Studium internationale

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Inhalt 2

Vorwort und Impressum

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Europa am Bosporus Viadrina-Studenten erleben „Mini-Erasmus“

STUDIUM INTERNATIONALE

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Internationaler Unternehmergeist in Brandenburg Mentees befragten fünf Firmen zu Jobperspektiven für Geisteswissenschaftler

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Studieren an der deutsch-polnischen Grenze Folge II: Internationaler Austausch

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Urlaub auf dem Bauernhof – aber Bio bitte! Die Organisation „Wwoof“ vergibt Plätze auf der ganzen Welt – ein Erfahrungsbericht aus Norwegen STUDIUM INTERNALE Expertise unerwünscht? Über die tatsächlichen Möglichkeiten studentischer Mitbestimmung an der Viadrina

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Schreibsprechstunde

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Schüler und Studenten gemeinsam für bessere Chancen DEINStudent bietet Schülern aus sozialschwachen persönliches Mentoring

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IKMZ – die letzte Rechnung?

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Richtigstellung Cyber War, unsportliche Schüler und nackte Darsteller Zweiter Science Slam begeistert 400 Besucher – Pleuger gibt 1x1 der Diplomatie

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Alles Kleist oder was?

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COMIC

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Polnischcrashkurs Teil IV: Reisen – Podróżować

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Erknitis Neue Krankheit bei EUV-Studenten entdeckt!

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Das Bahnfahren in Zeiten der Erknitis Eine Dramatisierung

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Siehst Du die Welt mit zwei Augen? ODER 3? 3 Tage lang ein einzigartiges Theaterfestival der interkulturellen Begegnung genießen

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Fabula Casa Erzähltradition in Frankfurt wiederbeleben

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Frankfurt – Frankfurt Teil 2: Perspektiven von der Oder über den Main

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Hausmitteilungen

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Hellsehen für Fortgeschrittene (2)

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Termine

Heft 2 2011 - Studium Internationale

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STUDIUM GENERALE


Vorwort Dear Ladies and Gentlemen, wir haben die Ehre und die große Freude, euch zur internationalen Ausgabe des Studierendenmagazins vivadrina begrüßen zu dürfen. Seitdem der Weißwurstäquator nicht mehr die einzige bekannte Grenze ist, ist Internationalität und Migrationshintergrund für euch klar wie Kloßbrühe und certo wie mafiöse Mensa-Minestrone. Erasmüsli, Praktika und Projekte im Ausland, Reisen, Internationale Freiwilligendienste, Sprachkurse – nie ward ihr mobiler! Aber bei UNICert, FMS, Outgoer, EILC, TOEFL – da kann sich schon mal die Suppe trüben. Ihr macht es vor – wir machen es nach und erklären euch die letzten Geheimnisse des Studiums Internationale. Gerade angekommen? – Wir zeigen euch das Viadrina Intensive Erasmus Programme (S. 3) und die Beziehungen der deutsch-polnischen Erasmus-Studenten. (S. 8) Wer gleich über die Brücke will, bekommt von uns einen dreiminütigen Polnisch-Crashkurs geboten. (S. 22) Ihr braucht Ferien? – Wir empfehlen Wwoofing. (S. 10) Auf Jobsuche? – So kann auch Brandenburg zum internationalen Arbeitgeber werden. (S. 6) Ihr wollt erst einmal an der Viadrina bleiben? – Achtung vor Erknitis: Wir berichten exklusiv vom Pendlervirus. (S. 24) Wir erklären euch, warum Frankfurt doch besser als Frankfurt ist (S. 28), wie sich Studenten um die internationale Jugend vor Ort kümmern (S. 14) und natürlich, was das alles mit Kleist zu tun hat (S. 20). Nach Tokio, London, New York, jetzt auch in Frankfurt (Oder): der Science Slam. Wir waren dabei und küren unseren persönlichen Favouriten. (S. 18) Wichtiger als jedes Wörterbuch: Die neue vivadrina! Eure vivadrina-Redaktion

Impressum Feste Mitarbeiter:

Dörte Bortfeldt, Fabian Angeloni, Hanna Gieffers, Johanna Kardel, Anja Schulz, Luisa Rath, Mario Mische, Paul „Fo“ Bogadtke, Anja Franzke, Laura Goetze, Natalia Polikarpova, Saskia Pelzer

Freie Mitarbeiter:

Fabian Fehse, Ronny Diering, Thomas Bruckert, Vivian Büttner, Michèlle Schubert, Sebastian Schönbeck , Werner Eggerath

Layout:

Hanna Gieffers, Johanna Kardel, Mario Mische, Anja Franzke

Titelbild und Grafiken:

Paul „Fo“ Bogadtke

Chefredakteure:

Mario Mische, Paul „Fo“ Bogadtke

Herausgeber:

vivadrina e.V.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe:

02.05.2011

Diese Ausgabe ist erhältlich:

vor der GD-Mensa im AStA-Shop im Fforst-Haus im Selbstlernzentrum des Sprachenzentrums (und ein Abo ist auch noch möglich!)

Telefon: 0335 - 5534 5202 facebook: facebook/vivadrina E-Mail: vivadrina@yahoo.de Vivadrina-Büro: Hauptgebäude, Raum K26 (Keller)

Postadresse: vivadrina e.V. Europa-Universität Viadrina Große Scharrnstraße 59 15230 Frankfurt (Oder)

Wir danken allen, die das Erscheinen der Zeitung möglich gemacht haben. Besonderen Dank an AStA und StuPa der Europa-Universität Viadrina, die wichtige Förderer sind. Wir weisen darauf hin, dass die Artikel nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge und Leserbriefe sinnwahrend zu kürzen. Das Vivadrina-Team freut sich immer über Neuzugänge. Erwünscht sind nicht nur Artikelschreiber, sondern auch Organisationsköpfe, Verkaufstalente, Layouter, Anzeigenakquirierer und Putzkräfte. Wir suchen keine Perfektionisten – davon haben wir schon genug. Außerdem können Kuwis seit diesem Semester für ihr Engagement bei uns einen Praktikumsschein bekommen. Bei Interesse schreibt uns eine E-Mail. Am schönsten finden wir es natürlich, wenn ihr zu unseren wöchentlichen Treffen kommt: Sie finden im Semester dienstags um 18 Uhr im Vivadrina-Büro HG K26 statt. 2

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Europa am Bosporus Viadrina-Studenten erleben „Mini-Erasmus“

Jeder Student kennt Erasmus. Sein kleines Bruderprogramm „Erasmus-Intensiv“ ist noch ein Geheimtipp. Drei Viadrina-Studenten haben es ausprobiert. In Istanbul nahmen sie im März zusammen mit 25 Studenten aus acht EU-Staaten und der Türkei an dem zweiwöchigen Programm teil. Das Thema war Europa, die Sprache war französisch, der Ort die Universität Galatasaray.

Collage: Paul „Fo“ Bodadtke

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Der Ruf des Imam reißt die Studenten aus Frankfurt einige Male in den Morgenstunden aus dem Schlaf. Ungewohnt für europäische Ohren schallt der melodische Gesang über die Dächer Istanbuls. „Willkommen in Europa“, so begrüßen die türkische Direktorin der Fakultät für Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften Prof. Dr. Füsül Üstel und der belgische Professor Lieven de Winter die Studenten. Es ist der Startschuss für zwei Wochen Studentenleben in Istanbul und pro Tag vier Kurse über Europa. 28 Studenten hören ihnen zu, insgesamt sind ein Drittel der Mitgliedsstaaten Europas und die Türkei repräsentiert. Brav sitzen die Studenten bei diesem ersten Treffen noch nach Nationalstaaten geordnet, es wird auf Deutsch, Italienisch, Spanisch, Polnisch, Rumänisch, Französisch und Türkisch geflüstert. Doch die Kleingrüppchen weichen im Laufe des Programms auf, es entsteht eine große Gemeinschaft, in der das Herkunftsland keine große Rolle spielt. „Das Arbeiten mit den anderen Studenten und der Zusammenhalt unter uns waren super. Die Atmosphäre war die während eines sechsmonatigen Erasmusaufenthaltes. In zwei Wochen hat sich ein Miniatur-Europa geformt“, sagt Sebastian Jehle, Programmteilnehmer und Master-Student im Fach Europäische Studien an der Viadrina Universität. „Vom Europa der Imperien zum Europäischen Imperium?“ – das Motto des Kurses ließ Spielraum für intellektuelle Höhenflüge und informative Kurse. „Noch nie habe ich so viel in so kurzer Zeit über andere euro päische Länder gelernt“, findet der 27-jäh

rige Sebastian, der bereits ein halbes Jahr als Erasmusstudent in Toulouse verbracht hat. Die Professoren aus den unterschiedlichen EU-Staaten zeigten jeden Tag ein neues Gesicht Europas. Angefangen bei der Geschichte, hin zur Religion, zum Parteiensystem, zum Thema Migration und zur Frage einer europäischen Identität wurde vieles angesprochen. Die türkischen Studenten lernten, warum Belgien seit über 300 Tagen keine Regierung hat. Die europäischen Studenten lernten, wieso die Situation der Kurden in der Türkei nicht einfach ist.

Studentenleben auf Türkisch: Campuskatzen und Chai-Tee in jeder Pause Die französischsprachige Universität Galatasaray schmiegt sich sanft zwischen Palmen an das Ufer des Bosporus. Von der Terrasse der Cafeteria können die Studierenden ihre Füße ins Wasser halten. Befände man sich in Südfrankreich, dann sähe es dort ähnlich aus. Die Studierenden aus Europa fallen zwischen den 2500 von der Universität streng selektierten türkischen Studierenden nicht auf. Verschleierte Haare sieht man selten. Nur an die über das Unigelände wuselnden Katzen und an die strengen Sicherheitskontrollen am Eingang müssen sich die Studenten aus Europa erst gewöhnen. Sie schnuppern türkischen Universitätsalltag: zwischen den Kursen trifft man sich am Bosporus und trinkt Chai, einen starken Schwarztee. „Durch das Seminar habe ich ein moderneres Bild der Türkei bekommen“, so Sebastian Jehle. „Istanbul ist sehr westlich geprägt, die Stadt fühlt sich wie eine europäische Millionenstadt an“, meint er. Geboren wurde die Seminaridee vor 17 Jah

Auf den unzähligen Märkten kann man in Istanbul frisches Gemüse kaufen: oder wie hier zum Beispiel Fisch.

Auf der Altstadtseite Istanbuls schmiegen sich Restaurants an das Ufer des Bospurus. Im Hintergrund eine der vielen Moscheen..

ren zwischen den Universitäten LouvainLa-Neuve in Belgien und der der Politikuniversität Science Po Paris in Frankreich. Damals reisten die Studenten und Professoren mit dem TGV, dem französischen Hochgeschwindigkeitszug, zwischen den beiden Städten hin und her. Heute braucht man das Flugzeug. „Am Anfang lag der Fokus des Programms auf der Regionalpolitik und den Parteiensystemen in den einzelnen europäischen Ländern“, erzählt der belgische Professor Lieven de Winter, einer der Gründerväter. „Nun ist Europa im Herzen des Programms“, sagt er. Wie in der EU gab es nach und nach mehrere

An Straßenständen verkaufen Händler den Fisch gegrillt im Brot mit Salat (Foto links). Eine andere Delikatesse sind Muscheln mit Reis und Zitronensaft (rechts).

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Erweiterungswellen: Studenten und Professoren aus Deutschland, Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Rumänien, und seit 2006 auch eine Universität aus der Türkei vergößern die Anzahl der Teilnehmerländer. Professor Dr. Michael Minkenberg hat das Programm im Jahr 2000 an die Viadrina geholt. „Es ist eine fabelhafte Möglichkeit für Studenten und Professoren Europa aus einer neuen Perspektive zu sehen und nicht nur in ihrem eigenen akademischen Saft zu schmoren“, sagt er.

Von Istanbul nach Frankfurt Oder: ein Blick in eine ungewisse Zukunft Ates Uslu hat vor sechs Jahren an dem Intensivprogramm in Budapest teilgenommen und ist jetzt Dozent an der Universität Galatasaray. Jetzt steht er vor den neuen Studenten als Dozent, er denkt jedoch auch gerne an seine Zeit als Teilnehmer zurück. „Durch das Programm konnte ich Einblick in viele europäische Themen bekommen. Zu einigen Teilnehmern habe ich heute noch guten Kontakt“, freut er sich. Der Großteil der Erasmus Intensivprogramme wird in Englisch angeboten. Besonders viele Programme werden im Bereich

Was ist das Erasmus Intensivprogramm? Prof. Dr. Minkenberg vom Lehrstuhl Politik I betreut das französischsprachige Programm an der Viadrina . Drei Plätze werden angeboten. Die nächste Bewerbungsrunde startet 2013. „Besonders für Masterstudenten ist das Programm interessant. Sie können es sich als Schein anrechnen lassen“, so Minkenberg. Insgesamt wurden in Europa im Jahr 2009/2010 384 Erasmus Intensivprogramme in 29 verschiedenen Ländern organisiert. 12606 Studenten und 4378 Professoren haben an den Programmen in diesem Jahr teilgenommen. Die Intensivprogramme dauern im Durchschnitt 12 Tage.

Sozialwissenschaften, Wirtschaft und Recht angeboten. Das Programm ist bei Studenten sehr beliebt. Im Jahr 2010 wurden 20% mehr Programme angeboten, als im Vorjahr. Trotz des Erfolges steht die Zukunft auf wackeligen Füßen. Der Flug, die Honorare der Professoren, sowie die Organisationskosten wurden von der Europäischen Kommission vollständig übernommen. Für Essen und Übernachten wurde das Budget der Studenten dieses Jahr von der Kommission auf elf Euro gekürzt. Zu wenig, um eine Unterkunft, sebst eine Jugendherberge in Istanbul auch im nächsten Jahr bezahlen zu können. „Mit diesem Budget wird es kein neues Pro-

gramm in Istanbul 2012 geben können“, so Esra Atuk, türkische Koordinatorin des Pro gramms. Das Budget des Programms ist bereits von 49.000 € im Jahr 2009 auf 33.000€ im Jahr 2010 geschrumpft. Die Teilnehmerstipendien wurden an die Höhe der anderen Erasmusstipendien angepasst, so die Begründung der Europäischen Kommission. Frankfurt (Oder) ist als möglicher Austragungsort des Programms für das Jahr 2013 im Gespräch. Bis jetzt gingen Frankfurter Studenten nach Europa, jetzt könnte Europa nach Frankfurt kommen. Hanna Gieffers

Blick über den Bosporus nach Asien, die Ortaköy-Moschee im Rücken: die französische Studentin Hélène Guillaume, der türkische Student Reha Kocatas und die Frankfurter Studierenden Sebastian Jehle und Cathleen Berger (v.l.) diskutieren über Europa. Fotos: Hanna Gieffers

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Internationaler Unternehmergeist in Brandenburg Mentees befragten fünf Firmen zu Jobperspektiven für Geisteswissenschaftler Bietet der Arbeitsmarkt in Brandenburg berufliche Perspektiven? Diese Frage stellt sich besonders für zukünftige AbsolventInnen geisteswissenschaftlicher Studienfächer, die später vor allem international arbeiten möchten. Für diejenigen, die genauer hinschauen, bieten sich interessante Möglichkeiten. Wir, die Frankfurter Mentees, begeben uns für Brandenburger Studierende auf die Suche nach potenzielle Stellen. Wir befragten fünf Unternehmen und Organisationen zu Jobperspektiven für Geisteswissenschaftler. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein, aber eines haben sie ab jetzt gemeinsam: Wir fuhren hin und fragten vor Ort nach.

PAS Deutschland GmbH Unternehmergeist gibt es in Brandenburg viel. Es sind jedoch vor allem kleine und mittelständische Firmen, von denen man selten hört. Wer weiß zum Beispiel, dass sich in Neuruppin ein Weltmarktführer für Waschmaschinenleisten mit Standorten in Polen, Türkei und Mexiko befindet? Diese suchen händeringend IngenieurInnen, jedoch keine

sprächspartnerInnen Suntje Schmidt, Christina Minniberger und Gregor Prinzensing würdigen die interkulturellen Kompetenzen von GeisteswissenschaftlerInnen. Sie sind ein Baustein zum Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Interkulturelle Kompetenz allein reicht jedoch nicht immer aus – auch andere sind wichtig, wie wir bei unserer nächsten Station erfahren werden.

Schloss Trebnitz Unser erstes Ziel ist Schloss Trebnitz. Es liegt etwa 50 Kilometer östlich von Berlin und circa 30 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Der freundliche Bildungsreferent Darius Müller steht uns Rede und Antwort. Das ehemalige Gutshaus ist heute eine Begegnungsstätte der internationalen Jugendarbeit, wobei der Schwerpunkt auf dem deutsch-polnischen Austausch liegt. Für Geisteswissenschaftler, vor allem für die mit Bezug zu Polen, ein Volltreffer! Es werden häufig MitarbeiterInnen für die vielfältigen Aufgaben des Projektmanagements gesucht: Vom Stellen des Antrags über das Finden von Partnern, der Konzeptentwicklung, der Durchführung des Projekts als TeamleiterIn bis hin zur Abrechnung. Am Anfang steht in der Regel eine Mitarbeit auf Honorarbasis. Bei großen Projekten ist auch eine Festanstellung nicht ausgeschlossen. Die vakanten Stellen werden dabei jedoch nicht öffentlich ausgeschrieben. Am Anfang steht bei den meisten vielmehr ein Praktikum im Schloss oder eine Empfehlung. Dies zeigt, wie wichtig Eigeninitiative und Kontakte bei der Arbeitssuche sind. Schloss Trebnitz ist für unsere Suche also ein Erfolg, doch wie sieht es mit Einstiegsmöglichkeiten in der brandenburgischen Unternehmenslandschaft aus?

