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BRUDER FRITSCHI

Bruder Fritschi und seine Fritschene am Fritschiumzug.

Tra tra tralalala – der Fritschi ist im Land ...

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Bei jedem Anlass der Zunft zu Safran singen die Zünftler diesen Refrain im «Fritschilied» zu Ehren von Bruder Fritschi. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts pflegt die Zunft die Geschichte des wohl ältesten Fasnächtlers. Doch: Ist es nur eine Legende oder hat es den Bruder Fritschi tatsächlich gegeben? Eine Spurensuche.

Die Symbolfigur Bruder Fritschi gehört zur Lozärner Fasnacht wie der Wasserturm zu unserer schönen Stadt. Verschiedene Thesen und Theorien tauchen auf Fritschis Spurensuche auf. Diebold Schilling beschrieb ihn in seiner Luzerner Chronik 1513 so: «Von alter har ist ein lobliche Gewohnheit und jaerlicher vassnacht schimpf zuo Lucern gewaesen uff eine gesellschafft und trinckstuben, genant zum Fritschi. Die hand ein stroewinen man, genant bruoder Fritschi, den sy jaerlich uff den schmutzigen donstag vor der pfaffenvassnacht erlich in irem harnesch mit allen gesellschafften der statt Lucern mit eim vennli, pfiffen, trummen, tantzen und was sich mag zuo froeuden ziehen, infuerend ...» Eine strohene Figur also, in welche wohl ein Krämergeselle schlüpfte und der so an der Fasnacht auftauchte. Text_ Peti Federer Bilder_ Heinz Steimann

Die womöglich älteste Erwähnung stammt aus einer undatierten Urkunde über Soldzahlungen an luzernische Truppen für eine Dienstperiode vom 15. Mai bis zum 18. Juli 1443, also während des Alten Zürichkriegs. Unter anderem wird dort eine «Gesellschaft des Bruders Fritschi» aufgeführt, allerdings ohne Bezifferung ihrer Mannschaftsstärke. Die nächste, eindeutige Nennung stammt von der Ausschenkung von Wein anno 1461 «... uff dem Affenwagen (Gesellschaftshaus der Kaufleute) und Fritschisstuben (Zunfthaus der Krämer, als Vorläufer der Zunft zu Safran) in der Fasnacht ...»

oder 1469, am Samstag vor Michaeli, als der Fritschigesellschaft 3½ Pfund für ihren Fasnachtsbesuch in Bern ausbezahlt wurde. Übrigens ist auch die Schreibweise bis Ende des 18. Jahrhunderts recht vielfältig, von Fritschy (1474), Fritzschin (1508), Frytschi (1610), Frydtsche (1659) bis hin zu Frütschi, Frutzy und Frützi (1720). Bis ca. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Zunft zu Safran als Krämergesellschaft «gnempt zem Fritschi» genannt.

Der Fritschiraub der Basler 1507 – und Rückeroberung 1508

Sehr gut dokumentiert und illustriert hat Diebold Schilling den Fritschiraub. Basel, 1507 noch junges Mitglied der Eidgenossenschaft, suchte die Annäherung an die alten Orte Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden. Hierfür sprachen auch die wirtschaftlichen Interessen der Innerschweizer für eine Stärkung der Beziehung nach Basel, dem nördlichen Tor an der Gotthardroute. Auch wenn Schilling von diesem Raub mit «... und ward der arm alt burger von Lucern, bruder Fritschi, heimlich by nacht und näbel der loblichen statt Lucern wider all keiserlich fryheiten, ouch siner geselschafft, uss eim gericht in dz ander entfrömdet und geführt» berichtet, darf wohl von einer freundschaftlichen Inszenierung der Basler und Innerschweizer ausgegangen werden.

Ebenso inszeniert war die Rückeroberung. Am Freitag, 15. September 1508, zogen die Luzerner mit etwa 150 Mann aus, unter ihnen der alte und der neue Schultheiss, 18 Ratsherren sowie wenig Zuzug aus den drei Waldstätten. Die Reise ging zu Schiff via Reuss und Rhein hinab bis zur Einmündung der Birs, wo sie vom Basler Bürgermeister und von einer Delegation der Zünfte in voller Rüstung empfangen wurden. Nach dem Einzug in Basel fand auf dem Kornmarkt die eigentliche Begrüssung statt, dann zog man auf die Herbergen, in Wirtshäuser und zu Bürgersleuten nach Hause. Auf drei Stuben, nämlich «Zem Saffran», auf der Schmiedstuben und «Zum Brunnen» wurden alle Imbisse eingenommen. Diese dreitägigen Feierlichkeiten in Basel liessen einen erstaunlichen Verzehr vermuten: So stiftete der Bischof «... etliche kannen mit malvasier ...», der Abt der Zisterzienserabtei Lützel ein halbes Fuder Wein – insgesamt seien 7700 Liter Wein getrunken worden. Weitere dokumentierte Ausgaben: über 110 lb (Pfund) für «... 1764 huner, junge und alte ...», 64 lb für Rind-, Kalb- und Schaffleisch, 74 lb für 53 Lachse, 38 lb für Stockfische, Karpfen und andere Fische, über 109 lb für 54 Saum, 9 Vierte und 4 Mass Wein, etwa 12 lb für Anken, Speck, Pfeffer, Mehl, Zwiebeln, Peterli, Salz, usw., 12 lb für 41 Pfund Konfekt, 191 lb für Schlaftrünke, Morgensuppen und Abendmahlzeiten auf den Herbergen, 48 lb «... den wyblen, botten, spillutten und narren geschenckt». Eine beachtliche Menge, die anlässlich des Jubiläums 500 Jahre Fritschiraub im Jahr 2008 nicht annähernd erreicht wurde.

