dass ein junger Pole, der als erste Sprache englisch hat und mit deutsch größere Probleme, dahin tendiert zum Studium nach England zu gehen oder sogar nach Amerika. Und daher ist es ganz wichtig, dass wir als internationalis-

„...unseren Absolventen eine Chance bieten, die sie woanders nicht bekommen“ tisch orientierte Uni Sprachkenntnisse und auch mehrsprachige Unterrichtsangebote haben.

Ein weiteres Ziel ist eine stärkere Ausrichtung auf die Wirtschaft, um Unternehmen für die Stiftungsuniversität zu gewinnen. Das Career Center soll ausgebaut und weiterentwickelt werden. Sehen Sie durch eine solche Orientierung der Universität eine Bedrohung für die kulturwissenschaftliche Fakultät? Also erstens mal sehe ich nicht, dass das eine gefährliche Konkurrenz für die Kulturwissenschaften darstellen könnte. Die kulturwissenschaftliche Fakultät ist immer noch die größte, und wird es wahrscheinlich auch bleiben, weil sie so viele verschiedene Lehrgänge anbietet. Angefangen über Sozialwissenschaften bis Literaturwis-

senschaften und Poltische Wissenschaften ist es eine Fakultät, die viele Studenten mit sehr unterschiedlichen Interessen anspricht. Und deswegen werden die Kulturwissenschaften darunter nicht leiden. Aber wir haben natürlich auch ein Interesse daran, dass die kulturwissenschaftlichen Absolventen gut unter kommen, in ihren jeweils gewählten Berufen. Und das Career Center soll sich selbstverständlich dafür einsetzen. Bei der Wirtschaft ist es so, dass wir versuchen müssen - und das geschieht auch schon, das ist keine neue Idee von mir - die Wirtschaft zu fragen, was zum einen die Spezifika der regionalen Wirtschaft sind und zum anderen derjenigen Wirtschaft, die sich mit den Transitionsländern und Osteuropa befasst. Was sind die Spezifika, die wie lehren müssen und die die Studenten beherrschen müssen, wenn sie als Absolventen eine bessere Einstiegschance haben sollen als andere. Außerdem hat das den Vorteil - inwieweit man das auf die Kulturwissenschaften übertragen kann, das weiß ich nicht - dass, wenn man vorher mit den Unternehmen gesprochen hat, ihnen anbieten kann: wir schicken euch ein Paar Studenten zu einem Praktikum. Das hat den Vorteil für die Studenten, dass sie Praxis lernen, zum andern können sie da schon einmal Kontakte knüpfen.

Was halten Sie von der Kritik, dass durch die wirtschaftliche Orientierung das Lehrangebot eingeschränkt wird bzw. die Unabhängigkeit der Universität leidet? Nein, das glaube ich gar nicht. Erst einmal sind das ja Hilfsmittel zur Formulierung von Lehrkonzepten. Es wird ja immer derjenige Absolvent, der auch mal über sein Fach hinaus geblickt hat, der das gemacht hat, was bei uns früher Studium Generale hieß, im Vorteil sein. Sehen sie, wir haben ja gerade eine öffentliche Diskussion darüber wie wichtig Bildungspolitik ist, was für Defizite wir in den letzten Jahrzehnten gehabt haben. Deswegen darf man hier keinen Tunnelblick haben. Die Kontakte mit der Wirtschaft zur Formulierung von Lehrinhalten, die später den Absolventen nützen, sind etwas Vernünftiges. Aber das heißt natürlich nicht, dass nur die Lehrinhalte allein bedeutend sind, daneben muss eine gute Allgemeinbildung kommen und die Fähigkeit auch politische Entwicklungen zu analysieren, was umgekehrt natürlich auch für Politikwissenschaftler gilt. Vielen Dank für das Interview. jl, jr


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Studentengelder futsch! Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Viadrina

Das Studierendenparlament (StuPa), dass sich am 21.10.2008 um 19.45 Uhr im Audimax Raum 114 zusammenfand, befasste sich dieses Mal mit einem Thema, dass vor allem wegen der aktuellen Finanzkrise ganz oben auf der Tagesordnung stand. Frau Menekse Akyurt vom Dezernat II für Personal- und Rechtsangelegenheiten war auch unter den Anwesenden. Es ging, wie überall in diesen Tagen um Geld. Genauer gesagt um 15,34 Euro, die jedes Semester von jedem ordnungsgemäß immatrikulierten Studenten durch den Semesterbeitrag dem Allgemeinen Studentischen Ausschuss (AStA) zur Verfügung stellt werden. Die Summe dieser Gelder beträgt halbjährlich etwa 150.000 Euro, die er verwaltet und „für die Finanzierung der Arbeit aller studentischen Gremien und zur Förderung kultureller, sportlicher und hochschulpolitischer Projekte sowie zum Ausgleich sozialer Härte“ verwenden sollte, wie man dem hochschulpolitischen Reader des AStAs entnehmen kann. Nun kam es aber zu folgender Sachlage, die den Anwesenden vom StuPa-Präsidenten Sven Lesaar erläutert wurde. Seinen Aussagen zufolge, wurden vor einigen Jahren etwa

300.000 Euro ungenutzte Sozialbeiträge vom AStA gefunden. Diese Gelder kamen alsbald studentischen Initiativen wie dem FForst oder allen Studenten, durch die Einführung der Sonntagsöffnung der Universitätsbibliothek ,zu Gute. Nach nicht allzu langer Zeit wurden wieder etwa 130.000 Euro von vergangenen Jahrgängen auf Konten „gefunden“. Sie sollten dem AStA als Rücklagen dienen, falls geburtenschwache Jahrgänge weniger Gelder in seine Kassen spülen und somit die Finanzierung von studentischen Initiativen erschweren würden. Von diesen Geldern wurden vom letzten AStA 100.000 Euro in Aktienfonds angelegt, weil man eine solche Anlage einer risikoärmeren vorzog, um das Vermögen zu mehren. Nachdem schon im letzten Jahr ein Verlust von etwa 5.000 Euro durch Kursschwankungen auftrat, schaltete sich das Finanzdezernat der Universität ein. Da eine Investition in Aktienfonds und das Spekulieren mit studentischen Geldern nach Landeshaushaltsordnung nicht rechtens ist, schaltete sich das Finanzdezernat der Universität ein und verlangte vom AStA eine „mündelsichere“ Anlage der Gelder. Damals machte sich der AStA auf den Weg

zur Bank, um das Geld risikoärmer anzulegen. Was bei diesem Beratungsgespräch genau geschah, ließ sich an diesem Abend nur schwer rekonstruieren, da kein anwesendes Mitglied des letzten AStAs dazu Stellung nahm. Den genauen Hergang soll aber ein Untersuchungsausschuss herausfinden, der noch an diesem Abend von den anwesenden Abgeordneten ins Leben gerufen wurde. Wichtig ist hier vor allem zu klären, ob die HypoVereinsbank, der das Geld damals anvertraut wurde, wusste, dass die Gelder „mündelsicher“ – also risikofrei – angelegt werden sollten. Leider wurden sie das aus bisher ungeklärten Ursachen aber nicht. Der besagte AStA legte 100.000 Euro aus studentischen Kassen in Anleihen der Hypo Real Estate mit einer Laufzeit bis September 2009 an. Was dann mit dieser Bank passierte, ging in letzter Zeit durch alle Medien und dürfte jedem bekannt sein. Von den 100.000 Euro sind jetzt, laut aktuellem Anleihekurs vom 21.10.2008 noch 80% übrig, glücklicherweise und dank des mutigen Bankenrettungspakets des Bundes, das die Hypo Real Estate mit einer Finanzspritze vor ihrem Konkurs rettete. Zeitweise war


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die Anleihe nur 38% wert, was die studen- muss, schnellstmöglich die Auflösung der kauft werden. Die Anleihe muss mindestens tischen Rücklagen noch viel stärker ge- Geldanlage durchzuführen. Es sei jetzt nur 3. schmälert hätte. 60% und sollte 80% des Anlagewertes beim noch wichtig, wann diese stattfindet. Fakt war Dienstagabend aber ein voraus- Während der darauffolgenden Pause, in Verkauf erzielen. sichtlicher Verlust von etwa 20.000 Euro. der sich die Abgeordneten des StuPas berie- 4. Das Geld soll auf einem Festgeldten, konnte man unter den konto angelegt werden. Das sind Gelder, die, laut StuPa, dem aktuellen AStA anwesenden Studierenden Ferner wurde im Anschluss an diesen Bevor allem bei der Fortfüh- „Ich freue mich darüber, erste Eindrücke zu diesem schluss noch konkretisiert, womit sich der dass die Studentenver- „Finanzskandal“ einfangen. Untersuchungsausschuss befassen sollte, rung der Sonntagsöfftretung so verantwornungzeit der Unibibliothek Toni, Wirtschaftsstudent an da dem letzten AStA noch weitere Finanztungsvoll mit unserem fehlen. Laut Frau Akyurt der Viadrina, meinte erbost: fehler unterlaufen sind. Geld umgeht.“ hätten damit auch durch„Ich ärgere mich darüber, Während der StuPa-Sitzung wurde Frau geführte Zwangsexmatridass der AStA anscheinend Akyurt auch daraufhin angesprochen, welukulationen von finanziell gegen die Entscheidung che Konsequenzen seitens des Präsidenten schwachen Studenten verhindert werden des StuPas das Geld nicht mündelsicher an- und des Dezernats nach diesem groben können, wenn das Geld nicht verspeku- gelegt hat.“ Eine andere Studentin darauf- Fehlverhalten auf die Studierendenverliert und sinnvoll eingesetzt worden wäre. hin sehr ironisch: „Ich freue mich darüber, tretungen zukommen kann. Sie schloss Genau hiermit wurde auch ein generelles dass die Studentenvertretung so verant- eine Einschränkung der finanziellen VerProblem im Umgang mit studentischen wortungsvoll mit unserem Geld umgeht.“ antwortlichkeit seitens der studentischen Geldern angesprochen. Nach der Beratungspause wurde ein Not- Selbstverwaltung nicht aus. Im Anschluss an die Erläuterung des finan- fallplan einstimmig von allen siebzehn an- Meinungen und Kommentare bitte an: ziellen Fauxpas des letzten AStAs sah man wesenden Abgeordneten beschlossen, der vivadrina@yahoo.de Die Redaktion behält sich vor, die Artikel deutlich Ratlosigkeit und große Enttäu- folgende Inhalte umfasst: schung auf den Gesichtern der anwesen- 1. Die Hypovereinsbank wird auf- zu kürzen. den Abgeordneten. Frau Akyurt machte gefordert, den entstandenen Schaden zu cb den StuPa-Migliedern daraufhin eindeutig ersetzten. und mit einer gewissen Strenge im Ton klar, 2. Die Anleihe soll frühestens am dass das weitere Vorgehen darin bestehen 21.10.2008 , spätestens am 30.10.2008 ver-

Kommentar AStAs Aktienabenteuer

Nach einem ersten Versuch studentische hen gehen sie lediglich von mageren 60 hunderttausend Euro über ein Aktienfonds Prozent des ursprünglichen Werts aus. zu vermehren, der fünftausend Euro Ver„Who’s to blame?“, so lautet die Frage, lust zufolge hatte, entschied sich der AStA, die es jetzt durch einen Untersuchungsauf Aufforderung der Universität (denn ausschuss zu beantworten gilt. AStA, oder Spekulationen mit studentischen Mitteln irgendwie dann doch die HypoVereins, wie sind untersagt) für eine ‚risikoärmere‘ Op- AStA behauptet. Anders gesagt: AStA dachte das Geld auf einem ‚risikoarmen‘ Kontion. Geldinstitut dafür war die Hypo Real Estate, to angelegt zu haben, was sich später als jenem unglücklichen Finanzinstitut, dass falsch heraus stellte. nur mit Milliardenhilfe des Bundes vor der Das scheint doch zumindest merkwürdig. Pleite gerettet werden konnte. Weniger risi- Wie kann es sein, dass dem AStA unklar war, kovoll als die vorherige Anlage hätte sie sein wo genau die Gelder angelegt waren? Von sollen. Laufzeit der Anlage: bis 2009. Diese einem Finanzreferenten darf doch vorausErwartung stellte sich jedoch als eine ‚ka- gesetzt werden, dass er den Unterschied pitale‘ Fehleinschätzung heraus: Von den kennt zwischen einer nicht ganz risikohunderttausend Euro waren am 21. Okto- freien ‚Aktienportefeuille‘ als Anlage und ber zwanzigtausend verflüchtigt. Auf Auf- einem stinknormalen – fast risikofreien forderung der Universität und des StuPas – Sparkonto, auf dem die angelegte Gelder hätte nun der Vertrag mit der HypoVereins- lediglich verzinst werden und von dem das bank bis zum 30.10 aufgelöst sein müssen. Geld (eine Bankpleite außer Acht gelassen) Über den Verkaufswert der Anlagen ließ immer wieder zurück bekommt. Und wenn sich zum Zeitpunkt dieses Kommentars un- er es nicht von vorn herein wusste (nicht möglich etwas sagen. Börsenkurse schwan- jeder ist schließlich ein Ökonom), dann ken und die vorzeitige Auflösung des Über- hätte er sich darüber ausgiebig von Driteinkommens kostet noch zusätzlich Geld, ten informieren lassen sollen. Falls sich die viel Geld. Damit scheinen auch bereits AStA Natur der Anlage nicht aus dem Werbegeund StuPa gerechnet zu haben, denn bei plauder des Bankangestellten ergab, dann dem zu erwarten Verkaufswert der Anlei- doch spätestens aus sorgfältigen Lektüren

der Konditionen und des unterschriebenen Vertrages. Unwissenheit oder Naivität? In beiden Fällen gilt, dass die Verantwortung für fremde Geldern doppelt zählt, und Experimentiersucht unerwünscht ist. Zynisch wird’s erst recht, wenn man nachdenkt, was man sonst mit dem Geld hätte machen können, wäre es nicht der gut gemeinten (aber immerhin spekulativen) Kreativität eines nicht näher zu nennenden Finanzreferenten zum Opfer gefallen: Einen geräumigeren Dienstwagen als studentisches Willkommen für den recht groß gewachsenen Pleuger, oder Rückmeldegebühren für bedürftige, aus Geldmangel zwangsexmatrikulierte, Kommilitonen. Das Geld ist weg und kommt höchstwahrscheinlich nicht wieder. Was übrig bleibt sind die erheblich angeknabberten Reserven der Studierendenschaft als Mahnung, sowie eine beträchtliche Dosis frischen Zynismus. Denn wo Geld auf dem Spiel steht, haben sich Mahnungen (allem Wohlwollen und allen Aufrufen für schwerwiegende Konsequenzen zum Trotz) schon mehrmals als flüchtig und kurzlebig erwiesen. Maarten Geuzendam


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Fachschaftsrat Wiwi Der Fachschaftsrat ist Teil der studentischen Selbstverwaltung und wird zweimal im Jahr von den Studenten der jeweiligen Fakultät gewählt. Die Wahlen zum FSR WiWi finden im Dezember und im Juni statt, wahlberechtigt sind alle ordentlich immatrikulierten Studierenden der Fachschaft Wirtschaftswissenschaften. Mitarbeiten kann natürlich jeder beim FSR, egal ob gewählt oder nicht. Allerdings sind nur gewählte Mitglieder bei Abstimmungen und Entscheidungen des FSR stimmberechtigt. Wir sind der 1. Ansprechpartner in allen studentischen Fragen und arbeiten bei der Erstsemestereinführungswoche mit. Wir informieren euch über aktuelle Fakultäts- und Universitätsgeschehnisse, helfen euch bei Problemen mit dem Studium sowie den Lehrenden und freuen uns, wenn auch ihr neue Ideen oder Anregungen mit einbringt. Praktika und das Career Center Wir arbeiten seit Juli 2005 eng mit den Career Center zusammen, um unseren Studierenden mehr Angebote aller Art (Praktika, Stellenangebote, Einladungen zu Veranstaltungen, etc.) von großen Firmen bereitstellen zu können. Zu diesem Zwecke haben wir eine Datenbank mit über 800 Firmen, die dem Profil der Viadrina-Absolventen aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät am meisten entsprechen, erworben und diese mit der Datenbank aus dem Career Center vereint. Auch hier würden wir uns über Unterstützung unserer Studierenden freuen. Case-Study-Projekt

Seit dem Sommersemester 2007 werden von uns Fallstudien durchgeführt, welche von größeren Firmen an unserer Uni angeboten werden. Das soll erstens den Bezug Hausanschrift: Europa-Universität Viadrina Fachschaftsrat der Wirtschaftswissenschaften Große Scharrnstraße 59 15239 Frankfurt (Oder) Sitz: Logenstraße 12, Nebengebäude Raum 108 Mail: fsrwiwi@euv-frankfurt-o.de Homepage: www.fsrwiwi-euv-ffo.de Telefon: (0335) 55 34 5351 Fax: (0335) 55 34 5516 Europa Universität Viadrina Fachschaftsrat Wiwi Große Scharnstr. 59 15230 Frankfurt Oder

von Theorie und Praxis an unseren Universitäten steigern. Zweitens aber auch die Möglichkeit geben, sich mit dem Profil und dem Arbeitsalltag von Firmen verschiedener Branchen auseinander zu setzten. Wir hoffen, dass dieses Projekt zu einer Tradition an unserer Universität werden wird und sich dadurch Firmen langfristig an die EUV und ihre Studierenden binden.