Fragestunde in Erkner: Anna Kobus mit Suntje Schmidt und Christina Minniberger vom IRS, Foto: privat

GeisteswissenschaftlerInnen. Das bestätigten uns der Geschäftsführer Thomas Born und der Personalmanager Dr. Thomas Lenz von PAS. Produktionsunternehmen dieser Größe schätzen zwar den Wert eines Soziologen, in der Belegschaft leisten sich ihn aber nicht. Also ein kleiner Rückschlag auf der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten für GeisteswissenschaftlerInnen. Bewegen wir uns also in Richtung Wissenschaft und durchleuchten ein Forschungsinstitut.

IRS in Erkner Das Leibniz Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) erforscht in interdisziplinären Teams die Transformation von Städten und Regionen aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. In den verschiedenen Projekten arbeiten so zum Beispiel GeografInnen mit Sozial- und EuropawissenschaftlerInnen zusammen. Für GeisteswissenschaftlerInnen mit Schwerpunkt Geschichte oder Soziologie stellt die Einrichtung damit eine interessante Arbeitsstelle dar. BewerberInnen müssen jedoch bereits Arbeits- oder Studienerfahrung in der Raumplanung mitbringen. Unsere Ge6

A nwaltskanzlei Matthies Unverhofft findet sich eine Geisteswissenschaftlerin in einer Branche, in der wir sie nicht vermuteten: in einer Anwaltskanzlei. Die Kanzlei ist spezialisiert auf Strafrecht. Die aus Polen stammende Kamila Matthies betreut mit ihren zwei deutschen Partnern KlientInnen, die in Deutschland oder Polen in Konflikte mit dem Gesetz geraten sind. Frau Matthies und ihre Kollegen verhandeln und korrespondieren regelmäßig in polnischer, deutscher, aber auch englischer Sprache. Als Ergänzung zu Anwälten und Sekretärinnen stellte die Kanzlei wegen ihrer Sprachkenntnisse eine Germanistin aus Polen ein und ist sehr froh über diesen Schritt. Mehr als die Juristen sei sie um eine angenehme Arbeitsatmosphäre bemüht, achte darauf, dass sich alle wohlfühlen und ergänzt die juristische „Fachsimpelei“ um eine ganz neue Perspektive, berichtet Frau Matthies. Eine fachfremde Sichtweise kann also offenbar nicht nur die Arbeit, sondern darüber hinaus auch das Betriebsklima bereichern. Wieder eine wichtige Kompetenz, die für die berufliche Zukunft qualifiziert. Um diese Erfahrung reicher, machen wir uns auf den Weg zur letzten Station.

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rem an der Viadrina jedes Jahr durchgeführt und dauert 10 Monate. Zielgruppe sind Studentinnen und Doktorandinnen, Buchholz bei Fürstenwalde ist das Ziel undie sich mit Themen wie Berufswahl und serer fünften Reise. Dort treffen wir uns mit Berufseinstieg, Frauen auf dem Weg in der Kuratorin Christine Hoffmann. FührungspositiLandKunstLeben führt Kunstprojekte onen, sowie Verim ländlichen Ostbrandenburg durch einbarkeit von und bewirtschaftet einen drei Hektar Familie und Begroßen Kunst- und Lehrgarten. Frau ruf auseinanderHoffmann ist Literaturwissenschaftlesetzen möchten. rin und würde gerne anderen GeistesJede Teilnehwissenschaftlern eine Stelle anbieten merin bekommt – zur eigenen Arbeitsentlastung und für die Dauer für einen besseren Ideenaustausch. des Programmes Leider fehlt es an Finanzierungsmögeine Mentorin lichkeiten. Dennoch ist der Verein ein oder einen Menoffener Ansprechpartner für das Durchtor. Diese oder führen eigener, bereits finanzierter Prodieser berät und jekte oder für die Mitarbeit an wissenunterstützt sie schaftlichen Recherchen zu Aspekten bei allen für die und Problemen ländlicher Gebiete. Te i l n e h m e r i n Damit bietet der Verein ein hervorrai n t e re s s a n t e n gendes Beispiel für eine erfolgreiche Fragen. In ErProjektarbeit in Brandenburg. gänzung dazu Inge Elise Uhlig besuchte Kamila Matthies in ihrer Kanzlei Foto: privat stehen verschieDie Angebote für internationale Arbeit dene Trainings, für Geisteswissenschaftler in Brandenburg gement, Aufrichtigkeit und Kreativität aus. Netzwerktreffen und ein Projekt, das erschließen sich nicht sofort. Schon die Re- Mit solchen Menschen zu arbeiten und et- in einer Gruppe von Teilnehmern auch cherche nach potenziell interessanten Ar- was Neues zu schaffen, entschädigt auf je- zur Reflexion der eigenen Teamfähigkeit beitgeberInnen und dadurch Gesprächspart- den Fall für die schwierige Suche. durchgeführt wird. Das Programm bietet nerInnen erweist sich für uns schwieriger als also eine gute Chance, individuelle Ziele gedacht. International, Brandenburg, Gei- Diesen Artikel haben Anna Kobus, Ka- im strukturierten Rahmen eines MentosteswissenschaftlerInnen – Google ist da trin Rahnefeld, Maike Tjaden und Inge ringprogramms anzugehen. Nähere Inkein guter Freund. Viele Unternehmen und Elise Uhlig im Rahmen des Mentoring- formationen erhalten Interessierte unter Organisationen in Brandenburg sind klein, programmes für Frauen in Brandenburg www.mentoring-brandenburg.de verhältnismäßig jung und dadurch regional geschrieben. Das Projekt wird unter ande-

Kunstverein LandKunstLeben

und lokal orientiert. Andererseits stoßen wir mit unseren Anfragen auf eine außerordentlich positive Resonanz. Die Menschen, die in Brandenburg grenzüberschreitend und international arbeiten, zeichnet viel Enga-

Weitere Infos zur Bewerbung: Schloss Trebnitz – Internationale Projekte und Begegnungen in der Jugendarbeit

PAS Deutschland GmbH (Neuruppin) – Produzent von Blenden u.a. Kunststoffbaugruppen

Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner – Projekt Know-MAN

Anwaltskanzlei Matthies&Matthies mit Spezialisierung im Strafrecht in Frankfurt (Oder)

LandnstLeben e. V. – Kulturelle Veranstaltungen im Schlossgarten Steinhöfel in Buchholz

Mitarbeiter/innen: zehn Festangestellte, sowie weitere Honorarkräfte und Ehrenamtliche

Mitarbeiter/innen: 3.000 weltweit

Mitarbeiter/innen: 78 MitarbeiterInnen, internationales Team

Mitarbeiter/innen: zwei Anwälte, eine Anwäl tin, vier Bürokräfte

Mitarbeiter/innen: 30 Vereinsmitglieder, Vorsitzender auf Honorarbasis

Studientipps: Wer in der Jugendarbeit Fuß fassen möchte, sollte schon während seines Studiums diese Richtung eingeschlagen und Erfahrungen gesammelt haben.

Studientipps: Es kommt nicht immer nur auf gute Noten an – ein ethisches Fundament ist enorm wichtig. Daher werden außeruniversitäre Interessen und Hobbies sowie gesellschaftliches Engagement hoch angerechnet.

Bewerbungstipps: Wichtig ist das Anschreiben. Teilweise hat der Leser/ die Leserin nur 90 Sek. Zeit, es zu lesen, der erste Eindruck ist also entscheidend. Der Bewerber oder die Bewerberin muss seine/ihre Erfahrungen auf die ausgeschriebene Stelle beziehen können.

Tipps Beruf/Familie: Auch einen sehr zeitaufwendigen Job, bei dem man nicht immer um 17 Uhr Feierabend hat, kann man mit der Kindererziehung vereinbaren. Bei strukturierter Planung und einem guten Selbstmanagement bleibt für beides genügend Zeit.

Internet: www.schloss-trebnitz.de

Internet: www.pas-net.biz/

Internet: www.irs-net.de/ forschung/forschungsabteilung1/KnowMan/ index.php

Internet: http://www.anwalt-strafrecht.net

Gründungstipps: Mit Eigeninitiative findet man in Brandenburg gute Möglichkeiten, eigene Ideen so umzusetzen, dass daraus ein berufliches Standbein wachsen kann. InteressentInnen braucht dazu nur etwas Mut und die Offenheit, äußere Umstände flexibel für ihre Ideen nutzen zu können. Internet: http://www.landkunstleben.de/

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Studieren an der deutsch-polnischen Grenze Folge II: Internationaler Austausch

Collagen: Paul „Fo“ Bogadtke

Einen Teil des Studiums imAusland zu absolvieren, gehört mittlerweile zum guten Ton. Der Arbeitsmarkt und der Trend zur Weltläufigkeit wollen es so. Über zwei Millionen Studenten haben Erasmus & Co. seit ihrer Einführung 1987 gefördert. Viadrina Studenten zieht es dabei ganz besonders in die Ferne. Keine deutsche Universität entsendet, gemessen an der Anzahl der Immatrikulationen, mehr Studenten ins Ausland. Vergrault die Viadrina systematisch ihre Studenten? Und welche Bedeutung hat die mobile Studentenschaft für die Beziehung zum Nachbarland Polen, zu dem die Viadrina ohnehin eine besondere Beziehung hat? Vivadrina fragt nach, wie studieren an der deutsch-polnischen Grenze funktioniert. „Bonjour!“, „Dzien dobry!”, “¡Buenos dias!” Laura hört morgens auf dem Weg zum Bad „Guten Morgen“ in drei verschiedenen Sprachen. Dafür muss die Studentin der Kulturwissenschaften jedoch nicht ins Ausland. Sie wohnt mit ihren Mitbewohnern im Studentenwohnheim in der AugustBebel-Straße. Wie viele Studenten der Viadrina reizt sie der Kontakt mit fremden Kulturen. Die Wohnsituation war jedoch eher Zufall: „Das Student e n werk hat für mich entschieden“. Viele Studenten der EuropaUniversität teilen Lauras Interessen an anderen K u l -

turen. Die wenigsten überlassen das jedoch dem Zufall und noch weniger ziehen dafür in die August-Bebel-Straße, sondern landen früher oder später in den Räumen des Internationalen Büros bei Torsten Glase und Bernd Schünow. Die beiden betreuen seit vielen Jahren Studenten, denen die Internationalität auf dem Campus noch nicht genug ist. Sie scheinen ihre Arbeit gut zu machen. Die Europa-Universität ist seit einigen Jahren in Punkto geleisteter Auslandssemester unter den deutschen Unis Tabellenführer. 502 Studenten schickte die Uni allein im laufenden akademischen Jahr ins Ausland.

Hälfte sei vor allem die Liebe zur Sprache, den schönen Städten oder aber auch finanzielle Vorteile ausschlaggebend. Seitdem Polen wirtschaftlich besser aufgestellt ist, steige auch die Gruppe, die bei ihrer Entscheidung für Polen den Arbeitsmarkt im Blick hätte. „Immer mehr Firmen in Brandenburg werten die Kenntnisse der polnischen Sprache und Landeskunde als absolutes Plus im Lebenslauf“, so Schünow. Das bestätigte auch das deutsch-polnische Career Center der Universität.

Internationale Europa-Universität Viadrina

Die 22jährige Anja ist eine der 25 Studierenden, die sich im letzten Winter für ein Semester in Polen entschieden.. Die Studentin der Kulturwissenschaften verbrachte ein Semester in Wrocław: „Gleich zu Beginn des Studiums hatte ich angefangen Polnisch zu lernen. Ein großes Interesse für Polen hatte ich damals noch nicht. Mich lockte mehr die Tatsache, dass die Polnischkurse im Sprachenzentrum kostenlos angeboten wurden.“ Da aus dieser Zufallsentscheidung schnell eine Liebe für die Sprache und Kultur des östlichen Nachbars wurde, fiel ihr die Entscheidung nicht schwer, ein Erasmussemster in Polen zu verbringen. „Bereut habe ich die Entscheidung nie“, sagt Anja.

Die Ursache für den Erfolg sieht Torsten Glase im Gründungsauftrag der Europa-Universität. Viele Studiengänge seien so konzipiert, dass ein Auslandssemester erforderlich oder erwünscht sei. Dennoch macht er auch die Atmosphäre auf dem Campus insgesamt dafür verantwortlich, dass so viele Studierende sich für einen Auslandsaufenthalt entscheiden. Die Brücke zu Polen, der hohe Anteil ausländischer Studenten, die 200 Partneruniversitäten weltweit, die vielen fremdsprachigen Veranstaltungen von Muttersprachlern: Damit wirbt die Universität für ihre Internationalität. Mittlerweile haben sogar die Wiwis die sonst so reisefreudigen Kuwis überholt. Glase führt diese Entwicklung unter anderem auf den Druck des Arbeitsmarktes zurück, in dem Mehrsprachigkeit als ein Plus gilt. Auch unter den Rewis macht sich die Reisefreudigkeit breit. Dennoch ist deutschlandweit an vielen juristischen Fakultäten ein Auslandssemester nach wie vor undenkbar. Die Möglichkeit im Studium ein Semester im Ausland zu verbringen ist daher bei vielen Rewis ein entscheidendes Motiv für ein Studium an der Viadrina, so Schünow.

Barcelona kann jeder Unter den beliebtesten Zielen von ViadrinaStudenten findet sich neben den Erasmushochburgen Frankreich, Spanien und England auch Polen. 25 Studenten entsandte die Viadrina im vergangenen akademischen Jahr über die Oder. Auch wenn das Interesse am Osten seit einigen Jahren steigt, ist die Viadrina deutschlandweit damit ein Exot. Bernd Schünow schätzt, dass mindestens die Hälfte polnische Vorfahren habe. Für die andere

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Zufall macht Liebe

Gewohnheit ist Liebe Auch Aleksandra verbrachte ein Semester in Polen. Im Unterscheid zu Anja kannte Aleksandra Polen bereits sehr gut von Besuchen bei ihrer polnischen Familie: „Der größte Unterschied zwischen Polen und Deutschland ist die Bedeutung familiärer Beziehungen und die Gastfreundschaft. Polen sind viel gastfreundlicher.“ Trotz positiver kultureller Erfahrungen sind Anja und Aleksandra unzufrieden mit den Erfahrungen, die sie mit dem polnischen Universitätssystem gemacht haben. „Das lag daran, dass wir fast ausschließlich englischsprachige Kurse besuchen sollten, die natürlich fast ausschließlich von Erasmusstudenten besucht wurde.“, so Anja. Mittlerweile sind Anja und Aleksandra wieder zurück und nutzen ihre Erfahrungen, um anderen zu helfen. Aleksandra engagiert sich in der Stadtgruppe des Vereins der Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS e.V.). Dort findet sie nicht nur den Kontakt zu anderen Osteuropa-Liebhabern,

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sondern macht sich für den Austausch von jungen Menschen aus Deutschland, Polen, Tschechien und Belarus stark. Anja ist als Tutor bei den Interstudis und hilft Erasmusstudenten bei der Eingewöhnung an der Viadrina. Sie kann sich mittlerweile vorstellen, nach ihrem Abschluss eine Zeit in Polen zu arbeiten.

292 neue Erasmus-Studenten Aber auch als Empfängeruniversität für ausländische Studenten steht die Viadrina hoch im Kurs. Erst vor wenigen Wochen wurden die neuen Erasmusstudenten begrüßt. Mit denen die bereits im Sommersemester gekommen sind, macht das im Akademischen Jahr 2010/2011 292 Studierende. Das Jahr davor waren es noch 20 weniger. Für viele Studierende ist die Nähe zu Berlin, die in-

Mehr als jeder Zehnte Viadrina-Student entscheidet sich für einen Auslandsaufenthalt, Foto: Johanna Kardel

International in Frankfurt (Oder) Die Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) e.V. fördert seit über 25 Jahren die Begegnung von jungen Menschen aus Deutschland, Tschechien, Polen und Belarus. Neben Stipendien, Sprachkursen, Seminaren und anderen Projekten, steht auch das Zusammenführen von Gleichgesinnten im Vordergrund. Die Stadtgruppe in Frankfurt (Oder) trifft sich daher regelmäßig für gemeinsame Abendessen, Ausflüge oder Filmabende. Andere Osteuropa-Fans sind jederzeit willkommen. Die INTERSTUDIS sind Studenten der Europa-Universität, die die Betreuung der Erasmusstudenten der Viadrina übernehmen. Jeder Erasmusstudent bekommt vor seiner Anreise einen Tutor zur Seite gestellt, der ihn sowohl bei den organisatorischen Aufgaben als auch bei der Einführung in das studentische Leben unterstützt. Darüber hinaus organisieren die Interstudis Ausflüge und Partys, um Land und Leute näher kennenzulernen. Das verbündungshaus fforst e.V. ist ein selbstverwaltetes Kulturprojekt von Studenten der Europa-Universität und vermutlich der internationalste Wohnort in Frankfurt (Oder). In diesem Semester wohnen dort 31 Personen aus neun verschiedenen Nationen. Darunter sind auch zwei Erasmus-Studenten. Es muss jedoch nicht gleich eingezogen werden, um die zahlreichen kulturellen Veranstaltungen in der Event-Etage zu besuchen. Neben den zahlreichen internationalen Abenden, steht am 12. Mai auch der 5. Geburtstag des fforst an. Herzlichen Glückwunsch!

teressante Lage an der deutsch-polnischen Grenze, die vielen fremdsprachigen Lehrveranstaltungen und die positiven Berichte ihrer Vorgänger, ein Grund nach Frankfurt (Oder) zu kommen. Die vielen zufriedenen Erasmus-Studenten seien nicht zuletzt mit der Betreuung der Interstudis zu erklären, so Glase. Die Interstudis kümmern sich um alle Probleme der Erasmus-Studenten, vom Abholen vom Bahnhof, über Hilfe bei der Immatrikulation bis zu Kennenlernparties.

