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Visit Sommer 2023

Schulzimmern. Es zeigt die dritte Primarschulklasse meiner Mutter. Insgesamt 51 Kinder sind hier um den armen Lehrer versammelt. Wie muss das erst zu den Schulzeiten der Mutter meiner Mutter gewesen sein?

Besonders ins Herz geschlossen habe ich Onkel Alfons. Er war Gärtnermeister und hatte über die Pflege eines Schlossgartens offensichtlich privilegierten Zugang zur schlosseigenen Bibliothek. Jedenfalls verdanke ich ihm einen vollständigen Satz an Karl­MayRomanen (inzwischen leider entsorgt) sowie zwei mir besonders teure Bücher aus «Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe aus letzter Hand». Sie waren anno 1829 von der Cotta’schen Buchhandlung verlegt worden – also noch zu Lebzeiten des grossen Dichterfürsten (1749–1832). Allein die Vorstellung, dass Johann Wolfgang von Goethe himself in diesen verblichenen Buchseiten geblättert haben könnte, verleiht ihnen einen ganz speziellen Wert.

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Das originellste Erbstück aber vermachte mir der alte Holzsekretär selber. Denn nach jahrelangem Hin­ und Herschieben seiner stets leicht klemmenden Schubladen entdeckte ich plötzlich auch ein Geheimfach – versteckt unter einem doppelten Boden. Dieses muss schon meinen Grosseltern fürs Aufbewahren von Erbgut gedient haben. Jedenfalls verbarg sich in einem Spalt dieses raffinierten Verstecks eine 10 ­Rappen ­Münze von 1850, stark abgewetzt und reich an Patina. Man muss das Geld damals mehr als zweimal gedreht haben.

* Ivo Bachmann ist Geschäftsführer von bachmann medien ag, die auch das Visit redaktionell begleitet. Er war zuvor unter anderem Chefredaktor des « Beobachters » und der « Basler Zeitung ».

Das Thema im nächsten Visit: Freundschaften fürs Leben Wenn berufliche Verpflichtungen wegfallen und das soziale Netzwerk kleiner wird, sind Freundschaften besonders wichtig. Freundinnen und Freunde bereichern das Leben, unterstützen sich im Alltag, beglücken, verstehen und helfen einander – sie sind füreinander da.

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