Website Mit unserer Website www.fsrwiwi-euvffo.de und dem dort vorhandenen Forum nehmen wir uns den Problemen der Studierenden an, erfragen Stimmungsbilder, veröffentlichen Informationen (Sitzungsprotokolle, Klausurensammlung, u.v.m.). Die Seite wird ständig aktualisiert. Informationsveranstaltungen und Newsletter Der Fachschaftsrat der Wirtschaftswissenschaften will seinen Studierenden immer auf dem Laufenden halten. Daher bieten wir regelmäßig Informationsveranstaltungen an, sind auf Informationsmärkten der Universität zu finden und bieten einen monatlichen Newsletter an. Des Weiteren bieten wir in der Vorlesungszeit eine Sprechstunde auf Abruf an. Partys und Feiern Der FSR veranstaltet traditionell jedes Semester eine Party. Im WS das sog. Bergfest und im Sommersemester meistens eine Beachparty oder Ähnliches.. Die FSR Feste sind sehr beliebt und immer gut besucht. Selbst die Konkurrenz kommt dann zu später Stunde noch bei uns vorbei. Mit den Einnahmen finanziert der FSR dann wieder neue Projekte für die Studierendenschaft. Sonstiges Der FSR macht unglaublich viele, kleine und doch sehr wichtige Projekte, die in der Summe zu groß sind um alle aufzuführen, aber hier sollen einige Beispiele genannt werden: Mitsprache bei zukünftigen Studienordnungen, Ersti-Fahrt...


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Fachschaftsrat Jura Wer oder was ist der FSR Jura und was macht er? Der FSR Jura ist für euch Ansprechpartner bei Fragen, Problemen und Sorgen rund um euer Studium. Außerdem könnt ihr euch bei uns bezüglich Fragen zu Professoren und Klausuren melden oder Schließfächer im Keller des Hauptgebäudes beantragen, wenn ihr eure Bücher nicht immer hin und her schleppen wollt (ursprünglich für Staatsexamenskandidaten gedacht). Auch verleihen wir Schlösser, wenn ihr euer Bibo-Schloss vergessen habt. Wenn ihr später zur mündlichen Prüfung im Staatsexamen müsst, dann könnt ihr in Prüfungsprotokolle eurer Prüfer einsehen. Außerdem organisieren wir verschiedene Infoveranstaltungen für euch, wenn sich z.B. die Prüfungsordnung ändern sollte oder andere wichtige Ereignisse eintreten. Und wenn ihr eine Klausur schreibt, die besser als 12 Punkte ist, bekommt ihr ein Buch und eine kleine Überraschung geschenkt! hinten v.l.n.r.: Tobias Szarowicz (Sprecher), Arlett Hink-Spannuth (Schriftführerin), Mathias Löhnert (Finanzer) unten vl.n.r.: Karina Izabela Filusch (Vorsitzende), Josefine Röhner (Öffentlichkeitsarbeit), Franziska Wodtke (ehrenamtliches Mitglied)

Fachschaftsrat Kuwi Fachschaftsrat der Kulturwissenschaften. Oder kurz ausgedrückt Kuwi FSR. Der natürliche Lebensraum eines FSR ist die Universität, wo er sich meist mühelos an seine Umgebung anpasst. Zuletzt wurde der Kuwi FSR im Raum Frankfurt Oder gesichtet. Nach einem dreimonatigen Sommerschlaf zeigte er sich erstmalig als die neuen Erstsemester die Universität betraten. Bekannt für seine Freundlichkeit und seine Hilfsbereitschaft, wies er die Neulinge in ihr Studium ein und teilte sein Frühstück mit ihnen. Danach zog sich der Kuwi FSR wieder zurück in seine Höhle, allgemein bekannt als Büro in der Studentenloge. Hier plant, diskutiert, protokolliert, schreibt und denkt er, trinkt dabei Kaffee und entwirft neue Ideen. Die

Ergebnisse dieses Rückzugs ins Büro sind Veranstaltungen, Stammtische, Partys und Newsletter. Doch Vorsicht- der Kuwi FSR hat viele Gesichter. Bei jedem Initiativenmarkt lockt er euch mit sanfter Stimme und verwickelt euch in seine Planungen. Er gibt euer Geld aus, ohne euch vorher zu fragen.

Er ist die Stimme, die euch ins Gewissen flüstert, wenn ihr eine seiner Vollversammlungen verpasst habt. Erliegt ihr also der Versuchung mit in sein Büro zu gehen, werdet ihr als engagierte Studenten dem FSR nicht mehr so schnell entkommen. Also ihr Kuwis, Denker, Theorienliebhaber, Hausarbeitenschreiber, Träumer und Abenteurer: ihr alle seid aufgerufen diesen speziellen FSR zu besuchen, zu erforschen und durch eure Unterstützung zu neuen Projekten zu bewegen. Jeden Dienstag empfängt er euch in der Studentenloge von 13-14 Uhr in Gestalt von engagierten Studenten: Kai, Matthias, Caro, Erik, Michael und Claudia. Claudia Grünberg


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Einführung in die studentische akademische Selbstverwaltung an der Viadrina Lieber Student, liebe Studentin der Viadri- zur Förderung kultureller, sportlicher und na, hochschulpolitischer Projekte sowie zum heute möchte ich dir ein paar Fragen (und Ausgleich sozialer Härte eingesetzt werden. deren Antworten) präsentieren, die mir Sie kommen uns also eigentlich in voller schon seit einiger Zeit auf der Seele bren- Höhe zu Gute. Wusstest du, dass du einen nen und mir nächtliche Diskussionen, Ein- Projektförderungsantrag beim AStA stellen sichten und viel Spaß und Belustigung be- und somit dein eigenes Projekt finanzieren reiteten: lassen kannst? Das ist doch super, nicht? „Wofür bezahl ich eigentlich Semesterbei- Die vivadrina wird übrigens auch mit deiträge und wie setzen sie sich zusammen?“ nem Geld finanziert, da wir eine vom Stufragte ich mich, als ich mich letztens zu- Pa genehmigte Initiative sind. Dankeschön rückmeldete und ordnungsgemäß meine :-) 204,84 Euro an das Studentenwerk Frank- Um dir einen Überblick über die Rahmenfurt/Oder überwies. Außerdem geister- bedingungen und die Struktur der studenten mir im Kopf noch Fragen herum wie: tischen Gremien zu geben, schaute ich auf „Wofür gibt es den AStA? Was machen die der AStA-Internetseite nach, auf der sich Fachschaftsräte? Warum sollte ich zur Voll- ein Hochschulpolitikreader und ein Universammlung gehen? Was macht das StuPa ABC (http://www.asta-viadrina.de/schrifund weshalb soll ich eigentlich studenti- ten.php) und diverse Satzungen und Gesche Vertreter dafür wählen?“ Ich hatte ir- schäftsordnungen von Fachschaftsräten, gendwie das ungute Gefühl, dass ich zwar dem Sprachenbeirat und der Studierenan der Uni eingeschrieben bin und fleißig denschaft befinden. Die Details und Gemein Studium absolviere, aber keine Ah- setzestreue des zur Verfügung stehenden nung habe, wie die Uni intern funktioniert Infomaterials schreckten mich allerdings und wie sich die Studierendenschaft or- erst einmal ab. ganisiert. Wer steht organisatorisch hinter Um die universitäre Struktur zu verstehen, der Semestereröffnungsparty der Wiwis stelle ich dir jetzt die gesetzlichen Grund„Breaking the ice“. Was kann ich machen, lagen der Viadrina vor. Unsere Alma Mawenn ich BAföG bekomme und mein Geld ter ist seit Mai 2008 eine Stiftungsuniverknapp wird? Wer bezuschusst die Druck- sität. Rechtlich verankert ist sie durch das kosten der vivadrina, die du jetzt in den Stiftungserrichtungsgesetz (StiftG EUV), Händen hältst? Fragen über Fragen taten das Brandenburgische Hochschulgesetz sich auf, in die ich jetzt ein wenig Ordnung (BbgHG) und das Hochschulrahmengesetz (HRG). Viele gesetzliche Ordnungen bringen will. Die 204,84 Euro, die wohl jeder von uns – an dieser Stelle nicht alle aufgezählt – konschon fürs Wintersemester bezahlt ha- kretisieren unsere Uni und machen sie zu ben dürfte, teilen sich auf in 50 Euro So- dem, was sie ist. Aus diesen leiten sich bezialbeitrag, die für die Unterhaltung von reits Professuren, Fakultäten, Vorlesungen Mensen und Wohnheimen verwendet und Übungen ab. Gleichwohl basieren werden, 15,34 Euro für unsere Mitglied- darauf die Bibliothek, die Sprachkurse und schaft in der Studentenschaft, 51,00 Euro die nach uns winkenden-berufsqualifizieEinschreibgebühr, die den Verwaltungs- renden Abschlüsse, die Verwaltung und aufwand der Rückmeldung decken sollen die Dezernate und das Studentenwerk für und gegen dessen Höhe zur Zeit in einer Soziales ab. Sammelklage von einer Studenteninitiative Die uniinterne Organisation des studengeklagt wird. Außerdem ist unser geliebtes tischen Lebens kann direkt durch die stuSemesterticket darin enthalten, dank dem dentischen Gremien beeinflusst werden. wir in ganz Berlin und Brandenburg sechs Sie befassen sich mit den Wohnheimen, Monate lang mit den Öffentlichen umher- Mensen, sozio-kulturelle Einrichtungen fahren dürfen. und Initiativen. Die StudierendenschaftsDie 15,34 Euro, die wir alle dem AStA und vertretung und die studentische Selbstdem StuPa pro Semester zur Verfügung verwaltung sind für die Finanzierung der stellen, sollen für die Finanzierung der Arbeit aller studentischen Gremien und Arbeit aller studentischen Gremien und zur Förderung kultureller, sportlicher und

hochschulpolitischer Projekte sowie zum Ausgleich sozialer Härte verantwortlich. Genau hierin liegt ein großer Unterschied zu unseren südlichen Bundesländern, wie Baden-Württemberg und Bayern. Dort wurden die Rechte der Studierendenschaften eingeschränkt. Hier gibt es aktuell keine verfasste Studierendenschaft (keine gesetzlich vorgeschriebenen Fachschaften, keinen AStA oder Vergleichbares und keine Möglichkeit Sozialbeiträge zu erheben, (also keine Finanzhoheit der Studierenden), sondern nur teilweise unabhängige Studierendenvertretungen. In meiner kleinen hochschulpolitischen Einführung geht es mir um die Gremien, die es in Süddeutschland nicht gibt, also um die studentische Selbstverwaltung. Dazu solltet ihr aber folgende Begriffe und deren Bedeutung kennen, die man im Uni-ABC findet: Da gibt es die Studierendenschaft, das StuPa, den AStA, die Fachschaft und den Fachschaftsrat und die Vollversammlung:

Studierendenschaft Die Studierendenschaft – das seid ihr! Also alle Studierenden der Viadrina. Die Studierendenschaft hat das Recht zur Selbstverwaltung und Interessenvertretung, dazu gibt es verschiedene >Gremien der >studentischen Selbstverwaltung Studierendenparlament (StuPa) Einmal im Jahr wird von den Studierenden das Studierendenparlament gewählt. Das StuPa befasst sich – anders als die >Fachschaftsräte – mit fachübergreifenden Angelegenheiten bezüglich der Hochschule. Es setzt sich wie im Bundestag aus verschiedenen Parteien (>Hochschulgruppen) zusammen. >Wahlberechtigt sind alle (sowohl deutsche als auch ausländische) Studierenden der Viadrina. Sind die StuPa-Mitglieder gewählt, arbeiten sie ein Jahr in diesem >Gremium. Eine wichtige Aufgabe des Parlaments ist u. a. die Wahl des >AStA und dessen Kontrolle. Das StuPa beschließt den Haushalt der >Studierendenschaft und entscheidet über große >studentische Projekte. Außerdem arbeiten die ParlamentarierInnen in verschiedenen Ausschüssen zu speziellen Themen. Die Sitzungen sind öffentlich, Studierende können zu Beginn immer Fragen, Anregungen und Kritik loswerden.


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AStA – Allgemeiner Studentischer Ausschuss

können jedes Mal Fragen gestellt und Anregun-

Der AStA ist im Prinzip die Exekutive der >Stu-

gen und Kritik angebracht werden. Der AStA wird

bekommt Ihr auch Hilfe, wenn es um Hausarbei-

dierendenschaft. Er vertritt die allgemeinen In-

gewählt vom Studierendenparlament meist zwi-

ten und Klausurenstress geht. Auch Erstifahrten,

teressen der Studierenden an der Viadrina und

schen Juni und August. Jede(r) Studierende kann

Stadtrallyes, Stammtische und Partys (wie die

führt Beschlüsse des >StuPa aus oder stellt eigene

sich zur >Wahl aufstellen lassen. Der AStA ist auch

Semestereröffnungspartys) gehören zum Reper-

Projekte auf die Beine. Er besteht aus 9 Referen-

Ansprechpartner für das >Semesterticket und die

toire der FSRs.

tInnen, die sich auf den Gebieten ADV, Finanzen,

zugehörigen >Härtefallanträge. Er fördert >stu-

Hauptreferat,Hochschulpolitik, Internationales,

dentische Projekte und >studentische Initiativen

Vollversammlung

Kultur, Öffentliches, Soziales und Sport für ihre

auf Antrag (siehe Homepage). Der AStA befindet

Wie man sich schon denken kann, treffen sich hier

Mitstudierenden engagieren. Aufgaben des AStA

sich in der Paul-Feldner-Straße 9. Das Pendant auf

alle Studierenden – entweder uniweit oder auf

sind die hochschulpolitische Vertretung der Stu-

polnischer Seite ist der >Rada Samorz�du Studen-

Fakultäsebene

dierenden gegenüber der Hochschule, dem Land

ckiego (RSS) des >CP.

Wenn mind. 5% der Studierenden da sind, ist die

und der Öffentlichkeit, die Verwaltung der Finanz-

Profs vermitteln, falls es mal Probleme gibt. Hier

(Fachschaftsvollversammlung).

VV beschlussfähig, und kann dann sogar >StuPa

mittel der Studierendenschaft, die Beratung der

Fachschaft

und >AStA Aufträge erteilen und Beschlüsse zu

Studierenden zu verschiedensten sozialen und

Die Fachschaft ist die Gesamtheit der Studieren-

aktuellen Themen fassen. Außerdem bekommt

studentischen Themen sowie der Organisation ei-

den eines Fachbereichs. >Vollversammlung.

nes Kultur- und Sportprogramms. Er arbeitet mit

ihr jede Menge Infos, zu dem, was eure gewählten VertreterInnen für Projekte machen, wofür sie

den >Fachschaften und den >studentischen Ini-

Fachschaftsrat

sich einsetzen und wofür sie das Geld ausgeben.

tiativen zusammen und setzt sich kontinuierlich

Die Fachschaftsräte setzen sich für studentische

Die VV auf Uniebene findet einmal im Jahr statt,

mit den hochschulweiten >Gremien auseinander.

Belange ihrer Fachschaft, also allen Studierenden

meist im Mai.