Viadrina als heimatliches Gefilde Wer immer noch Fragen hat, auf den wartet Bernd Schünow. Wenn er die Augen zukneift und überlegt, dann kann man damit rechnen, dass er sich an die Gesichter und Namen der meisten Ehemaligen noch erinnert. Darunter sind auch viele Polnische Namen. Die Zahlen der polnischen Studenten, die sich für ein Auslandssemster an der Viadrina entscheiden, steigen seit Jahren. Dieser Trend steht dem allgemeinen Rückgang der polnischen Studenten, die ihr gesamtes Studium an der Viadrina verbringen, entgegen. Schünow sieht darin einen Zusammenhang: „Viele junge Polen entscheiden sich eher für ein Studium in Polen, sehen aber dennoch ein Auslandssemester als Plus an.“ Für viele erscheint dabei die Viadrina als ein Sprung in nur lauwarmes Wasser. Zum einen ist Frankfurt (Oder) für viele Polen noch fast heimatliches Gefilde und hat zum anderen auch einen gewissen Ruf hinsichtlich der deutsch-polnischen Beziehungen. Hinzu kommt jedoch auch noch der Umstand, dass die Viadrina keine Sprachtests für ihre Austauschstudenten verlangt und Veranstaltungen auch auf Polnisch und Englisch angeboten werden.

K ein Grenzgänger

Nicht ein Erasmus Jeder Erasmusaufenthalt ist anders. Je nach Umständen, Umgebung und eigener Bereitschaft variieren die Erfahrungen. Eines ist jedoch allen gleich: Eine vertiefte Bekanntschaft mit einer neue Kultur, einer neuen Sprache und neuen Personen. Dabei ist es egal, ob als Deutscher in Polen, als Pole in Deutschland oder ob als Franzose in Spanien – die Erfahrungen prägen auf die Dauer die Beziehung zum jeweiligen Land. Besonders für die mitunter von Unsicherheit geprägten Beziehungen zwischen Deutschland und Polen sind solche Erfahrungswerte Gold wert. Glücklicherweise wird der allgemeine Differenzierungsdruck auf dem Arbeitsmarkt, die steigende Weltläufigkeit und die Neugier auch in Zukunft die Studenten ins Ausland drängen. Das rege Mobilitätsverhalten der Studierenden an der Viadrina lässt dabei mitnichten auf die mangelnden Qualitäten der Europa-Universität schließen. Vielmehr ist es ein Zeichen von Avant- g a r d e , auch was die geografische Richtung angeht. Johanna Kardel

Die englischen Veranstaltungen findet auch Nina gut. Die Studentin der Wirtschaftswissenschaften und Statistik aus Warschau ist vor wenigen Wochen in Frankfurt (Oder) angekommen und ist damit eine der 45 polnischen Studenten, die das Akademische Jahr 2010/2011 an der Viadrina verbringen. Sie möchte vor allem ihre Deutschkenntnisse verbessern. Nina besucht für den Anfang aber erst einmal englische Veranstaltungen. „When I arrived I couldn’t think of any German word, but every day I remember something more.“ Dass sie heute an der Viadrina eingeschrieben ist, jedoch eher ein Zufall. Die Europa-Universität war nicht ihr Erstwunsch. Die Nähe zur Grenze empfindet sie dabei weniger positiv: „My parents live close to Poznan and I studied in Warsaw, so now I live closer to

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home. That’s not what I had imagined going abroad.“ Den Zufall mit Frankfurt (Oder) bereut sie jedoch heute nicht mehr: „The people here are really nice.“ Eine Sache überließ sie nicht dem Zufall. Sie entschied sich bewusst für das Wohnheim in der AugustBebel-Straße – da es am Weitesten von der Grenze entfernt lag.

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Urlaub auf dem Biobauernhof Die Organisation „Wwoof“ vermittelt Plätze weltweit Erfahrungsbericht aus Norwegen

Ab ins Ausland – denken sich viele Studenten, wenn die Semesterferien vor der Tür stehen. Doch bei einem Blick aufs Konto wandelt sich der Traum eines Strandurlaubs in Spanien oft in eine Reise an die Ostsee. Mit wwoofing ist beides möglich - wenig Geld ausgeben und neue Länder kennenlern. Die Idee: auf einem Biobauernhof helfen und dafür umsonst wohnen und essen. Wie zum Beispiel auf dem Hof der deutschen Auswanderer Sören Holskjer (42) und seiner Lebensgefährtin Nathalie Hartwig (29) in der Nähe von Namskogan, im Norden Norwegens. Jedes Jahr helfen ihnen Studenten und Weltenbummler bei der Hofarbeit. Ein ‚Urlaub‘, der etwas anderen Art. Mit schnellen Handgriffen saust der Schleifstein in Sörens Hand über die Klinge der Sense. Rhythmisch hallt das blecherne Geräusch von den Bergen rund um Fjellheim im Norden Norwegens zurück. Es ist 8 Uhr morgens. Sonst ist nichts zu hören in der klaren Septemberluft. Der bärtige Mann mit dem Irokesenhaarschnitt hat bereits vielen Helfern das Sensen beigebracht. Die meisten sind über die Organisation WWOOF zu ihm gekommen.

Natur pur in Norwegen: Elche im garten und einen see direkt hinterm haus

Bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht. „Die ‚Wwoofer‘ auf meinem Hof waren sehr interessierte, junge Leute, meistens Studenten“, sagt er. Er überlegt kurz und fasst sich dabei an seinen langen, dunklen Bart: „Einige sind gekommen, um sich Tipps für einen eigenen Hof holen, aber die meisten wollten sich einfach eine Auszeit gönnen. Die wenigsten waren typische Körnerfresser.“ Fünf ‚Wwoofer‘ waren schon auf seinem Hof, aus Italien, Belgien, Russland und Deutschland. Eines muss man mitbringen: vielseitig einsetzbar sein und den Willen haben, bei den unterschiedlichsten Aufgaben zu helfen. Das ist das Prinzip des‚Wwoofens‘. Für die Helfer auf Sörens Hof heißt das: sich jeden Tag hinter Rosmarin und Oregano zu setzen und die beiden Milchziegen zu melken, die

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Hasen und Hühner füttern und den Hühnern die Eier stehlen. Außer diesen täglichen Arbeiten kann es schonmal sein, dass man einen Tag lang auf einem Stalldach sitzt und es repariert oder dass man das Gartenhäuschen und den Weidezaun abbaut wenn der Winter naht. Ziel des Biobauern ist die Selbstversorgung. „Ich bin gegen Massentierhaltung und möchte wissen, woher meine Lebensmittel kommen“, sagt der 42-jährige.

„Wwoofen ist nicht nur für körnerfresser interessant,“ so Biobauer Sören Holskjer . Morgens um halb sechs hört man im Halbschlaf wie Sören den Ofen im Flur des Hauses anmacht. Das nur mit Holz geheizte Haus soll warm sein, wenn der Rest der Familie um sieben Uhr aufsteht. Seine Lebensgefährtin Nathalie arbeitet als Behindertenbetreuerin in Namskogan. ‚Wwoofer‘ bekommen den ‚Luxus‘ bis um acht zu schlafen. Zwischen der täglichen Arbeit wuseln die beiden Kinder Samik (2) und Aluna (5) herum. Auch auf sie muss Sören ein wachsames Auge habe. Da sind Multitasking und Einfallsreichtum gefragt. Während er den Weidezaun abbaut, verwandelt sich der Kofferraum seines großen, dunkelroten Bullis in eine Räuberhöhle, in der die Kinder, eingehüllt in Decken, spielen. „Ohne die Hilfe von ‚Wwoofern‘ würde ich die Arbeit nicht schaffen“, schätzt Sören. Er bedauert, dass es das Prinzip der Großfamilie nicht mehr gibt, bei der jeder angepackt hat. Vor vier Jahren sind Sören und Nathalie nach Norwegen ausgewandert, um sich hier ihren Traum eines eigenen Biobauernhofes zu erfüllen. Sie haben ihn zehn Kilometer nördlich vom 200-Einwohnerdorf Namskogan in der Wildnis des norwegischen Nordens gefunden. Etwas abseits von der E6, eine der wenigen Straßen, die Oslo im Süden Norwegens mit Vardo im Norden verbindet, biegt 10

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Wer oder was ist WWOOF? Die Organisation WWOOF hat sich der Unterstützung und Verbreitung der biologischen Anbauweise in der ganzen Welt verschrieben. Seit 1971 vermittelt die in England gegründete Organisation Arbeitsplätze auf Biobauernhöfen. Für knapp 20 Euro kann man sich auf der Internetseite registrieren und in ausgewählten Ländern nach passenden Höfen suchen und sie anschließend kontaktieren. Um zu wwoofen (wie die Insider sagen) sollte man über 18 Jahre alt sein und mindestens eine Wochen Zeit mitbringen. Gegen vier bis sechs Stunden Arbeit pro Tag bekommt man freie Unterkunft und Essen. Man lernt Land und Leute kennen und erfährt viel über ökologische Anbauweisen und Viehhaltung. Ausgeschrieben heißt WWOOF: World Wide Opportunities on Organic Farms. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.wwoof.org

man in den kleinen Feldweg zum Hof ein: „Fjellheim“ - Haus am Berg. Nur waldbedeckte Berge sieht man von hier aus. Keine Nachbarn. Keine Zivilisation. Im Süden grenzt ihr 2700 Quadratmeter großes Grundstück an den wilden Fluss Nam, in dem sich die Fische tummeln. Nach Norden geht man nur wenige Schritte, und man steht mitten im Wald. Um das Haus herum wechseln sich Wald- und Sumpfgebiete ab, in denen man mit etwas Glück Elche erspähen kann. Der hauseigene Brunnen liegt in diesem Gebiet. Nur zwei kleine Steine markieren die Grundstücksgrenze. Nicht weit entfernt fängt der Nationalpark Borgefjell an. Das Leben und die Arbeit auf dem Biobauernhof werden bestimmt vom Kommen und Gehen der Jahreszeiten. Im Sommer steht Sören zusammen mit den Helfern von morgens bis abends auf einer seiner vier Wiesen, um Heu zu machen. Die Ziegen und Schafe müssen für das kommende Jahr versorgt sein. Hofarbeit wie vor 60 Jahren – zeit- und muskelintensiv. Er hängt das Gras zum trocknen auf Häschen und hievt es dann auf den selber gebauten Heuboden über dem Stall. Zwölfstündige Arbeitstage voller körperlicher Arbeit sind keine Seltenheit. Im Herbst und Winter, wenn die sich Blätter der Bäume auf den Bergen rund um Fjellheim in leuchtende rot, orangene und gelb zeigen, und es immer früher dunkel wird, bis im Dezember die Sonne für ein paar Wochen sich gar nicht mehr zeigt, verändert sich auch die Arbeit Heft 2 2011 - Studium Internationale

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auf Fjellheim. Dann brennt oft das Licht in Sörens Werkzeugschuppen. Dort repariert er kleinere Sachen und dort steht auch seine Drechselbank, an der er Holzlöffel und Schalen aus dem Holz aus seinem Wald herstellt. Bevor Sören und Nathalie sich ihren Traum vom eigenen Hof erfüllt haben, haben sie selber ein Jahr lang auf verschiedenen Höfen gearbeitet. Sie bereuen es nicht, ausgewandert zu sein. Auch wenn sie immer eine Sonderstellung in der Dorfgemeinschaft von Namskogan haben werden. „Als einzige Familie waren wir gegen die Bärenjagd auf unserem Grundstück“, erzählt Sören nicht ohne Stolz. Sie kenne es, in einem fremden Land auf sich gestellt zu sein.

A ls Woofer fühlt man sich wie ein Familienmitglied auf Zeit Jeden ‚Wwoofer‘ nehmen Sören und Nathalie warmherzig auf. Als Helfer hat man seinen bestimmten Platz am Essenstisch. Reist man sonst schnelllebig von einem Ort zum nächsten und fotografiert ein Touristenhighlight nach dem anderen, kann man beim ‚Wwoofen‘ das Land und seine Bewohner richtig kennenlernen. Spannend finden das auch die anderen ‚Wwoofer‘, die Sören und Nathalie schon besucht haben. Wie zum Beispiel Uwe aus dem Vogtland, der sich im Gästebuch der beiden verewigt hat: „Danke für alles, es war mir ein Vergnügen, mit Auswanderern mitten in der Wildnis zusammen sein zu dürfen.“ Mein Rucksack lehnt nach einer Woche auch gepackt am Bett. Ich nehme ihn mit voller schöner Erinnerungen und voller Erkenntnisse. Wie das mit dem Sensen funktioniert zum Beispiel. Text und Fotos: Hanna Gieffers Collage: Paul „Fo“ Bodadtke


Expertise unerwünscht? Über die tatsächlichen Möglichkeiten studentischer Mitbestimmung an der Viadrina tischen Beteiligungsmöglichkeit jedoch auch hier keine Spur. Solche Berichte werden regelmäßig an der Studierendenvertretung vorbei erstellt, häufig ohne, dass diese überhaupt etwas darüber weiß. Hier ist es im Übrigen sehr hilfreich eine gut vernetzte brandenburgische Studierendenvertretung zu haben, welche andere Studierendenvertreter auf solche Vorgänge aufmerksam machen kann.

Tritt für mehr studentische Mitbestimmung an der Viadrina ein: Ronny Diering Foto: privat

Die Studierenden sind zahlenmäßig betrachtet die größte Statusgruppe an der Europa-Universität Viadrina. Nun könnte man meinen, dass die Studierenden einen angemessenen Grad an Einfluss auf die Entwicklung der Uni haben müssten. Rein demokratietheoretisch betrachtet. Dies wäre umso verständlicher, wenn man die Universität nicht nur als Dienstleistungsanbieter von Bildung betrachtet, sondern als sozialen Raum, welcher von all seinen Mitgliedern gleichermaßen beeinflusst werden kann. Betrachtet man jedoch die realen Gegebenheiten an der Viadrina so kann von weitreichenden partizipatorischen Möglichkeiten oder gar einer „Hochschuldemokratie“ keineswegs die Rede sein, müssen doch die Studierendenvertreter regelmäßig um ihr Recht kämpfen gehört zu werden. Einige Beispiele sollen hier kurz skizziert werden. Die Viadrina bekommt wie alle Hochschulen Brandenburgs regelmäßig vom brandenburgischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) Anfragen bzw. Aufforderungen zu Stellungnahmen zu hochschulpolitischen Themen. Beispiele sind der Bologna-Bilanz Bericht, in welchem der Erfolg des Bachelor-Systems evaluiert werden sollte, oder der brandaktuelle Bericht für die Landesstrukturkommission über die strukturelle Entwicklung der Viadrina, anhand dessen die Kürzungen und Umstrukturierungen in der Hochschullandschaft Brandenburgs vollzogen werden sollen. Alles also auch für die Studierenden sehr relevante Themen. Von einer studen-

Ein weiteres Beispiel sind die Berufungskommissionen, denn diese sind meistens an Intransparenz nicht zu überbieten. Berufungskommissionen sind dazu da bei der Neubesetzung einer Professur die Kandidaten zu auf ihre Fähigkeiten in Lehre und Forschung hin zu evaluieren, um so den besten Kandidaten für die Stelle zu finden. Doch schon die Zusammensetzung der Kommission ist problematisch. In einer Berufungskommission sitzen mindestens 4 Hochschullerer*innen, 1 wissenschaftliche/r Mitarbeiter*in, 1 nichtwissenschaftliche/r Mitarbeiter*in und 1 Studierender, wobei auf Antrag auch 2 Studis drin sitzen können. Die Ausschreibungen für eine Berufungskommission versickern aber oft, d.h. werden nicht genug beworben. Ein anderes Problem ist, dass Studierende nicht selten als „Quotenstudi“ benutzt werden. So gab es beispielsweise vor einigen Wochen Aufregung an der Viadrina, weil der Vorsitzende einer Berufungskommission die Studierenden aufgefordert hatte eine weibliche Studierende zu benennen, um die Frauenquote zu erfüllen. Nicht minder problematisch ist der weitere Prozess der Neubesetzung einer Professur. Studierende müssen etwa oftmals aufpassen, dass keine Klüngeleien stattfinden oder, die Bewertung der Lehrfähigkeiten nicht unter den Tisch fällt. Insgesamt gesehen sind also auch Berufungsverfahren alles andere als von Vertrauen und der Bereitschaft zur Kooperation auf Augenhöhe gegenüber den Studierenden geprägt. Ein drittes, gerade aktuelles Beispiel ist die Überarbeitung der Grundordnung durch den Senat. Als vor knapp zwei Jahren dieser Prozess begonnen wurde sollte die Meinung der Studierenden angemessen berücksichtigt werden. Also erarbeiteten die Studierendenvertreter regelmäßig Stellungnahmen und Vorschläge. Berücksichtigt wurden diese aber nur sehr selten. Die Studierenden12

schaft forderte beispielweise eine Erweiterung des Senats, um eine paritätischere Besetzung des Senates zu erreichen. Unter fadenscheinigen Gründen wie der „Größe des Sitzungsraumes“ wurde dieser Vorschlag abgelehnt. Interessant war auch die Diskussion über einen ständigen Vertreter der Studierendenschaft im Präsidium der Uni. Viadrina-Präsident Pleuger lehnte dies mit der Begründung ab, dass dies zu einer Zweiteilung des Präsidiums führen würde. Implizit gab er damit zu, dass Inhalte der Präsidiumssitzungen bewusst von den Studierenden fern gehalten werden. Mit angemessenen Partizipationsmöglichkeiten der Studierenden hat es jedoch wenig zu tun, wenn Informationen den Studierendenvertretern vorenthalten werden. Mehr noch, die Studierendenvertreter wurden teilweise als inkompetent hingestellt, was angesichts der Zeit und Arbeit, welche die Studierendenvertreter in die Thematik gesteckt haben, eine Anmaßung ist. Was also tun? Einfache Lösungen sind meiner Meinung nach nicht immer die Besten, deswegen scheidet für mich die Antwort „Füße hochlegen“ aus. Nein, auch wenn die studentische Meinung oftmals bewusst ausgeblendet und nicht beachtet wird, muss es für uns als Studierendenschaft noch mehr Ansporn sein, dass unsere Meinung zukünftig (besser) gehört wird. Die Universität ist Teil eines Lebensabschnittes von uns. Ein Teil, den wir mitgestalten wollen, müssen und hoffentlich in Zukunft auch können. Und es gibt durchaus Hoffnung. Die Diskussion um eine studentische Gleichstellungsbeauftragte im Herbst 2010 hat gezeigt, was mit kluger und effektiver Presse- und Vernetzungsarbeit - hier ist vor allem die Unterstützung des studentischen Dachverbandes fzs zu nennen - möglich ist. Wir müssen also weiterhin den Mut haben unsere Meinung selbstbewusst zu sagen. Denn wir sind Teil dieser Universität, ohne uns gäbe es sie auch nicht in dieser Form. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein. Das Aufbrechen von alten, überkommenen Machtstrukturen und die Schaffung einer echten Demokratie an Hochschulen sollte meiner Meinung nach deshalb immer auf der Agenda der Studierenden stehen. Ronny Diering AStA-Referent für Hochschulpolitik außen und Mitglied von dielinke.SDS an der Viadrina

