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Wieso Bündner Jäger Ohrringe trugen

Brille, Kontaktlinsen, Laseroperationen: Für die Menschen in früheren Zeiten gab es dies alles nicht. Sie behalfen sich daher mit überliefertem Wissen. Bündner Jäger etwa sollen goldene Ohrringe getragen haben, um ihre Sehkraft zu verbessern.

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Kontaktlinsen zu tragen oder sich einer Laserbehandlung zu unterziehen, sind moderne Methoden, das Sehvermögen zu erhalten beziehungsweise zu verbessern. Was aber taten Menschen, die in früheren Zeiten auf scharfe Sehkraft angewiesen waren? Die «Augenmedizin» ist zwar von alters her eine Teilwissenschaft der Medizin, sie befasste sich aber vor allem mit Augenleiden, wenn sie schon aufgetreten waren. Zudem war der Zugang zur Augenheilkunde privilegierten Kreisen wie Städtern, Vermögenden und den oberen Ständen vorbehalten.

Unterengadiner Jäger trugen Ohrringe, sagt man

Alle anderen mussten sich selbst zu helfen wissen. Im Unterengadin erzählt man sich beispielsweise, dass sich die Jäger des Tals mit einem Schmuckstück behalfen: Um besser zu treffen, sollen sie goldene Ohrringe getragen haben.

Diese Geschichte ist wohl eine Legende. Es gibt keine überlieferten Dokumente, in denen Bündner Jäger explizit das Tragen von Ohrringen für eine bessere Sicht empfehlen. Dies schriftlich festzuhalten war aber auch nicht nötig: Sollten Jäger mit den goldenen Ohrringen mehr Erfolg auf der Jagd gehabt haben als diejenigen ohne, dürfte sich dies in den Dörfern des Tals rasch herumgesprochen haben.

In der Alternativmedizin ist das Ohr mit dem Auge verbunden

Verschiedene Punkte am Ohr – vor allem auf der Ohrmuschel und am Ohrläppchen – sind durch Nerven mit anderen Organen des Körpers verbunden. Im Zentrum des Ohrläppchens befindet sich der sogenannte «Augenpunkt». Dieser spielt sowohl für die Ohrakupunktur als auch für die Reflexzonentherapie (zwei Bereiche der alternativen Medizin) eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Augenkrankheiten.

Die Ohrakupunktur hat ihren Ursprung vermutlich im Nahen Osten. Die alte Medizin der Ägypter, Perser und die traditionelle chinesische Medizin beschreiben Behandlungen am Ohrläppchen. Es überrascht daher nicht, dass auch Seefahrer im Mittelalter Ohrringe trugen, weil sie überzeugt waren, damit besser in die Ferne zu sehen.

Im Zentrum des Ohrläppchens befindet sich der sogenannte

Augenpunkt, welcher bei der Akupunktur eine Rolle spielt.

Auf das Material kommt es an

Allerdings: Ohrring ist nicht gleich Ohrring. Weil Silber in der Akupunktur eine «reduzierende» Wirkung nachgesagt wird, sollen Silberohrringe sogar für schlechteres Sehen verantwortlich sein. Ohrringe aus Gold, wie diejenigen der Bündner Jäger, sollen aber tatsächlich stimulierend wirken und daher zur besseren Sehkraft beitragen.

In der Akupunktur geht man davon aus, dass nur sporadische Stiche stimulieren und eine Auswirkung auf die Sehkraft haben. Da sich der Körper an den Reiz gewöhnt, verpufft eine mögliche Wirkung nach einiger Zeit. Wer sich durch das Tragen von goldenen Ohrringen also Vorteile beim Sehen erhofft, müsste den Ohrring theoretisch immer wieder zwischendurch ablegen.

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