Auch in der >BrandStuVe engagiert er sich lan-

in einem Studiengang oder in einem Fachbereich

desweit und ist Mitglied im bundesweiten >Ak-

ein. Bei den >FSR erhaltet ihr Hilfen zum Studium

tionsbündnis gegen Studiengebühren. Er tagt in

aus studentischer Sicht. Die FSR beteiligen sich

der Regel alle 1-2 Wochen in der Vorlesungszeit

bei der (Mit-)Organisation der Einführungstage

und seltener in der vorlesungsfreien Zeit. Zu den

und den Ersti-Tutorien, geben fachbezogene In-

Sitzungen seid ihr herzlich eingeladen, zu Beginn

formationen und können zwischen Euch und den

Neben diesen regionalen studentischen Institutionen und Gruppierungen gibt es auch überregionale Vereinigungen, wie z.B. die „Brandenburgische Studieren-


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denvertretung“, die „International Union of Students“ oder den „freien zusammenschluss von studentInnenschaften“, um nur einige zu nennen, die sich auf höheren Ebenen um die Belange der Studenten kümmern. Wie sieht nun eine Vollversammlung aus? Was beschließt das StuPa? Was macht der AStA, wenn er gerade nicht mit studentischen Geldern spekuliert? Jetzt kommen ein paar persönliche Eindrücke für dich: Während der letzten Vollversammlung wurden aktuelle Themen der Uni angesprochen und, wenn sie dann beschlussfähig gewesen wäre, hätte sie Beschlüsse fassen können. Als ich mit ein paar anderen Studenten in den leeren Reihen des Audimax saß, konnte ich zum Beispiel erfahren, dass um die Universität ein neuer Park entstehen soll, dass der Studentenbus nach S�ubice ab November wieder fahren soll und das über einen Anschluss des AStAs an eine überregionale Studierendenvertretung nachgedacht wird. Die letzte StuPa-Sitzung vom 21.10.2008 muss wohl eine der spannendsten der letzten Jahre gewesen sein. Im Vorfeld hatte ich schon kontroverse Diskussionen der Abgeordneten mitverfolgen können. Neben dem für die Initiativen wichtigen Beschluss über die Förderungsgelder und dem Finanzskandal des letzten AStAs wurde auch

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der Austausch aller Glühbirnen in den Studentenwohnheimen gegen Energiesparlampen beschlossen. Eigenartig und sehr befremdlich, ja sogar lächerlich war aber, dass das StuPa demokratisch über Anträge auf fünfminütige Pausen abstimmt. Auch der Antrag auf Änderung der Mülleimerbeschriftung in der Viadrina, weil nicht genau daraus hervorgeht, in welchen der drei Eimer Papier geworfen werden sollte, war für meine Begriffe etwas kleinlich. Wie auch immer… Leider gibt es, trotz der vielen Möglichkeiten, die uns die studentische Selbstverwaltung gesetzlich bietet, Probleme, die den Gremien ihre Arbeit erschweren: Ein Problem der Vollversammlung ist zum Beispiel, dass schon mehrere Jahre wegen geringer Beteiligung keine mehr beschlussfähig war, und somit wichtige Entscheidungen nicht gefällt werden konnten. Die letzte fand am Tag des Fußballeuropameisterschaftsspiels Deutschland gegen Österreich im Audimax statt. Trotz dem darauf hingewiesen wurde, dass nur Anwesende der Vollversammlung ein Anrecht auf eine Platzkarte bei der Sportübertragung hätten, kamen weniger als 250 Studenten. Somit konnten wieder keine Beschlüsse gefasst werden, obwohl sich im Vorfeld fast alle sicher waren, dass es diesmal wegen des Spiels klappen würde.

Ein anderes großes Problem aller studentischen Gremien neben der geringen Beteiligung ist die große Fluktuation der Mitglieder, die durch die Einführung der Bachelor/Master-Studiengänge nun noch weniger Zeit durchgehend an der Viadrina und in den Studentenvertretungen verbringen. Solch ein Kommen und Gehen erschwert die kontinuierliche Arbeit, da öfter wichtige Posten neu besetzt werden und „Neulinge“ sich erst einarbeiten müssen, bevor sie richtig mit der Arbeit loslegen können. Wegen der Vorteile der studentischen Selbstverwaltung und ihrer eventuellen Probleme, wie dem Finanzskandal (s. Seite 8), ist die studentische Selbstverwaltung nicht unumstritten. Deshalb möchte ich dir hier schon einen Ausblick auf die nächste vivadrina geben, in der ich ein Streitgespräch über den Sinn oder auch Unsinn studentischer Selbstverwaltung plane. Ich hoffe, mein kleiner Exkurs hat dir die Struktur der studentischen Gremien vor Augen führen und ein bisschen Licht ins Dunkel des Studienalltags bringen können. Wenn du es noch genauer wissen willst, kannst du einfach in den Hochschulpolitikreader schauen.

Eine Kirche, Instrumente, Zuhörer, gelbe Dort proben wir, die Viaphoniker. 1995 von einer Studentin gegründet und seit Blumen, Konzert. Ein Ball, schicke Menschen, Konzertklei- ´97 ein Verein, pflegen wir die instrumendung, Auftakt. tale Musik an der Ein Schloss, ein See, ne Menge Enten, ein Uni. Wir haben Probenraum vollgestopft mit Musikern. ein ProbenwoEine Gardarobe voller Cellikoffer und Gei- chenende auf Schloss Rheinsgen, Wein, Bier, Gyros. spielen Eine gigantische Festung, etwas Militär, berg; Burkas, Kinder, viel Wind und wehende zu Anlässen der Noten, westliche Klänge im östlichen Syri- Uni, wie dem en, wo die Reise unseres Uniorchesters im Uniball und geben zu SemesSommersemester 2008 uns hinführte . terende zwei Viaphoniker? Das bedeutet vor allem: ein Konzerte: Eins in gut gelaunter Haufen netter Leute, Noten, Frankfurt, eins Celli, Geigen, Querflöten, Saxophon, ein in Polen; beiDirigent, Kontrabässe, Trompete, Klarinet- de zusammen ten... und macht zusammen: Musik jeden mit dem akadeDienstag Abend von 18 bis 21 Uhr im Au- mischen Chor. dimax. Letztes Semester waren wir beim

Musical „Brats!“dabei und machten wie schon erwähnt eine Konzertreise nach Syrien, die uns alle begeisterte. Darüber fin-

Viele liebe Grüße cb

Das Uniorchester Die Viaphoniker


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det ihr übrigens zu Beginn des Semesters eine Ausstellung im Foyer des GD. Obwohl das alles schön klingt, habenwirleider ein Problem, da ein Drittel der Viaphoniker für dieses Semester ins Ausland gegangen ist. Deshalb herrscht bei uns nun Mangel an Musikern, vor allem

an Streichern, aber auch generell. Aus diesem Grund dieser Werbeaufruf: kommt in Scharen und lasst uns Musik machen! Es ist eine Gelegenheit das Instrument nicht verstauben zu lassen, die vielen Musikunterrichtsstunden nicht zu vergessen und Neues zu lernen; Freude an der Musik mit anderen zu teilen und in Konzerten weiterzugeben; nicht nur für Vorlesungen an der Uni zu sein – als Berliner vor allem, ich spreche da aus Erfahrung... – also, meld dich, komm vorbei und spiel mit! Melden bitte bei Franzi, unserer ersten Vorsitzenden: f.myck@gmx.net, 0049 157 734 634 64 Eva Brückmann 2. Vorsitzende der Viaphoniker

Den Gründergeist aus der Flasche lassen Das im April 2008 gegründete Centre for Entrepreneurship (CfE) der Viadrina wird in Zukunft Studierende und Mitarbeiter der Universität beim Weg in die Selbständigkeit unterstützen. Die dem ZSE unterstehende Abteilung bietet Erstberatungen an, veranstaltet Workshops und einen Gründertag pro Semester. Die Mitarbeiter kennen die richtigen Ansprechpartner in der Region, die bei speziellen Fragen aller Art zur Verfügung stehen und auch bei der Beschaffung von Fördermitteln unterstützen können. Außerdem stellt das CfE gemeinsam mit dem Business and Innovation Centre (BIC) im Technologiepark Räume für die erste Zeit der Selbständigkeit zur Verfügung. Geleitet wird das CfE von der Steuerberaterin und ehemaligen Gründerin Liv Kirsten Jacobsen, die seit November 2007 auch Honorarprofessorin an der Viadrina ist. Schon seit einigen Jahren bietet sie im Wintersemester das Seminar „Businessplan“ an, in dem Studierende ihre eigenen Geschäftsideen in einem fundierten Konzept zu Papier bringen. Im Sommersemester gibt es mittlerweile ein weiteres Seminar, welches das Thema „Entrepreneurship“ etwas theoretischer und wissenschaftlicher betrachtet. Der Zuspruch der Teilnehmer ist erheblich, zwischen 70-100 Teilnehmer kommen jedes Semester in die Veranstaltung und haben neben viel Arbeit vor allem eines: Spaß.

Gründen gehört in der Regel nicht zu den bevorzugten Karrieremöglichkeiten, wenn man Absolventen fragt. Warum eigentlich nicht? Denn es ist eine der besten Möglichkeiten, eigene Ideen kreativ in Taten umzusetzen. Ein Unternehmen nach den eigenen Vorstellungen und Ideen aufzubauen, mit Willen, Energie, Kreativität und Kraft am Leben zu erhalten und sich gegen Konkurrenz durchzusetzen, ist ein unvergleichliches Erfolgserlebnis. Mit Begeisterung für die eigene Sache den ganz eigenen Weg zu gehen, sich Herausforderungen zu stellen und die selbstgesetzten Ziele zu erreichen, macht außerordentlich zufrieden. Man erntet, was man sät. Das macht selbstbewusst und stolz, gerade dann, wenn es schwierig war. Darüber hinaus ist die Gründung eines eigenen Unternehmens weit mehr, als ein Job, es ist ein Lebensstil. Wenn man gründet, dann ist man kein kleines Rädchen im Getriebe einer großen Maschine; eine Gründung hat viel mit eigener Zufriedenheit und gesellschaftlicher Verantwortung zu tun und nicht nur mit dem puren Geldverdienen. Den meisten Gründern ist das Lächeln glücklicher Kunden wichtiger als das Geld. Wer drängende Probleme löst, anderen Menschen das Leben erleichtert, sichere Arbeitsplätze schafft und motivierte Mitarbeiter beschäftigt, verbessert die Welt - wenigstens ein kleines Bisschen. Diese Erkenntnis lässt einen Gründer Tiefschläge einstecken und durchhalten, denn:

Sie motiviert ungemein, mehr als Geld und Ansehen es je vermögen. Und es gibt noch einen weiteren Grund: Sichere Jobs gibt es heute nicht mehr. Gerade Großunternehmen streichen auf einen Schlag tausende Stellen oder verlegen ganze Abteilungen ins Ausland. Die Finanzkrise wird diese Entwicklung sogar noch befördern. Sein eigenes Unternehmen aufzubauen ist da deutlich sicherer, denn je klüger man es anfängt, desto wahrscheinlicher ist ein hohes Maß an finanzieller Unabhängigkeit. Das beruhigt. Außerdem ist man nicht an Gehaltsklassen gebunden. Je besser es dem Unternehmen geht, desto mehr verdient man selbst – es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, um wohlhabend zu werden, als ein gut laufendes Unternehmen zu gründen. Gemeinsam mit der KOWA und den Freunden und Förderern des CfE in der Region, den Sparkassen MOL und Oder-Spree, der IHK, der Handwerkskammer, dem BIC, der AOK und Arcelor-Mittal bilden wir ein starkes Team. Die Mitarbeiter des CfE sind montags bis donnerstags 10-13 Uhr und nach Vereinbarung im AB 103 - 104 (mail: cfe@euv-frankfurt-o.de) für alle Interessierten da. Wenn da also hinten eine Geschäftsidee im Kopf herumspukt - nichts wie hin! Liv Kirsten Jacobsen


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Quo vadis Collegium Polonicum? Wie wird das Collegium Polonicum (CP) in Zukunft aussehen? Was wurde während der letzen 15 Jahre erreicht? Wie sieht die aktuelle Zusammenarbeit zwischen CP und der Europa Universität Viadrina aus? Das waren nur einige Fragen, die anlässlich des 15. Jubiläums der Slubicer Universität im Rahmen der Veranstaltung „Quo vadis Collegium Polonicum“ am 13. Oktober vor Ort diskutiert wurden. Über die Geschichte und Zukunft des CP sprachen an diesem Tag u.a. dessen Direktor Dr. Krzysztof Wojciechowski, die ehemalige Präsidentin der Viadrina, Prof. Gesine Schwan, der Rektor Prof. Stanislaw Lorenz und Gründungsrektor Prof. Knut Ipsen. Weiterhin gehörten zu den Gästen der Rektor Prof. Jerzy Federowski, Minister Prof. Stefan Jurga, sowie der Slubicer Bürgermeister Ryszard Bodziacki, und die Oberbürgermeister von Frankfurt Martin Patzelt und Marcin Krzymuski.

Aller Anfang ist schwer Noch im Jahre 1991 erschien die Idee eines Collegium Polonicum, einer polnischen Universität in Slubice, fast unmöglich. Die Stadt Slubice war grau und schmutzig, die deutsch-polnische Grenze war leider auch

eine soziale Grenze. So ließ die ökonomische Situation von Slubice die Gründung einer Universität kaum zu. Heutzutage existiert eine solche Grenze nicht mehr, jetzt dürfen junge Polen überall in der EU studieren. Im Jahre 1993 befand sich das Collegium Polonicum als Gebäude und Studienort erst in der Planungsphase. Die Idee eines polnischen Rechtsstudiengangs war zwar sehr schön, aber die Wirklichkeit sah eher traurig aus. So hatte man bereits Schwierigkeiten damit 70 Stühle für Vorlesungen bereitzustellen. Direktor Wojciechowski hielt jedoch am Projekt des CP fest, da es eine überaus wichtige Bedeutung für die Beziehung zwischen Deutschland und Polen hatte. Der Studienort mit dem Campus ist bis jetzt die größte akademische Investition in Polen seit den 90er Jahren. Dafür brachten die Adam-Mickiewicz-Universität, die polnische Regierung und die Europäische Union insgesamt 40 Millionen Euro auf. Pläne für das Collegium Polonicum Herr Wojciechowski unterstrich die zukünftig wichtigsten Aufgaben und Missionen des CP: die deutsch-polnische Zusammenarbeit und die interkulturelle Kompetenz der Bewohner in der Grenzregion sollen weiter gefördert werden. Die Stiftung des

Collegium Polonicum ermöglicht hierfür seit Langem verschiedene Sprachkurse und Grenzprojekte, wie die kostenlose studentische Rechtsberatung. Die Zusammenarbeit des CP mit der Viadrina ist einzigartig in Europa, denn sie umfasst nicht nur Forschung und Didaktik, sondern auch die Bereiche Verwaltung, Finanzen, Technik und Kommunikation. Interkulturelle Kompetenz spielt also auch hier eine große Rolle. So werden im CP zahlreiche Aufgaben von der Viadrina realisiert. Daher müssen die Mitarbeiter nach den Regeln des Nachbarlandes arbeiten und sich kulturell anpassen. Eine weitere Besonderheit ist das Kriterium der „Proportion“, wobei im gleichen Maße sowohl Dozenten als auch Studenten an den Projekten in der Grenzregion teilnehmen. Laut Wojciechowski ist das Interesse von polnischer Seite dabei allerdings höher. Der Bürgermeister Bogacki sprach an diesem Tag auch über die Besonderheit der Grenze und ihre Öffnung. Noch vor einigen Jahren bot das Überqueren der Grenze noch eine Möglichkeit für ein anderes und vielfach besseres Leben. Nicht nur durch ein Studium an der Viadrina, auch die besondere interkulturelle Erfahrung. Junge Polen dürfen seit dem EU-Beitritt Polens


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überall studieren. Das ist zwar eine Chance für die Europäische Union, aber eine Gefahr für Slubice.

Collegium Polonicum der Zukunft Dr. Stefan Jurga sprach über die bedeutsame Idee, die gemeinsame Zukunft zu gestalten. So solle das CP Ausbildungsmöglichkeiten für die Eliten anbieten, die später in den europäischen Institutionen arbeiten möchten. Auch die Zusammenarbeit mit den Balkanländern sowie der interkulturelle Dialog mit ihnen gehört zu einem wichtigen Projekt. Die Staaten östlich der EU-Grenze sollen ebenfalls miteinbezogen werden. Die Studierenden sollen sich dazu mit der Kultur und den Problemen der Demokratie in diesen Ländern beschäftigen. Um die wirtschaftliche Entwicklung der Region zu unterstützen, solle die Viadrina Studiengänge wie Transportwesen und Tiermedizin anbieten, da diese Bereiche Fachkräfte brauchen. Das CP will auch den Bedürfnissen der Region entsprechen und den Studenten damit die Möglichkeit geben Kenntnisse für das zukünftige Arbeitsfeld zu erlangen. Prof. Gesine Schwan ist der Meinung, dass eine Ausweitung der mehrsprachigen Abschüsse, notwendig sei. Damit würde nicht nur eine Europäisierung, sondern sogar

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eine Internationalisierung des Studiums erreicht werden. Polonistik für Ausländer ist bislang kaum bekannt in Deutschland. Das musste verändert werden aber dafür braucht es Zeit z.B. um Werbung zu machen. Dass die Lehre interdisziplinär ausgerichtet ist gehört auch für Prof. Knut Ipsen zur Hauptpriorität. Es ist weiterhin wichtig, dass sich die Stadt Slubice schnell entwickelt und für junge Leute attraktiver wird. Das betrifft nicht nur die Studenten, sondern schon die hier lebenden Jugendliche. Unter der Schirmherrschaft des Collegium Polonicum sollte ein Gymnasium gegründet werden. Die Teilnehmer der Diskussion gaben auch eigene Ideen sowie über den Ausbau des Zentrums für Untersuchungen über die Grenze. Die Lage vom CP ist eine große Chance um ihre Besonderheit ausnutzten. Außer der Thematik der Erweiterung vom Ausbildungsangebot wurde das Problem der Bibliothek, die Bedürfnisse der Leser und das Problem ihrer Finanzierung genannt. Nach den vielen Erfolgen strebte man außerdem eine Neudefinition von Collegium Polonicum an. Das was in den letzten Jahren neuartig und erfolgreich war.