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Schreibsprechstunde Hallo Schreibzentrumsteam, ich schreibe gerade meine Bachelor-Arbeit und habe dazu eine Frage. Und zwar habe ich mich entschieden, meine Einleitung noch mal neu zu schreiben, weil ich mittlerweile gemerkt habe, dass sie nicht mehr aktuell ist. Diesmal will ich es richtig machen und jetzt frage ich mich, was genau eigentlich in einer Einleitung stehen muss. Könnt ihr mir da ein paar Tipps geben? Vielen Dank Lina Hallo Lina, es passiert ziemlich oft, dass man die Einleitung, die man am Anfang der Arbeit verfasst hat, am Ende noch mal neu schreibt. Denn erst, indem wir etwas schreiben, durchdenken wir es richtig und deshalb gelangen wir beim Schreiben oft woanders hin, als wir ursprünglich geplant hatten. Zu deiner Frage: Es gibt keine allgemeingültigen Antworten darauf, wie „die“ Einleitung aussehen sollte. Das hängt ganz stark von deinem Fach ab. Am besten gehst du in die Bibliothek und schaust dir ein paar Arbeiten an, um herauszufinden, wie andere ihre Einleitungen geschrieben haben. In manchen Fächern wird in der Einleitung eher journalistisch geschrieben, um das Thema erst mal interessant zu machen. Manchmal findet man auch schon eine Beschreibung des ForDas Schreibzentrumsteam sitzt mit Rat und Tat zur Seite. schungsstandes zum Thema in der Einleitung, während andere dafür ein Extra- beit vor, um zu einer Antwort auf deine Frage kapitel anlegen. bzw. zu deinem Ziel zu gelangen? - Deine Materialen: Welche Quellen hast du Wir können dir trotzdem ein paar wichtige zu deinem Thema ausgewählt und warum? Punkte sagen, die in deiner Einleitung auf- - Der Aufbau deiner Arbeit: Was kann der Letauchen sollten: ser in welchem Abschnitt der Arbeit finden? - Deine Fragestellung: Welche Frage wirst du in deiner Arbeit beantworten? Das heißt, Denk daran, dass alle Fragen, die du in der welches Problem stellst du dir? Einleitung stellst, im Fazit noch einmal auf- Deine Zielsetzung: Soll deine Arbeit etwas gegriffen und beantwortet werden sollen. dokumentieren, Klarheit in eine Kontrover- Im Fazit benennst du außerdem die Grenzen se bringen, Theorien vergleichen, etc.? deiner Arbeit und du eröffnest einen Aus- Deine Methode: Wie gehst du in deiner Ar- blick darauf, was sich nun für weitere ForText verbrezelt oder nicht auf den Punkt gekommen? Planvoll schreiben! Treffend schreiben! Entspannt schreiben! Studentische Schreibsprechstunde: - für deutsche und ausländische Studierende - für Bachelor und Master - für alle Textsorten und Fragen Sprechzeiten: 13 - 14 Uhr (montags, mittwochs, donnertags) im Schreibzentrum, AB 115 dienstags: in der Bibliothek im Hauptgebäude Semesterferien: nur mittwochs, 11 - 14 Uhr, AB 115 Weitere Infos und Angebote auf unserer Homepage: www.europa-uni.de/schreibzentrum oder per E- Mail: schreibzentrum@europa-uni.de

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Quelle: Schreibzentrum

schung (oder auch Praxis) aus deiner Arbeit ergeben könnte. Komm doch einfach mal mit deiner Einleitung im Schreibzentrum vorbei. Wir können wir dir eine Rückmeldung darauf geben, ob dein Text für uns verständlich ist und ob die Formulierungen angemessen sind. Viel Erfolg für den Abschluss wünscht dir Sebastian


Schüler und Studenten gemeinsam für bessere Chancen DEINStudent bietet Schülern aus sozialschwachen Familien und mit Migrationshintergrund persönliches Mentoring Die von zwei Wiwi-Studenten gegründete Initiative „DEINStudent“ engagiert sich für Schüler aus sozialschwachen Verhältnissen und mit Migrationshintergrund. Sie unterstützen Frankfurter Kinder in ihrer schulischen und persönlichen Entwicklung und geben ihnen ein neues Selbstbewusstsein und neue Perspektiven. Herausgekommen ist ein ganz eigener Beitrag zum Kampf gegen die Bildungsmisere. Vorgeschichte Safi Sabir und Alexander Schamber haben viel gemeinsam: Beide begannen vor ca. 4 Jahren ein BWL-Studium an der Viadrina, beide immigrierten in jungen Jahren mit

ihren Eltern nach Deutschland und beide empfanden das Einleben als sehr schwierig. „Ich wurde in Pakistan geboren. Als meine Eltern nach Deutschland gingen, kannten sie sich mit den deutschen Strukturen und Eigenarten überhaupt nicht aus“, schildert Safi. Seine Schullaufbahn beschreibt er als mühseligen Weg, auch weil er von seinen Lehrern wenig Unterstützung erfuhr: „Es ist unglaublich desillusionierend, wenn einem die Lehrerin in der vierten Klasse sagt: ‚Aus dir wird nie was‘.“ Doch er gab nicht auf und besuchte nach der Hauptschule die Realschule, machte das Abitur und hat nun sein Wirtschaftsstudium erfolgreich beendet. Alexander ist Russland -Deutscher. Seine Eltern siedelten nach Deutschland über, als er 14 Jahre alt war. Er lernte erst an der Schule Deutsch und hatte dementsprechend mit der Akzeptanz in der Klasse zu kämpfen.

Aus der Vergangenheit lernen Zeitsprung in das Jahr 2010: Alexander und Safi sind seit langem beste Freunde und eines lauen Sommerabends sitzen sie zusammen bei einer Tasse Tee und philosophieren über ihre Herkunft und darüber, wie sie Deutschland erlebt haben. „Wenn wir gefördert worden wären, dann wären viele Unannehmlichkeiten vermeidbar gewesen“, ging es ihnen durch den Kopf. Aber wer soll das machen, wenn die Eltern mit der Jobsuche beschäftigt sind und die Lehrer keine Zeit oder nicht genügend Motivation haben, alle Schüler individuell zu unterstützen?Aber schon am nächsten Morgen rief Alexander Safi an: „Warum machen wir das nicht selbst?“ Geboren war die Idee für DEINStudent, eine Initiative, die speziell Schüler aus Migrantenfamilien und

Der Schüler Ahmet wird von den Studenten Renas Ismail, Alexander Schamber, Dirk Wegner und Safi Sabir (v.l.n.r.) nicht nur bei den Hausaufgaben unterstützt. Er soll auch Selbstvertrauen für seine Zukunft schöpfen. Quelle: MOZ/Dietmar Horn

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sozialschwachen Verhältnissen unterstützt. „Mit unseren Erfahrungen können wir den Schülern helfen und die jungen Potenziale fördern. Wir wollen ihnen eine Möglichkeit zur Entfaltung geben, die ihnen sonst verwehrt bleiben würde.“

Die ersten Schritte In der Anfangsphase des Projekts war Norbert Morach vom „Dezernat für studentische Angelegenheiten“ eine Riesenhilfe: „Ohne ihn hätten wir nichts Schriftliches gehabt, was wir der Schulleitung zur Identifikation hätten vorlegen können. Herr Morach hat uns eine Bestätigung über die Integrität unseres Anliegens und unserer Kompetenzen ausgestellt.“ Mit der Rückendeckung durch die Universität sind Safi und Alexander sehr zufrieden: „Herr Professor Frey unterstützt uns maßgeblich und ist unser Schirmherr geworden. Auch unser Dekan Herr Prof. Husmann, Herr Lubnau und Frau Märker haben uns durch konstruktive Hilfestellung erheblich motiviert.“ Vom AStA erhoffen sie sich in den kommenden Semestern mehr Unterstützung. Ihr Wunsch, ebenfalls ein Büro in der zukünftigen Studentenmeile „Große Scharrnstraße“ zu bekommen, wurde leider ausgeschlagen. Mit dem Schreiben von Herrn Morach stellten sie sich den Frankfurtern Grundschulen vor. Die Grundschule Mitte meldete sich als erste. „Von der Direktorin Frau Tetzlaff wurden wir mit offenen Armen empfangen“, erinnert sich Safi. „Wir haben uns für die fünfte bis sechste Klasse entschieden, da man die Kinder dort noch formen kann. Auch stehen sie noch vor dem Wechsel in die weiterführenden Schulen.“

„Wir sind keine Nachhilfefirma“ Das Konzept von DEINStudent beruht auf zwei Säulen: „Zum einen geben wir kostenlos Nachhilfe, um die Schüler in ihren Problemfächern zu helfen.“ Allerdings unterstreicht Safi sofort: „Wir sind keine Nachhilfefirma! Unser Ziel ist es, dass diese Kinder trotz aller Widrigkeiten nicht den Mut verlieren und merken, wie wichtig eine gute Bildung ist.“ Doch der Schwerpunkt liegt auf dem Mentoring: „Wir wollen für die Kinder weniger Lehrer und mehr Ansprechpartner sein. Wir sprechen mit ihnen über ihre Wünsche, Ziele und Träume. Bei einem

Die beiden geistigen Väter von DEINStudent Alexander Schamber und Safi Sabir bei einer Reise durch Marokko im Jahr 2008. Foto: privat

Culture Clash vermitteln wir zwischen den Kulturen. Ebenso möchten wir ihnen wichtige soziale Kompetenzen wie zum Beispiel gegenseitigen Respekt vermitteln.“ Das Konzept kam an. Neun Schüler werden inzwischen von Viadrina-Studenten betreut, darunter viele Wiwi-Studenten mit Migrationshintergrund: „Bei DEINStudent arbeiten alle ehrenamtlich neben dem Studium“, betont Safi. Einmal mit dieser Idee Geld zu verdienen, sei nicht geplant, „Wir finanzieren uns über Spendengelder und wollen dieses Semester einen Initiativantrag beim AStA stellen.“ Das Feedback, was sie erhielten, war durchweg positiv: „Wir haben von den Eltern, Lehrern und der Uni große Unterstützung erfahren. Ein Schüler kam sogar von selbst auf uns zu, nachdem er den Artikel in der Märkischen Oderzeitung gelesen hat.“ Es sei auch nicht so, dass die Kinder von ihren Eltern völlig im Stich gelassen werden: „Die Eltern wussten immer wo die schulischen Schwächen ihres Kindes waren und viele sind sehr dankbar für die Hilfe.“ Mit ihrer Arbeit wollen sie nicht nur die Schüler unterstützen, sie wollen der Viadrina und der Stadt auch etwas zurückgeben. „Was uns auch sehr freut, ist, dass sich die Schüler nun viel eher vorstellen können, selbst Student zu werden.“

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Zukunftsvorstellungen Alexander und Safi würden sich wünschen, dass DEINStudent als feste Größe an der Viadrina etabliert wird. Mit genügend Mitstreitern könnte man auch Extraposten für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit aufstellen. Obwohl sie ihr Bachelor-Studium an der Viadrina mittlerweile abgeschlossen haben, möchten sich die Initiatoren noch nicht von dem Projekt verabschieden und ziehen auch deshalb in Betracht, den Master an der Viadrina zu absolvieren. Allerdings lässt sich mit ihrem rund zehnköpfigen Team die steigende Nachfrage nicht länger bewältigen. Sie suchen nicht nur Studierende mit Interesse an Nachhilfe und Mentoring, sondern auch Leute, die sich um die Organisation kümmern. „Aber am wichtigsten ist uns, dass sie motiviert sind und sie ideologisch hinter dem Projekt stehen… Menschen, die in die Zukunft investieren wollen und nicht in ihren CV.“ Mario Mische


IKMZ – die letzte Rechnung? Das Informations-, Kommunikations- und Multimediazentrum (IKMZ) ist derzeit ohne Leitung. Bevor eure Vivadrina die vierte Abteilung des Fast-Rechenzentrums der Uni vorstellt, widmen wir uns einem Rückblick bis ins Jahre 1994: Einsparung von Geld, Einsparung von Stellen und der IKMZ-Leiter als Jägerschnitzel. Dr. Werner Fitzner spielt gerne Schach, ist prinzipientreu und kein Mensch, der seine Visionen aufgibt. Seit Schaffung des Fachreferates Allgemeine Datenverarbeitung, 1994, hatte Fitzner die Verwaltungseinheit geleitet, die Außenstehende wohl als Rechenzentrum der Viadrina bezeichnen würden. „Damals schon gab es das große Missverständnis der Uni“, erinnert sich Fitzner, „dass die bloße Existenz eines ADV-Referates plus Software ausreichen würde, um ein Rechenzentrum zu haben.“ Aufgrunddessen wurde in der Gründungsschrift auch kein Rechenzentrum erwähnt. In den frühen 90ern fiel dann auf, dass man an der Viadrina IT bräuchte – Das Fachreferat wurde geschaffen. Erst kurz vor der Jahrtausendwende, nach jahrelangem Insistieren Fitzners, wurde die IT-Leistung der Viadrina begutachtet, inwiefern ein Ausbau zu einem Rechenzentrum an der Viadrina nötig und möglich sei. Das Gutachten schrieb Prof. Wall aus Göttingen, bekannt als ein Urgestein der Rechenzentrumsleiter. Das Ergebnis überraschte kaum: Er benannte 18 Maßnahmen, umzusetzen in drei verschiedenen Phasen, damit die Viadrina ein wirkliches Rechenzentrum bekommt. Leider blieb es bei der Freigabe zur Umsetzung im Frühling 2000. Wegen mangelnder Geldmittel sei alles eingeschlafen, bedauert Fitzner. Nicht nur er bedauerte es. Mehrere Meinungen des Vereins ZKI (Zentren für Kommunikation und Informationsverarbeitung in Lehre und Forschung) bestätigten sogar, dass die Umsetzungen nötig für ein Rechenzentrum an einer Uni seien. Es entsteht ein schräges Bild, wenn man sich bewusst macht, dass unsere Viadrina seit 1995 in dem Verein Mitglied ist. Weil Fitzner dort vier Jahre lang im Vorstand war und den Arbeitskreis „Kostenleistungsrechnung in Rechenzentren“ leitete, wusste er exakt, was wirklich wieviel kostet. Er ist der Meinung, dass mehrere Dinge umsetzbar waren. „Die Ablehnung durch die Universität war damals eine seltsame Entscheidung.“ An dieser Stelle muss festgestellt werden,

dass sich die ganze Abteilung sehr wohl weiterentwickelt hat. Nötige Gelder dafür wurden aus anderen Quellen, als der Viadrina, beantragt. „Es gab freie Hände und Entfaltungsmöglichkeiten beim Eintreiben und Umsetzen von Fördergeldern“, ruft sich Dr. Werner Fitzner positiv in Erinnerung. Er ist sehr stolz auf das, was er zusammen mit seinen Mitarbeitern über die ganzen Jahre geschaffen hat. Im Jahre 1995 wur-

folgreich zu sein und bestehen zu können. Die Universität hatte damals seine elf Mitarbeiter fürs ADV-Referat gut aufgestellt. Die meisten sind seit 1994 in der Abteilung. Und nicht eine Stelle wurde gestrichen. Ist das ein Grund zur Freude? Nun, es kam natürlich auch keine Stelle dazu (die allerdings immer noch mehr als nötig ist, siehe vivadrina Heft 3, 2010 („Was ihr wollt!“), Seite 35) „Bei meiner Arbeit fühlte ich mich als Jä-

Ein Stratege: Dr Werner Fitzner

de beispielsweise zusammen mit dem DFN (Deutsches Forschungsnetz) ein BreitbandWissenschaftsnetz aufgebaut und verknüpft mit dem Institut für Halbleiterphysik und dem Collegium Polonicum (jener Erfolg sei laut Fitzner in der Universität untergegangen). Erst zwei Jahre später hatte das Institut seine eigenen Leitungen. Im gleichen Jahr wurden die studentischen Wohnheime ans Wissenschaftsnetz angeschlossen. Vor drei Jahren wurde auch die crossborder-connection geschaffen. Das ist eine Verbindung des Deutschen Forschungsnetzes mit dem polnischen. Solche länderübergreifenden Knoten gibt es nur fünf Mal in Deutschland. Es hätte Fitzner gefreut, wenn die Viadrina die Kosten dafür teilweise übernommen hätte. Diese lehnte jedoch ab. Die Umsetzung kam dennoch, gefördert über die deutsche Forschungsgemeinschaft. Ein Visionär darf träumen, was für eine Rechenleistung an der Viadrina herrschen würde, wenn die einst vorgeschlagenen Maßnahmen von Prof. Wall umgesetzt worden wären. Wie beim Schach kommt es darauf an, wie gut man seine Figuren positioniert, um er16

