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Papas Zürcher Zeit

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Die Pertusinis

Die Pertusinis

nannten ihn Schaggi: seine Geschwister, meine Mama, seine Verwandten, selbst die italienischen Bauleute nannten ihn Giacchi.

Sein Name Schaggi wurde überdies auf mich übertragen. Abgesehen von meinen Eltern und vielleicht noch von meinen Lehrern nannten mich alle Leute in Thusis während meiner Schulzeit und auch später noch Schaggi. Das ging so weit, dass ich auf meinen richtigen Namen gar nicht reagierte, weil es aussergewöhnlich war, dass man mich Silvio rief. Heute noch, wenn ich einem «Ur-Thusner» begegne, oder an den Klassentreffen, erinnern mich einzelne Weggefährten an meinen früheren Rufnamen Schaggi.

Als ich geboren wurde war mein Vater vierzig Jahre alt und, wie mir meine Mutter zu bedenken gab, war er zum dritten Mal verheiratet. In einem Alter, als ich selbst Familienvater war, versuchte ich mehrere Male bei ihm etwas über seine Zeit vor meiner Geburt zu erfahren. Ohne Erfolg. Also versuchte ich es bei seinen Schwestern Tanta Klärli und Tanta Silvali. Bei ihnen habe ich herausgefunden, dass mein lieber Papa eine Zeit lang in Zürich lebte.

Hinter vorgehaltener Hand, mit grossen, vielsagenden Augen, erzählte mir Tanta Silvali, seine jüngste Schwester, einmal, dass er eben gelebt habe in der Grossstadt Zürich, gewissermassen in Saus und Braus. Und dass ihm sogar das Millieu nicht unbekannt gewesen sei! So genau, sagte sie, wisse man das jedoch nicht.

Papas Zürcher Zeit

Es muss in den Zwanzigerjahren gewesen sein. In Graubünden herrschte Arbeitslosigkeit. Viele junge Bündner wanderten in die Grossstadt Zürich aus, um zu arbeiten, um Geld zu verdienen. Papa verdiente sein Geld als Akkordmaurer bei einer alteingesessenen Bauunternehmung namens Baur, war Mitglied des Schwingclubs Zürich und, was vielleicht erstaunen mag, im Limmatclub Zürich. Schaggi – der Nichtschwimmer und Pontonierfahrer.

Mit Hilfe von einigen wenigen Fotos stelle ich mir meinen Papa während seiner Zeit in Zürich vor: ein junger, kräftiger Mann mit schwarzem Kraushaar. Die körperliche Arbeit auf dem Bau verlieh ihm muskulöse Oberarme und breite Schultern. Beste Voraussetzungen für einen Kranzschwinger im Schwingclub Zürich. Ich erinnere mich gut, dass er mir einen abgegriffenen Zeitungsausschnitt aus dem «Sport» zu lesen gab. Der Artikel handelte vom nordostschweizerischen Schwingfest in Wädenswil. Papa hatte dort im Schlussgang mit einem Schwinger namens Hürlimann um den Festsieg geschwungen und die Ausmarchung verlo-

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