Statistiken und Fakten

Studenten am Collegium Polonicum studiert. Die Universität bietet drei Studiengange an: den Bachelor und Masterstudiengang German and Polish Law, den Master „European Political Studies“ und den Master of Intercultural Communication . Insgesamt 6000 Studenten könnten im Grenzraum Frankfurt (Oder) - Slubice erfahren, wie diese multikulturellen Studien aussehen. In Polen ist die Zahl der ausländischen Studenten relativ gering und die am CP studierenden 20% bilden den größten Teil in ganzen Polen. Das Collegium Polonicum ist auch ein Ort der Begegnung für Prominente aus aller Welt. Zu den wichtigsten Gästen gehörte der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski, Bundeskanzler Kohl und verschiedene EU Kommissare. Die wichtigste Mission habe das CP in dem es ein Ort des polnisch-deutschen Treffens geworden ist bereits erfüllt. Seit dem Jahre 1998 nahmen jedes Jahr 4000 Personen an den Konferenzen, Symposien und Seminaren teil. Zahlreiche Konzerte und Filmpräsentationen ziehen sehr viel Aufmerksamkeit auf sich und sind sehr populär. Der große Erfolg vor den 15 Jahren überrascht auch die Ideengeber. Welche genaue Richtung das Collegium Polonicum in den nächsten Jahren einschlägt, das muss man noch abwarten.

Während der letzten 15 Jahre haben 3000 mp

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Erlebnisbericht eines Erstis Sonntag, 5.Oktober Angekommen! Fünf Stunden Eisenbahnreise bis in die AB mit 60kg Gepäck haben endlich ein Ende! Schnell ist das Zimmer bezogen, neu Mitgebrachtes eingeordnet. Zum Glück brauchte ich nicht alles mitzunehmen, vieles habe ich schon in der Zeit des Mathe-Vorkurses mitgebracht. Diesmal kamen also nur Kleidung und Luxusartikel mit. Die Hanteln mussten leider zu Hause bleiben, wären doch etwas schwer geworden. Noch schnell mit einem Kumpel absprechen, Grill rausholen und Grillplatz für uns einweihen. Dazu billiges Bier aus Mecklenburg. Montag, 6.Oktober Billiges Bier aus Mecklenburg war ein Fehler, der Kopf hämmert. Zum x-ten Mal schwöre ich mir den Alkohol vom Leib. Und dann 9.30Uhr zur Begrüßung der neuen Studenten. Also uns. Laut des „Wegweiser zum Studienbeginn“ macht das Prof. Dr. Gesine Schwan. Mal sehen. Einem Gefühl folgend finden wir uns 20 Minuten vor der Eröffnung im Audimax ein. Wir bekommen

noch Plätze im mittleren Bereich. Später, beim Verlassen des AM, fühlen wir uns auf einem höheren Niveau unwissend. Man hat nicht alles verstanden was gesagt wurde, aber fühlte sich gut, da viele mehr oder minder wichtige Menschen einen herzlich willkommen hießen. Darunter auch ein Herr Pleuger, der anstelle von Fr. Prof. Dr. Schwan die große Begrüßung machte. Nachtrag: Ups, Herr Pleuger ist der neue Präsident der Uni. Kann man da nicht vorgewarnt werden? Die Stadtrallye brachte uns die Stadt etwas näher. Viel Wissen über FfO, das sehr lehrreich aber nur bedingt nützlich ist, wurde uns vermittelt. Aber eigentlich hat man das mehr gemacht, um neue Leute kennenzulernen. Abends dann ein Polnisch-Crashkurs. Es waren weit mehr Leute interessiert, als erwartet wurden. Muss an dem Zusatz “anschließend: Kneipenabend in Slubice“ gelegen haben. Die meisten Teilnehmer haben sich übrigens nur ein polnisches Wort gemerkt: Piwo. Für alles andere hat später Gestensprache ausgereicht.

Dienstag, 7.Oktober Die Fakultäten stellen sich vor. Als IBA’ler darf ich ins AM. Viel wird erzählt, und auf viele Fragen kommt die Antwort „Das ist für euch noch nicht wichtig, meldet euch aber rechtzeitig an“. Alles klar. Tutoren führen uns durch das Gebäude und Umgebung, erklären alles, was wir wissen wollen. Nur etwas leise. Egal, wer was nicht verstanden hat, darf die Tutoren und Studiengangsleiter später noch fragen. Übrigens soll ich jedem sagen, dass Swetlana die beste Tutorin ist. Abends geht es in Hemingways, etwas Internationalität genießen. Man erfreut sich allgemein an den vielen verschiedenen Kulturen, die hier aufeinander treffen. Mittwoch, 8.Oktober Ein Blick auf den Plan verriet, dass es sich heute für mich fast nicht lohnt aufzustehen. Aufwand-Nutzen-Verhältnis stehen einfach ungünstig zueinander. Trotzdem finde ich mich 9.30 Uhr wieder im Audimax. Ahhh, endlich werden Dinge wie


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Auslandssemester/-praktika beleuchtet. Sprachenzentrum stellt sich vor, auch nett. Wichtiger ist mir aber der Info-Markt, an dem sich alle vorstellen, die sich für wichtig erachten. Abends Empfang vom OB. Das Bier schmeckte komisch, das passte aber zu der Rede der Bürgermeisterin, die auf „Studierende, FfO hat zu wenige Einwohner! Macht Kinder für FfO!“ hinauslief. Schnell noch eine Frikadelle schnappen, und zu anderen Partys weiter. Donnerstag. 9.Oktober Wasnf? Wecker? Schon? Wer eine Busexkursion mitmachen will, muss früh aufstehen. Im Nebel sehen wir bis Mittag nur wenig von Brandenburg, auf dem AcelorMittal – Gelände sehen wir nicht mal die angepriesenen großen Schornsteine, oder bei Fußwegen das Ende unserer Gruppe. Bei der Busfahrt unterhielt uns unser Führer mit fachkundigen Erläuterungen wie „Und dort sehen sie einen ... Baum. Er kann ... Früchte tragen. Das ... war den Leuten früher sehr wichtig“. Die Klosterkirche in Neu-Zelle beeindruckte, ebenso das ruhige Schlaubental. Die Ragower Mühle rundete das Erlebnis ab, man erfuhr viele lokale Geschichten. Freitag 10.Oktober bis Sonntag 12.Oktober Die Ersti-Fahrt geht los. Vieles wirft seinen Schatten voraus, etwa machen wir auf der Hinreise mit dem Bus drei von einem Halt. Aber was sollen wir machen, Männerblasen sind ja nur begrenzt strapazierfähig. Und Bier fließt sowieso viel zu schnell durch. Fast so schlimm wie schwarzer Tee (Für alle Küchenmuffel: Schwarzer Tee ist

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wie Eistee, nur mit weniger Zucker und billiger). In Miedzyzdroje angekommen gab es erst Sauerkraut mit Kassler, später Kennenlernspiele. Sie funktionierten gut, Sauerkraut wie Kennenlernspiele. Danach noch schnell in einen kleinen Club, zuschauen wie Halbpolen sich durch die Frauenreihen durchtanzen. Nachts durchschlafen. Ich zumindest. Zimmerkameraden berichteten, dass im Nachbarzimmer Leute sehr laut geschnarcht haben. Gegen 5 Uhr soll auch eine Frau mit Stöckelschuhen nach draußen gegangen sein. Wir vermuten, dass das Hotel in den 50gern eingerichtet wurde, und seit dem nur noch verwaltet wurde. Die Geräuschisolierung und die Inneneinrichtung sprechen jedenfalls dafür. Wo sonst würde man diese rosa Blümchen an den Vorhängen sonst noch finden? Nach dem Frühstück ging es Samstag mit einem Polnischkurs weiter. Hab diesmal mehr mitbekommen als beim anderen Crashkurs. Immer nützlich: Pomoc – Hilfe. Den Rest lerne ich bei Gelegenheit. Danach Studienberatung. Ich soll schreiben, dass Swetlana die beste Tutorin ist. Nach dem Mittag wird die Stadt erkundet. In der Sonne am Sandstrand wir dann Gruppenfoto gemacht, abends gibt es Vorglühen mit kleinen Trinkspielchen.

Die ersten wurden dabei schon unkritisch und neigten mehr zum Alkoholmiss- als Gebrauch. Danach in einen Club. Der war besser als am Vorabend, auch wenn die Musik etwas monoton (Wumm-WummWumm-Wumm-Melodie-Wumm-Wumm) war. Immer mehr Leute verkannten ihre Grenzen, die Luft wurde viel zu schnell zu dicht zum Spaß haben. Sonntagmorgen kamen viele nicht zum Frühstück, sondern standen erst zur Abfahrt gegen Mittag auf. Die meisten waren weit später als ich in unser Hotel zurückgekehrt. Wie sie die Luft im Club noch länger ausgehalten haben, weiß ich nicht. Wahrscheinlich waren die fürs überleben zuständigen Gehirnzellen unlängst abgeschaltet. Nach dem Frühstück noch schnell ein weiteres Mal in der Ostsee baden. Kalt. Nette Polen haben dabei noch Fotos von uns gemacht. Es gibt viele nette Polen. Nett war auch das Essen; obwohl sehr bodenständig gehalten, wurde man gerne satt. Danke an all die netten Organisatoren, die uns Erstis eine solch schöne Woche bereitet haben! marke


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Übermüllte Werbefläche - Große Werbeschwäche Kein Kompliment für’s Werbe-Sortiment, Zeit für’n Experiment mit Advertisement.

Morgens halb eins in Deutschland: Hungergetrieben läuft Edward Iceman ins Atrium des Gräfin-Dönhoff-Gebäudes und ist in Gedanken schon bei seinem Mittagessen. „Hast Du schon die neuste Vivadrina?“ schallt es von links und lässt Ed kurz rüberschauen. „Ja, hab ich“, spricht er und geht zwei Schritte weiter. „Hier, das ist der Flyer für die Party am Donnerstag. Willst Du ’ne Eintrittskarte kaufen?“ Das Stück Papier in der Hand haltend, antwortet er: „Nein, aber vielleicht nach dem Essen...“ Edward malt sich gerade aus, wie lecker wohl das Stück Fleisch schmecken würde, als er wieder angesprochen wird: „Hey, warst Du schon wählen? Sind doch grad StuPaWahlen!“ Leicht genervt geht er weiter: „Nein, hab ich nicht. Mach ich morgen bestimmt.“ Wie köstlich das Gemüse wieder schmecken würde. Der arme Student hat kaum Zeit darüber nachzudenken, als sich eine junge Dame vor ihn hinstellt: „Hi Du. Ich bin von der UNICEF-Gruppe und wir betreuen gerade eine Blutspendeaktion im Hauptgebäude. Warst Du schon spenden?“ - „Nein, war ich nicht“, spricht er daraufhin. „Aber mein Kopf fängt gleich an zu bluten, so wie ich hier von euch zugeballert werde!“ Verständnislos blickt die Frau ihn an und distanziert sich vom gereizten hungrigen Studenten. „Hallo! Liest Du gerne? Falls ja, wäre unser Zeitungsabo...“ Ob unser Iceman jemals sein Mittagessen erreicht? Ich weiß es nicht. Aber die Zustandsbeschreibung im GD ist besonders dann treffend, wenn Initiativen, Partys und Co. Hochkonjunktur haben. Wenn jeder sein Zeug an den Mann bringen möchte, ist gute Werbung oder das direkte Ansprechen eben nötig. Getreu dem Motto „Wer nicht wirbt, der stirbt“, befinden sich schwarze Bretter besonders Mitte des Semesters in einem so abstoßenden und unübersichtlichen Zustand, dass unsere lieben Werbenden gerne auch auf Säulen, Türen und Fenster ausweichen. Hauptsache der Student sieht es. Zu Beginn des Semesters ist noch alles ruhig: Erstmal schauen, welche Kurse man besucht, ehe man sich in Arbeit stürzt. Schwarze Bretter, die übersichtlich sind. Das ist unser Luxus in den ersten Semestertagen. Da macht Werben noch Spaß! Gegen Ende des Semester ist es nochmal was anderes: Die veralteten Plakate längst vergangener Veranstaltungen blo-

ckieren den Platz für aktuelle Sachen. Auch da sieht keiner mehr durch, der sich mal eben informieren möchte. Irgendwann in der vorlesungsfreien Zeit kommt dann der Segen: Er heißt „Mülleimer“ und bringt reinigendes Licht auf die schwarzen Bretter. Sind wir an der EUV zu aktiv, was das Außeruniversitäre angeht? Bei der beschränkten Anzahl der schwarzen Bretter könnte man das zumindest vermuten. Sind wir zu unordentlich, was das richtige Werben an unseren flachen Litfaßbrettern betrifft? Die Folgen davon sind ebenso einleuchtend, wie nicht überraschend: Die Produkte kommen nicht an, weil es zu viel wird. Unserem Edward Iceman aus der Einleitung ging es nur an einem Tag so. Zugebeben, das war etwas überspitzt. Aber wenn wir uns vor Augen halten, wie wir denken, nachdem wir innerhalb von zwei Wochen täglich von drei Leuten angequatscht wurden, die uns etwas andrehen wollen, woran wir nicht interessiert sind, dann schalten wir irgendwann ab. Gleiches Phänomen bei den schwarzen Brettern: Wenn dort zuviel hängt, möchte es keiner mehr lesen. Und wie heißt das Phänomen, das ich hier andeute? Es heißt Werberesistenz. Erschreckend, dass es noch Studenten an der Viadrina gibt, die nach mehreren Semestern noch immer nicht wissen, dass wir eine Zeitung namens Vivadrina haben. Ich hatte das Glück mit einer solchen Person zu sprechen. Das Interview fing mit dem Satz an: „Eigentlich bin ich nicht der richtige Gesprächspartner dafür.“ Natürlich nicht, immerhin wurde die innere Haltung im Laufe der Zeit gefestigt und ein automatisierter Abwehrreflex antrainiert. Allerdings lieferte das folgende Gespräch einige Erkenntnisse. Zu glauben, dass es zuviel Werbung ist, war (m)ein Irrglaube. Gründe für das Desinteresse angebotener Dienste liegen nämlich ganz woanders. Nehmen wir Party-Flyer als Beispiel. Diese haben das Problem, dass sie alle gleich aussehen. Schon

von Weitem ist zu erkennen, dass es PartyFlyer sind. Uninteressant werden die Dinger dadurch, dass nie das Gefühl aufkommt eine Party verpasst zu haben, weil man von Kommi-Tonnen meist eh gefragt wird, ob man zu dieser oder jener Party mitkommt. Anderes Beispiel sind die schwarzen Bretter. Warum werden sie nicht wahrgenommen? Weil sie nicht auf dem Weg nach draußen liegen. Einzig die Pinnwand vor der Bibliothek erscheint als guter Werbeplatz, da sie auf dem Weg zum Selbststudium in der

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Bibo liegt. Und warum werden die anderen schwarzen Bretter nicht wahrgenommen? Weil der normale Student nach der Vorlesung erstmal raus will, gegebenenfalls seine Lunge beschmutzen. Und wenn man schon mal draußen ist, fällt der Weg wieder rein zu gehen noch schwerer. Erst recht, wenn gleich die Tram kommt und einen nach Hause oder ins AB fährt. Aber all das ändert nichts daran, dass die normale Werbung nicht ankommt. Nur die Ursachen sind andere. Doch wie schaffen wir es, das Werben erträglich zu machen und eine Werbeflut im Zenit des Semesters zu verhindern? Wohlmöglich stiege dann auch das Interesse der Studierenden. Eine Variante wären mehr schwarze Bretter für reine Werbeflächen. Damit müssten Werbende nicht auf Türen und Fenster ausweichen. Problem hierbei ist, dass sie dort trotzdem ihr Plakat anprei-


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sen würden, um größtmöglichen Werbeeffekt zu haben. Eine weitere Möglichkeit wären klar abgegrenzte Bretter für Partys, Nachmietersuche, Univeranstaltungen, Initiativen, Jobs und Sonstiges. Dabei hätten wir aber das Problem, dass einige Leute nicht diszipliniert genug wären, um die gesteckten Rahmen einzuhalten. Außerdem wären es zu viele Bereiche, nach denen wir auch extra erst suchen müssten („Wo standen nochmal die Partyinfos?“). Dritte Möglichkeit wären WENIGER schwarze Bretter und das Verschieben der ganzen Propaganda auf die calendrina. Für Internes an der Uni würde das vermutlich auch klappen. Aber Externes und Dinge ohne spezielles Datum („Biete Nachhilfe im Wurzel ziehen“) würden auf der Strecke bleiben. Bei weniger schwarzen Brettern wäre auch das Problem, dass wir erst das richtige Brett finden müssten und es dem Zufall überlassen wäre, ob wir genau das aufstöbern, wonach wir gesucht haben. Wäre ja dann eng auf den Pinnwänden. Der letzte und vermutlich beste Vorschlag ist, dass regelmäßig die Aktualität der Reklame kontrolliert wird, und zwar von den Werbenden selbst. Denn Abgelaufenes muss abgemacht werden. Seit den vielen Semestern, die ich hier schon studiere, fällt mir wiederkehrend auf, dass alte Zettelchen die Pinnwände blockieren. Ein Deal wäre auch, dass nur dann etwas neues rangehangen