Foto: Torsten Krüger

gerschnitzel: Von oben und unten knabbern sie an einem.“ Während seine Unterstellten kritisierten, wofür Geld und Personal nötig sei, kritisierten seine Vorgesetzten, was alles nicht möglich sei und wie Fitzner seine Arbeit gestalten sollte. Er wurde Anfang März dieses Jahres gefragt, ob er Narben von der Arbeit hier erhalten habe. Wie es Fitzner in seiner Arbeit gelernt hatte, folgte ein zerkniffenes und bescheidenes Lächeln. „Diese sieht man nicht; die sind in der Seele.“ war seine Antwort damals. Die Arbeit war für ihn keine Passionsgeschichte, aber Passion im Sinne von Leidenschaft war schon dabei. Ihm war das Wirken seiner Arbeit wichtig, was dem Ansehen der Uni gut tut und dass das Profil dem Leitbild der Universität entspricht. Unglücklicherweise werde das Leitbild inkonsequent umgesetzt, findet Fitzner. Ein passendes Beispiel dafür ist auch der Austritt aus dem EUNIS-Netzwerk (European University Information Systems). Die Mitgliedschaft wurde nicht mehr für nötig erachtet, obwohl es für die Europa-Universität dienlich gewesen wäre, sich auf dieser Ebene mit Osteuropa zu ver-

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netzen. Fitzner: „Das sei auch symbolisch zu sehen. Wo ist die Zielsetzung, obwohl man diesen Schwerpunkt hat?“ Seiner Meinung nach funktioniert die doppelte Führung der Viadrina durch Kanzler und Zentrum für Strategie und Entwicklung (ZSE) nicht. Es braucht nur einen Leiter, denkt Fitzner, damit es funktionieren kann. So wird es auch künftig seltsame und auch widersprüchliche Entscheidungen geben, befürchtet er. Gänzlich ineffizient war die Verwaltungsreform an der Viadrina, in den Jahren 2004 bis 2006. ADV-Referat, Teile des Dezernats IV und die Universitätsbibliothek (UB) wurden zusammengelegt zum Bibliotheks und Informationszentrum, kurz BIZ. Wegen personeller Gründe funktionierte die Zusammenlegung nicht. Es gab nur einen Vorteil: Als Zentraleinrichtung war das BIZ dem Präsidenten unterstellt. Im Jahr 2008

wurde die Zusammenlegung wieder rückgängig gemacht. Das BIZ löste sich auf in die Teile UB und den Rest. Der Rest wurde IKMZ genannt und beinhaltete sowohl IT-Technik, als auch Telefonie, audiovisuelle Medien und dezentrale Druck- und Kopierttechnik. „Bei der Leitung habe ich hier nur eines festgestellt: Einsparung von Geld, Einsparung von Stellen.“ Fitzner hat die letzten Jahre beobachtet, dass in der Verwaltung nicht neueingestellt wird, sondern dass Stellen einfach auslaufen. Und mit Ruhestand der Mitarbeiter gibt es eine Stelle weniger. Mit seiner Stelle wäre wohl fast das Gleiche passiert. Erst als Fitzner Mitte März 2011 seinen letzten Tag an der Viadrina hatte, kam die öffentliche Ausschreibung auf seine Stelle.. Bis jetzt ist seine Nachfolge ungeklärt. Die Bewerbungsfrist lief zum ersten Mal am 15. April aus. Inzwischen

wurde die Frist auf Ende Juni verlängert, um einen passenden Nachfolger für die Position zu finden. Laut Stellenbeschreibung solle die Einstellung ab sofort sein. Einen fließender Übergang wäre möglich gewesen, wenn die Ausschreibung etwas früher gekommen wäre. Die Mitarbeiter des IKMZ hatten schon Anfang März Torsten Krüger als kommissarischen Leiter empfohlen, bis ein neuer Leiter der Abteilung angestellt ist. Die Entscheidung darüber wurde bis Anfang Mai noch nicht getroffen. Da es immer noch keinen kommissarischen Leiter gibt, müssen die verschiedenen IKMZ-Abteilungen nun improvisieren... Fitzner bekommt von dem Tohuwabuhu nicht mehr viel mit. Er hat sich gut auf seinen Ruhestand vorbereitet, spielt nun Schach und genießt seine freie Zeit. Thomas Bruckert

mokraten aus den Hochschulgruppen etwas hören?“

2009 und 2010, „Dresden Nazifrei“, Blockade des Castor-Transports im Wendland, Alternative „Kritische Denkschrift“ zum Viadrina-Jubiläum 2011, Studierendenprojekt „Große Scharrnstraße“)**.

Richtigstellung Die vivadrina-Redaktion, insbesondere die Autorin des Artikels „Welche Universität wollen wir?“, bedauert inhaltlich unzutreffende Aussagen zu den hochschulpolitischen Aktivitäten der Grünen Hochschulgruppe und entschuldigte sich auch intern nach Erscheinen der Ausgabe. Zunächst nehmen wir Stellung zur Kritik, dass der Artikel zum hochschulpolitischen Engagement „viele Fragen aufwerfe und doch zu wenige beantworte“. Dies war die Absicht der Verfasserin. Der Artikel sollte zum Nachdenken und Gestalten des universitären Raums anregen. Die Hauptkritik bezog sich allerdings auf die folgende Aussage aus der letzten vivadrina-Ausgabe „Was ihr wollt (Heft 3/Dezember 2010, S. 7): „Wie kommt es, dass sich in erster Linie die sozialdemokratische Linke, dielinke SDS an der Viadrina, vornehmlich dieses Themas [dass es zu wenig hochschulpolitisches Engagement gibt] annimmt ― und wir weder von den Grünen, noch von den Christlichsozialen und nur zaghaft von den Sozialde-

Dass vor dem Redaktionsschluss der letzten vivadrina-Ausgabe (November 2010) eine gehäufte Sichtbarkeit von studentischen Aktionen an der Uni und im kulturellen Raum Frankfurt (Oder) vornehmlich aus dem Bereich dielinke.SDS vernehmbar war, lässt sich nicht von der Hand weisen (Konzerte wie Heinz Ratz „Moralischem Triathlon“ zur diskriminierenden deutschen Flüchtlingspolitik, Vorträgen wie der Instrumentalisierung des „Antikapitalismus“ von Rechts, Ausstellungen wie „Residenzpflicht-Invisible Borders“ etc.)* Klar herauszustellen ist aber auch, dass es sich etabliert hat, bei essenziell bedeutenden Themen, wie dem Schutz der Menschenund Bürgerrechte, gegen Rassismus oder zur allgemeinen Verbesserung der Lernbedingungen an der Uni überparteilich im Bündnis zu agieren und damit gemeinschaftlich erfolgreich zu sein (z. B. Bildungsstreik

Die Grüne Hochschulgruppe*** ist seit Herbst 2009 wieder an der Uni aktiv. Seit Anfang Dezember 2010 macht(e) sie durch praxisnahe Nachhaltigkeitskonzepte innerund außerhalb der Uni auf sich aufmerksam, die „immer auch eine ökologische, eine ökonomische und eine soziale Dimension haben. Nachhaltigkeit betrifft deshalb auch nicht nur ökologische Themen, sondern auch Fragen der Gleichstellung, der Diskriminierungsfreiheit, der Partizipation, einer zukunftsorientierten Aufstellung des UniHaushalts oder der Qualitätssicherung der Lehre.“ Weitere Informationen über bereits durchgeführte und geplante Projekte sowie Positionen und Ziele der Grünen Hochschulgruppe finden sich auf der Internetseite www.ghg-viadrina.de. die Redaktion

Auswahl von Initiativen/Projekten gesellschaftlicher, integrativer, partizipatorischer, hochschul- und gesellschaftspolitischer Nachhaltigkeit: *http://viadrina.linke-sds.org/spip.php?article186 http://viadrina.linke-sds.org/spip.php?article155 http://invisibleborderseuv.wordpress.com/ **http://bildungsstreikviadrina.wordpress.com/ www.dresden-nazifrei.com/ www.facebook.com/pages/Kritische-Denkschrift-zur-Europa-Universität-Viadrina/ www.asta-viadrina.de/index.php?con=1_61 und www.facebook.com/Studierendenmeile ***www.ghg-viadrina.de. www.ghg-viadrina.cabanova.de/files/downloads/R--ckblick_WS10_11.pdf („Ökologische Nachhaltigkeitstage“ an der Viadrina 12./13.1.2011) www.klimagerechte-hochschule.de www.oekofilmtour.de/

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Cyber War, unsportliche Schüler und nackte Darsteller Zweiter Science Slam begeistert 400 Besucher – Pleuger gibt 1x1 der Diplomatie Das Konzept des Science Slam hat sich innerhalb einer Aufführung vom Geheimtipp zum Großereignis gemausert. Während beim ersten Science Slam im Januar noch zirka 100 Besucher anwesend waren, lauschten nun rund 400 Zuschauer am 19.April fünf Dozenten im Kleistforum, die wissenschaftliche Themen ohne wissenschaftlichen Staub vortrugen. Die Veranstalter waren zum zweiten Mal der AStA und das Kleistforum. Rechtswissenschaften können auch interessant sein. Das wäre eine mögliche Quintessenz, die die Zuschauer mit nach Hause nahmen. Denn die gesamte Veranstaltung hatte diesmal einen starken juristischen Anstrich: Vier der fünf Vortragenden hatten einen juristischen Hintergrund, was der Unterhaltung aber keinen Abbruch tat. Den Anfang machte Tom Bode Mitarbeiter bei Professor Dr. Gerhard Wolf, oder, wie der Moderator Bastian Pech ihn ankündigte, das „freundliche Schaf vom bösen Wolf“. In seinem Vortrag „Cyber crime – Herausfor-

Im Hörsaal eher unüblich: Lachendes Publikums bei rechtswissenschaftlichen Vorträgen. Foto: Fabian Fehse

derung für die Strafverfolgung“ gab er einen Überblick über Skimming, Phishing und den „Cyber war“. Obwohl Tom aufgrund seines Lampenfiebers wohl mehr vorlas als frei sprach, hielt er sich mit juristischen Fachbegriffen zurück und überzeugte mit der professionellsten Powerpoint-Präsentation. Leider brach er zudem ab, als es gerade spannend wurde: Beim „Wie“ der Kriminalitätsbekämpfung im Web.

ten Redezeit zu geben, doch zum einen fühlte man sich als Zuschauer in vier von fünf Fällen darüber hinaus auch gut unterhalten und zum anderen war die Jury da nicht ganz so pingelig. Leider verkörperte der Beitrag von Petra Paschinger den fünften Fall, der mit über 20 Minuten zum Ende hin recht langatmig wurde. Dabei lag es keinesfalls am

Einen Beitrag zur Guttenberg-Affäre steuerte Professor Dr. Eva Kocher bei, ihres Zeichens Professorin für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, sowie Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht. Sie ist außerdem Mitherausgeberin des Magazins „Kritische Justiz“ und ihr Vortrag drehte sich um eine Rezension, die man ihr zusandte. Der Autor des „Beitrages zur Farbenlehre in der Grauzone“ war Michael Schwarz, rechtswissenschaftlicher Doktorand an der Uni Münster, dem bereits im Juni 2010 auffiel, dass Guttenberg für seine Dissertation abgeschrieben hatte. Sie schloss ihren Vortrag mit einem persönlichen Rat an die Studenten: „Im Studium sollte man eine gewisse Ernsthaftigkeit im Umgang mit Quellen lernen und wo man sich selbst und seine eigene Meinung dazu verortet.“ Petra Paschinger beschreibt die Zuschauerreaktionen auf nackte Tatsachen auf der Bühne. Foto: Fabian Fehse

Das Konzept des Science Slam schreibt zwar vor, jedem Teilnehmer maximal zehn Minu18

Macht einen moderaten Eindruck: Bastian Pech beim Messen des Applauses Foto: Hanna Gieffers

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Thema: Die studierte Theaterwissenschaftlerin und künstlerische Leiterin des Kleistforums begeisterte mit ihrem Insiderwissen zur „Freikörperkultur – der nackte Körper auf der Bühne“. Im Vorfeld befragte sie Zuschauer, was sie von Nackedeis hielten, und Schauspieler, wie sie damit zurechtkommen, auf der Bühne blankzuziehen. Während manche Schauspieler äußerten, kein Problem mit Nacktrollen zu haben, da sie so toll aussehen, meinten andere, dass das Problem nicht sei, selbst nackt zu sein, sondern, dass das Publikum bekleidet wäre . Desweiteren lernte man, dass Kommentare wie „modern“ und „Regietheater“ in Kritikerkreisen Schimpfwörter sind. Mit dem Ergebnis, dass Regisseure Nacktheit benutzen, um kindliche Unschuld oder echte Gefühle darzustellen, schloss Frau Paschinger die erste Hälfte ihres Vortrages. An den Inhalt der zweiten Hälfte, kann sich die Redaktion nur schwach erinnern . Den Abend rundete schließlich Max Koziolek ab. Der Rewi und Kulturreferent des AStA nahm sich aber keinem juristischen, sondern einem (un)sportlichen Thema an: der Fitness von Grundschülern. Max ist seit sechs Jahren Judotrainer und beschäftigte sich bei einer Weiterbildung mit den Ergebnissen von Schuluntersuchungen. Diese Ergebnisse ließen auch manche im Publikum sitzende Braue heben und Stirn runzeln. So könnten 50% der Erstklässler heute nicht mehr auf einem Bein stehen, 30% seien übergewichtig und 25% zeigten auf dem Laufband bereits eine Kreislaufschwäche. Folgen

wie Herz-Kreislaufprobleme, Haltung- und Bewegungsschäden seien bereits erkennbar aber jeder könne sie mit sportlicher Aktivität abwenden. Ein Tipp der Redaktion: Mehr zu Fuß gehen, als nur die durchschnittlichen 600 Meter täglich. Der Star des Abends war jedoch Dr. Gunter Pleuger, der mit Anekdoten aus seiner Zeit als deutscher Botschafter bei der UN die Zuhörer in seinen Bann zog. Er war ein begeisterter Zuschauer beim ersten Science Slam und konnte die Einladung, beim nächsten Mal mitzumachen, schlecht ausschlagen. „Das Konzept des Science Slam war neu für mich. Ich fand die erste Veranstaltung wunderbar: witzig und instruktiv.“ Lebendig, mit trockenen Witz „Während meiner Diplomatenlaufbahn habe ich nie gelogen“, verkündete und noch trockenerem Gunter Pleuger im O-Ton. Aber jetzt ist er ja nicht mehr Diplomat... Foto: Fabian Fehse russischem Akzent gab der studierte Jurist einen Crashkurs in Diplomatie, dessen Höhe- läutert sind. Das nächste Mal ist Herr Pleuger punkte im untenstehenden Kasten kurz er- jedoch wieder nur als Zuschauer dabei. „Ich

Gunter Pleugers Diplomatie-Crashkurs „Es gibt zwei Formen der Diplomatie, die bilaterale und die multilaterale. Bei der ersteren sucht ein Botschafter den Staatschef eines fremden Landes auf, um mit ihm zu verhandeln. Da immer ein Kompromiss erzielt wird, gibt es keinen Verlierer.“ Anders sieht dies bei multilateralen Verhandlungen, wie bei den Vereinten Nationen, aus, die nach einfacher Mehrheit entschieden werden. Es gibt drei Basissituationen: 1. Man hat die Stimmenmehrheit: „In diesem Fall sollte man sofort abstimmen.“ Das sei am besten, bevor sich die anderen Parteien einigen können. 2. Es herrscht allgemeine Unsicherheit, woraufhin alle Anträge stellen wollen. In der Charta ist festgeschrieben, dass über den zuerst gestellten Antrag als erstes verhandelt wird. „Anstatt also einen Gegenantrag zu machen, macht man ein „Amendment“, eine leichte Abänderung des letzten Antrags, natürlich nach den eigenen Wünschen.“ 3. Man ist in der Minderheit und hat folgende Möglichkeiten: a) Um Zeit zu gewinnen, eine Pause vorschlagen; oder eine Vertagung auf die nächste Generalversammlung: „Dann sind Sie das Problem los!“ b) Wenn keiner die Entscheidung aufschieben will: „Da müssen Sie richtig schlechte Stimmung machen! Sie müssen den Gegner beleidigen und falsch zitieren. Die Situation muss eskalieren, bis sie unangenehm genug ist.“ c) Ergebnis kleinreden, z.B.: „Da ist eine automatische Mehrheit zu Stande gekommen“ oder „Mit der Art und Weise dieser Beschlussfindung sind wir nicht einverstanden. Nicht nur wir, sondern auch die anderen haben gesagt, dass sie sich unter diesen Umständen auch nicht an der Resolution beteiligen werden.“ d) Wenn die Gegenseite nur eine knappe Mehrheit hat: „Erklären Sie das Problem zu einer ‚wichtigen Frage‘, dann ist für die Abstimmung eine 2/3-Mehrheit notwendig. Wobei die Frage danach, WAS eine ‚wichtige Frage‘ ist, mit einfacher Mehrheit bestimmt wird.“

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will das Podium nicht monopolisieren. Dieses Mal war ich dran – aber es gibt genügend Professoren, Mitarbeiter und Studenten die auch ihre Chance haben sollten,“ so der Universitätsrektor. Am Schluss der Veranstaltung sollte der Sieger mit Applausometer entschieden werden. Die

gemessene Lautstärke rangierte bei alle zwischen 100 und 104 Dezibel, das heißt, entweder waren alle Vortragenden gleich gut und das Publikum konnte extrem gut nuancieren oder aber das Applausometer war kaputt. Nach einem Stechen zwischen Max Koziolek und Herrn Dr. Pleuger gewann der Unipräsident den Schokopokal, aber rief Max gleich zu: „Den essen wir gemeinsam.“ Trotz der guten Stimmung, den lehrreichen Themen und charismatischen Rednern, meinten viele Zuschauer, dass der erste Science Slam im direkten Vergleich besser gewesen wäre. Es braucht also einen dritten Slam um den ersten zu toppen. Wer Interesse hat, selbst ein wissenschaftliches Thema mit Witz und Pepp vorzustellen, kann sich bei asta-kultur@europa-uni.de melden. die Redaktion

Zum Abschluss gab es noch einmal Applaus für alle Vortragenden. Foto: Hanna Gieffers