Ehrung des Fridolinstags am 6. März

Eine der wohl wahrscheinlichsten Theorien der Legende Bruder Fritschis geht auf die früher jährlich gefeierte Jahrzeit der Schlacht bei Ragaz zurück. Am Morgen des 6. März 1446 – dem Tag des heiligen Fridolins – entschieden rund 1200 Eidgenossen, unter ihnen 200 Luzerner, den über zehn Jahre andauernden Alten Zürichkrieg gegen ein mit 4000–6000 überlegenes Heer von Habsburgern sowie aus der Reichsstadt Zürich. Diese Schlachtjahrzeit wurde während 200 Jahren gefeiert, wobei der Jahrestag 6. März meist in die Fastenzeit fiel, was das Feiern verunmöglichte. So lag eine Verlegung dieser Feierlichkeiten in die Fasnachtszeit auf der Hand, zumal auch Diebold Schilling zu jener Zeit

Die Abbildung aus der Diebold-Schilling-Chronik zeigt den Fritschiraub der Basler von 1507.

Die ältesten erhaltenen Masken des Fritschipaares, die Bildhauer Friedrich Schäfer 1762 aus Papiermaché schuf. Links Fritschi, rechts Fritschene.

Mit dem Urknall auf dem Nauen beginnt am SchmuDo die Lozärner Fasnacht.

Die Fritschifamilie auf dem Fritschibrunnen beim Fötzaliräge und dem Organgengewitter. von militärischen Musterungen mit Bruder Fritschi «uff den schmutzigen donstag» berichtete, wo Spiel und Übung, Fasnacht, Waffen- und Harnischschauen verschmolzen.

Zu guter Letzt gibt es noch Beschreibungen des Stadtschreibers Renward Cysat (1545–1614), dass

ein Landmann und Ausburger (mittelalterliches Stadtrecht einer Person, die nicht im städtischen Bezirk ansässig war) namens Fridolin ausserhalb des Hofes an der Halde gewohnt habe. Umgangssprachlich sei er auch «Frittschi» genannt worden und sei an der Fasnacht jeweils auf die Safranstube gegangen, um dort mit anderen Gesellen das Geld zu «verschlyssen». In der Folge sei dieser Tag «Fritschis Tag» und die Gesellschaft, auf deren Stube er gastierte, Fritschigesellschaft genannt worden. So schön Cysats Geschichte auch sein mag, sie entbehrt jeglichem Beweis und Grundlage.

Bruder Fritschi heute

Ebenso falsch ist die Legende, dass sich das Grabmal von Bruder Fritschi auf dem Kapellplatz befände, wo zu Fritschis Ehren 1918 der Fritschibrunnen errichtet wurde. Gleichwohl haben die Symbolik des Brunnens und die Legende dieses ältesten Luzerners und Fasnächtlers nichts von ihrer Faszination verloren. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts kommt Bruder Fritschi zusammen mit seiner Gemahlin, der Fritschene, am SchmuDo hoch zu Ross daher. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurde die Frischifamilie nach und nach erweitert: um die Kindsmagd mit dem Fritschikind, den Bajazzo, den Narren sowie drei Bauern.

Heutzutage schlüpfen die Neuzünftler der Zunft zu Safran in die Kostüme und Masken dieser Figuren und eröffnen am SchmuDo-Morgen bei der Fritschitagwache, wenn der Nauen mystisch im Luzerner Seebecken gondelt, mit dem Urknall die Fasnacht. Das anschliessende Schauspiel mit dem Fötzaliräge und dem Orangengewitter auf dem Kapellplatz lassen sich gegen zehntausend Fasnächtler jeweils nicht entgehen. Beim Fritschiumzug führt Bruder Fritschi, seit einigen Jahren wieder hoch zu Ross, den Tross an. Ihm zu Ehren führt dieser Umzug auf den Kapellplatz, wobei der Fritschibrunnen von allen Umzugsteilnehmenden umrundet wird. Der traditionelle Fritschiwagen der Zunft zu Safran umkurvt den Brunnen gar dreifach. Abends ist die Fritschifamilie an der Fasnacht unterwegs, besucht die eine und andere Fasnachtsbeiz und geniesst die närrischen Tage. Bevor sie dann,in den Abendstunden des Güdiszyschtig, verabschiedet wird und entlang der Reuss auf einem Boot in die Dunkelheit entschwindet. Bis zum nächsten Jahr.

Auch 2021? Nun: Gut möglich, dass die Zunft zu Safran gemäss ihren Satzungen nachkommt, wo «... mit der Tagwache am SchmuDo der Fritschivater mit Bruder Fritschi und Gefolge die Fasnacht eröffnen». Das wohl diesmal im geheimen, ganz kleinen Rahmen.

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