Anzeige:

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wird, wenn gleichzeitig etwas Abgelaufenes abgenommen wird. Das würde nicht sehr lange dauern und wir könnten die Pinnadeln gleich wieder verwenden. Zum Schluss noch ein unrealistischer Vorschlag: Nur noch über Monitore werben und alle sonstigen Werbeflächen abschaffen. Das hätte zumindest mehr Stil. Mehr Stil, ja das wünsche ich mir. Ich habe

lange genug beobachtet, was jedes Semester an unserer geliebten Uni passiert. Es wird Zeit, dass wir etwas ändern. Aufgerufen sind alle PR-Leutchens und die Studenten. Würden diese empfänglicher sein, müssten Werbetrommel-Agenten nicht so einen Riesenaufriss machen. Also: Gemeinsam anpacken und Edward Iceman nicht verhungern lassen! gm


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Ein Nachruf

In memoriam

Kittsteiner – den Namen hört man wiederholt an der Viadrina. Ein Bild, das sich einstellt. Erinnerungen, vielleicht auch das ein oder andere wehmütige Seufzen. Wer neu ist in Frankfurt wird überrascht sein, angesichts der bewegten Erinnerung. Abseits der Nachrufe auf einen hochgeschätzten Intellektuellen bleibt uns Studierenden die Erinnerung an einen bewunderten Dozenten. Viele werden an seine unvergleichlichen Seminare zurückdenken. Schlag Viertel betritt er mit langen Schritten freudig den Seminarraum, streift sich noch Mantel oder Jackett ab und beginnt den Faden der vergangenen Sitzung aufzunehmen. Wir sind mitten in einem Seminar zu „Friedensunfähigen Religionen?“, der „Kulturgeschichte des 1. Weltkrieges“ oder der „Deutschen Geschichte in den Stu-

während seiner „Deutschen Geschichte in den Stufen der Moderne“, als er uns von Zeit zu Zeit erklärt, weshalb er sich entschlossen hat, die Kapitel seines Buches und damit den Seminarplan wieder umzustellen.

fen der Moderne“. Nach ein, zwei Augenblicken sind alle in seinen Duktus hineingezogen. Eine ironische Anekdote hier, ein prägnantes Zitat 1 , eine Liedstrophe da (gesungen natürlich!), lockern auf und illustrieren. Von Zeit zu Zeit wischt seine Hand mit einem eleganten Schwung die Silbermähne aus der Stirn. Der Kreis der Kenner schmunzelt erwartungsvoll, sobald er mit Kreide versehen sich der Tafel nähert; man weiß, ein Ideengewebe, ein Tafelkunstwerk wird entstehen…

Markant auch sein Gang: große Schritte, Rücken und Kopf in Gedanken nach vorne gebeugt. Was mag ihn beschäftigt haben: Weltgeist, Weltmarkt, Weltgericht? Markus von Kiedrowski

Andere einzelne Momente tauchen vor dem inneren Auge auf: Wie er von einem Gedanken Montesquieus ausgehend plötzlich ins Französische verfällt, wie er mit der ihm eigenen schelmischen Art aus seiner Tasche das Modell einer V2 hervorzaubert. Dann Augenblicke, die uns an seinem Denk- und Arbeitsprozess Anteil haben lassen; so

Die akademische Trauerfeier findet am 27. November um 17:00 Uhr im Hörsaal 1 statt.

Prof. Dr. Heinz Dieter Kittsteiner vor einem seiner legendären Tafelbilder; er verstarb völlig unerwartet am 18. Juli 2008

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Mit der exakten Seitenangabe in der Marx-Engels-Gesamtausgabe.


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Vom Odersand an den Mittelmeerstrand Erasmuseindrücke aus Nizza

Füße, die in die Pedale treten, Füße, die auf Rollen dahingleiten, Füße in Joggingschuhen. Füße, die schlendern, die hasten, die stehen bleiben...und dazwischen Füße, die waagerecht von einer Bank ragen, regungslos, denn sie gehören einem, der den Schlaf der Seligen gefunden hat, mitten in der Menge, vor der prächtigen Kulisse nobler Hotels entlang der Strandpromenade. Auf Kopfhöhe stehen seine Habseligkeiten, sorgsam in zwei Plastikbeutel gestopft. Er scheint gänzlich ungestört vom Geschrei der Passanten, dem Gebrumm der Motorräder und Gehupe der Autos, die beinahe das Geräusch der Wellen übertönen, die in der Baie des Anges, der „Engelsbucht“, gegen das steinige Ufer klatschen.

Meeresufer vom Hafen bis zum Flugha- auch in Form von Kirchen verschiedener fen begleitet. Zur Stoßzeit stauen sich die Konfessionen, orthodox, baptistisch, unter Fahrzeuge auf der Straße, die Menschen anderem, und Friedhöfen, für diejenigen, drängen sich an den Bushaltestellen. Die die ihre Krankheit trotz Luftveränderung abwechselnd öffentlichen und zu Hotels dahinraffte. Die anglikanische Gemeinde gehörigen Strandabschnitte haben sich besitzt außerdem eine Bibliothek, in der jedoch seit Anfang September merklich sich angeblich noch heute alte englische geleert, nur ein paar Späturlauber, hartge- Damen zum Bridge treffen. sottene Franzosen und natürlich Erasmus- Die Vergangenheit tritt aber nicht nur darin studenten lassen sich noch in den türkis- zutage, was sich als Klischee einer „Stadt farbenen Wellen schaukeln. An die Ohren der Reichen und Schönen“ – von einigen der Spaziergänger dringen vorwiegend korrigiert zur „Stadt der Reichen und Alten“ französische Worte und nicht mehr Italie- – über Nizza durchgesetzt hat. Ein Flair munnisch, Englisch, Deutsch oder die Sprache terer Lebendigkeit vermitteln die mehrstöder nouveaux russes, die für die Einheimi- ckigen Häuser in der verwinkelten Altstadt, schen zum Synonym der nouveaux riches, deren schlichte Fassaden in warmen Gelbder Neureichen, geworden sind. und Orangetönen leuchten und zig Fenster mit Fensterläden besitzen, denen man ansieht, wie viele Generationen von Händen sie unzählige Male geöffnet haben, um die Wäsche auf die Leinen über den Gassen zu hängen. Natürlich verursachen die Preise in den zahlreichen kleinen Läden, Restaurants und Cafés jedes Mal wieder einen kurzen Herzstillstand. Gelegentlich nimmt man sie in Kauf, ein Picknick mit Verpflegung aus dem Supermarkt in fröhlicher Runde am Strand ist aber eine keineswegs zu verachtende Alternative. Überhaupt macht das ständige Urlaubsgefühl so einige Nervenverluste wieder wett, die in den ersten Wochen der Orientierungslosigkeit, bei der anstrengenden Wohnungssuche und im französischen Bürokratiedschungel, unvermeidlich auftreten.

Einziehen, Einschreiben, Eingewöhnen Vieux Nice: In den Winkeln der Altstadt tummeln sich vor allem Touristen

Chic und Charme Die Promenade des Anglais ist eine der Hauptverkehrsachsen Nizzas. Früh morgens ist es eine Wonne im Bus am dämmergrauen Meer entlangzufahren, während sich über dem Felsen am östlichen Ende der Bucht tiefrot ein weiterer sonniger Tag ankündigt. Ab dem frühen Mittag bevölkern Scharen von Fußgängern und Radfahrern den einige Meter breiten und kilometerlangen Bürgersteig, der das

Befänden wir uns noch in der Belle Epoque des 19. Jahrhunderts, dann träfen die Touristen wohl gerade erst ein, zum Überwintern. Sie profitierten vom angenehmen Mikroklima, aber auch und gerade davon, „gesehen zu werden“, sooft sie sich in der Oper oder auf dem Karneval amüsierten. Sie haben ihre Spuren nicht nur in der Reihe Luxushotels und in den Straßennamen der palmengesäumten Promenade des Anglais und ihrer Fortsetzung, der Promenade des Etats-Unis, hinterlassen, sondern

Entscheidet man sich für einen der begrenzten Wohnheimplätze, kann man astronomische Mieten und stundenlange Märsche quer durch sämtliche Stadtviertel vermeiden, muss dann aber notgedrungen zum Stammgast der nicht gerade hochgelobten, nicht umsonst aber auch abends geöffneten Mensa mutieren. Oder sollte wie die französischen Studenten mit dem Auto anreisen, vollgestopft bis obenhin mit Herdplatten, Mikrowelle, Fernseher und was die Bude sonst noch komfortabler machen könnte. Hat man sich nun allerdings eine nette Studenten-WG in den Kopf gesetzt, sollte man überdurchschnittliches Durchhaltevermögen beweisen oder ein-


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fach viel Glück haben. Letzteres bedeutet eines Morgens mit Blick auf den Hafen zu erwachen, andere finden sich in dunklen Löchern an vielbefahrenen Straßen wieder. „Nach spätestens einem Monat ist jeder irgendwie untergekommen und die Wogen der Aufregung glätten sich.“ Der Vertreter des Internationalen Büros sucht beschwichtigende Worte beim offiziellen Empfang für die ausländischen Studierenden und verspricht neue Wohnheime für die nächsten Jahre, um den Mangel an Unterkünften auszugleichen – das klingt wie Ironie für die Zuhörer, die offensichtlich ein paar Jahre zu früh gekommen sind. In der Einschreibung an der Fakultät besteht die zweite organisatorische Herausforderung, die es zu meistern gilt. Erste Anlaufstelle ist Erasmusdokumentenverwalterin Madame Rasse im CROUS, einem Zentrum für studentische Belange unterschiedlichster Art wie Wohnheimplatzvergabe, Stipendienberatung oder Eröffnung eines Bankkontos. Im Normalfall wird schnell das namentlich gekennzeichnete Dossier mit den Unterlagen überprüft. In meinem Fall tat ich gut daran, Kopien sämtlicher Papiere vom Learning Agreement bis zur Bestätigungsemail der Universität dabeizuhaben, damit die resolute Frau Rasse kurzerhand meine aus ungeklärten Umständen nicht vorhandene „Existenz“ in den Akten der Université de Nice Sophia Antipolis anlegen konnte. Nächster Schritt: hundertmal wie im Kreis laufen, vom Internationalen Büro zu allen möglichen Sekretariaten, um Informationen über Kurse - es gibt kein Vorlesungsverzeichnis! - und die jedes Mal anderen Einschreibebedingungen zu sammeln, und wieder von vorne, weil garantiert die Hälfte der Büros geschlossen war oder zwanzig

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Zwischen Stadt und Strand flanieren Spaziergänger auf der Promenade des Anglais

andere Leute Schlange standen oder ich wieder einmal auf die „nächste Woche“ vertröstet wurde. Mittendrin zu stecken in der berüchtigten französischen Bürokratie ist doch eine gewisse Erfahrung, die sich aber mit einem inneren Schmunzeln ohne Folgeschäden durchstehen lässt. Und schließlich ist die Freude, eine Plastikkarte mit mehreren obskuren Nummern und einem verzogenen Digitalfoto in Händen zu halten genauso groß wie die Erleichterung, nicht mehr zu den gefürchteten Herren ins Internationale Büro („Wozu brauchen Sie überhaupt einen Studentenausweis?“) zu müssen. Vom überlaufenen Campus Carlone habe ich mich weitgehend in die „Straße der blauen Teufel“ auf den Campus St. Jean d’Angely mit anderen Fachbereichen geflüchtet, wo ich endlich passende Masterkurse über Migrationsforschung finde, Austauschstudenten außerdem rar sind und ich nur das Zauberwort „Erasmus“ in den Mund zu nehmen brauche, damit die SekretärinDie pissaladière, eine Art „Zwiebelpizza“, gehört zu den Spezialitäten der Region nen anfangen,

im Zeitlupentempo und überdeutlich zu sprechen und Wegskizzen ins Gebäude gegenüber anzufertigen. Die beiden Jahrgänge des Masters Soziologie-Anthropologie werden zu jeweils eigenen Informationstreffen eingeladen, in denen farbig ausgedruckte Stunden- und Studienpläne verteilt werden und die Dozenten ihre Seminarprogramme einzeln vorstellen. Fast alle Kurse fangen zwei bis drei Wochen später an, eine gute Gelegenheit, sich beim gänzlich kostenlosen und ausgesprochen umfangreichen Unisport zu verausgaben (Afrikanischer Tanz ist sehr zu empfehlen!) und aus purer Neugier in ein paar Kurse auf Carlone hineinzuschnuppern, unter denen sich Russisch als Lieblingsfreizeitbeschäftigung für Rentner entpuppt.

Land und Leute Eigentlich ist es merkwürdig, dass ein Ort für mich völliges Neuland ist, wo Millionen Menschen schon mindestens einmal ihren Urlaub verbracht haben. Fern von Paris gibt es in der Tat reichlich zu entdecken. Die Tramlinie, keine zwei Jahre alt, ist zugleich ein Freiluftmuseum von Werken regionaler Künstler. Dazu gehören die knienden, nachts grellfarbig leuchtenden Männer auf den langen Stelen auf dem zentralen Platz Massena, auf deren Köpfen sich gerne Vögel niederlassen. (Mit Verlaub: Sie scheißen auf die Kunst.) An den Haltestellen prangen kluge Sprüche in schwungvoller Schrift („Kein Tag ohne Idee.“ oder „Es


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Panoramablick vom Campus der Fac de Lettres, der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, über Stadt und Meeresbucht

könnte schlimmer sein.“), manchmal auch auf Nissart, der lokalen Variante der okzitanischen Sprache. Und: jede Haltestelle wird durch eine andere Stimme und eine eigene Melodie angekündigt, harte Konkurrenz für den Berlin-Brandenburg Ohrwurm der Deutschen Bahn. Staatliche Museen sind generell kostenlos, private Häuser öffnen jeden ersten und dritten Sonntag im Monat umsonst ihre Pforten. Dahinter warten Chagall, Matisse und zeitgenössische Künstler, historische und naturwissenschaftliche Sammlungen. Eine Fülle von Theatern und Kinos bieten ein reichhaltiges, oft internationales Programm. Für einen Euro gelangt man per Bus nach Monaco, um dort Augenzeuge der Dekadenz zu werden. Genauso kommt man in alle umliegenden Städte der Region wie Antibes, Cannes, Grasse oder Menton nahe der italienischen Grenze. Das Unisportbüro organisiert Wanderungen im Hinterland. Besonders Reiselustige bringt die Fähre in viereinhalb Stunden nach Korsika. In intimere Sphären Frankreichs dringt

man natürlich erst durch den Kontakt mit französischen Studenten vor. Ein Onkel meiner Mitbewohnerin hatte in den Bergen Pilze gesammelt, was er zum Anlass für ein Abendessen in ausgedehnter Familienrunde nahm. Die versammelte er am Stadtrand von Cannes auf seiner Gartenterrasse unter grünem Laub, zwischen dem die reifen Trauben herunterbaumelten. Trotz vorheriger Warnung machte ich große Augen, als es nach ungefähr zehn Gängen inklusive Quiche, Pizza und selbstverständlich Pilzen in unterschiedlichster Zubereitungsform hieß, das seien nun die entrées gewesen, und dann kam der Onkel mit Lammfleisch vom Grill und die Tante brachte den Salat. Nach der unvermeidlichen Käseplatte und drei Desserts hatte ich das Gefühl, die gesamte französische Speisekarte auf einmal verschlungen zu haben, während der Regen langsam durch die Markise auf unsere Köpfe tropfte. Die Schuld am Gewitter wurde mir in die Schuhe geschoben, ein Mitbringsel aus Allemagne. Französisch ist daneben jedoch auch, was

die afrikanischen Studenten aus Guinea, dem Senegal und der Elfenbeinküste als Muttersprache sprechen und das zu verstehen ich meine Mühe habe. Immigranten aus dem Maghreb sind in aller Munde, es ist aber ausgerechnet eine Polin, die mich montags nach den spätabendlichen Chorproben auf ihrem Roller mit nach Hause nimmt, weil sie in nächster Nachbarschaft wohnt. So lebhaft und vielfältig sich die Bilder von Stadt und Menschen an der Côte d’Azur in die Wahrnehmung drängen, ergänzen gewisse Routinen den Alltagsablauf: Wenn zu einer bestimmten Stunde fast sämtliche Leute unter ihren Armen Baguette nach Hause tragen, meistens angeknabbert, weil es frisch eben am besten ist, kann ich ein heimliches Grinsen kaum unterdrücken. Und mich erfreuen die Busfahrer, die nicht müde werden, jeden, der einsteigt, mit bonjour zu begrüßen, und den Aussteigenden an den letzten Haltestellen auch noch ein au revoir zurufen. lh