Alles Kleist oder was? Dass Frankfurt (Oder) in diesem Jahr zum Mekka aller Kleistliebhaber geworden ist, mag kaum jemanden entgangen sein. Sonderaustellungen, Theateraufführungen, Seminare, Filmpremieren der ÖffentlichRechtlichen, blaue Banner: Kleist beherrscht 2011 ganz Frankfurt (Oder). Dabei können nach wie vor viele Studenten wenig mit dem berühmten Sohn der Stadt anfangen. Auch die vielen kulturellen Angebote ziehen an ihnen vorüber. Die Vivadrina findet, dass muss sich ändern und reiht sich an dieser Stelle in den allgemeinen Trubel um die Person Kleist mit ein. Heute: Museum für junge Kunst – Totentanz Die Sammlung Richard H. Mayer befindet sich nicht zufällig im Kleistjahr 2011 im Rathaus von Frankfurt (Oder). Die ausgestellten Bilder und Objekte thematisieren Angst, Schmerz, Tod oder Todessehnsucht und befinden sich damit mit dem Kleistischen Gedankengut auf einer Linie. Der

Künstler, der 1811 mit einem spektakulären Doppelselbstmord viel Aufsehen erregte, unterstellte zu Lebzeiten sein Handeln einer ruhelosen Suche nach dem perfekten Glück. Deren Misserfolg wurde letztendlich nicht nur ihm selbst, sondern auch vielen seiner literarischen Figuren zum Verhängnis. Diese pessimistische Grundstimmung erklärt, warum Kleist vielen Künstlern als schwarze Muse diente, wie Hans Bellmer, der Kleists’ „Marionettentheater“ mit überraschender Zartheit und Vulgarität illustrierte. Dennoch ist die Ausstellung nicht nur für Kleistliebhaber mit einem Sinn für das Morbide lohnenswert. Die Sammlung vereinigt Werke aus 500 Jahren Kunstgeschichte und Künstlern wie Marc Chagall, Otto Dix, Albrecht Dürer, Francisco de Goya oder Salvador Dalí unter einem Dach und ist daher besonders für Quartalsmuseumsbesucher geeignet. Die Skulpturen, Radierungen, Aquarelle, Farblithografien und Collagen sind kurzweilig und abwechslungsreich drapiert. Viele der

Namen sind selbst nicht-Waldorfschülern noch aus dem Kunsterziehungsunterricht ein Begriff. Die Motive haben dabei wenig mit der üblichen Schwerfälligkeit kultureller Bildungsbesuche gemein. Heraus sticht dabei der Zyklus „Ein neuer Totentanz“ von Alfred Kurbin, der den einen oder anderen Lacher nach sich zieht. Diesem kann sich auch problemlos hingegeben werden, da die einzigen, die sich gestört fühlen könnten, die ausgestellten Werke sind. Großer Andrang ist selten in den Hallen des Rathauses. So ist Museumswächter Teichert die meiste Zeit allein und nimmt sich geduldig für jeden neuen Besucher Zeit, eine kurze Einführung in die Ausstellung zu geben. Besonders bedauert er die ausbleibenden Studenten. Dabei ist das Museum für junge Kunst für Studenten der Viadrina seit einem Jahr kostenlos. Für Dozenten übrigens ebenfalls.

Johanna Kardel

Vivadrina empfiehlt: Museum für junge Kunst (Rathaushalle): Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11-17 Uhr, letzter Einlass: 16:30 Uhr Das habt ihr leider verpasst: Bis 15. Mai 2011 Totentanz Bilder und Objekte aus der Sammlung Richard H. Mayer, Bamberg mit Unterstützung des Hanse Club Frankfurt (Oder) Wirtschaft für Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt e.V. Da könnt ihr noch hin: 5. Juni 2011 bis 16. Oktober 2011, Blicke und Gesten Portraits aus der Sammlung des Museums aus der Zeit der Weimarer Republik bis in die Gegenwart 6. November 2011 bis 8. Januar 2012, Peter Bömmels (1951), Dresden, Köln, Berlin Malerei und Grafik aus „30 Jahren eines bewegten Künstlererlebens“ von Peter Bömmels

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Polnischcrashkurs Teil IV: Reisen – Podróżować Sommerzeit ist Reisezeit und obwohl die nächsten Semesterferien im Moment noch in einiger Entfernung liegen, denkt sicher schon der/die eine oder andere darüber nach, wo denn in diesem Jahr der schwer verdiente Sommerurlaub verbracht werden könnte. Warum nicht in Polen, schlägt Vivadrina an dieser Stelle vor. Denn wer denkt, mit dem Markt und den Tankstellen in Słubice schon alles gesehen zu haben, was in Polen einen Besuch wert ist, irrt gewaltig. Als Reiseland hat unser östlicher Nachbar tatsächlich viel Abwechslung zu bieten: Ob Naturbursche oder Großstadtkrokodil, Kulturliebhaber oder Strandsardine, Bergromantiker oder Flachlandfan – in Polen ist für jeden Reisetyp etwas dabei. Damit nun eventuell reiselustig Gemachten nach Überqueren der Oder-Neiße-Grenze keine Sprachbarriere droht, versorgt Vivadrina ihre geneigten Leser mit dem nötigen SOS-Reisevokabular. Eine kleine Aussprachehilfe findet sich dabei wie immer in Klammern hinter dem polnischen Ausdruck. Viel Spaß beim Reisen und Ausprobieren! Auf dem Bahnhof Proszę bilet/dwa/trzy bilety (od ...) do ...* [Proschä bielett/ dwa/ tsche bielette ott ... do...] - Bitte ein/zwei/drei Ticket/s (von...) nach... Ile kosztuje? [Iehle koschtuhje] - Was kostet das? Który pociąg jedzie do ... [Kture potschiong jeddschjie do...] - Welcher Zug fährt nach ...? O której odjeżdża pociąg od X do Y?* [Oh kturäj ottjeschdscha potschiong ott X do Y] - Wann fährt der Zug von X nach Y? Z którego toru/peronu odjeżdża pociąg od X do Y? [s kturego toru/ perronu odjeschdscha potschiong ott... do...] - Von welchem Gleis/ Bahnsteig fährt der Zug von X nach Y?

preiswert) essen? Przepraszam, szukam dobrego/niedrogiego hotelu/pensjonatu/ campingu/hostelu. [Pschäprascham, schukam dobrego/njädrogiego hotelu/pensjuhnatu/Kammpingu/hostellu] – Entschuldigung, ich suche eine gute Pensjon/ einen guten Campingplatz/ ein gutes Hostel. Weiteres nützliches Vokabular: opóźnienie [opuschnjäniä] – Verspätung (Zug, Flug etc.) informacja turystyczna [Informatzja turistütschna] – Touristeninformation

Unterkunft

dworzec autobusowy/PKS [dworschetsch autobusowwe] –

Dzień dobry, nazywam się ..., mam zarezerwowany pokój u Państwa. [Dschehn dobbre, nasewamm schä ..., mamm sareserwowane pokui uh painstwah] – Guten Tag, mein Name ist ..., ich habe bei Ihnen ein Zimmer reserviert. Czy są jeszcze wolne pokoje/łóżka/miejsca? [Tschö zonn jeschtsche wollne pockoje/wuhschka/miäistza] – Gibt es noch freie Zimmer/ Betten/Plätze? Na jedną noc/ dwie/trzech noce/ na kilka dni. [nah jeddnong notz/ dwieäh/tschäch notzä/ nah killka dnie] – Für eine Nacht/ zwei/ drei Nächte/ einige Tage. Ile kosztuje doba? [Ihlä koschtujä dobba] – Wie viel kostet eine Nacht (doba = eigentlich 24 Stunden)? O której jest śniadanie? [Oh kturäj jest schniadanie] - Wann gibt es Frühstück?

dworzec kolejowy/PKP [dworschetsch kohlejowä] – Bahnhof

Busbahnhof

Sich zurecht finden

(Zugverkehr) peron [perronn] – Bahnsteig tor [torr] – Gleis centrum miasta [zentrum miasta] – Stadtzentrum stare miasto [stare miasto] – Altstadt lotnisko [lottnieskoh] – Flughafen bank/ kantor [bank/kanntor] – Bank/ Wechselstube nocleg/ noclegi [notzleg/notzlegie] – Übernachtung/ Unterkunft pokój jednoosobowy/ dwuosobowy [pokkuij jedno-osobowwe/ dwu-osobowwe] – Einbettzimmer/Zweibettzimmer ...pokój z łazienką. [pokkuij zz waschienkong] – Zimmer mit Bad ...ze śniadaniem. [zeh schnadaniemm] – mit Frühstück

Przepraszam, czy może Pan/Pani mi pomóc (proszę)? [Pschäpraschamm, tsche mosche Pann/Panni mie pomutz?] – Entschuldigung, können Sie mir (bitte) helfen? Jak dojdę stąd do ... ? [Jack doiede stont doh?] – Wie komme ich von hier zum/zur ... ? (Siehe Vokabelbox) Gzie znajduje się ...? [Gdschä znaidujä schä] – Wo befindet sich ... ? Czy mógłby/mogłaby Pan/Pani to narysować proszę? [tsche mugube/moguabe Pan/Pani to narissowatsch prosche] – Könnten Sie (Mann/Frau) mir das bitte aufzeichnen? Gdzie można tutaj dobrze (i niedrogo) zjeść? [Gdschjä moschna tutaj dobsche (ie niedrohgo) zjeschtsch] - Wo kann man hier gut (und

Wohin des Weges? Soviel also fürs erste zum SOS-Reisevokabular. Wohin aber soll es nun genau gehen? Wie bereits einleitend erwähnt gibt es in Polen vielerlei Sehenswertes und zum Urlaubsziel Taugendes. Es kommt eben nur darauf an, was für eine Reise man im Sinn hat. Für eine Städtereise empfiehlt sich an prominentester Stelle Polens alte Hauptstadt Kraków, wo der Legende nach einst der Waweldrachen sein Unwesen trieb. Noch heute kann man sich auf dem zentra-

* Anmerkung: die Präpositionen od und do (von bzw. nach) erfordern im Polnischen den Genitiv. Deswegen müsste eigentlich auch der Name der jeweiligen Stadt, aus bzw. in die Ihr reist, in den Genitiv gesetzt werden. Es wäre aber zu aufwendig, hier alle möglichen polnischen Städtenamen im Genitiv aufzulisten, deswegen benutzt einfach die „Normalform“ (sprich den Nominativ), damit werdet Ihr sicher auch verstanden.

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Collage: Paul „Fo“ Bogadtke

len Marktplatz der Stadt nicht nur hervorragend mit polnischen FolkloreMitbringseln und allerlei sonstigem Touri-Krams eindecken, sondern auch besagten Drachen in verschiedenen Ausführungen (z.B. als Magnet oder Stoffkissen) käuflich erwerben. Wer weniger auf Stadtluft, sondern vielmehr auf Naturerlebnis und Aktivurlaub aus ist, dem sei unter anderem eine Kanutour durch die wunderschöne Seenlandschaft der Masuren ans Herz gelegt. So schön die Mecklenburgische Seenplatte auch fürs Kanufahren sein mag, in Punkto unberührte Natur kann sie es doch definitiv nicht mit den Masuren aufnehmen. Fans des Bergigen wiederrum könnten in der Hohen Tatra rund um das besonders für den Wintersport bekannte Städtchen Zakopane (sozusagen das polnische Garmisch-Partenkirchen) glücklich werden. So weit, so gut – was sollte man aber als potentieller Polen-Urlauber noch wissen? Nun, zu guter Letzt vielleicht noch ein Hinweis: Reisen tut man in Polen am besten mit dem Zug. Denn obwohl gerade jetzt im Rahmen der Vorbereitungen auf die Fußball-EM 2012 viel am polnischen Autobahnen- und Straßennetz getan wird, lässt dieses in Quali- und Quantität doch noch etwas zu wünschen übrig. Unkomplizierter, praktischer und wahrscheinlich auch am günstigsten ist dann doch der Zug. Dies gilt erst Recht mit Blick auf die Fahrkartenpreise der PKP, der polnischen Bahn, welche im Vergleich zu denen der Deutschen Bahn sehr viel erschwinglicher sind. Zwar glänzt auch die PKP zuweilen mit Verspätungen und vollen Zügen an warmen Sommertagen, doch ist dies in Anbetracht der weniger schwindelerregenden Fahrkartenpreisen noch zu verkraften. Anja Franzke

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Auch die Autorin dieses Artikels konnte dem Charme des Waweldrachens nicht widerstehen Foto: Anja Franzke


Erknitis Neue Krankheit bei EUV-Studenten entdeckt! Es gibt Hinweise auf eine einzigartige psychische Erkrankung bei Studenten und Studentinnen der Europa-Universität Viadrina. Die Redaktion interviewte den stadtbekannten Psychologen der Viadrina, Dr. Bernd Blindhuhn, zu seinen Erknitiserkenntnissen. vivadrina: Guten Tag Herr Doktor Blindhuhn. Danke, dass Sie für uns so kurzfristig etwas Zeit einräumen konnten. Dr. Blindhuhn: Ach, keine Ursache. Der Patient, der jetzt eigentlich einen Termin bei mir hätte, sitzt gerade in Berlin fest. vivadrina: Wunderbar, also Herr Doktor: Was genau ist denn Erknitis? Dr. Blindhuhn: Von dieser Erkrankung habe ich eigentlich erst durch die Viadrina-Studenten in meiner Sprechstunde erfahren. Dort klagten die Studierenden vermehrt über einen verwirrten Gemütszustand. Aber anstatt, dass sie sich „im Delirium befanden“, wie dies normale Leute tun, befanden sie sich „in Erkner“! (zuckt mit den Schultern) Davon habe ich in meiner ganzen Berufspraxis noch nie gehört. „Erkner“… klingt wie eine Mischung aus „Ärger“ und „Akne“… egal, jedenfalls gab ich ihr den Namen „Erknitis“. [lateinischer Name „via interruptus in erknerus, Anm. d Red.] Anscheinend wird es durch einen Virus übertragen, der das Gehirn befällt. vivadrina: Überaus treffsicher ihre Anamnese. Was sind denn genau die Symptome? Dr. Blindhuhn: Die sind sehr facettenreich. Es kommt zu Gereiztheit, Weinkrämpfen bis hin zu Wutanfällen, das volle Programm. Tritt sie nachts auf, kommen Schlafmangel und Schüttelfrost dazu. Tagsüber herrscht in „Erkner“ ein erhöhtes Risiko für Augenkrebs. Aber am schlimmsten ist das depressive Delirium: Man hat das Gefühl, dass man nicht zum Zug kommt, dass das Leben der anderen an einem vorbeirauschen würde, nur unterbrochen von körperlosen Stimmen, die sich für Störungen im Betriebsablauf entschuldigen… Ich als Fachmann erkenne in diesen Entschuldigungen natürlich sofort unterdrückte Schuldkomplexe. vivadrina: Das klingt ja wirklich bedrohlich. Sind alle Studierenden gefährdet? Dr. Blindhuhn: Prinzipiell nicht, es WANTED! scheint auch nicht ansteckend zu sein. Aber die Verteilung ist schon überaus eigenartig: Berliner, die in Berlin studieren, sind nicht betroffen und Frankfurter, die in Frankfurt studieren ebenso wenig. Anscheinend tritt Erknitis nur bei StuVorläufiges Fahndungsfoto des Erknitis-Virus. dierenden auf, deSachdienliche Hinweise zur Ergreifung bitte an ren Persönlichkeit den Medizinmann ihres Vertrauens. 24

gespalten ist, sie erfahren eine Diskrepanz zwischen ihrem Wohn- und Studienort. Dadurch befinden sie sich weder hier noch dort, sie sind nirgendswo verortet, können sich keiner einheitlichen Identität zuordnen. In den schlimmsten Fällen kommt es dann zu Erknitis. vivadrina: In den schlimmsten Fällen? Was ist denn die zweit-schlimmste Hilft den Studenten wieder auf die richtige Bahn: Erkrankung? EUV-Psychologe Dr. Bernd Blindhuhn hübscher gemacht von: „Fo“ & Topshop Dr. Blindhuhn: Na ja, viele erkranken auch an der dicht verwandten Fangschleuchose. vivadrina: Oh mein Gott! Wie kann man sich denn schützen? Dr. Blindhuhn: Meine persönliche Empfehlung ist erst einmal, in der Stadt zu wohnen, in der man auch studiert. Damit wird das Infektionsrisiko um 33-54 % reduziert. Da die Kultur auch einen großen Teil der Persönlichkeit ausmacht, empfehle ich ebenso nur den Besuch von Kulturangeboten am Studienort. vivadrina: Konnte man denn schon einen Verantwortlichen ausfindig machen, der diese Pendler befällt? Gibt es schon ein Bekennerschreiben? Dr. Blindhuhn: Soweit ich weiß, nicht. Und was die Ursachen angeht: Wenn ich die Studenten in meiner Praxis darauf anspreche, brabbeln sie etwas von „Debe“ und „Erre Eins“ und werden immer ganz aufgeregt. Da ich ihnen aber jedwede Aufregung verboten habe, frage ich dann nicht weiter nach, was das bedeutet. vivadrina: Ich sehe, die Patienten sind bei Ihnen in guten Händen. Haben Sie schon eine Therapie entwickeln können? Dr. Blindhuhn: Ja, was das angeht, herrscht wirklich höchste Eisenbahn... ist trotzdem eine verfahrene Lage... Leider konnte ich noch keine bahnbrechende Therapie entwickeln. Meine Patienten glauben irgendwie, dass ich im falschen Zug sitze. Wann immer ich von ihren unterdrückten Schuldkomplexen anfange, schalten sie ihre Ohren auf Durchfahrt. vivadrina: Wir danken Ihnen für Ihre Zeit, Herr Doktor Blindhuhn. Wie gut, einen Fachmann an der Uni zu haben, der weiß, wovon er spricht. Mario Mische