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Meine Reise auf dem Jakobsweg Auf den Spuren einer traditionsreichen Pilgerroute

Jakobsweg, Camino de Santiago, Chemin Meine Vorbereitungen begannen bereits de Saint - Jacques de Compostelle – er trägt zu Beginn dieses Jahres. Ich las einige Erviele Namen, der Weg, dessen Verlauf durch fahrungsberichte und Reiseführer und mehrere Länder Europas führt. Doch das fand schnell heraus, dass nichts wichtiger Ziel ist dasselbe: Santiago de Composte- sein würde, als ein gutes Schuhwerk. So la im spanischen Galicien. Der Ort ist be- kaufte ich mir also zuerst Schuhe, denn ich nannt nach dem Apostel Jakob (Santiago), brauchte noch einige Zeit, um sie einzuwelcher der Legende nach im Jahre 844 als laufen. Die restlichen Dinge, die sich auf Schutzpatron und Helfer die Christen zu ei- meiner sorgfältig zusammengestellten nem Sieg über die Mauren führte, die An- Packliste befanden, waren nur die notwenfang des 8. Jahrhunderts die iberische Halb- digsten, ein paar Kleidungsstücke, ein bisinsel besetzten. Sein Leichnam sei nach Galicien überbracht und in „Finis Terrae“, dem heutigen Cap Finisterre (Ende der Welt), beigesetzt worden. In Compostela fand er seine Ruhe. Zu dieser Zeit entstanden erste Pilgergemeinschaf ten, die bis heute nicht verloren gegangen sind. Der Hauptweg, der so genannte Camino Francés, der sich von St. Jean-Piedde-Port in den französischen Die typischen Kennzeichen des Jakobsweges Pyrenäen bis hin nach Cap Finisterre in Galizien erstreckt, wurde 1987 schen Seife und dafür ein umso größerer zum ersten europäischen Kulturweg erklärt Erste-Hilfe-Kasten. und 1993 in das UNESCO-Welterbe aufge- Die Reaktionen meines Umkreises teilten nommen. sich in genau zwei Richtungen: die einen Nach Paulo Coelho und Hape Kerkeling, ermutigten mich in meinem Vorhaben und machte ich mich im Sommer 2008, als eine andere wiederum erklärten mich für völlig von vielen Pilgerinnen und Pilgern, auf den verrückt. Abbringen konnte man mich nun Weg nach Spanien, um den Jakobsweg zu nicht mehr, denn dies war eine Sache, die gehen. Inspiriert von Büchern, angetrieben schon länger in meinem Kopf verankert war. durch meinen Drang, Herausforderungen Ursprünglich plante ich auch den berühmanzunehmen, und ausgestattet mit einer ten Hauptweg, den französischen Weg, zu großen Portion an Neugierde und Taten- gehen. Doch aufgrund der in den letzten drang, wollte ich nun selbst die Erfahrun- Jahren zunehmenden Anzahl an Pilgern gen und Erlebnisse machen, die so viele und meiner Affinität zum Meer, entschied Pilger vor mir über tausende von Jahren auf ich mich eine Nebenroute zu laufen, den diesem historisch und kulturell wertvollem Camino del Norte oder auch Camino de la Weg gesammelt haben. Costa – der Küstenweg. Eine Entscheidung,

die ich nie bereut habe. Begonnen habe ich am 28. Juli in Bilbao, im Baskenland. Der Tag war nicht besonders angenehm, denn ich wachte am Morgen schon mit Kopfschmerzen und Übelkeit auf. Ich entschied mich gegen die geplante Besichtigung des Guggenheim-Museums in Bilbao, denn mein Rücken schmerzte bereits vom Tragen des Rucksacks und müde war ich zudem auch. So suchte ich sofort, die in meinem Pilgerführer beschriebene herberge de peregrinos auf. Wie es der Zufall wollte, traf ich bereits sehr bald den ersten Pilger meiner Reise. Beide gingen wir instinktiv aufeinander zu, denn zu verkennen waren wir nun wirklich nicht. Rucksack, Pilgerstab und Hut – die typischen Kennzeichen eines Pilgers. Er hieß Sergio und kam aus Argentinien. Mit nur wenigen Worten beschlossen wir beide gemeinsam den Weg zur Herberge zu suchen. Ich war zudem noch eine unerfahrene Pilgerin und mein Spanisch nicht sehr glänzend. Sergio hingegen war das, was man einen waschechten Pilger nannte. Bereits den 52. (!) Tag unterwegs und schon ganze 2000 km von Mont-Saint-Michel aus der Bretagne gegangen, war er mir in seinen Pilgererfahrungen und seiner Gelassenheit um Längen voraus. Von Erschöpfung keine Spur bei Sergio. In der Pilgerherberge angekommen, wurden wir herzlich aufgenommen und Betten waren auch noch frei. Für eine donativo von 3 Euro und einen Stempel in meinem Pilgerpass hatte ich einen gesicherten Schlafplatz im Zentrum von Bilbao. Doch viel


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aufregender waren die ersten Gespräche mit den anderen Pilgern. Sie strahlten sehr viel Ruhe und Zufriedenheit aus. Ich traf Pilger aus dutzenden von Ländern und wir fanden schnell Gesprächsstoff, der bis in den späten Abend reichte. Ich traf Max aus Italien, der mich später noch treu bis nach Santiago begleiten sollte. Die Nacht war schlecht, denn ich war sehr aufgeregt vor meiner ersten bevorstehenden Etappe. Im Kopf hatte ich immer noch die nachhallenden Impressionen des ersten Tages. Die erste Etappe war auch in der Tat die schlechteste. Nicht nur, weil ich müde war und der Rucksack mich quälte, sondern weil der Weg durch die industriellen Vorstädte Bilbaos führte. Kein schöner Anblick. Es waren zwar im Nachhinein gesehen nur 12 Kilometer zu absolvieren, doch erschien es mir eine halbe Ewigkeit. In Portugalete stürzte ich sofort auf die sehr komfortable Pilgerherberge zu, in der ich herzlich aufgenommen wurde. Nach einer langen Dusche und der Behandlung meiner ersten Blasen, kam auch Max an, worüber ich mich sehr freute. Ich erkannte, dass ich noch viel zu lernen hatte, nämlich, dass mein Rucksack viel zu schwer war, man Wasser nicht in zu großen Mengen mit sich tragen musste (denn es gab genug Wasserstellen unterwegs) und in der Ruhe tatsächlich die Kraft liegt. Gemeinsam verbrachten wir den Nachmittag mit einer Stadtbesichtigung. Ich traf die ersten deutschen Pilger und machte Bekanntschaften mit anderen. Die zweite Etappe und auch die restlichen legte

Pause

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Der Weg und ich

ich mit Max zurück. Ich stellte schnell fest, dass mehrere Augen für das Auffinden der Pilger-Wegweiser nötig sind. Insbesondere das Baskenland lag offenbar viel Wert darauf, dass Pilger lange nach den typischen Richtungsangaben - gelbe Pfeile und Muscheln - suchen mussten. Aber man fand schnell die typischen Stellen heraus, an Häuserwänden, Straßenlampen, auf dem Boden etc., an denen Zeichen versteckt waren. Je weiter der Jakobsweg jedoch führte,

umso eindeutiger waren die Kennzeichnungen und Verlaufen war unmöglich. Max und ich hatten einen langen Tag vor uns. Es waren die härtesten 28 Kilometer der gesamten Strecke für mich. Ich war untrainiert und nicht an den Rucksack gewöhnt. Es war heiß, ich bekam einen Sonnenbrand und nach ca. 20 Kilometer konnte ich mein rechtes Knie nicht mehr beugen. Ich dachte mir, wenn dies so weitergehen würde, dann kann ich es nicht schaffen. Max hat mich an diesem Tag nach Castro Urdiales gebracht, mit vielen motivierenden Worten und als Dolmetscher in einer Apotheke, um eine Kniebandage zu kaufen. Die letzten 200 Meter vor der Herberge beschloss ich nicht mehr weiter zu gehen. Es schien zu diesem Zeitpunkt unmöglich für mich, ich war die letzten 5 Kilometer nur im Entengang vorangekommen. Max wartete mit mir und schaffte es nach 15 Minuten mich zu überzeugen die letzten paar Meter zu bewältigen. Aufgeben kam für mich nicht in Frage. Ich erinnere mich besonders intensiv an diesen Tag, denn ich erkannte, dass meine Schmerzen noch sehr gering waren im Gegensatz zu denen anderer Pilger. Man erklärte mir, dass sehr viele vorher abbrechen müssen, aufgrund von Knieschmerzen oder Problemen mit der Achilles-Ferse. Ein anderer Pilger kam auf mich zu und sprach mir Mut zu, nicht aufzugeben, denn in der ersten Woche ist es normal, dass Schmerzen dominieren. Es war etwas Besonderes für mich, es von ihm gesagt zu bekommen, denn er hatte sich am Tag zu-


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vor eigenhändig die Ferse genäht, die offen war durch Blasen. Am Abend ging es mir auch viel besser, denn ich fand Ruhe und Geborgenheit. Die erste Woche hat mich sehr geprägt. Das Gehen habe ich noch nicht sehr genießen können, denn ich war stetig damit beschäftigt mich von meinen Schmerzen abzulenken, die auch meine Gedanken einnahmen. Max hat mir sehr gut dabei geholfen. Wir trafen in einem Zisterzienserkloster auch bald auf Aurora, einer jungen Spanierin aus Zaragoza, die sich unserer kleinen Gruppe anschloss. Ich machte Bekanntschaft mit den verschiedensten Schicksalen, von Menschen, die ihre ganze Familie verloren haben und deshalb das Bedürfnis verspürt haben mehrere Monate und Jahre unterwegs zu sein waren oder auch solchen, die sich auf dem Weg gefunden und lieben gelernt haben. Einige Pilger traf man immer wieder abends in den Herbergen und man erfreute sich so sehr sie wiederzusehen. Es war eine große Pilgerfamilie und keiner war besser oder schlechter gestellt, als der andere, denn man hatte den gleichen Weg zu bewältigen und mit den gleichen schönen oder auch weniger schönen Dingen zu tun. Die Pilgerherbergen waren sehr unterschiedlich. Meistens sehr einfach mit Liegen und ein oder zwei Duschen bis hin zu modern eingerichteten Häusern, mit Internet, Küche und warmen Wasser. Letztere waren überwiegend in Galizien zu finden. Mit Aurora und Max startete ich in die zweite Woche meiner Reise und gleichzeitig endeten auch endlich die bis dahin unerträglichen Schmerzen. Ich merkte, wie mein Rucksack zu meinem Freund wurde und meine Beine mich problemlos kilometerweit tragen konnten. Endlich konnte ich meine Gedanken sich auf etwas anderes fixieren. Wandern wurde zur Freude, wir sangen gemeinsam und erzählten viel. Im Fortlauf meines Weges schlossen sich auch Alberto von Mallorca, Estibaliz aus Bilbao und Bernado aus Italien unserer Gruppe an. Die unterschiedlichsten Charaktere, aus den verschiedensten Ländern mit den verschiedensten Hintergründen lernten sich kennen. Wir waren zwar eine Gruppe, aber es hieß nicht, dass wir zu jeder Minute nebeneinander liefen. Letztendlich verbrachte man doch sehr viel Zeit für sich. Manchmal liefen wir bis zu 10 Kilometer auseinander und manchmal verbrachten wir lange Zeit gemeinsam mit dem Laufen. Man kannte den anderen nach einer Weile sehr gut, denn der Weg bewirkte, dass man seine Masken ablegte und seinen Gefühlen, die man jeden ein-

welt I stadt

Laufen, laufen nochmals laufen

zelnen Tag auf verschiedene Weise spürte, freien Lauf lässt. Jeder hatte mal einen schlechten Tag, an dem er bereit war alles aufzugeben, aber man konnte sich gut gegenseitig auffangen. Manchmal fühlte man sich so stark und kräftig, dass 12 Kilometer über den höchsten Erhebungen bei der größten Hitze in zwei Stunden kein Problem darstellten und wiederum an anderen Tagen war jeder Schritt eine Qual. Ich erkannte den Weg als wunderbare Allegorie des Lebens - ein ständiges Auf und Ab, steinige Wege, asphaltierte Straßen, Hitze, Kälte, Regen, Sonnenschein. Das Laufen wurde wie das Atmen, man brauchte es einfach, es gehörte zum Menschsein dazu. Jeder Tag war ein ganz neuer Tag. Man wusste nicht, wo man die nächste Nacht verbringen würde, wie gut

man die Etappe bewältigen kann, wen man trifft und auf welche neuen Dinge man stößt. Manchmal waren Herbergen auch belegt und keine Notunterkünfte zur Verfügung gestellt, sodass wir unter Kirchendächern, auf Spielplätzen oder, wie es das Leben nun mal wollte, mitten auf der Straße schlafen mussten. Es stellte für uns jedoch kein Problem dar, denn vieles relativierte sich einfach mit der Zeit. Das komfortable, gewohnte Leben von zu Hause existierte nicht mehr, aber was machte es schon aus. Müdigkeit, Ekel, Schmerz und eine fehlende Dusche waren zu Nebensachen geworden. Wichtiger war es, dass wir unser Tagesziel erreicht haben und gemütlich zusammen auf einer Wiese essen, trinken und reden konnten. Ein guter Freund aus Frankreich sagte im-


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welt I stadt

stadt und somit auch unserem endgültigem Ziel näherten, kehrten wir in uns und konnten es kaum glauben, dass nun der große Moment gekommen sein würde. Wir überlegten uns wie es sein würde, wenn wir alle wieder unsere eigenen Wege gehen und nicht mehr jeden Tag die gewohnten 25-30 Kilometer laufen würden. Dieser Gedanke schien uns noch weit entfernt und vor allem sehr fremd. Wir betraten den großen Platz vor der Kathedrale und fielen uns in die Arme. Tränen der Freude flossen bei vielen Pilgern. Lange lagen wir auf dem Platz und betrachteten das gigantische, von mehreren Stilen geprägte Bauwerk, das so viele Pilger jedes Jahr aufs Neue anzieht. Santiago - wir haben unser Ziel erreicht alle Fotos: privat Natürlich war es Pflicht an der täglichen Messe mer wieder gerne: „Le chemin ouvre“ – der und zwischendurch immer wieder Pausen, für die Pilger teilzunehWeg öffnet. Ich war immer wieder über- die grundsätzlich in der Horizontalen und men. Es war ein sehr ehrwürdiger Augenrascht von der Freundlichkeit der Spanier. mit Schlafen verbracht wurden. Nach der blick, als die Namen der Pilger und auch ihre Pilger, so erschien es uns oftmals, wurden Ankunft in den Herbergen duschten wir Nationalitäten öffentlich genannt und sie fast schon als Heilige angesehen. Man bat uns, wuschen unsere Kleidung, schliefen anschließend gesegnet wurden. Gemeinuns in jeder Großstadt und jedem kleinen viel, kauften für das Abendessen ein und sam feierten wir unsere Ankunft am selben Dorf Wasser an und die Menschen riefen auf: versorgten gegenseitig unsere Füße. Letz- Abend, waren aber gleichzeitig sehr betrübt Buen Camino, peregrinos! – Einen guten tere Beschäftigung ist ein ganz eigenes über die Nachricht vom Tod von Max GroßWeg, euch Pilgern! Ich erinnere mich auch Thema für sich. Man erkannte einen Pilger mutter und dem Abschied von Estibaliz, die gerne an eine Frau, die ihr altes Haus privat nicht zuletzt an seinen gequetschten, mit noch am selben Tag Santiago verließ. Ich an Pilger zur Verfügung stellte und sich ge- Blasen überzogenen und mit Pflastern zu- verbrachte noch zwei Tage in der atembemeinsam mit ihnen freute, wenn sie ihnen geklebten Füßen. Einige waren vom gro- raubenden Stadt und besichtigte viele ihrer die frohe Nachricht überbringen konnte. ßen Unglück betroffen, die ganze Sohle Bauten, kleinen Gassen und Parks. Bald kam So eröffneten die Städte auch oftmals die mit Blasen versehen zu haben und muss- der Abschied von Alberto, Max und den sich Türen der Sporthallen, um die Pilger auf- ten in ein nächst gelegenes Krankenhaus uns zum Schluss angeschlossenen Franzonehmen zu können. Einmal ersehnte ich so gebracht werden, um sich behandeln zu sen Samuel und Romain aus Lyon, die besehr eine Dusche und einen geschlossenen lassen. Dies bedeutete natürlich auch ein schlossen hatten den Weg bis nach Cap Finisterre zu Ende zu gehen. Mein Weg ging Raum zum Schlafen, dass mir Tränen der Gehverbot von mehreren Tagen. Erleichterung bei der Ankunft kamen. Man Langsam aber sicher näherte sich unser Ziel wieder zurück nach Deutschland. Es fiel mir sagt „Der Weg gibt und der Weg nimmt“ Santiago de Compostela. Die letzten drei nicht leicht mich wieder an einen anderen und ich denke es trifft sehr genau zu. Er Etappen verbrachten wir zusammen mit Tagesablauf zu gewöhnen, ich vermisste gibt Unmengen an Kraft, Freude, Ausdau- den Pilgern des Hauptweges, da der Cami- das Laufen sehr und auch die vielen Gefüher, Optimismus und Ruhe und nimmt viel no del Norte und der Camino Francés ca. 70 le, die mit dem Pilgern verbunden waren. Angst, Energie und die unwichtigen Dinge, Kilometer vor Santiago aufeinandertreffen. Oft denke ich zurück und zehre viel Kraft aus auf die man sich im Leben eigentlich nicht Die letzten 4 Kilometer vom Berg des Monte den Erinnerungen. Ich bin froh, den Weg zu konzentrieren braucht. Gozo bis nach Santiago waren sehr einzig- gegangen zu sein und möchte die ErfahrunSo vergingen die Wochen und langsam stell- artig. Pilger strömten quasi in die Stadt ein gen und Freundschaften, die ich gemacht te sich, sofern man davon überhaupt reden und man sah ihnen die unglaublich große habe, nicht mehr missen. kann, eine gewisse Routine in das Alltagsle- Vorfreude und Energie an, mit der sie die Ich habe meinen treuen Weggefährten für ben eines Pilgers ein. Nach dem Aufstehen Kathedrale von Santiago aufsuchten. Mei- diese schöne Zeit zu danken. Buen Camigab es ein kleines Frühstück in einer Bar mit ne kleine Gruppe und ich waren in heiterer no! sh cafe con leche, dann Bocadillos zum Mittag Stimmung, aber je mehr wir uns der Innen-