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Das Bahnfahren in Zeiten der Erknitis Eine Dramatisierung Prolog „Achtung, ein Durchsage für die Fahrgäste auf Gleis 2. Der RE1 nach Frankfurt (Oder) wird leider mehrere Stunden Verspätung haben. Grund dafür ist der Lokführer, der aufgrund eines Dachschadens die Weiterfahrt für unklug hielt. Dies wurde von einem herbeigerufenen Psychater bestätigt. Wir bitten um Entschuldigung.“ Auf diese Durchsage folgt ein Urschrei. Er stammt von Frank Linber. Franks Lieblingsbeschäftigung in den letzten acht Jahren war das Kuwi-Studium. Seine Hauptbeschäftigung während dieser Zeit war das Bahnfahren. Der größte Fehler in seinem Leben war es, nicht von Berlin nach Frankfurt zu ziehen. Er hätte in diesem Moment eigentlich seine Bachelorprüfung. Der zweitgrößte Fehler in seinem Leben war es, als zeitlichen Puffer nur fünf Stunden einzuplanen, als er um 8 Uhr morgens in den RE1 stieg. (Der Anschein, Frank hätte nur Fehler, täuscht. Unter seinen Kommilitonen fand zum Beispiel das Thema seiner Bachelorarbeit großen Zuspruch: „Drei-Punkte-Plan für eine Welt ohne Konflikte – Mentoring, Buddhismus, Marijuana“) Doch nun hatte Frank genug: Nach dem Chaos in Berlin hatte er seinen Anschlusszug in Erkner knapp verpasst und wurde von den Durchsagen nacheinander zu allen Gleisen geschickt. Zielstrebig geht er nun auf das kleine Bahnhäuschen zu, um sich zu beschweren. Der Bahnbeamte sieht ihn schon kommen. Er erhebt seinen massigen Körper langsam aus seinem dankbar ächzenden Stuhl und geht in die Sumo-Grundstellung. Seine Augen funkeln trotzig. Das erste, was Frank bemerkt, als er in den Schatten des Bahnschalters tritt, ist die Aufschrift auf der Uniform des Beamten: „Nur weil ich eine Uniform der Deutschen Bahn trage, heißt das nicht, dass ich allwissend bin oder in die Zukunft schauen kann!“ Nach kurzem Zögern besinnt er sich wieder seiner Mission, eine Beschwerde einzureichen. Und er wird sich durch keine billigen Ausreden davon abhalten lassen. FRANK. Ich möchte mich beschweren! KARL-HORST. Dann empfehle ich Ihnen viel fettiges Essen und keine Bewegung. FRANK. Ich warte hier seit Stunden auf meinen Zug. KARL-HORST. Ach, das lässt sich ganz schnell ändern. (holt ein kleines Schachbrett hervor) So... jetzt sind Sie am Zug. FRANK. Ihr Schachspiel interessiert mich nicht. Ich frage Sie, wann der nächste Zug planmäßig von hier abfährt? KARL-HORST. Woher soll ich denn JETZT schon wissen, welcher Zug hier planmäßig fahren wird. FRANK. Und wo steht dann bitte, wann die Züge hier ankommen? KARL-HORST (unwirsch). In den Sternen. FRANK. Wollen Sie mich veralbern? Ich will hier nicht in Erkner versauern. Ich wollte schon längst im Zug sitzen. KARL-HORST. Na dann kommen Sie doch hier rein und setzen sich auf meinen Platz. Aber lassen Sie die Tür offen, dann sitzen Sie prima im Zug... Warten Sie mal, hören Sie das? Da bahnt sich etwas an. (Beide hören das Geräusch eines nahenden Zuges. Frank sucht den Horizont ab, doch leider ist es der RE1, der nach Berlin zurück fährt.) Was ist das denn? Das ist doch nicht etwa ein Zug, der FRANK. Heft 2 2011 - Studium Internationale

den Fahrplan einhält? KARL-HORST. Wo denken Sie hin? Das ist der Zug, der gestern um diese Zeit hier ankommen sollte. FRANK. Mann, der hat ja auch einen ganz schönen Hänger. KARL-HORST. Ja, ne? Die sind ganz neu, erst dieses Jahr in Betrieb genommen. FRANK. Reden Sie etwa von den Waggons? Haben Sie da mal einen Blick reingeworfen? Sind Ihnen da nicht die verklebten Sitze, zerkratzen Fenster und verdreckten Klos aufgefallen? KARL-HORST (einlenkend). Jetzt wo Sie es sagen, muss ich Ihnen wohl zustimmen. Das ist wahrlich kein schöner Zug der Deutschen Bahn. Ganz zu schweigen von den Pennern, die ständig in den letzten Zügen liegen. FRANK (versucht sich zu beruhigen). Ich glaube, unsere Worte sind uns im Zuge der Diskussion etwas entgleist. KARL-HORST. Besser die Diskussion als der Zug. FRANK. Ja, richtig… Aber verstehen Sie mich doch… Ich hätte jetzt eine wichtige Prüfung! Wissen Sie eigentlich, welche Mühe ich hatte, es überhaupt bis hier nach Erkner zu schaffen? Ich wollte vorhin auf den fahrenden Zug aufspringen, doch der Schaffner hat mich mit seinen Bemerkungen total aus der Bahn geworfen! KARL-HORST. Und ihrem Aufzug nach zu urteilen, sind Sie dabei auch unter die Räder gekommen… FRANK. Ja, ja. Aber hätte der Zug nicht noch ein paar Sekunden länger halten können? KARL-HORST. Keine Sorge, der hält noch länger, so zehn bis zwanzig Jahre. FRANK. Warum hält dann die Bahn nicht ihr Versprechen, ihre Kunden sicher und… überhaupt zu transportieren? KARL-HORST. Die Bahn hält sich sehr genau an ihre Versprechen. Sie wirbt sogar mit dem Spruch: „Genießen Sie Ihren Urlaub in vollen Zügen“. FRANK. Und was ist mit all den Zügen, die mir Ihre tolle Ansagerin versprochen hat? KARL-HORST. Da hat sie sich wohl versprochen. FRANK. Ihre dauernden Ausreden gehen mir auf den Keks. Genau wie die der Deutschen Bahn! KARL-HORST. Die Deutsche Bahn bäckt Kekse? FRANK. Nein, ihre Ausreden gehen mir auf die Nerven. Die Mittel, mit denen die Bahn versucht, ihre Verspätungen zu vertuschen, werden doch immer dreister! Letzten Monat lösten Bahnbeamte absichtlich eine bundesweite Streckenblockade aus, indem sie auf alle Lokomotiven einen Zettel mit der Aufschrift „Wir fahren mit Atomkraft“ klebten. Innerhalb von Stunden waren die Gleise von Atomkraftgegnern besetzt… Und nicht nur, dass es ständig zu Verspätungen kommt, nein, es gibt auch laufend Unfälle. Erst gestern ist auf der Strecke zwischen Berlin und Potsdam ein Zug entgleist. Über diese Entgleisung musste ich mir erst mal Gedanken machen. Sowas kann einen ja auch selbst mal treffen. KARL-HORST. Vor allem an ungeschützten Bahnübergängen. FRANK. Lenken Sie nicht ab! Ich verlange jetzt zu erfahren, warum es auf der Linie des RE1 immer wieder zu Zwischenfällen kommt? Kam mein Anliegen bei Ihnen an? KARL-HORST. Es kam perfekt an! FRANK. Das ist bestimmt lange her, dass an diesem Bahnhof etwas perfekt ankam… Ist es denn so schwer für die Deutsche Bahn, auf ihre Linie acht zu geben? 25


KARL-HORST. Also ich habe festgestellt, dass das im Alter immer schwerer wird. FRANK. Ich rede von den ständigen Fahrtunterbrechungen! Es wird doch wohl möglich sein, in einem Zug von Berlin nach Frankfurt zu fahren, oder? KARL-HORST. Es ist sogar ein Hauptanliegen der Deutschen Bahn, die Passagiere in einem Zug zu befördern. FRANK. Sehr schön, warum dann in keinem Zug, der durch Erkner fährt? KARL-HORST. Sie dürfen das nicht so eingefahren sehen, Sie müssen auch mal Nebengleise besuchen, zum Beispiel die in Karlshorst. FRANK. Versuchen Sie nicht mich aufs Abstellgleis zu schieben! Wie soll ich denn da hinkommen? Wenn ein Zug ausfällt, sollte die Bahn auch für Schienenersatzverkehr sorgen, Sie wissen schon, eben zweigleisig fahren. KARL-HORST (entrüstet). Bei der Bahn fahren wir immer zweigleisig. Einmal hin, einmal zurück. (Hinter Frank tritt eine alte Oma an den Schalter heran.) RENTNERIN. Junger Mann, ich habe bei der letzten Durchsage nur Bahnhof verstanden, wo kommt der Zug aus Karlshorst an? KARL-HORST. Das steht doch laut und deutlich an den Anzeigetafeln: Auf Gleis Zwei! Finden Sie allein dorthin oder soll ich Sie auch noch zur Strecke bringen? RENTNERIN (in ihren Bart murmelnd). Voll-Horst! FRANK (telefoniert derweil mit seinem Kumpel Sven). Sei ehrlich Sven, werde ich durchkommen? SVEN SWIBUZE. Sieht verdammt schlecht aus. Ich lese dir die Meldungen vor: Ein paar Jugendliche haben die Außenfassade der S3-Türen mit Graffiti angesprüht, sodass sie vermeintlich den Blick ins Innere freigeben. Hunderte hastende Pendler haben sich bereits eine blutige Nase geholt… Auf der RE1-Strecke Berlin-Erkner hatten zwei Güterzüge einen Unfall. Die Nachrichten sprechen von menschlichem Versagen… FRANK. Da bin ich bestens mit vertraut. Einer von diesen menschlichen Versagern sitzt gerade vor mir... (guckt auf den Bahnbeam-

ten) OK, danke für die Info. Tschüss, dann. (legt auf und wendet sich dem Beamten zu) Aus gut unterrichteten Quellen, und damit sind nicht die Lautsprecherdurchsagen gemeint, habe ich soeben erfahren, dass wegen eines Unfalls kein Zug mehr aus Berlin hierher kommen wird. Meinen Sie, ein Zug aus Frankfurt schafft es bis hierher und fährt danach wieder nach Frankfurt zurück? KARL-HORST. Da würde sich kein Buchmacher drauf einlassen. FRANK. Ist es Ihnen psychisch nicht möglich, mal eine klare Antwort zu geben? KARL-HORST. Was Sie sich überlegen, wird nicht funktionieren: Der Zug aus Frankfurt ist mit einem Bus kollidiert. FRANK. Na ganz toll! Das heißt, weder von Berlin noch von Frankfurt kann ein Zug dieses Kaff ansteuern. Und wann kann man frühestens mit dem Schienenersatzverkehr rechnen? KARL-HORST. Ich hatte schon einen Bus hier her bestellt, aber der wurde aus dem Verkehr gezogen. FRANK. Warum das denn? KARL-HORST. Er ist mit dem Zug aus Berlin zusammengestoßen. FRANK. Waaas!? (schnaubt wie eine Lokomotive) Das ist Versagen auf ganzer Linie! Kommt die Bahn dann heute überhaupt noch in Fahrt? KARL-HORST. Das bezweifle ich stark. Sie können aber runter zum Taxistand gehen: Auf dem Platz verhandeln immer noch frustrierte Ex-Bahnkunden mit den Taxifahrern, ob sie zu Zehnt ein Taxi nach Berlin nehmen können. (Eine vorbeilaufende Passantin schaut auf und kommt auf sie zu.) PASSANTIN. Ich habe gerade Ihr Gespräch über eine Taxifahrt nach Berlin mit angehört. Da möchte ich gerne mit einsteigen. FRANK. Dann kommen Sie mit, ich begleite Sie. Bei dem hier ist Hoffen und Schmalz verloren. (Und so zieht Frank mit dem Taxi weiter gen Osten. Spät abends kommt er in der Uni an, noch vor den Prüfern... Man sagt, sie wären auf die schiefe Bahn geraten und würden nun selbst Linien ziehen.) Mario Mische

Siehst Du die Welt mit zwei Augen? ODER 3? 3 Tage lang ein einzigartiges Theaterfestival der interkulturellen Begegnung genießen UNITHEA ist ein von Studierenden der Europa-Universität Viadrina organisiertes deutsch-polnisches Theaterfestival, das in seiner 14. Ausgabe die Besucher auf eine 3-tägige Reise nimmt. Von der Vergangenheit in die Gegenwart und von da aus in die Zukunft begleiten uns zwölf Theatertruppen aus Deutschland und Polen vom 7. bis 9. Juni. So unterschiedlich die Genres und Geschichten der Inszenierungen, so vielfältig sind auch ihre Bühnen: das Kleist Forum und das SMOK, die Große Scharrnstraße und das Theater des Lachens. Das Theaterfestival UNITHEA schenkt aber nicht nur eine 3-tägige Reise in Welten voller Emotionen, Leidenschaft und Träume, sondern öffnet 3 Tore, die gemeinsam mit den Künstlern betreten werden sollen. TOR 1 ist der Durchgang in die Vergangenheit, um das Gestern kennen zu lernen. Der Zuschauer begegnet den Geistern von Frankfurt und Słubice, folgt dem Pfad der Erinnerungen und lauscht den Geschichten verlassener Orte. TOR 2 bedeutet, im Heute Chancen zu ergreifen und die Vergangenheit umzuschreiben. Hier bietet sich die Möglichkeit, sich ganz auf das Glücksversprechen des Moments einzulassen. TOR 3 schließlich führt ins Morgen. Das Publikum lässt die Bewohner der zwei Städte zu Wort kommen und hört 26

ihren persönlichen Zukunftsvorstellungen zu. ODER 3 verschenkt Utopien, verschwendet Zukunft und riskiert alles oder nichts. Ob in der Vergangenheit, Gegenwart oder in der Zukunft – es lohnt sich, die mitreißenden Abenteuer des sommerlichen Theaterfestivals UNITHEA zu erleben und die farbenfrohen, unbekannten oder in Vergessenheit geratenen Seiten der beiden S c h w e s t e rstädte (aufs Neue) zu entFoto: A. Garbe decken. Werner Eggerath Weitere Informationen gibt es unter. www.unithea.com Heft 2 2011 - Studium Internationale


Fabula Casa Erzähltradition in Frankfurt wiederbeleben In den kommenden Monaten soll das Projekt „fabula casa“ in Frankfurt starten. Lokale Mythen und Legenden sollen herausgefunden und in klassischer Erzähltradition wiedergegeben werden. Mit dem Projekt soll Sprachkompetenz gefördert und eine Brücke zwischen Kindern, Migranten und Frankfurtern geschlagen werden. Als ich klein war, erzählte Opa immer von der Armee. Seit ich groß bin, tut er das noch öfter. :-) Als ich Kind war, fand ich es spannend, den Älteren und ihren Geschichten zu lauschen. Denn als Kind ist die Welt groß und unfassbar. Alles ist spannend und wird aufgesaugt mit der typisch kindlichen Neugier. Inzwischen weiß ich, dass es spannendere Geschichten gibt, aber auch spannendere Arten sie zu erzählen. In den letzten Jahren fiel mir auf, dass ich selbst gerne erzähle. Leider hapert es noch etwas mit dem Spannungsbogen und der Pointe. Deswegen liegen mir eher geschriebene Sachen, die ich vortrage, als dass ich etwas freisprechend erzählen würde. Mit Erzähltradition hat das aber nicht viel zu tun. Jeder von uns kennt es bestimmt: Es gibt diese Art Menschen, die eine Anekdote nach der anderen erzählen, und man erwischt sich selbst dabei, wie gefesselt man ist. So möchte man gar nicht den Blick von den Lippen der Person lösen, geschweige denn von der Körpersprache. Es ist ungefähr vier Jahre her, als ich auf einer Konferenz war. Ich war umgegben von Schlipsträgern und es gab ein schickes Buffet. Nach dem Essen sagte mein Tischnachbar zu mir: „Schau mal zu dem da. So möchte ich später auch mal sein. Sie kleben förmlich an seinen Lippen und schauen zu ihm auf.“ Ich sah rüber, bemerkte, wie sich die Schilderung bestätigte und blickte zu meinem Tischnachbarn. Zuerst hatte ich Mitleid mit ihm, dann aber fühlte ich eine gewisse Herausforderung. Ich sagte ihm: „Du musst etwas mit deinen eigenen Händen erschaffen und Eloquenz erlernen. Wenn du das gemacht hast, bist du deinem Ziel einen großen Schritt näher.“ Er senkte den Kopf, realisierend, dass er das nie schaffen Heft 2 2011 - Studium Internationale

würde. Offensichtlich fehlte ihm der Biss. Vor zwei Monaten habe ich von einem spannenden Projekt erfahren, das hier beginnen soll. Es geht um Erzähltradition und darum, dass sie in Frankfurt wiederbelebt werden soll. Ich horchte auf: So könnte ich meinem Ziel näher kommen und tue sogar noch was Gutes für die Gesellschaft! Denn wer die Kunst des Erzählens beherrscht, der schlägt Brücken zwischen den Zuhörern, zwischen verschiedenen Menschen. Ich fragte natürlich gleich nach, was es mit dem Projekt fabula casa auf sich hat. Projektleiterin Ines Gerstmann begann gleich leidenschaftlich zu erzählen: Es gehe um Mythen, Märchen, Legenden, die man herausfinden und erzählend wiedergeben sollte. Workshops seien geplant, was für Mythen es gibt, wie man sie versteht und sie freisprechend erzählt. „Wir suchen noch Studenten, die sich mit dem Projekt in die Stadt integrieren“, sagte sie zu mir. Ob ich nicht welche kenne würde, die interessiert seien, etwas über Lokalgeschichte zu lernen und den Stoff danach in klassischer Erzähltradition weiterzutragen. „An der Viadrina gibt‘s solche bestimmt!“, meinte ich und dachte gleich an die Fakultät der bunten Schalträger. :-) Die erste Phase von fabula casa startet am ersten August dieses Jahres. Wem‘s gefällt, der darf die entflammte Erzähltradition natürlich im nächsten Jahr fortsetzen. Sechs bis zehn Leute sollen es werden. Wer Interesse hat, der kann sich bei Ines melden: gerstmannines@ aol.com . Ich werde meinen Enkeln später nicht von der Armee erzählen, sondern von meiner spannenden Studienzeit und dem hahnsinnigen Frankfurt. Und wenn irgendwann die Frage kommt, warum ich denn so toll erzählen könne und woher ich die ganzen Geschichten wisse, dann werde ich zurückdenken ans Jahr 2011, in dem mich fabula casa gepackt hat.

Thomas Bruckert

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Frankfurt - Frankfurt Perspektiven von der Oder über den Main Nachdem wir in der letzten Ausgabe der vivadrina eine Umfrage in Frankfurt (Main) gemacht hatten, was die Frankfurter über Frankfurt (Oder) wissen oder denken und ob sie es besuchen würden, haben wir uns diesmal in Frankfurt (Oder) umgehört. Es ist ein Montagnachmittag. In der Innenstadt von Frankfurt (Oder) herrscht geschäftiges Treiben: Menschen schleppen schwere Einkaufstüten, kommen gerade von der Arbeit machen einfach nur einen Spaziergang. Ein beschauliches Städtchen eigentlich, schön grün und die Sonne scheint. Die Leute haben gute Laune, man kann sich hier rich-

tig wohlfühlen. Aber das entspricht gar nicht der Vorstellung der in Frankfurt (/Main) befragten Leute. Dennenn ihrer Meinung nach gibt es hier bei uns nur dunkle Plattenbauten, alkoholisierte Jugendliche und ein heruntergekommenes Stadtbild. Nie, so erklärten gar einige, würden sie nach Frankfurt (Oder) fahren: „Kleist kommt dorther, aber was soll ich da? Mir ostdeutsche Plattenbauten anschauen?“ Wo die Stadt überhaupt liegt, konnten auch nur die wenigsten sagen. Jede Menge Klischees, zeigten sich; die Mauer lebt eben offenbar in den Köpfen weiter. Besonders in den Köpfen im ‚Westen’. Aber auch über Frankfurt (Main) existieren

Klischees: „Banker, Krise und Badbanks“ fasst eine Befragte zusammen. „Jedes Mal, wenn der ICE in Richtung Süden im Frankfurter Hauptbahnhof eintrifft, vergrabe ich mein Gesicht im Kaschmirschal, um dem Anblick von … labberigen Baumwollhemden an gelangweilt wartenden Bankern zu entgehen“, schreibt gar die Mode-Bloggerin Mandy Scherpe im ZEIT-Campus. Aber das ist nur ein kleiner Teil. Die reichen Banker wohnen gar nicht in Frankfurt, sondern in den Vororten. Nicht umsonst ist der Hochtaunuskreis einer der reichsten Landkreise in Deutschland.

Skylines von Frankfurt: Finden Sie die zehn Unterschiede?

Fotos: Fabian Angeloni

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Hier ist, was wir in Frankfurt (Oder) zu hören bekommen haben: „Frankfurt am Main, das ist für mich der Inbegriff von Bankern, Krise und Badbanks. In meiner Vorstellung tragen dort alle Anzüge und laufen mit Aktentaschen durch die Gegend. Hinfahren würde ich schon gerne mal, das lohnt sich sicher.“ – 47, Hausfrau „Frankfurt am Main – da sitzen Ackermann und die ganzen Kapitalistenschweine, die uns in die Krise manövrierten. Zocken und gut Leben, das ist für die alles. Wenn ich da mal hinfahren würde, dann würde ich bei denen klingeln und gehörig meine Meinung sagen.“ – 68, Rentner „Ich war schon in Frankfurt. Wenn ich es mit Berlin vergleiche, fällt mir vor allem eines auf: Berlin ist alternativer, jünger, unange-

passter. In Frankfurt sind sie viel steifer. Da fehlt Farbe. Was man aber immer nicht so mitbekommt: Frankfurt scheint eine hohe Ausländerrate und hohe Kriminalität zu haben. Offenbar leben dort Verlierer und Gewinner nahe beieinander.“ – 24, Studentin KuWi „Ich fahre nicht in den Westen.“ – 55, Maler und Lackierer „Ich war dort – es lohnt sich. Der Römer, die Paulskirche, der Eiserne Steg bei Nacht, die Skyline, die Museen und das schöne Stadtbild: Die volle Touristentour eben. Hat sich aber gelohnt. Kann ich nur jedem empfehlen.“ – 33, Bankangestellte „Frankfurt am Main – Welthauptstadt der Banken! zieht nicht die europäische Zentralbank dahin?“ 21, Student WiWi

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„Frankfurt und Finanzkrise fängt nicht umsonst beides mit F an.“ – 51, Straßenbahnfahrer

Fazit „Zwei Frankfurts – ein Name und eine Welt dazwischen“, resümieren wir am Ende unserer Umfragen. Das positive dabei: Jedem gefällt das eigene Frankfurt; jeder fühlt sich in seinem wohl. Überwiegend ältere Menschen verbinden mit Frankfurt also Negatives. Dort hinfahren würden sie aber nicht. Es ist eben offenbar einfacher, sich auf Klischees auszuruhen, als über den Tellerrand zu blicken.Was fehlt, ist der Blick über den Tellerrand, das Überwinden von Klischees über ‚West‘ und ‚Ost‘ und offene Augen statt Kaschmirschals.

Fabian Angeloni


Hausmitteilungen

Foto: Stefan Gräber

Besser?

Justice has been done Ich war 21 Jahre alt als die Türme einstürzten und sich die gesamte Welt der Verfolgung des Terrorismus verschrieben hat. Insbesondere eine Person galt beim betroffenem Land, den USA, als größte Zielscheibe: Osama Bin Laden. Ein Name als Begründung für den Einmarsch in Afghanistan und dem daraus resultierenden heute noch andauernden Krieg, der nicht so genannt werden darf und uns als „zu verteidigende Freiheit am Hindukusch“ bekannt ist. Eine Situation die mehr Wut und Terror provoziert hat, als die eigentliche Zerschlagung des Terrorismus zu erreichen. Und das seit zehn Jahren. Nun hat die Jagd endlich ein Ende gefunden, wenn man bedenkt dass dem US-amerikanische Geheimdienst schon mehrere Male den Aufenthaltsort des berüchtigten Terroristenführers bekannt war. Man tat sich aber immer schwer mit der Entscheidung wie man diesen Mann nun töten solle, per Drohne oder Rakete, was zu Zeitverzögerungen führte und er immer wieder neu abtauchen konnte. Auch dieses Mal war es eine schwere Entscheidung gewesen, Obama ließ sich ganze fünf Mal von seinem dafür zuständigen Personal instruieren, ob der Möglichkeiten zur Liquidierung Bin Ladens. Nun ist es getan, Obama trat vor die Presse und verkündete seinen staatlich verordneten Mord mit den Worten: „Justice has been done.“ Der Gerechtigkeit sei Genüge getan. Also genug getan für die Gerechtigkeit. Staatlich angeordneter Mord gehört genauso nach Den Haag wie Osama Bin Laden dorthin gehört hätte. Aber was bringt es, Akten und Anklagepunkte zu wälzen, wenn mit dem Tod jenes Terroristen der US-amerikanischen Wirtschaft wie auch dem politischen Ansehen des Präsidenten besser geht. Dem Dollar geht es auf einmal richtig gut und wir müssen keine Angst mehr vor diesem Menschen haben. Diese Angaben sind wie immer ohne Gewähr.

Kaufland, sie siezt mich zwar, trotzdem ist die Frage doch sehr persönlich, ob denn bei mir alles in Ordnung wäre. Würde sie einen schätzenden Blick auf die fünf Bierflaschen auf dem Band werfen, könnte sie eigentlich den Zustand meiner Seele erahnen. Sehr gut, denn das Wetter neigt zu Sonnenschein und warmen Winden, was die Oderspaziergänge mit Freunden zu einer sehr entspannenden Tätigkeit macht, welche es nur allzu oft zu genießen gilt. Was das betrifft, hat der Doktor für mein Gehirn (womit eher der mediale Teil und nicht die glibbelige Masse gemeint ist), wenn ich denn einen hätte, nur Zuspruch zur ständigen Wiederholung gegeben. Aber das geht sie nichts an, also antworte ich: „Nun, meine Liebe, Ihr erhöhtes Interesse, ob es mir gut geht, ist zwar nett und schön, wobei nett die kleine Schwester von Scheiße und Schönheit relativ ist, aber bezieht sich Eure Erkundung ja nur auf den Erwerb von Waren in diesem Konsumtempel und die damit verbundene Glückseligkeit. Also lassen Sie mich das jetzt klären: Das Bier, das ich hier kaufe, schmeckt so gut wie oft immer gleich nach dieser Biermarke, welche ich hier kaufe. Da ich sonst in diesem Verbrauchermarkt meine Essensgelüste mit dem was im Angebot liegt verköstige, welches

aufgrund meiner rauchenden Tätigkeit für mich immer gleich schmeckt, erübrigt sich die Frage nach meinem Wohlbefinden. Dennoch finde ich es toll, dass Sie fragen. Lassen Sie mich also mit der Problematik meiner Mutter beginnen, die nach meiner Geburt nicht wirklich was mit mir anzufangen wusste und............“ Wenn man länger als fünf Minuten bei Kaufland in der Schlage steht bekommt man einen Gutschein dessen Wert ich jetzt nicht angeben will. Aus der Schlange hinter mir bekam ich drei für den Vergleich von Star Wars und dem Pionierdasein als Beeinflussung meiner Jugend. Fünf weitere gab man mir (aus Mitleid) für alle aufgesagten Fernsehserien die mir nach der Wende die Samstagvormittage versaut hatten. Ich holte davon weitere Biere für die Freunde mit denen ich noch am selben Tag einen langen Oderspaziergang machen würde.

Ich beim Speed-Dating „Hallo.“ „Tschüss.“ Mir war sofort klar, dass ich nicht ihr Typ war.

Paul „Fo“ Bogadtke

Quelle: Lobot/TheGalacticEmpireTimes

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Hellsehen für Fortgeschrittene (2) Übereinander sitzen in der Mensa, Studenten bezahlen die Bücher für die Bibliothek selbst und ein Jahr ohne Uniball? Die vivadrina blickt erneut in die Zukunft und stellt mit großer Freude fest: Läuft klasse an der Viadrina, weiter so. Es geht wieder ans Eingemachte: Hellsehen für Fortgeschrittene! Wir befinden uns im Jahr 2011+x.

Beton“. In dieser rufen engagierte Studierende dazu auf, das Projekt Studentenstraße aufzugeben und vom ersparten Geld Lehrund Sachbücher für die Universitätsbibliothek zu kaufen. Die Rechtsaufsicht der Viadrina ist inzwische müde geworden: Haushaltsentwürfe des Studierendenparlamentes (StuPa) werden inzwischen kategorisch abgelehnt, denn der Posten „Bücher für UB“ widerspricht seit mehreren Jahren der aktuellen Gesetzeslage. Ein verwirrter

ganz pragmatisch: Wenn man nicht zum Ball gehen kann, müsse der Ball eben zu einem kommen. Allerdings wird die Idee eines festlichen Open-Air-Balles auf dem Universitätsplatz noch argwöhnisch beäugt. Positives gibt es jedoch auch: Nach vielen Jahren ohne Neuanstellungen hat die Personalabteilung der Viadrina endlich entschieden, eine weitere Kraft einzustellen. Diese unterstützt Forschung und Lehre in gleichem Maße, denn ihre Hauptaufgabe ist die Reparatur des regelmäßig defekten Fahrstuhls der Bibliothek. Diese Neuanstellung ist eine Reaktion auf die jahrelangen flehenden Gesuche derjenigen Viadrina-Dozenten, die nicht mehr mit dem menschenunwürdigen Lastenaufzug in den Lesesaal fahren wollten.

Zu den ehemals vorausgesagten 30.000 Studierenden an der Viadrina hat sich ein weiteres Problem gesellt: Der allumfassende Platzmangel wird begleitet vom Mensamangel. Kurze Zeit nach Schließung der AM-Mensa hat das Studentenwerk Frankfurt (Oder) erkannt, dass durch den Wegfall der GD-Mensa Geldeinsparungen möglich sind. Diese Uneinigkeit herrscht immer noch, wenn Geldeinsparungen fließen nun großteils das Thema Exzellenzinitiative aufin den Umbau des östlichsten Studentenkommt: Trotz überaus positiver Selbstclubs Deutschlands, früher als „:grotte“ darstellung durch Presseabteilung und bekannt. Der einstige Wunsch, diesen Universitätspräsidenten, war einigen Keller in der Lindenstraße weiter zu beQuerdenkern bewusst, wozu die zusätzwirtschaften, hat sich als unwirtschaftlichen Forschungsgelder führen würden: lich herausgestellt. Seit diesem Vorfall ein bundesweites und lokales Ungleichstolpert das Studentenwerk auf dem schgewicht zwischen Forschung und Lehre. malen Grat zwischen Kohärenz eigener Einwendungen seitens Vertreter der StuEntscheidungen und der Notwendigkeit dierendenschaft werden auch heute noch sich auch um studentische Belange zu routiniert weggewischt. Immerhin ist die kümmern. Eine Umfrage unter ViadrinaHochschulleitung der Viadrina stolz auf Nostradomas sieht eine blendende Zukunft, voll von konStudenten zeigte, dass die Schließung der turenreicher Monochromie. Foto: Michèlle Schubert die Erfolge: einer von zwei Anträgen letzten Mensa keine Überraschung war. hatte es geschafft. Durch die bewilligten Denn großteils herrschte Unverständnis da- Studierender fragte einst die Präsidentin des Fördermittel wächst die Europa-Universität rüber, wie man in der Mittagspause über- Stupa, warum der Punkt nicht einfach vom nun stetig zum Forschungsleuchtturm mit haupt mit 20 Personen pro Sitzplatz kalku- Haushalt gestrichen werde. Die Erklärung wenig Lehrbetrieb heran. lieren konnte. war einleuchtend: Der Punkt werde konsequent vertagt oder in einen Ausschuss ver- Die Europa-Universität wurde vor einigen Vergleichbares Unverständnis fühlten Stu- schoben. Ausschüsse sind jedoch seit vielen Jahren um das Seminar „Halbwahrheiten denten, die seit einiger Zeit in der unsa- Legislaturperioden nicht mehr beschlussfä- im Schatten spekulativer Vermutungen“ nierten Studentenstraße wohnen. Obwohl hig - falls sie überhaupt tagen. ergänzt. Sinn dahinter war das bewusste das verbuendungshaus fforst ähnlich angeüber-den-Tellerrand-schauen engstirniger fangen hatte, erinnern sich frühere Initi- Es gibt inzwischen auch keine Tagungen Studierender, damit diese nicht in die Clianten der Studentenstraße an mehrere Ver- mehr für den Uniball im Kleist Forum. Nach- ché-Schiene abdriften, sondern ihr eigenes einbarungen zwischen Stadt, Uni und stu- dem sich herausgestellt hat, dass trotz hoher Schubladendenken beginnen zu hinterfradentischer Selbstverwaltung. In denen hieß Eintrittspreise - und Verpflegungsgelder der gen. Das Seminar ist so beliebt, dass die anes, dass die Umbaukosten nicht das Problem Ball ein Minusgeschäft ist, wurde entschie- gebotenen Seminarplätze noch nie ausgereisein sollten. Erste Leidtragende waren die den, das wichtige kulturelle Ereignis auf Eis cht haben. Am engagiertesten im Kurs war Referenten des Allgemeinen Studentischen zu legen. Obwohl die Bilanz in den letzten ein gewisser Nostradomas, der mit Blicken Ausschusses der Viadrina. Diese mussten ihr Jahren in Ordnung war, wurde der Veran- in die Zukunft die eigene Gegenwart kritifrüheres Büro aufgeben, weil das Studenten- stalter davon überrascht, dass nicht nur 7% sierte. werk mehr Platz für BaföG-Bearbeiter be- sondern 19% Steuern ans Finanzamt abzuanspruchte. führen sei. Seit mehreren Jahren werden Bis zum nächsten Mal, zusätzliche Förderer für den Ball gesucht, euer Nostradomas Um das Thema weiter anzuheizen, gibt es damit er wie gewohnt stattfinden kann. Wähim aktuellen Semester zum wiederholten rend hohe Würdenträger sich annähernd ge- Wer Hintergrundinfos haben will: Male die Veranstaltungsreihe „Bücher statt lähmt fühlen, sehen es einige Studierende vivadrina@yahoo.de Heft 2 2011 - Studium Internationale

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Termine 23.5.

23:59 Uhr

Bis zum 23.5. kann man sich als KandidatIn für den Fachschaftsrat, Fakultätsrat, Senat und das Studierendenparlament aufstellen lassen. Infos unter www.asta-viadrina.de/wahlen

25.5.

18:00 Uhr

Vortrag „Grundrechte für Sicherheit. Kündigen wir den Rechtsstaat auf?!“ im GD HS2 mit Jerzy Montag, Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff und anschließender Diskussion

25.5.

18:30 Uhr

Chinese Evening im fforsthaus

26.5.

20:00 Uhr

Open Stage in der Darstellbar: Nummer 56 - Hoedown: Amerikanische und deutsche Musik à la Neil Young, Silly oder Tom Petty. Mit Verena Wittig und Jörg „York“ Huschen.

27.5.

16:00 Uhr

Großes Scharrnstraßenfest in der Studimeile mit Straßen-Jamsessions, Grillen, Kickertunier und vielen Initiativen

6.6. - 10.6.

12:00 - 14:30 Uhr

15.6.

20:00 Uhr Einlass

24.5. 14.6. 28.6.

16:00 Uhr 18:00 Uhr 16:00 Uhr

25.5. 22.6.

(Demokratie) (Außen- und Militärpolitik)

Wahlen der Fakultätsräte, FSRs, sowie des StuPa und des Senats im GD Foyer English Stand-Up Comedy Night im Fforst

AM 02 Vortrag Audimax Kurzfilme Stadtbibliothek Vortrag 1.6. 6.7.

„Mit den Händen sprechen” – Gebärdensprache ist dieses Mal das Thema der Veranstaltungsreihe Open University. Die Vorträge werden auf Deutsch gehalten bzw. in die deutsche Gebärdensprache übersetzt.

(Wirtschaft) (Agrarpolitik)

Veranstaltungsreihe zur EU, organisiert von dielinke.SDS Viadrina.

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