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„Film als Therapiemaßnahme“ oder „Die Neuerfindung eines Kinogenres“ Der Film Waltz with Bashir von Ari Folman. Kinostart: 06.11.2008 Es sind 26 blutrünstige, fleischgierige Hunde, die zu Filmbeginn hetzend über die Leinwand jagen. Sechsundzwanzig Bestien, aus deren dunklen Augen die Kaltblütigkeit und aus deren abgemergelten Körpern die Verzweiflung entgegenblitzt. Gleichwohl sie gezeichnet und animiert auf den Zuschauer zurennen, büßen sie keinesfalls an Bedrohlichkeit ein. Im Gegenteil. Derjenige, der sich mit diesen Bildern in seinen Träumen quält, ist Boaz, ein Freund des israelischen Regisseurs Ari Folman. In einer Bar erzählt er ihm von dem immer wiederkehrenden Szenario, das sich nachts vor seinen Augen abspielt. Folman und er erkennen bald, dass dies ein traumatisches Überbleibsel der Zeit des Libanonkrieges sein muss, in dem sie beide im September 1982 eingesetzt waren. Folmans Erinnerung an diese Zeit gleicht jedoch einer leeren, weißen Leinwand. Er kann sich an kaum etwas erinnern. Verwirrt und entsetzt über diese Feststellung macht er sich auf die Suche nach Kameraden von früher. Es beginnt eine autobiographische Odyssee in seine Vergangenheit, auf einem steinigen Weg, der gepflastert ist von erbarmungslosen Wahrheiten, verdrängten Jugenderinnerungen, barbarischen Geschichtsfragmenten und vor allem der Suche nach sich selbst. Die bewusste Wahl des Regisseurs Ari Folman seinen Dokumentarfilm „Waltz with Bashir“ als Animation zu kreieren, beweist Innovationsgeist, den es wahrscheinlich

auch benötigt den Menschen das ohnehin moralisch klare Thema der Überflüssigkeit des Krieges ein weiteres Mal vor Augen zu führen. Marjane Satrapis „Persepolis“ machte letztes Jahr erfolgreich den Anfang den Weg des Comicdramas auf die Leinwände dieser Welt zu ebnen. Folman folgt, wenn auch in

größeren Schritten und mit tieferen Abdrücken, wenn er sein Leben als junger isaraelischer Soldat, die Jugend, die keine war, und die grausamen Massaker an der palästinensischen Zivilbevölkerung zeigt. Die faszinierende Authenzität des Films entsteht, indem reale Interviews als Klangteppich dienen, auf dem die gezeichneten Figuren sich ihren Handlungen hingeben, begleitet von zahlreichen Kopfbildern, Ge-

dankenwelteneinblicken und Fluten der Erinnerung, die im Gegensatz zu anderen Dokumentationen dank der Animation visualisiert werden können und sich in teils surrealen Bildern über den Zuschauer ergießen. Viereinhalb Jahre hat das Produktionsteam der israelisch-deutsch-französischen Koproduktion an dem Werk gearbeitet. Für Folman war der Prozess der Filmentstehung zugleich der Prozess die eigene Vergangenheit zu verarbeiten, sagt er. Der zentrale Themenpunkt, um den die gewaltigen Bilder dabei kreisen, ist die Schuld. Umso interessanter ist es, dass an dem Film u.a. mit Israel und Deutschland zwei Nationen beteiligt sind, die auf ihre eigene bedeutungsschwangere Weise durch Schuld verknüpft sind. Die Weltpremiere im Rahmen der Filmfestspiele von Cannes, die mit stehenden Ovationen einherging, rief Lobeshymnen unzähliger Kritiker hervor, denen man sich nur anschließen kann. Und wenn in den letzten Minuten des Films aus den kantig gezeichneten Bildern plötzlich reale werden, dann wird die Haltung im Kinosessel angespannter, der Kloß im Halse dicker und der Respekt vor dem Regisseur, dieses beeindruckende Werk der unheimlich nahen Geschichtsund Persönlichkeitswiedergabe geschaffen zu haben, noch ein letztes Mal größer. kr

„Burn After Reading – Wer verbrennt sich hier die Finger?“ (2008) von Ethan und Joel Coen

Kinostart: 2. Oktober 2008

„Sie sind Mormone, neben Ihnen hat jeder os der brillianten Coen Brüder. Beide Filmeein Alkoholproblem.“ Stellt der gerade ge- macher sind für unglaubliche Drehbücher feuerte, pardon aus freien Stücken gegange- und spezielle Charaktere bekannt (zuletzt ne, CIA-Agent Ozzy Cox (John Malkovich) „No Country For Old Men“). In „Burn After gegenüber seinem noch Vorgesetzen fest. Reading“ stellen sie dies zum wiederholten Was nach diesem anfänglichen Intermezzo Male eindrucksvoll unter Beweis. beginnt, ist ein raffiniert organisiertes Cha- Linda Litzke (Frances McDormand) will

eigentlich nur eines: VIER Schönheits-OPs. Des weiteren natürlich auch einen lieben Mann, aber dem stehen ja noch die anstehenden visuellen Korrekturen und deren Finanzierung im Weg, denn Linda hat kein Geld. Nun kommt der dümmliche Chad Feldheimer (Brad Pitt) ins Spiel. Linda und


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Chad arbeiten zusammen bei „HardBodies“, einem Fitnessstudio, in dem zwar viel an den Muskeln gearbeitet wird, aber die Synapsen definitiv zu kurz kommen. So hat es auch der sportliche Chad nicht leicht seine Hirntätigkeit in Gang zu bringen, als sich eine ominöse Daten-CD in der Frauenumkleide des Fitnessstudios auffindet. Chad wittert eine Chance auf das große Geld und überzeugt, die sowieso schon finanziell verzweifelte Linda, den Besitzer der CD zu erpressen, indem er ihm droht sämtliche Inhalte der CD an die Öffentlichkeit zu bringen. Bedauerlicherweise hat aber „Ozzy“, der suspendierte CIAAgent und jetzt Opfer von Chad´s und Linda´s glorreichen Plan, keine Ahnung wovon die beiden reden, denn nicht er, sondern seine ehrgeizige Gattin (Tilda Swinton) hat die Memoiren Ihres Mannes als vermeintliches „Beweismaterial“ auf eine CD gebrannt, um es im Falle einer Scheidung gegen ihn zu verwenden. So kommt es also, dass Chad und Linda mit ihrer lächerlichen Erpressungsnummer bei „Ozzy“ auf Granit stoßen. Als wäre es nicht schon verwirrend genug, kommt nun auch noch der smarte Regierungsbeamte Harry Pfarrer (George Clooney) dazu, der zu Hause den verständnisvollen Ehemann mimt, doch in Wirklichkeit perverse „Mas-

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turbations-Stühle“ im Hobbykeller erfindet und seine kleinen Affairen hegt und pflegt, stets darauf bedacht seinen Beischlaf mit einer kleinen Runde Jogging abzurunden. Demnach ist es zwar ein Zufall, aber aufgrund Harrys regen Sexualtriebs nicht verwunderlich, dass Harry Pfarrer sowohl eine Liebelei mit „Ozzy´s“ Gattin, als auch eine weitere Liebschaft mit Linda Litzke beginnt und damit ein Teil der turbulenten Anreihungen von schicksalhaften Verzweigungen und Absurditäten wird, bei denen am Ende des Films keiner der Protagonisten so richtig weiß, worum es eigentlich geht. Übrig bleiben einzig eine Reihe von Toten, verwirrte Behörden, kaputte Beziehungen und VIER Schönheits-OPs. Und genau das ist es auch, was die Schwarze Komödie so komisch und zugleich besonders macht. Der Inhalt ist alles andere als tiefgründig, was zählt ist die galante Überschneidung verschiedener Gesellschaftsschichten, die humorvolle Verbindung zwischen Behörden, Akademikern und Mittelschicht, sowie die pikanten Charaktere, von denen der Film lebt und die durch die einzelnen Darsteller mit viel Ironie und schauspielerisches Genie überzeugend komisch dargestellt werden. So ist wirklich sehr amüsant zu sehen wie die prominente

Besetzung angefangen mit George Clooney zu Brad Pitt und Tilda Swinton sich in ihren typischen Rollen als Charmeur, Schönling und eiskalte Frau perfekt parodieren ohne dabei an Niveau zu verlieren. Der Film bietet somit für jeden etwas und selbst die Männer, die bei dem Namen „Brad Pitt“ nur genervt mit den Augen Rollen, werden sicher auf ihre Kosten kommen! aw

Schwarz-Sehen für Anfänger Heute: Radio Hören

Heute früh hatte ich ein äußerst erschre- ist, schalte ich gern den Sender für Erwachckendes und vor allem besorgniserregen- sene ein. Das bisschen Musik zwischen des Erlebnis: Ich wechselte den Radiosen- der Reklame stört mich nicht weiter. Gern der. bekomme ich als Gegenleistung für meiIch verabschiedete mich von einer mir bis ne Rundfunkgebühren die morgendliche dato immer sympathischen jungen und Weck-Jingle-Bombe von Thilo Stöhr und hippen Zielgruppe, und zog aus in die anderen alten Bekannten, mit denen ich altbackenen Abgründe der Berlin-Bran- groß geworden bin und die ich trotz andenburger Radiolandschaft. Was ich fand, fänglicher Schwierigkeiten nach 10 Jahren war erschütternd, doch immerhin besser nun doch endlich in mein Herz schließen als zwanzig Prozent auf alles – außer Tier- konnte. nahrung. 2. Auf dem Berlin-Brandenburger Das muss es sein, das fortgeschrittene Alter, Sender für Abiturienten und solchen, die´s über das sie immer alle munkeln. War´s mal werden wollen, werden tagsüber zudas jetzt schon? Ist heute der erste Tag, ab nehmend junge Hörer dazu angehalten, dem ich fortan frohgemut das Beste der ihre Meinung zu brisanten Debatten wie 70er, 80er und 90er hören werde, bis dass „Ist Schwarzfahren erlaubt?“ und „Sollten der Roy Black uns scheide, und, schlimmer Radfahrer links oder rechts um ein Haus noch: sogar ab und an neckisch mit dem rum fahren?“ kundzutun. Kurz, Vera am Mittag als Audio-Edition. Gut – Immerhin Fuß zu „Hungry Eyes“ wippen werde? ohne Vera. Nicht auszudenken! 3. Auf dem Sender nebenan, dem für Zahnarzthelferinnen und Büromäuse, Alternativen: 1. Wenn mir mal wieder nach einer werde ich neuerdings direkt angesproordentlichen Portion Werbeblöcke zumute chen. Was die alles wissen über mich! Sie

behaupten, ich würde auf der B1 geblitzt werden und hätte Schwierigkeiten im Verkehr. - Es gibt Situationen, da möchte man sich einfach nicht direkt angesprochen fühlen, ok?! Was bleibt also als Ausweg? Was für den einen das Beste der 70er, 80er und 90er, ist für den anderen eine Art akustische Rudis Resterampe. Hab ich´s doch immer gesagt. Artenvielfalt hat auch ihre Schattenseiten. Doch siehe da: Der Fuß mag heute noch nicht so recht zu Patrick Swayze wippen, und, besser noch: Es stellt sich sogar Brechreiz ein! Heißt das etwa, in der Berlin-Brandenburger Radiolandschaft ist der Weg von mir bis zu Matthias Reim doch ein weiter? Gott sei dank!!! Dann doch lieber ein Leben mit zwanzig Prozent auf alles – außer Tiernahrung. Wer kauft schon schließlich einfach nur irgendwelche Meisenringe? Einen nahezu frühlingshaften Herbst wünscht Euch Vivian Büttner


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Fettes Brot – „Ich lass Dich nicht los“ Eine Songinterpretation

Auffallend im deutschsprachigen Musikraum sind Liedtexte, die über das fröhliche [Friede, Freude, Eierkuchen] hinaus gehen und ernste Themen ansprechen. Liebe ist als Thema auch schon zu ausgelutscht, als dass ein Songautor neue Erkenntnis oder Sichtweisen rüber bringen könnte. Die Fronten sind an diesem Orte ja bekannt und erhärtet. Entweder Liebe ist toll und man freut sich wie ein Kullerkeks. Oder aber die Liebe schmerzt, weil sie aus einem bestimmten Grund unerfüllt bleibt. Facettenreich sind dann eigentlich nur die verschiedenen Gründe, warum Liebe unerfüllt bleibt. Im neuen Song von „Fettes Brot“ geht es ebenfalls um unerfüllte Liebe. Nachdem ihr den Song ein paar mal gehört habt, macht es sofort Klick im Köpfchen und ihr fühlt euch über 20 Jahre zurückversetzt. Damals schlug Falcos „Jeanny“ wie eine Bombe ein und polarisierte bei allen Zuhörern, die den Text verstanden, akustisch und inhaltlich. Dort ging es um einen Stalker, der die arme Jeanny für sich haben möchte und ihr grausame Dinge antut. Zumindest wird dies angedeutet. Wer in dieser Songtrilogie das wahre Opfer ist, bleibt der eigenen Vorstellungskraft überlassen. Und so ist es ebenfalls bei „Ich lass Dich nicht los“ von „Fettes Brot“. Songtext: Ich traf dich im Internet auf einer Seite für junge Leute Du schriebst, dass du neu hier bist, es sei das erste Mal heute. Du kennst dich hier nicht aus, ich meinte: „Mach dir nichts draus.“ Und dieses „LOL“ heißt „laughing out loud“. Ich schrieb ne Message: „Weißt Du, was nett ist? Wenn du mir ein Foto mit Adresse schickst, wenn du nochmal chattest.“ Ich wusste gleich: Du bist die Liebe meines Lebens. Und es war mir klar: sind wir erst mal ein Paar, wird es auf dieser Welt für mich einfach nichts Schöneres geben.

Erinner‘ mich genau an den Moment, als ich die Mail von Dir das erste Mal las, Dass ich für ein paar Augenblicke so glücklich war, dass ich die Welt um mich herum vergaß. Ich dachte nur: Ich fass es nicht! Denn Du wohnst in der selben Stadt wie ich Und das nur vier Straßen von mir entfernt. Warum haben wir uns denn nie kennen gelernt? Und dann sah ich dich: Du warst auf dem Parkdeck vom Mercado, Doch ich hab mich nicht getraut - wie das dann so ist Dich anzusprechen, dazu hatt‘ ich zu viel Schiss, Und ging dann hinter dir her bis zum Bahnhof. Ich sagte dir davon niemals ein Wort, Aber ich wusste es sofort: Du fährst am Dienstag zum Sport. Ich hatte die Idee und fuhr zu dir, Legte einen Blumenstauß vor die Tür.

Oh, wüsstest du nur, wie ich wirklich bin, Dann wüsstest du auch, dass ich nicht wirklich so bin. Und wüsstest du nur, dass ich bei dir bin, Dann wüsstest du auch, dass wir zusammen gehören.

Auch in diesem Song geht es um einen Mann, der einer Frau nachstellt. Im Laufe des Liedes offenbart sich, dass das lyrische Ich das Leben jener Frau genau beobachtet hat und es zu einer Art Obsession wurde, genau zu wissen, wann sie wo ist. Auch Details aus ihrem Leben lassen auf den Beobachtungswahn des Mannes schließen. Denn wie sonst hätte er wissen können, wo ihr Ersatzschlüssel versteckt ist oder wie ihre Kissen liegen? Ein wenig unklar bleibt mir, ob die zwei Protagonisten in den vergangenen vier Jahren Gesprächkontakt hatten oder der einzige Kontakt durch die Kommunikationsversuche via Blumen und Briefe zustande kam. „Wir kennen uns schon seit über vier Jahren“ lässt vermuten, dass die zwei noch Kontakt halten. Der Mann lässt sich auch über den aktuellen Partner der Frau aus, was auf einen Kommunikationsvorgang schließen lässt. Andererseits folgt in den Zeilen danach auch, dass die Blumen und Briefe zerstört wurden und ein Gerichtstermin angesetzt wurde. Daraus lässt sich ableiten, dass Frau und Partner sich belästigt fühlten und das Gespräch eben genau NICHT suchten. Aber das ist ja auch eine Art Kommunikation... Im Höhepunkt des Songs besucht er sie in ihrer Wohnung und es kommt zum Eklat: Er lebt seine Besessenheit für die Frau aus und schlägt sie nieder. Damit zeigt er durch brutale Art, wie schlecht er mit der unerwiderten Liebe umgehen kann und letztlich nur in ihrem Tod die Möglichkeit sieht, mit ihr vereint zu sein. Spekulationsraum ist offen, ob die beiden dadurch vereint


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Wir beide kennen uns schon seit über vier Jahren und eine Sache weiß ich ganz sicher: Diesen Freund, den du hast, der Typ ist ein Wichser. Dass er dich nicht wirklich liebt, wirst du bald erkennen. Und es dauert nicht mehr lange, dann wirst Du dich von ihm trennen. Dieser Scheißkerl hat die Blumen weggeschmissen, Meine Briefe alle gleich zerrissen. Du hast ‚ne neue Nummer, ich kann nicht mal smsen. Ich bin sicher, er hat dich mit anderen Frauen beschissen. Weißt du nicht? Wir sind doch ein Traumpaar, das sieht jeder. Auch dein Freund, wenn er wieder mal die Bullen ruft. Du musst gar nichts sagen. Klar, dass du nur so tust Und deine Anzeige war ja nur ein Fehler. Deshalb glaube ich, wir beide müssen mal reden, Dann wird sich schon was ergeben. Wir haben nur dieses Leben. Wir brauchen keinen Termin beim Landgericht. Wir regeln das von Angesicht zu Angesicht. Ich fahr‘ zu dir und warte hier. Ich schwöre dir, du gehörst zu mir. Ich kenn‘ die Wohnung, denn ich weiß, wo der Schlüssel versteckt liegt. Weiß, wer du bist und wie Dein Kissen im Bett liegt. Du schreist, als du mich siehst. Als ich hinter dir die Haustür abschließ‘. Und als du mir sagst, dass du mich nicht liebst, Stehe ich auf, weiß nicht, wie mir geschieht.

Halt deinen Mund! Ich lass dich nicht los! Sei einfach still, du verschwendest nur Zeit. Ich kann alles erklären. Ich lass dich nicht los! Du hast mich doch gern. Ich lass dich nicht los! Hör auf dich zu wehren! Ich lass dich nicht los! Ich lass dich nicht los!

Jetzt liegst du vor mir und bist wunderschön anzusehen, Nimmst dir Zeit mir zuzuhören. Die Anderen, die draußen auf uns warten, werden das niemals verstehen, Dass wir von hier an miteinander gehen.

Oh, wüsstest du nur, wie ich wirklich bin, Dann wüsstest du auch, dass ich nicht wirklich so bin. Und wüsstest du nur, dass ich bei dir bin, Dann wüsstest du auch, dass wir zusammen gehören.

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sind (und „miteinander gehen“), dass er sich danach ebenfalls umbringt. Anhaltspunkte dafür sind zu finden, denn die Leute, die „draußen warten“, sind wahrscheinlich Polizisten, die dem unberechenbaren Treiben des Stalkers ein Ende machen wollen. Textlich zu zeigen, dass der Stalker genau das weiß und damit rechnet bald ins Gefängnis zu kommen (und damit von ihr getrennt zu sein), lässt meinen Schluss zu, dass er sich mit ihr im Tode vereint. Opfer ist hier zum einen die Frau, die ihr Leben lassen muss. Aber auch der Mann ist das Opfer, denn seine krankhafte Leidenschaft für die Frau übersteigt das kritische Maß und lässt auf eine Geisteskrankheit schließen. Offenbar hatte jener Mann die Fähigkeit verloren, im realen Leben Sozialkompetenz zu zeigen und sah das Internet als Quelle für gesellschaftliche Kontakte an. Wirkliches Opfer ist aber auch der Partner von der Frau. Denn vor ihm liegt ein Scherbenhaufen vom zerbrochenen Liebesglück. Während es vor dem Tode der Frau nur eine Person gab, die an unerfüllter Liebe litt, gibt es nach ihrem Tode nun eine zweite. Denn der Tod einer gestorbenen Person, die man liebte, ist auch eine Art unerfüllte Liebe. Übertragen in die neuartige Zeit des Internets, warnt der Song davor, zu schnell zu viel von sich Preis zu geben. Man weiß nicht, was für ein Mensch auf der anderen Seite der Leitung sitzt und sollte empfindliche Daten wie Telefonnummer oder Adressen nur dann herausgeben, wenn man der Person vertrauen kann. Kindliche Naivität - an das Gute im Menschen zu glauben - ist zwar teilweise löblich, hat aber seine Grenzen im unbekannten anonymen Raum des Internets. Das sollten man und frau sich immer vor Augen führen. gm


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Deutschland 2020

Auslaufmodell Demokratie und die Rolle des Fernsehens bei Wahlen

In der letzten Ausgabe wurde berichtet, dass in Zukunft an der Viadrina keine Rechtswissenschaften mehr gelehrt werden, da der Lehrstoff und die Sichtweise antiquiert sind. Sie „haben sich generell eher hinderlich als förderlich für Deutschland herausgestellt“. (vgl. Mische, Heft 3, 2008: 25)

Acht Uhr Montag Morgen. Das Telefon schellte und der Hauscomputer fragte Matthew Salix ob er das Gespräch annehmen wolle. „Klar“, rief dieser aus dem Bad, „leite es mir direkt in die Duschkabine.“ Ein paar Fliesen schoben sich zur Seite und offenbarten ein Panel zum H0-Modellbahnspielen,3D-massieren und 1A-telefonieren. Matthew stand gerade unter der Schalldusche, hatte aber mit Rücksicht auf seine WG-Genossen nicht auf volle Lautstärke gedreht, sondern hatte sich zwei Minischallduschköpfe in die Ohren gesteckt. Matthew drehte sich zum Panel und fragte: „Hallo? Wer ist da?“ „Guten Tag, wir möchten Sie davon in Kenntnis setzen, dass diesen Monat wieder gewählt wird. Es gibt voraussichtlich keine Änderungen bezüglich der TV-Übertragung und des Zuschauer-Votings. Einen schönen Tag noch. Auch wenn meine Stimme so klingt, war dies keine automatische Bandansage.“ Matthew wusste natürlich schon längst, das es diesen Monat wieder Wahlen für den Herrscher von Deutschland geben würde. Sie finden schließlich alle zwei Monate statt, in der großen Samstag-Abend-Show „Deutschland sucht den Superimperator“. Anfang des Jahrtausends konnte man in Deutschland zwei große Trends ausmachen: 1. Anbetung von Fernsehsendungen, welche die Menschenwürde verletzen, und 2. über die Politiker meckern. Politikverdrossenheit war damals im Gegensatz zu

heute noch ein Problem: Der Bürger sah seine Interessen von den Parteien nicht mehr vertreten, demokratische Entscheidungen waren nur mit Kompromissen auf beiden Seiten möglich, Wahlversprechen wurden bereits bei der Aftershow-Party der Siegerpartei relativiert und der Mann auf der Straße wusste eh alles besser. Hervorgerufen durch jahrelange Abstinenz der Wähler von den Wahlkabinen und den Start des neuen Spartensenders „TV – Themenunabhängige Verdrossenheit“ mitzuerleben, der die Politikverdrossenen als werberelevante Zielgruppe erkannte, platzte der Bundeskanzlerin der Kragen und sie meinte, jeder Bürger solle doch einen Vorschlag

wählen. J“ In besagter Sendung wurden um die Jahrtausendwende charismatische Musikstars der neuen Generation gesucht, aber diese versteckten sich sehr gut. Durch das Mehrheitsprinzip wurde der Vorschlag der Drei angenommen und aus Dank für ihren selbstlosen Einfall wurden alle Drei als Jurymitglieder verpflichtet. Angela Merkel wollte nun, am Ende ihrer Kanzlerschaft, Deutschland vor größerem Schaden bewahren: Ihre letzte Amtshandlung bestand deshalb darin, Dieter Bohlen als viertes Jurymitglied zu gewinnen. Dies sei der einzige Weg gewesen, um ihn daran zu hindern, selbst zu kandidieren. Überraschenderweise hat sich der Dieter als nicht unwichtig herausgestellt: Er prüft die Kritikfähigkeit und psychische Stabilität des Kandidaten, bevor die Geier von der Presse auf ihn losgelassen werden. Für die Show „Deutschland sucht den Superimperator“ darf sich jeder bewerben, der weiß, auf welcher Seite der Kamera er stehen muss, damit ihn die Fernsehzuschauer sehen können. Es wird aber empfohlen, schon schreiben zu können, damit man die Werbeaufträge und Einladungen zu den BPromisendungen als Nebeneinnahmen nutzen kann. Der Gewinner darf zwei Monate lang Deutschland regieren. Einen Monat um dem Staat Quelle: bohnenzaehler.blog.de Geld zu verschaffen und einen Monat um es auszugeben. Er zur Besserung der Lage auf ein Blatt Papier hat währenddessen völlig freie Hand über schreiben. Die folgenden Wochen musste Deutschland. ihr Büro auf Grund der vielen zugeschick- Es gibt nur zwei Beschränkungen: Das ten Briefe zeitweise geräumt werden. Die Grundgesetz und der gregorianische KaErnüchterung kam, als sich herausstellte, lender bleiben unangetastet. Ihre Perfordass 99,999% der Deutschen auf ihren Zet- mance dürfen die fremdernannten Fühtel schrieb: „Krönt mich zum König und alle rungshäupter so gestalten, wie es ihnen eure Sorgen sind vorbei“ ...einschließlich beliebt. Am wichtigsten ist es, SympathieFrau Merkel selbst. Doch keiner sah Sinn punkte beim Publikum zu sammeln, da die darin, 82 Millionen Könige im Land zu ha- Zuschauer via Telefon und Internet abstimben, bis auf die Frauenzeitschriften, die men. Zu den Aufgaben der Jury, bestehend sich davon mehr Abwechslung in der Spar- aus dem Kuwi ..., dem VWLer Robin Hutt te „Deutsche Königshäuser“ erhofften. und Thea Tralik, die irgendwas mit MediDie endgültige Auswertung ergab jedoch, en machen wollte, gehört es, die Perfordass drei Leute den Vorschlag aufschrieben mer zu bewerten. In folgenden Kategori„Lasst uns doch das neue Staatsoberhaupt en kann man Punkte sammeln: Rhetorik, wie bei ‚Deutschland sucht den Superstar’ Sex-Appeal, Kreativität, Wirtschaftswissen,


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Humor, Durchsetzungsvermögen, Arbeitseinstellung und Soft Skills. Wenn sich nach zwei Monaten der Haushaltssaldo im Plus befindet, darf sich der amtierende Imperator wieder bewerben. Matthew war einer der wenigen, die nicht Halsüberkopf zu den bundesweiten Castings gerannt sind. Er war zwar nicht besonders zufrieden mit der Regierung, doch er zählte sich nicht zu den Regimekritikern. Aber er sah in diesem Verfahren ebenfalls eine Chance für Deutschland: Das Volk könnte sich erst mal austoben und selbst merken, wie schwer es ist, Millionen Individuen zu Frieden zu stellen. So gaben sich bei der Show zunächst Liberale, Konservative, Umweltaktivisten, Geistliche, Globalisierungsgegner und -befürworter die Klinke in die Hand. Und wer war am Schluss der erste durch Televoting erwählte Superimperator Deutschlands? Ein Pantomime, der sich im Saal geirrt hatte. Die Jury meinte zu der Entscheidung des Publikums: „Der Kandidat Rob Otter hat als Einziger verstanden, das auszudrücken, wonach sich die Deutschen sehnen: Weniger Inhalte, mehr Show!“ – Das Erbe der vielen Dampfplauderer in der Vergangenheit, die große Reden schwangen, am Ende aber nichts veränderten. Rob erließ während seiner gesamten Amtszeit nur ein einziges Gesetz: Er sorgte für ein entspannteres Klima in den hektischen Fußgängerzonen, in dem er auf Gehwegen mannshohe Glasscheiben aufstellen ließ. Sobald jemand dagegen stößt, versinken die Scheiben im Boden. Nachdem der Fußgänger sich aufgerappelt hat, sollte er sich verwundert vortasten, wo er gerade gegengelaufen ist. Danach gab es einen kontinuierlichen Wechsel von Schlipsträgern, die mit Flipchart und Laserpointer Finanzpläne vorstellten, über Fahrschüler, die Steuern abschaffen wollten, bis hin zu Liedermachern, die auf ihrer Gitarre Protestsongs gegen Proteste schmetterten. Legendär war der Emo, der dafür eintrat, das sich Kriminelle selbst bestrafen sollten. Tue er dies nicht, wird er geächtet und fortan von seinen Mitmenschen solange mit Vorwürfen gepeinigt, bis sein innerer Widerstand gebrochen ist. Ganz knapp scheiterte auch eine frustrierte Hotelfachangestellte, welche die Lobbys abschaffen wollte. Ein potentieller Präsident schaffte es dank

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seiner modernen Vorstellung von Kindererziehung an die Staatsspitze: Er setzte durch, das jeder Bürger in seiner Kindheit und Jugend das Leben in verschiedenen sozialen Schichten kennen lernt. Dies soll seine Lebenserfahrung bereichern und ihn für soziale Probleme sensibilisieren. Jeder müsse wissen, was es heißt, in Slums, in der Vorstadt und in einer Villa zu wohnen. Als Jugendlicher arbeitet man für zwei Wochen in allen möglichen Jobs: als Müllmann, Putzfrau, Tellerwäscher, Lehrer, Konzernchef, usw.. Dies kann man sich auch später als Praktikum anrechnen lassen und noch dazu sammelt man nützliche Erfahrungen für die spätere Berufswahl: Man weiß zumindest, was man nicht werden möchte. Der einzige Kandidat, der bis jetzt wiedergewählt wurde, ist der amtierende Häuptling Ingo Gnito. Er erschuf eine neue Art von Beamten. Die einzige Aufgabe dieser Anzeige:

Beamten ist es, Promis, Politiker, Firmenbosse und andere VIPs zu überwachen. Normalerweise beschatten viele Beamte eine Person, was dazu dienen soll, Korruption zu unterbinden. Wenn es vorkommen sollte, dass ein Unternehmenschef Geld unterschlagen hat, droht der Beamte ihn zu verpetzen. Der Boss, der um seinen Job fürchten muss, würde alles dafür tun, damit die Sache nicht ans Tageslicht kommt. Im wahrscheinlichsten Fall versucht er den Beamten zu bestechen, was dieser natürlich dankend annimmt. Allerdings gibt es da noch die Beamten, die dem Beamten nachspionieren um Korruption zu verhindern. Diese müssen ebenfalls geschmiert werden. Somit wandert das gestohlene Geld wieder zurück zu den Menschen, denen es genommen wurde. mm


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Impressum Feste Mitarbeiter

Mario Mische (mm), Christian Buss (cb), Thomas Bruckert (gm), Jeanine Lefering (jl), Juliane Rades (jr), Michalina Pyszczak (mp), Anne Weber(aw), Katharina Retzlaff (kr), Laura Haber (lh), Sophie Hinzmann (sh), Markus Kubbutat (marke), Sarah Langnese (sl), Anja Schlögel, Julia Schneider, Dorothea Brettschneider, Antonia Röhm, Lena Peleikis

Freie Mitarbeiter

Maarten Geuzendam (mg), Vivian Büttner, Eva Brückmann, Claudia Grünberg, Markus von Kiedrowski, Philipp Auerbach, Liv Kirsten Jacobsen

Layouter

Mario Mische, Thomas Bruckert, Jeanine Lefering, Sophie Hinzmann, Sarah Langnese

Titelbild

Foto von Herrn Pleuger: Markus Kubbutat Bearbeitung: Christian Buss

Druck

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